Begehrt unter der karibischen Sonne (3-teilige Serie)

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ZIMMER FREI IM PARADIES
Jetzt reicht’s! Caitlyns Hochzeit ist geplatzt, und statt mit Trost überschüttet ihr Chef sie mit Arbeit. Entschlossen kündigt sie dem attraktiven, aber ziemlich dominanten Jefferson Lyon und flüchtet in das Pazifik-Ferienparadies "Fantasies". Nicht weit genug - denn Jefferson ist auch schon da! Und weil anscheinend alle Zimmer belegt sind, will er bei Caitlyn übernachten. Nur ein Versuch, seine Sekretärin zurückzugewinnen?

VERFÜHRUNG UNTER PALMEN
Weißer Strand, warmer Sonnenschein und der anziehendste Mann, den Janine je gesehen hat: Der Urlaub wird perfekt! Unter dem Sternenhimmel gibt sie sich den berauschenden Gefühlen hin, die Max in ihr weckt. Wenn diese Nacht nur nie zu Ende ginge! Nach wenigen Stunden sind sie sich so vertraut ... Plötzlich wird ihr klar: Das ist Liebe auf den ersten Blick. Am nächsten Morgen macht Max allerdings einen unfassbaren Vorschlag ...

SINNLICHE KÜSSE VOR DEM STURM
Als Debbie aus dem Urlaub abreisen will, verhaftet man sie als Juwelendiebin! Dahinter steckt ihre Jugendliebe Gabe Vaughn. Großzügig bietet er Debbie an, sie freizulassen. Um ihr dann in heißen Nächten zu beweisen, dass sie seinen Heiratsantrag damals hätte annehmen sollen?


  • Erscheinungstag 29.10.2020
  • ISBN / Artikelnummer 9783751504225
  • Seitenanzahl 432
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Cover

Maureen Child

Begehrt unter der karibischen Sonne (3-teilige Serie)

Maureen Child

Zimmer frei im Paradies

IMPRESSUM

Zimmer frei im Paradies erscheint im CORA Verlag GmbH & Co. KG,
20350 Hamburg, Axel-Springer-Platz 1

Cora-Logo Redaktion und Verlag:
Brieffach 8500, 20350 Hamburg
Telefon: 040/347-25852
Fax: 040/347-25991

© 2007 by Maureen Child
Originaltitel: "Scorned by the Boss"
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V., Amsterdam

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BACCARA
Band 1497 (5/2) - 2008 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg
Übersetzung: Gabriele Ramm

Fotos: BartekSzewczyk / Getty Images

Veröffentlicht im ePub Format im 10/2020 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

eBook-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783751504126

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Führung in Lesezirkeln nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Verlages. Für unaufgefordert eingesandte Manuskripte übernimmt der Verlag keine Haftung. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

 

1. KAPITEL

Caitlyn Monroe klopfte kurz an und betrat dann die Höhle des Löwen.

Wie jeder gute Löwenbändiger war sie vorbereitet auf das, was sie womöglich erwartete. Ein zorniges angekettetes Tier, das nur darauf lauerte, jemanden zu zerfleischen? Vermutlich. Ein Kätzchen? Eher unwahrscheinlich. Während der drei Jahre, die sie jetzt schon für Jefferson Lyon arbeitete, hatte sie gelernt, dass der Mann eher knurrig und aggressiv als entgegenkommend und charmant war.

Jefferson war es gewohnt, seinen Willen durchzusetzen. Was ihn zu einem erstaunlich erfolgreichen Geschäftsmann und zu einem manchmal äußerst unangenehmen Chef machte.

Aber daran war Caitlyn gewöhnt. Sich Jeffersons Ansprüchen zu stellen war für sie normal. Und nach dem Schock, den sie am Wochenende erlitten hatte, freute sie sich geradezu auf das Normale. Das Alltägliche. Die Routine. Momentan war sie froh, dass sie Jefferson Lyons Attitüden kannte. Sie wusste, was sie zu erwarten hatte – und war sich sicher, dass sie bei ihm keine unliebsame Überraschung erleben würde.

Nein danke, dachte sie. Davon hatte sie Samstagabend reichlich gehabt.

Ihr Chef sah auf, als sie eintrat, und für einen kurzen Moment erlaubte Caitlyn sich, diesen Anblick zu genießen. Jeffersons Gesichtszüge waren kantig und ausdrucksstark, ein Blick aus seinen blauen Augen konnte einen sowohl faszinieren als auch gnadenlos durchbohren. Sein modisch geschnittenes hellbraunes Haar reichte fast bis zu seinem Kragen. Er war ein moderner Pirat, der es in geschäftlichen Belangen an Skrupellosigkeit durchaus mit Blaubart hätte aufnehmen können.

Die meisten seiner Angestellten machten möglichst einen großen Bogen um den Magnaten. Erklangen seine Schritte im Flur, veranlasste das die Leute meist, eiligst in alle Richtungen zu verschwinden. Er stand in dem Ruf, ein harter Mann zu sein. Und nicht immer fair. Dummköpfe konnte er nicht ausstehen, und er erwartete – nein, forderte – Perfektion von jedem.

Bisher war Caitlyn in der Lage gewesen, dem gerecht zu werden. Mühelos und äußerst patent organisierte sie sein Büro und den Großteil seines Lebens. Als Jefferson Lyons persönliche Assistentin erwartete man von ihr, dass sie sich seiner übermächtigen Persönlichkeit nicht beugte. Bevor sie ihren Job bei Jefferson antrat, hatte er eine Assistentin nach der anderen verschlissen. Doch Caitlyn war das jüngste von fünf Geschwistern und daran gewöhnt, sich Gehör zu verschaffen und sich nichts gefallen zu lassen.

„Was ist?“, fuhr Jefferson sie an und senkte den Blick wieder auf die Papiere, die auf seinem großen Mahagonischreibtisch verteilt waren.

Lage normal, dachte Caitlyn, während ihr Blick durchs Büro schweifte. Diverse Gemälde von Schiffen aus der Lyon Reederei zierten die in Taubenblau gestrichenen Wände. Zwei Ledersofas standen vor dem Kamin und bildeten eine gemütliche Sitzecke, während der Konferenztisch, der sich hinter der Bar am anderen Ende des Zimmers befand, Raum für größere Gesprächsrunden bot. Hinter Jeffersons Schreibtisch gaben die Panoramafenster einen fantastischen Blick auf den Hafen frei.

„Ich wünsche Ihnen auch einen guten Morgen“, entgegnete Caitlyn, die sich von Jeffersons Benehmen nicht aus der Ruhe bringen ließ. Schließlich hatte sie Zeit genug gehabt, sich daran zu gewöhnen.

Als sie die Stelle bei ihm angetreten hatte, war Caitlyn noch so dumm gewesen zu glauben, dass sie als seine Assistentin eine Art Partner für ihn wäre. Dass sie eine Arbeitsbeziehung anstreben würden, die aus mehr bestand, als dass Jefferson ihr Befehle erteilte, die sie unverzüglich auszuführen hatte.

Doch diese Vorstellung hatte sie schnell aufgeben müssen.

Jefferson hatte keine Partner. Er hatte Angestellte. Tausende von Angestellten. Und Caitlyn war eine von ihnen. Trotzdem war es ein guter Job, und sie bewältigte ihn hervorragend. Außerdem wusste sie, dass Jefferson ohne sie aufgeschmissen war, selbst wenn er diese „unbedeutende“ Tatsache erfolgreich ignorierte.

Sie ging durchs Zimmer, legte eine einzelne Seite auf seinen Papierstapel und wartete darauf, dass Jefferson sie nahm und las. „Ihre Anwälte haben die Zahlen für die Morgan Schifffahrtslinie gefaxt. Sie sagen, es wäre ein guter Deal.“

Er sah erneut auf, und sie sah einen Funken Interesse in seinen Augen aufblitzen. „Ich entscheide, was ein guter Deal ist“, erinnerte er sie.

„Natürlich.“ Sie verkniff sich die Frage, warum er sich die Mühe machte, die Meinung seiner Anwälte einzuholen, wenn er sowieso nichts darauf gab. Es würde nichts bringen, und er würde es nicht hören wollen. Jefferson Lyon stellte seine eigenen Regeln auf. Hin und wieder hörte er sich an, was andere zu sagen hatten, aber wenn er nicht mit ihnen übereinstimmte, dann verwarf er alles und machte das, was er für richtig hielt.

Caitlyn tippte mit der Spitze ihres hochhackigen Schuhs auf den weichen ozeanblauen Teppich und schaute an Jefferson vorbei nach draußen aufs Meer. Passagierschiffe wetteiferten mit Containerschiffen im geschäftigen Hafen. Auf mehreren dieser Frachter prangten stilisierte rote Löwen, das Logo der Lyon Reederei. Schlepper lenkten mächtige Schiffe sicher hinaus aufs Meer. Der Straßenverkehr floss über die Vincent-Thomas-Brücke, und das Sonnenlicht wurde vom Ozean reflektiert, sodass das Wasser glitzerte wie Diamanten.

Die Lyon Reederei hatte ihren Sitz im kalifornischen San Pedro, direkt in einem der geschäftigsten Häfen des Landes. Von hier aus konnte Jefferson sich ansehen, wie seine Schiffe im Hafen ein- und ausliefen. Er konnte die alltägliche Arbeit in den Werften beobachten, die schweren Kräne, die Hafenarbeiter, die die Schiffe be- und entluden, den stetigen Betrieb, der ihn zu einem der reichsten Männer der Welt machte.

Aber Jefferson war nicht der Typ, der sich auf seinem Bürostuhl umdrehte und die schöne Aussicht genoss. Stattdessen verbrachte er den Großteil seiner Zeit mit dem Rücken zum Fenster, den Blick auf irgendwelche Papiere gerichtet.

„Gibt’s noch was?“, fragte er, als Caitlyn nicht ging.

Sie schaute auf und verspürte den gleichen Schock wie immer, wenn er sie mit diesen stahlblauen Augen ansah. Plötzlich erinnerte sie sich an die Unterhaltung, die sie am Samstagabend mit ihrem inzwischen Exverlobten Peter geführt hatte.

„Du willst mich gar nicht heiraten, Caitlyn“, hatte Peter gesagt und den Kopf geschüttelt, während er die Brieftasche herausholte. Er zog einen Zwanziger heraus und warf ihn auf den Tisch, um die Drinks zu bezahlen. „Du bist gar nicht in mich verliebt.“

Caitlyn sah ihn an, als hätte er auf einmal zwei Köpfe bekommen. „Hallo? Trage ich deinen Ring?“ Sie wedelte mit der Hand vor seiner Nase herum, falls er den Ring mit dem Zwei-Karat-Stein vergessen haben sollte, den er ihr vor sechs Monaten geschenkt hatte. „Was glaubst du denn, wen ich heiraten will?“

Peter holte tief Luft. „Ist das nicht offensichtlich? Jedes Mal, wenn wir zusammen sind, redest du nur von Jefferson Lyon. Was er getan hat, was er gesagt hat, was er vorhat.“

Tat sie das wirklich? Das war ihr gar nicht bewusst gewesen. Aber selbst wenn es so wäre, na und?

„Du redest doch auch von deinem Chef“, erinnerte Caitlyn ihn wütend. „Das nennt man Unterhaltung.“

„Nein, es ist keine Unterhaltung. Es geht um ihn. Lyon.“

„Was ist mit ihm?“

„Du bist in ihn verliebt.“

„Was?“ Caitlyns Stimme überschlug sich fast. „Du bist verrückt.“

„Ich glaube nicht“, meinte Peter. „Und ich werde keine Frau heiraten, die offensichtlich einen anderen will.“

„In Ordnung“, sagte Caitlyn, zog den Diamanten von ihrem Finger und legte ihn auf den Tisch. „Hier. Du willst mich nicht heiraten? Okay, dann nimm deinen Ring. Aber versuche nicht, mir die Schuld zuzuschieben, Peter.“

„Du begreifst es nicht, oder?“, erwiderte er und schüttelte wieder den Kopf. „Du erkennst nicht einmal, was du für diesen Typen empfindest.“

„Er ist mein Chef. Das ist alles.“

„Ja?“ Peter rutschte von der Bank, stellte sich neben den Tisch und schaute Caitlyn an. „Dann glaube weiter daran, Caitlyn. Aber du solltest wissen, dass Lyon in dir niemals etwas anderes als seine Assistentin sehen wird. Er betrachtet dich als einen Teil seiner Büroeinrichtung. Weiter nichts.“

Das machte Caitlyn sprachlos. Sie war von dieser Situation völlig überrumpelt worden. Dabei hatte sie Peter nur von Jeffersons Plänen erzählt, ein Kreuzfahrtschiff zu kaufen. Und wegen ihrer bevorstehenden Hochzeit würde sie nicht mit Jefferson geschäftlich nach Portugal reisen können, um dieses Schiff anzuschauen. Auf einmal hatte sich Peters Verhalten komplett verändert, und völlig unvermittelt hatte er die Hochzeit abgesagt, die sie seit sechs Monaten vorbereiteten.

In einem Monat hätte es so weit sein sollen, die Einladungen waren seit Langem verschickt, die ersten Geschenke trafen bereits ein, und an das Restaurant in Laguna hatten sie eine nicht unerhebliche Anzahlung entrichtet. Aber wie es aussah, konnte sie all das jetzt absagen.

Wie zum Teufel kam Peter darauf, dass sie in ihren Chef verliebt sein könnte? Du lieber Himmel, Jefferson Lyon war arrogant, herrisch, stolz und, na ja, schlicht und einfach schwierig. Sollte sie deswegen ihren Job hassen? Hätte das Peters Leben erleichtert?

„Es tut mir leid, dass es so gekommen ist“, sagte Peter und wollte offenbar die Hand nach ihr ausstrecken. Im letzten Moment besann er sich aber und ließ die Finger fallen. „Ich glaube, wir hätten gut zusammengepasst.“

„Du täuschst dich in mir“, erwiderte sie und schaute zu dem Mann, von dem sie geglaubt hatte, sie würde den Rest ihres Lebens mit ihm verbringen.

„Um deinetwillen“, meinte Peter wehmütig, „wünschte ich, das wäre wahr.“

Dann ging er, und Caitlyn blieb allein – ohne Ring am Finger –, ratlos und desillusioniert.

„Caitlyn!“

Jeffersons Stimme schreckte sie aus ihren Erinnerungen hoch. „Entschuldigung, tut mir leid.“

„Das sieht Ihnen ja gar nicht ähnlich, so unkonzentriert zu sein“, ermahnte er sie.

„Ich war nur …“ Was?, fragte sie sich. Willst du dich wirklich hinstellen und ihm erzählen, dass dein Verlobter sich von dir getrennt hat, weil er glaubt, du liebst deinen Chef? Oh, wäre das nicht spaßig? Reiß dich zusammen, Caitlyn.

„Nur was?“, fragte Jefferson und warf ihr kurz einen leidlich interessierten Blick zu, bevor er das Dokument vor sich wieder eingehend studierte.

„Nichts.“ Sie würde es ihm nicht erzählen. Würde ihm nicht von der geplatzten Hochzeit berichten. Okay, irgendwann würde sie es tun müssen, da sie vier Wochen Urlaub für die Flitterwochen beantragt hatte. Die sie jetzt traurigerweise nicht mehr benötigen würde. „Ich wollte Sie daran erinnern … Sie haben um vierzehn Uhr ein Meeting mit dem Leiter von ‚Simpson Furniture‘, und zum Abendessen sind Sie mit Claudia verabredet.“

Jefferson lehnte sich in seinem dunkelblauen Ledersessel zurück, verschränkte die Hände und meinte: „Ich habe für Claudia heute keine Zeit. Sagen Sie ihr ab, okay? Und … schicken Sie ihr irgendwas.“

Caitlyn seufzte, als sie an die Unterhaltung dachte, die sie mit Claudia Stevens würde führen müssen. Die junge Frau war die Letzte in einer langen Reihe von hübschen Models und Schauspielerinnen, mit denen Jefferson auszugehen pflegte. Claudia war daran gewöhnt, dass Männer bewundernd vor ihr auf die Knie fielen. Sie erwartete Jefferson Lyons ungeteilte Aufmerksamkeit, und die würde sie niemals bekommen.

Caitlyn hatte gewusst, dass es so kommen würde. Ihr Chef sagte ständig seine Verabredungen ab. Genau genommen sagte Caitlyn für ihn ab. Für Jefferson stand die Arbeit immer an erster Stelle, dann folgte lange Zeit nichts, und dann kam erst sein Privatleben. Während der vergangenen drei Jahre hatte Caitlyn nie erlebt, dass er länger als sechs Wochen mit einer Frau ausgegangen war – und das waren dann sehr geduldige Frauen gewesen.

Peter täuschte sich gründlich. Niemals könnte sie einen Mann wie Jefferson Lyon lieben. Solch eine Beziehung wäre von vornherein zum Scheitern verurteilt.

„Sie wird nicht begeistert sein.“

Jefferson lächelte verschwörerisch. „Deshalb ja das Geschenk. Ein nettes kleines Schmuckstück.“

„In Ordnung“, sagte sie. „Gold oder Silber?“

Er richtete sich auf, nahm seinen Stift und wandte sich wieder dem Papierstapel zu. „Silber.“

„Was auch sonst“, murmelte Caitlyn – denn natürlich war Gold nur für die Frauen reserviert, die länger als drei Wochen aushielten. „Ich kümmere mich darum.“

„Da habe ich vollstes Vertrauen zu Ihnen“, erklärte er, während sie zur Tür ging. „Und, Caitlyn?“

Sie blieb stehen, drehte sich um und bemerkte, dass das Sonnenlicht, das durch die Jalousien schien, Jeffersons Haar einen goldenen Schimmer verlieh. Irritiert, weil sie überhaupt auf so etwas achtete, fragte sie: „Ja?“

„Ich will heute nicht gestört werden. Mit Ausnahme des Termins um zwei Uhr.“

„Okay.“ Sie ging hinaus, schloss die Tür hinter sich und lehnte sich dagegen.

Sie hatte es geschafft. Hatte die Begegnung überstanden, ohne in Tränen auszubrechen oder die Fassung zu verlieren. Sie hatte sich zusammengerissen und völlig sachlich mit Jefferson gesprochen.

Schließlich bedeutete die Tatsache, dass ihr Verlobter sie hatte sitzen lassen, nicht, dass ihr gewohntes Leben zu Ende war.

Jefferson arbeitete den ganzen Tag durch, schaffte es, sich um die dringendsten Probleme zu kümmern, und sah erst gegen achtzehn Uhr von der Arbeit auf. Hinter ihm tauchte die Sonne den Himmel in ein rot-orangenes Farbenmeer. Doch Jefferson nahm sich nicht die Zeit, das Naturschauspiel zu bewundern. Es gab immer noch eine Menge Dinge, die seine Aufmerksamkeit erforderten. Vor allem das neue Gebot für das Kreuzfahrtschiff, das er kaufen wollte. Ein Blick auf das Anschreiben ließ ihn zusammenzucken und die Hand ausstrecken, um den Knopf der Gegensprechanlage zu drücken.

„Caitlyn, ich muss Sie sprechen.“

Eine Minute später öffnete Caitlyn die Tür, die Handtasche über die Schulter gehängt, als hätte er sie gerade noch erwischt, bevor sie gehen wollte. „Was ist?“

„Das hier“, sagte er, stand auf und ging durchs Zimmer. Er hielt ihr den Brief entgegen: „Lesen Sie den zweiten Absatz.“

Jefferson beobachtete, wie sie eine Strähne ihres dunkelblonden Haares hinter ein Ohr strich, während sie das Schreiben las. Und er sah, wie sich ihr Gesichtsausdruck leicht veränderte, als sie den Fehler fand, den auch er eben entdeckt hatte. Das sah ihr so gar nicht ähnlich. Als beste Assistentin, die er je gehabt hatte, machte Caitlyn einfach keine Fehler. Das war einer der Gründe, warum sie so gut miteinander auskamen.

Seine Welt lief wie eine gut geölte Maschine, und zwar genauso, wie er es wollte. Keine Überraschungen. Keine Erschütterungen. Alles folgte genau dem Muster, das er vorgab. Dass Caitlyn plötzlich anfing, Fehler zu machen, erschütterte sein Universum.

„Ich berichtige es sofort“, erklärte sie und sah ihn an.

„Gut. Aber was mir viel mehr Sorgen bereitet, ist die Tatsache, dass der Fehler überhaupt passiert ist.“ Er stieß mit dem Zeigefinger auf die Zeile, die seine Aufmerksamkeit erregt hatte. „Fünfhundert Millionen Dollar für das Kreuzfahrtschiff zu bieten, für das ich bereits eingewilligt hatte, fünfzig Millionen zu zahlen, ist einfach nicht akzeptabel.“

Sie atmete tief durch und strich sich das dunkelblonde Haar aus der Stirn. Aus großen braunen Augen sah sie ihn an. „Ich weiß. Aber, Jefferson, niemand außer Ihnen hat es gemerkt. Es ist ja nicht so, als wäre das Angebot nach draußen gegangen.“

„Es hätte aber passieren können.“

„Ist es aber nicht.“

Er verschränkte die Arme vor der Brust und schaute sie missbilligend an. Selbst in den Schuhen mit den hohen Absätzen war sie gut fünfzehn Zentimeter kleiner als er. „Das ist völlig untypisch für Sie.“

Sie seufzte und gab zu: „Ich habe das nicht getippt. Georgia hat es für mich erledigt.“

Jetzt wurde Jefferson wütend. Er war ein Mann, der das gleiche Maß an Perfektion von seinen Angestellten erwartete, das er selbst erbrachte. Und als seine Assistentin war Caitlyn verantwortlich für die Papiere, die in seinem Büro erstellt wurden. Die Tatsache, dass sie Aufgaben an die Sekretärinnen weitergab, irritierte ihn.

„Und warum war Georgia daran beteiligt? Die Frau ist wohl kaum kompetent genug für so etwas.“ Georgia Morris, eine ältere Frau, war bereits seit zwanzig Jahren in der Firma. Sie galt schon fast als Institution in der Reederei. Aber das bedeutete nicht, dass Jefferson ihren Fehlern gegenüber blind war.

Er legte Wert auf Loyalität, aber auch die hatte ihre Grenzen.

Caitlyn ging sofort in die Defensive. „Georgia ist sehr wohl dazu fähig. Sie arbeitet hart. Das hier war lediglich ein Tippfehler.“ Sie richtete sich auf und streckte ihr Kinn vor.

„Der uns vierhundertfünfzig Millionen Dollar hätte kosten können.“

Sie zuckte zusammen. „Sie wollte mir helfen.“

„Und warum benötigen Sie auf einmal Hilfe bei einem Job, den Sie seit zwei Jahren ausüben?“

„Drei.“

„Was?“

„Drei Jahre“, sagte sie gekränkt. „Ich arbeite seit drei Jahren für Sie.“

Das war ihm gar nicht bewusst gewesen. Aber gleichzeitig kam es ihm so vor, als wäre sie schon immer da. Ein Teil seines Tages. Ein unabkömmlicher Teil seiner Firma.

„Noch ein Grund mehr, warum Sie keine Hilfe benötigen sollten“, erklärte Jefferson. Erstaunt stellte er fest, dass Caitlyns Augen wütend zu funkeln begannen. Warum zum Teufel war sie jetzt sauer?

Als hätte sie seine Gedanken gelesen, nahm sie sich einen Moment Zeit, um sich zu beruhigen. Sie atmete noch einmal tief durch, bevor sie antwortete.

„Ich hatte einen harten Tag“, sagte sie schließlich. „Georgia wollte einfach nur nett sein.“

„Mit Nettigkeit bekommt man die Arbeit nicht erledigt“, erklärte Jefferson knapp. Es interessierte ihn nicht, warum Caitlyn einen harten Tag hatte. Mit dem Privatleben seiner Angestellten wollte er nichts zu tun haben. Das gab im Büro nur Probleme.

„Typisch“, murmelte sie.

„Was?“

„Nichts.“

Er sah sie unwillig an. „Und wenn Sie immer noch vorhaben, sich von Georgia vertreten zu lassen, während Sie in den Flitterwochen sind, dann sollten Sie das noch einmal überdenken. Engagieren Sie lieber eine Zeitarbeitskraft, die die Arbeit erledigt, ohne kostspielige Fehler zu machen.“

„Das wird nicht nötig sein“, stieß Caitlyn hervor, nahm die Handtasche von der Schulter und ging zu ihrem Schreibtisch.

Jefferson lachte spöttisch und folgte ihr. „Es ist sehr wohl nötig. Sie werden vier Wochen lang weg sein, und Georgia kann unmöglich dieses Büro leiten.“

„Nein“, meinte Caitlyn, während sie ihren Schreibtischstuhl hervorzog und den Computer hochfuhr. „Es ist nicht nötig, eine Zeitarbeitskraft einzustellen. Ich werde nicht verreisen.“

Jefferson runzelte die Stirn, ging um Caitlyns Schreibtisch herum und beobachtete sie, während sie den Brief zur Seite legte und sich daranmachte, ihn zu korrigieren. Erst da bemerkte er, dass der Diamantring, den sie während der letzten sechs Monate getragen hatte, nicht mehr an ihrem Finger steckte. Das war also der Grund für ihren harten Tag.

Verdammt.

Er rieb sich mit der Hand über den Nacken. Er wollte nichts über ihr Privatleben wissen. Wenn sie nicht um einen vierwöchigen Urlaub gebeten hätte, hätte er vermutlich niemals erfahren, dass Caitlyn heiraten wollte.

Und jetzt schien es so, dass nicht nur die Hochzeit abgesagt wurde. Weil Caitlyn das Thema angesprochen hatte, kam er jetzt wohl nicht umhin, mit ihr darüber zu sprechen.

„Was ist mit den Flitterwochen?“

„Ohne Hochzeit keine Flitterwochen, oder?“, erklärte sie munter, ohne ihn dabei anzuschauen.

Was sagte man in solch einem Fall? Tut mir leid? Herzlichen Glückwunsch? Letzteres entsprach eher seiner Art zu denken. Jefferson war schleierhaft, warum jemand heiraten und sich ein Leben lang an eine Person binden wollte, die einem dann vermutlich mit ihrem Gejammer das Leben zur Hölle machte.

Doch es war vermutlich besser, wenn er seine Einstellung zu diesem Thema für sich behielt. „Also ist sie abgesagt.“

„Ja“, sagte sie nur und klickte auf ein Symbol, um die Datei zu öffnen.

Offensichtlich hatte er sich geirrt. Caitlyn hatte genauso wenig Interesse daran, über ihren Ex zu sprechen, wie er etwas darüber hören wollte. Das war ihm nur recht. Allerdings wunderte er sich, warum sie ihm nicht detailliert darüber berichten wollte.

Seiner Erfahrung nach taten Frauen nichts lieber, als Männer mit langweiligen Diskussionen über ihre Gefühle, Bedürfnisse, Wünsche und ihre Beschwerden ins gedankliche Koma zu versetzen. Wie es schien, stellte Caitlyn eine rühmliche Ausnahme dar.

Mit hochgezogenen Augenbrauen beobachtete er, wie ihre zierlichen Finger wie die einer Konzertpianistin über die Tastatur glitten. Geschmeidig und schnell war sie Sekunden später fertig und druckte das Dokument aus. Als das Papier aus dem Drucker glitt, griff sie danach und reichte es Jefferson.

„Hier. Fehler behoben, Krise abgewendet.“

Er überflog das Schreiben, nickte, als er die geänderten Zahlen sah, und schaute dann Caitlyn wieder an. Was auch immer der Grund für die abgesagte Hochzeit gewesen sein mochte, Caitlyn kam anscheinend gut damit zurecht. Wofür er dankbar war. Er hatte keine Lust, eine heulende Assistentin in seinem Vorzimmer sitzen zu haben. Er wollte, dass sein Leben weiter in ruhigen Bahnen verlief. So wie immer.

„Danke.“

Sie nickte, schaltete den Computer aus und nahm ihre Handtasche. „Wenn das alles ist, verschwinde ich jetzt.“

„In Ordnung“, sagte er und ging zurück zu seinem Büro. Dann fiel ihm etwas ein. Er blieb an der Türschwelle stehen und sah zu Caitlyn. „Da Sie ja nun nicht heiraten, nehme ich an, dass Sie mich nach Portugal begleiten können.“

„Was?“

Während er in sein Büro ging, sprach Jefferson weiter, da er – zu Recht – annahm, dass Caitlyn ihm folgen würde. „Wir reisen in drei Wochen ab. Ich möchte das neue Kreuzfahrtschiff persönlich in Augenschein nehmen. Und ich brauche Sie an meiner Seite. Und da Ihre Pläne sich geändert haben, sehe ich keinen Grund, warum Sie nicht mitkommen können.“

Er setzte sich hinter seinen Schreibtisch, legte das neue Anschreiben auf das offizielle Angebot und lehnte sich in seinem Stuhl zurück, als Caitlyn näher kam. Verwundert bemerkte er das wütende Funkeln in ihren Augen und den zusammengekniffenen Mund.

„Das ist alles?“, meinte sie. „Das ist alles, was Sie dazu zu sagen haben?“

„Wozu?“

„Über den Umstand, dass ich nicht heiraten werde.“

„Was soll ich noch dazu sagen?“

„Oh“, konterte sie, „nichts.“ Aber ihr Ton verriet, dass sie mehr erwartet hatte.

„Wenn Sie auf mein Mitgefühl hoffen, bitte schön. Sie haben es.“

„Wow.“ Sie legte eine Hand auf ihr Herz und riss die Augen in gespielter Überraschung auf. „Das war ja so mitfühlend, Jefferson. Lassen Sie mir eine Minute Zeit, damit ich mich davon erholen kann.“

„Ich bitte um Verzeihung.“ Er stand auf und bemerkte das Gefühlschaos auf ihrem Gesicht. Während all der Jahre, die sie zusammenarbeiteten, war Caitlyn niemals emotional geworden. Sarkastisch, ja. Aber ansonsten hatte sie ihre Beziehung zu ihm genauso unpersönlich gehalten wie er zu ihr. Bis zu diesem Augenblick.

„Es tut Ihnen überhaupt nicht leid. Sie sind nur froh, dass ich wieder voll und ganz zu Ihrer Verfügung stehe.“

„Sie stehen immer voll und ganz zu meiner Verfügung“, wies er sie zurecht und fragte sich, wieso sie auf einmal so wütend war.

„Mein Gott. Das tue ich wirklich, nicht wahr?“, fragte sie und warf ihm einen befremdeten Blick zu, als würde sie Jefferson zum ersten Mal sehen.

„Warum auch nicht?“ Er richtete sich auf und legte die Hände auf den Schreibtisch.

„Sie haben recht“, sagte sie. „Das ist mein Job. Und ich mache ihn gut. Zu gut vermutlich. Nur deshalb ist die ganze Sache jetzt so verworren. Aber Peter hat sich geirrt.“

„Peter? Wer ist Peter?“

„Mein Verlobter.“ Sie warf ihm einen zornigen Blick zu. „Du meine Güte, ich war sechs Monate lang mit dem Mann verlobt, und Sie kennen nicht einmal seinen Namen.“

„Warum sollte ich den Namen dieses verdammten Mannes kennen?“, erwiderte Jefferson und stopfte die Hände in seine Hosentaschen. Diese Unterhaltung hatte eine Wendung genommen, die ihm absolut nicht gefiel.

„Weil“, fuhr sie ihn an, „es in menschlichen Kulturen als normales Verhalten angesehen wird, wenn man sich für seine Kollegen interessiert.“

Er schnaubte. „Sie sind keine Kollegin“, korrigierte er sie. „Sie sind meine Angestellte.“

Fassungslos sah sie ihn an. „Und das ist alles?“

„Was sonst?“

„Wissen Sie“, erklärte sie aufgebracht, während sie an dem Riemen ihrer Handtasche zerrte. „Ich fürchte, Sie meinen das tatsächlich ernst. Sie haben ja keine Ahnung. Überhaupt keine.“

„Wovon?“

„Wenn Sie das nicht wissen, kann ich es Ihnen auch nicht erklären.“

„Ah, die typische Ausrede einer Frau, die sich in die Enge getrieben fühlt“, meinte er kopfschüttelnd. „Da hätte ich von Ihnen aber mehr erwartet, Caitlyn.“

„Und ich habe erwartet …“ Sie hielt inne, atmete aus und strich sich die Haare aus der Stirn. Wenn Blicke töten könnten, wäre er jetzt ein toter Mann. „Ich weiß nicht, warum ich etwas anderes erwartet habe. Wissen Sie was? Vergessen Sie es.“

„Ausgezeichnete Idee“, sagte Jefferson und ergriff die Gelegenheit, diese unangenehme Diskussion so schnell wie möglich zu beenden. Aus was für Gründen auch immer, seine zuverlässige, ausgeglichene Assistentin war heute nicht ganz zurechnungsfähig. „Wir werden einfach vergessen, dass diese Unterhaltung stattgefunden hat.“

„Das werden Sie tatsächlich, nicht wahr?“ Caitlyn umfasste den Riemen ihrer Handtasche noch fester, drehte sich um und ging zur Tür. „Nun, ich werde sie nicht so schnell vergessen, Jefferson.“

Einen Moment später war sie gegangen, und er blieb zurück. Er war es nicht gewohnt, dass irgendjemand ihn stehen ließ und zudem noch das letzte Wort hatte. Und es gefiel ihm ganz und gar nicht.

2. KAPITEL

„Männer sind Schweine.“ Angewidert nahm Debbie Harris ihren Drink.

„Hört, hört!“ Janine Shaker griff nach ihrem Cosmo und hob ihn zu einem Toast.

„Dem kann ich mich nur anschließen“, meinte Caitlyn und stieß mit ihren Freundinnen an. Dann trank sie einen großen Schluck ihres Himbeer-Martinis und seufzte.

Nach dem aufreibenden Wochenende, das sie gehabt hatte, ganz zu schweigen von der eben geführten Unterhaltung mit Jefferson, war es gut, mit ihren Freundinnen zusammen zu sein. Frauen, die sie verstanden. Frauen, auf die sie sich verlassen konnte, egal worum es ging.

„Bist du okay, Liebes?“, fragte Debbie, die ein großes Herz hatte und besonders sensibel war. „Ich meine, wirklich okay?“

„Mir geht es gut“, antwortete Caitlyn, selbst überrascht, dass sie die Wahrheit sagte. Du meine Güte, sie hatte Peter heiraten wollen! Sollte sie nicht trauern? Sollte sie nicht irgendwo in einer Ecke sitzen und fürchterlich heulen?

Natürlich hatte sie am Wochenende Tränen vergossen, aber wenn Peter tatsächlich die Liebe ihres Lebens gewesen wäre, dann hätte sie sich wohl doch ein wenig … miserabler fühlen müssen, oder? Aber das tat sie nicht. Und das war beinahe noch schlimmer als das Ende ihrer Beziehung.

„Ich fasse es nicht, dass Peter glaubt, du wärst in deinen Chef verliebt“, meinte Janine und lachte verächtlich. „Lyon macht dich doch verrückt.

„Ich glaube, Peter hatte einfach nur Angst und brauchte einen Grund, um sich vor der Hochzeit zu drücken, dieser Feigling“, erklärte Debbie.

„Ja, aber Caitlyn deshalb vorzuwerfen, sie wäre in Lyon verliebt?“ Janine schüttelte den Kopf. „Das geht nun doch eindeutig zu weit.“

In diesem Augenblick konnte Caitlyn kaum an Jefferson Lyon denken, ohne mit den Zähnen zu knirschen. In ihn verliebt? Niemals. Okay, sie fand ihn anziehend. Welche Frau, die noch einen Funken Leben in sich verspürte, würde das nicht? Aber damit hatte es sich auch.

„Lasst mich bloß mit Jefferson Lyon in Ruhe“, murmelte Caitlyn und schnappte sich einen Tortillachip aus dem Korb, der auf dem Tisch stand. Während sie zubiss, stellte sie sich einen flüchtigen Moment lang vor, dass es das Genick ihres Chefs war, das da gerade brach – ein sehr befriedigender Gedanke. Sie schluckte und erzählte ihren Freundinnen: „Als Jefferson hörte, dass die Hochzeit geplatzt ist, meinte er nur: ‚Oh, gut. Dann können Sie ja mit mir nach Portugal fahren.‘ Da kam kein ‚Es tut mir leid, Caitlyn. Geht es Ihnen gut? Möchten Sie ein wenig Urlaub machen? Möchten Sie, dass ich den Kerl für Sie töte?‘“ Sie trank einen Schluck und griff nach einem weiteren Chip. „Ich sage euch, ich war kurz davor zu kündigen.“

„Das hättest du tun sollen“, sagte Debbie. „Männer sind Schweine.“

„Wo habe ich das nur schon einmal gehört?“, überlegte Janine laut.

„Sehr witzig.“ Debbie schnitt ein Gesicht und wandte sich dann wieder an Caitlyn. „Wie auch immer, Peter war offensichtlich noch nicht bereit, sich zu binden, und hat Lyon als Vorwand genommen.“

„Und das war ein ziemlich alberner Vorwand“, erklärte Caitlyn. Sie weigerte sich, an dieses heiße, köstliche Gefühl zu denken, das jedes Mal, wenn sie Jefferson zu nahe kam, durch sie hindurchschoss. Da ging es nur um Lust. Oder vielleicht nicht einmal das. Einfach nur … Anerkennung für einen gut aussehenden Mann. Das war’s. Sie nickte. Anerkennung. Anziehungskraft. Weiter nichts.

„Pah.“ Janine schüttelte den Kopf. „Sieh es positiv, er hat dir wenigstens einen Monat Zeit gegeben, die Hochzeit abzusagen. Nicht so wie John, mein eigener Nichtsnutz von Ex, der drei Tage für ausreichend hielt.“

Das stimmte. Janines Exverlobter hatte ihr drei Tage vor der Hochzeit einen Zettel hingelegt, auf dem stand, es täte ihm leid, das Ganze wäre doch nichts für ihn. Debbie hatte recht, Männer waren Schweine.

„Hast du es schon deiner Mom erzählt?“, fragte Debbie behutsam.

Ja, diese Freundinnen kannten sie gut. Kannten ihre Familie. Wussten, dass ihre Mutter ihr die Hölle heiß machen würde, weil sie ihr die Chance vermasselt hatte, Brautmutter zu sein.

„Ja, und wie ihr euch denken könnt, war das alles andere als angenehm.“ Caitlyn schloss die Augen und seufzte, als sie an den geschockten, enttäuschten und frustrierten Gesichtsausdruck ihrer Mutter dachte, als sie ihr gestern die bittere Nachricht überbracht hatte.

„Sie hat es vermutlich nicht gut aufgenommen, oder?“, hakte Janine nach.

„Das kann man wohl sagen. Man hätte denken können, ich … Nein, mir fällt nicht einmal etwas ein, womit ich ihre Reaktion vergleichen könnte. Sie hat das Kleid für die Hochzeit seit der Woche, in der Peter mir einen Heiratsantrag gemacht hat“, erinnerte sie ihre Freundinnen unnötigerweise. „‚Vier Mal‘, hat sie mir gestern vorgehalten, ‚vier Mal war ich Mutter des Bräutigams. Endlich sollte ich Brautmutter sein.‘“

„Oh, oh“, murmelte Debbie mitfühlend.

„Genau“, meinte Caitlyn. „Sie hat die Vorbereitungen so genossen. Wir waren schon froh, dass wir den Ort für die Trauung selber aussuchen durften, und das auch nur, weil Peter und ich unsere Hochzeit selbst bezahlen wollten. Sonst hätte Mom eine Kathedrale oder etwas Ähnliches für uns ausfindig gemacht. Sie hatte sich wirklich auf eine riesige Show gefreut.“

„Dafür wirst du büßen müssen.“

Janine grummelte: „Sie sollte Peter dafür büßen lassen.“

„Es ist egal“, erwiderte Caitlyn kopfschüttelnd. „Es ist vorbei. Und jetzt ist unser kleines Trio der Sitzengelassenen komplett.“

Debbie sah sie über den Tisch hinweg an. „Ich bin immer noch fassungslos, dass Peter sich als solch ein Ekel erwiesen hat. Er schien so nett zu sein.“

Janine trank ihr Glas leer und verzog das Gesicht. „Anfangs schienen sie alle nett zu sein. Mike war so wunderbar zu dir, bis du herausgefunden hast, dass er bereits zwei Frauen hatte.“

Caitlyn zuckte zusammen. Vor sechs Monaten war Debbie kurz davor gewesen, mit Mike nach Las Vegas durchzubrennen, als sie in der Wohnung ihres Verlobten einen Telefonanruf entgegengenommen hatte. Am anderen Ende der Leitung war seine Frau gewesen. Und dann war alles ans Licht gekommen, und es stellte sich heraus, dass es noch eine weitere Ehefrau gab. Was dazu führte, dass Mike jetzt im Gefängnis saß, dort, wo jeder gute Bigamist hingehörte.

„Stimmt“, meinte Debbie und rieb über ihren Ringfinger, an dem bis vor sechs Monaten noch ein antiker Mondstein gefunkelt hatte. Dann zuckte sie mit den Schultern und sah Janine an. „Bei dir war es aber am schlimmsten. Nur drei Tage, um alles abzusagen.“

Janine nickte. „John hatte es gern dramatisch. Dieser elende Mistkerl.“

„Es war ein schreckliches Jahr, oder?“ Debbie warf ihr langes blondes Haar über die Schulter und sah von Janine zu Caitlyn. „Was unser Liebesleben betrifft, meine ich.“

„Stimmt.“ Janine gab der Kellnerin ein Zeichen, indem sie ihr leeres Glas hochhielt. „Wie groß waren die Chancen, dass wir drei uns im selben Jahr verloben und wieder entloben würden?“

„Dahinter steckt eine kosmische Symmetrie, da muss ich dir recht geben“, seufzte Caitlyn und fügte hinzu: „Zumindest haben wir uns unsere Freundschaft bewahrt, sodass wir einander noch haben.“

„Dem Himmel sei Dank.“ Janine kaute nachdenklich auf ihrem Strohhalm.

Caitlyn trank einen Schluck, bevor sie meinte: „Wir alle drei waren verlobt und sind dann sitzen gelassen worden. Was sagt das über uns aus?“

„Dass wir zu gut für die Männer sind, die hier in der Gegend noch als Singles herumlaufen?“, schlug Janine grinsend vor.

„Das auch“, erwiderte Debbie lächelnd. „Aber es sagt auch, dass es wieder Montagabend ist, wir wieder am selben Tisch, in derselben Bar sitzen, in der wir uns seit fünf Jahren regelmäßig treffen.“

„Hey, mir gefällt es im ‚On The Pier‘“, verteidigte sich Janine und hob erneut ihr leeres Glas, damit die Kellnerin Nachschub brachte.

„Uns allen gefällt es“, warf Caitlyn ein und trank schnell ihren Martini aus, denn die zweite Runde war bereits auf dem Weg. Langsam ließ sie den Blick durch den überfüllten Raum gleiten. Vereinzelt sah man Männer in Anzügen, die auf dem Weg vom Büro nach Hause noch schnell auf einen Drink vorbeigekommen waren. Doch hauptsächlich waren es Stammgäste wie Caitlyn und ihre Freundinnen, die in Jeans und T-Shirts an einem gemütlichen Ort einen entspannten Abend verleben wollten.

‚On The Pier‘, eine kleine Bar in Long Beach, war zu ihrem Treffpunkt geworden, nachdem sie alle einundzwanzig Jahre alt geworden waren. Jeden Montagabend, unabhängig davon, was sonst noch war, hatten die drei Frauen eine feste Verabredung, um gemeinsam etwas zu trinken und zu plaudern. Und im Laufe des vergangenen Jahres, als nacheinander jeweils eine von ihnen wegen einer aufgelösten Verlobung getröstet werden musste, waren diese Treffen noch wichtiger geworden.

Caitlyn betrachtete ihre beiden Freundinnen nachdenklich. Trotz all der Probleme, die sie im Moment hatte, musste sie lächeln. Sie, Debbie und Janine waren seit der Highschoolzeit befreundet.

Caitlyn, die mit vier älteren Brüdern aufgewachsen war, hatte sich immer nach einer Schwester gesehnt. In Debbie und Janine hatte sie gleich zwei gefunden. Sie standen ihr näher als sonst irgendjemand. „Es ist eine angenehme Bar, und wir kennen jeden hier. Es ist unser sicherer Hafen.“

„Genau!“ Debbie trank ihr Glas leer und stellte es auf den Tisch. Dann stützte sie die Ellenbogen auf dem Tisch ab und sah ihre beiden Freundinnen an. „Das wollte ich damit ausdrücken. Wir befinden uns in einem sicheren Hafen – auch wenn es nicht der Hafen der Ehe ist. Wir sind sitzen gelassen worden, und wir sind immer noch hier. Am selben Ort. Am selben Tag. Zur selben Zeit.“

„Und?“ Janine hielt inne, als die Kellnerin mit vollen Gläsern kam, sie verteilte und wieder verschwand.

Nachdem sie wieder allein waren, schnappte Debbie sich ihren Drink und trank einen großen Schluck, bevor sie weitersprach: „Also, warum sind wir so zufrieden, in unserem sicheren Hafen zu bleiben? Warum brechen wir nicht einmal aus? Probieren etwas Neues aus?“

Caitlyn runzelte die Stirn. „Was denn?“

„Na ja …“ Debbie zögerte. „Ich weiß nicht genau. Aber wir sollten etwas tun.“

„Vielleicht …“, begann Janine, bevor sie hastig den Mund schloss und den Kopf schüttelte. „Nein, vergesst es.“

„Was?“

„Komm schon, du kannst doch nicht so anfangen und dann aufhören“, beschwerte sich Caitlyn.

„Na gut.“ Janine grinste die beiden anderen an und trank einen Schluck. „Ich denke schon seit ein paar Tagen darüber nach. Keine von uns hat geheiratet. Keine von uns hat in die geplanten Flitterwochen fahren können. Und keine von uns hat das Geld ausgegeben, das wir für diesen ganzen Hochzeits- und Flitterwochenkram gespart hatten.“

„Und …?“, drängte Debbie sie.

„Und“, sagte Janine, „gestern Abend fiel es mir auf einmal ein – warum geben wir das Geld nicht gemeinsam aus?“

„Und wie?“, wollte Caitlyn – neugierig geworden – wissen.

„Mit einem super Luxusurlaub“, antwortete Janine, die sich, je länger sie sprach, immer mehr für die Idee erwärmte. Ihre Augen funkelten, und ihr Mund verzog sich zu einem noch breiteren Lächeln. „Ich schlage vor, dass wir unseren vierwöchigen Urlaub, den wir eigentlich für unsere Flitterwochen nutzen wollten, jetzt nehmen und zusammen verreisen. Wir fahren in irgendeine fantastische Ferienanlage und lassen uns dort nicht nur bedienen und verwöhnen, sondern auch so oft wie möglich verführen.“

„Du hast die Sache schon genau durchdacht, was?“, stellte Debbie fest.

„Ehrlich gesagt, ja“, gestand Janine. „Seit Samstagabend, als Caitlyn anrief und von der gelösten Verlobung erzählt hat. Das hat mich wirklich auf die Palme gebracht. Und dann fiel mir auf, dass wir alle ein ziemlich mieses Jahr hatten. Ich finde, wir haben uns einen Urlaub verdient.“

Debbie nickte bedächtig. „Klingt gut.“

Caitlyn wurde ganz kribbelig. Aufregung machte sich in ihr breit. Sie hatte ein furchtbares Wochenende und einen schrecklichen Tag hinter sich. Stand ihr nicht auch einmal ein bisschen Spaß zu? So ein Urlaub könnte genau das Richtige sein. „Das ist eine tolle Idee. Wann fahren wir?“

Janine sah die beiden anderen an und lachte. „In zwei Wochen. Da bleibt genügend Zeit, um jemanden zu finden, der uns bei der Arbeit vertritt, es bleibt uns andererseits aber auch nicht zu viel Zeit, um es uns womöglich anders zu überlegen.“

„Sie hat recht, Caitlyn. Wenn wir es jetzt nicht machen“, warnte Debbie, „dann reden wir es uns wieder aus.“

„Gut möglich“, stimmte Caitlyn zu. Sie würde bestimmt anfangen, dieses Spaßprinzip anzuzweifeln und sich davon überzeugen, dass es viel sinnvoller wäre, das Geld zu sparen und weiterhin brav zur Arbeit zu gehen. „Okay, also in zwei Wochen. Wenn wir irgendwo noch drei freie Zimmer finden.“

„Ja, aber wo?“, fragte Debbie.

Draußen rüttelte eine kalte Meeresbrise an den Fenstern, doch drinnen funkelten Janines Augen, als sie sich über den Tisch beugte und flüsterte: „Fantasies.“

„Wow.“ Debbie ließ sich auf ihrem Stuhl zurückfallen.

„Wirklich?“ Caitlyn schnappte sich ihren Drink und dachte an all die Möglichkeiten, während Janine immer weiter redete. Fantasies war eine der exklusivsten Ferieninseln der Welt. Alles, was Caitlyn darüber gelesen hatte, versprach wilde Nächte und wunderbare Tage mit einem hohen Verwöhnfaktor und voller Romantik.

Genau das, was sie alle drei brauchten.

„Wir werden dort niemals Zimmer bekommen“, protestierte Debbie.

„Wir haben sie schon“, meinte Janine zwinkernd. „Ich habe gestern angerufen und drei Zimmer reserviert. Sie hatten einige Absagen, das heißt, wir hatten Glück. Ich denke, damit will das Schicksal uns sagen, dass unsere Zeit gekommen ist. Wir müssen es tun.“

„Ich fasse es nicht, dass du schon Zimmer gebucht hast.“

„Na ja“, sagte Janine. „Ich dachte, wenn ich euch nicht davon überzeugen kann, dann kann ich die Reservierung immer noch rückgängig machen.“

Caitlyn konnte ihre Aufregung kaum bezähmen. Fantasies. Sie hatte schon so viel darüber gelesen in den Klatschspalten der Zeitschriften. Detailliert wurde von den Berühmtheiten berichtet, die sich dort verwöhnen ließen. Wie konnte sie da Nein sagen, wenn sich die Gelegenheit bot, mit ihren beiden besten Freundinnen auf diese Insel zu reisen? Sie legte ihre Hand in die Mitte des Tisches und erklärte: „Ich bin dabei.“

„Da es meine Idee war, ist ja wohl klar, dass ich auch dabei bin.“ Janine schob ihre Hand auf Caitlyns, und dann sahen sie beide Debbie an.

„Das ist verrückt – und ihr wisst das auch, oder? Ich meine, wir hauen einfach ab und verpulvern einen Haufen Geld in einem Luxushotel.“ Debbie kaute auf ihrer Unterlippe und schaute von einer Freundin zur anderen.

„Und?“, bohrte Janine.

„Nichts und“, sagte Debbie und legte ihre Hand auf die ihrer Freundinnen. „Ich wollte es nur gesagt haben. Aber ich bin auch dabei.“

„Das wird großartig werden“, stellte Caitlyn fest. „Ich brauche das wirklich. Wir alle müssen mal für eine Weile hier raus.“

„Einige von uns mehr als andere“, murmelte Debbie und nickte in Richtung Tür.

„Was macht der denn hier?“, flüsterte Janine.

Neugierig drehte Caitlyn sich herum und hatte auf einmal das Gefühl, in einer Achterbahn zu sitzen, so sehr kribbelte es in ihrem Magen. Jefferson Lyon kam in die Bar spaziert, als gehöre sie ihm. Wie eine gut gekleidete Statue stand er da, während er mit seinen stahlblauen Augen die Menge absuchte, bis er Caitlyn fand. Dann kniff er die Augen zusammen und kam auf sie zu wie ein Mann mit einer Mission.

„Wow“, flüsterte Debbie. „Ich hätte nicht gedacht, dass er solch eine unbedeutende Bar mit seiner Anwesenheit beehrt.“

„Ja“, meinte Janine verwundert, „das passt doch gar nicht zu ihm.“

Caitlyn konnte nur zustimmen. Inmitten von Jeans und Surfershorts stach sein Armani-Anzug wie eine Leuchtreklame hervor. Allerdings ragte Jefferson Lyon aus jeder Menge heraus. Er besaß einfach diese Aura. Machtvoll, sexy und …

Hör auf damit, ermahnte sich Caitlyn und stand auf, um ihn zu begrüßen. Gleichzeitig redete sie sich ein, dass dieses heiße und prickelnde Etwas, das in diesem Moment durch ihre Adern schoss, lediglich die Überraschung war, Jefferson hier zu sehen.

Ihr Blick war auf ihn gerichtet, aber sie war sich auch bewusst, dass jedes weibliche Wesen im Raum ihn voller Bewunderung ansah. Und sie konnte es den Frauen nicht einmal verübeln. Sein Gang verriet sowohl Macht als auch Lässigkeit. Er bewegte sich wie ein Mann, der wusste, wie man die Kontrolle an sich riss, der sich dabei aber Zeit ließ. Was natürlich jede Frau zu der Frage brachte, wie sich diese Mischung wohl im Bett auswirken würde.

Oh, verflixt.

„Caitlyn“, sagte er, als er nahe genug war, um trotz des Geräuschpegels gehört zu werden.

„Jefferson, was machen Sie denn hier?“ Ihre Stimme klang ein klein wenig schroffer als gewollt.

Er zog eine Augenbraue in die Höhe. „Ich muss etwas mit Ihnen besprechen, was keinen Aufschub duldet.“

„Woher wussten Sie, dass ich hier bin?“

„Es ist Montagabend. Sie sind immer hier.“

Jetzt war sie sprachlos. Den Namen ihres Verlobten hatte er nicht gekannt, aber er wusste, dass sie jeden Montag in diese kleine Bar kam? „Ich weiß, dass ich montags immer hier bin. Aber woher wissen Sie das?“

Er zuckte mit den Schultern, schaute kurz zu ihren Freundinnen und sah dann wieder sie an. „Sie haben es wohl mal erwähnt.“

Und daran hatte er sich erinnert?

Kopfschüttelnd redete Caitlyn sich ein, dass es unerheblich war, wie er sie gefunden hatte. „Was wollen Sie, Jefferson?“

Er schaute noch einmal interessiert ihre Freundinnen an, bevor er kurz nickte und die beiden dann völlig vergaß. Nachdem er sich einmal in der Bar umgesehen hatte und offensichtlich verärgert über den großen Andrang war, schnappte er sich Caitlyns Oberarm und zog sie mit sich in Richtung Ausgang, wo es nicht ganz so voll war.

Caitlyn versuchte die Hitze zu ignorieren, die die Berührung seiner Hand in ihr auslöste. Ganz offensichtlich hatte sie schon einen Martini zu viel getrunken. Sobald sie aus dem größten Gedränge heraus waren, löste sie sich aus seinem Griff, verschränkte die Arme vor der Brust und neigte den Kopf, um Jefferson anschauen zu können. „Was ist so wichtig, dass es nicht bis morgen warten kann?“

Jefferson blickte sie an und stellte fest, wie verändert Caitlyn wirkte. Im Büro sah sie aus, wie aus dem Ei gepellt – geschäftsmäßig und professionell. Daher lenkte es ihn wider Erwarten sehr ab, sie jetzt mit offenen Haaren zu sehen. Sie trug eine ausgeblichene Jeans, die ihren Körper wie eine zweite Haut umspannte, ein weit ausgeschnittenes blaues T-Shirt und Sandalen, aus denen lange, gepflegte Zehen mit knallrot lackierten Nägeln hervorlugten.

Trotz der vielen Gerüche in der Bar nahm er den Duft ihres Parfums wahr, etwas leichtes, blumiges, das sie im Büro niemals trug. Das war genau der Grund, warum er Wert darauf legte, geschäftliche Beziehungen auf rein geschäftlicher Ebene zu belassen. Er wollte gar nicht wissen, dass Caitlyn roten Nagellack mochte. Oder dass sie wie ein verflixter Garten duftete. Oder dass sich unter ihren langweiligen Kostümen eine herrliche Figur verbarg.

Sich selbst ermahnend, schob er diese absurden Gedanken beiseite. Er war nicht hierhergekommen, um sich zu amüsieren.

„Mein Vater hat vorhin angerufen. Er braucht mich morgen Nachmittag in Seattle. Also brauche ich Sie morgen früh im Büro, damit noch einige Dinge erledigt werden, bevor ich fliege.“

Caitlyn riss erschrocken die Augen auf. „Geht es Ihrem Vater gut?“

„Ja, alles okay“, antwortete Jefferson, irgendwie erfreut, dass sie sich genügend Sorgen machte, um nachzufragen. Sein Vater war vor zwei Jahren offiziell in den Ruhestand getreten, hatte sich jedoch nicht richtig aus allem heraushalten können. Vor drei Monaten hatte er dann einen Herzinfarkt erlitten, von dem er noch nicht vollständig genesen war.

Merkwürdig, aber Jefferson fiel erst jetzt auf, dass Caitlyn die Einzige war, mit der er über die Krankheit seines Vaters gesprochen hatte. So viel zum Thema, Geschäftliches und Privates voneinander zu trennen.

„Das freut mich.“ Sie starrte ihn prüfend an. „Aber hätten Sie mich nicht anrufen können, um mir das zu sagen?“

Hätte er tun können. Vermutlich hätte er es auch tun sollen. Aber er war ganz bewusst hergekommen. Um sie daran zu erinnern, wer das Sagen hatte. Er war der Chef. Er sagte, wo es lang ging. Wenn sie glaubte, dass sie beleidigt aus seinem Büro stürmen konnte, hatte sie sich getäuscht. Er war hergekommen, um sie daran zu erinnern, dass ihm das letzte Wort zustand.

Natürlich hatte er nicht vorgehabt, sie bis in diese kleine Bar zu verfolgen. Eigentlich hatte er direkt zu seiner Wohnung in Seal Beach fahren wollen. Doch je länger er über Caitlyns irritierendes Verhalten nachgedacht hatte, desto mehr hatte er sich darüber geärgert. Sie war ihm gar nicht mehr aus dem Kopf gegangen, und plötzlich hatte er gemerkt, dass er auf dem Weg zu dem Ort war, an dem er sie finden würde.

„Es war kein großer Umweg“, verteidigte er sich und trat zurück, als ein neuer Gast in die Bar drängte. Verärgert hielt Jefferson die Tür auf und musterte den Surfer wütend, der hereingestolpert kam. Dann sah er wieder zu Caitlyn. Sie sah ihn immer noch erstaunt an, und ihre Augen funkelten von dem Licht, das sich darin widerspiegelte. „Wie auch immer … mein Flug geht um zehn, also erwarte ich Sie um sechs Uhr.“

„In Ordnung. Ich werde da sein.“ Sie drehte sich um, um zu ihren Freundinnen zurückzukehren.

Jefferson hielt sie auf, indem er die Finger um ihren Arm schloss … und spürte ihre warme, weiche Haut. Er wollte verdammt sein, wenn er von Caitlyn noch einmal stehengelassen wurde.

Aber sobald er merkte, wie sehr er es genoss, diese weiche Haut unter seinen Händen zu fühlen, ließ er sie abrupt los. Dann schnappte er sich die Tür und riss sie auf. Auf der Türschwelle blieb er noch einmal stehen, erfreut, dass er doch noch das letzte Wort haben konnte. „Gut. Wir sehen uns dann morgen früh.“

3. KAPITEL

Caitlyn kam um viertel vor sechs ins Büro und sah, dass Jefferson bereits telefonierte. Das war keine Überraschung. Er kam häufig Stunden vor den anderen. Da sie weltweite Kontakte hatten und Geschäfte rund um den Globus tätigten, mussten viele Telefonate am frühen Morgen geführt werden, um der Zeitverschiebung Rechnung zu tragen.

Jefferson hatte bereits einen Stapel mit Ordnern auf ihren Schreibtisch gelegt, und nachdem sie einen frischen Kaffee aufgesetzt hatte, machte Caitlyn sich gleich an die Arbeit. Es war besser, sich zu beschäftigen. Sonst dachte sie zu viel an das, was sie mit ihren Freundinnen beschlossen hatte … und machte womöglich einen Rückzieher.

„Was ich nicht tun werde“, murmelte sie entschlossen.

Hinter ihrem Schreibtisch warf die Sonne die ersten goldenen Strahlen ins Zimmer. Frischer Kaffeeduft erfüllte die Luft und beruhigte das Flattern in ihrem Magen. In der Ecke piepste das Faxgerät und brummte dann geschäftig, als mehrere Seiten ausgedruckt wurden.

Caitlyn ging hinüber, um sie herauszunehmen, und überflog sie kurz. Es waren Angebote von anderen, kleineren Reedereien, die als Subunternehmen für Lyon Shipping arbeiten wollten. Das Übliche, dachte sie und nahm die Papiere mit zum Schreibtisch. Es gab immer viel zu tun. Genau das gefiel ihr an dem Job, denn niemals kam Langeweile auf.

Das Telefon klingelte, und sie griff nach dem Hörer. Gleichzeitig sah sie, dass die andere Leitung noch besetzt war, also war Jefferson nicht zu sprechen.

„Lyon Shipping.“

„Hallo“, sagte eine tiefe, vertraute Stimme. „Caitlyn, Sie sind aber früh im Büro.“

Sie verdrehte die Augen und lächelte. Max Striver, Eigner und Geschäftsführer von ‚Striver Shipping‘, flirtete immer ein wenig mit ihr. Aber es war niemals unangenehm, zumal sein britischer Akzent seinen Worten etwas Besonderes verlieh, außerdem konnte Caitlyn das Lächeln in seiner Stimme hören.

„Guten Morgen, Mr. Striver. Wie geht’s in London?“

„Max“, schimpfte er gutgelaunt. „Ich haben doch gesagt, Sie sollen mich Max nennen, Caitlyn. Und London ist schrecklich einsam. Sie sollten kommen und mich besuchen. Bringen Sie Glanz in die alten Mauern.“

„Ich werde es auf meine To-do-Liste setzen“, antwortete Caitlyn lächelnd, während sie den Hörer zwischen Ohr und Schulter klemmte und weiter Papiere sortierte. „Mr. Lyon spricht auf der anderen Leitung, Max. Wollen Sie warten? Oder soll er sie zurückrufen?“

„Wenn Sie gewillt sind, einen Moment mit mir zu sprechen, werde ich warten.“

Sie war daran gewöhnt, zu reden und zu arbeiten. „Worüber wollen wir denn reden?“

„Wie wäre es, wenn Sie aufhörten, für diesen ruppigen Amerikaner zu arbeiten und stattdessen in mein Büro kämen?“

Caitlyn seufzte. „Max, Sie wollen doch gar nicht wirklich, dass ich für Sie arbeite. Sie wollen doch nur Mr. Lyon um meine Fachkenntnisse berauben.“

„Ein bisschen von beidem, meine Liebe“, erklärte er und senkte die Stimme ein wenig.

Wirklich, Akzente sollten verboten werden. Sie verursachten ein kleines Flattern in Caitlyns Magen, obwohl sie genau wusste, dass Max Striver genauso wenig daran interessiert war, sie zu beschäftigen, wie daran, nach Tucson zu ziehen.

„Jefferson lässt Sie viel zu hart arbeiten. Während ich dagegen“, beharrte Max, „ein ganz verständnisvoller Arbeitgeber bin. Bei mir gibt es vernünftige Arbeitszeiten, eine bessere Bezahlung und als zusätzlicher Bonus wäre da natürlich noch … ich.“

Das Licht auf Jeffersons Telefonleitung ging aus, und Caitlyn antwortete lächelnd: „Ich werde es im Kopf behalten, Max. Aber jetzt ist der Boss zu sprechen. Warten Sie bitte einen Moment?“

Sie drückte ihn kurz weg und schaltete zu Jefferson. „Max Striver ist auf Leitung eins.“

„Verdammt“, murmelte Jefferson. „Was will er?“

„Mich. Ich soll für ihn arbeiten.“

„Immer noch? Man sollte meinen, dass es inzwischen in seinen Dickschädel eingedrungen wäre, dass Sie Lyon Shipping niemals verlassen werden.“ Der grollende Unterton in seiner Stimme war eindeutig, bevor Jefferson auf die andere Leitung wechselte.

„Was gibt es, Max?“ Jefferson lehnte sich in seinem Stuhl zurück und drehte ihn herum, bis er nach draußen auf den Hafen und das Meer schauen konnte.

„Jefferson, alter Freund, brauche ich einen Grund für einen Anruf?“

„Nein, aber meistens hast du einen“, konterte er, während er sich vorbeugte und die Aussicht genoss. Ein einzelner Schlepper mit dem Lyon-Shipping-Logo durchquerte den Hafen, während es auf den Docks bereits geschäftiges Treiben gab.

Das war Jeffersons Welt.

Er hatte das Schifffahrtsgeschäft von Grund auf gelernt. Sein Vater hielt nichts von Vergünstigungen und war nicht bereit gewesen, seinem Sohn zu erlauben, gleich in die Führungsebene einzusteigen, ohne etwas über die Menschen zu wissen, die die Reederei am Leben erhielten.

Jetzt führte Jefferson eine der erfolgreichsten Reedereien der Welt und wusste, wie man das Beste aus seinen Angestellten herausholte. Schließlich war er doch auch ruhig und gelassen geblieben, als Caitlyn gestern einen Gefühlsausbruch bekommen hatte, oder?

Er lächelte in sich hinein, während er das Faxgerät im Vorzimmer brummen hörte. Aber jetzt war Caitlyn wieder dabei, auf äußerst effiziente Art und Weise Ordnung in das Chaos zu bringen. Es war alles, wie es sein sollte. So, wie er gewusst hatte, dass es wieder sein würde, sobald sie sich hatte beruhigen können.

Genau wie er wusste, dass es Max niemals gelingen würde, sie ihm wegzuschnappen. Caitlyn war viel zu loyal, als dass sie für einen Konkurrenten arbeiten würde.

„Jefferson, bist du noch dran?“

Er runzelte kurz die Stirn, als ihm klar wurde, dass er mit seinen Gedanken abgedriftet war, statt sich aufs Geschäftliche zu konzentrieren. Und wenn man mit Max Striver zu tun hatte, war es immer besser, man war bei der Sache. „Ich bin hier, Max. Und ich bin beschäftigt.“

„Das glaube ich gern. Ich halte dich auch nur eine Minute auf. Ich wollte dir nur sagen, dass ich von deiner Reise nach Portugal gehört habe.“

„Und …“

„Und wie ich hörte, ist die Arbeit auf der Werft dort durch einen Streik lahmgelegt worden.“

„Das wurde schon letzte Woche geklärt“, erwiderte Jefferson bemüht locker. „Alles läuft wieder perfekt nach Plan.“

„Freut mich zu hören.“

„Ja“, meinte Jefferson gedehnt. „Sicher.“

Er und Max waren seit Jahren Konkurrenten – in allem, angefangen beim Racquetball bis hin zu Containerschiffen. Jetzt, da das erste Kreuzfahrtschiff der Lyon Reederei in knapp sechs Wochen in See stechen sollte, hoffte Max vermutlich, Jefferson die besten Atlantikrouten wegschnappen zu können.

„Doch, wirklich“, versicherte ihm Max. „Wenn dein Schiff die Werft gar nicht erst verlässt, gibt es ja keine Konkurrenz mehr, und das wäre doch schade. So wie es aussieht, werden wir euch ohnehin vier Wochen voraus sein.“

Jefferson nahm seinen silbernen Stift und klopfte damit auf den Schreibtisch, bevor er ihn zur Seite warf. Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück und blickte lächelnd zur Decke. „Nach dem, was ich höre, solltest du dich lieber mehr dafür interessieren, was auf deinem eigenen Schiff passiert.“

Es gab eine Pause, und Jefferson stellte sich vor, wie Max sich in seinem Stuhl aufrichtete und in den Spiegel gegenüber von seinem Schreibtisch starrte. Ein gutes Bild.

„Was meinst du?“

„Na ja“, sagte Jefferson, der immer mehr Vergnügen an der Unterhaltung fand, „meine Kontaktperson in Frankreich sagte mir, dass der neue Striver Ozeandampfer Probleme hat, seine Chefköche zu halten.“

„Lügen.“

„Tja.“ Breit grinsend erklärte Jefferson: „Weißt du, wenn du wüsstest, wie man Angestellte behandelt, Max, dann wäre dein neuer Chefkoch jetzt nicht auf dem Weg nach Portugal, um die Küche auf dem neuen Lyon Luxusliner zu inspizieren.“

„Du hast ihn mir abspenstig gemacht, stimmt’s?“

„War nicht einmal schwierig“, gab Jefferson zu. „Ehrlich, Max, du hättest dem Mann ein Gehalt bieten sollen, das seinen Fähigkeiten entspricht.“

Es herrschte einen Moment lang Schweigen, bevor Max lachte. Dann meinte er: „Diese Runde hast du gewonnen, Jefferson. Aber das Spiel ist noch nicht vorbei.“

Als er auflegte, lächelte Jefferson immer noch. Caitlyn war damit beschäftigt, sein Büro zu organisieren, er hatte Max gegenüber einen kleinen Sieg errungen – und es war noch nicht einmal acht Uhr morgens.

Caitlyns Finger flogen über die Tastatur, als sie eins von mehreren Memos tippte, die in der Firma verteilt werden sollten. Es ist wirklich erstaunlich, dachte sie und ließ ihren Gedanken freien Lauf, während sie Jeffersons Gekritzel übertrug.

Ihr Chef glaubte nicht im Geringsten daran, dass sie eines Tages Max Strivers Jobangebot annehmen könnte. „Sie werden Lyon Shipping niemals verlassen, Caitlyn“, murmelte sie und wiederholte damit Jeffersons Worte, allerdings sehr viel abfälliger, als er sie geäußert hatte. Dann fügte sie noch ein paar Dinge hinzu, die er zweifellos dachte, aber nicht ausgesprochen hatte. „Sie sind viel zu zuverlässig und loyal. Sie sind wie mein treuer Hund, Caitlyn. Immer zu Diensten. Immer froh, helfen zu können. Dankbar für ein albernes Tätscheln des Kopfes.“

Sie ärgerte gar nicht so sehr die Tatsache, dass er sich keine Sorgen darum machte, sie zu verlieren, redete sie sich ein, während sie das Memo aus dem Drucker nahm. Es war die Tatsache, dass er sich überhaupt keine Sorgen darum machte, sie als Assistentin behalten zu können!

Sollte er nicht beunruhigt sein? Sollte er nicht zumindest sagen, ich hoffe, dass Sie niemals weggehen, Caitlyn. Sie sind mir zu wichtig. Zu wichtig für die Firma.

Darauf kannst du lange warten, erkannte sie nüchtern.

Sie schüttelte den Kopf und versuchte sich einzureden, dass sie stolz darauf sein sollte, dass ihr Chef sich ihrer Loyalität so sicher war. Aber es klappte nicht. Stattdessen war sie wirklich irritiert darüber, dass es ihm überhaupt nichts ausmachte, wenn einer seiner Hauptkonkurrenten ihr ständig einen Job anbot.

„Siehst du?“, flüsterte sie. „Deshalb brauchst du Urlaub. Du brauchst diese Reise, Caitlyn. Es wird dir guttun, mal für eine Weile wegzukommen. Es wird gut für Jefferson Lyon sein, wenn du dieses Büro eine Weile lang nicht am Laufen hältst. Vielleicht zeigt er dann mal ein bisschen Anerkennung. Vielleicht wird er dich dann endlich registrieren und …“

Nein. Was redete sie denn da?

Sie wollte nicht, dass er sie als Frau wahrnahm.

Nur als Person.

Also, ja, sie sollte fahren. Zur Abwechslung einmal an sich denken und einfach verschwinden. Der Abenteuerlust nachgeben.

Doch noch während sie die Worte in ihrem Kopf formulierte, widersprach ihr Gewissen. Es gab keinen Grund zu verreisen. Sie würde nicht heiraten, würde nicht in die Flitterwochen fahren. Also konnte sie auch bleiben und arbeiten. Verantwortungsbewusstsein zeigen. Das Richtige tun, so wie immer.

Die gute, alte Caitlyn. Die rechtschaffene, folgsame Caitlyn, die es immer allen recht machte. Die keine Unruhe verursachte. Die niemals die Grenzen überschritt.

„Himmel, ich bin so langweilig.“ Sie stützte die Ellenbogen auf den Schreibtisch und legte den Kopf in die Hände. „Bemitleidenswert. Sechsundzwanzig Jahre alt, und noch nie in meinem Leben habe ich etwas für mich getan. Wird es nicht langsam einmal Zeit, Caitlyn?“ Ihre Stimme wurde von ihren Händen gedämpft, und das war vermutlich auch gut so. „Bist du es dir nicht schuldig, einmal hier herauszukommen und etwas von der Welt zu sehen und die Welt dich sehen zu lassen?

Es war natürlich ein horrend teurer Urlaub. Aber hatte sie sich das nicht verdient? Schuldete sie sich nicht auch einmal ein wenig Entspannung, damit sie wieder auftanken konnte?

„Verflixt, jetzt höre ich mich genauso an wie Janine.“ Sie richtete sich auf und lächelte, als sie daran dachte, dass ihre Freundin gestern ungefähr eine Stunde lang auf sie und Debbie eingeredet hatte, um sie davon zu überzeugen, dass sie wirklich das Richtige taten, wenn sie auf Fantasies Urlaub machten.

„Wer ist Janine?“

Caitlyn zuckte zusammen, als sie Jeffersons tiefe Stimme hinter sich hörte. Dann legte sie eine Hand auf ihr schnell klopfendes Herz und sah ihn kopfschüttelnd an. „Wissen Sie, es wäre viel einfacher, mich mit einem Schlag auf den Kopf umzubringen, als es mit dem Herzinfarkt zu versuchen.“

„Sie wussten, dass ich da bin.“

„Sie haben telefoniert“, erwiderte sie.

„Jetzt nicht“, entgegnete er. „Ich wollte Sie nicht erschrecken.“ Er hatte sein Jackett ausgezogen. Die Ärmel seines hellen gestreiften Hemdes waren bis zu den Ellenbogen hochgerollt, sodass man die gebräunten Unterarme sehen konnte, und der Hemdkragen war unter der dunkelblauen gelockerten Krawatte geöffnet. Eine Schulter gegen den Türrahmen gelehnt, wiederholte Jefferson seine Frage. „Also, wer ist Janine?“

„Eine Freundin“, sagte Caitlyn und wandte sich wieder den Ordnern auf ihrem Schreibtisch zu. Oh, was hatte er wohl alles mitgehört? Hatte er etwa die ganze Zeit dort gestanden, während sie darüber gejammert hatte, wie langweilig sie war? Perfekt. Das war einfach perfekt. „Sie haben sie gestern Abend in der Bar gesehen.“

„Die winzige Blonde oder die große Braunhaarige mit der Igelfrisur?“

„Sie hat keine Igelfrisur“, widersprach Caitlyn. „Ihr Haar ist modisch zerzaust.“

„Von einem Wirbelsturm?“

Sie überging diese Beleidigung. Ist er interessiert?, fragte sie sich jedoch. Oder wollte er nett sein? Hatte er ein schlechtes Gewissen, weil er den Namen ihres Verlobten nicht gewusst hatte? Nein. Das konnte nicht sein. Jefferson Lyon hatte niemals ein schlechtes Gewissen. Wieso war er denn dann so freundlich? Warum schloss er sich nicht wie sonst auch immer in seinem Büro ein? Lag es an der Ruhe so früh am Morgen? Daran, dass nur er und sie jetzt arbeiteten?

War es nicht völlig unerheblich?

„Sie haben ja nicht lange mit Max geredet“, wechselte sie abrupt das Thema.

„Nein.“ Jefferson fuhr sich mit der Hand durchs Haar. Er kniff die Augen zusammen, und ein Muskel in seinem Kiefer zuckte. „Er rief nur an, um mich wegen des Streiks in Portugal zu ärgern und mich daran zu erinnern, dass sein Schiff einen Monat vor unserem fertig sein wird.“

„Aha.“ Der Konkurrenzkampf war wieder einmal voll entbrannt.

Jefferson stopfte beide Hände in die Hosentaschen und meinte: „Aber immerhin konnte ich ihm unter die Nase reiben, dass wir seinen Chefkoch angeheuert haben. Außerdem ist Max bestimmt immer noch sauer darüber, dass er im letzten Jahr diesen Franco-Vertrag nicht bekommen hat.“

Caitlyn lächelte ihren Chef an. Das war ein gelungener Coup gewesen. Um den Vertrag mit ‚Franco Technologies‘ unter Dach und Fach zu bringen, hatten sie und Jefferson sechs Monate gebraucht. „Na, da haben Sie sich doch bestimmt gleich besser gefühlt.“

Er verzog seine Mundwinkel. „Stimmt. Trotzdem, wenn Striver sein Kreuzfahrtschiff einen Monat vor uns auf den Weg schickt, bekommt er die besten Routen.“

„Sein Schiff ist kleiner.“

Jefferson sah sie überrascht an. „Sind Sie sicher?“

„Das war das Erste, was ich heute Morgen recherchiert habe“, gab sie zu und reichte ihm ein Papier, das vorhin per Fax gekommen war. „Die Reederei in Frankreich, wo das Schiff von Striver Shipping fertiggestellt wird, war sehr hilfreich. Ich habe einfach nach einem Beispiel ihrer letzten Arbeit gefragt, und sie waren so freundlich, mir sämtliche Unterlagen über das Kreuzfahrtschiff zu schicken, das sie im Moment bauen. Unseres ist mindestens dreißig Meter länger als das Schiff von Max. Und damit besser geeignet für die Atlantikrouten.“

Jefferson klopfte mit den Fingern auf das Papier und lächelte Caitlyn an. Und zwar so, dass sie das Gefühl hatte, jemand hätte in ihrem Inneren ein Licht angeknipst. Himmel, sie brauchte wirklich dringend Urlaub.

Sie versuchte, ihre offensichtlich hysterisch gewordenen Hormone in den Griff zu bekommen, drehte ihren Stuhl und richtete den Blick starr auf den Schreibtisch. „Wollten Sie sonst noch etwas, Jefferson?“

„Ja. Ich wollte sichergehen, dass Sie alle Einzelheiten für die Portugalreise geklärt haben.“

Froh, dass sie sich wieder auf vertrautem, geschäftlichem Terrain befanden, drehte Caitlyn ihren Stuhl herum, griff nach einer Mappe und reichte sie Jefferson. „Hier sind alle Unterlagen. Das ‚Palacio Estoril‘ hat die übliche Suite für Sie freigehalten. Ihr Pilot ist verständigt, sodass der Firmenjet jederzeit für Sie bereitsteht. Die Termine auf der Werft habe ich notiert. Die Zeiten sind alle dort aufgelistet, und das Hotel wird einen Wagen samt Fahrer bereitstellen.“

Jefferson blätterte den Ordner kurz durch und schaute dann noch einmal hoch, während er zu seinem Büro zurückging. „Nehmen Sie sich auch eine Suite.“

„Das ist nicht nötig.“

„Das weiß ich, aber wir sollten es beide komfortabel haben.“

„Nein“, entgegnete sie und atmete ganz tief durch. Das würde jetzt nicht einfach werden. Mit Jefferson war nie etwas einfach. „Das meinte ich nicht.“

Erst gestern hatte sie ihm erzählt, dass sie nicht heiraten würde. Folglich war er davon ausgegangen, dass sie Zeit für die Geschäftsreise nach Portugal haben würde. Jetzt musste sie ihm sagen, dass sie vorhatte, ihre vier Wochen Urlaub trotzdem zu nehmen. Und das wollte sie nicht tun, während sie saß. Es war besser zu stehen, um nicht im Nachteil zu sein.

Also erhob sie sich und ging zur Kaffeemaschine, um sich ihren Becher noch einmal vollzuschenken.

„Wovon reden Sie?“

„Ich werde doch nicht mit Ihnen nach Portugal fahren, Jefferson. Ich nehme meinen vierwöchigen Urlaub.“

Er runzelte die Stirn und kniff seine Augen zusammen. „Sie heiraten nicht … warum wollen Sie Urlaub?“

„Weil ich ihn eingereicht habe und nehmen möchte.“

Er stieß sich von der Wand ab und kam durchs Zimmer. Direkt vor Caitlyn blieb er stehen und nahm sich einen Kaffeebecher, bevor er sie wieder anschaute. „Das ist im Moment sehr ungünstig.“

Sie verkrampfte die Finger um den Becher. „Das stimmt nicht, es ist sogar sehr günstig. Ich habe diesen Urlaub vor sechs Monaten beantragt. Alles ist organisiert.“

„Die Dinge haben sich geändert.“

„Welche Dinge?“ Sie musste den Kopf zurücklegen, um Jefferson ansehen zu können, und in diesem Augenblick wünschte sie sich sehnlichst, ein klein wenig größer zu sein.

„Sie heiraten nicht. Daher können Sie mich nach Portugal begleiten.“

„Sie brauchen mich dort gar nicht, Jefferson.“

Er richtete seine Augen auf sie, und sie spürte die Macht, die von diesem Mann ausging. „Ich entscheide, was ich brauche, Caitlyn. Sie sind meine Assistentin, und Ihre Anwesenheit ist vonnöten.“

Sie schluckte. „Quatsch.“

„Wie bitte?“

Sie stellte den Kaffeebecher zur Seite – denn ihre Hände zitterten – und holte dann noch einmal tief Luft. Wenn sie sich jemals durchsetzen wollte, dann war dies der geeignete Zeitpunkt, um damit anzufangen. „Sie haben mich gehört, Jefferson. Ich arbeite für Sie, aber ich bin nicht Ihre Sklavin. Ich habe diesen Urlaub beantragt, genehmigt bekommen, und ich werde ihn jetzt nehmen.“

Er musterte sie grimmig. „Nehmen Sie ihn nach der Portugalreise.“

„Nein. Diesmal nicht.“

Verdammt, sie würde nicht nachgeben. Heute nicht.

Im letzten Jahr waren ihre Koffer bereits gepackt gewesen, das Flugticket nach Florida hatte, zusammen mit der Reiseroute für die Kreuzfahrt, die sie drei Monate lang geplant hatte, in ihrer Handtasche gesteckt, als Jefferson sie angerufen hatte. Er hatte darauf bestanden, dass sie ihre Reise absagte und ihn zu einer Werft nach Frankreich begleitete. Die Kreuzfahrt zu den Bahamas hatte ohne sie stattgefunden, während sie die nächsten zwei Wochen damit zugebracht hatte, Protokolle aufzunehmen und als Jeffersons Laufbursche zu fungieren.

Zugegeben, Frankreich war keine große Zumutung gewesen, auch wenn sie keine Minute Zeit für sich gehabt hatte, um das Land oder Paris zu erkunden.

Und im Jahr davor war ihr sehnsüchtig erwarteter Urlaub in Irland äußerst kurzfristig ausgefallen, als Jefferson mit dem Firmenjet direkt nach ihr auf dem Flughafen in Dublin gelandet war und darauf bestanden hatte, dass Caitlyn ihn zu einer wichtigen Konferenz in Brasilien begleitete.

Doch diesmal würde sie nicht nachgeben.

Sie würde diese Reise mit ihren Freundinnen machen, und wenn es Jefferson Lyon nicht gefiel … Pech. Caitlyn verspürte ein nervöses Flattern im Magen, als sie ihren persönlichen Unabhängigkeitstag erklärte. Sie würde auf ihre Arbeitsmoral pfeifen. Sie würde nicht länger ihre eigenen Bedürfnisse und Wünsche hintanstellen, nur damit jemand anderes das bekam, was er wollte.

Ich lasse mich nicht unterkriegen, dachte sie und hob trotzig das Kinn, um ihren Chef in die Schranken zu weisen.

4. KAPITEL

„Sie sind selbstsüchtig.“

„Ich bin selbstsüchtig?“, wiederholte Caitlyn völlig fassungslos, dass Jefferson so etwas überhaupt sagen konnte. Der Mann, der glaubte, die Welt drehe sich um ihn? Der Mann, der erwartete, dass jedermann sprang, wenn er ein Zimmer betrat? Der Mann, der mit seinen eigenen Forderungen jeden Urlaub ruiniert hatte, den sie je geplant hatte? „Meinen Sie das ernst?“

„Das sieht Ihnen gar nicht ähnlich, Caitlyn“, erklärte er grimmig, wobei seine Stimme einen herablassenden Tonfall annahm, der seine anderen Angestellten meist dazu veranlasste, schnellstmöglich das Weite zu suchen.

„Sie haben recht“, stimmte sie zu und ließ sich durch den bissigen Tonfall nicht aus der Ruhe bringen. Sie hatte ihn schon zu oft gehört, um sich davon irritieren zu lassen. „Das sieht mir gar nicht ähnlich. Deshalb tue ich es ja.“

„Das ergibt überhaupt keinen Sinn“, wies er sie zurecht, trank einen Schluck Kaffee und stellte dann den Becher ab.

„Es ergibt sehr wohl einen Sinn.“ Frustriert warf sie die Hände in die Höhe, ließ sie wieder fallen und wandte sich von Jefferson ab. Nachdem sie einige Schritte von ihm entfernt war, spürte sie die Wut, die sich in ihr breitmachte, und zum ersten Mal in ihrem Leben war sie froh darüber. Sie blieb stehen, wirbelte herum und deutete anklagend mit dem Finger auf ihn. „Sie erwarten ständig von mir, dass ich alles stehen und liegen lasse, um das zu tun, was Sie wollen. Und ich kann Ihnen noch nicht einmal einen Vorwurf machen. Mein Leben lang habe ich immer das getan, was von mir erwartet wurde.“

„Bewundernswert.“

„Oder schwach“, konterte sie und marschierte wieder auf ihn zu. „Meine Eltern, meine Brüder, Peter, Sie. Alle Leute überrollen mich, weil ich mich lang hinlege und es geschehen lasse. Weil ich allen gestatte, auf mir herumzutrampeln und mich herumzukommandieren. Aber jetzt ist Schluss damit.“

„Caitlyn, Sie arbeiten für mich.“ Jeffersons Stimme war bemüht kühl. Sie kannte den Ton. So sprach er mit denjenigen, die seine ohnehin sehr geringe Geduld auf die Probe gestellt hatten. Aber Caitlyn würde jetzt nicht klein beigeben.

„Ich sage Ihnen, wann Sie Urlaub nehmen können und wann Ihre Anwesenheit im Büro erforderlich ist“, erklärte er barsch. „Und nun ist Ihre Anwesenheit in Portugal erforderlich.“

„Ist sie nicht, Jefferson“, erwiderte sie und fragte sich, warum sie sich überhaupt wiederholte. Er hatte ihr beim ersten Mal nicht zugehört und würde es auch diesmal nicht tun. Er hörte niemals das, was er nicht hören wollte. „Das Hotel kann Ihnen eine Assistentin besorgen. Oder Sie nehmen Georgia mit.“

„Georgia?“ Seine Verärgerung war geradezu spürbar.

Okay, das war ein Tiefschlag gewesen, das war ihr bewusst. Georgia wäre niemals in der Lage, den Job zu Jeffersons Zufriedenheit auszuführen. Aber der Punkt war der, dass er eigentlich ohnehin niemanden dabei haben musste.

„Die Arbeit ist getan, Jefferson“, sagte sie ruhig, obwohl ihre Nerven blank lagen. „Sie haben Ihr Angebot abgegeben, die Papiere sind aufgesetzt und von der Rechtsabteilung abgesegnet worden. Sie brauchen nur noch Ihre Unterschrift unter den Vertrag zu setzen, sich das Schiff anzusehen und dann das Lyon-Logo dort anzubringen. Warum wollen Sie mich unbedingt dabei haben?“

„Weil“, erklärte er mit gefährlich leiser Stimme, „ich Sie dafür bezahle, dort zu sein, wo ich Sie brauche, wann ich Sie brauche. Es ist Ihr Job, Caitlyn.“

In ihrem Kopf begann es zu summen. Ihr Blut rauschte durch ihre Adern, und ihr Magen schien sich im Zeitlupentempo umzudrehen. Ihr Job. Sie war die Erste, die zugab, dass es ein guter Job war. Sie bekam ein gutes Gehalt, besaß ihr eigenes Heim – okay, es war eine Wohnung, aber ein Heim –, und sie leistete verdammt gute Arbeit.

Aber offensichtlich war sie im Laufe der Zeit zu einem Teil der Büroausstattung geworden. Beständig, verlässlich, notwendig, aber für Jefferson besaß sie anscheinend nicht mehr Gefühl als der Kopierer, der ständig neuen Toner brauchte.

Autor

Maureen Child
<p>Da Maureen Child Zeit ihres Lebens in Südkalifornien gelebt hat, fällt es ihr schwer zu glauben, dass es tatsächlich Herbst und Winter gibt. Seit dem Erscheinen ihres ersten Buches hat sie 40 weitere Liebesromane veröffentlicht und findet das Schreiben jeder neuen Romance genauso aufregend wie beim ersten Mal. Ihre liebste...
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