Bianca Exklusiv Band 264

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JEDE SEKUNDE MIT DIR von HARBISON, ELIZABETH
Josie will nur einen Diebstahl melden - und steht dem attraktivsten Mann gegenüber, dem sie je begegnet ist. Es knistert und kribbelt sofort. Und als er sie ein paar Tage später küsst, muss Josie sich eingestehen: Sich nicht in Polizeichef Dan Duvall zu verlieben, ist unmöglich.

DU MACHST MEINE TRÄUME WAHR von GREEN, CRYSTAL
Als Felicia den wortkargen Jack North trifft, muss sie sofort an die Prophezeiung denken. Ist er der Cowboy, der ihr bestimmt ist? Langsam kommen sie einander näher, allerdings macht Jack ihr keine Hoffnung auf eine gemeinsame Zukunft. Sein Herz ist noch zu verletzt …

WIRST DU MICH JEMALS LIEBEN? von LEIBER, VIVIAN
Um nicht ausgewiesen zu werden, geht Professor Nicolas Sankovitch eine Scheinehe mit der zauberhaften Dozentin Toria ein. Nur langsam bekennen sie sich zu ihren wachsenden Gefühlen füreinander. Da droht ein Schicksalsschlag, ihr junges Glück zu zerstören.


  • Erscheinungstag 06.11.2015
  • Bandnummer 0264
  • ISBN / Artikelnummer 9783733730253
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Elizabeth Harbison, Crystal Green, Vivian Leiber

BIANCA EXKLUSIV BAND 264

PROLOG

Polizeichef Dan Duvall ging der jährlich stattfindende Rocky Top Chili – Kochwettbewerb ziemlich auf die Nerven.

Das lag nicht nur an den Betrunkenen, von denen es immer reichlich gab, weil das Ereignis von der Rocky-Top-Brauerei gesponsert wurde, sondern auch an den Touristen. Jeder Einwohner der Kleinstadt Beldon in North Carolina wollte den Besuchern alles Mögliche anbieten.

„Wahrscheinlich verkaufe ich nur Bohnen“, sagte Dans Bruder Jerry, als sie die Main Street entlanggingen. Bis zum Wettbewerb war noch eine Woche Zeit, und Jerry suchte wie üblich nach einer Möglichkeit, um schnell reich zu werden. „Was braucht man schließlich, um ein Chili zuzubereiten? Bohnen. Damit werde ich ein Vermögen machen.“

Ungläubig schaute Dan seinen Bruder an. „Das ist die tolle Geschäftsidee?“ Er schaute auf die baufällige Gartenlaube, die Jeb Currier Jerry zum günstigen Preis von neunhundert Dollar die Woche vermieten wollte.

„Jawohl. Du könntest endlich einen ungefährlichen Job haben. Einmal hat man dir doch schon im Dienst in den Hintern geschossen …“

„Es war die Hüfte“, erinnerte Dan ihn unwirsch.

„Wohin auch immer. Bist du nun interessiert?“

„Nein.“ Wie oft musste er das noch sagen? „Ich wünsche, dass den Touristen nicht ständig mehr geboten wird, denn sonst kommen sie immer wieder.“

„Das wollen wir doch“, erwiderte Jerry und strich sich das Haar zurück. „Du weißt eben nicht, worauf es ankommt, Bruder.“

„Und ob ich das weiß. Jedes Jahr wird die Stadt von herrischen, ungeduldigen und manchmal bewaffneten Besuchern überrannt, und alle hier springen, um sie zu bedienen. Ich verstehe durchaus, dass jeder ein gutes Geschäft machen will, aber durch jeden illegalen Getränkestand, T-Shirt- oder Bohnenverkauf wird die Arbeit für uns Polizisten schwieriger. Wir reden von sechs überlasteten Männern und Frauen, die rund um die Uhr arbeiten müssen, ohne ein Dankeschön zu erhalten. Kapierst du das nicht?“

Einen Moment lang schaute Jerry ihn an. „Ich steige in das Geschäft mit Bohnen ein, ob du mitmachst oder nicht.“

„Bemühe du dich lieber um einen richtigen Job.“

„Okay, dann besorge mir einen. Mach mich zu deinem Stellvertreter.“

Damit hatte Dan schon gerechnet, denn diese Bitte hörte er jedes Jahr. „Das wird nicht geschehen, Jerry.“

„Stell dich nicht so an. Du hast doch gerade gesagt, dass ihr unterbesetzt seid. Ich bin der Richtige für den Job. Gib mir eine Chance und stecke mir eine Plakette an. Dann werden die Frauen auf mich fliegen.“

„Vergiss es. Wenn du ohne Plakette keine Frauen bekommst, dann gelingt dir das auch nicht mit einer.“

„Du hast gut reden“, verteidigte sich Jerry. „Alle Frauen stehen auf dich.“

Dan hob die Hand. „Sag jetzt bitte nichts mehr.“

„Danny Duvall!“, ertönte eine Stimme hinter ihnen.

Buzz Dewey, Vorstand der Rocky-Top-Brauerei, näherte sich eilig auf seinen kurzen Beinen. Als er die Straße überquert hatte, war er völlig außer Atem.

„He, Buzz.“ Beim Anblick des blassen Mannes musste Dan immer an eine Zeitbombe denken, die jeden Moment explodieren konnte. „Mach langsam.“

„Alles in Ordnung“, japste Buzz. „Lass uns etwas gehen. Der Doc meint, dass ich mich jeden Tag bewegen soll.“

„Einverstanden.“

„Wie steht es um die Sicherheit in diesem Jahr, Danny?“

„So wie immer“, erwiderte Dan und blieb stehen, damit Buzz sich nicht zu sehr anstrengte.

„Ich frage deshalb, weil das Thema Sicherheit in diesem Jahr besonders wichtig ist“, erklärte Buzz.

„Warum?“

„Die bekannte Kochbuchautorin Beatrice Beaujold kommt zu uns. Sie hat Rezepte aufgeschrieben, mit denen eine Frau die Liebe eines Mannes gewinnen und sogar einen Heiratsantrag bekommen kann.“

„Ach, das Buch.“ Vor einigen Wochen hatte Dan in der Zeitung einen Bericht über die heftige Reaktion der Feministinnen auf dieses Kochbuch gelesen.

Buzz nickte. „Ich habe das Gefühl, dass die Autorin eine echte Dame ist. Sie soll nicht durch das ungezügelte Verhalten unserer Leute belästigt werden.“

Wenn eine Brauerei als Sponsor für einen Chili-Kochwettbewerb auftritt, dann muss man mit unfeinem Benehmen rechnen, dachte Dan. Auf der Wache gingen die ganze Nacht Beschwerdeanrufe von Bewohnern der Stadt ein, die sich über den Lärm beklagten. Es würde ihm nicht gelingen, die Stadt für eine zickige Lady ruhig zu halten.

Das aber wollte er Buzz, der so aussah, als würde ihn eine weitere Sorge in den unvermeidlichen Herzinfarkt treiben, nicht mitteilen.

„Sieh dir das an“, meinte Buzz und holte eine zusammengerollte Zeitschrift aus der Hosentasche. „Das ist ihr einziger Schutz.“

Zu sehen war das Foto einer schönen, gertenschlanken Frau mit rötlich blondem Haar und einem strahlenden Lächeln. Die Bildunterschrift lautete: Das neueste Mitglied der Page-turner Promotions, Josephine Ross, bei einem Empfang.

„Sieht nicht gerade wie eine Leibwächterin aus“, meinte Dan. Ihm erschien sie wie eine typische Frau aus der Großstadt, die allerdings sexy aussah. Wenn er nicht wüsste, dass er sich mit solchen Frauen nicht einlassen dürfte, wäre er wahrscheinlich Wachs in ihren Händen. Er hatte jedoch seine Erfahrungen gemacht. Als er auf dem College gewesen war, hatte er den Fehler begangen, sich in ein Mädchen aus der Stadt zu verlieben. Sie jedoch hatte ihn ausgenutzt und dann fallen lassen. Seitdem war er bei cleveren Städterinnen sehr vorsichtig.

„Genau! Schau sie dir an, sieht nicht älter aus als fünfundzwanzig, und wenn sie mehr wiegt als mein linkes Bein, dann fresse ich einen Besen. Wahrscheinlich wird sie noch mehr ungebührliches Verhalten auf sich ziehen.“

Als ob die wenigen Polizisten nicht schon genug zu tun hätten. Um einer Autorin als Wachpersonal zu dienen, fehlte ihnen die Zeit. Wenn Dan von den Kollegen noch mehr Überstunden verlangte, würde er sicher Kündigungen bekommen. Um diese Sache kümmerte er sich am besten persönlich.

„Was hältst du von folgender Idee, Buzz? Ich kümmere mich um diese Kochbuchschreiberin.“ So konnten sich die übrigen Polizeibeamten anderen Aufgaben widmen. Wie viel Aufmerksamkeit brauchte außerdem eine kleine Autorin?

Buzz wischte sich mit einem Taschentuch über die Stirn und bedankte sich. „Das wäre sehr nett von dir. Du bist ein guter Kerl, Danny, genau wie dein Vater.“

„Danke, Buzz.“

„Miss Beaujold kommt am Donnerstag“, fuhr Buzz fort. „Es wäre schön, wenn du im Silver Moon Inn sein könntest.“

„Mach dir keine Sorgen, ich werde da sein“, meinte Dan resigniert.

Als er an das Bild von Josephine Ross dachte, überkam ihn die Vermutung, dass es in diesem Jahr noch mehr Schwierigkeiten geben würde. Er musste sich auf jeden Fall von dieser Frau fern halten.

1. KAPITEL

Am späten Donnerstagnachmittag stand Josie Ross in der Eingangshalle des Silver Moon Inn. Mit Mobiltelefon, Aktentasche und Laptop ausgestattet, fragte sie sich, ob sie wirklich hier wohnen sollte, oder ob jemandem bei Page-turner Promotions ein Fehler unterlaufen war.

Hoffentlich stimmte Letzteres nicht. Wenn jemand bei der Agentur einen Fehler gemacht hatte, dann war sie es wahrscheinlich selbst gewesen, da sie noch nicht lange zum Team gehörte. Sie durfte Beatrice Beaujold, eine Kochbuchautorin und eine der wichtigsten Kundinnen von Page-turner, an diesem Wochenende beim Rocky Top Chili – Kochwettbewerb betreuen. Deshalb war es sehr wichtig, dass sie korrekt arbeitete.

Keinesfalls wollte sie den Job verlieren, weil sie sich nicht genügend bemüht hatte.

Als Vorbereitung hatte sie sich ausgiebig über die Geschichte des Wettbewerbs, die Stadt und die Autorin informiert. Bei der Redakteurin hatte sie sich nach ihrem Eindruck von Beatrice Beaujold erkundigt sowie nach Besonderheiten, die sie wissen musste. Noch heute Morgen hatte sie von ihr ein Schreiben bekommen, das nun gemeinsam mit dem Scheck der Brauerei in einem großen Umschlag im Koffer lag.

Josie war vorbereitet, und das gefiel ihr.

Mit frischem Selbstvertrauen ging sie durch die Eingangshalle und hielt nach dem Empfang beziehungsweise nach Beatrice Beaujold Ausschau.

„He, Baby“, sagte ein dunkelhaariger, bärtiger Mann mit Schaum am Mund. Er hob ein Bierglas, wobei er etwas verschüttete. „Ist es hier so heiß oder bist du das?“

Josie ging einfach weiter und fragte sich, warum so unmögliche Typen überall auftauchten.

Was würde Lyle denken, wenn er sie jetzt sähe? Lyle Bancroft war fast fünf Jahre lang mit Josie verlobt gewesen. Am Vorabend der Hochzeit hatte er sie verlassen. Als Grund gab er an, dass Josie zu bürgerlich sei. Sie sei einfach nicht die geeignete Frau für einen Bancroft, da sie nicht aus den passenden Kreisen stammte.

Wäre Lyle jetzt hier in diesem schäbigen Hotel, umgeben von Betrunkenen und dem Geruch von Zwiebeln und Chiligewürz, würde er sich sicher in seiner Meinung über sie bestätigt fühlen.

Nachdem sie ziellos durch die Halle gegangen war, hielt sie eine Frau mit gefärbtem blondem Haar an. „Entschuldigung, können Sie mir sagen, wo die Rezeption ist?“

„Die was?“, wollte die Frau wissen.

Josie zögerte. „Ich suche die Rezeption.“ Sie sprach laut und deutlich wie mit einer Person, die schwer von Begriff ist. „Wissen Sie, den Schlüssel“, erklärte sie und imitierte mit der Hand das Aufschließen einer Tür.

Eine Minute lang starrte die Frau auf Josies Hand. „Den Schlüssel bekommen Sie da hinten beim Eingang.“

„Aha“, erwiderte Josie und fühlte sich kein bisschen schlauer. „Vielen Dank.“ Sie ging in die Richtung, in die die Frau gezeigt hatte, und befand sich bald in einem dunklen Flur. Nach einigen Schritten war sie wieder da angekommen, wo sie losgegangen war.

Sie lächelte die überraschte Frau höflich an und folgte nun einigen Leuten zu einer Tür, die vor wenigen Minuten noch geschlossen war. Jetzt konnte man eine Rezeption erkennen.

In dem Raum waren die Kochbücher von Beatrice Beaujold auf einem Tisch arrangiert. Der Titel des neuesten Werkes Der Weg zum Herzen der Männer: 100 verlockende Rezepte war gut sichtbar.

Nachdem sie die Anordnung einiger Exemplare leicht verändert hatte, ging sie zur Rezeption und stellte sich an das Ende der Schlange. Sie nutzte die Wartezeit, um in ihren Kalender zu schauen.

„Kann ich Ihnen helfen, Miss?“

Josie sah auf und blickte auf eine blasse, zarte Brünette, die an der Rezeption saß. „Ja.“ Josie schloss den Terminkalender und steckte ihn in die Tasche. „Können Sie mir sagen, ob Beatrice Beaujold schon angekommen ist?“

„Das weiß ich nicht“, antwortete das Mädchen unsicher.

Da sie keinen starken Südstaatenakzent hatte, konnte Josie sie problemlos verstehen, aber als sie gar nichts mehr sagte, fragte Josie sich, ob das Mädchen sie nicht verstanden hatte.

„Der Name ist Beaujold, B-E-A-U-J-O-L-D“, buchstabierte sie.

Schweigen.

„Könnten Sie bitte einmal nachsehen?“

„Ja, ja, das kann ich.“

Wieder wartete Josie, während nichts geschah.

„Würden Sie, bitte …“, fragte sie endlich und erkannte, dass es bei diesem Spiel darum ging, die richtigen Worte zu finden.

„Selbstverständlich“, antwortete das Mädchen und blickte auf den Computerbildschirm, der vor ihr stand. „Nein, sie ist noch nicht angekommen.“ Sie nickte bedächtig mit dem Kopf. „Das hatte ich mir schon gedacht.“

„Danke fürs Nachsehen“, antwortete Josie leicht verärgert. Sie stellte ihre Taschen ab und holte die Brieftasche heraus. „Dann sollte ich mich jetzt anmelden.“

Ein ausdrucksloses Starren.

„Ich bin Josephine Ross.“ Sie wies auf den Computer. „Mein Zimmer liegt neben der Suite von Miss Beaujold. Da ich die Räume reserviert habe, kann ich jetzt auch die Anmeldung für uns beide erledigen. Wenn Miss Beaujold kommt, gebe ich ihr den Schlüssel.“ Josie holte die nagelneue Kreditkarte der Firma heraus, legte sie auf den Tisch und trat einen Schritt zurück.

Das Mädchen nahm die Karte, zog sie durch das Lesegerät und bediente die Tastatur des Computers mit einem Finger. Sie benötigte zehn Minuten, bis sie endlich aufschaute und verkündete: „Diese Karte wird nicht angenommen.“

„Was?“

„Sie wurde abgelehnt.“

„Warten Sie eine Minute!“ Josie holte sich die Karte zurück. „Ein Fehler muss vorliegen. Ich rufe die Firma an, und Sie benutzen solange diese.“

Sie kramte in der Handtasche auf der Suche nach ihrer persönlichen Kreditkarte und hoffte, dass ihr Konto ausreichend gedeckt war. Während sie einen Job gesucht hatte, waren ihre Ersparnisse geschrumpft. Gerade rechtzeitig war sie von Page-turner eingestellt worden.

Unbehaglich wartete sie weitere fünf Minuten, bis sie ihre Karte mit dem Unterschriftsbeleg zurückbekam. „Jetzt sind Sie angemeldet. Ich hole die Schlüssel.“

Als sie die großen Messingschlüssel bekam, bedankte Josie sich und steckte die Schlüssel in die Tasche. Dann holte sie die Firmenkreditkarte wieder hervor und klappte ihr Handy auf, weil sie sich nach dem Problem mit der Karte erkundigen wollte.

Leider bekam sie keinen Empfang, sodass sie zuerst im Zimmer herumging und dann draußen ihr Glück versuchte. Auch dort hatte sie keinen Erfolg.

„Hier bekommen Sie keinen Empfang“, verkündete eine freundliche Frau mit leuchtend blauen Augen und roten Wangen.

„Haben Sie es schon versucht?“

Die Frau lächelte und holte ein ähnliches Telefon aus der Handtasche. „Schon zehn Meilen vor der Stadt hat es nicht funktioniert.“

Nun steckte Josie das Telefon weg. „Wahrscheinlich komme ich auch einige Tage ohne das Gerät aus.“ Die schweren Taschen stellte sie auf den Boden und streckte die Hand aus. „Josie Ross.“

Die Frau ergriff die Hand und lächelte. „Dolores Singer, aber Sie können mich Buffy nennen.“

„An ihrem Akzent merke ich, dass Sie nicht von hier sind.“

„Nein, ich komme aus Cleveland. Und Sie?“

„Manhattan. Man glaubt, auf einem anderen Planeten zu sein.“

„Verstehe, was Sie meinen“, stimmte Buffy zu. „Es gefällt mir hier, weil alles viel entspannter und ruhiger abläuft.“

Josie war der Meinung, dass eine erzwungene Entspannung alles andere als entspannend war, aber sie behielt diese Ansicht für sich. „Sind Sie wegen des Chili-Wettbewerbes hier und vertreten Ohio?“

Buffy schüttelte den Kopf. „Nein, eigentlich bin ich gekommen, um Beatrice Beaujold kennenzulernen. Sie hat dieses wunderbare Kochbuch geschrieben, für das ich ihr sehr dankbar bin.“

„Tatsächlich? Warum?“

„Ihretwegen werde ich bald heiraten.“

„Ehrlich?“, fragte Josie, die immer ein offenes Ohr für Romanzen hatte, solange ihr Herz nicht gebrochen wurde.

„Wegen der Rezepte?“

„Ich glaube schon“, erwiderte Buffy und errötete. „Bei einem Picknick fiel mein Freund vor mir auf die Knie, nachdem er zwei Löffel von dem Pudding probiert hatte. Da ich niemals mit dieser Reaktion gerechnet hatte, führe ich sie auf das Rezept zurück.“

Josie war sehr skeptisch, aber sie wusste, dass sie diese Ansicht unterstützen und nicht ablehnen sollte. Statt zu lügen, schwieg sie lieber.

„Diese Geschichte klingt verrückt, aber es sind schon andere Dinge geschehen.“

Nun lächelte Josie. „Gratuliere. Hoffentlich bleiben Sie lange glücklich.“ Sie schaute auf die Uhr. „Es war nett, mit Ihnen zu reden, aber ich muss in meinem Zimmer telefonieren.“

„Die Zimmer hier haben kein Telefon.“

„Wie bitte?“

„Kein Telefon auf dem Zimmer.“

Einen Moment schloss Josie die Augen und atmete tief ein. „Wahrscheinlich gibt es auch kein Fax.“

„Genau.“ Buffy lächelte verständnisvoll. „Man verliert vielleicht etwas Zeit, aber es passt zu der friedlichen Atmosphäre hier.“

Josie seufzte.

„Neben der Eingangstür steht ein öffentlicher Fernsprecher. Probieren Sie den doch mal“, schlug Buffy vor.

Josie bedankte sich und trug ihr Gepäck zum Telefon. Es schien hundert Jahre alt zu sein, und noch bevor sie ein Amt wählen konnte, knisterte es in der Leitung. Sie bewegte das Kabel in der Hoffnung, einen Anruf machen zu können, aber es half nichts.

Verzweifelt hängte den Hörer ein. Vielleicht funktionierte das Handy in ihrem Zimmer. Sie würde schnell nach oben gehen und telefonieren, damit sie Beatrice’ Ankunft nicht versäumte. Zufrieden mit ihren Plänen ging sie zu ihrem Koffer.

Er war weg.

Wie konnte jemand ihn genommen haben? Sie war doch nur wenige Meter von ihm entfernt gewesen.

Sie schaute sich um, weil sie feststellen wollte, ob jemand den Koffer nur verschoben hatte. Leider war er nirgends zu sehen. Josie lief nach oben, um in Beatrice’ und ihrem Zimmer nachzusehen, und ließ bei der Gelegenheit ihre übrigen Sachen gleich dort. Wieder an der Rezeption fragte sie das Mädchen, ob ein Angestellter des Hotels den Koffer vielleicht in einen Gepäckraum gebracht hätte, aber als Antwort erhielt sie nur ein ausdrucksloses Starren und die Auskunft, dass es keinen Gepäckraum gebe.

„Könnte ich den Geschäftsführer sprechen?“, fragte Josie und bemühte sich um einen höflichen Tonfall, obwohl sie das Mädchen am liebsten angeschrien hätte.

„Die Besitzerin ist da. Wahrscheinlich würden Sie sie Geschäftsführerin nennen.“

„Gut“, erwiderte Josie und versuchte, Herrin der Lage zu werden. Ihr fiel der Scheck für Beatrice ein. Der Brief von ihrer Lektorin. „Würden Sie sie bitte rufen?“, fragte sie, wobei ihre Stimme lauter wurde. „Vielleicht kann sie mir helfen, die Situation zu klären.“

„Okay.“ Lächeln. Nicken.

Jeder Muskel in Josies Körper spannte sich an. „Könnten Sie es sofort veranlassen?“

„Oh, okay.“ Sie verschwand in einem Raum hinter dem Empfang und Josie schaute sich um. Nirgendwo ein Koffer. Gerade wollte sie auf der Veranda nachsehen, als sie von einer freundlichen Stimme mit Südstaatenakzent, die sie an die Personen aus Vom Winde verweht erinnerte, unterbrochen wurde.

„Entschuldigen Sie, Miss Ross?“

Sie drehte sich um und sah eine Frau an der Rezeption, die aussah, als würde sie in einem Film die Rolle einer Südstaatenlady spielen. Mit den Fingerspitzen berührte sie den Oberarm eines unverschämt gut aussehenden Mannes.

„Miss Ross, ich bin Myrtle Fairfield, und das ist Dan Duvall“, stellte die Frau mit der angenehmen Stimme vor. „Er arbeitet bei der Polizei. Ich habe gehört, dass Sie ein kleines Problem mit Ihrem Koffer haben. Mr Duvall kann Ihnen helfen.“

Wie ein Polizist sah ihr Begleiter nicht aus. Eher wie ein Filmstar. Er war groß, hatte gewelltes dunkles Haar und blaue Augen, die an die Farbe des Sommerhimmels erinnerten. Kleine Fältchen um die Augen kennzeichneten ihn als einen Mann mit Humor.

„Danke für die Mühe“, antwortete Josie und war sich peinlich bewusst, dass sie sich seit der fünfstündigen Anreise am Morgen noch nicht frisch gemacht hatte. Dabei sollte es ihr eigentlich egal sein, was dieser Adonis von ihr dachte. Über ihre Reaktion auf ihn war sie nicht nur verärgert, sondern auch überrascht. Schon seit Jahren hatte ein Mann nicht mehr solche Gefühle in ihr geweckt, aber dieser Mann, der schon so aussah, als würde er sich vor Frauen nicht retten können, sollte nicht das Ziel ihrer romantischen Wunschträume sein.

Als er lächelte, zeigten sich gleichmäßige weiße Zähne und Grübchen. „Nennen Sie mich bitte Dan.“

Josie musste schlucken. „Gut, Dan.“

Er kam einen Schritt näher. Dabei stellte sie fest, dass er angenehm nach Seife und frischer Kleidung roch.

„Ihre Tasche wurde also gestohlen. Wurden Sie dabei verletzt?“

„Nein, es war kein Überfall.“ Sie versuchte, sich zur Ruhe zu zwingen. „Ich war nicht da.“

„Sie waren nicht da.“

„Nein, doch, ja.“ Nun war sie völlig durcheinander, was überhaupt nicht gut war. „Ich will sagen, dass ich nur ein paar Schritte entfernt war. Ich hatte den Koffer kurz abgestellt, weil ich den öffentlichen Fernsprecher benutzen wollte. Da das Telefon nicht funktionierte, war ich nicht mehr als eine Minute weg, aber als ich den Hörer auflegte, war der Koffer verschwunden.“ Sie warf Myrtle einen entschuldigenden Blick zu. „Es tut mir leid, dass ich Sie damit belästigen muss, aber es gibt sicher eine logische Erklärung.“

„Kein Problem“, erwiderte Myrtle, aber sie sah sehr besorgt aus.

„Da hinten haben Sie ihn stehen lassen?“, fragte Dan und zeigte auf die Eingangshalle.

„Ja, genau“, entgegnete Josie.

Dan Duvalls Stimme klang nun nicht mehr so freundlich. „Und Sie hatten das Gepäck nicht im Blick?“

„Ich war ungefähr eine Minute lang abgelenkt. Aber wie ich schon sagte, war ich nicht weit entfernt.“

„Sie hätten ihr Gepäck nicht unbeaufsichtigt stehen lassen sollen. Jeder hätte es mitnehmen können.“

„Jetzt ist mir das klar.“

„Haben Sie jemand Verdächtigen bemerkt?“, wollte Myrtle wissen.

„Um die Details kümmere ich mich“, sagte Dan und klopfte der älteren Dame auf die schmale Schulter. „Es sieht so aus, als könnte Lily Rose etwas Hilfe am Empfang gebrauchen.“ Er zeigte auf das Mädchen an der Rezeption, das nun unruhig aussah und ihre Hände verschreckt bewegte, während sie versuchte, den ungeduldigen Gästen zu helfen.

Sofort ging Myrtle zu Lily Rose.

Dan Duvall hatte ihr hinterher gelächelt, aber das Lächeln verschwand, als er sich wieder an Josie wandte und sie um eine Beschreibung der fehlenden Gegenstände bat.

Sie nannte sie ihm, wobei ihr auffiel, dass er sich keine Notizen machte. „In der Seitentasche befand sich ein Umschlag mit der Aufschrift Beatrice Beaujold“, erklärte sie. „Zuerst dachte ich, dass jemand vom Hotel den Koffer in Beatrice’ Zimmer gebracht hatte, aber als ich nachschaute, war er nicht dort.“

„Was befand sich in dem Umschlag?“

„Beatrice’ Lebenslauf und Foto sowie einige Prospekte und Informationen über den Kochwettbewerb. Meine eigenen Notizen. Außerdem ein Scheck von der Brauerei für Beatrice.“

„Den kann ja niemand einlösen.“

„Vielleicht nicht, aber sie erwartet, dass sie ihn bei der Ankunft erhält.“

„Verstehe. Vermissen Sie auch Bargeld?“

„Nein.“

„Das ist gut. Ich bin nicht sicher, wie wir Ihnen helfen können, aber wir werden uns sicherlich umschauen.“

„Soll ich eine Liste schreiben?“, fragte sie und versuchte, hilfsbereit zu klingen, obwohl sie verärgert war, weil ihn ihr Problem so wenig zu treffen schien. „Damit Sie nichts vergessen.“

„Nicht nötig. Wir informieren Sie, sobald wir etwas gefunden haben.“ Er nickte kurz und drehte sich um.

„Einen Moment noch.“

Betont geduldig blickte er sie an. „Ma’am?“

„Was soll ich jetzt machen?“

Er hob die Braue, als wartete er noch auf weitere Fragen.

„Die Sachen sind schließlich wichtig für mich, selbst wenn sie sonst niemanden interessieren.“ Besonders dachte sie dabei an den Brief von Susan Pringle. Sie hatte noch keine Zeit gehabt, ihn ganz zu lesen, aber schon im ersten Abschnitt gab es einen Hinweis auf besondere Herausforderungen bei der Behandlung von Beatrice. Außerdem war die Rede von vertraulichem Material, das Josie nicht aus den Händen geben sollte. Bevor sie noch weiterlesen konnte, war ihr Flug angekündigt worden, und sie hatte den Brief weggesteckt.

Damals hatte Josie nicht an außergewöhnliche Eigenheiten gedacht, aber nun malte sie sich die schlimmsten Dinge aus.

„Ich brauche den Koffer wirklich“, betonte sie. „Soll ich den Diebstahl auf der Polizeiwache melden?“

„Das können Sie, aber es bringt nicht viel“, erwiderte er.

„Wenn alles ordnungsgemäß gemeldet wird, fühle ich mich wohler.“

„Aber Sie haben doch gerade alles aufgeführt.“

„Ich schon, aber was ist mit Ihnen?“

Nun zeigte er ein überlegenes Lächeln. „Natürlich habe ich alles aufgenommen, Ma’am. Ich habe nur keine Zeit, zur Wache zu gehen, aber das werde ich so bald wie möglich tun.“

Josie hatte das Gefühl, herablassend behandelt zu werden. „Schauen Sie, in diesem Umschlag waren wichtige Papiere, und mir wäre einfach lieber, wenn jemand meine Diebstahlsanzeige niederschriebe. So wie es die meisten Polizisten tun würden“, musste sie noch hinzufügen.

„Verstehe.“

„Wo ist die Wache?“

„An der Kreuzung von Elm Street und Magnolia Street. Aber wir haben im Moment nicht genügend Personal, sodass Sie warten müssen, bis der Polizeichef kommt, und das …“

„Gut“, sagte sie angespannt. „Mit ihm möchte ich unbedingt reden.“

Wieder lächelte er. Nicht gerade freundlich, sondern eher amüsiert. „Ich habe so das Gefühl, dass Sie Ihre Meinung noch ändern werden.“

„Bestimmt nicht.“ Sie lächelte höflich und ging aus dem Hotel. Draußen schien die Sonne, und Josie ging energisch die Straße entlang. Sie hatte zwar keine Ahnung, wo sie landen würde, aber sie wollte auf Dan nicht unsicher wirken.

Josie hatte Glück, denn schon bald stieß sie auf die Elm Street und konnte zielstrebig weitergehen.

Es schien so unwirklich, dass man sie bestohlen hatte, denn sie fühlte sich völlig sicher, als sie die Straße allein entlangging. Dieses Gefühl kannte sie nicht, denn in Manhattan verhielt sie sich viel vorsichtiger.

Die Polizeiwache befand sich in einem quadratischen Backsteinbau, der nicht so aufwendig gestaltet war wie die anderen Häuser.

Josie holte kurz Luft und öffnete dann die knarrende Tür.

„Hallo!“, rief sie. „Ist hier jemand?“

Sie hörte einen überraschten Ausruf und das Klirren von Metall, bevor ein Mann antwortete. „Hallo? Wer ist da?“

„Niemand, den Sie kennen. Ich bin nur vorübergehend hier und suche den Polizeichef.“

„Der ist gerade nicht da.“

„Wer sind Sie?“

Eine lange Pause. „Ich bin Deputy Pfeiffer.“

„Können Sie bitte herauskommen? Ich möchte einen Diebstahl melden.“

„Klingt nicht so, als kämen Sie von hier.“

„Richtig. Muss ich von hier kommen, um einen Diebstahl anzuzeigen?“, fragte sie verärgert.

„Mir geht es gerade nicht besonders.“

Sie zählte bis fünf, bevor sie antwortete. „Schauen Sie, Deputy. Sicher sind Sie sehr beschäftigt, aber es wird Sie nicht umbringen, wenn Sie kurz mit mir reden.“

Ein Augenblick verging. „Ich kann nicht.“

„Warum nicht?“

„Weil ich eingesperrt bin.“

„Was?“, fragte sie völlig verblüfft.

„Nun, ich machte gerade eine der Zellen sauber, als die Tür hinter mir ins Schloss fiel.“ Einige Sekunden verstrichen. „Können Sie mich herauslassen?“

„Wie?“ Erstaunlich. Jetzt sollte sie auch noch einen Polizisten aus dem Gefängnis befreien. Sie fühlte sich wie in einer Comedy-Show.

„Die Schlüssel hängen an der Wand.“

Josie blickte sich um.

„Ich kann keine Schlüssel entdecken!“, rief sie.

„Dann liegen sie sicher auf dem Schreibtisch. Sehen Sie den Tisch an der Tür? Der mit dem Kalender?“

„Ja.“

„Schauen Sie in der obersten Schublade nach.“

Sie konnte einfach nicht glauben, dass sie einen Polizisten aus einer Zelle befreien musste, bevor sie den Diebstahl ihres Gepäckes melden konnte. Wieso war sie in dieser lächerlichen Stadt gelandet? Hier musste es doch von Kriminellen wimmeln, da die Polizei so unfähig war.

„Ich suche schon“, erwiderte sie.

„Finden Sie sie?“, erklang die Stimme aus dem Hintergrund.

„Noch nicht.“

„Schauen Sie weiter hinten nach.“

Sie zog die Schublade so weit wie möglich heraus und griff hinein. Tatsächlich fand sie einige Schlüssel an einem großen Ring. „Jetzt habe ich sie gefunden“, verkündete sie. In dem Moment wurde die Eingangstür geöffnet, und Dan Duvall kam herein.

„Officer Duvall“, meinte sie knapp und umfasste den Schlüsselbund. „Ich dachte, Sie seien zu beschäftigt, um zur Wache zu kommen.“

Einen Moment lang sagte er kein Wort, sondern blickte erst zu ihr und dann zu den Schlüsseln. „Was zum Teufel haben Sie an meinem Schreibtisch zu suchen?“

2. KAPITEL

„Ihr Schreibtisch?“, wiederholte Josie und blickte sich um. „An Ihrem Schreibtisch war ich gar nicht.“

Im Hintergrund räusperte sich Deputy Pfeiffer.

Dan ging zu Josie und nahm ihr den Schlüsselbund ab. „Meine Schlüssel“, sagte er betont ruhig, „waren in meinem Schreibtisch.“ Er klopfte auf den Tisch, vor dem sie stand. „Ich wiederhole also, was haben Sie hier zu suchen?“

Josie richtete sich auf und legte die Hände an die Hüften. „Deputy Pfeiffer“, von dem sie hoffte, dass er einen höheren Rang als Dan Duvall bekleidete, „hat sich in einer Zelle eingeschlossen und mich gebeten, seine Schlüssel zu holen, um ihn zu befreien. Das versuche ich gerade.“

Ungläubig sah Dan sie an. „Deputy Pfeiffer?“

Ihr wurde warm, obwohl sie sich keiner Schuld bewusst war. „Ja, Deputy Pfeiffer“, entgegnete sie und zeigte auf die gegenüberliegende Tür. „Er hat sich eingeschlossen und mich gebeten, die Schlüssel für ihn zu holen.“

„Das kann ich mir gut vorstellen“, sagte Dan und schüttelte den Kopf. Dann lachte er tatsächlich.

„Was ist daran so lustig?“

„Normalerweise bitten mich Leute wie Sie, die Unruhestifter einzusperren und kommen nicht vorbei, um sie zu befreien.“

„Ich lasse niemanden frei. Ich kam hierher, um einen Diebstahl zu melden und fand Deputy Pfeiffer eingesperrt vor.“

Schweigend schaute er sie an, und ihre Haut prickelte von Kopf bis Fuß.

„Süße, es gibt keinen Deputy Pfeiffer.“

„Oh, mein Gott“, rief sie entsetzt.

„Kam es Ihnen nicht merkwürdig vor, dass der Deputy in einer Zelle sitzt?“

„Das schon.“ Ihre unsinnige Handlung ließ sich nur schwer begründen, aber sie versuchte es. „Bis jetzt hat mich die Arbeit der hiesigen Polizei so beeindruckt, dass mich nichts überraschen kann.“

„Nun, hier in Beldon befinden sich die Verbrecher hinter Schloss und Riegel. Was macht man mit ihnen, wo Sie herkommen?“

Einen Moment lang presste sie die Lippen aufeinander. „Ich verstehe. Wer ist er wirklich?“

Ohne den Blick von ihr zu wenden, rief er nach hinten. „Sag ihr deinen Namen, Deputy.“

Nach einem kurzen Moment wurde geantwortet. „Henry Lawtell.“

„Warum bist du hier?“

„Grundlos!“

„Henry ist in diesem Jahr schon zum dritten Mal im Gefängnis, nachdem er Unmengen Bier getrunken hat und mit dem Motorrad in die Statue von Alexander Beldon gefahren ist. Und zwar nackt.“

„Oh.“

Um seine Mundwinkel zuckte es, als wolle er ein Lächeln unterdrücken.

Nun schämte Josie sich, und ihre Wangen färbten sich rot.

„Geht es Ihnen gut, Miss Ross? Sie sehen etwas erhitzt aus. Sicher sind Sie an das warme Klima hier nicht gewöhnt.“

„Mir geht es gut. Bei uns in New York kann es auch heiß werden.“

Lange sah er sie an, sodass sie sich schon fragte, ob es in dieser Stadt verboten war, in schnippischem Ton mit einem Polizeibeamten zu reden.

„Das ist sicher eine andere Hitze“, erwiderte er.

„Bring sie her, damit ich sie anschauen kann“, rief Henry aus der Zelle. „Sie klingt ganz niedlich.“

„Das ist sie“, entgegnete Dan und betrachtete Josie so gründlich, dass sie das Gefühl hatte, von ihm berührt zu werden.

Dabei wollte sie nicht angefasst werden. Im Moment hatte sie genug Sorgen und konnte auf einen Mann gut verzichten.

Schade, dass ihr Körper anders reagierte. Wenn sie Dan anschaute, beschleunigte sich ihr Puls, und sie fühlte sich sehr lebendig.

„Aber sie ist ziemlich nervig“, fügte er hinzu.

Josie erhob sich zu ihrer vollen Größe und hoffte, dass Dan ihre Aufregung nicht bemerkte. „Ihr Verhalten passt nicht gerade zu einem Polizeibeamten.“

„Nein?“

„Auf keinen Fall.“

„Hätte ich mich angemessen verhalten, dann hätte ich Ihnen gleich Handschellen angelegt, als ich Sie dabei erwischte, wie Sie Schlüssel aus meinem Schreibtisch entwendeten, um einen Gefangenen freizulassen.“ Er verzog den Mund zu einem spöttischen Lächeln. „Wollen Sie das?“

Plötzlich kam ihr der Gedanke, dass diese Handschellen vielleicht schon zu ganz anderen Zwecken verwendet worden waren. Wieder wurde sie rot.

„Nein danke. Außerdem kann ich Ihnen versichern, dass ich den Mann nicht freigelassen hätte, wenn ich festgestellt hätte, dass er keine Uniform trug.“

„Das hört man gerne.“

„Jetzt würde ich gern mit Ihrem Vorgesetzten reden.“

„Wie sieht sie aus, Danny?“, rief Henry.

Josie und Dan warfen sich einen herausfordernden Blick zu.

„Verärgert“, meinte Dan.

„Nein, ich will wissen, welche Haarfarbe sie hat und so weiter.“

„Ihr Haar hat fast die gleiche Farbe wie das Bier, mit dem du dich letztens betrunken hast.“

„Ist Ihr Chef damit einverstanden, wenn Sie so mit Leuten reden, die Sie um Hilfe bitten?“

„Er ist mit allem einverstanden, was ich tue.“

Die Liste mit seinen Unverschämtheiten wurde immer länger. Wenn sie mit seinem Boss geredet hatte, würde sie sich nicht wundern, wenn er fristlos gefeuert würde. „Das werden wir noch sehen. Sie wissen doch, dass ich den Chef sprechen will. Ich gehe davon aus, dass er sich nicht in einer Zelle oder gefesselt und geknebelt in einem Schrank befindet.“

„Nein. Hier erkennen Sie die Polizisten daran, dass sie nicht eingesperrt sind.“

„Das scheint der einzige Unterschied zu sein“, meinte sie. „Können Sie ihn bitten, herzukommen?“

„Er ist schon hier.“

Sie blickte zur Tür in der Erwartung, einen freundlichen, grauhaarigen Mann zu sehen, der sie von Dan Duvalls intensiven Blicken befreien würde. Aber warum war er nicht schon längst gekommen, wenn er hier irgendwo war? „Wo denn?“

„Genau hier.“ Er breitete die Arme aus und lächelte.

Eine Sekunde, bevor er sie aussprach, ahnte sie die Wahrheit.

„Ich bin der Polizeichef.“

Josies Magen verkrampfte sich. „Natürlich sind Sie das“, sagte sie eher zu sich selbst als zu ihm. „Diesen Film habe ich schon gesehen.“

Dan lachte. „Sie wollten mit mir über etwas reden? Die Aufsässigkeit einer meiner Männer, wenn ich nicht irre.“

„Sehr lustig. Wer ist Ihr Boss?“ Sie griff in die Handtasche und holte ihren Kalender.

„Ich hätte gerne Namen, Telefonnummer und Adresse.“

„Das ist der Bürgermeister. Sie finden ihn im Rathaus.“

„Fein.“

„Aber ich glaube, der wird Ihnen nicht so helfen können wie ich.“

„Was soll das heißen?“

„Hier kann ich Ihre Wünsche am ehesten befriedigen.“

Ihr stockte der Atem. „Was zum …“

„Wenn es um Ihr gestohlenes Eigentum geht.“ Er schaute sie an, als könnte er unmöglich etwas anderes gemeint haben. „Wie ich schon sagte, versuchen wir alles, um Ihr Eigentum zu finden. Das kann jedoch etwas dauern. Sie können natürlich jeden Tag zur Wache kommen und Anzeigen abgeben, aber das hält uns nur davon ab, hinauszugehen und nach Ihren Sachen zu suchen.“

„Ich habe nicht den Eindruck, dass Sie sich besonders anstrengen.“

„Was sollen wir sonst noch tun? Eine Fahndung einleiten? Wenn jemand Ihren Koffer gestohlen hat, dann hat er ihn versteckt, aber wir können nicht jedes Zimmer durchsuchen. Oder jemand hat ihn durchwühlt und irgendwo draußen verschwinden lassen. Dann werden wir ihn sicher irgendwann finden.“

Ihr Fall war hoffnungslos. Am besten kaufte sie sich sofort neue Kleidung, denn wahrscheinlich würde sie ihre nie wieder sehen. Außerdem musste sie ein Fax suchen, damit jemand aus dem Büro ihr alle Unterlagen in Kopie zusenden konnte.

Vorher musste sie sich jedoch mit der Brauerei in Verbindung setzen, damit ein neuer Scheck für Beatrice ausgestellt wurde.

„Vielen Dank für Ihre Hilfe“, meinte Josie, ohne ihren Ärger verbergen zu können. „Sie wissen auf jeden Fall, was zu tun ist, damit eine Frau sich sicher fühlt.“ Als sie gehen wollte, wurde sie von einer starken Hand festgehalten.

Dan drehte sie zu sich und sah sie ernst an. „Sie sind in Sicherheit, Miss Ross. Daran dürfen Sie nicht zweifeln.“

Einen Augenblick lang gelang ihr das. Dan war groß, stark und offensichtlich kompetent, wenn es um körperliche Einsatzbereitschaft ging. Es war schon so lange her, dass sie sich bei einem Menschen hatte anlehnen können, dass es ihr einen Moment lang gefallen hätte, sich an ihn zu schmiegen und die Welt um sich herum zu vergessen.

Diesen Gedanken vertrieb sie jedoch schnell wieder. „Danke, aber im Moment würde es mir schon reichen, wenn ich für das Wochenende angezogen wäre.“

Intensiv schaute er sie an. „Sie sind doch angezogen.“

Komisch, dass sie sich gerade gar nicht so fühlte.

„Das ist die einzige Kleidung, die ich im Moment habe“, antwortete sie und versuchte, sich seiner körperlichen Anziehungskraft zu entziehen. „Alles andere war in dem Koffer.“

Dans Gesichtsausdruck wurde milder. „Ich will ja nicht gefühllos erscheinen, aber während dieses Wettbewerbs gibt es immer Ärger. In dieser Zeit wird es schwierig sein, einen gestohlenen Koffer zu finden. Besser erwarten Sie nicht zu viel.“

„Schöne Stadt, in der Sie leben.“

„Ob Sie es glauben oder nicht, normalerweise ist Beldon eine schöne Stadt. Vielleicht kein Ort, an dem ihr Leute aus der Großstadt euch gerne aufhaltet, aber es ist ruhig und beschaulich hier. Während dieser Kochaktion sieht es jedoch etwas anders aus. Dann verwandelt sich die ganze Stadt in eine Bar.“

Nun ließ ihr Ärger nach. „Sicher ist das furchtbar für Sie, aber ich habe nicht das Gefühl, dass der Diebstahl meines Eigentums Sie sonderlich beunruhigt.“

„Doch, aber Sie müssen mir vertrauen.“

Sie schaute in seine Augen und fragte sich, wie viele leichtgläubige Frauen diese Worte schon gehört hatten.

„Es wäre schön, wenn Sie etwas für mich tun könnten.“

„Das klingt schon besser. Hier laufen die Dinge etwas langsamer.“

„Es ist mir durchaus bewusst, dass hier vieles anders abläuft“, sagte sie angespannt. Ihr Wochenende fing ja entsetzlich an! „Ich bin jedoch nur vier Tage lang hier und kann mir nicht den Luxus erlauben, Zeit zu verschwenden.“

Wieder fiel ihr der Brief über Beatrice ein. Natürlich könnte sie die Redakteurin anrufen und sie um eine Kopie des Briefes bitten. Der Verlag war jedoch ein wichtiger Kunde für Page-turner Promotions und Josie konnte sich nicht erlauben, sich zu blamieren. Dann könnte sie nämlich ihre Stelle verlieren.

Was wäre, wenn die Informationen über Beatrice so heikel waren, dass sie nicht an die Öffentlichkeit gelangen durften. Beatrice war im Moment eine bekannte Autorin, und viele Journalisten versuchten, sie schlecht zu machen. Außerdem hatte Beatrice sich aufgrund des Kochbuches die Feministinnen zu Feindinnen gemacht, die sich sicher freuen würden, belastendes Material gegen sie in die Hände zu bekommen.

Das alles durfte Dan Duvall nicht erfahren. Wer wusste, welche Motive er hatte? „Schauen Sie“, begann sie, „ich brauche die gestohlenen Dokumente wirklich für meine Arbeit. Für Dritte haben sie keinen Wert, aber wenn Sie eine Spur entdecken könnten, würde mir viel Stress erspart.“

„Ich werde mich bemühen. Nun, es war nett, Sie kennenzulernen, Miss Ross.“

Offensichtlich wollte er sie jetzt loswerden, denn er wusste einfach nicht, wie wichtig ihr die gestohlenen Unterlagen waren. „Es tut mir leid, dass ich in Ihrer Schublade gekramt habe, aber ich hätte den Gefangenen nicht freigelassen.“

Nun lächelte er ein wenig. Dieser Mann sah einfach wunderbar aus, und einige Frauen könnten ihm sicher nicht widerstehen. „Ich habe immer schon gesagt, dass ihr Städter einfach zu vertrauensselig seid.“

„Wirklich?“ Nun musste sie auch lächeln.

„Oh ja“, antwortete er freundlich.

Josie bekam weiche Knie.

Plötzlich gab es ein lautes Getöse an der Tür. Ein Mann, der wie die schmale Ausgabe von Dan Duvall aussah, wurde offensichtlich gegen seinen Willen von zwei älteren Herren hereingeführt.

„Ich wusste nicht, dass es eine Perücke war!“, protestierte der Mann lautstark.

Dan seufzte. „Entschuldigung“, meinte er zu Josie und stand auf.

„Bitte rufen Sie mich im Hotel an, wenn Sie meinen Koffer gefunden haben“, bat sie. „Ich wohne in Zimmer 508.“

„Ich weiß, wo Sie wohnen.“

Josie schaute ihm nach, als er durch den Raum ging. Ihr fiel auf, dass er sich gut bewegte. Nicht viele Männer wirkten anmutig und gleichzeitig männlich. Es fiel ihr schwer, den Blick von ihm abzuwenden, aber sie machte sich auf den Weg.

Zugegebenermaßen hatte Dan Duvall alle Hände voll zu tun. Vielleicht hätte sie geduldiger sein sollen. Wie oft hatte ihre Mutter gepredigt, dass man Fliegen eher mit Honig als mit Essig fängt?

Außerdem musste sie an Beatrice denken. Es wäre für ihr Image nicht gut, wenn ihre PR-Beraterin sich mit dem Polizeichef anlegte.

Da fiel ihr ein, dass Beatrice jetzt sicher im Silver Moon Inn angekommen war, denn es war schon nach sieben.

Nun eilte sie durch die Stadt zum Hotel zurück. Nach einer zehnminütigen Suche in der Lobby und den Zimmern fürchtete Josie, dass Beatrice gar nicht mehr kommen würde.

Kaum hatte sie den Gedanken zu Ende geführt, als die Eingangstür aufgestoßen wurde. Eine rundliche ältere Dame mit grauen Locken kam auf einen Stock gestützt in das Hotel. Ihr folgte eine junge, gertenschlanke Frau mit einem Baby auf dem Arm.

Das musste Beatrice sein. Josie atmete aus und war froh, dass sich die Dinge langsam regelten.

Ihre Freude war allerdings nur von kurzer Dauer.

„Verschwinde, Junge, ich brauche deine verdammte Hilfe nicht!“

Josie wandte sich um und sah völlig schockiert, wie Beatrice Beaujold dem Hotelpagen mit dem Stock auf das Schienbein schlug.

Das ist nicht Beatrice, dachte Josie, als die Frau den Stock wieder erhob. Das kann sie nicht sein.

Josie erkannte sie jedoch von den Fotos.

Irgendetwas musste geschehen sein, um Beatrice’ Reaktion hervorzurufen. Vielleicht hatte der Page sie versehentlich angestoßen, und Beatrice hielt ihn deshalb für unverschämt.

Obwohl Josie ihrer Vermutung nicht ganz traute, fiel ihr keine bessere Erklärung ein. Es musste doch einen Grund für diesen doch sicher seltenen Wutausbruch geben. Schließlich war Beatrice Beaujold eine freundliche, großmütterliche Person, an die sich die Menschen wandten, wenn sie einen Rat brauchten.

Dieses Image hatten ihre Kollegen bei Page-turner Promotions für sie geschaffen.

Wahrscheinlich hatte man sie gerade in einem schlechten Moment erwischt. Josie würde taktvoll mit ihr darüber reden, wie wichtig ein gutes Image in der Öffentlichkeit war.

Sie fasste sich und ging zu der älteren Frau. „Miss Beaujold?“, fragte sie, als sie näherkam.

„Wer sind Sie?“, schnauzte sie und blinzelte hinter den dicken, runden Brillengläsern.

Josie streckte die Hand aus. „Ich bin Josie Ross von Page-turner Promotions. Wir haben schon miteinander telefoniert.“

„Tatsächlich?“, wollte Beatrice wissen und schaute Josie durchdringend an. „Wie sind Sie denn angezogen?“

„Wie … wie ich angezogen bin?“, stotterte Josie und berührte ihre ärmellose Seidenbluse.

„Nicht gerade anständig.“ Beatrice verzog das Gesicht und flüsterte: „Bedecken Sie sich, mein Kind. Nicht jeder muss Ihr nacktes Fleisch sehen.“

Josie schaute auf ihren knielangen Rock und die weiße Bluse, die sie wahrscheinlich das ganze Wochenende tragen musste, wenn sie nicht ein geeignetes Bekleidungsgeschäft fand. Sie fragte sich, was Beatrice so störte. „Es tut mir leid, ich verstehe …“

„Etwas Sittsamkeit hat noch nie geschadet“, verkündete Beatrice.

Darauf wusste Josie keine Antwort, und sie beschloss, das Thema zu wechseln. „Ist das Ihre Nichte, Miss Beaujold?“, fragte sie und lächelte die junge Frau mit dem Baby an.

Beatrice blickte die beiden kurz an. „Ja. Cher, stelle dich bitte vor.“

„Ich bin Cher“, antwortete sie lustlos.

Beatrice verdrehte die Augen. „Das Baby heißt Britney. Unglaublich, nicht? Familie meines Bruders.“ Sie riss die Augen auf, schüttelte den Kopf und hätte fast einen Vogel gezeigt.

Josie zwang sich zu einem Lächeln. Es handelte sich nicht um eine vorübergehende Laune. Beatrice war wohl immer so. Kein Wunder, dass sich sonst niemand um den Job bemüht hatte.

Deshalb hatte Susan Pringle von besonderen Anforderungen in Verbindung mit Beatrice geschrieben. Wer weiß, was in dem Brief sonst noch alles stand. Wenn das an die Öffentlichkeit gelangte … Im besten Falle würde man einige unschöne Kommentare über Beatrice lesen, aber im schlimmsten Falle würde Beatrice sie selbst entdecken und den Verlag wechseln. Der wiederum würde Page-turner feuern.

Dann würde Josie entlassen.

Darüber wollte sie gar nicht nachdenken.

„Bleiben sie heute Abend?“, fragte Josie mit unsicherer Stimme.

„Ich habe sie das ganze Wochenende am Hals“, korrigierte Beatrice.

„Oh.“ Josie nickte etwas zu eifrig. Was sollte sie tun? Wenn man herausfand, dass Beatrice so … unangenehm … war, dann wäre das für sie und die Agentur schrecklich. Wie aber konnte sie die Autorin in einem besseren Licht erscheinen lassen?

Es gab nur einen Weg. Sie musste dafür sorgen, dass Beatrice sich ruhig verhielt und sich so wenig wie möglich in der Öffentlichkeit zeigte.

Kein Wunder, dass alle Josie diesen Auftrag überlassen hatten. Niemand sonst hatte ihn gewollt!

„Verdammt heiß hier“, meinte Beatrice und fächelte sich mit der Hand Luft zu.

Das war die perfekte Überleitung. „Wir haben für Sie im obersten Stock eine wunderbare Suite mit Klimaanlage reserviert. Dort ist genügend Platz für Sie alle. Sicher gefällt es Ihnen. Wenn Sie erst einmal dort wohnen, möchten Sie vielleicht gar nicht mehr vor die Tür gehen. Außerdem haben wir Bier von Rocky Top geliefert, das Sie mit nach Hause nehmen können.“

Josie kam sich vor, als würde sie einem hungrigen Rottweiler eine Minifrikadelle vor die Füße werfen. Erst sah Beatrice zufrieden aus, aber dann zog sie die Stirn in Falten. „Hoffentlich muss ich nicht die Treppen hochsteigen.“ Misstrauisch blickte sie auf die Stufen.

„Nein, es gibt einen Fahrstuhl“, versicherte Josie schnell. Es fiel ihr schwer, ihren freundlichen Gesichtsausdruck beizubehalten. Sie holte den Schlüssel aus der Tasche. „Hier ist Ihr Zimmerschlüssel. Ich zeige Ihnen den Weg zum Lift.“

Nun suchte sie nach einem unverfänglichen Thema. „Ich habe gehört, dass Sie einige Ihrer berühmten Gerichte kochen werden. Das macht sicher Spaß.“

„Beim Kochen geht es nicht um Spaß“, erwiderte Beatrice naserümpfend.

„Nein?“, fragte Josie erstaunt. Sie war davon ausgegangen, dass die Autorin wenigstens diesem Thema gegenüber aufgeschlossen war. „Aber die Leute lieben Ihre Rezepte. Es muss Ihnen doch Spaß machen, sie zu erfinden.“

Beatrice schnaubte. „Nein, es ist eine Gabe“, betonte sie. „Eine verdammte Gabe, die alle Frauen in meiner Familie haben. Nur meine Schwester Madge nicht.“ Als sie ihre Schwester erwähnte, verzogen sich ihre Mundwinkel. „Sie ist eifersüchtig auf mich.“

„Sie kocht nicht?“

Beatrice zuckte mit den Achseln. „Hab sie schon seit mehr als fünf Jahren nicht mehr gesehen.“

„Wie schade.“

Beatrice nickte, und Josie dachte einen Moment lang, dass ihre Züge weicher wurden. „Schade, dass es nicht zehn Jahre sind.“

Josie nickte und drückte den Knopf am Fahrstuhl.

Sie warteten.

„Dann haben die Beaujold-Frauen also ein besonderes Talent zum Kochen“, sagte sie und drückte wieder auf den Knopf. Wo blieb der Aufzug bloß?

Nun starrte Beatrice sie an. „Die Wickham-Frauen. Und die Gabe liegt darin, Männer zu verzaubern“, erklärte sie und machte eine lächerliche Bewegung mit den Hüften. „Sie zu verführen. Sie können einfach nicht widerstehen. Die Rezepte sind nur das Mittel zum Zweck.“

„Viele Leute glauben, dass die Rezepte magische Kräfte haben“, entgegnete Josie, während sie an Buffy und die anderen dachte, die von dem Buch begeistert waren. Es hatte sie überrascht, dass so viele Frauen Heiratsanträge bekommen hatten, nachdem sie Rezepte aus dem Buch ausprobiert hatten.

„Sind Sie verheiratet?“, wollte Beatrice plötzlich wissen.

„Nein, das bin ich nicht.“ Sie bemerkte eine Veränderung in Beatrice’ Gesichtsausdruck, und da sie nicht für eine spärlich bekleidete Lesbe gehalten werden wollte, fügte sie noch etwas hinzu. „Im Moment möchte ich mich noch nicht binden.“

„Kluges Mädchen“. Beatrice zeigte auf sich. „Da habe ich einen Fehler gemacht. Hätte mich besser zuerst auf dem Markt umgeschaut.“ Sie warf einen Blick auf das Baby. „Ich habe versucht, Cher diesen Rat mitzugeben, aber sie hat alles verwechselt und ist nun Mutter.“ Sie schüttelte den Kopf. „Die jungen Dinger heute haben aber auch nichts im Kopf. Absolut gar nichts.“

Cher warf ihrer Tante einen hasserfüllten Blick zu.

„Denk daran, die Käsekuchen aus dem Auto zu holen“, befahl Beatrice und wandte sich dann an Josie. „Ich sollte meine Käsekuchen mitbringen, obwohl sie zu nichts als Ärger führen werden. Jeder Mann, der davon isst, wird spitz wie Nachbars Lumpi. Natürlich ist das bei fast all meinen Rezepten so, aber bei den cremigen Sachen wie Schokoladenpudding oder Käsekuchen ganz besonders. Wahrscheinlich verteilen die Leute sie auf ihrem Körper.“

„Entschuldigung“, hörte man eine zarte Stimme.

Lily Rose von der Rezeption war gekommen. „Der Fahrstuhl funktioniert nicht.“

„Funktioniert nicht?“, wiederholte Josie. „Wann wird er repariert?“

„Wir haben den Handwerker schon angerufen“, erklärte sie. „Er wird gleich vorbeikommen.“ Sie schaute zu Beatrice. „Kann ich Ihnen Ihr Zimmer zeigen, Miss Beaujold?“

„Das wäre nicht schlecht“, erwiderte Beatrice und vermittelte Josie mit ihrem Blick, dass sie den Lift selbst reparieren müsste, wenn der Handwerker nicht bald auftauchte.

„Haben Sie eigentlich meinen Scheck?“, fragte sie unvermittelt.

„Was meinen Sie?“ Josie wusste genau, was Beatrice von ihr wollte.

„Der Scheck. Mein Honorar dafür, dass ich hier auftrete. Man sagte mir, dass Sie ihn hätten.“ Sie streckte ihre fleischige Hand aus. „Geben Sie ihn her.“

Für die Antwort brauchte Josie einen Augenblick. „Ich … ich habe ihn nicht bei mir. Er steckt in meiner Aktentasche.“ Das entsprach schließlich der Wahrheit. „Sie bekommen ihn später.“

Beatrice zog die Stirn in Falten. „Bevor ich den Scheck nicht habe, wird nicht gearbeitet. Merken Sie sich das.“

„Machen Sie sich keine Sorgen“, antwortete Josie so locker wie sie konnte. „Ruhen Sie sich einfach etwas aus.“

So leicht ließ Beatrice sich nicht ablenken. „Bekomme ich den Scheck danach?“

„Auf jeden Fall.“ Selbst wenn sie ihn persönlich ausstellen musste. Wahrscheinlich würde er erst platzen, wenn Beatrice wieder zu Hause war.

Offensichtlich zufrieden nickte die ältere Frau und ging mit Cher und Britney hinter Lily her. In diesem Moment tauchte Dan Duvall auf.

„Ich habe Sie schon gesucht“, sagte er.

„Haben Sie meine Aktentasche gefunden?“

„Noch nicht, aber …“

Er wurde von einigen Frauen unterbrochen, die vorbeikamen. Eine unglaublich dralle Blondine warf Dan einen verführerischen Blick zu. „He, Dan. Lange nicht mehr gesehen. Was ist los? Magst du mich nicht mehr?“

„Was glaubst du denn, Kathy?“ Er lächelte sie auf eine Art an, die Kathy wahrscheinlich dazu gebracht hatte, ihm alle möglichen Wünsche zu erfüllen.

„Ich finde, es ist schon zu lange her“, gurrte sie. Josie warf sie nicht einen Blick zu. „Ich habe so oft an dich gedacht.“

„Das ist nett von dir.“

Angewidert beobachtete Josie, wie das Mädchen Dan einen Kuss zuwarf und dann mit schwingenden Hüften wegging.

„Was sagten Sie noch?“, fragte Josie ungeduldig. Da bemerkte sie, dass er einen braunen Umschlag in der Hand hielt. „Ist das meiner?“

„Das wollte ich Sie gerade fragen.“

Eifrig nahm sie den Umschlag und drehte ihn um. In ihrer Handschrift stand der Name Beatrice Beaujold darauf. „Ja“, sagte sie und öffnete ihn, um zu sehen, ob die Unterlagen darin waren. Leider sah sie nur einige Fetzen.

„Was ist das denn?“, fragte sie, und ihr war nach Weinen zumute. Kein Brief von der Redakteurin und kein Scheck.

„Ich hoffte, Sie wüssten das. Als wir den Umschlag fanden, war er leer. In der Nähe lagen einige Zettel, aber der Rest war sicher weggeflogen.“

„War meine Aktentasche nirgendwo zu sehen. Meine anderen Sachen?“

„Nur das hier.“ Aus der Tasche holte er den Teil eines glänzenden Schlosses aus Messing. „Kommt Ihnen das bekannt vor?“

Es stammte von ihrem Koffer. „Ja.“

„Das habe ich mir schon gedacht.“ Er griff nach dem Umschlag. „Darüber mache ich mir am meisten Sorgen.“ Er nahm die Papierschnipsel heraus und fügte sie zusammen.

„Was zum …“ Es handelte sich um Fotos von Beatrice, die jemand zerrissen hatte. Josie nahm sie und setzte sich auf eine mit Brokat bezogene Chaiselongue. „Es scheint, dass jemand etwas darauf geschrieben hat“, sagte sie, während sie die Teile auf dem Schoß hatte.

Jemand hatte Beatrice mit einem dicken Filzstift Hörner und einen schwarzen Bart gemalt und alles mit einem großen X durchgestrichen. Über dem Bild stand das Wort Hure.

Miststück, das hätte Josie noch verstanden, aber Hure?

„Können Sie sich denken, warum jemand das getan hat?“, wollte Dan wissen.

„Keine Ahnung.“

„Keine Feinde?“ Er zog eine Braue hoch. „Gibt es niemanden, der etwas gegen sie haben könnte?“

Obwohl Josie Beatrice erst wenige Stunden kannte, konnte sie sich leicht vorstellen, warum jemand ihr Bild mit Hörnern versehen hatte. Wieder fiel ihr der Brief von Susan Pringle ein, und sie fragte sich verzweifelt, was an dem Inhalt so vertraulich war. Josie fühlte sich ganz mulmig. War Beatrice schon einmal verhaftet worden? Führte sie ein Doppelleben, von dem niemand etwas wusste? War ihre Vergangenheit der Grund dafür, was nun geschah?

„Mir ist niemand bekannt“, antwortete Josie nachdenklich.

Er schaute sie intensiv an und wirkte ganz anders als am Nachmittag. „Sind Sie sicher?“

„Ehrlich gesagt weiß ich nichts über ihr Privatleben.“ Dass sie auch gar nichts darüber wissen wollte, verriet sie nicht.

„Gut, wenn Ihnen noch etwas einfällt, denn melden Sie sich bei mir.“ Dan zog eine Visitenkarte aus der Tasche. „Hier finden Sie alle Nummern, unter denen Sie mich erreichen können.“

Als Josie die Karte entgegennahm, berührten sich ihre Fingerspitzen. Josie fragte sich, wie viele Frauen schon seine Karte hatten. „Komisch, dass Sie mir die nicht schon früher gegeben haben. Ich dachte, Sie wären zu beschäftigt, um sich mit mir abzugeben.“

Nun lächelte er sie verwegen an. „Wollten Sie mich anrufen?“

„Ich meine natürlich, dass Sie zu beschäftigt waren, um sich um mein gestohlenes Eigentum zu kümmern.“

Jetzt wurde sein Blick merklich kühler. „Wenn ich mich recht erinnere, gaben Sie mir kaum die Gelegenheit, etwas zu sagen oder zu tun. Jetzt aber bitte ich Sie, mich anzurufen, wenn es nötig ist.“

„Und wenn ich ein Telefon finde.“

„Am Eingang gibt es eines“, informierte er sie. „Wenn Sie nichts dagegen haben, würde ich die Zettel gerne als Beweismittel verwahren.“

„Kein Problem. Mir nützen sie im Moment nichts.“ Sie reichte ihm den Umschlag.

„Wahrscheinlich ist es nur ein dummer Kinderstreich, aber wir halten die Augen offen.“

Plötzlich hörte man aus dem oberen Stockwerk einen lauten Schrei. Danach folgte ein noch lauteres Krachen. Dan rannte in die Lobby, wobei Josie ihm folgte. In dem Moment polterte etwas Enormes die Treppe herunter.

Beatrice!

3. KAPITEL

Josie stand wie angewurzelt, während Beatrice wie in Zeitlupe die Treppe hinunterfiel. Als sie auf dem Boden lag, musste man an ein großes Plumeau denken.

Dan Duvall reagierte als Erster. In drei Schritten war er bei Beatrice. Er kniete sich auf den Boden, aber er bewegte sie nicht. Josie ging zu ihm und schaute zu, wie er seine Finger an ihren Hals und dann an den Puls legte.

„Können Sie den Puls fühlen?“, wollte sie wissen.

„Ja, der Pulsschlag ist stark.“

„Rufen Sie die 911 an“, befahl Dan Lily Rose.

Mit kleinen Schritten lief sie zur Rezeption.

„Ich rufe an“, meinte Josie, die nicht sicher war, ob Lily Rose den Anruf erledigen konnte. Sie wollte schon losgehen, als Lily Rose nach dem Hörer griff.

Da stöhnte Beatrice.

Erleichtert wandte sich Josie in ihre Richtung.

Dan beugte sich zu der älteren Frau. „Ma’am? Können Sie mich hören?“

„Ich … höre …“

„Ma’am?“, fragte Dan erneut. „Miss Beaujold?“

Wieder stöhnte sie.

Josie hörte, dass ein Mann hinter ihr flüsterte. „Ihr Genick könnte gebrochen sein.“

Da sagte Dan zu Josie. „Vielleicht reden Sie mit ihr. Eine bekannte Stimme könnte helfen.“

Josie wusste, dass ihre Stimme für Beatrice nicht bekannter als die von Dan war und sicher auch keine beruhigende Wirkung ausübte. Es war jedoch leichter, Dans Bitte zu erfüllen, als erst noch Erklärungen abzugeben.

Sie rückte so nahe an Dan heran, dass ihr fast unbehaglich wurde, und berührte leicht Beatrice’ Arm. „Geht es Ihnen gut?“, fragte sie und fügte hinzu, als sie merkte, wie albern diese Frage klang, „Beatrice? Hier ist Josie Ross. Von Page-turner Promotions.“

Ein Auge wurde geöffnet, und dann sah Beatrice Josie. „Was?“

„Sie sind gestürzt“, erklärte Josie. „Die Treppe herunter. Wir haben schon den Arzt angerufen, bleiben Sie ruhig liegen.“

Beatrice verdrehte die Augen, und Josie dachte für eine Minute, dass sie Schmerzen hatte. Schnell wurde deutlich, dass sie ungeduldig war. „Wohin sollte ich wohl gehen?“

Josie versagte sich eine passende Antwort.

„Wissen Sie, was passiert ist?“, wollte Dan wissen.

Wieder stöhnte Beatrice, aber Josie hatte das Gefühl, dass sie etwas zu dramatisch klang. „Ich sah … mich gestoßen …“ Beatrice schloss die Augen und atmete tief aus.

„Wer hat Sie gestoßen?“, fragte Dan.

„Mein Gott, wie geht es ihr?“ Buffy kam aus der Richtung der Treppe gelaufen.

„Waren Sie bei ihr?“, erkundigte sich Dan.

„Ja. Das heißt, ich war bei ihr, bevor sie fiel. Ich wollte gerade in mein Zimmer gehen, als ich den Lärm hörte.“

„Sie konnten also nicht sehen, was passiert war?“

„Nein.“ Sie schüttelte den Kopf und sah Dan aus weit aufgerissenen Augen an. „Als ich mit ihr sprach, ging es ihr noch gut.“

„Haben Sie sonst jemanden gesehen?“

„Nein.“

Um sie herum bildete sich eine größere Menschenmenge. Die Leuten redeten leise über die arme alte Frau.

Josie bekam ein schlechtes Gewissen, weil sie dachte, dass Beatrice übertrieb, als diese beide Augen öffnete und die Brauen wütend zusammenzog. „Was glotzen alle so?“

Die Leute wurden still.

„Verschwinden Sie“, sagte Beatrice mit kräftiger Stimme. „Raus!“

„Miss Beaujold wird heute keine Termine mehr wahrnehmen“, verkündete Josie. „Morgen um zwei Uhr können Sie zur Signierstunde kommen.“

Ein Murmeln war zu hören, aber niemand bewegte sich.

„Jetzt gehen Sie bitte“, bat Dan. „Sie fühlt sich gleich wieder besser.“

Ein schlanker Mann, der ziemlich vorn stand, fragte: „Sollen wir ihr ein Glas Wasser holen?“

Beatrice hatte offenbar genug Kraft, um eine Beleidigung loszuwerden. „Was soll ich mit Wasser, Sie Idiot? Holen Sie mir lieber ein Bier.“

Der Mann wurde rot. Er blickte zu Josie, und sein Gesicht verfärbte sich noch mehr.

Sie suchte verzweifelt nach einem Weg, seine Verlegenheit zu überspielen. „Das war eine gute Idee“, meinte sie und rechnete fast damit, dass Beatrice ihr gleich einen Schlag verpasste. „Aber ich glaube, ich höre den Krankenwagen.“

Nun stützte Beatrice sich auf die Ellenbogen. „Hoffentlich haben Sie sie nicht meinetwegen gerufen.“ Als sie sich setzte, atmete sie schwer. „Wenn sie zu mir wollen, dann schicken Sie sie weg. Ich will nicht, dass fremde Männer an mir herumfummeln.“

Josie versuchte sich vorzustellen, was die Männer davon hielten, an Beatrice herumzufummeln, aber sie behielt ihre Gedanken bei sich.

„Machen Sie doch gleich ein Foto!“, bellte Beatrice eine Frau an, die zu nahe gekommen war. Dann traf ihr Blick eine weitere Frau, die etwas entfernt stand. „Was gucken Sie so? Und wo haben Sie die Bluse her?“ Ihre Stimme war noch schwach, aber sie reichte für eine weitere Bemerkung. „Sieht aus wie ein verdammter Schonbezug!“

Josie musste sich auf die Zunge beißen, um Beatrice nicht vor allen Leuten zurechtzuweisen. Ständig beleidigte sie ihre Fans, die vielleicht von weither angereist waren, um sie kennenzulernen.

„Beatrice“, begann Josie mit sanfter Stimme, die nichts von ihren wahren Gefühlen verriet. „Sie sind nicht ganz Sie selbst. Wahrscheinlich haben Sie sich den Kopf gestoßen.“

Sie war beinahe froh, als Beatrice sich zurücklehnte und mit Dan sprach. „Man bekommt kaum Luft, wenn diese Zuschauer hier herumstehen.“

„Bitte gönnen Sie uns etwas Ruhe“, verlangte Josie. „Ihr geht es gut, und sie weiß Ihre Sorgen zu schätzen, aber sie muss erst einmal tief durchatmen. Auf der Veranda bekommen Sie Freibier und etwas von Beatrice Beaujolds berühmtem Käsekuchen.“

Langsam verschwanden die Leute und schienen sich über Freibier und Kuchen zu freuen.

„Wer hat Sie gestoßen?“, fragte Dan Beatrice ruhig.

Sie zögerte, bevor sie antwortete: „Niemand.“

„Aber sie haben doch gerade gesagt …“

„Ich habe mich geirrt. Vielleicht gibt es oben einen Spiegel, und ich habe mir eingebildet, jemanden zu sehen.“

„Was haben Sie oben gemacht?“

„Wie Sie wissen, funktioniert der Fahrstuhl nicht. Deshalb musste ich die verdammten Treppen hochsteigen.“ Sie warf Josie einen verächtlichen Blick zu.

Da wurde die Tür aufgestoßen, und zwei eifrig aussehende Sanitäter kamen mit einer schmalen Trage herein. Als sie Beatrice auf dem Boden sahen, schauten sie zuerst einander und dann die Trage an.

„Schafft sie hier weg“, befahl Beatrice.

„Lassen Sie sich doch einmal ansehen“, schlug Josie vor und bereitete sich schon auf einen neuen Kampf vor. Ihr wurde immer klarer, warum ausgerechnet sie Beatrice betreuen sollte. Es war nicht etwa so, dass man der Anfängerin eine tolle Kundin anvertraut hatte, sondern die Neue war die Einzige in der Firma, die nicht wusste, wie schwierig Beatrice war.

„Nein, mit mir ist alles in Ordnung.“

Dan schaute Josie an und zog die Brauen hoch. „Was meinen Sie?“, flüsterte er.

„Ich weiß nicht. Vielleicht sollten wir ihre Nichte fragen. Sie gehört zumindest zur Familie. Soll ich sie von oben holen?“

„Nein, das mache ich“, bot Dan an. Er blickte zu den Sanitätern. „Mike, Len, würdet ihr einige Minuten warten? Nur um sicherzugehen, dass ihr sie nicht mitnehmen müsst.“

„Kein Problem, Dan“, sagte der kleinere, und Dan nickte und ging zur Treppe. Noch bevor er die Stufen hochgehen konnte, wurde er von Jerry aufgehalten. Er hatte Stift und Block in den Händen. „Bin ich zu spät?“, fragte er.

„Wofür zu spät?“, wollte Dan ungeduldig wissen.

„Für eine gute Story. Ich habe gehört, dass Miss Beaujold gestürzt ist. Deshalb habe ich schnell mein Schreibzeug aus dem Wagen geholt.“

„Was heißt eine Story?“

„Habe ich dir das etwa nicht gesagt? Ich schreibe für den Beldon Chronicle.“

„Seit wann?“

„Seit ich meine Dienste angeboten habe. Sie wollten mich unbedingt haben, im Gegensatz zu gewissen anderen Leuten, die ich kenne.“

„Ich habe jetzt keine Zeit“, sagte Dan und ging an Jerry vorbei. „Später kannst du mir alles erzählen. Nun bist du aber zu spät. Hier gibt es keine heiße Story.“ Er blieb noch einmal stehen und schaute Jerry durchdringend an. „Das ist mein Ernst. Versuche nicht, irgendwas daraus zu machen.“

„Ich suche doch nur einen Knüller, Kumpel.“

„Tatsächlich? Hier findest du jedenfalls keinen.“ Nach einem abschließenden strengen Blick wandte er sich ab und ging die Treppe hoch, um Beatrice Beaujolds Nichte zu holen.

Dan konnte nicht glauben, dass es sich bei dem beschädigten Bild um einen bloßen Scherz handelte. Erstens suchten Jugendliche nicht unbedingt ältere Damen für solche Späße aus, und zweitens gab das Wort Hure keinen Sinn in Verbindung mit dem Foto einer alten Frau. Da sie vielleicht jemand die Treppe hinuntergestoßen hatte, war es noch schwieriger, an einen simplen Streich zu glauben.

Als Dan zu dem Treppenabsatz kam, von dem Beatrice gestürzt war, stellte er fest, dass es dort keinen Spiegel gab. Es gab auch nichts, was sie für einen Menschen hätte halten können, es sei denn, es hätte sich wirklich jemand dort befunden.

An Beatrice’ Suite musste er mehrmals klopfen, bevor Cher die Tür öffnete. Er hörte, dass der Fernseher eingeschaltet war.

„Ja?“

„Sind Sie Cher?“, fragte er.

„Ja.“

Automatisch verwendete er den Tonfall, den er benutzte, wenn er Angehörige von Opfern benachrichtigen musste.

„Ihre Tante hatte gerade einen Unfall, aber es scheint nicht so schlimm zu sein.“

Ohne eine Gefühlsregung schaute sie ihn an.

„Sie ist die Treppe hinuntergefallen“, antwortete er auf die Frage, die sie eigentlich hätte stellen sollen. Keine Reaktion erfolgte.

Dan räusperte sich. „Wie ich schon sagte, scheint es ihr so weit gut zu gehen, aber die Sanitäter sind unten und bereit, sie zu einer Untersuchung ins Krankenhaus zu bringen. Sie will jedoch nicht mitgehen. Miss Ross dachte, dass wir Sie zuerst fragen, bevor wir den Krankenwagen wegschicken.“

Cher richtete sich auf. „Dann lassen Sie sie hier. Sie macht sowieso, was sie will.“ Da hörte man ein Baby weinen, und Cher seufzte. „Ich muss gehen.“

Bevor Dan antworten konnte, hatte sie schon die Tür geschlossen.

Ich habe alles getan, was ich konnte, dachte Dan, als er wieder hinunterging. Schließlich konnte er die alte Dame nicht zwingen, ins Krankenhaus zu gehen.

Unten saßen Josie und Beatrice auf einem Sofa. Neben Josie stand ein halb volles Glas Wasser, und ihr T-Shirt war nass.

„Sie wollte kein Wasser“, raunte Josie ihm zu. „So wie sie es bereits einmal gesagt hatte.“

Dan versuchte, nicht zu lächeln. Die alte Frau war ziemlich schwierig. Wenn er nach Leuten suchte, die sie nicht mochten, dann würde er sicher einige Verdächtige finden.

Als er Buzz Dewey sah, der japsend auf sie zukam, unterbrach er seinen Gedankengang.

„Was ist los?“, wollte Buzz besorgt wissen. „Wurde jemand verletzt?“

„Nur ein kleiner Unfall. Miss Beaujold ist die Treppe hinuntergefallen, aber es geht ihr sicher gleich wieder besser.“

„Miss Beaujold!“, rief Buzz aus, und sein Gesicht nahm eine blasse Farbe an. „Oh nein!“

„Es geht ihr schon wieder gut, Buzz. Ich glaube, sie ist etwas stärker als du glaubst.“

Buzz wandte sich an Beatrice. „Miss Beaujold“, sagte er mit bebender Stimme. „Ich bin Buzz Dewey, Vorstand der Rocky Top Brauerei. Bitte nehmen Sie meine Entschuldigung für das, was passiert ist, an. Kann ich etwas für Sie tun?“

Die ältere Frau schien einen Moment zu überlegen. „Sie könnten mir ein Bier bringen. Oder auch zwei. Schließlich braucht eine Frau ihren Schlummertrunk.“

Buzz war überrascht, versuchte jedoch, sich nichts anmerken zu lassen. Deshalb sah er nun völlig besorgt aus.

„Natürlich hole ich Ihnen ein Bier, oder auch zwei.“ Er eilte an Dan vorbei und schaute weder nach rechts noch nach links, so als würde er die wichtigste Mission seines Lebens erfüllen.

Dan wandte sich wieder an Beatrice Beaujold. Er musste sie genauer beobachten, denn vielleicht hatte Buzz recht, wenn er sich große Sorgen machte.

„Ich sagte doch, dass ich nach Wasser fragen würde, wenn ich welches wollte“, erklärte sie Josie gerade unwirsch. „Meine Güte, verstehen Sie überhaupt meine Sprache? Lassen Sie mich jetzt in Ruhe.“

„Beatrice, es ist mein Job, mich um Sie zu kümmern. Genau, wie es Ihr Job ist, Ihre Fans mit einem Lächeln zu grüßen.“ Die letzten Worte zischte sie förmlich hervor, und Dan versuchte krampfhaft, nicht zu lachen.

„Erst, wenn ich mein Geld habe“, murmelte Beatrice.

„Miss Ross“, unterbrach Dan. „Kann ich kurz mit Ihnen sprechen?“

Josie zögerte und nickte nach einem kurzen Blick auf Beatrice. „Ja.“ Sie stand auf und zwängte sich an Beatrice vorbei, wobei Dan einen Blick auf ihre schlanken Beine werfen konnte.

„Ich glaube, dass Ihre Freundin in Gefahr sein könnte“, meinte Dan ohne größere Umschweife.

„Das stimmt“, erwiderte sie. „Und zwar durch mich.“

„Miss Ross, ich meine es ernst.“

Nun veränderte sich ihr Gesichtsausdruck. „Wirklich?“

„Ich bin mir nicht sicher, aber es spricht vieles dafür, dass es irgendjemanden gibt, der sie nicht mag.“

„In welcher Gefahr befindet sie sich denn? Kann noch einmal jemand ihr Bild verunstalten oder denken Sie an etwas Schlimmeres?“

Er wollte sie nicht beunruhigen, aber sein Instinkt sagte ihm, dass sich hinter der Sache noch mehr verbarg. „Keine Ahnung. Meistens steckt nichts hinter solchen Handlungen, aber ich werde sie trotzdem im Auge behalten.“ Eigentlich machte er sich um Buzz mehr Sorgen, denn der konnte nicht noch mehr Aufregung gebrauchen. Beatrice Beaujold käme wahrscheinlich gegen eine ganze Armee an.

„Danke“, erwiderte Josie. „Denken Sie nur daran, dass Sie sich fern halten, wenn Beatrice mit ihrem Publikum in Verbindung tritt.“

Dan schnaubte. „Ihrem Publikum?“

„Ja“, erwiderte Josie knapp. „Die Leute, die aus dem ganzen Land kommen, um sie zu treffen. Sie müssen wissen, dass ihr Kochbuch sehr beliebt ist.“

Er hatte es gesehen und konnte kaum glauben, dass viele Leute kommen würden, um Beatrice Beaujold zu sehen und etwas über ihre angeblichen Geheimnisse zur Verführung von Männern zu erfahren.

„Es ist wirklich so“, meinte Josie. Bevor sie noch mehr sagen konnte, war ein lauter Jubel von Beatrice zu hören, die eine Flasche Bier hochhielt und in Windeseile die Hälfte leer trank.

„Sie will Frauen raten, wie sie Männer verführen können“, meinte Dan und unterdrückte ein Lächeln.

Josie starrte ihn an. „Erledigen Sie doch einfach Ihren Job und ich erledige meinen, okay?“

„Wenn Sie und Ihre Freundin Beatrice mich nicht daran hindern würden.“

„Wie meinen Sie das?“

„Im Moment fehlen mir drei Leute. Die Männer und Frauen, die noch hier sind, sind so überarbeitet, dass einige am liebsten kündigen würden. Dazu kommt der verdammte Kochwettbewerb und der Ärger, der garantiert immer damit einhergeht. Eigentlich könnte es nicht noch Schlimmeres geben. Dann taucht tatsächlich noch eine nervige Kochbuchschreiberin mit ihrer eingebildeten PR-Dame auf und benötigt zusätzlichen Schutz.“

„Ich brauche Ihren Schutz nicht“, widersprach Josie energisch. „Ich bin in der Lage, auf mich selbst aufzupassen.“

„Leeres Geschwätz von einer Frau, die heute schon zweimal im Polizeibericht aufgetaucht ist.“

„Davon war nichts meine Schuld.“

„Darüber lässt sich streiten.“

„Für eine Diskussion habe ich momentan keine Zeit, Chief Duvall. Ich muss meine Arbeit erledigen. Im Augenblick hindern Sie mich daran.“

Ohne auf seine Antwort zu warten, ging sie an ihm vorbei und marschierte immer weiter, bis sie sicher war, dass er sie nicht mehr sehen konnte.

4. KAPITEL

Josie kam zu Beatrice, als diese gerade versuchte, aufzustehen.

„Ich werde jetzt oben ein kleines Nickerchen machen“, meinte Beatrice in undeutlichem Ton. „Es war ein verdammt langer Tag.“

„Gute Idee“, meinte Buzz Dewey. „Jetzt funktioniert auch der Fahrstuhl wieder.“

„Prima, Sie sind ein guter Mann.“ Sie lächelte leicht. „Vielleicht möchten Sie mal von meinem Käsekuchen probieren …“

Nun trat Josie zwischen die beiden. „Beatrice, ich begleite Sie zu Ihrem Zimmer“, schlug sie vor und warf Buzz Dewey einen entschuldigenden Blick zu. „Ich möchte mit Ihnen noch über das Buch reden.“

Beatrice wirkte ungeduldig. „Aber Mr Dewey wollte gerade ein Stück von meinem Käsekuchen probieren.“

„Darauf freue ich mich schon“, schaltete sich Buzz ein, und sein Blick war so voll freudiger Erwartung wie der eines Kindes vor einem Süßwarengeschäft.

„Wunderbar“, merkte Josie kurz an. „Ich brauche nur ein wenig Zeit, und dann können Sie schlafen gehen“, meinte sie an Beatrice gewandt.

„In Ordnung.“ Beatrice stützte sich schwer auf ihren Stock. „Sie können ja ziemlich penetrant sein.“

Auf diese Bemerkung ging Josie lieber nicht ein. Sie waren erst wenige Schritte gegangen, als Beatrice anhielt. „Ich will noch ein Bier für den Weg.“

„Okay.“ Josie biss die Zähne zusammen. „Warten Sie hier, ich hole eins.“

Sie ging zurück und traf Buzz Dewey, der unruhig in Beatrice’ Richtung schaute. Diese Gelegenheit musste sie ausnutzen.

„Mr Dewey“, sagte Josie vorsichtig. „Leider haben wir ein kleines Problem.“

Er wirkte verschreckt. „Wirklich?“

„Nur ein ganz kleines“, wiederholte sie beruhigend. „Der Scheck, den Sie für Beatrice geschickt hatten, wurde gestohlen, und wir brauchen einen neuen.“

„Gestohlen? Meine Güte.“

„So schlimm ist es sicher nicht, denn niemand kann ihn einlösen. Aber Beatrice ist daran gewöhnt, im Voraus ihr Geld zu bekommen, und Sie können sicher verstehen, dass wir nun ein Problem haben.“

„Allerdings. Die Banken sind morgen geschlossen, sodass wir den Scheck erst am Montag sperren lassen können.“

„Mr Dewey, sicher haben Sie gute Absichten, aber Beatrice …“ Sie suchte nach einem treffenden Grund für einen neuen Scheck. „Beatrice hat so eine Situation schon einmal erlebt, und sie wird ihre Pflichten sicher nicht gern erledigen, ehe Sie Ihre erfüllt haben.“

„Aber wir haben den Scheck doch schon vor Wochen geschickt.“

Das stimmte natürlich. „Könnten Sie es nicht versuchen?“

„Nun …“

„Bitte, Mr Dewey.“ Sie legte die Hand auf seinen Arm.

Er errötete bis zum Haaransatz. „In Ordnung.“

„Vielen Dank.“ Josie lächelte, aber ihre Erleichterung währte nicht lange.

Schließlich musste sie Beatrice noch darüber informieren, dass der Polizeichef sich um ihre Sicherheit sorgte.

„Wo ist das Bier?“, fragte Beatrice, als Josie zurückkam.

Josie unterdrückte einen Fluch. „Im Kühlschrank auf Ihrem Zimmer.“

„Das will ich hoffen.“

„Beatrice, wir müssen noch etwas besprechen.“

Autor

Vivian Leiber
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Elizabeth Harbison
<p>Elizabeth Harbison kam erst auf Umwegen zum Schreiben von Romances. Nach ihrem Abschluss an der Universität von Maryland, ihrem amerikanischen Heimatstaat, arbeitete sie zunächst in Washington, D.C. als Gourmet-Köchin. 1993 schrieb sie ihr erstes Backbuch, danach ein Kochbuch, wie man besonders romantische Mahlzeiten zubereitet, dann ein zweites Backbuch und schließlich...
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Crystal Green
<p>Crystal Green – oder bürgerlich Chris Marie Green – wurde in Milwaukee, Wisconsin, geboren. Doch sie blieb nicht lange: Sie zog zunächst nach Südkalifornien, von dort nach Kentucky und wieder zurück nach Kalifornien. Die Reisezeit vertrieb sie sich, indem sie Gedichte und Kurzgeschichten über die ultimativen Superhelden Supermann und Indiana...
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