Bianca Exklusiv Band 320

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ZUCKERSÜSSE ZÄRTLICHKEITEN von TERESA HILL
Als der gut aussehende Mann ihre Küche betritt, fällt Amy glatt der Puderzucker aus der Hand - es ist Tate Darnley, für dessen noble Hochzeit sie kulinarisch sorgen soll. Ein Blick, und es ist um sie geschehen: Sie hat sich verliebt. In einen Mann, der am Wochenende eine andere heiraten wird …

ABENTEURER SUCHT FRAU FÜRS LEBEN von NINA HARRINGTON
Süße Sommersprossen, ein strahlendes Lächeln und diese langen Beine … Für Kyle ist die Zusammenarbeit mit Lili Hamilton nicht leicht, aber er braucht ihre Hilfe bei seinem Buch über ihre Mutter. Obwohl es zwischen ihnen heftig knistert, hält Lili ihn beharrlich auf Abstand. Warum bloß?

CECILIAS HEIMLICHER WUNSCH von GINA WILKINS
Was für ein unvergesslicher Abend! Sie und Geoff Bingham, den Cecilia bisher nur flüchtig kannte, haben sich auf dem Empfang prächtig amüsiert. Obwohl beide keine Bindung wollen, hat Cecilia nach einer leidenschaftlichen Nacht einen Wunsch. Ob Geoff ihn ihr erfüllt?


  • Erscheinungstag 28.02.2020
  • Bandnummer 320
  • ISBN / Artikelnummer 9783733748739
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Teresa Hill, Nina Harrington, Gina Wilkins

BIANCA EXKLUSIV BAND 320

PROLOG

Eleanor Barrington Morgan rang sich ein Lächeln ab, als ihr Patensohn Tate Darnley erzählte, dass er wieder einmal eine Frau kennengelernt hatte. Die Neue war Investmentbankerin.

„Mmm.“ Tate war ihr der liebste Mensch auf der Welt, daher ließ sie sich nicht anmerken, was sie von seiner Wahl hielt. „Jemand aus deiner Firma?“

„Ja.“

Eleanor konnte sich die Frau nur zu gut vorstellen – streng zu sich selbst, was Kleidung, Diätplan und Fitness anging, logisch und analytisch begabt, äußerst fleißig und ehrgeizig.

Vermutlich geht sie abends mit ihren Zahlen ins Bett.

Eleanors Mann war genauso gewesen – intelligent, kühl, berechnend und im zwischenmenschlichen Bereich in etwa so warmherzig wie eine Gefriertruhe. Dreißig Jahre lang hatte sie sich gefragt, warum er ihr nicht die Art von Liebe schenken konnte, nach der sie sich so sehr sehnte. Nun wollte sie Tate ersparen, das Gleiche zu erleben.

Am liebsten hätte sie ihn heftig geschüttelt und ihm erklärt, dass es im Leben viel mehr gab als Geld und Aktienkurse – aber eine Barrington war dazu erzogen, niemals die Fassung zu verlieren.

Eleanor hörte also Tate ruhig zu, bis er sie auf die Wange küsste und dann ging. Kathleen und Gladdy, ihre besten Freundinnen in der Remington-Park-Seniorenresidenz, sahen ihn davonfahren und eilten neugierig herbei.

„Er hat eine Neue!“, erzählte Eleanor. „Offenbar wieder ein kalter Fisch. Wie können Männer nur so dumm sein?“

Kathleen und Gladdy seufzten betrübt.

„Die Erste hat ihn nicht glücklich gemacht“, fuhr Eleanor fort, „die Zweite auch nicht und die Dritte erst recht nicht. Jetzt hat er Nummer vier, und die scheint eine geklonte Version der anderen drei zu sein. Wenn er von ihr erzählt – keine echten Gefühle, keine Vorfreude, keine Wärme. Nur dieser Blödsinn über Verträglichkeit und gemeinsame Ziele. Tate klingt, als würden sie zusammen eine Firma gründen.“

Kathleen runzelte die Stirn. „Und wenn wir … ihn behutsam mit einer anderen bekanntmachen? Mit einer Frau, die ihn glücklich macht?“

„Meine Mutter hat immer gesagt, man darf sich bei der Partnerwahl nicht einmischen“, erwiderte Eleanor nachdenklich.

Gladdy schnaubte. „Deine Mutter ist vor zwanzig Jahren gestorben! Sie wird dich ja wohl kaum anrufen und zur Rede stellen.“

„Ach, ich habe schon mal versucht, Tate in eine andere Richtung zu lenken, aber … So etwas liegt mir einfach nicht“, gab Eleanor zu.

Kathleen lachte. „Ach, Gladdy und ich haben keine Skrupel. Da kannst du jeden fragen. Was wir beide bei meiner Enkeltochter Jane abgezogen haben …“

„Eine wahre Meisterleistung!“, schwärmte Gladdy. „Inzwischen ist sie glücklich verheiratet.“

Kathleen nickte. „Glaub mir, wir können auch deinen Patensohn vor sich selbst retten. Wenn du willst, machen wir uns sofort an die Arbeit!?“

Eleanor seufzte. Sie kannte die Geschichte – ihre Freundinnen hatten fast die gesamte Seniorenresidenz eingespannt, um Jane unter die Haube zu bringen. Es hatte allen viel Spaß gemacht.

„Ich würde Tate so gern helfen, aber ich weiß nicht, wie ich es anstellen soll.“

„Keine Sorge.“ Gladdy tätschelte die Hand von Eleanor. „Wir wissen es.“

Eleanor wollte sich nicht einmischen, obwohl der arme Tate vermutlich nicht einmal mehr richtigen Sex hatte.

Er war mit Victoria Ryan verlobt – einem Mädchen, das er seit Jahren kannte. Und zudem hatte sie leider eine äußerst unsympathische Mutter.

Insgeheim hatte sie gehofft, dass Victoria es nicht lange bei Tate aushalten würde. Aber jetzt wollten die beiden tatsächlich heiraten, und noch dazu in der Villa, in der Eleanor gelebt hatte, bevor sie nach Remington Park umgezogen war. Und es gab keinerlei Anzeichen dafür, dass die Hochzeit ausfallen würde.

Zwei Tage bevor die ersten Hochzeitsgäste eintrafen, gab Eleanor auf und fragte Kathleen und Gladdy um Rat.

Kathleen ließ sich von der Panik nicht anstecken. „Na ja, der einfachste Weg wäre natürlich eine andere Frau.“

„Aber er hat keine andere!“

„Dann müssen wir ihm eine besorgen – eine richtige Frau und keinen eiskalten Engel“, sagte Gladdy.

„Wo sollen wir die denn so schnell finden? Und selbst wenn wir es schaffen, ist nicht garantiert, dass er sich in sie verliebt. Ich bezweifle, dass er ausgerechnet am Wochenende seiner Hochzeit Augen für eine andere Frau hat!“

„Wir bringen sie zusammen – der Rest liegt bei den beiden“, erwiderte Kathleen zuversichtlich.

„Genau! Und wir wissen alle, wer dafür infrage kommt!“, rief Gladdy und schaute zur Küche hinüber, wo eine junge Köchin und Konditorin gerade eine Geburtstagstorte für einen Hochzeitsgast auslieferte. Es war Amy Carson, eine äußerst liebenswürdige junge Frau, die früher einmal in Remington Park gearbeitet hatte. „Eleanor, hast du nicht gesagt, dass du einen Küchenchef für das Wochenende einstellen willst? Um all die Hochzeitsgäste durchzufüttern, die bei dir wohnen?“

„Ja, einen netten Mann namens Adolfo.“

„Leider muss er in letzter Minute absagen.“ Gladdy zwinkerte und zeigte auf die Frau in der Küche. „Und du ersetzt ihn durch Amy.“

1. KAPITEL

Am Mittwochabend betrat Tate Darnley die Villa seiner Patentante nicht nur später als geplant, sondern auch ein wenig beschwipst. Victorias Vater hatte eine Cocktailparty gegeben, auf der Champagner in Strömen geflossen war. Die kleine Familienfeier hatte sich zu einem Riesenevent ausgewachsen, und Victoria – die normalerweise durch nichts zu erschüttern war – glich inzwischen einer Frau auf der Brücke der Titanic, die einen Ozean voller Eisberge vor sich sah.

Tate war fest entschlossen, nicht die Nerven zu verlieren. Er würde die Hochzeit überstehen, und danach konnten sie ihr gemeinsames Leben beginnen, und zwar in ruhigem Fahrwasser. Schließlich waren sie zwei intelligente, hart arbeitende Menschen, die sich seit vielen Jahren kannten und einander respektierten. Eine bessere Voraussetzung für eine glückliche Ehe kann es doch gar nicht geben, oder?

Er horchte in sich hinein und stellte erleichtert fest, dass er vollkommen gelassen war. Er pfiff sogar leise vor sich hin, als er zu seinem Zimmer schlich – bis ihm ein unglaublicher Duft in die Nase stieg.

Würzig, aber frisch … nach Zitrone. Und nach etwas Süßem. Ja, Zitrone, Zucker und … irgendwelche Beeren!?

Es roch so herrlich, dass Tate unwillkürlich seufzte und stehen blieb. Wenn jemand das Recht hatte, sich einen Bissen dieser Köstlichkeit zu gönnen, dann wohl er. Schließlich war er der Bräutigam. Also machte er kehrt und ging in die Küche. Dort traf er auf eine schlanke junge Frau in gestärkter weißer Schürze. Der lange kupferfarbene Zopf fiel ihr auf die Schulter, als sie einen Zitronenblechkuchen aus dem Backofen zog. Der Duft wurde noch unwiderstehlicher.

Auf dem Hocker neben ihr saß ein etwa sieben Jahre alter Junge. „Ein Stück!“, flehte er. „Komm schon, Mom, nur ein einziges!“

„Max, du hattest schon zwei vom ersten Blech. Wenn du noch mehr isst, wird dir schlecht, und das geht gar nicht. Ich kann mich nicht gleichzeitig um dich kümmern und für alle diese Leute backen und kochen.“

„Aber …“

„Nein“, unterbrach sie ihn und schob den Kuchen auf eine Platte. „Jetzt bleib hier und pass auf. Ich muss in der Speisekammer nach Puderzucker suchen.“

Der Junge zog einen Schmollmund.

Tate wartete, bis die Köchin fort war, und schlenderte – wie rein zufällig – in die Küche. „Wow, das riecht ja toll hier!“

Der Junge hob den Kopf. „Ja, das finde ich auch.“

Aus dem Vorratsraum kam eine strenge Frauenstimme. „Max, ich habe die Stücke gezählt und merke das, wenn etwas fehlt!“

Max seufzte schwer. „Ich esse ja gar nichts.“

„Das ist nicht fair, was?“, fragte Tate leise.

Der Junge warf ihm einen betrübten Blick zu.

Tate sah sich die Kuchenstücke genauer an. Tatsächlich, Zitrone … und etwas Pinkfarbenes. „Zitrone und Erdbeere?“, riet er.

„Keine Ahnung, aber er schmeckt echt gut.“

„Das glaube ich gern.“ Tate schnupperte. „Himbeere!?“

„Kann sein. Mom nennt die Stücke Sugardaddies.“

„Oh.“ Interessanter Name. „Weil sie Puderzucker darauf verstreut?“

„Nein, wegen Leo“, sagte Max.

Leo? Sugardaddies? Sie benennt ihren Zitronenkuchen nach einem reichen älteren Mann, der eine junge Frau mit Geschenken überhäuft, weil die ihm erotische Dienste leistet?

„Leo ist … dein Dad?“

„Nein.“ Max schüttelte den Kopf. „Ein Freund von mir und meiner Mom. Sie hat für ihn gekocht und so, und er mochte sie sehr.“

„Aha.“ Tate fragte lieber nicht genauer nach.

„Deshalb ist sie auch zur Kochschule gegangen“, erklärte Max. „Das wollte sie schon immer. Und irgendwann gehe ich auch zur Schule. Ich habe zwar keine große Lust dazu, aber Leo hat mir Geld dafür hinterlassen. Nicht für die Kochschule, sondern … die andere. Wissen Sie, was ich meine?“

„College?“

„Genau.“

„Dann … war Leo ein netter Typ, was?“

„Hatten Sie schon mal einen Sugardaddy?“

Tate musste lächeln. „Nein, das Vergnügen hatte ich noch nicht.“

„Das ist der beste Kuchen, den meine Mom macht“, vertraute Max ihm an. „Und dazu musste sie nicht mal zur Kochschule gehen. Den konnte sie schon vorher.“

„Wow.“

Max beugte sich vor. „Sie gibt mir kein Stück mehr, weil sie Angst hat, dass mir sonst schlecht wird“, flüsterte er, „aber vielleicht bekommen Sie eins und können es dann mit mir teilen!?“

Tate lachte. „Ich tue mein Bestes“, versprach er.

„Und hatten Sie schon mal einen anderen Sugardaddy?“, wollte Max wissen.

„Eine anderen?“

„So einen wie Leo!“

Tate räusperte sich, um Zeit zu gewinnen. „Ich … ich glaube nicht.“

„Wissen Sie, warum Mom ihn so genannt hat?“

„Nein.“

„Weil er so süß war. Er war wie ein richtiger Dad und hat auf uns aufgepasst.“

„Oh.“ Tate nickte. Eine bessere jugendfreie Erklärung wäre ihm auch nicht eingefallen. „Na, das freut mich für dich. Und für deine Mom.“

Im Wohnzimmer nahm Eleanor das Ohr von der Wand zur Küche und warf ihren Freundinnen einen entsetzten Blick zu.

Sugardaddy? Oje, das dürfte Tate aber gar nicht gefallen.“

Kathleen, die ihren verstorbenen Ehemann Leo noch immer über alles liebte, seufzte. „Okay, im Moment läuft es nicht besonders gut“, gab sie zu.

„Es läuft katastrophal!“, rief Eleanor.

„Nicht ganz“, widersprach Gladdy. „Ich meine, jetzt kommt dein Patensohn ganz bestimmt nicht darauf, dass wir Amy engagiert haben, um sie miteinander zu verkuppeln. Nicht nach dem, was der kleine Max ihm gerade erzählt hat.“

Genau, denn er wird Amy für eine Frau halten, die nach einem Nachfolger für Leo sucht, dachte Eleanor niedergeschlagen.

Nur noch 96 Stunden bis zur Hochzeit!

„Warum sollte er sie jetzt noch kennenlernen wollen?“

„Wegen ihrer Backkünste!“, antwortete Gladdy unbeschwert.

Eleanor presste das Ohr wieder an die Wand.

Mit dem Puderzucker in der Hand stieg Amy von der Leiter. Worauf hatte sie sich bloß eingelassen? Eine so große Speisekammer hatte sie noch nie gesehen, und das gesamte Haus glich eher einem Schloss.

Sie hatte gerade erst die Kochausbildung abgeschlossen und besaß nicht die Berufserfahrung, die man für eine so große Hochzeit brauchte. Sie war in letzter Minute für den armen Adolfo eingesprungen und hatte ihren Sohn Max mitbringen müssen, weil sie so kurzfristig keinen Babysitter gefunden hatte.

Sie öffnete die Packung Puderzucker. Hoffentlich hatte der Junge auf sie gehört. Als sie in die Küche zurückkehrte, saß ihr Sohn auf seinem Hocker und unterhielt sich mit einem atemberaubend gut aussehenden Mann in einem – soweit sie es beurteilen konnte – sehr teuren Anzug.

Amy blieb stehen und starrte auf sein markantes Profil – kurzes dunkelblondes Haar, das attraktive Gesicht leicht gebräunt, ein schöner Kontrast zum blütenweißen Hemd, zu dem er eine dunkelblaue Krawatte trug. Alles an ihm strahlte Geld und Privilegien aus – ein Mann wie er war bestimmt in einem Haus wie diesem zur Welt gekommen.

Absolut nicht meine Liga, dachte Amy.

Aber einen kurzen Blick darf ich doch wohl riskieren, oder?

Der letzte Mann in ihrem Leben war Max’ Vater gewesen. Seitdem war sie vorsichtig.

„Hey, Mom! Rate mal, wer das ist. Mein neuer Freund Tate, und er hatte noch nie einen Sugardaddy!“

Amy lächelte verlegen. Den Kuchen so zu nennen, war eindeutig ein Fehler gewesen. Ihr Sohn würde wahrscheinlich nie lernen, wann es besser war, den Mund zu halten.

„Noch nie ein Stück von deinem Zitronenkuchen oder jemanden wie Leo.“

Sie zuckte zusammen, schloss die Augen und murmelte etwas, das nicht für Max’ Ohren bestimmt war. Sie wollte es dem Fremden erklären und redete wie so oft sehr gestenreich mit den Händen, dachte aber nicht an den Puderzucker darin.

Die Packung rutschte ihr aus den Fingern.

Sowohl sie griff danach als auch der Mann, sie kamen beide jedoch zu spät.

Mit einem dumpfen Geräusch landete die Packung auf dem Boden und platzte auf. Eine weiße Wolke stieg auf und traf sie beide mitten ins Gesicht.

Amy und der Mann erstarrten. Der Puderzucker hüllte sie ein, verteilte sich auf ihren Gesichtern und dem Haar und drang ihnen in den Mund, sogar in die Nase.

Sie blinzelte. Selbst ihre Wimpern waren weiß.

Der Mann hustete, Amy ebenso. Fast gleichzeitig stießen sie kleine weiße Wolken hervor.

Max fiel vor Lachen fast von seinem Hocker, denn die Küche sah aus, als hätte es geschneit.

Er wollte zu seiner Mom gehen, aber sie hob abwehrend beide Hände. „Halt, Max, bleib, wo du bist!“

„Mom …“

„Mach es nicht noch schlimmer, als es schon ist.“ Sie sah den Mann an. „Tut mir leid.“

Er wirkte nicht verärgert.

„Jetzt habe ich Ihren Anzug ruiniert.“

„Machen Sie sich darüber keine Gedanken.“ Als er lächelnd den Kopf schüttelte, rieselte Puderzucker aus seinem Haar.

Amy versuchte, die weiße Schicht von seinem Anzug zu wischen. Vergeblich, denn der Puderzucker war so fein, dass er zwischen die Fäden des dunkelblauen Stoffs drang und ihn hellgrau schimmern ließ.

„Tut mir wirklich leid“, wiederholte sie.

„Ich ziehe ihn einfach aus.“ Er streifte das Jackett von den Schultern, und wieder verbreitete sich eine weiße Wolke.

„Warten Sie, ich gebe Ihnen etwas dafür, sonst verteilen wir das Zeug im ganzen Haus.“ Hastig holte sie einen frischen Müllbeutel und öffnete ihn, damit er das Jackett hineinstopfen konnte.

Er nahm die Krawatte ab und ließ sie auf die Anzugjacke fallen, bevor er prüfend an sich hinabschaute und das Hemd aufzuknöpfen begann. Nach einem Moment hielt er inne. „Macht es Ihnen etwas aus?“

Amy schüttelte den Kopf.

Ob es mir etwas ausmacht? Im Gegenteil. Oh oh, ich habe ein Problem. Einen Mann wie ihn hatte sie noch nie gesehen – außer in Werbespots für Rasierwasser oder Bluejeans.

Er knüllte das Hemd zusammen und stopfte es in den Müllbeutel. „Ich glaube, das reicht.“

Max lachte. „Ihre Augenbrauen sehen aus wie die vom Weihnachtsmann.“

Verwirrt sah der Mann Amy an.

„Die sind auch weiß“, erklärte sie, „genau wie Ihr Haar.“

Er senkte den Kopf.

Vorsichtig ging sie nahe genug an ihn heran. Sein Aftershave setzte sich gegen den Duft von Zucker und Zitrone durch und stieg ihr in die Nase. Zögernd hob sie die Hand und rieb mit dem Daumen über seine Augenbrauen. Geschafft, dachte sie erleichtert, bevor sie die Finger in sein Haar schob.

Es war so lange her, dass sie einen Mann in ihrem Alter berührt hatte. Sie holte tief Luft. Es fühlte sich herrlich an.

Verdammt.

Hastig schaute sie zu Boden. Das war ein Fehler, denn ihr Atem wirbelte den Puderzucker an seiner Brust auf. Finger weg, befahl sie sich, während sie auf die gebräunte Haut und die straffen Muskeln starrte.

Max lachte schon wieder. Der Mann, der gerade eben noch völlig entspannt gewirkt hatte, sah plötzlich verlegen aus.

„Ich fürchte, ich habe es nur noch schlimmer gemacht“, gab sie zu.

„Ich werde es überleben, versprochen. Es ist nicht das erste Chaos, das ich in dieser Küche angerichtet habe.“

„Oh nein!“, stöhnte sie. „Mrs. Brown, die Haushälterin, hat Wochen gebraucht, um das Anwesen blitzblank zu bekommen. Und Mrs. Brown … macht mir Angst.“

„Mir auch!“, warf Max ein.

„Sie macht allen Angst“, sagte der Mann.

„Mom, du machst besser sauber.“

Erst jetzt sah Amy, dass auch Max voller Puderzucker war.

„So etwas habe ich noch nie angerichtet“, verkündete ihr Sohn stolz.

„Gut für dich, Max“, sagte der Mann, „aber deine Mom hat recht. Wir wollen Mrs. Brown nicht verärgern, deshalb müssen wir beide beim Saubermachen helfen.“

Max runzelte die Stirn. „Mom meint, meistens mache ich alles nur schlimmer.“

„Dann sollten wir genau überlegen, wie wir vorgehen. Ihr wohnt dort hinten in dem Raum neben der Speisekammer?“

Max nickte.

„Dann trage ich Mad Max vorsichtig ins Bad, damit er duschen kann.“

„Ich habe mich heute schon gewaschen!“, protestierte Amys Sohn.

„Anders wirst du den Zucker nicht los. Also lass Mr …“

„Tate, bitte. Tate Darnley.“

„Amy. Ich bin in letzter Minute für den Küchenchef eingesprungen, der eigentlich übers lange Wochenende herkommen sollte, und Max …“

„Hier soll noch ein Junge sein!“, unterbrach Max sie. „Mit dem möchte ich spielen.“

„Max, du hältst auf dem Weg ins Bad ganz still, okay?“

Mühelos trug Tate Darnley ihn durchs Zimmer, das der Junge mit seiner Mutter bewohnte, und ins angeschlossene Bad. Dann ging er zur Seite, damit Amy übernehmen konnte.

„Ist das kalt!“, rief Max hinter dem Duschvorhang.

Tate lehnte am Türrahmen und betrachtete Amy lächelnd. „Gehören die Koffer auf dem Bett Ihnen?“

Als sie nickte, brachte er sie ins Bad.

„Danke.“ Amy holte Max’ Schlafanzug heraus. „Max, denk an die Seife und das Shampoo.“

„Ach, Mom!“

„Ein toller Junge“, sagte Tate sanft.

„Danke.“

„Ich wette, mit ihm ist es nie langweilig.“

„Stimmt.“

„Wie alt ist er? Fünf? Sechs?“

„Sieben.“ Amy wusste, was er dachte – dass sie eine sehr junge Mutter war. „Ich habe ihn mit sechzehn bekommen und allein großgezogen.“

Tate nickte. „Das war bestimmt nicht einfach.“

„Nein, aber Max ist jede Anstrengung wert.“

„Dann würde ich sagen, Max hat eine Menge Glück gehabt“, erwiderte der Mann.

Amy war fast sicher, dass sie nur träumte.

Denn die meisten Männer reagierten entsetzt, wenn sie erfuhren, dass sie eine alleinerziehende Mutter war – auch deshalb hatte sie sich in den letzten sieben Jahren vom anderen Geschlecht ferngehalten.

„Danke.“ Wenigstens einen klitzekleinen Fehler hat Tate Darnley garantiert, oder? Mensch, hör bloß auf zu träumen und mach dich an die Arbeit, bevor Mrs. Brown auftaucht.

Amy knöpfte die weiße Kochjacke auf, und als sie den Kopf wieder hob, sah sie, dass Tate noch immer in der Badezimmertür stand. In seinen Augen blitzte etwas auf.

„Keine Sorge“. Sie rang sich ein Lachen ab. „Ich … ich habe darunter etwas an.“

„Natürlich.“

Unter der Jacke trug sie ein schwarzes BH-Hemdchen mit Spaghettiträgern – nichts Aufregendes. Am Herd wurde ihr schnell warm.

Er machte er einen zaghaften Schritt auf sie zu. „Sie haben noch immer Puderzucker im Haar.“

„Oh, das habe ich ganz vergessen.“ Sie strich sich über den Kopf und den Zopf, aber es half nicht. Sie verteilte die weiße Schicht nur. Nach kurzem Zögern löste sie den Zopf.

„Beugen Sie sich vor“, sagte er.

Und dann fühlte sie seine Hände in ihrem Haar.

Es war nicht besonders erotisch, aber sie liebte es, wenn jemand mit ihrem Haar spielte. Und wenn es nur der Friseur war – sie war ganz und gar nicht stolz darauf, denn es war das einzige kleine Geheimnis, das sie sich in all den Jahren erlaubt hatte. Und jetzt hatte Mr. Perfect seine Finger darin. Der Puderzucker rieselte zu Boden.

Amy seufzte genießerisch. „Ich muss zurück in die Küche. Max? Dein Schlafanzug liegt vor der Dusche. Komm zu mir, sobald du angezogen bist.“

„Mom, ich bin kein Baby mehr!“

Mr. Perfect lachte. „Ich helfe Ihnen beim Saubermachen.“

Bloß nicht, dachte sie, bitte nicht.

Aber er folgte ihr.

Überall in der Küche war Puderzucker – auf den Arbeitsflächen, der Spüle, dem Fußboden und wie zum Hohn auch auf dem Zitronenkuchen.

„Sehen Sie sich das an! Jetzt brauche ich die Kuchenstücke gar nicht mehr selber mit Puderzucker zu bestäuben. Kennen Sie das Gefühl, dass sich die ganze Welt gegen Sie verschworen hat?“

„Na ja, und ich bin übrigens hergekommen, um heimlich von Ihrem Kuchen zu naschen“, gab Tate zu.

Sie servierte ihm ein Stück am Frühstückstresen. „Den haben Sie sich verdient.“

„Aber ich wollte Ihnen doch erst beim Saubermachen helfen.“

„Ich weiß es zu schätzen, aber noch ist der Kuchen warm. Dann schmeckt er am besten.“

Er zögerte noch immer. „Außerdem habe ich Max versprochen, dass er auch noch ein Stück bekommt oder wenigstens einen Bissen von meinem.“

„Ach, das Kind ist unersättlich, bei allem.“

Tate zuckte mit den Schultern. „Die Naschsucht hat uns gleich zusammengeschmiedet.“

„Ich hebe ihm ein paar Krümel auf. Oder wollen Sie ihm wirklich die Hälfte abgeben?“

„So dick sind wir nun auch nicht miteinander.“ Er nahm sich einen Bissen und schnupperte daran, bevor er sich ihn in den Mund schob. „Himmlisch!“

„Vielen Dank.“

Er seufzte genießerisch und sah dann Amy an.

Sie schaute in die hinreißendsten schokoladenbraunen Augen, die sie je gesehen hatte. Und als wäre das nicht genug, hatte Tate auch noch dichte volle Wimpern. Bei seinem Anblick wurde ihr Mund trocken.

Er leckte sich den Mund und stöhnte auf.

Plötzlich wurde Amy bewusst, dass sie ihren Zitronenkuchen noch nie an den Lippen eines Mannes geschmeckt hatte.

Flirtete Tate Darnley etwa mit ihr?

So unauffällig wie möglich schaute sie auf seine Hand – kein Ehering. Und wenn schon, manche Männer trugen keinen.

„Wirklich, noch nie im Leben habe ich …“

Er verstummte, als jemand die Küche betrat.

Fast gleichzeitig drehten sie sich um. Vor ihnen stand eine der gepflegtesten, makellosesten Frauen, die Amy je gesehen hatte – eine hochgewachsene gertenschlanke Blondine in einem unwahrscheinlich teuren Designerkostüm. Ihr Blick war kühl und prüfend.

„Noch nie in deinem Leben hast du was, Liebling?“, fragte sie.

Amy schluckte. Warum kam sie sich vor, als wäre sie in flagranti ertappt worden?

„Hallo, Victoria.“ Tate küsste sie auf die perfekt geschminkte Wange. „Ich wusste gar nicht, dass du hier bist.“

Ihr Lachen klang wenig erfreut. „Ganz offensichtlich.“

„Ich wollte gerade sagen, dass ich noch nie etwas so Leckeres wie Amys Zitronenkuchen gegessen habe.“

Eine anmutig geschwungene Augenbraue zuckte noch höher. Victoria schien ihm nicht zu glauben.

„Wo sind deine Sachen?“, fragte die Frau und warf einen spitzen Blick auf seinen nackten Oberkörper.

„Hier.“ Amy griff nach dem Müllbeutel mit seinem Jackett und dem Hemd. „Ich hatte einen kleinen Unfall mit dem Puderzucker, und leider hat sein Hemd etwas abbekommen.“

Tate nahm ihr den Beutel ab. „Tut mir leid“, flüsterte er und hob erst dann die Stimme. „Danke, Amy. Ich habe euch noch nicht bekannt gemacht. Victoria, dies ist Amy … Entschuldigung, ich fürchte, ich kenne Ihren Nachnamen gar nicht.“

„Carson.“

„Victoria, dies ist Amy Carson“, fuhr er fort, „Amy, dies ist Victoria Ryan, meine Verlobte.“

Verlobte?

Sie beide sind das Brautpaar?“ Amy wäre am liebsten im Erdboden versunken.

„Ja, wir heiraten in vier Tagen.“ Victoria nickte ihr flüchtig zu. „Und Sie sind …?“

„Die Köchin. Der Kollege, den Eleanor engagiert hat, ist in letzter Minute ausgefallen, und ich bin für ihn eingesprungen.“

Tates Verlobte musterte sie von Kopf bis Fuß. „Sie sehen nicht aus wie eine Köchin.“

Amy errötete. „Meine Kochjacke ist im Bad. Sie war voller Puderzucker.“

Plötzlich ging ihr auf, wie sich das anhörte – als hätten sie beide sich eine Kuchenschlacht geliefert, was vermutlich immer noch besser klang als das, was seine Verlobte sich ausgemalt hatte. Amy konnte es ihr nicht verdenken. Tates Stöhnen und Seufzen ließ einen nicht gerade an den Genuss von Zitronenkuchen denken.

Das hier lief nicht gut. Sie starrte abwechselnd auf das Chaos, an die Zimmerdecke und auf die Arbeitsfläche zwischen ihr und Miss Perfect, der idealen Partnerin für Mr. Perfect. Was hatte sie schon zu verlieren? Kurz entschlossen griff sie nach der Platte mit dem Kuchen und hielt sie Victoria hin. „Möchten Sie auch ein Stück?“

„Nein, danke.“

„Wir sollten Amy nicht länger aufhalten.“ Tate schob sich den letzten Bissen in den Mund und verließ mit seiner Verlobten die Küche.

Amy sah ihnen nach. Sie wollte nicht lauschen, hörte aber trotzdem, was die beiden zueinander sagten.

„Was war das denn?“, fragte Victoria.

„Nichts. Sie hat den Puderzucker verschüttet, und die Wolke …“

Puderzucker, ja? Und das soll ich dir glauben? Tate, wir heiraten in vier Tagen …“

„Meine Sachen sind hier in diesem Müllbeutel.“

„Das kannst du nicht tun, nicht jetzt.“

„Ich habe nichts getan. Da war nichts. Ihr kleiner Junge …“

„Ich habe keinen kleinen Jungen gesehen.“

„Der war auch voller Puderzucker. Wir haben ihn unter die Dusche …“

„Wir?“

„Victoria, was traust du mir zu?“

Und dann hörte Amy nichts mehr.

Die beiden waren fort.

Victorias Auftritt in der Küche hinterließ bei Eleanor ein schlechtes Gewissen. Zugleich aber freute es sie, dass Tates Verlobte überhaupt Gefühle zeigte.

„Na also, läuft doch blendend!“, sagte Gladdy begeistert, als es in der Küche wieder still wurde.

„Es ist ein Anfang, nehme ich an“, gab Eleanor zu. Sie war nicht sicher, ob sie die Hochzeit noch überhaupt verhindern konnten. Tate liebte Pläne. Erst schmiedete er sie und hielt sich dann genauestens daran – und der Plan sah vor, dass er Victoria am Samstag heiratete.

Kathleen schnaubte. „Hast du Amys Gesicht nicht gesehen?“

Eleanor schaute noch einmal um die Ecke. Amy lehnte an einem der Küchenschränke und starrte mit verträumter Miene an die Decke.

„Ich wette, sie denkt daran …, wie lange es her ist, dass sie einem Mann so nahe war“, flüsterte Kathleen.

„Das alles siehst du ihr an?“, fragte Eleanor skeptisch.

„Ich habe mit ihr gesprochen. Es ist sehr lange her. Ich bezweifle, dass sie im letzten Jahr auch nur ein einziges Date hatte!“, warf Gladdy ein.

„Wir haben ihr angeboten, auf den Jungen aufzupassen, damit sie mal ausgehen kann“, erzählte Kathleen, „aber sie wollte nicht. Angeblich hat sie genug von Männern.“

Genug von Männern? Vier Tage vor der Hochzeit soll ausgerechnet jemand, der genug von Männern hat, meinen Patensohn seiner Verlobten ausspannen?“

„Ist dir etwa entgangen, wie sie Tate angesehen hat, als er sein Hemd auszog? Oder als sie ihm den Zucker aus dem Haar gebürstet hat?“

„Nein, keineswegs. Und ich glaube nicht, dass er Victoria jemals so angesehen hat“, gab Eleanor zu.

Gladdys lächelte. „Als wollte er sie in eine dunkle Ecke schleifen und über sie herfallen!“

„Leider würde er das nie tun. Tate ist nicht der Typ dafür.“

„Schade.“

„Vielleicht können wir ihn dazu bringen“, sagte Gladdy, „oder Amy kann es.“

Später am Abend saß Tate mit Rick, einem seiner besten Freunde, auf der Terrasse.

„Also“, beendete er seinen Bericht über die Puderzuckerwolke, die hübsche Köchin und die Beinahekatastrophe in der Küche. „Wie schlimm findest du es?“

„Du warst mit Puderzucker bedeckt, hast dich halb ausgezogen und ihr geholfen, den Jungen unter die Dusche zu stellen? Und dann hast du auch noch Zitronenkuchen gegessen und dabei geseufzt und gestöhnt, während Victoria in der Tür stand?“ Rick lehnte sich im Korbsessel zurück.

„Richtig.“

„Und diese Amy … hat dich nicht berührt?“

„Sie hat den Puderzucker aus meinem Haar gebürstet und meine Sachen abgeklopft.“

„Aber du hast sie nicht angefasst?“

„Nein. Doch! Sie war ja auch voll davon. Ich habe ihr geholfen, das Haar auszuschütteln, und am Hals war auch Zucker und … an den Schultern. Leider.“

„Gib es zu, es hat dir gefallen.“

Tate nickte verlegen. „Sehr sogar. Aber ich bin verlobt und will in vier Tagen heiraten.“

„Ich würde sagen, du hast Mist gebaut“, erwiderte Rick, der seit einem Jahr verheiratet war. „Tate, natürlich darfst du andere Frauen ansehen. Schließlich bist du nicht blind. Du darfst dich nur nicht in eine Situation bringen, in der du mit einer anderen …“

„Das war doch keine Absicht! Der Kuchen, den sie gerade gebacken hatte, roch so gut. Das war alles. Und als ich die Küche betrat, war da dieser Junge, und ich habe mich mit ihm unterhalten. Ein lustiger kleiner Bursche …“

„Und der hat dir von dieser Sugardaddy-Sache erzählt?“

„Genau.“ Tate seufzte. „Dann kam sie herein und … puff! Plötzlich steckten wir beide in dieser weißen Wolke!“

„So eine Geschichte habe ich noch nie gehört. Der Angriff der Puderzuckerschwaden.“ Rick lachte. „Und deshalb hast du dich ausgezogen? Also wirklich …“

„Wirklich, so war es“, beteuerte Tate.

„Warst du betrunken?“, fragte sein Freund. „Das wäre eine Entschuldigung.“

„Nein, ich war nur … lockerer als sonst. Und dann … Es ist halt einfach passiert.“

Rick senkte die Stimme. „Aber geküsst hast du sie nicht?“

„Natürlich nicht!“

„Nein?“

„Also wolltest du es.“

„Ja, okay“, gab Tate zu, „eine Sekunde lang. Ich war einfach neugierig. Ich meine, ich bin kurz davor, Victoria zu heiraten, und plötzlich habe ich die Hände in Amys Haar.“ Er schüttelte den Kopf. „Ganz schön mies, was?“

„Nicht unbedingt. Du warst … in einer Grauzone. Für mich hört es sich an, als hättest du nichts Schlimmes gemacht.“

„Habe ich auch nicht. Ich schwöre es!“

„Wir sind alle nur Menschen. Die Versuchung lauert an jeder Ecke, man darf sich ihr nur nicht aussetzen.“

„Ich hätte einfach weggehen sollen“, flüsterte Tate.

„Aber das bist du nicht.“

„Es war dieser verdammte Zitronenkuchen.“

Rick schnaubte verächtlich.

„Du hast ihn nicht probiert und nicht gerochen! Er steht noch da.“

„Finger weg, mein Freund, auch von dem Kuchen. Ab sofort ist die Küche für dich tabu, verstanden!?“

„Du hast recht, aber du könntest uns ein Stück holen“, schlug Tate vor. „Du kannst dir nicht vorstellen, wie lecker er schmeckt.“

2. KAPITEL

Amy schlief nicht gut.

Dauernd hatte sie Albträume, in denen sie von einer unheimlichen Frau mit einem riesigen Handmixer bedroht und in ein menschliches Backwerk verwandelt wurde – splitternackt, mit Puderzucker bestäubt und auf dem Hochzeitsempfang zur Schau gestellt.

Vielleicht hatte sie auch noch geträumt, wie jemand ihr den Puderzucker von der Haut leckte … Mit grimmiger Entschlossenheit vertrieb sie jede Erinnerung daran.

Seit Max auf der Welt war, hatte Amy sich derartige Gedanken strikt versagt. Musste sie sich ausgerechnet jetzt so etwas ausmalen? Hätte sie nicht noch drei Tage warten können? Bis Tate Darnley verheiratet war?

Sie hatte sich alles so schön vorgestellt – ihr erster richtiger Job und etwas Geld auf der Bank für harte Zeiten und unerwartete Ausgaben. Und irgendwann würde sie vielleicht einen interessanten attraktiven Mann kennenlernen …

Amy war kurz davor, wieder einzuschlafen, als sie Geräusche hörte.

Machte sich da etwa jemand in der Küche zu schaffen?

Um vier Uhr morgens?

Schranktüren knallten, Geschirr klapperte, Bestecke klirrten.

Max schlief fest. Seufzend stand sie auf und zog eine saubere Kochjacke über den Baumwollpyjama. Barfuß eilte sie nach nebenan und sah …

Oh nein!

Es war Victoria!

Amy wollte die Flucht ergreifen, aber Tate Darnleys Verlobte hatte sie bereits entdeckt und sah aus, als wäre ihr bei dem Anblick übel geworden.

Ihr Kostüm war zerknittert, die Bluse aufgeknöpft und aus dem Rock gerutscht. Das Haar hatte sich aus einer perfekten Hochsteckfrisur gelöst.

In dieser Sekunde wusste Amy, dass es ein Fehler gewesen war, diesen Job anzunehmen. Sie musste weg von hier, und zwar je schneller desto besser. Sie würde mit Max in der Dunkelheit verschwinden und sich nie wieder vorstellen, wie Tate Darnley ihr den Puderzucker von der Haut leckte.

Doch dann sah sie, dass die Braut sich den Bauch hielt.

„Geht es Ihnen gut?“

„Nein, leider gar nicht“, flüsterte Victoria. „Ich suche etwas, womit ich meinen Magen beruhigen kann, aber im Gästehaus ist nichts.“

Sie fand Kamillentee. Der würde auch helfen. Rasch rieb sie frischen Ingwer in eine kleine Kanne. Bin ich schuld daran, dass es der Braut so schlecht geht? Ich und … der blöde Puderzucker? Sie tauchte den Teebeutel ins heiße Wasser und zwang sich zu warten.

„Das mit Ihrem Verlobten tut mir so leid“, begann sie. „Vorhin in der Küche, meine ich. Aber mein Sohn war die ganze Zeit dabei.“

Leider hatte Max dem Bräutigam erzählt, dass sie einen Sugardaddy hatten, der für sie beide sorgte. Hatte Victoria das auch schon gehört? Wenn ja, traute sie ihr vermutlich alles zu.

Victoria presste eine Hand auf den Bauch.

Ungeduldig starrte Amy auf die Kanne. Endlich war der Tee fertig. Sie goss einen Becher ein und gab ihn Victoria, die ihn betrachtete, als wäre er vergiftet. Du meine Güte, sehe ich wirklich so aus, als hätte ich schon mehrere zukünftige Ehemänner und deren Verlobte auf dem Gewissen?

Victoria gab sich einen Ruck und nippte an dem Getränk.

Amy wartete. Victoria wartete. Beide hielten den Atem an.

„Oh nein!“, stöhnte Victoria, dann drehte sie sich um und erbrach sich ins Spülbecken.

Amy brachte Victoria ein feuchtes Tuch und ein Glas Wasser, räumte hastig den Tee und die Cracker fort, säuberte das Spülbecken und stellte ein paar Lufterfrischer auf.

„Kann ich noch etwas für Sie tun?“, fragte sie die Braut.

Victoria wischte sich eine Träne ab. „Gibt es irgendwo eine Drogerie, die rund um die Uhr geöffnet hat?“

„Ich kann mich im Haus umsehen. In einem der zehn Badezimmer wird sich doch wohl etwas für Ihren Magen finden lassen.“

„Ich wünschte, es gäbe etwas anderes.“

„Was meinen Sie?“, fragte Amy verwirrt.

„Ich fürchte, ich brauche … einen Schwangerschaftstest.“

„Oh.“ Mehr brachte Amy nicht heraus.

Perfekt.

Erst bestäubte sie Mr. Perfect mit Puderzucker, und jetzt sollte sie seiner Verlobten einen Schwangerschaftstest besorgen?

„Ich weiß, es ist viel verlangt.“ Victoria klang plötzlich richtig menschlich. „Ich kenne Sie gar nicht und war auch sehr unfreundlich zu Ihnen. Es tut mir leid, ehrlich. Diese Hochzeit … macht mich verrückt.“

Amy fragte sich, ob Tate eine Familie gründen wollte.

„Kann ich mich auf Ihre Verschwiegenheit verlassen?“

„Natürlich“, erwiderte Amy. „Sie wollen es Ihrem Verlobten selbst erzählen, und es soll ein wunderschöner Moment werden, nicht wahr?“

Victoria schien sich nicht darauf zu freuen. Im Gegenteil, sie sah aus, als würde sie sich jeden Augenblick wieder übergeben.

„Will er etwa keine Kinder?“, fragte Amy überrascht.

Betrübt schüttelte Victoria den Kopf. „Das ist nicht das Problem.“

„Oh, Sie wollten sich noch etwas Zeit lassen, was? Ach, bestimmt freut er sich riesig, dass er jetzt schon Vater wird.“

Die Braut wurde noch blasser. Amy nahm sie in den Arm und half ihr beim Hinsetzen.

„Ich weiß einfach nicht, was ich tun soll“, schluchzte Victoria.

„Erst einmal müssen Sie herausfinden, ob Sie wirklich schwanger sind“, schlug Amy vor. Sie selbst hatte drei Monate gebraucht, um sich einzugestehen, dass sie wirklich ein Kind bekam. „Ich muss ohnehin einkaufen und wenn ich schon mal unterwegs bin, kann ich Ihnen auch einen Test besorgen.“

„Vielen, vielen Dank. Ich kann sonst niemanden darum bitten, weil …“

„Schon gut.“

„Alle halten Tate und mich für das ideale Paar. Wir haben so viel gemeinsam und arbeiten sogar in derselben Branche. Jeder weiß, unter welchem Druck der andere steht und welche Opfer er für seinen Beruf bringen muss, und … Alles war so perfekt, wissen Sie.“

Amy nickte. „Gleich heute früh hole ich Ihnen den Test. Wo sind Sie untergebracht?“

„Im Gästehaus mit meiner Mutter. Ich habe solche Angst, dass sie hört, wie ich mich übergebe. Sie wissen ja nicht, wie sie ist.“

„Perfekt?“

„Jedenfalls hält sie sich dafür.“

Amy graute davor, die Frau kennenzulernen. „Wenn ich Ihnen nachher den Test bringe, gehe ich ihr aus dem Weg.“

Victoria nickte niedergeschlagen.

Tates Zimmer lag über der Küche, und als erwachte, stieg ihm ein noch leckerer Duft in die Nase als am Abend zuvor. Wie schaffte es diese Amy, den köstlichen Geruch des Zitronenkuchens noch zu überbieten?

Er spielte kurz mit dem Gedanken, so lange mit der Stirn gegen das Kopfteil des Betts zu hämmern, bis er in Ohnmacht fiel und daraufhin nicht mehr in die Küche gehen konnte … aber es war nur der Duft, der ihn anzog, sonst nichts. Er hatte Hunger, das war alles.

Soll ich etwa drei Tage lang nichts essen? Und auf meiner eigenen Hochzeit vor Schwäche umkippen?

Rick konnte ihm etwas holen. Dann würde er Amy nicht begegnen und Victoria keinen Grund zur Eifersucht geben.

Alles kein Problem!

Erleichtert ging er joggen. Eleanors Anwesen war ideal dafür, vor allem im Frühling. Er würde sich von der Küche und den anderen Gästen fernhalten, vor allem auch von Victoria. Und danach würde er frühstücken, ohne einen Fuß in die Küche zu setzen.

Das war ein guter Plan. Er lief, bis er vor Erschöpfung fast umfiel, und steuerte den Hintereingang der Villa an.

Leider stand davor ein Wagen. Und wer beugte sich gerade in den Kofferraum, um Einkäufe auszuladen? Die Köchin!

Als er verunsichert stehen blieb, hob sie den Kopf, bemerkte ihn und lächelte entschuldigend.

Nach kurzem Zögern traf er eine Entscheidung. Er würde einfach so tun, als wäre gestern nichts Ungewöhnliches geschehen. Dann würde er duschen – eiskalt – und frühstücken.

Er erwiderte ihr Lächeln hoffentlich nicht zu freundlich und ging auf sie zu. „Warten Sie, ich helfe Ihnen.“

„Nicht nötig.“ Sie hielt die Tüte fest, als er sie ihr abnehmen wollte.

„Ich bestehe darauf. Eleanor würde es mir nie verzeihen, wenn ich untätig zusehe, wie Sie sich mit den Sachen abmühen.“

„Okay, Sie können den Rest ins Haus tragen“, gab sie schließlich nach.

Tate nahm die anderen Tüten aus dem Kofferraum und folgte Amy an den Ort, den er eigentlich meiden wollte – die Küche. Dort war es blitzblank – keine Spur von Puderzucker, und es roch herrlich nach frisch gebackenem Brot, gebratenem Speck und Spiegeleiern.

Sein Magen knurrte. Er stellte die Einkaufstüten ab.

„Sie haben das Frühstück verpasst“, sagte Amy, bevor er sich davonmachen konnte.

„Stimmt.“

„Und ich bin hier, um die Gäste zu versorgen, also auch Sie.“

Tate schluckte. Noch drei Tage bis zur Hochzeit. Irgendwann muss ich wirklich was essen, oder nicht?

„Danke, ich würde sehr gern frühstücken.“

„Nehmen Sie Platz.“ Amy zeigte auf einen Hocker. Dort wäre er durch solide Schränke und eine breite Arbeitsfläche aus schwarzem Granit von ihr getrennt.

Perfekt!

Er würde auf seiner Seite bleiben, sie auf ihrer. Er würde essen und dann verschwinden.

Alles kein Problem.

Tate setzte sich.

Weil er immer ehrlich war, gestand er sich ein, dass Amy nicht nur eine begnadete Köchin war, sondern auch noch ein hübsches Lächeln hatte. Und dass sie herrlich duftete, aber auch das hatte mit dem Essen nichts zu tun. Sobald er sie ansah, lief ihm regelrecht das Wasser im Mund zusammen. Nein, das stimmte nicht – bei ihrem Anblick wurde sein Mund trocken …

Ups.

Alles in Ordnung, sagte er zu sich. Ganz ruhig, Tate. Atme einfach tief durch.

„Ich stelle kurz diese Sachen weg, dann mache ich Ihnen sofort etwas zu essen.“

„Danke.“

Amy summte leise vor sich hin, während sie arbeitete. Das hörte er trotz des Sicherheitsabstands.

Er schloss die Augen, um sie nicht anzustarren, doch auch das erwies sich als Fehler. Sofort musste er an die feine Schicht aus Puderzucker auf ihrer Haut denken. Und daran, wie gern er sie abgeleckt hätte.

Tate stöhnte leise auf und schüttelte energisch den Kopf. Als er die Augen öffnete, sah er, dass Amy sich nach ihm umgedreht hatte.

„Geht es Ihnen gut?“, fragte sie besorgt.

Nein, dachte er verzweifelt und sagte: „Bestens.“

„Heute Morgen gibt es gebratenen Speck, eine Spinatquiche, frische Croissants, Bratkartoffeln und frisches Obst“, verkündete Amy. „Ich könnte Ihnen etwas aufwärmen.“

Warum eigentlich nicht? Er würde sich das herzhafte Frühstück schmecken lassen – und die Köchin ignorieren.

„Okay.“

„Und was möchten Sie?“

„Alles.“

Erstaunt sah sie ihn an.

„Ich …“ Tate zögerte. War es schlimm, dass er von allem wollte? „Nach dem Joggen habe ich immer einen Riesenappetit.“ Klang das harmlos genug?

Sie stellte ihm einen Obstsalat hin. „Sie können mit dem hier anfangen, während ich die Quiche aufwärme“, sagte sie und legte eine hübsche Stoffserviette und auf Hochglanz poliertes Silberbesteck dazu.

Tate machte sich über den Salat her, als hätte er seit Tagen nichts mehr gegessen. Es ist nur Obst, sagte er sich. Sie hatte es nur geschält und geschnitten, also bildete er sich bestimmt nur ein, dass es besser schmeckte als jeder Apfel und jede Orange, die er jemals gegessen hatte. Oder lag es daran, dass er sich schon auf den Speck freute? Auf die Spiegeleier, die Bratkartoffeln, die Quiche und die frischen Croissants?

Niemand wusste, dass er wieder einmal in der Küche saß. Insgeheim war er stolz auf sich – er war wieder Tate Darnley, der perfekte Bräutigam, aus dem schon bald ein ebenso perfekter Ehemann werden würde. Alles war gut.

Die Köchin servierte ihm ein Stück von der Quiche, die auf der Zunge zerging. Vermutlich ein Geheimrezept, das außer ihr niemand kannte. Selbst die Bratkartoffeln …

„Möchten Sie noch etwas anderes?“

Er riss die Augen auf. „Nein, danke. Das hier ist optimal. Nicht zu übertreffen.“ Vorsicht, befahl er sich, es ist nur ein Frühstück.

Sie stellte ihm Butter hin und Salz. Dann griff sie nach dem Pfefferstreuer. „Augenblick, ich habe Pfefferkörner gekauft. Frisch gemahlen schmeckt der Pfeffer einfach besser.“ Sie öffnete eine Schranktür und stieß dabei eine Einkaufstüte um. Ein kleiner Behälter fiel heraus und rollte in Tates Richtung.

Er bückte sich danach. „Kürbiskernmehl, entölt“, las er. Das würde bestimmt auch toll schmecken. Egal, was sie damit würzte. Obwohl er Kürbis überhaupt nicht mochte.

Plötzlich bemerkte er etwas, das ebenfalls aus der Tüte gerutscht war. Hastig griff Amy danach, aber Tate war schneller.

Es war ein Schwangerschaftstest.

3. KAPITEL

Amy erstarrte.

In der Küchentür stand Victoria. Ihre Augen wurden immer größer.

„Entschuldigung“, sagte Tate und reichte Amy die Schachtel.

„Kein Problem.“

„Alles in Ordnung?“

Sie legte die Schachtel in die Tüte zurück und nickte – als wäre es das Normalste der Welt, zusammen mit Kürbiskernmehl auch einen Schwangerschaftstest zu kaufen.

Tate schien das nicht so zu sehen. „Na ja, ich nehme an, Max wird sich freuen. Als ich in seinem Alter war, habe ich mir sehnlichst einen kleinen Bruder oder eine kleine Schwester gewünscht.“

„Max?“ Oh nein! Da wollte sie seiner Braut einen Gefallen tun als Wiedergutmachung für das Puderzuckerfiasko, und das hatte sie nun davon! „Sie dürfen es ihm auf keinen Fall erzählen. Er weiß noch nichts davon. Ich eigentlich auch nicht, weil … noch gar nichts sicher ist.“

„Natürlich. Ich würde nie … ich meine, Sie können Max erzählen, was Sie für richtig halten … wann immer Sie es für …“

„Falls es überhaupt etwas zu erzählen gibt“, unterbrach Amy ihn. „Ich bin nicht … Es ist nur so, dass … Es ist überhaupt nicht meins.“

„Es ist nicht Ihr Baby?“, fragte er verblüfft. „Bekommen Sie das Kind für eine andere?“

„Nein, der Test. Es ist nicht mein Test. Ich … habe ihn für eine Freundin gekauft. Wirklich.“

„Okay.“ Er klang nicht sonderlich überzeugt.

„Vergessen Sie es einfach, ja?“

„Natürlich. Ich habe nichts gesehen. Von mir erfährt niemand etwas. Versprochen.“ Er ging mit seinem Teller zur Tür und drehte sich noch einmal um. „Max hat erzählt, dass Leo … Es ist doch nicht von ihm, oder?“

„Nein!“

Verlegen suchte er das Weite.

Amy schlug die Hände vors Gesicht.

Ein paar Minuten später schaute Victoria in die Küche.

„Keine Angst, er ist weg.“ Amy winkte sie herein.

„Ich wollte nur mal nachsehen, ob Sie schon aus der Drogerie zurück sind, und habe nicht damit gerechnet, dass Tate …“

„Ach, er glaubt jetzt, dass ich schwanger bin. Er hat mich gefragt, ob das Baby von Leo ist, was absolut lächerlich ist, denn Leo ist tot und war sechsundachtzig.“

„Sie hatten eine Affäre mit einem Sechsundachtzigjährigen?“

„Nein! Aber selbst wenn – Leo ist vor einen Jahr gestorben. Von ihm ein Kind zu bekommen, wäre … ein biologisches Wunder.“

„Ich habe mich im Esszimmer versteckt und gelauscht. Ich fühle mich schrecklich, nicht nur weil mir übel ist. Das mit Tate tut mir wirklich sehr leid.“

„Solange er Max nichts erzählt, ist alles in Ordnung“, erwiderte Amy, „oder Kathleen oder Gladdy oder Eleanor. Kathleen ist nämlich Leos Witwe und müsste wissen, dass das Kind nicht von Leo sein kann. Aber natürlich würden die drei mich löchern.“

„Oh Gott!“

„Keine Sorge“, beruhigte Amy sie. „Tate hat versprochen, den Mund zu halten, und ist hoffentlich ein Mann, der sein Wort hält.“

„Ist er. Immer. Aber er ist auch …“ Victoria verstummte.

„Was ist er?“

„Jemand, der sich um seine Mitmenschen kümmert und ihre Probleme zu lösen versucht. Bestimmt will er auch Ihnen helfen. Ich hätte Sie gar nicht erst mit hineinziehen dürfen. Ich bringe das wieder in Ordnung, das …“

Victoria brach ab, als Amy eine Schublade aufzog und den in eine Plastiktüte gewickelten Schwangerschaftstest herausholte.

„Hier.“ Amy hielt ihn ihr hin.

Victoria sah wieder so aus, als würde sie sich jede Sekunde übergeben.

„Sie müssen ihn machen.“ Sie drückte der Braut die Tüte in die Hand. „Sie können mein Badezimmer nehmen. Max spielt draußen und wird Sie nicht stören.“

Victoria zögerte noch immer.

„Na los! Ich warte hier, falls Sie danach jemanden zum Reden brauchen.“

Tate ließ sich gerade auf der Terrasse das restliche Frühstück schmecken, als seine Patentante mit ihren Freundinnen ins Freie trat.

„Guten Morgen, mein Lieber. Wie war’s beim Joggen?“

„Herrlich, wie immer. Du weißt ja, wie sehr ich dieses Anwesen liebe.“ Er gab Eleanor einen Kuss auf die Wange und lächelte den beiden anderen Frauen zu. „Ich freue mich, dass Sie das Wochenende mit uns verbringen.“

„Es ist wirklich schön hier“, erwiderte Kathleen. „Schade, dass das Haus nach der Hochzeit wieder leer steht.“

„Es ist einfach zu groß für eine Person und eine Handvoll Personal. Ich komme mir vor wie in einem Museum. Ich hätte es schon vor Jahren aufgeben sollen.“

„Was ist mit all den Erinnerungen?“, fragte Gladdy.

„Die bleiben mir doch“, entgegnete Eleanor, „und wir haben so viele wunderbare, nicht wahr, mein Lieber?“

„Ganz meine Meinung. Bisher war alles tadellos.“ Kathleen lehnte sich seufzend zurück und schaute zum Park hinüber. „Wirklich schade, dass Leo nicht dabei sein kann.“

Tate zuckte zusammen. „Leo?“

„Ihr Ehemann“, erklärte Eleanor.

„Leider ist er schon von uns gegangen.“ Kathleen lächelte traurig. „Niemand liebte Partys so sehr wie Leo.“

„Ihr Ehemann?“, wiederholte Tate entgeistert. Das konnte nicht sein. Kathleen war über sechzig, wenn nicht noch älter. Bestimmt meinten die beiden einen anderen Leo.

„Er war ein so lieber Mensch.“

„Sie haben sich in Remington Park kennengelernt, wo ich mich nach der Knieoperation erholt habe. Ich habe dir doch erzählt, wie schön es dort ist“, sagte Eleanor, „zumal es dort jede Menge attraktiver älterer Herren gibt. Allerdings bezweifle ich, dass auch nur einer davon so lebensfroh wie Leo ist!“

Tate hatte das Gefühl, in ein absurdes Theaterstück geraten zu sein. Das ergab alles keinen Sinn. Die hübsche junge Frau, die ihm das Frühstück gemacht hatte, konnte doch unmöglich von dem Leo ein Kind bekommen – von dem verstorbenen Ehemann der Freundin seiner Patentante!? Und dann verbrachten die beiden – Leos Witwe und seine ehemalige Geliebte – auch noch das Wochenende hier. Zusammen!? Nein, solche Zufälle konnte es nicht geben.

Aber hatte Eleanor nicht erzählt, dass Amy einmal in der Seniorenresidenz gearbeitet hatte?

„Ich hoffe, die Hochzeit von Tate und Victoria weckt bei dir keine traurigen Erinnerungen“, sagte Eleanor zu Kathleen.

Tate verschluckte sich und musste husten. Besorgt drängten sich die Ladys um ihn und klopften ihm auf den Rücken.

Wie viele Leos, die am liebsten Zitronenkuchen aßen, konnte es geben?

Wusste Amy, dass Kathleen hier war? Und ahnte Kathleen, dass Amy eine Affäre mit ihrem verstorbenen Ehemann gehabt hatte und – noch schlimmer – von ihm ein Baby bekam?

Bestimmt nicht.

Eleanors Freundinnen waren erst in letzter Minute zur Hochzeit eingeladen worden. Und Eleanor hatte Amy erst engagiert, nachdem der eigentlich vorgesehene Koch ausgefallen war.

Was für eine bizarre Situation.

„Weißt du, Eleanor, wir könnten jemanden für dich suchen“, begann Gladdy, und die Vorfreude war ihr deutlich anzusehen. „Kathleen und ich brauchen dringend ein neues Projekt, damit wir uns nicht langweilen. Vorausgesetzt, du willst überhaupt einen Mann in deinem Leben.“

„Na ja, wenn er nicht zu anstrengend ist. Mal ehrlich, Männer in unserem Alter sind nicht gerade pflegeleicht.“

„Da hast du leider recht. Aber lasst es uns trotzdem versuchen“, schlug Gladdy vor. „Es macht bestimmt Spaß.“

Tate atmete tief durch.

Sie wollten Eleanor einen Ehemann verschaffen? Jetzt? Hoffentlich einen besseren als diesen Mistkerl Leo, der sich mit einer jungen Frau vergnügte, deren Großvater er sein könnte – und sie dann, als sie schwanger wurde, im Stich ließ, obwohl sie schon ein Kind hatte, das sie allein großziehen musste. Hatte er Amy mit Geld abgespeist? Mit dem Geld, von dem Max gesprochen hatte? Der Junge hatte behauptet, es sei für seine Ausbildung, aber er war erst sieben. Was wusste Max schon?

Was wussten sie alle übereinander?

Tate wollte sich lieber nicht ausmalen, was passieren würde, wenn gewisse Geheimnisse ans Licht kamen. Kathleen würde sich wahrscheinlich in Grund und Boden schämen. Die arme Frau hatte ihren Ehemann verloren und musste jetzt auch noch erfahren, dass er sie mit einer viel Jüngeren betrogen hatte und ihre Rivalin von ihm ein Kind bekam!

„Könntest du noch etwas bleiben?“, bat Tate seine Patentante.

„Aber natürlich.“ Sie nickte ihren Freundinnen zu und versprach, ihnen später das Haus und den Park zu zeigen.

„Nein, bitte nicht“, flüsterte er, als Kathleen und Gladdy fort waren, „keine Besichtigung.“

Seine Patentante lächelte belustigt. „Warum denn nicht?“, wisperte sie mit Verschwörermiene zurück.

„Weil die beiden nicht in die Küche dürfen!“

„Warum nicht?“, wiederholte Eleanor.

„Weil sie dort ist, die Köchin, die du engagiert hast. Amy.“

„Wo soll sie denn sonst sein? Sie gehört doch in die Küche. Ist Amy nicht wunderbar? Hat das Frühstück nicht himmlisch geschmeckt?

„Nein!“

„Tate, was ist los?“

„Es wäre besser, wenn Kathleen und Amy einander nicht begegnen. Erst recht nicht an diesem Wochenende.“

Eleanor fiel ein, was sie gestern gehört hatte, als sie – rein zufällig – an der Küche vorbeigekommen war. Max hatte ihrem Patensohn von seinem Sugardaddy erzählt, Und Amy hatte nicht bestritten, dass Leo ihr Sugardaddy gewesen war.

„Ach du meine Güte“, wisperte sie.

„Also weißt du von Amy und Leo? Dass sie ein Verhältnis mit dem Ehemann deiner Freundin hatte? Mit einem Mann in den Sechzigern … oder Siebzigern?“

„Tate, Liebling, ich weiß ja nicht, was du gehört hast, aber …“

„Max hat mir erzählt, wie gern er Leo hatte. Und Amy hat nicht widersprochen.“

Eleanor seufzte betrübt. Genau das hatte sie befürchtet. Was sollte sie dazu sagen? „Es ist nicht so, wie du glaubst.“

„Doch, ganz genau so. Ihr Junge hat es mir erzählt, Eleanor. Weiß deine Freundin Kathleen Bescheid? Sonst könnte es nämlich eine ziemlich unschöne Szene geben.“

„Ich kann dir versichern, dass Kathleen und Amy nicht aufeinander losgehen werden. Jedenfalls nicht wegen ihres verstorbenen Ehemanns. Die beiden verstehen sich sehr gut.“

Verblüfft starrte er Eleanor an. Zwei Frauen – eine mit ihm verheiratet, die andere seine junge Gespielin – hatten denselben Mann geliebt und verstanden sich sehr gut? Unmöglich.

„Du musst mir einfach glauben. Die beiden mögen sich.“

„Obwohl sie etwas mit demselben Mann hatten? Zur gleichen Zeit?“

„Das alles geht uns nichts an“, sagte Eleanor verzweifelt, weil ihr nichts Besseres einfiel. „So kenne ich dich gar nicht. Es war nie deine Art, über andere Leute zu tuscheln.“

„Das tue ich doch gar nicht“, protestierte Tate. „Ich versuche nur, eine liebenswürdige Witwe und einen kleinen Jungen vor einer äußerst peinlichen Situation zu bewahren.“

Sie nickte. „Mach dir bitte keine Sorgen. Ich kümmere mich darum.“

Er zögerte.

„Gibt es noch etwas? Möchtest du über irgendetwas reden?“, fragte Eleanor. Über Amy und ihn? Über Puderzucker und sehnsuchtsvolle Blicke? Vielleicht war es ja doch ganz gut, dass sich seine Patentante eingemischt hatte.

„Ich habe versprochen, es niemandem zu erzählen.“

Eleanor lächelte nur.

„Es gibt da etwas, von dem noch niemand weiß. Etwas, das zwischen Amy und deiner Freundin … zu Komplikationen führen könnte.“

„Der Mann liegt unter der Erde. Wie könnte er jetzt noch für Schwierigkeiten sorgen?“

„Er selbst nicht, aber … vielleicht seine Hinterlassenschaft.“

„Das Geld, meinst du? Das für Max und Amy? Kathleen weiß davon.“

Tate traute seinen Ohren nicht. „Tatsächlich? Und es stört sie nicht?“

„Ich bezweifle, dass ich dir erklären könnte, was Frauen stört und was nicht“, begann Eleanor, ohne zu wissen, was sie eigentlich sagen wollte. „Deshalb musst du es mir einfach glauben – das Geld ist kein Problem.“

„Und wenn da noch etwas ist?“, fragte er. „Wenn er nicht nur Geld hinterlassen hat, sondern etwas … von sich selbst … bei Amy?“

„Liebling, ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass der gute Leo etwas hinterlassen hat, worüber Amy und Kathleen sich streiten könnten.“

„Nicht mal … ein Baby?“

„Ein Baby?“, wiederholte sie verdutzt. „Du meinst Max? Max ist kein Baby, er ist sieben und …“

„Nein, kein richtiges Baby. Na ja, irgendwie schon, aber … noch nicht, sondern … eines Tages – Leos Baby.“

Eleanor musste lachen. „Du glaubst allen Ernstes, Leo Gray hätte ein Kind gezeugt? Mit sechsundachtzig?“

„Sechsundachtzig?“ Tate sah aus, als hätte er in eine Zitrone gebissen.

Erst jetzt begriff sie, worauf er hinauswollte. „Amy?“, flüsterte sie fassungslos. „Du glaubst, unsere liebe Amy ist schwanger?“

Ihr Patensohn senkte verlegen den Blick. „Ich weiß es nicht. Vielleicht. Ich dachte nur, falls sie es ist, und zwar von Leo … Er war wirklich sechsundachtzig?“

„Ja. Wir reden später weiter, ja?“

„Ich kümmere mich darum.“ Eleanor eilte davon, um ihre Freundinnen zu suchen. Ohne die beiden hätte sie sich gar nicht erst auf diesen idiotischen Plan eingelassen.

Victoria ging vor Amys Badezimmer auf und ab, in der Hand noch immer die Schachtel mit dem Schwangerschaftstest.

Ich schaffe es. Ich bin Victoria Elizabeth Ryan, ich schaffe alles.

Amy hatte recht. Sie musste es tun. Victoria gab sich einen Ruck, ging auf wackligen Beinen ins Badezimmer und schloss hinter sich ab.

Nach dem Gespräch mit Eleanor verstand Tate noch weniger als vorher. Zwei Frauen teilten sich einen Mann, die eine war von ihm schwanger, die andere trauerte um ihn – alles kein Problem?

Seine Patentante begriff offenbar nicht, wie gefährlich die Situation war. Amy und Kathleen unter einem Dach – das kam einer tickenden Zeitbombe gleich.

Schuldgefühle trieben ihn in die Küche. Er musste Amy gestehen, dass er ihr Geheimnis verraten hatte.

„Wir stehen vor einer Katastrophe!“, flüsterte Eleanor ihren Freundinnen zu.

„So schlimm kann es nicht sein“, entgegnete Gladdy. „Tate ist als Erstes in die Küche gegangen, um sich Amys Frühstück schmecken zu lassen.“

„Er glaubt, dass Amy einen Sugardaddy hatte! Er traut ihr allen Ernstes zu, dass sie sich hat aushalten lassen von einem älteren Mann! Und … ich muss dich das fragen“, sagte sie zu Kathleen, „Leo war doch nicht wirklich ihr Sugardaddy, oder?“

„Ganz bestimmt nicht.“

„Leider ist Tate davon überzeugt, und Amy hat es nicht bestritten.“

„Sie ist eine attraktive junge Frau und hat ihre Ausbildung tatsächlich auch mit der Hilfe eines älteren Mannes finanziert“, sagte Kathleen. „So etwas kann schnell zu bösen Gerüchten führen. Bestimmt war Amy zuerst wütend und gekränkt, aber dann hat sie wohl das Beste daraus gemacht. Vielleicht war sie irgendwann sogar froh darüber, dass die Leute ihr ein Verhältnis mit einem älteren Wohltäter angedichtet haben …“

„Weil alle auf diese Weise gedacht haben, dass sie vergeben ist“, warf Gladdy ein.

„Genau, und deshalb haben sie die Männer in ihrem Alter in Ruhe gelassen. Was ihr ganz recht war, denn so konnte sie sich auf ihre Ausbildung konzentrieren“, fuhr Kathleen fort.

Eleanor atmete auf. Das erklärte Amys Verhalten. „Das heißt, sie hat Leo nur vorgeschoben?“

„Natürlich!“ Kathleen schien nicht daran zu zweifeln.

„Aber das ist jetzt vorbei? Dass sie die Männer von sich fernhält? Wir brauchen nämlich eine Frau, die Tate seiner Verlobten ausspannen kann, und zwar bevor er Victoria heiratet!“

„Na ja …“

„Aber sie hat Tate von Leo erzählt.“ Eleanor seufzte. Warum musste alles so kompliziert sein?

„Sie hat nicht davon angefangen“, wandte Kathleen ein. „Es war Max.“

„Aber sie hat es auch nicht bestritten. Im Gegenteil, sie hat Tate glauben lassen, dass ihr egal ist, wie alt ein Mann ist. Hauptsache, er hat Geld.“

Betrübt schüttelte Gladdy den Kopf. „Nicht gerade der optimale Beginn einer Beziehung.“

Eleanor zögerte. „Und dabei habe ich euch das Schlimmste noch gar nicht erzählt!“

„Was denn noch?“, fragte Kathleen entsetzt.

„Tate scheint sich in den Kopf gesetzt zu haben, dass … Amy schwanger ist.“

„Wenn sie mit jemandem zusammen gewesen wäre, hätte sie es uns bestimmt erzählt“, sagte Gladdy.

„Gladdy hat recht. Wenn da etwas gewesen wäre, wüssten wir davon.“ Kathleen sah Eleanor an. „Er glaubt wirklich, dass sie schwanger ist?“

„Ja, leider.“

„Obwohl … ein neues Baby …“ Kathleens Blick wurde verträumt. „Wir könnten Amy helfen, das Kleine zu verwöhnen.“

„Hör mal, wir haben sie hergeholt, um Tate von seiner Heirat abzuhalten!“

„Was hält er eigentlich von Kindern? Vielleicht hat der Vater des Babys – wer immer es ist – sich längst abgesetzt. Du hast selbst gesagt, dass Tate ein fürsorglicher Mensch ist.“

Eleanor stöhnte auf. „Worauf habe ich mich bloß eingelassen? Ihr ahnt ja nicht, warum er mir sein Herz ausgeschüttet hat! Weil er befürchtet, dass Amys Baby von deinem Leo ist, Kathleen!“

In der Küche starrte Amy auf die Tür zu ihrem Zimmer. Wo blieb Victoria bloß? Der Test dauerte höchstens ein paar Minuten.

Vielleicht traute sie sich nicht, ihn zu machen.

Oder sie kannte das Ergebnis längst und lag schluchzend auf dem Boden. Sollte sie nach ihr sehen?

Als Amy hinter sich Schritte hörte, zuckte sie zusammen.

Sie atmete tief durch und drehte sich langsam um.

Tate hielt seinen leeren Frühstücksteller in der Hand, und neben ihm stand ihr Sohn mit schmutzigen Jeans und Erdkrümeln an der Nase.

„Max!“

„Ich kann nichts dafür!“

„Der andere Höhlenforscher sieht noch schlimmer aus“, sagte Tate und legte ihm eine Hand auf die Schulter.

„Du warst in einer Höhle?“

„Keine richtige“, sagte Max, „die Büsche stehen ganz dicht zusammen, die Zweige hängen bis auf die Erde, und darunter ist es dunkel und eng … wie in einer Höhle.“

„Als ich in seinem Alter war, hat mich so was auch magisch angezogen“, warf Tate ein.

„Muss ich schon wieder duschen?“

„Ja.“

„Mooom! Ich mache mich doch gleich wieder schmutzig!“

Amy seufzte. „Wahrscheinlich.“

„Der Park ist toll. Nach dem Mittagessen machen wir weiter.“

„Wasch dir wenigstens Hände und Gesicht und zieh dich um. Wir wollen es uns nicht mit Mrs. Brown verderben.“

„Okay.“

Erst als ihr Sohn sich widerwillig in Bewegung setzte, fiel ihr Victoria ein.

„Warte! Du kannst jetzt nicht in unser Zimmer.“

Verwirrt sah Max sie an.

Tate warf ihr einen fragenden Blick zu.

„Aber ich brauche meine Sachen, Mom!“

„Die hole ich. Du kannst dich inzwischen waschen.“

„Hier? Sonst darf ich mir nie in der Küche …“

„Heute darfst du. Ausnahmsweise.“

Max zögerte noch immer.

Und Tate fragte sich wahrscheinlich gerade, was in ihrem Zimmer vorging und ihr Sohn auf keinen Fall sehen durfte. Aber er sagte nichts, sondern schnappte sich einen Fußhocker und ein sauberes Geschirrtuch und legte den Arm um Max. „Komm schon. Es tut nicht weh und geht ganz schnell. Versprochen.“

Dankbar lächelte Amy ihm zu, bevor sie in ihr Zimmer ging und leise hinter sich abschloss. Bestimmt fand er auch das verdächtig.

Plötzlich war sie den Tränen nahe.

Was macht er nur mit mir?

Er war nur ein gewöhnlicher Mann. Einer, der ihr vermutlich zutraute, dass sie neben der Küche heimlich einen Lover versteckte, von dem sie vielleicht zum zweiten Mal in ihrem Leben schwanger war, ohne verheiratet zu sein!?

Verwirrt schüttelte Tate den Kopf, als Amy hinter sich abschloss.

War das Baby doch nicht von Leo? Versteckte der Vater sich etwa in ihrem Zimmer? Wusste er nicht, dass sie schwanger war?

Frauen! Tate verstand einfach nicht, wie sie tickten.

Warum regte er sich auf? Es ging ihn nichts an. Außerdem heiratete er am Samstag.

„Mütter sind manchmal richtig seltsam“, verkündete Max, während er sich im Spülbecken die Hände wusch.

„Stimmt.“ Sollte er den Jungen davor warnen, sich von Frauen den Kopf verdrehen zu lassen?

Amy wollte gerade an die Badezimmertür anklopfen, da ertönte ein leiser Aufschrei. Dann wurde die Tür zum Bad aufgerissen.

Sie sind es!“, wisperte Victoria. „Ich dachte, ich hätte Tate gehört.“

„Er ist in der Küche.“

In den Augen der Braut glitzerten Tränen.

„Keine Angst“, fuhr Amy beruhigend fort. „Ich habe abgeschlossen.“

„Danke.“

„Haben Sie den Test gemacht?“

Victoria nickte betrübt.

„Und?“

„Ich habe das Ding vor Schreck fallen lassen.“

„Und … sind Sie es?“

„Ich weiß es nicht!“

„Dann heben Sie den Test auf und sehen Sie nach.“

„Ich glaube nicht, dass er noch funktioniert. Er ist in die Toilette gefallen!“

„Oh.“ Mehr brachte Amy nicht heraus.

„Wahrscheinlich ist das Ergebnis jetzt nicht mehr zuverlässig, oder?“

„Nein, wahrscheinlich nicht.“ Amy schüttelte den Kopf. „Aber keine Sorge. Ein Gast will unbedingt Artischockenherzen, also muss ich ohnehin wieder los. Ich besorge Ihnen einen neuen.“

„Danke.“

Amy ließ Victoria im Bad zurück, schnappte sich ein paar saubere Sachen und ging wieder in die Küche. Sie gab sie Max und scheuchte ihn in den Wirtschaftsraum.„Mom! Unser Zimmer ist gleich nebenan.“

„Ich weiß.“

Ihr Sohn sah sie an, als hätte sie den Verstand verloren, gehorchte jedoch.

„Ich weiß, es geht mich nichts an …“, begann Tate.

„Stimmt.“

„Wen verstecken Sie Ihrem Zimmer?“

„Es ist nicht so, wie Sie denken.“

„Nein?“

„Nein.“

„Warum musste Max dann in den Wirtschaftsraum?“

„Weil ich diskret bin.“

„Ach ja?“

„Ich wahre die … Intimsphäre einer anderen Person.“

„Intimsphäre“, wiederholte er, „ja, das trifft es wohl. Was hat Ihr Test ergeben?“

„Er war nicht für mich.“

„Klar.“

„Was glauben Sie eigentlich, wer Sie sind?“, fragte Amy gereizt. „Der Anstandswauwau vom Dienst, oder wie?“

„Ich mag Ihren Sohn, und Sie sind …“ Er zögerte.

Was bin ich?“

„Zu jung, um ganz allein ein Kind großzuziehen.“

„Wer wüsste das besser als ich?“, entgegnete Amy spitz.

„Und ich könnte mir denken, dass sie es sich und Max nicht noch schwerer machen wollen.“

„Stimmt, das will ich nicht. Und deshalb sollte ich diesen Job nicht aufs Spiel setzen, indem ich den Bräutigam …“

Leos Witwe ist hier!“, unterbrach er sie leise.

„Das weiß ich. Ich habe ihr heute Morgen das Frühstück zubereitet.“

„Also weiß sie, dass Sie hier sind?“

Autor

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Die vielfach ausgezeichnete Bestsellerautorin Gina Wilkins (auch Gina Ferris Wilkins) hat über 50 Romances geschrieben, die in 20 Sprachen übersetzt und in 100 Ländern verkauft werden! Gina stammt aus Arkansas, wo sie Zeit ihres Leben gewohnt hat. Sie verkaufte 1987 ihr erstes Manuskript an den Verlag Harlequin und schreibt seitdem...
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