Bianca Exklusiv Band 377

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MITTERNACHTSKÜSSE FÜR CINDERELLA von STACY CONNELLY

Debbie will sich so gern verlieben, am liebsten in einen fremden Traumprinzen, der sie romantisch umwirbt. Also genau das Gegenteil von Drew Pirelli, Debbies verlässlichem Freund seit Kindheitstagen. Aber dann küsst Drew sie – und plötzlich wird das Vertraute aufregend fremd …

NOCH EINE CHANCE FÜR DAS GLÜCK von MARIE FERRARELLA

Wutentbrannt trennt Claire sich von ihrem Mann Levi. Nicht lange allerdings, dann sehnt sie sich zurück nach seinen Umarmungen, seinen Küssen – nach ihm! Soll sie ihrer Liebe eine zweite Chance geben?

WENN SICH DAS HERZ NACH LIEBE SEHNT von CHRISTINE RIMMER 

Träge wacht Jordyn auf, dreht den Kopf – und sieht ihren alten Freund Will neben sich. Was ist passiert? Hat sie etwa mit ihm …? Eines ist klar: Die Heiratsurkunde auf dem Nachttisch kann nicht echt sein. Sie liebt Will nicht! Oder sieht ihr Herz das anders und hat sie ausgetrickst? 


  • Erscheinungstag 20.07.2024
  • Bandnummer 377
  • ISBN / Artikelnummer 9783751523387
  • Seitenanzahl 448
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Stacy Connelly, Marie Ferrarella, Christine Rimmer

BIANCA EXKLUSIV BAND 377

1. KAPITEL

„Auf die Jungvermählte und die beiden angehenden Bräute“, prostete Debbie Mattson, während sie ihre Margarita ihren Freundinnen entgegenstreckte. „Auf dass ihr in eurem weiteren Leben ebenso glücklich seid wie bisher in der Liebe.“

Darcy Dawson, deren Junggesellinnenabschied gefeiert wurde, hob ihren Martini. „Auf das Glück, auf das Leben und auf die Liebe“, wünschte sie.

Die vier Frauen – Debbie, Darcy, Sophia Pirelli Cameron und das neueste Mitglied der Gruppe, Kara Starling – hatten sich in der Clearville Bar and Grille für Darcys Feier zusammengefunden. Die rustikale Bar war ein beliebtes Lokal bei Touristen und Städtern und aufgrund des riesigen TV-Bildschirms und der kleinen Tanzfläche auch Anlaufstelle für Sportbegeisterte und Tanzfreudige. Wäre Debbie für die kleine Party verantwortlich gewesen, hätte sie sich etwas Aufregenderes als ein Abendessen und Drinks ausgedacht, aber Darcy schien es offensichtlich zu gefallen, und das war alles, was zählte.

Die dunkelhaarige Sophia, die im sechsten Monat schwanger war, nippte an ihrem Cranberrysaft. Wenn Debbie jemals eine Schwangere gesehen hatte, die von innen heraus strahlte, dann war es ihre Freundin. Sie sah in ihrem pinkfarbenen Hänger, der locker über ihren runden Bauch fiel, einfach hinreißend aus. Natürlich könnte es auch das Glück einer frisch verheirateten Frau sein, das sie so von innen heraus leuchten ließ. Schließlich hatte Sophia Jake Cameron erst im letzten Sommer geheiratet.

Die Liebe tat Sophia sichtlich gut und schien ihr erster und letzter Gedanke zu sein, als sie mit Darcy und Kara Blicke wechselte, bevor sie zu Debbie hinübersah. „Da wir drei bereits unsere Männer gefunden haben, bist dann wohl du an der Reihe?“

Obwohl Debbie innerlich stöhnte, lächelte sie tapfer weiter. Wie oft hatte sie das in den letzten Monaten gehört? Seit ihre Freundinnen ihre Seelenpartner gefunden hatten, richteten sie ihr Augenmerk auf den einzigen Single in ihrem Kreis. Manchmal kam sich Debbie wie das einzige Schaf unter Wölfen vor. Schlaue, hinterlistige Wölfe, die große Freude am Verkuppeln hatten.

Nur keine Angst zeigen, dachte sie, sonst bin ich geliefert.

„Ich freue mich für euch, wirklich. Aber ich bin noch nicht bereit für eine feste Beziehung. Ich bin in meinem Leben endlich einmal in der Lage, mir ein wenig Zeit für neue Dinge zu nehmen. Ich sehne mich nach Freiheit und Abenteuer.“

„Und für die Liebe? Für Romantik oder Sex?“, fragte Darcy nach.

„Ich hätte nichts gegen … nun ja, gegen eine heiße Affäre.“ Debbie trank einen Schluck von ihrer Margarita, und der Alkohol sorgte dafür, dass sie sich für ihr Thema erwärmte. „Ein attraktiver Fremder wäre im Moment das Richtige. Ein großer, dunkelhaariger Mann, der geheimnisvoll und aufregend ist und mir den Boden unter den Füßen wegreißt. Jemand, der mich überrascht und mich auf Trab hält.“

„Was du nicht sagst“, erwiderte Darcy, die bildhübsche Rothaarige, mit einem bedeutungsvollen Lächeln.

„Entschuldige bitte“, protestierte Kara und schaute Darcy mit einem strengen Lehrerinnenblick an. „Muss ich dich daran erinnern, dass du am Wochenende heiraten wirst?“

Darcy hob abwehrend die Hände. „Noch mehr Grund, um Debbies Eskapaden mitzuverfolgen. Erzähl uns mehr von diesem geheimnisvollen Mann.“

Debbie spürte, wie ihre Wangen warm wurden, und stellte ihre Margarita ab. „Nun, eines kann ich euch sagen: Ich werde ihn sicherlich nicht hier finden“, erklärte sie.

„In der Bar?“, hakte Kara nach.

„Nicht hier in der Bar und auch nicht in Clearville.“ Ein schneller Blick über den Teil des Restaurants, in dem sie sich befanden, bestätigte, was Debbie erwartet hatte.

Sie kannte jeden alleinstehenden Mann an diesem Ort. Schlimmer noch, sie kannte sie alle seit Jahren. Wenn sie sich zurückerinnerte, fielen ihr all die peinlichen Momente ein, die Teil des Heranwachsens in einer Kleinstadt waren.

Billy Cummings, der Sohn des Sheriffs, war wochenlang mit einem Spielzeug-Footballhelm auf dem Kopf herumgelaufen, nachdem er sein erstes Footballspiel gesehen hatte. Mark Thompson hatte im ersten Jahr seiner Highschoolzeit heiß und innig für seine Englischlehrerin geschwärmt, und sein Bruder Bruce hatte felsenfest geschworen, dass seine Band einmal sehr erfolgreich werden würde, obwohl niemand in der Gruppe richtig ein Instrument spielen konnte. Darrel Nelson nicht zu vergessen, der sich gemeine Streiche ausdachte und jeden bedrängt und genötigt hatte, der kleiner und schwächer war als er.

Sie konnte sich noch gut an all das erinnern, und als ob das noch nicht reichte, wusste sie, dass die anderen sich ebenfalls an Situationen erinnerten, die für sie selbst peinlich und auch schmerzlich gewesen waren.

Geheimnisse? Romantik? Liebesabenteuer?

Da war noch nicht einmal dran zu denken, dachte sie mit einem Seufzer.

„Hört zu! Vergesst einfach, was ich gesagt habe. So etwas passiert eben, wenn eine Frau, die sonst nur Milch trinkt, sich plötzlich Tequila mit Limettensaft genehmigt“, spaßte sie und hoffte, ihre Freundinnen wären ebenfalls bereit, über ihre Bemerkungen zu lachen.

Sie hätte wissen müssen, dass ihr so viel Glück nicht vergönnt war.

„Es ist nichts Schlimmes daran, wenn man sich nach Romantik und Liebe in seinem Leben sehnt“, erklärte Kara.

Zuerst hatte Debbie sich etwas gewundert, dass die ernste, eher zurückhaltende College-Professorin Sophias extrovertierten, lebenslustigen Bruder Sam geheiratet hatte. Aber in den vergangenen Wochen hatte Debbie Kara besser kennengelernt und bemerkt, was für ein warmes Herz hinter der kühlen Fassade der eleganten Blondine schlug.

„Ich kann dir nur wärmstens empfehlen, dass dir endlich einmal ein toller Hecht den Boden unter den Füßen wegreißt.“ Darcy lächelte. „Aber warum willst du die Männerwelt von Clearville unberücksichtigt lassen? Ich spreche aus persönlicher Erfahrung, und ich kann euch nur sagen, dass mein Mann alles andere als langweilig ist.“

„Darauf trinke ich“, meinte Kara und hob ihr Glas Chardonnay, um mit Darcy anzustoßen.

Beide Frauen strahlten vor Glück. Sie hatten erst ihre große Liebe gefunden. Allerdings fiel es Debbie schwer, Nick und Sam Pirelli als aufregende, romantische Liebhaber zu sehen. Sie waren ihr immer wie große Brüder vorgekommen. Manchmal waren sie nett, und manchmal ärgerten sie einen, aber immer spielten sie sich als Beschützer auf. Was Debbie manchmal ganz schön genervt hatte.

Das war etwas, das Sophia als jüngstes Mitglied der Pirelli-Familie und einziges Mädchen sicher verstehen konnte. Sie wechselte rasch einen Blick mit ihr und wandte sich dann wieder den anderen beiden zu. „Bei euch ist das anders. Ihr seid schließlich nicht hier aufgewachsen, somit können die Clearville-Männer für euch noch einen geheimnisvollen und aufregenden Touch haben. Aber ich kenne sie schon seit einer Ewigkeit. Für mich sind es die Jungs von nebenan. Keine Geheimnisse, keine aufregenden Dinge, kein Funke, der sich zur Leidenschaft entzünden könnten.“

Das alles war schon schlimm genug, aber noch schlimmer war, dass die männliche Bevölkerung der Stadt das genauso sah. Sie war in ihren Augen auch nur das Mädchen von nebenan. Der Kumpel, die Freundin, an deren Schulter man sich ausweinte, wenn die ach so beliebten, hübschen Mädchen sie abgewiesen hatten.

Sie zuckte innerlich zusammen, als sie daran dachte, welcher Name sie seit ihrer Grundschulzeit begleitet hatte. Es war der Bäckerei ihrer Mutter und den köstlichen süßen Dingen zu verdanken, die dort hergestellt wurden, dass sie nicht so gertenschlank wie die meisten anderen Mädchen gewesen war. Sie wusste zwar, dass der Spitzname Pummel nur scherzhaft gemeint war, verletzt hatte er sie dennoch.

Jetzt war sie selbst die Besitzerin von Bonnies Bäckerei, und die Jahre, in denen sie ihre Mutter gepflegt hatte, nachdem sie erkrankt war, hatten sie härter gemacht. So wie Teig, den man zu lange knetete. Ihre Gefühle waren nicht mehr so leicht zu verletzen, obwohl sie dank ihres letzten Liebhabers einen Rückschlag erlitten hatte.

Sie und Robert Watkins waren in den ersten Monaten des Jahres zwanglos miteinander ausgegangen. Irgendwann im Sommer begann es ernster zwischen ihnen zu werden. Ernst genug, um miteinander ins Bett zu gehen.

Debbie wusste immer noch nicht, was schlimmer gewesen war, der Liebeskummer oder die Demütigung, als sie sich an jenes fatale Wochenende erinnerte und wie er ihr am Montag darauf erklärte, dass es wohl besser wäre, wenn sie nur Freunde blieben.

Es wäre nicht so schlimm gewesen, wenn diese Zurückweisung sie nicht an die Verletzlichkeit ihrer Highschoolzeit erinnert hätte. Sie war damals jedermanns Freundin gewesen, die Kameradin, der Kumpel, mit dem die Jungs über die hübscheren, beliebteren Mädchen reden konnten. Debbie wollte sich nichts vormachen, der Bruch mit Robert hatte alte, unangenehme Erinnerungen geweckt.

Erinnerungen, an die Gefühle gebunden waren, die sie entschlossen war, zu überwinden. Sie war Frau genug, um Vertrauen in sich selbst zu haben, um zu wissen, was sie wollte und was ihre Ziele waren.

„Ich bin nicht sicher, ob du die Jungs hier nicht unterschätzt“, bemerkte Darcy. „Es gibt hier wirklich sehr nette Männer, die es freuen würde, wenn sie wüssten, dass du nach einem Partner suchst.“ Ihre Augen leuchteten plötzlich auf. „Was ist mit Jarrett Deeks? Er und Nick sind Freunde geworden, während sie gemeinsam in Jarretts Rettungsstelle für Pferde arbeiteten. Wir könnten ein Doppel-Date arrangieren.“

Debbie zuckte bei dem Gedanken leicht zusammen. „Nein, danke, Darcy. Ich bin sicher, dass Jarrett ein wunderbarer Mann ist, aber ein Doppel-Date ist nicht gerade das, was mir vorschwebt.“

Ihre Freundin zog die Augenbrauen zusammen. „Aber wenn du eine Beziehung willst …“

„Das will ich gar nicht“, unterbrach sie. „Nicht ernsthaft.“

„Keine ernsthafte Beziehung?“, wiederholte Kara.

„Ich suche nicht unbedingt nach etwas Festem.“ Debbie stach mit dem Strohhalm auf den Eiswürfeln herum, die sich auf dem Boden ihres Glases befanden. „Ich will nur etwas Spaß haben.“ Sie lehnte sich zurück. „Wisst ihr, ich habe das Gefühl, dass ich viel verpasst habe, während ich aufwuchs.“

„Nein, das wissen wir nicht.“ Kara beugte sich mit offenem, interessiertem Gesichtsausdruck vor. „Du redest zwar viel, aber ohne wirklich etwas über dich selbst zu erzählen.“

Debbie blinzelte, überrascht von der Bemerkung ihrer Freundin. „So bin ich nicht … oder doch?“ Sie wusste, dass sie gerne redete, und je nervöser sie wurde, umso mehr kam sie ins Plaudern. Aber ihr war nicht bewusst, dass sie auch mit ihren Freundinnen so war. Es hörte sich so … so selbstsüchtig an. So als ob sie erwartete, dass sie ihre Herzen öffneten und ihre Gefühle preisgaben, während sie alle zurückhielt. „Das tut mir leid. Mir ist gar nicht bewusst gewesen, dass …“

„Süße, das war keine Kritik. Nur eine Feststellung.“

„Ich weiß, was du meinst, Deb“, unterbrach Sophia. „Einige von uns sind zusammen aufgewachsen. Deshalb reden wir nicht viel über unsere Vergangenheit, weil wir denken, dass die anderen ja schon alles über uns wissen.“

„Aber wir sind neu hier.“ Darcy wies mit dem Kopf zu Kara hinüber. „Also kannst du uns deine alten Geschichten erzählen, ohne Angst zu haben, dass du dich wiederholst und wir uns langweilen.“

„Gut, aber nur, weil du meine Geschichten noch nicht gehört hast, bedeutet das nicht, dass sie nicht langweilig sind. Mein Dad war im Militär und wurde getötet, als ich noch sehr jung war. Also bin ich allein bei meiner Mutter aufgewachsen. Ich war noch in der Highschool, als bei ihr Krebs festgestellt wurde.“

Debbie konnte sich noch gut daran erinnern, wie sie nach der Schule in die Bäckerei gekommen war, in der es wie immer köstlich nach Vanille und Schokolade duftete. Sie war so aufgeregt gewesen. Der Homecoming-Schulball stand bevor und sie war sicher, dass sie dieses Jahr ein Junge fragen würde, ob sie ihn begleiten wollte. Sie hatte sich sogar schon das perfekte Kleid ausgesucht und war voller Pläne für die Zukunft gewesen.

„Ich wusste sofort, dass etwas nicht stimmte, und als sie es mir sagte, dachte ich, ich würde mich in einem Albtraum befinden. Ein böser Traum, aus dem ich sicherlich bald wieder erwachen würde. Doch leider war es Realität.“

Sie räusperte sich. „Wie dem auch sei. Meine Mutter war schon immer eine Kämpferin gewesen, also durchlief sie alle notwendigen Untersuchungen, Operationen und Therapien, während sie weiterhin versuchte, die Bäckerei zu führen. Für eine Weile hatte ich vor, die Schule zu verlassen, aber sie wollte nichts davon hören. Also nahm ich nur an den notwendigen Kursen teil, ließ alle Freizeitaktivitäten sein und arbeitete jede freie Minute, die ich hatte, in der Bäckerei. Einige Stunden vor der Schule und dann sofort wieder, wenn ich nach Hause kam.“

Sie hatte sich nie wieder ein perfektes Kleid für einen Ball gekauft, hatte nie mehr einen Highschoolball besucht. Die Bäckerei wurde zu Debbies Leben, so wie es zuvor das Leben ihrer Mutter gewesen war.

„Es war alles, was ich tun konnte. Ich konnte sie nicht wieder gesund machen, aber ich konnte für sie die Cupcakes herstellen“, fügte sie am Schluss mit einem traurigen Lachen hinzu.

Dann schüttelte sie entschlossen den Kummer der Vergangenheit ab. „Das ist keine Unterhaltung für einen Junggesellinnenabschied! Zuerst bin ich diejenige, die meint, dass sie endlich einmal Spaß haben will, und dann ziehe ich euch alle herunter.“

„Das tust du nicht. Ich weiß, was du geleistet hast, und ich glaube, ich verstehe auch ein wenig, was du durchgemacht hast“, gestand Darcy.

Debbie wusste, dass ihre Freundin vor ein paar Jahren ihre Mutter verloren hatte und dass es dieser Verlust gewesen war, der Darcy veranlasst hatte, in ihre Heimatstadt zurückzukehren und den Kosmetiksalon zu eröffnen, von dem sie und ihre Mutter immer geträumt hatten. Darcy hatte Debbie diese Geschichte erzählt, schon bald nachdem sie sich kennengelernt hatten, und doch hatte Debbie damals nicht daran gedacht, ihre eigene preiszugeben. Warum? Ging sie unbewusst wirklich davon aus, dass jeder ihre Vergangenheit kannte, oder steckte mehr dahinter?

Debbie nahm sich vor, später einmal darüber nachzudenken. „Danke, irgendwie kam mir das gar nicht so vor, als ob ich etwas geleistet hätte“, sagte Debbie. „Ich wusste nur, wie viel die Bäckerei meiner Mutter bedeutete, und ich wollte ihr die Sorgen nehmen, damit sie gesunden konnte. Für eine Weile ging es ihr auch besser. Der Krebs kam zum Stillstand, bevor er nach einigen Jahren wieder ausbrach und sie keine Chance mehr hatte.“

Nachdem sie ihre Mutter verloren hatte, war die Bäckerei Debbies Lebensinhalt geworden. Sie arbeitete hart, um den Schmerz des Verlustes zu betäuben, und akzeptierte langsam, dass die Bäckerei ab jetzt ihre Zukunft war. Die Träume, nach der Highschool eine jener renommierten Kochschulen zu besuchen, verblichen, während sie Teig knetete, Kekse backte und Cupcakes garnierte. Aber irgendwann, nachdem Tage in Wochen und Wochen in Jahren, übergegangen waren, hatte ein kleines Wunder stattgefunden: Der Ruf der Bäckerei war weit über die Grenzen der Kleinstadt hinausgedrungen.

Das Geschäft lief immer besser, seit Debbie einen Internet-Auftritt hatte. Jetzt konnte jeder, der schon einmal ihre köstlichen Desserts und Kuchen probiert oder von ihnen gehört hatte, sie mit einem Mausklick bestellen und sich ins Haus liefern lassen.

Sogar das Just Desserts-Magazin war auf sie aufmerksam geworden und hatte einen Artikel über ihre Bäckerei gebracht, in der ihr Schokoladenkuchen und ihre mit Erdbeeren gefüllten Vanille-Cupcakes gelobt wurden. Doch sosehr Debbie sich auch über die Anerkennung freute, konnte sie sich doch nicht ganz des Gefühls erwehren, eine Betrügerin zu sein. Schließlich waren das alles Rezepte ihrer Mutter, und Bonnie sollte diejenige sein, die sich in der Anerkennung baden sollte.

Aber der Artikel, zusammen mit dem wachsenden Geschäftsvolumen, hatte Debbie veranlasst, ihr Personal aufzustocken. In den letzten Jahren hatte sie immer mal wieder hiesige Teenager eingestellt, um an der Kasse zu arbeiten. Aber Kayla Walker, eine junge Mutter, die mit ihrem Partner und ihrem Baby nach Clearville gezogen war, nachdem sie das Haus des verstorbenen Großvaters geerbt hatte, war die erste Angestellte, der Debbie das Backen beibrachte.

Dank Kayla hatte Debbie nun die Möglichkeit, ihr Angebot zu erweitern. Sie bot nun neben den bewährten Keksen und Kuchen ihrer Mutter auch eigene Produkte an. Vor allem hatte sie auch wundervolle Hochzeitstorten mit in ihr Programm aufgenommen.

Mit der Braut und dem Bräutigam den perfekten Geschmack und die Kombination der Füllungen herauszufinden, war eine Herausforderung, die sie liebte. Und dann kam das Dekorieren, das Kreativität und Fingerfertigkeit erforderte – vom Zuckerguss oder Marzipanüberzug bis hin zum Dekor … Sie liebte jede Kleinigkeit dieser viele Schritte umfassenden Arbeit.

Und obwohl sie mit Liebe und Romantik nicht viel am Hut hatte, glaubte sie doch, dass andere Paare glücklich werden konnten. Ihre Freundinnen waren ein lebendiger Beweis, dass wahre Liebe existierte.

Zum ersten Mal seit ungefähr zehn Jahren hatte sie Zeit. Zeit, um nachzudenken, um durchzuatmen, um ihre Schürze aufzuhängen und etwas Spaß zu haben. Und wenn der Tod ihrer Mutter sie eines gelehrt hatte, so war es das, dass das Leben kurz war, und Debbie war fest entschlossen, das Beste aus ihrem zu machen.

„Vielleicht will ich mich deshalb noch nicht fest binden“, gestand sie schließlich. „Ich war immer zu ernst, weil ich in den Jahren, die meine besten hätten sein sollen, zu viel Verantwortung getragen habe. Alles in meinem Leben hat sich ausschließlich um Arbeit gedreht. Ich weiß, dass ihr drei die Männer eurer Träume gefunden habt, und ich bin glücklich für euch, aber das ist nicht das, wonach ich suche.“

„Debbie will einen aufregenden Mann“, meinte Sophia mit einem Wink ihrer Hand.

„Einen geheimnisvollen“, fügte Darcy hinzu.

„Sie braucht einen großen, dunkelhaarigen, attraktiven Mann“, endete Kara.

Obwohl Debbie sich ein wenig lächerlich vorkam, ihren Freundinnen von ihren Träumen erzählt zu haben, hob sie das Glas. „Darauf trinke ich definitiv.“

Sie trank den Rest ihrer Margarita aus und musste sich eingestehen, dass ein aufregender, geheimnisvoller Mann nur die Hälfte ihres Wunsches war. Einen Mann zu finden, der sie auch als aufregend und geheimnisvoll empfand … das wäre wirklich ein wahr gewordener Traum.

Drew Pirelli war kein Mann, der gerne andere belauschte. Da er sein ganzes Leben in Clearville verbracht hatte, war er vertraut mit den Gerüchten und dem Klatsch einer Kleinstadt. Er zog es vor, sich um seine eigenen Angelegenheiten zu kümmern, mit der fast vergeblichen Hoffnung, andere würden das Gleiche tun. Er war auch nicht der Typ, der seine Schwester oder seine zukünftigen Schwägerinnen ausspionierte.

Wenn er gewusst hätte, dass Darcy heute hier ihren Junggesellinnenabschied feierte, wäre er ganz bestimmt nicht hierhergekommen. Aber seit einiger Zeit war er nicht mehr unterrichtet, was in der Familie so ablief. Eine Tatsache, die seine Eltern mehr als einmal bemängelt hatten. Seine erfolgreiche Baufirma hielt ihn ganz schön auf Trab, aber das war nur ein Teil des Grundes, warum er die Familientreffen in letzter Zeit mied.

Woher kommt es, dass ich der letzte Single unter den Pirelli-Geschwistern bin? fragte er sich.

Seit er in das Programm seiner Baufirma auch maßgefertigte Einfamilienhäuser aufgenommen hatte, begann Drew jedes einzelne Projekt mit Gedanken an seine eigene zukünftige Familie. Er stellte sich vor, wie sich seine Frau und die anderen Familienmitglieder in der Küche einfanden. Wie seine Kinder im großzügigen Wohnbereich fernsahen oder spielten. Wie seine Frau ihn abends in der elterlichen Schlafzimmer-Suite im Bett willkommen hieß.

Doch am Ende eines jeden Bauvorhabens übergab er die Schlüssel einem anderen Mann, der mit seiner Frau und seinen Kindern in dem Haus leben würde, das Drew mit seinem Herzblut gebaut hatte. Die nagende Unzufriedenheit, die entstanden war, weil er mit jedem Haus ein Stück von sich selbst weggab, hatte ihn davon überzeugt, dass er ein eigenes Haus bauen musste. Er hatte sich auch schon ein Grundstück gekauft und damit begonnen, aber das hatte neue Frustration hervorgerufen. Die Aufmerksamkeit, die er auf Details richtete, die Liebe, die er in jedes Haus steckte, hatte Drews Reputation wachsen und ihn zu einem der meistgesuchten Bauherren Nordkaliforniens werden lassen. Deswegen fand er nur wenig Zeit, an seinem eigenen Projekt zu arbeiten.

Das hatte natürlich vor allem positive Seiten. Seine Firma war so solide wie die Häuser, die er baute. Doch irgendwie schien er im persönlichen Bereich nicht richtig Fuß fassen zu können. Das war der Hauptgrund, warum er auf Abstand zu seiner Familie gegangen war. Er war es leid, das fünfte Rad, verflixt, sogar das neunte Rad am Wagen zu sein – je nachdem, wie viele Familienmitglieder zu den Treffen erschienen.

Und deswegen war er nicht über Darcys Junggesellinnenabschied unterrichtet gewesen.

Als er die Frauenstimmen erkannte, die von der anderen Seite der halben Trennwand kamen, die die Reihe der Tische unterteilte, war er bereits an den Rand der gepolsterten Bank gerutscht, um das Restaurant unbemerkt zu verlassen. Obwohl er kein Experte in Junggesellinnenabschieden war, wusste er doch, dass Männer bei diesem Anlass nicht zugelassen waren.

Doch bevor er aufstehen konnte, hielten ihn die Worte, die er auf der anderen Seite der Trennwand hörte, zurück.

„Ich hätte nichts gegen … nun ja, gegen eine heiße Affäre. Ein attraktiver Fremder wäre im Moment das Richtige. Ein großer, dunkelhaariger Mann, der geheimnisvoll und aufregend ist und mir den Boden unter den Füßen wegreißt. Jemand, der mich überrascht und mich auf Trab hält.“

Es waren jedoch nicht die Worte, die ihn so umhauten, sondern der Schock über das plötzlich auftauchende Verlangen, als er die Stimme erkannte.

Drew kannte Debbie Mattson bereits sein ganzes Leben lang. Seine früheste Erinnerung an sie war in der Bäckerei gewesen. Sie hatte auf Zehenspitzen über den Tresen ihrer Mutter geschaut und jeden, der durch die Tür kam, mit ihren großen blauen Augen und einem Lächeln angestrahlt. Sie war das typische Mädchen von nebenan gewesen. Süß, freundlich, nett. Sie war die Freundin seiner Schwester seit ihrer Kindheit, aber ihre Worte wiesen ihn auf die Wahrheit hin, die er seit einigen Monaten verleugnen wollte.

Debbie war kein Kind mehr.

Seine Knöchel wurden weiß, als seine Hand die kühle Glasflasche noch fester umklammerte. Er konnte sich nicht daran erinnern, dass er je so hart kämpfen musste, um nicht seinem ersten Impuls zu folgen. Ein Impuls, der völlig irrational war. Das sagte ihm wenigstens seine Logik. Wenn er jetzt seinen Mund öffnete und etwas Idiotisches über nette Mädchen sagen würde, die brav zu Hause blieben, um auf den richtigen Mann zu warten, würde Debbie ihm wahrscheinlich über den Mund fahren, und genau das hätte er verdient.

Debbie war jetzt eine erwachsene Frau. Eine wunderschöne Frau, erinnerte er sich, als er an Sophias Hochzeit vor ein paar Monaten dachte.

Die Hochzeit war im kleinen Rahmen im Garten ihrer Eltern gefeiert worden. Da sie bereits im vierten Monat schwanger war, hatte seine Schwester keine große Feier gewünscht. Hinzu kam, dass sie sich noch etwas unsicher in ihrer Heimatstadt fühlte, die sie vor fünf Jahren wegen eines Einbruchs und Vandalismus im Hope Chest, dem hiesigen Antiquitätenladen, verlassen hatte. Obwohl Sophia keine Schuld an dem Vorfall trug, hatte sie die Verantwortung dafür übernommen. Schuldgefühle hatten sie mehrere Jahre von zu Hause ferngehalten, bis die Silberhochzeit ihrer Eltern sie wieder zurückgebracht hatte. Ebenso ihren früheren Freund, Jake Cameron, der sie nie vergessen hatte.

Wie der Rest der Familie war Drew sehr froh, dass seine Schwester sich in einen Mann verliebt hatte, der sie wirklich liebte. Am Tag ihrer Hochzeit hatte Sophia in ihrem weißen langen Kleid und den zartpinkfarbenen Rosen in ihrem Haar wunderschön ausgesehen. Ihr frischgebackener Ehemann hatte kaum den Blick von ihr wenden können.

Aber es war Debbie, Sophias Brautjungfer, die Drews Aufmerksamkeit auf sich zog. Das lange zartpinke Kleid betonte ihre aufregenden Kurven und ließ die zarte, helle Haut ihrer Schultern und Arme frei. Ihr blondes Haar fiel in Locken auf ihre Schultern, und ihre blauen Augen glitzerten im Sonnenlicht, das zwischen den Bäumen auf das satte Grün des Rasens fiel.

Er erinnerte sich noch gut, wie sie auf ihn zukam.

„Du solltest wissen, dass ich auf dich gesetzt habe, Drew.“

„Wie bitte?“

„Wir haben gewettet, ob du oder Sam bis zum Herbst den Singlestatus aufgibt“, meinte Debbie. Sam war sein jüngerer, noch ungebundener Bruder.

„Ist das dein Ernst? Man macht deswegen Wetten?“

„Das kannst du mir glauben“, erwiderte sie. „Und mein Geld habe ich auf dich gesetzt. Sam ist nicht der Typ, der heiratet und eine Familie gründet, während du dafür geeigneter bist als jeder andere Mann, den ich getroffen habe.“

„Entschuldige, Debbie. War das jetzt eine Beleidigung oder ein Kompliment?“

Sie legte den Kopf zurück und lachte schallend. „Oh, das war ein Kompliment. Glaub mir, wenn ich dich beleidigen wollte, würdest du es merken.“

„Du findest also, dass ich ein langweiliger, gesetzter Mann bin?“, fragte er und fiel in die neckende, brüderliche Haltung zurück, die lange ihre Beziehung geprägt hatte.

„Du bist ein bodenständiger, fest verwurzelter Mann, der aber immer noch beide Beine bewegen kann.“

Früher hatten ihn Debbies herausfordernden Bemerkungen nicht gestört. Nicht sehr auf jeden Fall. Doch diesmal traf sie ihn tief in seinem Inneren, und obwohl er sich über ihre Beurteilung ärgerte, schlug sie doch eine Saite in ihm an, die viel zu lange geschwiegen hatte.

Aber Debbie war nicht die Frau, die diese Saiten anschlagen sollte. Sie war eine Freundin, eine sehr gute Freundin, und an sie als begehrenswerte Frau zu denken, schien ihm falsch zu sein. Für Drew war Dating immer mit Spiel verbunden, ein Kampf der Geschlechter, auf den er sich bis zu einem gewissen Level einließ. Ihm gefielen Frauen, die weltgewandt und erfahren waren und nicht der Typ Frau, der man leicht das Herz brechen konnte. Er mied Frauen wie Debbie, die – trotz ihrer Aussagen, die sie drüben bei ihren Freundinnen machte – ein zartes, unschuldiges Wesen hatte, das sie hinter einem schlagfertigen Mundwerk und einem selbstbewussten Lächeln verbarg.

Das Schlimme war nur, dass er sie mochte. Sehr sogar. Vielleicht sogar zu sehr, um sie einladen zu können und damit zu riskieren, dass Debbie verletzt würde. Aber verletzt würde sie auch, wenn sie ernsthaft nach einem geheimnisvollen Fremden suchte.

Nach den Geräuschen zu schließen, die aus der Nische hinter der Trennwand kamen, machten sich die Frauen zum Aufbruch bereit. Drew stellte sein Bier ab und erhob sich halb, um hinter die Wand zu Debbie zu gehen und … Und was? Sollte er ihr sagen, dass sie sich nicht auf die Suche nach dem Abenteuer begeben sollte, von dem sie gesprochen hatte?

Sie war jung, bildhübsch und Single. Nach den vielen Jahren, in denen sie sich um ihre Mutter gekümmert hatte und die Bäckerei führte, hatte sie jedes Recht, sich zu holen, was sie wollte. Jeder Mann würde nur zu gern die Chance nutzen, Debbie die Sehnsucht zu erfüllen, die man aus ihrer Stimme heraushörte.

Oder vielmehr jeder andere Mann, denn Drew dachte nicht so über Debbie.

Oder etwa doch?

„Bist du sicher, dass wir dich nicht mitnehmen sollen?“, fragte Sophia, als die vier Frauen auf die stille Straße hinaustraten. Aus offensichtlichem Grund war sie die Fahrerin und dafür verantwortlich, dass die anderen sicher nach Hause kamen.

„Ich wohne doch nur fünf Minuten entfernt.“ Debbie hatte ihr ganzes Leben in der kleinen Wohnung über der Bäckerei verbracht. Als Teenager hatte sie sich sehnlichst mehr Raum gewünscht, aber nachdem ihre Mutter gestorben war, genügte ihr die Dreizimmerwohnung. Manchmal erschien selbst sie ihr noch viel zu groß, weil das Alleinsein sie bedrückte. „Die Nachtluft wird mir helfen, einen klaren Kopf zu bekommen.“

Debbie kannte ihre Grenzen und hatte nach der zweiten Margarita aufgehört zu trinken. Die erste hatte ihre Zunge mehr gelockert, als sie es sich gewünscht hatte. Sie konnte nur hoffen, dass die Drinks, die die anderen Frauen zu sich genommen hatten, sie die dummen Dinge vergessen ließen, die sie von sich gegeben hatte.

„Also gut. Aber wenn du unterwegs attraktiven Fremden begegnest, dann tue nichts, was ich nicht auch tun würde.“

Bei ihrer besten Freundin, die aufgrund ihrer anderen Umstände völlig nüchtern war, hatte sie wohl kein Glück damit. „Kannst du bitte vergessen, was ich gesagt habe?“

Sophia lächelte so schelmisch, dass Debbie daran erinnert wurde, wie sie sich als Kinder aus Neugierde stets in Schwierigkeiten gebracht hatten. „Keine Chance.“

Mit einem tiefen Seufzer sah Debbie zu der zukünftigen Braut hinüber. „Schlaf gut, Darcy, und denke daran, das nächste Mal, wenn wir uns sehen, bist du nur wenige Stunden davon entfernt, Mrs. Nick Pirelli zu werden.“

Das strahlende Lächeln der Rothaarigen hätte den ganzen Himmel erleuchten können. „Ich kann es kaum erwarten.“

Debbie winkte ihren Freundinnen noch einmal zu und lief dann die ruhige Straße hinunter auf die Bäckerei zu. Die Nacht war kühl. Der Herbst lag bereits in der Luft. Man sah schon einige Halloween-Dekorationen in den dunklen Fenstern, die Debbie daran erinnerten, dass das Fest nur noch einen Monat entfernt war.

Sie war sich nicht sicher, wann sie zuerst die Schritte hinter sich wahrnahm. Da die Bar erst einige Häuser hinter ihr lag, wäre es nicht ungewöhnlich, wenn noch ein anderer nach ein paar Bier ein wenig frische Luft schnappen wollte. Doch die späte Stunde und die einsam daliegenden Geschäfte genügten, damit sie ihren Schritt beschleunigte. An den meisten Abenden wäre sie um die Bäckerei herum zu der Treppe gegangen, die direkt in ihr Apartment führte. Aber heute Nacht erschien es ihr sicherer, durch die Bäckerei zu gehen, in der die Nachtbeleuchtung angeschaltet war.

Zwei Häuser von ihrem Geschäft entfernt griff sie in ihre übergroße Handtasche und suchte nach den Schlüsseln. Warum konnte sie nicht zu jenen Frauen gehören, die Handtaschen so groß wie Handys liebten? Hinzu kam, dass sie diesen großen Lederbeutel bis zum Reißverschluss mit Dingen vollgestopft hatte, die sie zu brauchen glaubte. Sie fluchte leise, als sie schließlich die Schlüssel mit dem Emailleanhänger in Form eines Cupcakes fand, den Sophia ihr geschenkt hatte.

Ihr Herz setzte einen Moment aus, als sie ein Geräusch hinter sich hörte …

„Debbie! Warte!“

Sie schaute über die Schulter, als sie die vertraute Stimme hörte. „Drew? Was machst du hier?“, fragte sie, als er auf sie zukam. Ihr Herz raste immer noch, als sie ihm leicht gegen den Arm schlug. Sein Bizeps fühlte sich steinhart unter ihrer Hand an, und Drew zuckte noch nicht einmal zusammen. „Ich habe vor Schreck fast einen Herzanfall bekommen!“

Im schwachen Licht des Schaufensters sah sie, wie er die Stirn runzelte. „Ich habe drei Mal deinen Namen gerufen.“

Hatte er das? „Oh, das tut mir leid. Ich war wohl so in Gedanken, dass ich gar nicht darauf geachtet habe.“

„Das ist das Problem. Du solltest aufmerksam sein, wenn du so spät am Abend allein nach Hause gehst.“

Sie schluckte einen Seufzer hinunter und blendete den Rest seiner Worte aus. Da Sophia jetzt heiratete und einen Mann hatte, der auf sie aufpasste, hatte Drew wohl beschlossen, bei ihr den großen Bruder zu spielen.

Debbie hatte lange gedacht, dass Sophias mittlerer Bruder der bestaussehende von den drei attraktiven Brüdern war. Sie hatte sogar für ihn geschwärmt, als sie noch ein halbes Kind und zum ersten Mal mit romantischen Gefühlen konfrontiert worden war. Oder mit den einschießenden Hormonen, dachte sie und fühlte sich etwas unbehaglich, als sie an das schüchterne, leicht errötende Mädchen dachte, das sie einst gewesen war. Doch das war lange her. Sie war über ihn hinweggekommen.

Trotzdem regten sich einige der lange vergrabenen Gefühle, als sie ihn im Mondlicht betrachtete. Obwohl er ganz alltägliche Kleidung trug – ein graues Shirt, verwaschene Jeans und eine Denim-Jacke –, hatte Drew etwas an sich, das ihn aus der Masse hervorhob. Es war mehr als nur sein Aussehen – obwohl er unglaublich attraktiv war. Eigentlich war es total unfair, dass ein Mann so unverschämt gut aussah.

Wie viele Male hatte sie davon geträumt, mit den Händen durch sein dunkles, welliges Haar zu fahren? Wie oft hatte sie sich vorgestellt, dass seine braunen Augen sich vor Leidenschaft verdunkelten, in den Sekunden, bevor er sie küsste? Wie oft hatte sie sich gefragt, wie es sich anfühlen würde, wenn er seinen Körper gegen ihren presste?

Wie viele Stunden hast du verschwendet? ermahnte sie eine innere Stimme. Schließlich würde Drew nie so an sie denken.

Debbie schob rasch die alten Erinnerungen zur Seite und schnitt den Rest seiner Belehrungen ab. „Danke, ich kann auf mich selbst aufpassen. Ich bin jetzt erwachsen.“

War es nur Einbildung, oder glitt sein Blick bei ihren Worten kurz über ihren Körper? Sie hatte nicht viele Gelegenheiten, sich zu stylen, aber der Junggesellinnenabschied hatte ihr die Möglichkeit geboten, ihre neue cremefarbene Hose und das goldene Shirt anzuziehen, das ihre Kurven betonte und ziemlich viel Dekolleté zeigte. Bevor sie die Bar verließ, hatte sie ihren Lederblazer übergezogen, aber da er tailliert und nur mit einem Knopf zu verschließen war, unterstrich er eher ihre Figur, als dass er sie verbarg.

Nicht dass Drew es bemerkte. Ihr Herz setzte einen Moment aus. Oder tat er es doch?

„Noch mehr ein Grund, um vorsichtig zu sein“, warnte er sie mit einer Stimme, die noch rauer als zuvor klang. „Eine Frau wie du …“

„Eine Frau wie ich?“

„Eine schöne Frau wie du sollte vorsichtig sein. Da draußen gibt es Kerle, die deine Unaufmerksamkeit ausnützen könnten.“

Debbies Gedanken drehten sich um seine ersten Worte. Drew fand, dass sie schön war? Und er sagte es ihr auch noch? Als er sie den Rest des Weges nach Hause begleitete, musste sie daran denken, wie es wäre, wenn Drew zu jenen Männern gehören würde, die nach einem Date einen Kuss einforderten, oder vielleicht sogar mehr?

Ihr wurde auf einmal heiß, und sie dankte dem Mondlicht, dass es die Reaktion auf ihre Gedanken verbarg. Denn natürlich war sie nicht sein Date.

„Das hier ist Clearville, Drew“, erinnerte sie ihn rasch, als sie die Bäckerei erreicht hatten. „Ich kenne fast alle Männer hier.“

Seine Kiefermuskeln spannten sich an, als ob er etwas sagen wollte, es aber zurückhielt. Und obwohl sie vorgab, alles über die Männer von Clearville zu wissen, glitzerten seine Augen in einer Art und Weise, die für sie vollkommen neu war.

„Vielleicht“, meinte er, als er nach ihren Schlüsseln griff. „Aber man weiß nie, was passieren kann … sogar in einer kleinen Stadt wie dieser.“

Seine Hand legte sich auf ihre, und Debbie stockte der Atem. Er streichelte mit dem Daumen ihre Hand, und ihr lief ein Schauer über den Rücken. Sicherlich hatte er das nicht beabsichtigt. Er warnte sie nur, nicht wahr? Er versuchte, ihr Angst zu machen, damit sie vorsichtiger war … das war kein Flirten, oder? Ihr Herz klopfte laut, und ihr Mund war auf einmal so trocken, dass sie kaum schlucken konnte.

Drew sah, wie sie sich mit der Zunge über die Lippen fuhr, und wandte sich rasch ab, um den Schlüssel im Schloss umzudrehen. Dann stieß er die Tür auf und trat zurück. „Gute Nacht, Debbie. Süße Träume.“

Seine Abschiedsworte beschäftigten sie noch, als sie die Stufen zu ihrem Apartment hochging und schließlich die Tür hinter sich schloss. Süße Träume? Ihre Hand prickelte immer noch von seiner Berührung, und Debbie wusste, dass Drew gerade dafür gesorgt hatte, dass er eine Hauptrolle in ihren Träumen spielen würde.

2. KAPITEL

„Sind die beiden nicht ein Traumpaar?“

Debbie nahm den Blick von dem Paar, das soeben geheiratet hatte, um in Vanessa Pirellis lächelndes Gesicht zu schauen. Nick und Darcy sollten jetzt für den Fotografen neben der dreistufigen Hochzeitstorte stehen, aber soweit Debbie es sehen konnte, waren die beiden vollkommen in ihrer eigenen Welt versunken. Die Liebe zwischen ihnen leuchtete so hell wie der antike Kristallleuchter über ihnen.

Die Braut und der Bräutigam hatten Freunde und Familienmitglieder ins Hillcrest House für den Empfang eingeladen. Das weitläufige viktorianische Haus mit seinen Türmchen und Giebeln befand sich auf einer Anhöhe, von der man einen wunderbaren Blick über den Ozean hatte. Die beiden oberen Stockwerke waren zu Hotelzimmern umgebaut worden, während sich im Erdgeschoss ein erstklassiges Restaurant befand. Der Ballsaal wurde auch nach 125 Jahren noch benutzt und war fast unverändert geblieben. Mit seinen eleganten Mahagonitäfelungen und den kunstvollen Stuckverzierungen an Decken und Wänden war es der perfekte Ort für eine romantische Hochzeitsfeier.

Debbie nickte der älteren Frau zu. „Ja, das sind sie“, stimmte sie ihr bei. „Das ist eine wunderschöne Hochzeit.“

„Mhm. Es ist immer schön, junge Leute so verliebt zu sehen. Nick und Darcy, Sophia und Jake, Sam und Kara …“ Der Blick der Brautmutter wurde spekulativ. „Und du und Drew, ihr seid alle wirklich gut aussehende Paare.“

Debbie hätte das kommen sehen müssen. Das war die zweite Hochzeit, die Drew und sie zusammen besuchten. Was auch Sinn ergab, schließlich waren sie beide Singles. Was keinen Sinn machte, war die Röte, die sich unter dem Blick von Drews Mutter auf ihren Wangen ausbreitete. Sie schüttelte den Kopf.

„Mrs. Pirelli …“

„Wie oft habe ich dich gebeten, mich zu duzen? Du gehörst doch praktisch zur Familie.“

„Da hast du recht, Vanessa. All deine Söhne waren immer wie Brüder zu mir. Aber es hat noch nicht einmal einen Flirt zwischen ihnen und mir gegeben. Drew eingeschlossen.“

Noch nicht einmal am Abend von Darcys Junggesellinnenabschied.

In den letzten Tagen hatte Debby sich davon überzeugen wollen, dass das, was im sanften Schein ihrer Schaufenster geschah, nur Einbildung gewesen war. Drew hatte sich wie immer rein freundschaftlich um sie gekümmert, und seine Worte waren nur eine brüderliche Warnung ohne jede sinnliche Färbung gewesen.

Mit dieser Überzeugung war es ihr möglich, ihm wieder unvoreingenommen gegenüberzutreten. Sie war seinem Blick mit einem offenen Lächeln begegnet und hatte sich gelassen bei ihm eingehakt, um mit ihm hinter dem Brautpaar den Gang entlangzuschreiten. Sie hatte die Stärke seiner Muskeln ebenso wenig bemerkt wie den Schauer, der sie durchfuhr, als seine starke Schulter ihre streifte. Und ganz bestimmt warf sie ihm keine Blicke aus den Augenwinkeln zu, um zu schauen, ob er sie hin und wieder verstohlen ansah.

Doch das tat er nicht, und deshalb war es so, wie es war.

Vanessa seufzte. „Du kannst einer Mutter nicht vorwerfen, dass sie versucht, die richtige Frau für ihren Sohn zu finden. Schließlich bist du eine schöne, starke, selbstbewusste Frau.“

Obwohl die schlanke, sportliche Brünette mit den glitzernden grünen Augen keine Ähnlichkeit mit Debbies vollschlanker, blonder und blauäugiger Mutter hatte, umgaben die Wärme und Herzlichkeit ihrer Worte Debbie doch wie die liebevollen Umarmungen ihrer Mutter. „Danke, Vanessa. Dass du das sagst, bedeutet mir viel.“

„Und wenn ich es erwähnen darf, mein Sohn wäre auch kein schlechter Fang.“

Debbie lachte und konnte dem nur zustimmen, und nicht nur, weil sie mit Drews Mutter sprach. „Du hast absolut recht. Drew ist ein guter Mann. Einer der besten, was ihn zu einem wunderbaren Freund macht.“

Aber er wäre nie ein Mann für sie. Drew war so bodenständig und solide wie die Häuser, die er baute. Er war so gar nicht der Typ, der sich Hals über Kopf in ein Abenteuer stürzte. Schlimmer noch, dachte Debbie, er kennt mich bereits sein ganzes Leben lang. Er erinnert sich wahrscheinlich an jede Modesünde, an jeden Tag, an dem ihre Haare furchtbar ausgesehen hatten, und an jedes Extrapfund, das ihr in der Vergangenheit so viel Kummer bereitet hatte. Sie wollte einen Mann, der sie anschaute und sie so sah, wie sie jetzt war – eine attraktive, selbstbewusste Frau, die Vanessa beschrieben hatte, und nicht das pummelige, schüchterne Mädchen, das sie einst gewesen war.

Debbie schaute über die Schulter zu Drew hinüber. Sie wusste, wo er stand, auch wenn sie vorgab, es nicht zu wissen. Ihr Atem stockte, als ihre Blicke sich trafen und er den Kontakt für einen Moment hielt. Er sah sie nicht an, als wären sie schon seit ewigen Zeiten befreundet. Wenn sie es nicht besser wüsste, dann …

Plötzlich breitete sich in ihrem Bauch eine sinnliche Wärme aus. Wenn sie es nicht besser wüsste, hätte sie geglaubt, dass er sie ansah wie ein Mann, der auf Diät war und ihre mit Zucker glasierten Zimtschnecken anstarrte – als ob er sie vernaschen und nicht aufhören wollte, bis sie beide zufrieden wären. Aber das war doch verrückt, oder?

Schließlich war das Drew. Der stets gelassene Drew Pirelli, der die Dinge immer gründlich durchdachte. Er war nicht der Typ Mann, der gierig Desserts verschlang. Eher der Typ, der ein Essen genießen konnte, die Dinge langsam anging und …

Das hilft jetzt auch nicht gerade, dachte Debbie, als sie sich von seinem Blick losriss.

„Nun, es kommt nicht selten vor, dass sich aus einer Freundschaft heraus mehr entwickelt“, bemerkte Vanessa. „Wer weiß, was passiert, wenn du dein Herz offenhältst.“

Das Echo von Drews Worten am Abend von Darcys Junggesellinnenabschied holte Debbie aus ihrer Trance heraus. Nachdem sie Vanessa gebeten hatte, sie zu entschuldigen, nahm sie sich auf dem Weg durch den Saal ein Glas Champagner von einem Tablett eines vorbeigehenden Kellners. Wenn sie sich entschied, eine heiße Affäre zu haben – was im Moment noch graue Theorie war –, dann hatte sie einen bestimmten Typ Mann im Kopf. Und dazu gehörte ganz bestimmt nicht Drew Pirelli.

Drew war der Typ Mann, dem eine Frau sich aus ganzem Herzen und für das ganze Leben hingab. Sie war noch nicht bereit dazu. Allein der Gedanke rief Panik in ihr hervor. Sie war aber bereit, endlich einmal Spaß zu haben. Es spielte deshalb keine Rolle, was für ein großartiger Mann Drew war, und er war der beste, den sie kannte. Er war nun einmal ein Freund. Und je schneller sie sich wieder auf der freundschaftlichen Ebene begegneten, umso sicherer war es für sie.

Und wie passt dieses Sicherheitsdenken zu einer Frau, die eine heiße Affäre haben will?

Debbie ignorierte die spöttische Stimme in ihrem Inneren und lächelte, als sie Drew erreicht hatte. Es war das Lächeln, das sie Bonnie geschenkt hatte, um ihr zu beweisen, dass sie alles im Griff hatte und ihre Mutter sich nur um ihre Gesundung kümmern konnte. Es war das Lächeln, das sie aufgesetzt hatte, wenn Nachbarn und Freunde sich nach dem Zustand ihrer Mutter erkundigt hatten und sich später nach dem Tod ihrer Mutter nach ihrem Befinden erkundigten und ihr Hilfe anboten.

Mir geht es gut! Danke der Nachfrage.

Dieses Lächeln hatte sie durch härtere Zeiten gebracht als durch dieses plötzliche Aufbrechen alter Gefühle.

Sie wies mit dem Champagnerglas auf ihn. „Ich habe mit dir noch ein Hühnchen zu rupfen“, sagte sie, bevor er noch die Chance hatte, den Mund aufzumachen! Ihr Lächeln war etwas weniger gezwungen, als sie in die Offensive ging. Der neckische, herausfordernde Ton war genau das Richtige für ihre Beziehung. Er war so angenehm und vertraut wie Drew selbst, und nur die luxuriöse Umgebung hinderte sie daran, ihm einen leichtherzigen Schlag auf die Schulter zu verpassen. „Du hast mich fünfzig Dollar gekostet.“

Er hob die Augenbrauen und reagierte auf ihren spöttischen Vorwurf mit einem Lächeln. Aber war da nicht noch etwas anderes? Etwas anderes als seine übliche gönnerhafte Art? Er wartete, bis sie neben ihm stand. Sein Atem schlug gegen die nackte Haut ihres Halses, als er sich vorbeugte. „Wie konnte das geschehen?“

Debbie spürte, wie ein prickelnder Schauer sie durchfuhr. „Die Wette, erinnerst du dich? Ich war mir sicher, dass du der nächste Pirelli wärst, der zum Traualtar schreitet, doch Sam ist bereits verlobt. Wie verflixt noch mal ist das passiert?“

Er runzelte die Stirn, als ob er ernsthaft über ihre Worte nachdenken würde. „Vielleicht kennst du mich ja doch nicht so gut, wie du denkst.“

Seine dunkelbraunen Augen forderten sie heraus, und Debbies Zuversicht kam ins Wanken. Sie schluckte. „Es ist wohl eher so, dass ich Sam nicht gut genug kenne. Schließlich ist er derjenige, der verlobt ist, obwohl ich das nie vermutet hätte.“

„Und ich bin derjenige, der immer noch Single ist. Vielleicht bin ich doch nicht so berechenbar und langweilig, wie du denkst.“

Debbie wusste, dass sie gehen sollte. Irgendetwas hatte sich verändert. Aber machte sie sich nicht lächerlich? Sie kannte ihn gut genug, um zu wissen, dass er mit ihr spielte, sie nur herausfordern wollte. So wie immer eben. Sie war diejenige, die überreagierte, weil sie sich von ihren Fantasien beeinflussen ließ. Sie war diejenige, der verrückte Gedanken im Kopf herumspukten, und es lag deshalb an ihr, die Dinge wieder an den Platz zu rücken, an den sie gehörten.

„Nun komm schon, Drew. Erzähl mir nicht, dass du dir keine Frau und Kinder wünschst.“ Für einen kurzen Moment flackerte etwas in seinen Augen auf, und Debbie fühlte sich bestärkt. „Sag mir, dass du das nicht willst.“

Er schaute zu dem glücklichen Paar hinüber, das immer noch mit sich selbst beschäftigt war und sich verliebt in die Augen schaute. „Klar will ich das“, gab er zu. „Eines Tages. Aber im Moment will ich etwas anderes.“

Ihr wurde erst klar, was Drew meinte, als er ihr das Champagnerglas aus der Hand nahm, es auf den nächsten Tisch stellte und sie auf die Tanzfläche zog. Ihre Hand schien sich von allein auf seine Schulter zu legen, und sie fand sich schnell in den Rhythmus des langsamen, romantischen Songs ein. Es war nicht das erste Mal, dass sie und Drew zusammen tanzten, und als er sie näher an sich heranzog, nahm sie den Duft seines Eau de Toilette wahr. Der Duft mit der würzigen Zedernholznote war der gleiche seit Jahren. Sie kannte Drew. Er war ihr so angenehm und vertraut wie der Duft seines Eau de Toilette.

Nur, dass die Gänsehaut, die sie bekam, als ihre Brüste beim Tanzen leicht Drews Smoking und sein blütenweißes Hemd streiften, so gar nichts Vertrautes hatte. Seine Augen wurden dunkler, entweder als Resultat der intimen Berührung oder als Reaktion auf ihre eigene. Debbie wusste es nicht, aber sie konnte die Leidenschaft in seinem Blick nicht leugnen.

Das unerwartete und unerwünschte Verlangen führte Debbie zurück in ihre Teenagerzeit und zu der schwärmerischen Verliebtheit für Drew, der sie damals so hilflos ausgesetzt gewesen war. Ihre starken Gefühle waren in jener Zeit von der bitteren Erkenntnis getrübt gewesen, dass sie immer nur die Freundin seiner Schwester für ihn bleiben würde. Allerdings hatte es einen kleinen Teil in ihr gegeben, der selbst in den aussichtslosesten Situationen nie die Hoffnung aufgab, der sich danach sehnte zu glauben, dass er doch mehr in ihr sah als nur das Mädchen von nebenan.

Die Erinnerung an eine Zeit, die jetzt zehn Jahre zurücklag, stieg in ihr auf. Sie stand hinter dem Tresen der Bäckerei und sah Drew durch das Schaufenster auf den Laden zukommen. Er war auf dem College gewesen, doch ihr Herz hatte den gleichen vertrauten Satz gemacht, als ob sie ihn nur einen Tag lang nicht gesehen hatte. Er lächelte, als er die Bäckerei betrat, und die Wärme, die in seinem Blick gelegen hatte, durchflutete sie.

Sie hatte sich eine neue Frisur zugelegt, seit sie ihn das letzte Mal gesehen hatte, und überflüssige Pfunde abgenommen. War dies der Tag, an dem Drew sie endlich so sehen würde, wie sie wirklich war? Erregung durchströmte sie, bis sie die schlanke, langbeinige Brünette an seiner Seite bemerkte.

Debbie hielt ihr Lächeln tapfer in Schach, während er sie als seine Freundin vorstellte, die er auf dem College kennengelernt hatte. Es gelang ihr, ein paar unverfängliche Fragen zu stellen und freundliches Interesse zu zeigen, bis sich das Paar wieder verabschiedete. Als die beiden aus dem Laden liefen, hörte Debbie, wie die junge Frau Drew fragte, ob sie eine seiner Exfreundinnen wäre.

Nein, das ist nur Debbie.

Sie konnte immer noch den Schmerz ihres gebrochenen Herzens spüren, als ihre Träume, Drews Freundin zu werden, in diesem Moment wie Seifenblasen zerplatzten. Träume, die diese Brünette hatte leben dürfen. Doch sie hatte daraus gelernt und sich gezwungen, über diese sinnlose Verliebtheit hinwegzukommen. Sie wollte auf keinen Fall „nur Debbie“ sein und weigerte sich, sich weiterhin der vergeblichen Hoffnung hinzugeben, dass Drew sie einmal anders sehen könnte.

Sie hob das Kinn und schaute ihn an. „Wenn hier das Hochzeitsvirus ausgebrochen ist, so solltest du wissen, dass ich immun dagegen bin.“

„Hochzeitsvirus?“

„Du weißt schon“, erwiderte sie. „Das kann man sich mit zu viel Kontakt mit verliebten Bräuten und Bräutigamen einfangen.“

„Ich glaube nicht, dass ich mir etwas eingefangen habe, dafür fühle ich mich viel zu gut.“

Debbie stolperte leicht bei seinen Worten, und Drew zog sie noch näher an sich heran. Wie viele Male hatte sie von einem Moment wie diesem geträumt? Einem Moment, in dem Drew sie in seinen Armen hielt und schließlich sein Mund ihre Lippen berührte. Wenn er sie jetzt küsste …

Wenn er das täte, hatte Debbie keinen Zweifel daran, dass die alten Gefühle wieder mit voller Macht aufbrechen und sie sich erneut dummen Hoffnungen und Träumen hingeben würde, die in der Realität keinen Platz hatten. Doch als sie ihm unter dem glitzernden Licht des Kristallleuchters in die Augen schaute, schien es das Risiko beinahe wert zu sein …

Glücklicherweise endete der Song und gab ihr die Möglichkeit, einen Schritt zurückzutreten und tief durchzuatmen. „Du bist bereits angesteckt, aber keine Sorge, das hält nicht lange an.“

„Debbie …“

„Ich muss nachschauen, ob Darcy etwas braucht. Du weißt schon, Brautjungfernverpflichtungen und all das Zeug.“

Debbie entfernte sich rasch und suchte, während sie sich einen Weg durch die Gäste bahnte, in der Menge nach der Braut. Als sie Darcy nicht entdecken konnte, lief sie zur ersten Tür hinaus und trat vom Gang aus auf einen kleinen Balkon hinaus, von dem man auf die gepflegten Grünflächen des Hotels schauen konnte. Die Nachtluft war erfüllt vom Geruch des Ozeans und kühlte ihre heißen Wangen. Debbie schaute zum Himmel hinauf und hatte das Gefühl, dass die Sterne, die sie in der Vergangenheit so sehr um die Erfüllung ihrer Wünsche gebeten hatte, sie auslachen würden.

Ihre Mutter hatte sie oft gewarnt. „Sei vorsichtig mit dem, was du dir wünschst“, flüsterte Debbie ihre Worte nach.

Drew hatte gesehen, wie Debbie eilig den Ballsaal durchquerte und ihn dann durch eine der hinteren Türen verließ. Er zwang sich, sie gehen zu lassen, lief zu einer Bar hinüber und bestellte sich ein Bier. Er nahm die kalte Flasche in die Hand und trank einen ordentlichen Schluck. Sie hatte genug Gründe von ihm wegzulaufen, und er hatte kein Recht, ihr hinterherzugehen, bis ihm klar geworden war, was hier eigentlich los war.

Hatte Debbie recht? Litt er unter einem Hochzeitsvirus? Diese Erklärung ergab genauso viel Sinn wie alles andere, mit dem er rechtfertigen konnte, warum er plötzlich versucht war, jede Vorsicht in den Wind zu schlagen, wenn er mit ihr zusammen war. Was verrückt war, denn sein Verstand hatte in jeder Lage stets seine Emotionen beherrscht, sein Kopf immer über sein Herz regiert. Wie viele Male hatte seine letzte Freundin, Angie, ihm erklärt, dass er endlich zu denken aufhören und zu fühlen beginnen sollte, wann immer das Thema aufkam, wohin ihre Beziehung führen sollte?

Er hatte versucht, ihr zu sagen, was er fühlte – dass er sie attraktiv fand, dass er es genoss, Zeit mit ihr zu verbringen, und dass ihre gemeinsamen Interessen eine gute Basis für eine Beziehung bildeten – aber keine seiner Erklärungen hatte sie zufriedengestellt. Sie hatte mehr gewollt … genau wie Debbie.

Er hatte es sie selbst sagen hören. Debbie wollte Abenteuer, Spaß, etwas Neues, Geheimnisvolles – keinen Mann, den sie ein Leben lang kannte.

Du bist ein bodenständiger, fest verwurzelter Mann, der der immer noch beide Beine bewegen kann.

Er erinnerte sich noch gut daran, wie sie diese Worte auf der Hochzeit von Sophia zu ihm gesagt hatte. Ihre Worte ärgerten ihn, und er wusste noch nicht einmal, warum. Schließlich war er immer stolz darauf gewiesen, vernünftige Entscheidungen zu treffen und nicht in Situationen zu geraten, bei denen man den Ausgang nicht vorhersagen konnte. Wenn er die Grenze von Freundschaft zu mehr mit Debbie überschritt, konnte das wer weiß wohin führen.

Doch selbst diese Einsicht hatte ihn nicht davon abgehalten, mit ihr zu tanzen oder mehr als nur einen Tanz von ihr zu wollen.

Er hoffte nur, dass er mit seinem Verhalten nicht die Gerüchteküche der Stadt aktivierte. Drew stieß einen kleinen Laut aus, als er sich daran erinnerte, was seine Mutter ihm ein paar Tage zuvor gesagt hatte. Sie hatte ihn mit einem Blick angesehen, unter dem er sich wieder wie ein Sechsjähriger fühlte. „Denkst du, ich weiß nicht, warum du nicht mehr zum Essen kommst, wenn die Familie sich trifft? Ich hätte nie gedacht, dass du mal mein Sorgenkind sein wirst.“

Drew zuckte innerlich bei dem Gedanken zusammen.

Seine Mutter hätte nichts lieber, als ihn endlich vor dem Traualtar zu sehen.

Noch ein Grund, warum er Debbie nicht hinaus auf den Balkon folgen sollte. Er hatte sich fast überzeugt, als sein Blick auf den Stuhl fiel, auf dem sie vor einer Weile gesessen hatte. Er ließ die halb volle Flasche Bier an der Bar stehen, ging zu dem Tisch hinüber und nahm den fein gewebten Schal auf. Der Duft von Parfüm, ein süßer, würziger Duft, der perfekt Debbies Persönlichkeit wiedergab, umgab ihn.

Als er auf die Balkontür zuging, wurde er einige Male von Freunden und Nachbarn aufgehalten. Er nahm die Bemerkungen, dass er nun noch der einzige Junggeselle der Pirellis war, mit Humor. Etwas anderes blieb ihm auch nicht übrig, und er wusste schon jetzt, dass es nach Sams Hochzeit noch schlimmer werden würde. Er schob diese Gedanken rasch beiseite. Er war ein Mann mit einem Auftrag. Er musste eine bestimmte Brautjungfer finden.

Sie drehte sich um, als er die Tür öffnete. Für Drew war die Kühle der Nacht eine Erleichterung nach der Wärme in dem vollen Ballsaal. Aber es war nicht kalt genug, um zu verhindern, dass pure Lust ihn durchströmte, als er den Ansatz ihrer Brüste über ihren verschränkten Armen sah.

Darcy war eine wunderschöne Braut, aber es war Debbie gewesen, bei deren Anblick ihm der Atem stockte, als er sie heute zum ersten Mal gesehen hatte.

Er hätte vorbereitet sein müssen, als er sie jetzt nach mehreren Stunden Hochzeitsfeier wiedersah, aber vielleicht hatte er sich von der ersten Reaktion auf sie noch nicht ganz erholt. Ihr blondes Haar war so gesteckt, dass es in goldenen Locken auf eine ihrer Schultern herunterfiel. Sie sah in dem dunkelroten trägerlosen Abendkleid atemberaubend schön aus. Kleine Perlen betonten das Oberteil, das ihre Brüste umschmiegte, und der Rock des langen Kleides hatte einen Schlitz an der Seite, der hin und wieder einen Blick auf ihr makelloses Bein erlaubte.

Sie schaute ihn fast misstrauisch an. „Drew …“

Er hörte den Protest aus ihrer Stimme heraus und hielt den Schal hoch. „Ich dachte, du könntest ihn hier draußen gebrauchen.“

„Oh.“

Bildete er sich das nur ein, oder hörte sie sich enttäuscht an, dass er ihr aus so einem unschuldigen Grund gefolgt war? „Nun, danke“, sagte sie rasch, als sie nach dem eleganten Schal griff, „aber ich kann auf mich allein aufpassen.“

Das bezweifelte Drew nicht. Seit ihre Mutter gestorben war, musste sie allein für sich sorgen. Eigentlich schon viel früher, denn seit ihre Mutter erkrankt war, hatte sie die Verantwortung für sie beide und die Bäckerei übernommen. Er hatte ihre Unabhängigkeit und Stärke oft bewundert. Ich brauche keinen Mann, hatte sie immer behauptet. Aber es war heute das erste Mal, dass ihr Verhalten sein Herz berührte. Er hielt den Schal fest und umfasste ihre Hand. „Ich weiß, dass du das kannst. Aber manchmal tut es einfach gut, wenn ein anderer sich um einen kümmert.“

Er legte ihr den eleganten Schal um die Schultern und hielt beide Enden fest. „Vielleicht“, erwiderte sie steif. „Aber ich brauche niemanden …“

„Hier geht es nicht ums Brauchen“, unterbrach er sie. „Hier geht es darum, was man gerne hat.“

Debbie schluckte. „Gerne hat?“

„Es ist wie beim Dessert. Das ist nicht etwas, was du brauchst, sondern etwas, was du gerne hast. Was du dir wünschst, weil du Lust darauf hast.“

„Lass mich raten: Du hast Lust auf etwas Süßes?“ Sie klang auf einmal sehr sarkastisch, und er erinnerte sich daran, wie oft sie ihn das in ihrer Kindheit und Teenagerzeit gefragt hatte, weil sie immer etwas dabeihatte. Und ihm fiel wieder ein, dass sie sich bei Darcy und den anderen Brautjungfern am Junggesellinnenabschied beschwert hatte, dass die Männer sie hier viel zu lange kannten, als dass etwas Aufregendes entstehen könnte.

Jetzt, da er ihr so nahe war und den süß-würzigen Duft ihrer Haut einatmete, fragte er sich, wie die Männer von Clearville – er selbst eingeschlossen – so blind und dumm gewesen sein konnten. Er hatte keinerlei Zweifel, dass Debbie verführerisch süß schmecken würde. „Ich dachte an etwas Dekadentes, so gut, dass es schon wieder ein wenig sündhaft ist.“

Debbies Augen glitzerten im schwachen Licht, das durch die großen Doppeltüren fiel. Ich bin zu weit gegangen, dachte er. Ich habe mich an etwas herangewagt, das ich mir besser nicht wünschen sollte. Das Klügste wäre zu gehen, solange er dazu noch in der Lage war. „Debbie …“

„Ernsthaft, Drew, hat dir schon mal jemand gesagt, dass du zu viel redest?“

„Uh …“ Bevor er noch etwas sagen konnte, hatte sie die Hände um seinen Nacken gelegt und ihn zu sich gezogen. Bei der ersten Berührung ihrer Lippen war Drew verloren. Weggehen? Wie konnte er, wenn ein einziger Kuss ihm den Boden unter den Füßen wegzog?

Er hatte recht gehabt, sie schmeckte süß, aber er hatte definitiv unterschätzt, wie beeindruckend süß und gut sie schmeckte. Seine Zunge fuhr von einer Ecke zur anderen über ihre volle Oberlippe, um dann sanft in ihren Mund einzudringen, als sie einen kleinen Laut von sich gab.

Es klang wie eine Aufforderung! Drew hätte am liebsten gelächelt, aber die Leidenschaft stellte alles in den Hintergrund. Er zog sie näher, und ihr Körper mit den aufregenden Kurven schmiegte sich perfekt gegen seinen, und er umfasste ihre Hüften noch fester. Das zarte, fließende Material ihres Kleides schien kaum eine Barriere zwischen ihnen zu bilden. Mit ein paar Bewegungen wäre es aus dem Weg …

Der Gedanke war kaum in ihm aufgestiegen, als er Stimmen vom Parkplatz auf der anderen Seite der immergrünen Hecke hörte, und er erstarrte. Er spürte wieder die Kühle der Nacht, als Debbie den Kuss unterbrach und sich zurückzog.

„Bist du sicher, dass du das machen willst? Dein Bruder wird dich umbringen, wenn du das mit seinem Wagen machst.“

„Ich weiß, aber die Idee ist doch großartig, oder?“

„Du weißt schon, dass deine Hochzeit in zwei Monaten sein wird und er es dir dann heimzahlen könnte?“

Drew erkannte sofort Sams Stimme, der mit seinem Freund Billy Cummings sprach. Es war vorgesehen, dass er, Sam und Billy Nicks Pick-up dekorierten. Obwohl das frisch verheiratete Paar diese Nacht hier im Hotel schlafen würde, sollte der Pick-up am nächsten Tag bei ihrer Fahrt nach Hause stolz ihren neuen Ehestatus verkünden. Sam hatte Blechdosen, Rasierschaum, auch einige Leinen und Hundespielzeug als Anspielung darauf, dass Nick Tierarzt war, besorgt.

„Wo ist Drew überhaupt?“, fragte Billy. „Sollen wir ohne ihn anfangen?“

„Auf keinen Fall! Er muss mitmachen, damit ich Nick erzählen kann, dass alles seine Idee war.“ Das Knirschen von Kies folgte auf Sams Worte. „Du holst das Zeug, und ich suche Drew.“

Drew wusste, dass Sam nicht aufgeben würde, wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hatte. Er schaute zu Debbie hinüber, die bereits ein paar Schritte zurückgetreten war. Sie hatte die Arme wieder verschränkt, aber Drew wusste, dass es diesmal nicht wegen der kühlen Luft war. „Debbie, es tut mir leid. Ich … das war …“

Die Peinlichkeit des Moments wuchs mit dem stockenden Versuch, den Kuss und die vergangenen Minuten in Worte zu fassen. Aber sie hatte offenbar ihre eigenen Ideen über das soeben Geschehene. „Du bist dem Hochzeitsvirus erlegen“, bemerkte sie trocken. „Aber mach dir keine Sorgen. Morgen früh ist alles wieder vorbei.“

Dann wandte sie sich ab, ging zurück in den Saal und ließ ihn allein auf dem Balkon zurück.

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