Bianca Exklusiv Band 378

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WEIL DU UNWIDERSTEHLICH BIST von BRENDA HARLEN

Dieser süße, sexy Barkeeper mit den Schokoladenaugen und dem Grübchen! Marco Palermos verführerische Blicke lassen Jordyn sofort dahinschmelzen. Dumm nur, dass er unbedingt heiraten und eine Familie gründen will, während Jordyn der Liebe für immer abgeschworen hat. Was jetzt?

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  • Erscheinungstag 17.08.2024
  • Bandnummer 378
  • ISBN / Artikelnummer 9783751523394
  • Seitenanzahl 448
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Brenda Harlen, Christy Jeffries, Christine Rimmer

BIANCA EXKLUSIV BAND 378

1. KAPITEL

Marco kniff die Augen zusammen und spähte durch die Windschutzscheibe seines kleinen SUVs, doch er hätte genauso gut mit verbundenen Augen fahren können, so schlecht war die Sicht.

Es war fast zwanzig Uhr. An diesem Abend im frühen Mai zeigte sich der Himmel nachtschwarz, und es goss wie aus Eimern, sodass die Scheibenwischer völlig überfordert waren. Marco konnte keinen Meter über die Lichtkegel seiner Scheinwerfer hinaussehen. Er rätselte fieberhaft, warum sich jemand bei einem solchen Wetter freiwillig auf die Straße begab, und trotzdem befand er sich hier, weil er seiner Schwester einfach nichts abschlagen konnte.

„Ich habe so schrecklich Lust auf Tiramisu“, hatte Renata ihren Anruf gerechtfertigt. „Ich würde ja selbst zum Restaurant fahren, aber Anna und Bella müssen gleich ins Bett.“

Mit dem Restaurant meinte sie Valentino’s – das von ihren Großeltern Caterina und Salvatore vor fast fünfzig Jahren eröffnete italienische Lokal in der Innenstadt von Charisma. Adrianna und Isabella, genannt Anna und Bella, waren Renatas fünf- und dreijährige Töchter, die Marco abgöttisch liebte. Er unternahm den Abstecher zu Renata also sehr gern, um Zeit mit seinen niedlichen kleinen Nichten verbringen zu können.

„Tiramisu, hm?“

„Ich kann nichts dafür, sondern das Baby!“, hatte Renata sich gerechtfertigt. Sie meinte ihr drittes Kind, mit dem sie gerade schwanger war.

Für plötzliche Schwangerschaftsgelüste war Marcos Meinung nach zwar der Vaters des Babys zuständig, und Marcos Schwager Craig würde bestimmt keine Sekunde zögern, seiner Frau sogar während eines Wolkenbruchs alles zu besorgen, was sie begehrte, aber vermutlich war er gerade bei einem Feuerwehreinsatz und konnte ihre Laune daher nicht erhellen.

„Das Baby wird sich allerdings noch mindestens eine halbe Stunde gedulden müssen“, hatte Marco gesagt. „Ich arbeite heute nämlich nicht im Restaurant.“

„Ach. Tut mir leid, ich dachte …“

„… dass ich rund um die Uhr bei Valentino’s schufte?“

„Ja, so ähnlich“, gab Renata zu.

„Heute ist doch Samstag!“, rief er ihr ins Gedächtnis. An Samstagen zwang er sich immer dazu, zu Hause zu bleiben, damit der Job ihn nicht komplett auffraß. Natürlich hatte er auch sonst manchmal frei, da das etablierte Restaurant praktisch von allein lief, ohne dass seine Geschwister oder Cousins und Cousinen ständig alles im Blick behalten mussten.

„Oh mein Gott, ich wusste ja nicht … Du hast ein Date! Ich störe dich gerade bei einem Date! Es tut mir ja so leid.“

„Nur die Ruhe, Nata. Ich war allein zu Hause und habe dort gearbeitet. Du störst gerade bei gar nichts.“

„Aber heute ist Samstag!“, wiederholte sie seine eigenen Worte. „Warum hast du kein Date?“

Marco schüttelte den Kopf. Renatas abrupter Themenwechsel und ihr strenger und zugleich besorgter Tonfall waren so typisch für sie, dass er nicht wusste, ob er lachen oder genervt seufzen sollte. „Ich bin in einer halben Stunde mit dem Tiramisu bei dir“, sagte er. „Dann kannst du mich persönlich ausquetschen.“

„Worauf du Gift nehmen kannst!“

Marco zweifelte nicht daran. „Steck die Mädchen noch nicht ins Bett, bevor ich da bin“, sagte er und beendete dann das Telefonat.

Also ließ er seine Entwürfe auf seinem Schreibtisch liegen, nahm seinen Autoschlüssel und rannte durch den Regen zu seinem Auto, um zu Valentino’s zu fahren.

Warum hast du kein Date?

Darauf fielen ihm während der Fahrt verschiedene Antworten ein, nur leider nichts Überzeugendes. Mit der Wahrheit – dass er es satthatte, mit den falschen Frauen auszugehen – würde Renata sich nämlich nicht abfinden. Sie würde ihn davon zu überzeugen versuchen, dass er nicht aufgeben durfte, weil die richtige Frau unter Garantie irgendwo da draußen herumlief und genauso sehnsüchtig auf ihn wartete wie er auf sie. Doch Marco hatte auch vom Warten die Nase voll.

Alle seine Geschwister waren inzwischen in festen Händen. Nata und Craig waren seit fast acht Jahren verheiratet, sein ältester Bruder Tony hatte vor neun Jahren seine Highschoolfreundin Gemma geehelicht, und Gabe hatte sich erst kürzlich mit Francesca verlobt, der Frau, in die er sich schon vor über zwei Jahren verliebt hatte, der er seine Gefühle jedoch erst neulich gestanden hatte. Seine Geschwister hatten ihre besseren Hälften gefunden und waren glücklich. Marco wollte das schon auch.

Du spürst es einfach, wenn es die Richtige ist, hallten Nonnas Worte in Marcos Hinterkopf wider. Sie hatte das erst neulich wieder auf Gabes und Francescas Verlobungsfeier zu ihm gesagt.

Caterina liebte es, die Geschichte von ihrer ersten Begegnung mit Salvatore zu erzählen, den sie erst am Tag der Vermählung kennengelernt hatte. „Es war, als würde der Blitz einschlagen. Ich hatte solche Angst, einen Fremden zu heiraten, aber als ich ihn sah, wusste ich, dass ich ihn immer lieben würde.“

Einundsechzig Jahre kamen dem Zeitraum immer ziemlich nahe, fand Marco. Und soweit er das beurteilen konnte, liebten seine Großeltern einander immer noch. Klar stritten sie sich oft – manchmal sehr laut und leidenschaftlich –, aber sie vertrugen sich auch schnell wieder. Nonna sagte immer, der Schlüssel zu einer langen glücklichen Ehe sei, nie allein oder wütend ins Bett zu gehen.

Marco zweifelte nicht daran, dass sie recht hatte. Nein, er war genauso davon überzeugt, dass man die wahre Liebe auf den ersten Blick erkannte. Nur allmählich fragte er sich, ob ihm dieses Glück jemals zuteilwerden würde.

Er war mit zahlreichen sehr sympathischen und zweifellos attraktiven Frauen ausgegangen, doch keine von ihnen war die Richtige gewesen, obwohl er wirklich sein Bestes versucht hatte. Bei jeder hatte er gehofft, in ihr diejenige gefunden zu haben, in die er sich Hals über Kopf verlieben würde. Leider erfolglos.

Also hatte er weiterhin auf die Richtige gewartet, wenn auch von Jahr zu Jahr ungeduldiger. Er war noch nicht ganz so weit aufzugeben, doch seine Zuversicht schwand allmählich dahin, obwohl er schon längst nicht mehr damit rechnete, dass bei ihm der Blitz einschlug. Ein bisschen Prickeln oder Knistern würde ihm schon reichen.

Als er rückwärts in seinen Parkplatz hinter dem Restaurant einparkte und den Motor ausstellte, war der Regen immer noch so heftig, dass Marco beschloss, gar nicht erst auszusteigen, sondern abzuwarten, bis das Schlimmste vorüber war. Nach ein paar Minuten war es endlich so weit. Marco beobachtete, wie sich die Take-out-Tür von Valentino’s öffnete und eine Frau mit einer Pizzaschachtel in einer Hand ins Freie trat. Sie schoss unter der rotweiß gestreiften Markise hervor und eilte über den Parkplatz. Marco sah ihr fasziniert hinterher.

Ihr Haar war kurz, dunkel und nass vom Regen. Sie trug keinen Mantel, nur ein Kleid, das ihre sehr hübsche Figur betonte. Trotz ihrer hohen Absätze war sie überraschend schnell. Als ein Blitz den Himmel durchzuckte und die Welt für den Bruchteil einer Sekunde in ein gleißendes Licht tauchte, blieb Marco fast das Herz stehen.

Die schöne Unbekannte öffnete die Tür eines hellen Wagens und schlüpfte hinters Steuer. Die Pizzaschachtel legte sie auf den Beifahrersitz, bevor sie die Tür schloss und die Innenbeleuchtung erlosch.

Marco hatte sie nur für den Bruchteil einer Sekunde gesehen, spürte jedoch ein schmerzhaftes Ziehen in der Brust – eine Art Sehnsucht, die nur einen Schluss zuließ: Die Frau war die Richtige. Endlich hatte er sie gefunden!

Doch sein Glücksgefühl löste sich schlagartig in Frustration auf, als er die Rücklichter ihres Wagens in der Dunkelheit verschwinden sah. Was hatte er davon, die Richtige gefunden zu haben, wenn er sie vielleicht nie wiedersehen würde?

Als Marco ein paar Minuten später das Restaurant durch dieselbe Take-out-Tür betrat, sah er seine Schwägerin Gemma hinter dem Tresen stehen. Sie war eigentlich die Wirtin, sprang jedoch auch an anderer Stelle ein, wenn Not am Mann war.

Gemma blickte hoch, als sie die Türglocke hörte. „Was machst du denn hier?“, fragte sie lächelnd. „Es ist Samstagabend.“

„Renata sagt, ihr Baby schmachtet nach Tiramisu.“

„Oha, sie konnte noch nicht mal den Geruch von Kaffee ertragen, als sie mit Adrianna und Isabella schwanger war!“, erwiderte Gemma überrascht. „Wahrscheinlich hat Nonna recht, und es wird diesmal ein Junge.“

„Na ja, die Chancen stehen fifty-fifty.“

„Nonna hat prophezeit, dass Adrianna und Isabella Mädchen werden“, rief Gemma ihm ins Gedächtnis. „Und Christian und Dominic Jungs.“

„Und sie hat auch vorausgesagt, dass du mit Tony sechs Kinder bekommen wirst.“

Marcos Schwägerin lachte. „Tja, wer weiß, was noch alles passiert!?“

„Da wir gerade von Nonnas Prophezeiungen reden – hast du zufällig die Frau gesehen, die gerade hier rausgegangen ist?“

„Viele Frauen gehen hier raus. Manche kommen auch rein. Manchmal sogar Männer“, witzelte Gemma.

Marco verdrehte genervt die Augen. „Ich meine die letzte Kundin, die eine Pizza gekauft hat.“

„Jordyn Garrett?“

Marco sah seine Schwägerin überrascht an. „Du kennst sie?“

„Ja, sie ist die Cousine von Rachels Mann.“ Rachel Ellis – inzwischen verheiratete Garrett – war eine gute Freundin von Gemma.

„Kannst du mir noch mehr über sie erzählen?“

„Nur dass sie ihr Handy auf dem Tresen liegen gelassen hat“, antwortete Gemma und nickte in Richtung Smartphone, das vor der Kasse lag.

„Woher weißt du, dass es ihr gehört?“

„Weil ich gesehen habe, wie sie es hingelegt hat, bevor sie ihr Portemonnaie aus der Tasche gezogen hat.“

In diesem Augenblick summte das Handy.

„Vielleicht solltest du rangehen“, schlug Gemma vor.

„Warum ich?“

„Weil ich jetzt in die Küche gehe, um das Tiramisu für Nata zu holen.“

„Legst du zwei Cannoli für die Mädchen dazu?“

„Klar.“ Gemma schlüpfte durch die Küchentür und ließ Marco mit Jordyns summendem Handy allein.

Als er den Bildschirm berührte, rechnete er mit der Aufforderung, ein Passwort einzutippen, doch stattdessen fiel sein Blick auf die letzte Nachricht an die Besitzerin des Handys – von jemandem namens Tristyn.

12 mittelscharfe wings würden gut zu pizza und wein passen: -)

Marco ging hinter den Tresen und spähte durch die Durchreiche in die Take-out-Küche. „Hey, Rafe! Wie lange dauern zwölf Wings?“

„Zehn Minuten“, antwortete sein Cousin, der bereits zehn Hähnchenflügel abzählte und sie in einen Frittierkorb warf. „Willst du sie extra scharf?“

„Nein, mittelscharf.“ Es würde bestimmt nicht lange dauern, bis Jordyn auffiel, dass sie ihr Handy vergessen hatte. Wenn sie es abholte, würden die Wings hoffentlich fertig sein.

„Wirst du etwa allmählich zum Softie?“, witzelte Rafe, während er den Korb mit den Wings ins heiße Frittierfett tauchte.

„Die sind nicht für mich.“ Marco richtete die Aufmerksamkeit wieder auf das Handy. Er kam sich ein bisschen vor wie Aschenputtels Prinz, als hielte er ihren goldenen Schuh in der Hand. Ein Handy war zwar nicht ganz so sexy, aber immerhin.

Als die Glocke über der Tür klingelte, blickte er hoch, um den neuen Kunden zu begrüßen, doch bei Jordyns Anblick blieben ihm die Worte im Hals stecken. Sie hatte schneller gemerkt als gedacht, dass sie ihr Handy vergessen hatte – dasselbe Handy, das er gerade in der Hand hielt.

Im hellen Licht der Deckenlampe konnte er sie deutlicher erkennen – ihre zarte helle Haut, ihr fein gezeichnetes herzförmiges Gesicht und ihr kurz geschnittenes dunkles Haar, das noch immer tropfnass war. Ihre dunkelgrünen Augen waren von langen vollen Wimpern umrahmt.

Auf dem Parkplatz hatte er ihr Kleid für schwarz gehalten, doch wie sich herausstellte, war es dunkellila. Was ihre Figur anging, hatte Marco sich nicht geirrt – sie sah fantastisch aus, mit Rundungen an genau den richtigen Stellen. Ihre Fingernägel waren kurz geschnitten und unlackiert, ihr Make-up wirkte dezent. Das einzig Auffällige an ihr waren die langen baumelnden Ohrringe, die einen witzigen Kontrast zu ihrem schlichten ärmellosen Kleid und ihrer praktischen Frisur bildeten.

Sie war auf eine so natürliche Art atemberaubend, dass Marcos Gefühl von vorhin auf dem Parkplatz zur Gewissheit wurde. „Nonna hatte also mal wieder recht“, murmelte er.

Jordyn zog verwirrt die Augenbrauen zusammen. „Wie bitte?“

Er schüttelte belustigt den Kopf. „Sorry. Ich war in Gedanken gerade ganz woanders.“

„Zerstreut und ein Langfinger, hm?“

„Was?“

Sie zeigte auf das Handy in seiner Hand. „Das da gehört mir.“

„Ich weiß. Sie haben es auf dem Tresen liegenlassen.“

„Offensichtlich.“

Er hielt es ihr hin.

Als Jordyn danach griff und mit der Hand seine Fingerspitzen streifte, spürte Marco es wieder, jenes schmerzhafte Ziehen in der Brust. Sie zog die Hand so hastig weg, als habe sie es auch gespürt – oder zumindest irgendetwas.

„Mehr haben Sie nicht dazu zu sagen?“, fragte sie. „Wollen Sie mir nicht erklären, warum Sie meine Nachrichten gelesen haben und sich dafür nicht entschuldigen?“

„Sie haben Ihr Handy auf dem Tresen liegenlassen. Ich wollte nur herausfinden, wem es gehört.“

„Mir.“

„Und Sie sind?“

„Ungeduldig. Ich will nach Hause, bevor die Pizza kalt wird.“ Sie wandte Marco den Rücken zu.

„Die Wings sind fertig!“, rief Rafe in diesem Augenblick von der Durchreiche aus und stellte eine Schachtel hin.

„Warten Sie“, sagte Marco.

Jordyn blieb zögernd stehen.

„Sie haben Ihre Wings vergessen.“

„Ich habe keine bestellt.“

„Auf Ihrem Handy ist eine Nachricht – von Tristyn. Sie wollte ein Dutzend mittelscharfe.“

Jordyn scrollte stirnrunzelnd ihre Nachrichten durch. „Die habe ich nicht bezahlt“, sagte sie, als Marco ihr den Styroporbehälter reichte.

„Betrachten Sie die Wings als Entschuldigung dafür, dass ich Ihre Nachricht gelesen habe.“

„Sie bräuchten sich nicht zu entschuldigen, wenn Sie sie nicht gelesen hätten.“

„Dann würden Sie jetzt ohne Wings nach Hause fahren“, wandte er ein.

Sie nahm ihm die Schachtel ab, wobei sie diesmal sorgfältig darauf achtete, jeglichen Körperkontakt zu vermeiden. „Danke“, sagte sie steif.

Marco beschloss, sich vorzustellen. „Marco Palermo“, sagte er.

„Danke, Marco.“

Er grinste. „Gern geschehen, …?“

„Jordyn“, antwortete sie widerstrebend.

Gemma hatte also recht gehabt mit ihrer Vermutung. Bevor Jordyn die Tür öffnen konnte, kam Marco ihr zuvor und hielt sie ihr auf. „Lassen Sie sich die Pizza und die Wings schmecken, Jordyn.“

„Machen wir“, versicherte sie ihm.

Marco sah ihr von der Tür aus hinterher, als sie zu ihrem Wagen zurückging.

„Jordyn hat gerade ihr Handy abgeholt“, erklärte er Gemma, als er sich umdrehte und sie mit einer Take-out-Tüte in der Hand beim Tresen stehen sah.

„Ich habe den Rest eures Gesprächs mit angehört“, gestand sie. „Ehrlich gesagt fast alles.“

Marco grinste noch immer, so glücklich war er. „Sie ist die Richtige, das weiß ich genau. Endlich habe ich sie gefunden.“

Seine Schwägerin seufzte. „Caro, warum tust du dir das an?“

„Vielleicht, weil ich sehe, wie glücklich du und Tony seid. Ich will so etwas auch!“

„Ich befürchte nur, dass du dich wieder Hals über Kopf in irgendeine Affäre stürzt und hinterher enttäuscht bist.“

„Es hat eindeutig gefunkt.“ Marco war etwas gekränkt über Gemmas Reaktion, beschloss jedoch, sich davon nicht beirren zu lassen.

Er wusste auch schon, wie er als Nächstes vorgehen würde. Manchmal brauchte das Schicksal eben einen kleinen Anstoß.

Aber erstmal musste er das Tiramisu wegbringen.

Der Regen hatte fast aufgehört, als Jordyn zu ihrem Haus im Stadtteil Northbrook zurückkehrte, das sie sich mit ihrer Schwester teilte. Tristyn empfing sie schon an der Tür, nahm das Essen in Empfang und reichte Jordyn im Austausch ein Handtuch, damit sie sich abtrocknen konnte.

„Das schlechte Wetter war bestimmt ein Zeichen“, sagte Jordyn, als sie sich die Schuhe abstreifte. „Als ich den Wetterbericht gesehen habe, hätte ich das Date gleich absagen und zu Hause bleiben sollen.“

„Oder zumindest eine Jacke und einen Regenschirm mitnehmen“, witzelte ihre Schwester.

„Glaub mir, das hätte den Abend auch nicht gerettet.“

„So schlimm?“ Tristyn stellte das Essen auf den Tisch.

Jordyn hängte das Handtuch über ihre Stuhllehne und griff dankbar nach dem Glas Wein, das ihre Schwester ihr eingeschenkt hatte. „Ich weiß gar nicht, wie ich das Grauen angemessen beschreiben soll.“

„Was hat Cody denn verbrochen?“

„Also, er hat das Gespräch als Erstes mit der Frage eröffnet, ob ich schon mal daran gedacht hätte, meinen Namen zu ändern.“

Tristyn griff nach einem Stück Pizza. „Warum solltest du?“

„Weil Jordyn angeblich irreführend ist und man mich für einen Mann halten könnte. Aber das war gar nicht das Schlimmste. Kaum habe ich einen Blick in die Weinkarte geworfen, da hat er mich gefragt, wie ich verhüte.“

Tristyn verschluckte sich fast vor Schreck. „Wie bitte!? Das geht ja gar nicht.“

„Leider doch.“ Jordyn nahm eine Peperonischeibe von ihrem Stück Pizza und steckte sie sich in den Mund.

„Und wie hast du reagiert?“

„Ich saß mit offenem Mund da. Er hat sich dann für seine Direktheit entschuldigt – nicht für die Frage an sich, wohlgemerkt.“

Tristyn schüttelte fassungslos den Kopf.

„Anscheinend hat er einen sechsjährigen Sohn aus einer Kurzbeziehung mit einer Frau, die fälschlicherweise behauptet hatte, die Pille zu nehmen. Jetzt geht sein halbes Gehalt für den Kindesunterhalt drauf, und er hat den Kleinen jedes zweite Wochenende am Hals.“

Tristyn hörte auf zu kauen und sah Jordyn entgeistert an.

Jordyn hob abwehrend die Hände. „Seine Formulierung, nicht meine. Außerdem hat er mir die ganze Zeit auf den Busen gestarrt, nicht in mein Gesicht.“

„Na ja, du hast auch wirklich tolle Brüste.“ Tristyn senkte den Blick seufzend zu ihrer eigenen flachen Brust. „Auch mit Victorias allerbestem Secret kann ich kein Dekolleté wie deins vortäuschen.“

„Dann findest du es also in Ordnung, dass er mir während des ganzen Abendessens auf die Brust gestarrt hat?“

„Natürlich nicht!“

„Nicht dass ich das so lange durchgehalten hätte.“ Jordyn griff nach einem Chickenwing. „Als ich zum dritten Mal mit der Hand vor seinem Gesicht herumfuchtelte, um seine Aufmerksamkeit auf mich zu lenken, hat er sich noch nicht mal entschuldigt. Er hat nur gesagt, ich hätte bestimmt schon gemerkt, dass er auf Brüste steht und dass er froh sei, dass Carrie uns miteinander verkuppelt hätte.“

„Nein!“

„Doch.“ Jordyn leckte sich Pizzasoße vom Daumen. „Ich habe ihm natürlich sofort gesagt, dass nichts aus uns werden wird, woraufhin er mir prophezeite, meine Meinung noch vor dem Dessert zu ändern.“

Tristyn verzog angewidert das Gesicht.

„Ich bin heilfroh, dass ich im Restaurant mit ihm verabredet war. So brauchte ich wenigstens nicht auf ein Taxi zu warten.“

„Das Ganze tut mir schrecklich leid“, sagte ihre Schwester bedauernd. „Carrie hat mir versichert, er sei ein toller Typ.“

„Dann sollte sie ihre Ansprüche dringend etwas höherschrauben.“

„Ich wollte ja nur, dass du mal wieder ausgehst und etwas Spaß hast. Du lebst völlig zurückgezogen, seitdem …“

„Ich arbeite in einer Bar!“, fiel Jordyn ihrer Schwester ins Wort, weil sie genau wusste, was Tristyn sagen wollte und weil sie keine Lust hatte, es sich anzuhören. „Das kann man nicht gerade zurückgezogen nennen, oder?“

Tristyn sah sie voller Mitgefühl an. „Aber du triffst dich nicht mit Männern.“

„Wundert dich das nach heute Abend noch?“

„Es gibt so viele tolle Männer.“

„Mag sein, aber du warst schon mit den meisten davon aus, also kommen die für mich nicht infrage.“

„So viele waren es nun auch wieder nicht“, protestierte Tristyn.

Statt einer Antwort griff Jordyn nur nach der Weinflasche und füllte ihre Gläser nach. „Warum sollte ich mich dazu zwingen, mit Typen auszugehen, die mich sowieso nicht interessieren, wenn mir mein Leben so gefällt, wie es ist?“

„Du solltest dich nicht damit zufriedengeben, den Samstagabend mit deiner Schwester zu verbringen“, widersprach Tristyn.

„Was die Frage aufwirft, was du an einem Samstagabend zu Hause machst.“

Jordyns Schwester zuckte die Achseln. „Ich hatte heute einfach nichts weiter vor. Außerdem reden wir gerade nicht über mich, sondern über dich.“

„Aber dein Privatleben ist so viel interessanter als meins.“

„Weil ich ausgehe und Leute treffe.“

Jordyn zögerte mit den nächsten Worten. „Ich habe heute jemanden getroffen“, gestand sie.

„Dein schreckliches Date zählt nicht.“

Jordyn hätte jetzt einfach nicken und das Thema fallenlassen können – aber sie dachte gerade nicht an Cody, sondern an Marco. Ehrlich gesagt konnte sie nicht aufhören, an ihn zu denken, seitdem sie ihn bei Valentino’s mit ihrem Handy in der Hand erwischt hatte. Eigentlich hätte sie stinksauer deswegen sein müssen, doch stattdessen hatte sie sich auf irgendeine unerklärliche Art zu ihm hingezogen gefühlt. Und da ihre Schwester viel mehr Erfahrungen mit dem anderen Geschlecht hatte als sie, wollte sie gern ihre Meinung hören.

„Nein, ich habe ihn danach getroffen“, erklärte sie. „Bei Valentino’s.“

„Echt?“ Tristyn gelang das Kunststück, skeptisch und interessiert zugleich zu klingen. „Wer war es denn?“

„Er heißt Marco.“

Ein Grinsen breitete sich über Tristyns Gesicht aus. „Aha. Der süße sexy Barkeeper mit den Schokoladenaugen und dem Grübchen?“

Jordyn sah ihre Schwester verblüfft an. „Du kennst ihn?“

„Ich habe ein paarmal mit ihm gequatscht“, gab Tristyn zu.

„Und ihm ein paar verführerische Blicke zugeworfen und ihn beiläufig berührt?“

„Kann schon sein, dass ich ein bisschen mit ihm geflirtet habe“, räumte Tristyn ein, die ein Naturtalent war, was Flirten anging. „Aber mehr auch nicht.“

„Warum nicht?“

Tristyn zuckte die Achseln. „Die Chemie stimmte einfach nicht. Aber du hast das anscheinend anders empfunden, sonst hättest du ihn nicht erwähnt.“

„Ich dachte immer, die Chemie würde überbewertet.“

„Als jemand mit mehr Erfahrungen in puncto Männer als du muss ich dir widersprechen. Keine Beziehung funktioniert ohne zumindest ein bisschen Chemie.“

Jordyn war sich da nicht so sicher, aber was wusste sie schon? Seitdem ihr vor über drei Jahren das Herz gebrochen worden war, hatte sie mit Männern nicht mehr viel am Hut.

„Was genau hast du denn empfunden?“, hakte Tristyn neugierig nach. „Hattest du Schmetterlinge im Bauch? Hat es gekribbelt? Wurde dir heiß?“

„Nein, ich war nur … neugierig.“

„Immerhin. Besser als nichts.“

Jordyn verdrehte die Augen. „Ich habe nur ganz kurz mit ihm gesprochen. Das hatte überhaupt nichts zu bedeuten.“

„Wer weiß? Und was hast du jetzt vor?“

„Meinen Rotwein mit ins Wohnzimmer zu nehmen und die Folge der Serie gucken, die ich gestern Abend verpasst habe.“

2. KAPITEL

Jordyn träumte von Marco – und wachte danach rastlos und verwirrt auf.

Sie erinnerte sich nicht mehr an die Details ihres Traums, nur daran, dass ihr Herz vor Aufregung geklopft hatte und sie sich körperlich nach etwas gesehnt hatte, das sie schon sehr lange nicht mehr erlebt hatte. Beim Aufwachen hatte sie sofort an ihn denken müssen, den süßen sexy Barkeeper mit den Schokoladenaugen und dem Grübchen. Die Beschreibung stammte zwar von Tristyn, war aber sehr passend.

Eigentlich träumte Jordyn seit Jahren ausschließlich von Brian. Obwohl … Streng genommen träumte sie seit mehr als einem Jahr nicht mehr von ihrem früheren Verlobten, was vermutlich einerseits ein Zeichen war, dass sie endlich über ihn hinwegkam. Andererseits fand sie es schrecklich, dass er aus ihren Träumen verschwand. Sie wollte ihn nicht vergessen – weder ihn noch ihre Gefühle für ihn oder wie tief sein Tod sie getroffen hatte.

Und schon gar nicht wollte sie sich zu einem anderen Mann hingezogen fühlen oder gar eine neue Beziehung eingehen. Sie hatte ihr Leben mit Brian verbringen wollen.

Ihr katastrophales Date mit Cody war insgeheim eine Erleichterung gewesen. Es hatte ihr das beruhigende Gefühl gegeben, dass sie ohne einen Mann in ihrem Leben nichts verpasste und dass sie richtig entschied, ihre Freizeit lieber allein zu verbringen anstatt mit jemandem, der nicht zu ihr passte. Und niemand passte zu ihr außer Brian.

Doch dann hatte sie das Valentino’s betreten und war Marco Palermo begegnet. Und hatte … etwas empfunden.

Sie hatte keine Ahnung, was es gewesen war – vielleicht eine Vorahnung oder möglicherweise sogar körperliche Anziehung –, doch eins wusste sie ganz genau: Sie wollte das nicht. Sie beschloss, einfach nicht mehr darüber nachzudenken. Sie war einem Typen begegnet und hatte irgendetwas gespürt – na und? Das musste nicht automatisch etwas zu bedeuten haben. Außerdem würde sie ihn sowieso nie wiedersehen.

Instinktiv spürte sie jedoch, dass ihre Wege sich wieder kreuzen würden – vermutlich eher früher als später. Wenn es jedoch so weit war, würde sie ihn freundlich zurückweisen. Das war die einzige Lösung.

Tristyn trank Kaffee und las die Nachrichten auf ihrem Tablet, als Jordyn die Küche betrat. Jordyn machte sich eine Tasse French Vanilla, fügte zwei Löffel Zucker und einen großzügigen Schuss Milch hinzu und setzte sich ihrer Schwester gegenüber an den Tisch. „Wie viel Wein habe ich gestern eigentlich getrunken?“

Tristyn blickte hoch. „Nicht mehr als ich. Wieso?“

„Ich fühle mich heute Morgen völlig verkatert, und ich hatte ein paar ziemlich schräge Träume.“

„Kam in diesen Träumen ein gewisser Italiener vor?“, neckte ihre Schwester sie.

Jordyn sah sie über den Rand ihrer Kaffeetasse hinweg gereizt an.

„Also ja.“

Jordyn trank einen Schluck Kaffee und wartete vergeblich auf einen Energieschub – oder zumindest einen klareren Kopf.

„Freu dich doch. Das ist etwas Positives“, sagte Tristyn.

„Was ist etwas Positives?“

„Dass du an Marco denkst.“

Jordyn trank noch einen Schluck Kaffee.

„Brian ist schon seit über drei Jahren tot“, fügte Tristyn hinzu.

Seit genau drei Jahren, zwei Monaten und drei Tagen, dachte Jordyn. Natürlich sprach sie das nicht laut aus, um Tristyn nicht zu beunruhigen. Ihre Familie hatte sich ihretwegen schon genug Sorgen gemacht.

„Es wird Zeit, dass du dich wieder mit Männern triffst.“

„Das habe ich doch gestern versucht.“

Tristyn schüttelte den Kopf. „Das mit Cody hätte nie funktioniert, weil du schon vorher wusstest, dass eure Bekanntschaft nie über dieses eine Abendessen hinausgehen würde.“

Es war Fluch und Segen zugleich, eine Schwester zu haben, die sie so gut durchschaute.

„Vielleicht hat die Begegnung mit Marco ja deshalb einen so bleibenden Eindruck bei dir hinterlassen“, fuhr Tristyn fort.

„Oder ich habe zu viel hineininterpretiert“, entgegnete Jordyn.

„Mag sein. Aber das weißt du erst, wenn du ihn wiedersiehst.“

Es vergingen fast zwei Wochen, bis es so weit war.

Na ja, genaugenommen zehn Tage. Und nicht einer dieser Tage verstrich, ohne dass in Marcos Kopf Jordyn nicht zumindest ein Mal herumspukte. Nach einer Woche spielte sie sogar mit dem Gedanken, bei Valentino’s vorbeizufahren, doch sie verdrängte diesen Impuls natürlich.

Zumal sie keine Ahnung hatte, was sie tun würde, sollte sie ihn tatsächlich antreffen. Dies hinderte sie jedoch nicht daran, an ihn zu denken.

Und dann, an einem Dienstagabend, nur zwei Stunden vor Feierabend, betrat er das Pub, in dem Jordyn als Barkeeperin arbeitete, O’Reilly’s. Sie wischte gerade den Tresen ab, als er die Tür öffnete.

Sogar auf die Entfernung konnte sie das Prickeln zwischen ihnen spüren – oder sie war einfach nur erschöpft nach ihrer Doppelschicht.

Er nickte ihr zur Begrüßung zu und setzte sich ein Stück von ihr entfernt an den Tresen.

„Hey, Jordyn“, rief Bobby Galley ihr zu. „Geben Sie mir Ihre Handynummer.“

Seitdem sie hier arbeitete, fragte Bobby sie regelmäßig nach ihrer Nummer, doch sie gab sie ihm nie. Er hatte die Hoffnung längst aufgegeben, zog sie jedoch immer noch damit auf. Sie machte sich inzwischen einen Scherz daraus, ihm irgendwelche zufälligen Zahlen hinzuwerfen, und er musste dann raten, was sie bedeuteten. „Achtunddreißig“, sagte sie diesmal.

„Das ist nicht Ihr Alter“, sagte Bobby. „Mal sehen … Hm, vielleicht Ihre BH-Größe?“

Sie schüttelte lachend den Kopf. „Falsch geraten. Das ist die Anzahl von Monaten, die ich Sie hier bediene.“ Sie ging weiter zu Marco. „Was kann ich Ihnen bringen?“

„Ein Gezapftes.“

„Sie müssen schon etwas genauer sein“, sagte Jordyn und zeigte auf die verschiedenen beschilderten Zapfhähne.

„Dann probiere ich ein Smithwick’s.“

Sie griff nach einem Glas und hielt es unter den Hahn.

Während Marco auf sein Bier wartete, sah er sich in der Bar um. Es war schon spät, aber sechs Tische waren noch besetzt, und am Tresen war kaum ein Hocker frei, was vermutlich mit der hübschen Frau hinterm Tresen zusammenhing. „Wie haben Ihnen die Chickenwings neulich geschmeckt?“

„Sehr gut, danke.“

„Und wie sind die Wings hier?“

„Wollen Sie die Konkurrenz testen?“

Er schüttelte den Kopf. „Ich würde O’Reilly’s nicht als Konkurrenz betrachten, auch wenn wir bestimmt ein paar gemeinsame Gäste haben.“

„Ich bevorzuge die mit scharfer Honigmarinade“, erklärte Jordyn und legte ihm eine Speisekarte hin. „Aber die mit Salz und Pfeffer sind auch sehr beliebt.“

„Ich bestelle die mit Honigmarinade, wenn Sie mitessen.“

„Nein.“ Sie lächelte, um ihre Abfuhr abzumildern. „Trotzdem danke.“

„Sie sind gut.“

Jordyn nahm ein sauberes Glas, um es für einen anderen Gast zu füllen. „Wobei?“

„Beim Abblitzenlassen.“

Sie zuckte die Achseln. „Ich arbeite in einer Bar, da gehört das dazu.“

„Dann brauche ich es also nicht persönlich zu nehmen?“

„Das habe ich nicht gesagt.“ Ihr Lächeln ließ Marcos Herz einen Schlag aussetzen.

„Wollen Sie nun die Wings?“, fragte sie, nachdem sie das Bier weggebracht hatte.

„Krieg ich dazu Ihre Handynummer?“

„Nein.“

„Noch nicht mal die erste Ziffer?“

„Nein.“

„Die letzte?“

Ihre Mundwinkel zuckten belustigt. „Nein.“

„Dann habe ich also nichts davon, als hier zu sitzen und mich noch ein bisschen mit Ihnen zu unterhalten?“

„Nicht ganz. Sie kriegen die Wings.“

Er grinste. „Wenn das so ist, hätte ich gern welche.“

„Mit Honigmarinade?“

„Ja.“

Sie tippte die Bestellung in den Computer ein, der mit der Küche vernetzt war. „Sonst noch was?“

„Im Moment nicht.“

Sie nickte und bediente weitere Gäste, wobei sie hier und da ein paar Worte mit ihnen wechselte und gelegentlich lachte. „Was bringt Sie hierher?“, fragte sie, als sie zurückkam.

„Ich habe Sie gesucht.“

„Tja, Sie haben mich gefunden.“

Er lächelte. „Darf ich Sie behalten?“

„Glauben Sie mir, das wollen Sie gar nicht. Ich bin sehr kompliziert.“

„Meiner Erfahrung nach halten die meisten komplizierten Frauen sich nicht für kompliziert.“

„Sehen Sie? Ich bin schon jetzt eine Herausforderung.“

„Mehr als Ihnen vielleicht bewusst ist“, gab er zu.

„Wie haben Sie mich eigentlich gefunden?“

„Würden Sie mir glauben, wenn ich sagen würde, zufällig?“

„Nein.“

Er grinste. „Okay. Meine Schwester Renata hat gesagt, dass ich Sie hier vielleicht finde.“

„Renata? Ist ihr Mann zufällig der Feuerwehrmann, der Baseball für die Brew Crew spielt?“

Marco nickte.

„Die Welt ist wirklich klein.“

„Stimmt. Umso seltsamer, dass unsere Wege sich bis neulich nie gekreuzt haben, oder?“

„Vielleicht nicht, wenn man bedenkt, dass wir beide außergewöhnliche Arbeitszeiten haben.“

Die blonde Kellnerin, die sich um die Tische kümmerte, kam zum Tresen. „Ich brauche zwei Guinness, ein Glas Weißwein und einen Gin Tonic mit Extrazitrone.“

„Entschuldigen Sie mich bitte“, sagte Jordyn zu Marco und erledigte die Bestellung.

„Es ist nicht leicht, im Gespräch zu bleiben, wenn Sie ständig weglaufen“, sagte Marco, nachdem die Kellnerin mit den Getränken verschwunden war.

„Ich arbeite.“

„Ich weiß. Sobald Sie mir Ihre Handynummer geben, überlasse ich meinen Hocker auch gern einem anderen Gast.“

„Das geht nicht.“

„Ich verrat es auch nicht Bobby“, versprach Marco.

„Wegen Bobby mache ich mir keine Sorgen.“

„Weshalb dann?“

„Ich mache mir gar keine Sorgen. Es ist nur so, dass …“ Sie stockte. „Ich weiß nicht“, sagte sie kopfschüttelnd.

Marco spielte den Überraschten. „Wie? Sie wissen Ihre Handynummer nicht?“

Wieder umspielte ein Lächeln ihre Lippen. „Ich will nicht, dass Sie meine Nummer erfahren.“

„Und warum nicht?“

„Weil Sie mich dann anrufen und mich bitten, mit Ihnen auszugehen, und dann bekomme ich ein schlechtes Gewissen, weil ich Nein sagen muss oder Ja sage und es dann hinterher bereue.“

„Es gibt noch eine dritte Option“, erwiderte Marco. „Sie sagen Ja, haben viel Spaß, verlieben sich bis über beide Ohren, verbringen den Rest Ihres Lebens mit mir und bekommen meine Kinder.“

Sie schüttelte den Kopf. „Das bezweifle ich.“

„Warum?“

„Weil ich fünfzig Stunden die Woche vor allem männliche Gäste in einer Bar bediene. Glauben Sie mir, ich habe schon alle Anmachsprüche gehört.“

„Kann ich mir vorstellen, aber ich hoffe doch, Sie können zwischen den Typen unterscheiden, die nur eine schnelle Nummer wollen, und denen, die ernsthaftes Interesse an Ihnen haben.“

Sie lachte skeptisch. „Wollen Sie damit sagen, Sie gehören zu Letzteren?“

„Klar.“

„Ich fühle mich geschmeichelt, aber ich werde nicht mit Ihnen ausgehen.“

„Sie glauben mir nicht?“

„Selbst wenn Sie es ernst meinen, habe ich nicht die Absicht, mich zu verlieben, zu heiraten und Kinder zu bekommen.“

„Meine Großmutter sagt immer, dass der Blitz immer dann einschlägt, wenn man am wenigsten damit rechnet.“

„Sie ist bestimmt eine kluge Frau, aber sie kennt mich nicht.“

„Noch nicht.“

Jordyn musste wieder lachen. „Sie geben nicht so schnell auf, oder?“

„Ich bin eben hartnäckig.“

„Ich gehe grundsätzlich nicht mit Gästen aus.“

„Ist das hier Vorschrift oder Ihr persönlicher Vorsatz?“

„Mein persönlicher Vorsatz“, gab sie zu. „Und der gilt nicht nur für Gäste.“

„Dann gehen Sie also gar nicht mit Männern aus?“

„Abgesehen von ein paar eingefädelten Katastrophendates, nein.“

„Warum nicht?“

„Weil es die Mühe nicht lohnt.“

„Vielleicht sind Sie nur noch nicht dem Richtigen begegnet.“

Jordyn wandte den Blick ab, jedoch nicht schnell genug, um den Schmerz zu verbergen, der in ihren schönen grünen Augen aufflackerte.

Sie nickte einem Mann zu, der sich gerade an das andere Ende des Tresens gesetzt hatte, und schenkte ihm ein Bier ein. Als sie das Geld dafür kassierte, unterhielt sie sich ein paar Minuten mit ihm und nahm weitere Bestellungen auf.

Kurz darauf gab sie Marco seine Chickenwings.

„Was läuft da eigentlich zwischen Ihnen und Bobby?“, fragte er.

„Nichts. Er ist ein alter Stammkunde.“

„Und was hat es mit der Zahl auf sich, die Sie ihm genannt haben?“

„Das gehört zu unserem Spielchen. Ich nenne ihm irgendeine Zahl, und er muss die Bedeutung erraten.“

„Ich weiß ja, dass Ihre Handynummer tabu ist, aber welche würden Sie mir nennen?“

Jordyn erwiderte seinen Blick für einen Moment nachdenklich. „Drei.“

„Drei“, echote Marco und griff nach einem Chickenwing. „Ist das die Anzahl von Dates, bevor ich Sie nackt sehe?“

Jordyn verdrehte genervt die Augen, doch ihr Erröten ließ darauf schließen, dass die Vorstellung sie nicht so kaltließ, wie sie tat. „Nein, das ist die Anzahl Ihrer Besuche hier, bevor Sie beschließen, Ihr Glück woanders zu versuchen.“

„Diese Antwort ist wenig schmeichelhaft für uns beide“, sagte er. „Für Sie, weil Sie viel mehr Mühe wert sind, und für mich, weil Sie mir unterstellen, wankelmütig und/oder oberflächlich zu sein.“

Sie zuckte nonchalant die Achseln. „Warten wir’s ab.“

Marco war nicht der Typ Mann, der Herausforderungen scheute. Deshalb ging er schon am Mittwoch wieder zu O’Reilly’s und auch am Donnerstag, hielt sich am Wochenende jedoch fern – aus strategischen und praktischen Gründen. Seine Strategie war, Jordyn Zeit zu geben, über ihn nachzudenken und sich hoffentlich auf seine Besuche zu freuen. Praktische Erwägungen waren, dass er selbst bei Valentino’s zu tun hatte. Außerdem würde im Pub am Wochenende ohnehin zu viel los sein, um mit Jordyn zu reden.

Am Montagabend verließ er das Restaurant, als der schlimmste Andrang vorbei war, und kam kurz vor neun im Pub an. Jordyn blickte hoch, als er die Bar betrat, und erwiderte seinen Blick. Ihr Lächeln verriet, dass sie sich über seinen Besuch freute – auch wenn sie das vermutlich nicht zugeben würde.

„Ein Smithwick’s?“, fragte sie, als er auf einem Hocker am Tresen Platz nahm.

„Gern.“

Er beobachtete sie beim Zapfen und genoss ihren Anblick in dunkelgrüner Strickjacke mit O’Reilly’s-Logo über einem schlichten weißen T-Shirt. Er wusste nicht, ob es sich um eine Art Arbeitskleidung handelte, aber ihm war aufgefallen, dass sie das Ensemble immer hinterm Tresen trug.

„Wenn Sie heute was essen wollen, sollten Sie es vor Eintreffen der Brew Crew bestellen.“

Marco hatte ganz vergessen, dass das Baseballteam an Montagabenden trainierte. Danach ging die Mannschaft immer zu O’Reilly’s.

„Wird es wirklich so voll?“

„Montags ist hier immer die Hölle los.“

Wie sich eine halbe Stunde später herausstellte, hatte Jordyn nicht übertrieben.

Zwei Kellnerinnen schoben mehrere Tische zusammen, da nicht nur die Spieler kamen, sondern auch ihre Ehefrauen und Freundinnen. Ein paar von ihnen brachten sogar ihre Kinder mit. Diejenigen, die Single waren, flirteten mit den Kellnerinnen oder bestellten ihre Drinks direkt bei Jordyn und flirteten mit ihr.

Da es an der Bar inzwischen ziemlich voll war, griff Marco nach seinem Bier und setzte sich zu seiner Schwester und seinem Schwager. Fast zwei Stunden lang aßen und tranken sie und unterhielten sich. Biergläser wurden geleert, genauso wie Teller mit Fingerfood. Marco freute sich für Renata, dass sie mal aus dem Haus kam, während seine Mutter auf ihre Enkeltöchter aufpasste. Als sie und Craig aufbrachen, schlenderte er zurück zum Tresen.

Jordyn räumte gerade saubere Gläser in die Regale. „Ich dachte schon, Sie seien zusammen mit Craig und Renata gegangen.“

„Nein, aber ich hätte gern noch einen Kaffee.“ Marco stellte seinen leeren Becher auf den Tresen.

Sie griff nach der Kaffeekanne und schenkte nach. „Vier“, sagte sie.

„Heute ist das vierte Mal, dass ich Sie besuchen komme.“

„Stimmt. Aber die vier ist auch eine der Zahlen meiner Handynummer.“

Er grinste. „Wow, ein Fortschritt.“

„Reine Interpretationssache.“

„Welche Zahl denn?“, fragte Marco. „Die erste? Oder die letzte?“

Jordyn schüttelte den Kopf. „Eine der fünf dazwischen.“

„Na ja, besser als nichts.“

Und möglicherweise ein Fehler, dachte Jordyn, als sie zu einem anderen Gast ging. Was hatte sie sich nur dabei gedacht, Marco die Nummer zu nennen? Flirtete sie etwa mit ihm? Ermunterte sie ihn?

Anscheinend ja. Doch was sie noch mehr überraschte, war, dass sie sich tatsächlich darauf gefreut hatte, ihn wiederzusehen. Er kam nicht jeden Abend in die Bar – und sie arbeitete hier nicht täglich. Doch wenn sie da war, fragte sie sich inzwischen immer, ob er wohl kommen würde.

An einem Samstagnachmittag – zwölf Tage und vier weitere Besuche später – nannte sie Marco die fünfte der sieben Ziffern, aus denen ihre Handynummer bestand.

„Noch zwei Abende, und ich habe Ihre komplette Nummer“, stellte er fest, als er die Acht in sein Smartphone eingab.

„Nur falls es Ihnen gelingt, die richtige Reihenfolge herausfinden.“

„Es macht Ihnen wohl Spaß, mich zu ärgern, oder?“

„Ich habe doch schon gesagt, dass ich nicht mit Ihnen ausgehen werde“, rief sie ihm ins Gedächtnis. „Aber wenn Sie meine Handynummer herausfinden, ändere ich meine Meinung vielleicht.“

„So viel Mut haben Sie mir bisher noch nie gemacht.“

Jordyn zuckte die Achseln. Ihr war bewusst, dass es ein Fehler war, ihn zu ermutigen. Es würde nichts Gutes dabei herauskommen, aber irgendwie schien sie nicht damit aufhören zu können.

„Die Reihenfolge herauszufinden, dürfte nicht allzu schwierig sein“, fuhr Marco fort. „Bei sieben Ziffern gibt es fünftausendundvierzig Möglichkeiten, vorausgesetzt, keine Zahl ist doppelt.“

Sie sah ihn aus schmalen Augen an. „Haben Sie sich das gerade ausgedacht?“

Er schüttelte den Kopf. „Nein, das ist reine Wahrscheinlichkeitsrechnung.“

„Ich fand Mathe immer schrecklich.“

„Dann müssen Sie meinen Rechenkünsten eben blind vertrauen.“

„Ganz schön viele Optionen, finden Sie nicht?“

„Wie Sie neulich schon gesagt haben – ich bin hartnäckig.“

„Das haben Sie gesagt“, rief sie ihm ins Gedächtnis. „Ich habe nur festgestellt, dass Sie nicht so schnell aufgeben.“

„Stimmt. Zumindest dann nicht, wenn ich mir etwas in den Kopf gesetzt habe.“

Aus irgendeinem Grund schien er sich sie in den Kopf gesetzt zu haben. Jordyn akzeptierte allmählich, dass auch sie sich für ihn interessierte … oder zumindest austesten wollte, was an den Empfindungen dran war, die seine Gegenwart in ihr auslöste.

„Sie sollten sich allmählich an den Gedanken gewöhnen, den Richtigen gefunden zu haben“, sagte Marco.

Jordyn lief ein Schauer über den Rücken. Nicht auszudenken, wenn Marco recht hatte!

3. KAPITEL

Vor zwanzig Jahren war das Northbrook-Viertel von Charisma nicht besonders beliebt gewesen, doch in den letzten zehn Jahren hatte sich hier viel verändert. Lange leerstehende Häuser beherbergten inzwischen Büros, Läden und Cafés, sodass die Einwohner alles in der Nähe hatten, was sie brauchten.

„Was haltet ihr von meiner Idee?“, fragte Marco seine Großeltern mit gespielter Beiläufigkeit.

Sie hatten kaum ein Wort gesagt, als er sie durch die leeren Räume geführt hatte, in denen bis vor Kurzem noch das Mykonos betrieben worden war.

Salvatore Valentino sah sich in der Küche um. „Der Zustand ist besser als der unseres Lokals damals in der Queen Street“, räumte er ein. „Trotzdem muss man hier eine Menge Arbeit reinstecken.“

„Man sieht aber das Potenzial“, wandte Caterina ein.

„Ich würde dem Makler gern ein Angebot machen“, gestand Marco.

„Dann mach eins!“, schlug sein Großvater vor.

Caterina stieß ihren Mann heftig in die Rippen und murmelte auf Italienisch ein paar wenig schmeichelhafte Worte über ihren Ehemann. „Unser Enkel will unsere Zustimmung“, sagte sie auf Englisch.

„Stimmt. Aber ich will auch, dass ihr euch der Risiken bewusst seid.“

„Wie lange wird es dauern, bis das neue Lokal fertig ist?“

„Das kann ich nur schätzen, aber ich hoffe, nicht länger als vier bis sechs Monate.“

„Du arbeitest doch Vollzeit bei Valentino’s“, wandte Caterina ein.

„Ich werde die ganze Familie mit einspannen, auch Nonno.“

Das Gesicht seines Großvaters hellte sich auf, doch seine Großmutter sah wenig begeistert aus. „Sein Herz …“

Marco berührte sie sanft an einem Arm. „Wir werden gut auf ihn aufpassen“, versprach er.

Caterina ging zum Fenster und betrachtete die Boutiquen und Läden auf der anderen Straßenseite. „Das Viertel hier ist besser als die Innenstadt.“

„Das stimmt. Die Leute haben mehr Geld und gehen deshalb öfter essen.“

„Willst du höhere Preise nehmen?“, fragte Salvatore.

„Nicht für unsere regulären Pastagerichte, aber wir werden ein paar gehobene Vorspeisen anbieten und bessere Weine. Nonna und Rafe werden die Speisekarte entwerfen, sobald ich ihn dazu überreden kann, hier die Küche zu übernehmen. Was meint ihr? Soll ich ein Angebot machen?“

„Nur, wenn du auch wirklich sicher bist, dass du das hier willst“, sagte Caterina.

„Wir reden schon seit zwei Jahren darüber zu expandieren“, rief er ihr ins Gedächtnis.

„Ich weiß. Ich hoffe nur …“ Sie stockte.

„Was?“, hakte er nach.

„Dass dieses Projekt dich nicht auffrisst.“

„Ich verstehe nicht. Bist du denn nicht einverstanden, damit zu expandieren?“

„Doch, aber du brauchst einen Ausgleich zur Arbeit. Ein bisschen romanticismo.“

„Zurzeit brauche ich nur den Zuschlag vom Makler“, widersprach er ihr.

„Wir müssen ins Restaurant zurück“, sagte Salvatore zu seiner Frau.

Caterina nickte und drehte sich zu ihrem Enkel um. „Wir sehen uns morgen.“

Marco küsste die beiden auf die Wangen und begleitete sie zur Tür. Als er sich anschließend in dem leeren staubigen Raum umsah, wurde ihm bewusst, dass hier tatsächlich noch viel zu tun war, aber das meiste davon waren reine Schönheitskorrekturen. Das breite Schaufenster brauchte nur gründlich sauber gemacht zu werden. Er sah förmlich schon den Namen Valentino’s II in goldenen Buchstaben darauf prangen. Er konnte sich auch gut Tische und Stühle auf dem Bürgersteig vorstellen und nahm sich vor, sich nach einer Genehmigung dafür zu erkundigen.

In diesem Augenblick trat sie in sein Gesichtsfeld, und alles andere war wie weggeblasen.

Jordyn wohnte sehr gern in Northbrook, da sich fast alles Nötige in Gehweite befand, darunter auch die Sweet Serenity Boutique & Spa, wo sie wie immer samstags mit ihren Schwestern verabredet war. Sie liebte ihr gemeinsames monatliches Ritual mit Maniküre und Pediküre.

Tristyn und Lauryn waren nicht nur ihre Schwestern, sondern auch ihre besten Freundinnen. Auch wenn sie nicht immer einer Meinung waren, stärkten sie einander immer den Rücken.

Als Jordyn bei Zahara’s vorbeikam, blieb sie stehen. Ihr Kleidungsstil war eher schlicht und zweckmäßig, aber sie stand auf witzigen Schmuck, und ihr waren ein paar kirschförmige Ohrringe ins Auge gefallen. Mit einem raschen Blick auf ihre Armbanduhr vergewisserte sie sich, dass sie noch Zeit hatte.

Als sie den Laden fünf Minuten später verließ, baumelten rotgrün funkelnde Steine von ihren Ohren.

„Hey, Jordyn!“, hörte sie kurz vorm Spa eine bekannte männliche Stimme hinter sich. Ihr Herzschlag beschleunigte sich. Genervt über diese Reaktion drehte sie sich zu ihm um. „Hi, Marco. Was machst du denn hier? Lässt du dich auch regelmäßig in Form bringen?“

Verständnislos sah er sie an. „Wie bitte?“

Sie zeigte auf das Schild im Fenster, auf dem Maniküren, Pediküren, Gesichtsbehandlungen, Haarentfernungen und anderes angeboten wurden.

Er grinste. „Eher weniger. Ehrlich gesagt bin ich geschäftlich in der Gegend.“

Sie warf einen Blick auf die andere Straßenseite. „Hängt dein Aufenthalt zufällig mit dem Gerücht über ein neues italienisches Restaurant im alten Mykonos zusammen?“

„Ich hätte nicht gedacht, dass du auf Gerüchte hörst.“

„Aha. Du streitest es also nicht ab.“

„Du bist offensichtlich nicht nur schön, sondern auch intelligent.“

Aus dem Augenwinkel sah Jordyn ihre Schwestern näher kommen. „Das war auch keine Antwort auf meine Frage.“

„Aber die Wahrheit.“

„Welche Wahrheit?“, fragte Tristyn, als sie sich zu ihnen gesellte.

Marco grinste. „Dass alle Garrett-Frauen intelligent und schön sind.“

„Du bist so attraktiv und charmant wie eh und je“, lachte Tristyn.

Marco richtete den Blick wieder auf Jordyn. „Siehst du? Manche Frauen finden mich attraktiv und charmant.“

„Manche Frauen lassen sich eben leicht beeindrucken. Wir müssen rein, sonst kommen wir zu spät zu unserem Termin.“

„Ganzkörpermassage“, sagte Tristyn augenzwinkernd zu Marco. „Sie geben uns Rabatt, wenn wir uns gegenseitig einölen.“

Marco machte große Augen.

Lachend versetzte Lauryn ihrer Schwester einen Knuff gegen einen Oberarm.

„Sie macht nur einen Witz“, versicherte Jordyn ihm.

Er blinzelte. „Ach so. Klar, natürlich.“ Er trat einen Schritt zurück. „Einen schönen Tag noch, Ladys.“

„Du kommst spät“, sagte Gemma, als Marco kurz nach vier die Küche von Valentino’s betrat.

„Ich würde deswegen vielleicht auch ein schlechtes Gewissen haben, wenn ich heute Abend nicht frei hätte.“

„Was? Du hast einen freien Abend?“ Das kam von Rocco, einem fünfzehnjährigen Nachbarjungen, der an den Wochenenden in der Küche aushalf.

Marco versetzte ihm einen spielerischen Schlag gegen den Hinterkopf. „Interessant, dass mich jeder darauf hinweist, dass ich kein Privatleben habe, aber wenn ich dann wirklich mal freihabe, spannt man mich trotzdem ein.“

„Du hast recht“, räumte Gemma ein. „Tut mir leid, aber Rebeccas Mitbewohnerin hat angerufen, weil Rebecca krank ist, und ich habe gehört, wie sich jemand im Hintergrund übergab.“

Marco verzog das Gesicht. „Welche Tagesgerichte gibt es heute?“

„Gnocchi mit Tomatencremesoße und frischem Basilikum und Pizza mit gegrilltem Gemüse auf Vollkornteig. Sydney arbeitet vorne, du hinten.“

„Ich Glückspilz.“

„Wir brauchen dich nur, bis der schlimmste Ansturm vorbei ist“, versicherte Gemma ihm. „Danach kannst du weitermachen mit … womit auch immer.“

„Ich nehme dich beim Wort.“ Marco hoffte den Anschein zu erwecken, dass womit auch immer etwas Besseres war als die TV-Übertragung eines Spiels der Yankees gegen die Red Sox.

Eine halbe Stunde später konnte er gut nachvollziehen, warum man ihn angerufen hatte. Er und Sydney hatten alle Hände voll zu tun, um alle zu bedienen. Doch als die Gäste die Gerichte lobten und zu seinen Großeltern und anderen Familienmitgliedern ausfragten, wurde ihm wieder bewusst, welchen Spaß ihm das Servieren früher immer gemacht hatte.

Er brachte gerade zwei große Pizzen zu einer sechsköpfigen Familie, als er sie das Restaurant betreten sah – Jordyn und ihre Schwestern. Wie immer beim Anblick der umwerfend schönen mittleren Garrett-Schwester setzte sein Herz einen Schlag aus.

Angespannt beobachtete er, wie Gemma die Frauen durch den Speisesaal führte. Sie blieb an einem Tisch in der Nähe des Fensters stehen, schüttelte dann den Kopf und zeigte auf einen ähnlichen Tisch weiter hinten im Restaurant.

In seinem Bereich.

Sein Ärger darüber, so kurzfristig eingespannt worden zu sein, löste sich schlagartig in Luft auf.

Anscheinend war das Glück heute nicht auf Jordyns Seite. Als ihre Schwestern darauf bestanden hatten – vermutlich nicht ganz ohne Hintergedanken –, nach ihrem Spa-Tag italienisch essen zu gehen, hatte Jordyn insgeheim gehofft, Marco nicht bei Valentino’s anzutreffen, und jetzt bediente er sie auch noch. Was zu viel war, war zu viel.

„Ich dachte, du bist Barkeeper, nicht Kellner!“, sagte sie, als er einen Korb ofenfrisches Brot auf den Tisch stellte.

„Er hat offensichtlich viele Talente“, sagte Tristyn und zwinkerte ihm zu.

Er zwinkerte zurück. „Man muss eben ein Multitalent sein, wenn man in einem Familienbetrieb arbeitet.“ Er nannte den Frauen die Tagesspezialitäten und ließ ihnen ein paar Minuten Zeit, sich zu entscheiden, während er schon mal ihre Getränke holte.

Tristyn klappte ihre Speisekarte zusammen und legte sie weg. „Ich nehme die Lasagne.“

„Ich habe allmählich ernste Zweifel an Jordyns Zurechnungsfähigkeit.“ Lauryn sah ihre jüngere Schwester prüfend an. „Wäre ich Single und ein Mann würde mich so ansehen wie Marco dich, dann würde ich sofort zugreifen. Ohne zu zögern.“

„Er interessiert mich aber nicht.“

Tristyn lachte. „Wir glauben dir kein Wort.“

Jordyn konnte ihren Schwestern das nicht verdenken. Marco ließ sie tatsächlich alles andere als kalt, aber sie hatte nun einmal beschlossen, ihre Körperreaktionen nicht zu beachten. Es hatte sehr lange gedauert, bis sie über Brians Tod hinweggekommen war. Sie wollte ihr Herz nicht wieder aufs Spiel setzen, noch nicht einmal für einen süßen sexy Barkeeper mit Grübchen und einem Funkeln in den Augen, bei dessen Anblick ihr immer ganz heiß wurde.

„Was ist auf der vegetarischen Pizza?“, fragte Lauryn, als Marco mit den Getränken zurückkehrte.

„Hausgemachtes Pesto, Mozzarella, Roma-Tomaten, grüne Paprika und Pilze.“

„Schmeckt das?“

„Na klar.“ Er senkte vertraulich die Stimme. „Aber wenn ihr mich fragt, ist die Pizza Margherita die bessere vegetarische Option.“

„Ich bin keine Vegetarierin“, erklärte Lauryn. „Ich mag nur kein Fleisch auf Pizza.“

Jordyn wusste, dass das nicht stimmte. Sie hatte ihre Schwester bei mehr als einer Gelegenheit Pizza mit Peperoni, scharfer Wurst und Schinken essen sehen. Vermutlich hatte nur das Baby in ihrem Bauch keine Lust darauf.

„Ich probiere eine kleine Margherita“, sagte Lauryn.

„Gute Entscheidung.“ Marco drehte sich zu Tristyn um.

„Ich nehme die Lasagne.“

Er nickte, bevor er die Aufmerksamkeit auf Jordyn richtete – und ihr ein Lächeln schenkte, das sie fast von den Socken haute. „Und was darf ich dir bringen?“

Jordyn versuchte sich einzureden, dass sie immun gegen sein Lächeln war, aber ihr Herzklopfen sprach eine andere Sprache. „Die Gnocchi“, sagte sie und gab ihm die Speisekarte zurück.

„Eins meiner Lieblingsgerichte“, antwortete er sexy lächelnd.

„Hoffentlich macht das zweite Valentino’s doch nicht bei uns in der Nähe auf“, sagte Tristyn, als sie ihren fast leeren Teller zur Seite schob. „Wenn ich regelmäßig so esse, dann muss ich öfter ins Fitnessstudio.“

Jordyn hob die Augenbrauen. „Was? Du gehst ins Fitnessstudio?“

„Nur wenn es unbedingt sein muss“, gab Tristyn zu.

„Und? Was habt ihr heute noch vor?“, fragte Lauryn ihre Schwestern.

Tristyn zuckte die Achseln. „Nichts Besonderes.“

„Mom und Dad passen heute auf Kylie auf, also dachte ich, wir könnten vielleicht ins Kino gehen. Im Multiplex gibt es einen neuen Film mit Bradley Cooper, der richtig toll sein soll.“

„Bradley Cooper? Da komm ich mit!“, sagte Tristyn.

„Sehr schön. Was ist mit dir, Jordyn?“

„Ich bin diejenige, die euch erzählt hat, dass der Film gut ist!“, rief sie ihren Schwestern ins Gedächtnis. „Ich habe ihn schon vor zwei Wochen gesehen.“

„Ach.“ Lauryn seufzte enttäuscht. „Na ja, vielleicht läuft ja was anderes, das wir alle sehen wollen.“

„Nein, geht ihr nur allein. Ich muss sowieso noch Wäsche waschen.“

Tristyn schüttelte fassungslos den Kopf. „Du willst deinen Samstagabend damit verbringen, Wäsche zu waschen?“

„Meinen schmutzigen Socken ist es egal, welchen Wochentag wir haben.“

„Und ich dachte schon, ich gehe so gut wie nie aus“, murmelte Lauryn.

„Du scheinst zu vergessen, dass ich fast jeden Abend außer Haus bin.“

„Arbeit zählt nicht.“

„Wie dem auch sei, heute will ich mich zu Hause entspannen, also setzt mich bitte auf dem Weg zum Kino dort ab.“

Lauryn zuckte die Achseln. „Wie du willst. Kann ich mir mal kurz dein Handy ausleihen, um Rob Bescheid zu sagen? Ich habe meins im Auto liegenlassen.“

„Klar.“ Jordyn holte ihr Handy aus ihrer Handtasche und reichte es über den Tisch.

Lauryn tippte rasch eine Nachricht ein. Robs Antwort kam fast sofort. „Er sagt, kein Problem. Er muss heute sowieso länger arbeiten.“

„Was macht ihr eigentlich morgen?“, erkundigte Tristyn sich bei Lauryn. „Irgendwelche Pläne für euren Hochzeitstag?“

Lauryn schüttelte den Kopf. „Nein, ich glaube nicht.“

Jordyn runzelte die Stirn. „Rob hat doch bestimmt was geplant, vielleicht eine Überraschung?“

„Ich bin ziemlich sicher, dass er arbeiten wird.“ Lauryn senkte den Blick und ließ die Finger über das Kondenswasser auf ihrem Wasserglas gleiten.

Jordyn und Tristyn wechselten einen besorgten Blick. Sie hatten beide Bedenken gehabt, als Lauryn vor sechseinhalb Jahren Rob Schultes Heiratsantrag angenommen hatte, aber Lauryn war damals so verliebt gewesen, dass sie ihre Skepsis für sich behalten hatten. Lauryn hatte sich bisher zwar noch nie beschwert oder etwas getan, das darauf schließen ließ, dass sie ihre Entscheidung bereute, aber glücklich war sie offensichtlich nicht.

„Dann habt ihr also gar nichts vor?“, bohrte Tristyn nach.

„Wie schon gesagt, Rob muss den ganzen Tag arbeiten, also habe ich beschlossen, sein Lieblingsgericht zu kochen – Hähnchen mit Kartoffelsalat. Ich packe es in einen Picknickkorb und besuche ihn in seinem Laden.“

„Klingt toll“, sagte Jordyn lahm.

Leider klang es auch so, als würde ihre Schwester sich als Einzige Mühe geben, was nichts Neues wäre, aber sie verkniff sich eine Bemerkung.

„Wisst ihr schon, was ihr zum Dessert wollt?“, fragte Marco, als er an ihren Tisch zurückkehrte.

„Da ich keinen Film ohne Popcorn sehen kann, werde ich heute verzichten“, sagte Lauryn.

„Popcorn ist kein Vergleich mit Cannoli“, wandte Tristyn ein, „aber du hast recht. Wenn ich beides esse, wird mir schlecht, und dann kann ich den Film nicht genießen.“

Jordyn seufzte. „Dann krieg ich heute also keine Cannoli. Es macht keinen Spaß, allein Nachtisch zu essen.“

„Kaffee oder Tee?“

„Nein, nur die Rechnung“, sagte Lauryn.

Marco nickte und ging.

Tristyn stand auf. „Ich gehe noch rasch auf die Toilette.“

„Ich komme mit“, erklärte Lauryn. „Seit Kylies Geburt ist meine Blase auch nicht mehr das, was sie mal war.“

Jordyn blieb sitzen und wartete auf die Rechnung.

Nach ein paar Minuten stellte sie fest, dass Marco verschwunden zu sein schien. Die andere Kellnerin hatte inzwischen das gesamte Restaurant übernommen. Jordyn winkte sie zu sich.

„Kann ich Ihnen noch was bringen?“, fragte die Frau, die laut Namensschild Sydney hieß.

„Nein. Ich warte noch auf die Rechnung.“

„Ist schon erledigt. Ihre Freundinnen haben auf dem Weg nach draußen bezahlt.“

„Sie sind weg?!“

„Ich glaube schon.“ Sydney wirkte etwas verunsichert. „Ich habe s...

Autor

Brenda Harlen
Brenda ist eine ehemalige Rechtsanwältin, die einst das Privileg hatte vor dem obersten Gerichtshof von Kanada vorzusprechen. Vor fünf Jahren gab sie ihre Anwaltskanzlei auf um sich um ihre Kinder zu kümmern und insgeheim ihren Traum von einem selbst geschriebenen Buch zu verwirklichen. Sie schrieb sich in einem Liebesroman Schreibkurs...
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Christy Jeffries
Christy Jeffries hat einen Abschluss der University of California in Irvine und der California Western School of Law. Das Pflegen von Gerichtsakten und die Arbeit als Gesetzeshüterin haben sich als perfekte Vorbereitung auf ihre Karriere als Autorin und Mutter erwiesen. Mit zwei Energiebündeln von Söhnen, der eigenwilligen Großmutter und einem...
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Christine Rimmer
Christine Rimmers Romances sind für ihre liebenswerten, manchmal recht unkonventionellen Hauptfiguren und die spannungsgeladene Atmosphäre bekannt, die dafür sorgen, dass man ihre Bücher nicht aus der Hand legen kann. Ihr erster Liebesroman wurde 1987 veröffentlicht, und seitdem sind 35 weitere zeitgenössische Romances erschienen, die regelmäßig auf den amerikanischen Bestsellerlisten landen....
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