Bianca Extra Band 139

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RANCHER SUCHT FRAU FÜRS LEBEN! von KATHY DOUGLASS

„Heiraten Sie mich.“ Hat Daniel Dubois einen Scherz gemacht? Ein Blick in die Augen des sexy Ranchers verrät Eventmanagerin Brittany: Er meint es ernst! Er braucht dringend eine Frau. Wie ist es möglich, dass sein abwegiger Vorschlag sie in Versuchung führt?

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  • Erscheinungstag 24.08.2024
  • Bandnummer 139
  • ISBN / Artikelnummer 9783751523523
  • Seitenanzahl 432
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Kathy Douglass, Michele Dunaway, Nina Crespo, Makenna Lee

BIANCA EXTRA BAND 139

1. KAPITEL

Brittany Brandt überprüfte nochmals den Inhalt ihrer braunen Ledertasche, um sicherzugehen, dass sie nichts vergessen hatte. Dann klappte sie die Tasche zu, schloss die Augen und atmete tief durch. Sie war bereit, es mit diesem Daniel Dubois aufzunehmen.

Ihre Kollegen von Bronco Hills Elite Partys hatten sich alle davor gedrückt, den Auftrag zu übernehmen, denn Daniel Dubois galt als äußerst schwieriger Verhandlungspartner. Brittany hingegen betrachtete genau das als Herausforderung und hatte sich sofort bereiterklärt, die Dinnerparty für diesen Kunden zu organisieren.

Würde die Party ein Erfolg, dann hätte sie gute Chancen auf einen Karrieresprung. Sie würde ihren Chefs und der High Society von Bronco, Montana, schon zeigen, was in ihr steckte. Möglicherweise gelang es ihr sogar, Cornelius Taylor, den reichsten Mann der Stadt, als Auftraggeber zu gewinnen.

Entschlossen schob sie ihre Aktentasche unter den Arm und verließ ihr Büro. Als sie das Foyer durchquerte, blickte ihre Assistentin Rachel vom Schreibtisch auf und lächelte ihr zu. „Na, unterwegs in die Höhle des Löwen?“

„Ja, drück mir die Daumen.“

Rachel schüttelte sich. „Du bist ganz schön mutig, ich würde mir das nie zutrauen.“

„Er ist auch nur ein Mann.“

„Ja, einer, der alle niedermacht.“

Brittany winkte ab. „An mir wird er sich die Zähne ausbeißen. Bisher bin ich noch mit jedem Mann fertiggeworden.“

„Das glaube ich dir unbesehen. Wahrscheinlich frisst er dir aus der Hand, bevor das Meeting zu Ende ist.“

Brittany zuckte die Achseln. „So viel Unterwürfigkeit muss nicht sein. Ich werde es so machen wie früher mit meinen kleinen Geschwistern. Immerhin bin ich die Älteste von fünf Kindern und habe Erfahrung mit bockigen, nörgeligen Wesen.“

Rachel lachte. „Ich habe den Mann zwar nur von Weitem gesehen, aber kindlich sieht er nicht gerade aus.“

Brittany kannte Daniel Dubois bisher nur von Fotos in Klatschspalten oder Wirtschaftszeitungen. Er war groß, dunkelhaarig und sah blendend aus, aber was bedeutete das schon?

„Stimmt, aber sein Charakter scheint nicht ganz so vorteilhaft zu sein wie sein Aussehen. Deshalb mache ich mich mal lieber auf die Socken. Sonst habe ich gleich schlechte Karten, weil ich zu spät komme.“

„Hals- und Beinbruch“, flachste Rachel.

Daniel Dubois war ein sehr wohlhabender Pferdezüchter mit entsprechendem Lebensstil, wovon das prächtige Anwesen zeugte, das oberhalb von Bronco auf einem Hügel thronte.

Die Stadt Bronco war praktisch zweigeteilt: auf dem Hügel, in Bronco Heights, wohnten die Reichen, unten im Tal das normale Volk. Aber in Bronco Valley fand das Leben statt, hier befanden sich die Geschäfte und die Restaurants, während Bronco Heights eine reine Wohngegend war, wenn auch die teuerste weit und breit.

Bei wunderbarem Spätsommerwetter fuhr Brittany den Hügel hoch zur Ranch von Daniel Dubois. Nachdem sie die beeindruckende Toreinfahrt und die lange Allee passiert hatte, dehnte sich das Anwesen in seiner ganzen Schönheit vor ihr aus. Auf baumbestandenen Weiden grasten die Pferde, im Hintergrund erhoben sich die Berge, und über allem spannte sich der weite Himmel. Brittany hielt kurz an, um die friedliche Szenerie auf sich wirken zu lassen.

Sie parkte ihren Wagen am Rand des großen Vorplatzes und ging auf das moderne, villenartige Farmhaus zu. Auf ihr Klingeln erschien eine Frau in der Kleidung einer Hausangestellten, die sich als Marta vorstellte und Brittany lächelnd hereinbat.

„Sie sind pünktlich, das wird Mr. Dubois freuen. Ich sage ihm gleich, dass Sie da sind.“

Brittany folgte der Frau durch das Foyer und einen langen Flur bis zu einer geschnitzten Holztür. Dahinter befand sich ein geräumiges Arbeitszimmer. Marta bat Brittany, Platz zu nehmen. „Möchten Sie etwas trinken? Der Koch hat gerade frische Limonade gemacht.“

„Nein danke.“

Nachdem Marta den Raum verlassen hatte, ging Brittany umher und versuchte, anhand der Einrichtung etwas über Daniels Stil herauszufinden. Manche Kunden konnten ihren Geschmack nicht in Worte fassen, und es bedurfte oft einiger Intuition, um zu erfahren, was ihnen gefiel. Da half es, sich ihre Umgebung und ihr Äußeres genau anzusehen.

Daniel Dubois schien jedenfalls den maskulinen Westernstil zu bevorzugen. Auf seinem massiven, rustikalen Schreibtisch stand ein geschnitztes Pferd mit Reiter und in einer Vitrine waren diverse Trophäen für Zuchtpferde ausgestellt. An der Wand hingen gerahmte Danksagungen von gemeinnützigen Organisationen. Offenbar war Mr. Dubois auch ein sozial engagierter Mensch. Eindeutig ein Pluspunkt für ihn. Er mochte anspruchsvoll sein, aber er kümmerte sich auch um Menschen, denen es schlechter ging als ihm.

Die Tür ging auf, und Brittany konnte ihr Erstaunen nur mühsam verbergen. Daniel Dubois sah in der Realität noch besser aus als auf den Fotos, denn diese zeigten kaum etwas von seiner Ausstrahlung.

Mit ausgestreckter Hand kam er auf sie zu, und als er sie anlächelte, fing es in ihrem Bauch merkwürdig zu kribbeln an. Nein, nein, auf keinen Fall! Er war ein Kunde und daher absolut tabu für irgendwelche Gefühlsanwandlungen.

„Hoffentlich habe ich Sie nicht zu lange warten lassen.“

„Nein, gar nicht.“ Noch immer hielt er ihre Hand, und sie spürte seine muskulöse Handfläche. Er schien kein Mann zu sein, der auf seiner Pferderanch andere für sich arbeiten ließ, sondern er packte selbst mit an.

Er führte sie zu einer Sitzgruppe vor der raumhohen Fensterfront, die den Blick auf das weitläufige Ranchgelände freigab. In einiger Entfernung war ein Wasserfall zu erkennen, an dessen Ufer Wildtiere weideten, davor breiteten sich von Büschen und Wildblumen gesäumte Weideflächen aus.

Nur mit Mühe konnte sie sich von dem zauberhaften Anblick losreißen und ihr Notizbuch herausholen. Sie bevorzugte bei Kundengesprächen die altmodische Methode, handschriftliche Notizen zu machen. Sie fand, das wirkte persönlicher, als in einen Laptop zu tippen.

„Erzählen Sie mir etwas über Ihre geplante Dinnerparty. Wie stellen Sie sich den Abend vor, und gibt es einen speziellen Grund für das Fest?“

Er lehnte sich entspannt in seinem Sessel zurück. In seinen Jeans und dem blauen Baumwollhemd wirkte er vollkommen lässig, doch davon durfte sie sich nicht täuschen lassen. Dieser Mann war für seine Detailversessenheit bekannt.

„Sind Ihnen beim Hochfahren die Cottages oben auf dem kleinen Hügel aufgefallen?“

„Ja, das sieht sehr idyllisch aus.“

„Es sind Ferienhäuschen. Ich möchte einen Teil meiner Ranch für Touristen öffnen. Für ein anspruchsvolles Klientel, versteht sich. Und dafür möchte ich mir die Unterstützung der Stadt und meiner Nachbarn sichern. Aus jahrelanger Erfahrung weiß ich, wie wichtig das ist, um eventuellen Beschwerden vorzubeugen. Wenn ich meine Mitbürger von vornherein in mein Vorhaben einbeziehe, wird alles viel leichter und angenehmer funktionieren, als wenn ich alles im Alleingang mache. Und ich will mir auf jeden Fall das Wohlwollen meiner Nachbarn und Mitbürger erhalten, zumal ich noch nicht lange hier wohne.“

„Deshalb das Dinner. Eine gute Idee.“

„Ja, es soll ein Fest im größeren Rahmen werden, zu dem ich meine Nachbarn und alle einflussreichen Leute der Stadt einladen möchte.“ Er wurde ernst. „Bisher habe ich schlechte Erfahrungen mit Eventplanern gemacht, aber ich hoffe sehr, dass wir beide uns einig werden.“

Brittany lächelte ihn an. „Das hoffe ich auch. Jedenfalls kann ich Ihnen versprechen, eine Dinnerparty auf die Beine zu stellen, die keine Wünsche offen lässt, und die Ihnen garantiert den gewünschten Erfolg bringt.“

„Sie sind ziemlich selbstbewusst.“

„Ich weiß einfach, was ich kann.“

Er nickte. „Bevor wir in die Details gehen … Haben Sie noch Zeit für eine Ranchbesichtigung? Es ist sicher sinnvoll, wenn Sie das Terrain kennen, dann können Sie sich einen besseren Einblick verschaffen.“

„Ja, gern, ich habe Zeit.“

„Okay. Können Sie reiten?“

„Ja, kein Problem.“

„Dann gehen wir doch in den Stall und suchen ein Pferd für Sie aus.“ Seine Mundwinkel verzogen sich zu einem schelmischen Lächeln, das bei ihr von neuem ein Kribbeln im Bauch auslöste. Wie sollte sie die nötige Distanz wahren, wenn der Mann sie bereits mit seinem Lächeln völlig durcheinanderbrachte?

Sie durchquerten das Haus, und beim Blick in die luxuriös, jedoch etwas steril eingerichteten Zimmer kam sie zu der Vermutung, dass es anscheinend keine Mrs. Dubois gab, die für eine etwas gemütlichere Atmosphäre hätte sorgen können.

Durch eine Hintertür traten sie ins Freie, und Brittany atmete tief den würzigen Duft von Wildblumen und frisch gemähtem Heu ein. Ein mit Kopfsteinen gepflasterter Weg führte zu den Ställen. Das Tor stand offen, und als sie eintraten, kam sofort ein Mann auf sie zu. Höflich lüftete er seinen Cowboyhut. „Guten Tag, Madam. Hallo, Mr. Dubois.“

„Jerry, ich möchte Ms. Brandt die Ranch zeigen. Wären Sie so nett, Sugar Cookie für sie zu satteln?“

„Gern.“ Jerry entfernte sich.

„Sugar Cookie?“, wunderte sich Brittany. Unwahrscheinlich, dass Daniel Dubois ein Pferd so nennen würde.

„Der Name stammt nicht von mir. Die Stute gehörte früher einem kleinen Mädchen.“ Er ging zu einer Box, in der ein wunderschöner Hengst stand, den er für sich sattelte. Kurz darauf erschien Jerry mit der Stute und machte Anstalten, Brittany in den Sattel zu helfen.

„Das mache ich schon“, sagte Daniel. „Danke, Jerry.“

„Okay.“ Jerry verabschiedete sich.

Bevor Brittany einwenden konnte, dass sie durchaus in der Lage sei, selbstständig ein Pferd zu besteigen, hatte Daniel schon die Hand um ihre Hüfte gelegt und sie in den Sattel gehoben. Plötzlich war sie von seiner Wärme und seinem männlich-herben Duft umgeben, und ihr Herz fing wild zu pochen an. Nachdem er die Steigbügel befestigt hatte, wandte er sich seinem eigenen Pferd zu und führte es aus dem Stall.

Brittany folgte ihm und wischte sich hinter seinem Rücken den imaginären Schweiß von der Stirn. Wie oft würde sie sich wohl noch eintrichtern müssen, dass dieser Daniel Dubois ein Kunde, also für sie tabu war?

Sie bedauerte, keine Jeans angezogen zu haben. Vermutlich würde ihre Businesskleidung nach dem Ritt etwas ramponiert aussehen. Aber wozu besaßen ihre Eltern eine chemische Reinigung?

Daniel schwang sich auf seinen Hengst und ritt voraus in Richtung der Weideflächen. Ein paarmal sah er sich zu ihr um, als ob er bezweifelte, dass sie wirklich reiten konnte. Aber sie war schließlich in Montana aufgewachsen. Klar, konnte sie reiten.

Offensichtlich zufrieden mit dem, was er sah, beschleunigte Daniel das Tempo. Auf seinem Hengst wirkte er derart kraftvoll und männlich, dass sie kaum die Augen von ihm wenden konnte. Dabei hätte sie lieber die wunderschöne Landschaft betrachtet.

Sie hoffte nur, dass sie sich bald wieder auf ihre Arbeit konzentrieren konnte. Normalerweise ließ sie sich nicht so leicht ablenken, doch jetzt war ihr Auftrag gänzlich in die Ferne gerückt. Sie musste ihre Gefühle in den Griff bekommen, sonst würde sie kläglich scheitern.

2. KAPITEL

Daniel blickte sich zu Brittany um. Strahlend vor Lebenslust saß sie auf ihrem Pferd. Ihre schönen braunen Augen funkelten, und ihre Wangen waren von der frischen Luft gerötet. Was in aller Welt hatte ihn dazu bewogen, sie zum Reiten einzuladen? Wenn er sich an seinen Plan gehalten hätte, wäre sie jetzt längst wieder auf dem Weg in ihr Büro.

Aber wenn er mit ihr arbeiten wollte, war es sicher von Vorteil, sie näher kennenzulernen. Er musste zugeben, dass ihm die Unterhaltung mit ihr Spaß gemacht hatte. Die Art, wie sie offen ihre Meinung sagte, imponierte ihm. Leute, die ihm nur nach dem Mund redeten, konnte er nicht ausstehen. Er brauchte ebenbürtige Partner, keine Duckmäuser.

Eigentlich hatte er vorgehabt, das Meeting zu beenden, sobald alles besprochen wäre. Aber als sie die Beine übereinanderschlug, war seine Fantasie plötzlich in eine ganz andere Richtung gewandert. Ihr Duft war zu ihm herübergeweht und hatte seine Sinne vollkommen verwirrt. Nur so war sein Vorschlag zu erklären, ihr die Ranch zu zeigen.

Natürlich konnte es von Vorteil sein, wenn sie das Terrain kannte und sich ein Bild von dem machen konnte, was er vorhatte. Und ihr freudiges Staunen zeigte ihm, dass sie genauso begeistert von seiner Ranch war wie er selbst.

Er brachte sein Pferd zum Stehen und stieg ab. Brittany tat es ihm gleich, und zwar so gekonnt, dass er es unterließ, ihr seine Hilfe anzubieten.

Nachdem sie die Pferde an einen Baum gebunden hatten, blieben sie eine Weile nebeneinander stehen und betrachteten die Landschaft.

„Es ist wirklich wunderschön hier. Und dieses ganze riesige Gelände gehört Ihnen?“

„Ja.“

Als sie sich zur anderen Seite drehte, um auch diesen Teil des Terrains zu betrachten, fiel sein Blick unwillkürlich auf ihren festen, runden Po, und wieder ging seine Fantasie auf Abwege.

„Mich hat die Ranch damals auch sofort beeindruckt. Es war ein wirklicher Glücksgriff. Die Scheunen und Ställe waren bereits vorhanden, die musste ich nur renovieren. Ein Haus gab es nicht, aber ich habe, glaube ich, den besten Platz für mein neues Haus gefunden.“

Sie drehte sich wieder zu ihm um. „Definitiv, soweit ich das beurteilen kann. Haben Sie das Haus selbst entworfen?“

„Ja, natürlich mithilfe eines Architekten.“

Sie lächelte ihn an, und einen Moment lang hefteten sich ihre Blicke ineinander. „Nett von Ihnen, mir die Ranch zu zeigen.“

„Es war ein spontaner Einfall. Schön, dass es Ihnen gefällt.“

„Es ist fantastisch.“

Wie sie dastand und ihn anlächelte! Er fand diese Frau atemberaubend. Aber er durfte sich nicht von ihrem Aussehen ablenken lassen. Sie sollte einen Auftrag für ihn ausführen, nur darum ging es. Er hatte schon genug am Hals und konnte sich absolut keine amourösen Abenteuer erlauben.

„Hier draußen können Sie alles hautnah erleben – die frische Luft, die verschiedenen Düfte, das ganze Panorama … Anders als vom Fenster aus.“

Sie sah ihn lange an, als ob sie sich fragte, ob er jetzt nicht etwas dick auftrug. Und er wunderte sich über sich selbst, denn normalerweise machte er sich herzlich wenig Gedanken darüber, was seine Mitmenschen von ihm hielten. Bei dieser Frau war alles anders, und das fand er irgendwie bedrohlich.

„Die vielen Eindrücke werde ich auf jeden Fall nutzen, um die Party mit Leben zu füllen“, sagte sie.

„Sehr gut.“

„Sie können mir vertrauen. Ich werde alles zu Ihrer Zufriedenheit organisieren.“

„Das hoffe ich.“ Er stieß den Atem aus. „Wie gesagt, ich wohne noch nicht lange hier und bin mit den Leuten noch nicht so richtig warm geworden. Viele betrachten mich sicher skeptisch, denn immerhin habe ich eines der größten Anwesen hier in der Gegend gekauft. Wahrscheinlich hatte mancher Alteingesessene schon damit geliebäugelt, es für eins seiner Kinder zu erwerben. Hinzu kommt, dass ich mitten in einem Rinderzuchtgebiet eine Pferderanch betreibe. Wie Sie sehen, ist es nötig, dass ich etwas für mein Image tue.“

Brittany lächelte schief. „Ganz so einig sind sich Ihre Nachbarn auch untereinander nicht. Es gibt in der Stadt seit Längerem ein Kräftemessen zwischen altem und neuem Geld, und auch zwischen den Reichen in Bronco Heights und dem Mittelstand in Bronco Valley. In den Stadtratssitzungen soll es immer ziemlich turbulent zugehen.“

„Das war mir bisher neu.“

„Zwei Dinge will ich damit sagen: Erstens, erwarten Sie nicht zu viel von einer guten Nachbarschaft, manche von den Gästen sollte man beim Essen lieber nicht nebeneinandersetzen. Zweitens, Sie sind nicht der Einzige, gegen den es Ressentiments gibt.“

Daniel lachte. „Ist das ein Vorteil oder ein Nachteil?“

Sie stimmte in sein Lachen ein und machte eine theatralische Geste. „Jedenfalls sind Sie mit einer Expertin wie mir, die mit den lokalen Gegebenheiten bestens vertraut ist, genau auf der richtigen Seite.“

Daniel musterte sie lächelnd. Er fand sie so bezaubernd, dass er sie am liebsten in den Arm genommen hätte. Ob sie die Anziehung ebenso spürte?

Über ihnen stieß ein Raubvogel seinen spitzen Schrei aus und lenkte Daniel von seinen abwegigen Gedanken ab. Was war bloß mit ihm los? Hier ging es doch nur um einen Auftrag, und da behielt er normalerweise einen kühlen Kopf.

Er deutete auf eine Gruppe von Findlingen im Schatten einer großen Eiche. „Wollen wir uns einen Moment setzen?“

„Ja, gut, dann können wir noch ein paar Dinge besprechen.“

Sie gingen zu der Steingruppe, und Brittany setzte sich ihm gegenüber. „Ich weiß jetzt, was Sie von dem Dinner erwarten. Aber wie soll das Ganze ablaufen? Beschreiben Sie doch kurz, wie Sie sich den Abend vorstellen.“

Für Dinge, die im weitesten Sinn mit Kreativität zu tun hatten, war er noch nie empfänglich gewesen. Bildende Kunst, Musik und Literatur lagen außerhalb seines Interessenspektrums. Fakten, Mathematik, Wissenschaft – in dieser Welt war er zu Hause. Nach seinem Abschluss in Ingenieurswissenschaften hatte er zusammen mit seinem besten Freund eine Biotechnologie-Firma gegründet und sich auf Gentests spezialisiert. Die Firma war so erfolgreich, dass sie damit vor ein paar Jahren an die Börse gehen konnten und Gewinne machten, die sie sich niemals erträumt hätten.

Vor einem Jahr war Daniel dann als CEO aus der Firma ausgetreten, weil er sich endlich seinen wirklichen Traum erfüllen wollte. Er zog von Texas nach Montana, um eine Pferderanch zu betreiben. Seine Kenntnisse in Genetik waren ihm bei der Pferdezucht sehr hilfreich.

Sein früherer Partner Stephanos Dimitry war enttäuscht gewesen, als Daniel die Firma verließ, hatte ihm als guter Freund aber viel Glück gewünscht und versprochen, sein erster Kunde zu werden, sobald es mit dem Ferienbetrieb losging.

„Nun?“, fragte Brittany und riss ihn aus seinen Überlegungen.

„Ich möchte meinen Gästen die Vorteile meines Projekts aufzeigen, den positiven Effekt für die gesamte Stadt, indem der Tourismus gefördert wird. Die Leute sollen das Gefühl bekommen, dass sie alle vom Erfolg des Unternehmens profitieren.“

„Das liegt eigentlich auf der Hand, und ich bin sicher, dass ich wesentlich dazu beitragen kann, dass es auch bei allen ankommt.“

Sein Telefon klingelte, und er sah auf das Display. „Da muss ich mal eben rangehen“, entschuldigte er sich.

Sie nickte.

„Mr. Dubois?“ Die Stimme der Frau am Telefon zitterte, und in Daniel breitete sich Panik aus.

„Ja? Was gibt es denn?“

„Ein Notfall in meiner Familie. Ich muss sofort weg.“

„Okay, ich bin in zwanzig Minuten bei Ihnen“, rief er ins Telefon und sprang auf. „Ich muss sofort nach Hause“, erklärte er Brittany und lief zu seinem Pferd.

„Alles klar.“ Brittany folgte ihm, und gemeinsam galoppierten sie zum Haus zurück.

Nachdem sie die Pferde an Jerry übergeben hatten, eilte Daniel zum Haus und stürmte hinein. Brittany folgte ihm in einigem Abstand.

Ein großer karierter Koffer stand im Flur, und Emma blickte ihm traurig entgegen.

„Sie können mich doch nicht so hängen lassen, Emma. Wir haben einen Vertrag, das wissen Sie.“

„Es tut mir so leid, Mr. Dubois, aber mein Vater hat einen Herzinfarkt und womöglich nicht mehr lange zu leben. Und er hat meine Mutter gepflegt, das muss ich jetzt übernehmen.“

Daniel rieb sich verzweifelt übers Gesicht. Es wäre herzlos, seine Hausangestellte unter diesen Umständen zum Bleiben zu überreden. Er wusste, wie es war, die Eltern zu verlieren. Seine Eltern waren vor drei Jahren im Abstand von nur fünf Monaten gestorben. Sie hatten geheiratet, als sie beide einundzwanzig waren, und Daniels Vater hatte ohne seine geliebte Frau nicht weiterleben können. Ein paar Monate nach ihrem Krebstod starb er an einem Herzschlag.

„Es tut mir wirklich leid“, wiederholte Emma, „aber es geht nicht anders.“

„Ja, gehen Sie ruhig, Emma“, sagte Daniel mit tonloser Stimme.

Im Augenwinkel bemerkte er Brittanys verblüfftes Gesicht. Ihm war klar, dass die vorangegangene Unterredung für einen Außenstehenden vollkommen unverständlich sein musste.

Emma griff nach ihrem Koffer und lief hinaus, ohne sich noch einmal umzublicken.

Er stieß einen Fluch aus und hastete die Treppe hoch. Oben saß Hailey in ihrem Bettchen und knabberte an einem Beißring. Als sie ihn sah, hopste sie vergnügt und grinste ihn mit ihren vier Vorderzähnchen an. Sofort verflog sein Ärger. Lächelnd nahm er das Baby hoch und drückte es an seine Brust.

Hailey brabbelte etwas in ihrer Babysprache, die nur sie selbst verstand. Als er nicht gleich reagierte, patschte sie ihm die kleinen Hände an die Wangen. Aus Erfahrung wusste er, dass sie binnen einer Sekunde von zufriedenem Gebrabbel zu lautem Brüllen wechseln konnte, wenn sie ihren Willen nicht bekam. Vielleicht war ihre Windel voll, oder sie hatte Hunger.

Er trug sie zum Wickeltisch und zog ihr die rosa Fleecehose aus. Eine schwierige Angelegenheit, weil Hailey die ganze Zeit strampelte, aber inzwischen hatte er schon etwas Übung im Wickeln. Nachdem er sie von der vollen Windel befreit und ihr eine frische Strampelhose angezogen hatte, nahm er sie auf den Arm und ging mit ihr die Treppe hinunter.

Als er direkt die Küche ansteuerte, um Hailey ein Fläschchen zu machen, fiel ihm Brittany ein. Die hätte er beinahe vergessen! Ob sie überhaupt noch da war? Er lugte in den Salon, und dort stand sie vor dem Fenster und blickte hinaus.

„Darf ich Ihnen Hailey vorstellen, Ms. Brandt?“, fragte er.

Sie drehte sich um, und ihre Augen weiteten sich vor Verwunderung. „Oh“, sagte sie, offenbar um Fassung ringend. Dann kam sie näher und lächelte das Baby an. „Hallo, du Süße.“

Hailey brabbelte eine Begrüßung und streckte die Arme nach Brittany aus.

Daniel war überrascht, denn normalerweise war die Kleine scheu gegenüber Fremden. Er hatte es mit etlichen Kindermädchen probiert, aber Emma war die einzige gewesen, die von Hailey akzeptiert wurde. Es würde schwierig werden, jemand Neues zu finden. Vorerst würde er sich wohl selbst um das Kind kümmern müssen. Er war wieder genau in der gleichen Situation wie vor ein paar Monaten, als Hailey unerwartet in sein Leben kam.

Brittany streichelte Haileys mollige kleine Hand. „Ich wusste nicht, dass Sie verheiratet sind.“

„Bin ich auch nicht.“

„Okay.“ Sie war offensichtlich verwirrt, und er konnte es ihr nicht verdenken. Gerade hatten sie ein wenig miteinander geflirtet, und jetzt stand er mit einem Baby im Arm da.

Hailey strampelte ungeduldig in seinem Arm, und er setzte sie auf den Teppich vor dem Sofa. „Tut mir leid, wir müssen unser Meeting beenden. Da ich jetzt kein Kindermädchen mehr habe, muss ich mich selbst um das Baby kümmern. Ich melde mich, sobald es geht, dann können wir alles weitere besprechen.“

„Inzwischen könnte ich schon ein paar Vorschläge ausarbeiten, wenn Sie wollen.“

„Ja gern, danke.“

„Dann melde ich mich, wenn ich so weit bin.“

Hailey krabbelte auf Brittany zu und zog an ihrem Hosenbein. Er wollte sich gerade hinunterbeugen, um sie hochzunehmen, aber Brittany kam ihm zuvor und nahm das Baby auf den Arm. Sofort zupfte Hailey an ihren Haaren und fremdelte kein bisschen.

Lachend reichte Brittany ihm das Baby. „Ich kann mich gern nach einem Kindermädchen umhören, wenn Sie wollen.“

„Auf keinen Fall.“ Seine Stimme klang lauter, als er beabsichtigt hatte. „Eins muss klar sein, Sie dürfen mit niemandem über das Kind sprechen. Davon hängt Ihr Auftrag ab, okay?“

Sie stemmte die Hände in die Hüften. „Also mit Drohungen kommen Sie bei mir nicht weiter. Sie hätten mich einfach nur um Stillschweigen zu bitten brauchen. Es ist nicht meine Art, mit Interna über meine Klienten hausieren zu gehen.“

„Dann ist ja alles klar.“

Sie starrten einander einen Moment lang an, dann drehte Brittany sich um und ging in sein Büro, um ihre Tasche zu holen. „Wie gesagt, ich melde mich bei Ihnen, und dann können wir das weitere Vorgehen besprechen.“

„Sie gehen also davon aus, dass Sie den Job bekommen? Vielleicht gefallen mir Ihre Vorschläge ja gar nicht.“

Sie runzelte die Stirn. „Das ist Ihr gutes Recht. Noch haben wir keinen Vertrag.“

Daniel begleitete sie zur Tür und sah ihr nach, wie sie zu ihrem Wagen ging. Ihr anmutiger Hüftschwung gefiel ihm – und außerdem noch ein paar andere Dinge. Rasch schloss er die Tür. Im Moment gab es in seinem Leben keinen Platz für eine Frau, nicht einmal für eine kurze Liebelei. Aber was sollten diese Gedanken überhaupt? Das alles war doch vollkommen unwichtig, hier ging es einzig und allein um einen Auftrag.

Brittany spürte förmlich Daniels Blick im Rücken, während sie zu ihrem Auto ging. Das war wohl das bizarrste Meeting, das sie je erlebt hatte. Der Mann hatte mit ihr geflirtet, sie provoziert, ihr gedroht, alles auf einmal. Und beinahe hätte er sie aus dem Konzept gebracht. Aber nur beinahe.

Daniel Dubois galt als knallharter Geschäftsmann, aber über sein Privatleben war kaum etwas bekannt. In den einschlägigen Magazinen war er stets mit wechselnden Begleiterinnen abgebildet, also war er offenbar Single – und bei den Damen sehr beliebt.

Aber wie kam er zu dem Kind? Das hätte sie zu gern gewusst.

Sie schob den Gedanken beiseite und versuchte, sich auf ihre Arbeit zu konzentrieren und sich schon mal zu überlegen, wie das Dinner ablaufen könnte. Da sie sich während der Fahrt keine Notizen machen konnte, griff sie auf ihre altbewährte Methode zurück, sich Dinge spielerisch zu merken. Sie sang sich ihre Ideen vor. So hatte sie ihrer jüngeren Schwester durch das Medizinstudium geholfen. Noch heute lachten sie über den Magen-Darm-Song, den Brittany sich damals ausgedacht hatte.

Während sie ein Lied über Farbkompositionen und Tischdekoration kreierte, fuhr sie beschwingt ins Büro zurück. Dort tippte sie ihre Ideen direkt in den Computer, druckte die Seiten aus und steckte sie in ihre Handtasche. Zu Hause würde sie mehr Ruhe haben, noch mal alles durchzugehen.

Es war bald Büroschluss, und ihre Kollegin Julia steckte den Kopf durch die Tür. „Wir gehen gleich noch was trinken. Kommst du mit?“

Brittany mochte das gemeinsame Chillen nach Feierabend, aber heute war sie nicht in Stimmung. Vor allem hatte sie keine Lust, über das Treffen mit Daniel Dubois zu reden und die Fragen zu beantworten, die unweigerlich kommen würden.

„Heute nicht. Ich bin ziemlich kaputt. Aber ich wünsche euch viel Spaß.“

„Okay, dann bis morgen.“

Es war nur eine kurze Autofahrt bis zu dem Apartment, das sie mit ihrer Freundin Amanda Jenkins teilte. Zu ihrer Überraschung war Amanda zu Hause. Seit sie mit Holt Dalton verlobt war, verbrachte sie sonst die meiste Zeit bei ihm.

Brittany gönnte ihrer Freundin das Glück, auch wenn sie selbst keinerlei Interesse an Verlobung oder Heirat hatte.

„Hallo, Amanda, schön, dich zu sehen.“

„Hi.“ Amanda blickte lächelnd von ihrer Zeitschrift auf.

Neben ihr lag ein Stapel Brautmagazine, und Brittany setzte sich zu ihr. „Und, hast du schon ein Kleid gefunden?“

„Bis jetzt habe ich nur aussortiert, was auf keinen Fall geht.“

Brittany lachte. Amanda war klein und sehr hübsch. „Dir steht doch alles, bei deiner Figur. Wir Brautjungfern müssen aufpassen, dass wir neben dir nicht völlig blass aussehen.“

„Von wegen.“ Amanda legte ihr Heft beiseite. „Aber jetzt erzähl mal von deinem Meeting mit Daniel Dubois.“

Brittany streckte die Füße von sich. „Es war ganz interessant.“

„Na komm, ich will schon ein bisschen mehr hören.“

„Er ist anders, als ich erwartet habe, aber gleichzeitig auch wieder ganz genauso.“

Amanda lachte. „Es wird ja immer verworrener.“

„So war es auch. Eigentlich ist er ja als knallharter Geschäftsmann bekannt, der alle nach seiner Pfeife tanzen lässt.“

„Genau.“

„Aber er hat auch eine andere Seite. Wir sind zusammen ausgeritten, und er hat mir die Ranch gezeigt. Da war er ausgesprochen charmant und lustig.“ Sie hatte wieder sein Bild vor Augen, wie er lässig auf seinem eleganten Hengst über sein Anwesen galoppierte. Daraus könnte man einen Werbefilm machen.

„Moment mal. Ihr seid ausgeritten? Ich dachte, es ginge um was Geschäftliches.“

„Ja, das haben wir nebenbei erledigt. Jedenfalls fand er, ich solle mir die Ranch ansehen, damit ich einen Eindruck bekomme, worum es ihm geht.“

„Aha.“

„Wieso sagst du das so komisch?“

„Also für mich hört sich das nicht sehr geschäftlich an.“

„Also wirklich, Amanda. Seit du verlobt bist, siehst du überall Romanzen.“

Amandas braune Augen blitzten amüsiert. „Wer hat denn hier von Romanze gesprochen?“

Brittany fühlte sich ertappt. Der Mann hatte etwas Unwiderstehliches, das war nicht zu leugnen. Aber darüber musste sie sich hinwegsetzen. Nicht nur, weil es hier um einen Job ging, sondern vor allem, weil sie im Umgang mit Männern vorsichtig war. Sie ging zwar ab und an mit einem Mann aus, aber sobald es ihr zu verbindlich wurde, machte sie einen Rückzieher. Mann und Kinder waren in ihrem Lebensplan nicht vorgesehen.

Ihr Desinteresse mochte damit zu tun haben, dass sie früh auf ihre kleineren Geschwister aufpassen musste, weil ihre Eltern vollauf mit ihren Reinigungsbetrieben beschäftigt waren. Sie hatte ihre Mutter immer nur erschöpft erlebt, denn sie musste sich nach der Arbeit noch um Haushalt und Kinder kümmern.

Schon früh war Brittany klar, dass sie so ein Leben auf keinen Fall wollte. Sie hatte einen Beruf, der sie befriedigte und der ihr Aufstiegschancen bot. Mit ihren dreiunddreißig hatte sie weder Torschlusspanik, noch hörte sie die biologische Uhr ticken, wie sie es von anderen Frauen in ihrem Alter kannte. Nicht, dass sie Kinder nicht mochte. Im Gegenteil. Sie wollte nur keine eigenen.

Ihre Mom behauptete immer, wenn sie den Richtigen träfe, würde sie ihre Meinung schon ändern. Aber das konnte Brittany sich überhaupt nicht vorstellen.

„Denk, was du willst“, sagte sie zu Amanda, die sie noch immer amüsiert musterte. „Ich muss jetzt jedenfalls noch ein bisschen arbeiten. Wir sehen uns morgen früh.“

Sie machte sich den Essensrest warm, den ihre Mom ihr am Tag zuvor mitgegeben hatte, und ging in ihr Zimmer. Mit ihrem Teller setzte sie sich an den Schreibtisch und holte ihre Notizen heraus. Während sie achtlos die Gabel zum Mund führte, las sie alles noch mal durch und fertigte dabei mit dem Bleistift ein paar Skizzen an.

Doch die meiste Zeit sah sie gedankenverloren aus dem Fenster, ohne die schöne Grünanlage vor ihrem Apartment auch nur eines Blicks zu würdigen. Das Bild von Daniel Dubois auf seinem eleganten Hengst ging ihr nicht aus dem Kopf. Sie stellte sich vor, wie er lächelnd auf sie zuritt, eilig vom Pferd stieg und sie in die Arme nahm. Dann senkte er den Kopf, und ihre Lippen trafen sich …

Draußen schrie eine Eule, und Brittany zuckte zusammen. Was war bloß mit ihr los? Wie sollte sie in diesem Zustand die geplante supertolle Dinnerparty auf die Beine stellen? Diese Fantasien mussten ein für allemal aufhören. Selbst wenn Daniel Dubois nicht ihr Kunde wäre – der Mann hatte ein Kind, und allein deshalb wäre er als Partner indiskutabel.

„Ich komm ja schon“, murmelte Daniel, während er ins Kinderzimmer lief. Die letzten Tage waren für ihn der absolute Stresstest gewesen. Sich um ein Baby kümmern und gleichzeitig die Ranch am Laufen halten, das war schlichtweg unmöglich.

Hailey schrie aus Leibeskräften, als er das Kinderzimmer betrat. Es war erst vier Uhr morgens, daher machte er kein Licht in der Hoffnung, sie würde gleich wieder einschlafen. Ihre Windel war noch trocken, wie er feststellte. Er nahm die Kleine hoch, setzte sich mit ihr in den Schaukelstuhl und legte sie auf seine Brust. Langsam wippte er hin und her und redete dabei besänftigend auf sie ein. „Hast du schlecht geträumt, mein Kleines? Vermisst du deine Mommy?“

Es verging kaum kein Tag, an dem Daniel nicht an seine tote Schwester dachte. Wie gern würde er die Zeit zurückdrehen und alles besser machen. Doch nun musste er mit seiner Trauer und den Gewissensbissen leben.

Später würde er Hailey von ihrer Mom erzählen. Von ihrem Vater kannte er nur den Namen, Craig Larimar. Er war zusammen mit Jane tödlich verunglückt.

„Deine Mom hat dich sehr lieb gehabt, und dein Dad auch.“ Seine einlullende Stimme beruhigte das Baby. „Jetzt hast du nur noch mich, aber ich habe dich genauso lieb wie deine Eltern.“ Er gab Hailey einen Kuss auf die Stirn. „Und jetzt schläfst du schön wieder ein.“

Hailey hob den Kopf und lachte ihn an.

Er seufzte leise. Das konnte dauern mit dem Einschlafen. „Sch“, machte er und drückte sanft ihren Kopf an seine Brust. Eine Weile musste er noch hin und her schaukeln, dann schlief sie endlich ein, und er legte sie vorsichtig in ihr Bettchen zurück.

Eins war klar, so konnte es nicht weitergehen. Er musste sich Hilfe holen. Vielleicht sollte er doch das Angebot der Eventplanerin annehmen, ihm bei der Suche nach einer neuen Nanny zu helfen. Aber das würde bedeuten, dass sämtliche Leute in Bronco von Hailey erfuhren.

Seit seiner Zeit als erfolgreicher Unternehmer versuchte er, sein Privatleben abzuschotten. Am liebsten wäre er niemals in die Presse gelangt, aber für seine Publicity war das anfangs unerlässlich gewesen. Zum Glück hatte das Interesse nachgelassen, seit er in Montana lebte, doch er wollte der Presse keinesfalls neues Futter geben. Hailey sollte eine unbeschwerte Kindheit haben und nicht von Fotografen belästigt werden.

Da an Einschlafen jetzt nicht mehr zu denken war, machte er sich einen Kaffee und setzte sich an den Schreibtisch. Es war vieles liegen geblieben. Vielleicht hatte Brittany Brandt ihm sogar schon ein paar Vorschläge geschickt.

Er freute sich darauf, sie bald wieder zu treffen.

3. KAPITEL

Brittany zog die letzte Seite aus dem Drucker, legte alle Blätter sorgfältig zusammen und heftete sie in eine Prospekthülle. Sie war sehr zufrieden mit dem, was sie bisher erreicht hatte. Etliche Cateringfirmen und Anbieter von Veranstaltungsräumen hatten ihr interessante Angebote vorgelegt, die sie bald mit Daniel besprechen wollte.

Bisher hatte sie nichts von ihm gehört. Die beiden Nachrichten, die sie ihm geschickt hatte, waren unbeantwortet geblieben. Um sicherzugehen, dass er noch an einer Zusammenarbeit mit ihr interessiert war, musste sie ihn wohl zu Hause aufsuchen – auf die Gefahr hin, dass er sie abwies. Aber das Risiko ging sie gerne ein.

Dass ihr Herz auf der Fahrt heftig pochte, versuchte sie zu ignorieren. Sie würde cool bleiben und sich auf keinen Fall anmerken lassen, wie fasziniert sie von diesem Mann war.

An der Haustür atmete sie noch einmal tief durch, dann drückte sie auf den Klingelknopf.

Marta schien erfreut, sie zu sehen. „Guten Tag, Ms. Brandt.“

„Hallo, Marta. Tut mir leid, dass ich unangemeldet komme, aber vielleicht hat Mr. Dubois ja ein paar Minuten Zeit für mich.“

„Ich werde ihn fragen. Kommen Sie herein.“

Brittany brauchte nicht lange zu warten.

„Mr. Dubois bittet Sie ins Wohnzimmer“, sagte Marta. „Bitte folgen Sie mir.“

Marta führte sie in einen Flügel des Hauses, den Brittany noch nicht kannte. In einem großen Zimmer mit gemütlicher Sofaecke saß Daniel mit der kleinen Hailey auf einem Spielteppich und sah ihr lächelnd entgegen. Aber im Vergleich zum letzten Treffen wirkte er erschöpft. Er hatte dunkle Ringe unter den Augen und einen Dreitagebart, und auf seinem T-Shirt prangten Obstflecke.

Er sah sie zerknirscht an. „Tut mir leid, dass ich Ihnen nicht geantwortet habe. Aber Hailey hält mich ziemlich auf Trab.“ Er unterdrückte ein Gähnen.

„Sie haben anscheinend noch keine Nanny gefunden.“

„Nein.“ Er seufzte schwer. „Meine Angestellten versuchen alles, um mich zu entlasten, aber Hailey macht jedes Mal ein Riesentheater.“

Brittany widerstand dem Drang, ihm nochmals ihre Hilfe anzubieten. Das war beim letzten Mal gründlich danebengegangen. Andererseits tat er ihr leid, denn offensichtlich war er mit dem Baby überfordert.

Beim Klang von Brittanys Stimme hatte Hailey sich ihr zugewandt und sie angestrahlt. Mit ihren vier kleinen Vorderzähnen sah sie einfach zu niedlich aus. Aber Brittany durfte nicht schwach werden, sonst wäre sie bald genauso überfordert wie Daniel.

„Ich wollte Ihnen nur kurz meine Ideen vorstellen, aber ich kann Ihnen meine Mappe auch einfach dalassen, dann können Sie sich alles in einer ruhigen Minute ansehen.“

„Eine ruhige Minute werde ich so schnell nicht finden. Falls es Ihnen nichts ausmacht, würde ich das gern jetzt erledigen.“

Hailey fing an zu brabbeln, als wollte sie auch ihre Meinung dazu sagen, und streckte dann die Arme nach Brittany aus.

Daniel gähnte hinter vorgehaltener Hand. „Sie hatten mir angeboten, nach einer Nanny Ausschau zu halten. Tut mir leid, dass ich das abgelehnt habe. Falls das Angebot noch gilt, würde ich gern darauf zurückkommen.“

„Klar, kein Problem. Ich kann mich umhören. Es braucht ja keiner zu wissen, dass es für Sie ist.“

„Das wäre wirklich nett, vielen Dank. Außerdem möchte ich mich für letzte Woche entschuldigen. Ich wollte nicht unverschämt werden, aber ich bin im Moment ziemlich unter Druck.“

„Ist schon vergessen.“

„Danke.“

Er lächelte sie an, und Brittany spürte wieder das Kribbeln im Bauch, das sie schon zur Genüge kannte. Sie musste sich eingestehen, dass sie absolut nichts gegen die Faszination tun konnte, die dieser Mann auf sie ausübte. Zum Glück würde sie nicht allzu lange mit ihm zu tun haben. Sobald die Dinnerparty gelaufen war, trennten sich ihre Wege.

Mr. Rogers, Daniels Butler, kam herein. „Bitte entschuldigen Sie die Störung, Mr. Dubois, aber da ist ein dringender Anruf für Sie aus Dallas.“

„Das passt jetzt gar nicht. Sagen Sie, ich rufe zurück.“

„Ich bin sicher, Sie werden dieses Gespräch annehmen wollen.“

„Wer ist es denn?“

„Ein Mann namens Larimar“, erwiderte der Butler mit unergründlicher Miene.

Daniel zuckte zusammen. „Okay, ich komme.“

Er wandte sich Brittany zu. „Könnten Sie vielleicht ein paar Minuten auf Hailey aufpassen?“

„Ja“, erwiderte Brittany etwas perplex.

Als sie sich zu Hailey auf den Spielteppich setzte, hopste die Kleine fröhlich auf und ab. Gleich darauf krabbelte sie mit enormer Schnelligkeit zum Sofa und versuchte, sich daran hochzuziehen. Nachdem sie es geschafft hatte, klatschte sie vor Freude in die Hände und plumpste prompt auf ihr Hinterteil.

Brittany lachte und ging zu ihr. „Komm, wir versuchen’s gleich noch mal.“ Diesmal legte sie der Kleinen stützend die Hand in den Rücken.

Als sie Schritte hörte, drehte sie sich um und sah Daniel kreidebleich im Türrahmen stehen.

„Ist etwas passiert?“, fragte Brittany besorgt.

Er nickte. „Sie müssen mir einen Gefallen tun, Ms. Brandt. Ich weiß, das ist eine etwas ungewöhnliche Bitte bei einem Geschäftsmeeting, aber könnten Sie noch eine Weile auf Hailey aufpassen? Ich muss sofort meinen Anwalt anrufen, und es kann länger dauern. Ich wäre Ihnen wirklich sehr dankbar. Zu Ihnen hat Hailey Vertrauen.“

„Ähm, ja, natürlich.“

„Ich bin in meinem Büro, falls etwas ist.“

Bevor Brittany etwas erwidern konnte, war er schon weg.

Sie sah Hailey an. „Dein Daddy ist ein ziemlich beschäftigter Mann.“

„Baba“, antwortete Hailey, und Brittany musste wieder lachen. Je länger sie mit dem Baby zusammen war, desto lustiger fand sie das Ganze. Eigentlich war es eine schöne Abwechslung zu ihrem Berufsalltag.

Hailey nahm die Hände vom Sofa und landete prompt wieder auf ihrem Popo. Diesmal schien sie frustriert, und ihr Mund fing an zu zittern.

„Nicht weinen.“ Brittany nahm sie auf den Schoß und küsste ihren zarten Babynacken, woraufhin Hailey laut giggelte. Und als Brittany ihren pummeligen Bauch kitzelte, krähte sie vor Lachen.

So fand Daniel die beiden, als er zurückkam. Aber er blieb ernst, anscheinend war die Unterredung mit dem Anwalt nicht gut gelaufen.

Brittany stand mit Hailey im Arm auf. „Sie sehen gar nicht gut aus. Kann ich irgendetwas für Sie tun?“

Auf Daniels Gesicht zeigte sich ein Wechselspiel verschiedenster Gefühle. Dann sah er sie entschlossen an. „Sie können tatsächlich etwas für mich tun.“

„Was denn?“

„Sie können mich heiraten.“

Brittany starrte ihn mit offenem Mund an.

„Ich meine es ernst.“ Er hatte es aus schierer Verzweiflung gesagt, aber nachdem er es ausgesprochen hatte, gefiel ihm die Idee irgendwie.

Craig Larimars Vater war es gewesen, der vorhin angerufen hatte. Er und seine Frau hatten gerade erst erfahren, dass ihr verstorbener Sohn ein Kind hatte, und nun beanspruchten sie das Sorgerecht für ihre Enkelin.

Noch vor ein paar Wochen wäre Daniel vermutlich erleichtert gewesen, dass ihm jemand die Verantwortung für Hailey abnehmen wollte. Da hätte er sich noch mit der Rolle als liebevoller Onkel begnügt und weiterhin sein Singledasein genossen. Aber inzwischen war ihm seine Nichte ans Herz gewachsen, und er würde sie auf keinen Fall kampflos jemand anderem überlassen. Davon abgesehen, war es Janes Wunsch gewesen, dass er ihre kleine Tochter großzog. Das hatte seine Schwester kurz vor ihrem Tod einer Krankenschwester anvertraut.

Da es aber nichts Schriftliches gab, würde sein Anspruch möglicherweise vor einem Gericht nicht standhalten. Außerdem konnten die Larimars damit punkten, dass sie ein verheiratetes Paar waren. Da konnte er als Single mit zweifelhaftem Ruf nicht mithalten.

John Kirkland, sein Anwalt, hatte zwar behauptet, Daniel hätte dennoch gute Chancen vor Gericht, aber das war mehr als fraglich. Wenn er Hailey nicht verlieren wollte, musste er seinen Status verbessern, und da gab es nur eine Möglichkeit: Er musste heiraten.

Und was lag näher, als die Frau zu fragen, die gerade in seinem Wohnzimmer mit seiner Nichte spielte und offensichtlich sehr gut mit ihr zurechtkam? Brittany war eine Frau, die jeden Richter mit ihrem Auftritt beeindrucken musste. Sie war gradlinig, charakterstark, liebenswürdig, und sie genoss einen einwandfreien Ruf. Kurzum: Sie war die perfekte Frau, um den Sorgerechtsprozess zu gewinnen. Sobald alles geregelt wäre, könnten sie sich ja wieder scheiden lassen.

Nachdem Brittany ihr Erstaunen überwunden hatte, lachte sie. „Das ist gut. Und clever dazu. Man verlangt etwas völlig Inakzeptables, damit der andere leichter dem zustimmt, was man wirklich will. Nachdem Sie mich nun geschockt haben, können Sie mir ja erzählen, worum es Ihnen wirklich geht.“

„Ich möchte Sie wirklich heiraten.“

Sie schüttelte heftig den Kopf, dann streckte sie ihm Hailey hin und trat einen Schritt zurück. „Ich sollte jetzt lieber gehen.“

„Nein, bitte warten Sie“, sagte er schnell. „Ich bin leider nicht gut im Erklären. Erst muss ich selbst alles im Kopf klarkriegen. Geben Sie mir eine Minute Zeit.“

„Wozu denn? Was soll sich denn in einer Minute ändern? Oder in zehn Minuten?“

„Ihre Meinung.“

Sie wandte sich zum Gehen.

Jetzt galt es, alles so zu erklären, dass sie zumindest darüber nachdachte. „Hailey ist nicht meine Tochter“, begann er. „Sie ist meine Nichte, und ich bin in einen Sorgerechtsprozess verwickelt.“

„Heißt was?“

„Können wir uns bitte hinsetzen?“

Sie zögerte die gefühlt längste Sekunde seines Lebens. „Okay.“

Sie setzte sich auf die äußerste Sofakante. Warum war er so ungeschickt? Der korrekte Weg wäre gewesen, ihr zuerst alles zu erklären, um ihr Mitgefühl zu gewinnen. Womöglich hätte sie ihm selbst diesen Ausweg vorgeschlagen, wenn er es richtig angegangen wäre. Jetzt war es zu spät, aber irgendwie musste er es trotzdem hinkriegen.

Er setzte Hailey auf den Spielteppich und hoffte, sie würde sich eine Weile mit ihren Bauklötzen und Stofftieren beschäftigen. Dann setzte er sich neben Brittany auf das Sofa. „Ich fange am besten ganz von vorne an.“

„Das ist immer von Vorteil“, bemerkte sie leicht spöttisch.

„Wie gesagt, Hailey ist meine Nichte. Sie ist die Tochter meiner jüngeren Schwester Jane.“ Er seufzte, während er die Vergangenheit Revue passieren ließ.

„Ich erinnere mich noch an den Tag, als meine Eltern mit dem Baby aus dem Krankenhaus zurückkamen. So ein winziges Wesen hatte ich noch nie gesehen, und obwohl ich erst fünf war, wusste ich, dass sie etwas ganz Besonderes ist. Ich nahm mir vor, der beste Bruder der Welt zu werden. Jane ist mir überallhin gefolgt, als wir klein waren. Ich habe sie vergöttert, und ich glaube, sie hat mich auch geliebt.“

Er merkte, dass Brittany seine Geschichte gespannt verfolgte.

„Als ich älter wurde, hat sich die Beziehung zwischen uns verändert. Ich habe mich mehr auf die Schule und meine Freunde konzentriert. Nach dem Highschool-Abschluss bin ich dann von zu Hause weggezogen, um zu studieren, und wir haben uns nur noch selten gesehen. Wenn ich in den Semesterferien mal länger zu Hause war, habe ich gejobbt, um mein Studium zu finanzieren, oder mich mit Freunden getroffen. Und Jane war inzwischen auch eigene Wege gegangen. So ist mir gar nicht aufgefallen, wie sie sich langsam verändert hat.“

„Inwiefern?“

„Sie war öfters depressiv und hatte Essstörungen. Aber das habe ich erst bemerkt, als es zu spät war.“

In Brittanys Miene zeigte sich Mitgefühl.

„Unsere Eltern wollten die bestmögliche Schulbildung für ihre Kinder und versuchten, Jane zu überreden, aufs College zu gehen. Aber sie hasste alles, was mit Lernen zu tun hatte. Mit Mühe und Not hatte sie den Highschool-Abschluss geschafft. Danach zog sie sofort von zu Hause aus und suchte sich einen Job als Kellnerin. Meine Eltern und ich hatten dann kaum noch Kontakt zu ihr, weil sie sich völlig abschottete.“

Er blickte traurig vor sich hin. „Ich habe mich mitschuldig an ihrem Zustand gefühlt, weil ich mich zu wenig um sie gekümmert hatte, als es ihr schlecht ging. Um meine Achtlosigkeit wiedergutzumachen, habe ich mich in den letzten Jahren sehr um sie bemüht und immer wieder versucht, sie zu sehen und ihr wieder näher zu kommen. Aber es war alles vergebens.“

Er seufzte. „Sie war nicht mal bei der Beerdigung meiner Eltern. Irgendwann verlor ich dann völlig ihre Spur. Sie zog immer wieder um, und niemand wusste, wohin. In meiner Sorge habe ich eine Privatdetektivin engagiert, die Jane tatsächlich aufgespürt hat. Ich bin zu ihrer Wohnung gefahren, und sie hat mir auch aufgemacht. Mir war sofort klar, dass es ihr nicht gut ging, und ich habe sie gebeten, zu mir zu ziehen. Aber sie wollte nicht. Ich solle mich nicht in ihr Leben einmischen, hat sie gesagt. Als wäre ich ein Fremder und nicht ihr großer Bruder von früher. Für mich war es sehr schwer, meine süße kleine Schwester so zu sehen, so krank und abweisend.“

Noch nie hatte er jemandem so ausführlich von Jane erzählt. Und Brittany schien voller Mitgefühl, das tat ihm gut.

„Ich habe sie dann in Ruhe gelassen. Es hätte ohnehin keinen Zweck gehabt. Heute bereue ich, dass ich es nicht weiter versucht habe. Ein paar Wochen später bekam ich den Anruf der Polizei, dass sie tödlich verunglückt war.“

„Das tut mir sehr leid.“

„Und da habe ich erst von ihrer kleinen Tochter erfahren. Jane war mit ihr und Haileys Vater im Auto unterwegs, als der Unfall passierte. Das Baby war auf dem Rücksitz sicher angeschnallt und blieb unverletzt, Craig war sofort tot, und Jane …“ Er schluckte. „Sie brachten sie ins Krankenhaus, aber sie lebte nur noch ein paar Stunden. Immerhin lange genug, um der Krankenschwester meine Adresse zu geben und ihr zu sagen, dass ich Hailey großziehen soll.“

Er war sofort hingefahren und hatte Hailey abgeholt. Und er hatte sich von seiner toten Schwester verabschiedet.

„Bei meiner Schwester habe ich versagt, ihr habe ich nicht helfen können, besser im Leben klarzukommen und sie vor der Welt zu beschützen. Aber für ihr Kind werde ich sorgen und alles tun, damit Hailey ein glücklicher Mensch wird.“

„Bis jetzt scheint das doch ganz gut zu klappen. Sie macht einen fröhlichen Eindruck.“

„Aber ich weiß nicht, ob sie bei mir bleiben kann.“

„Warum denn nicht?“

„Ich hatte gerade einen Anruf von Craigs Eltern. Sie wollen das Sorgerecht für Hailey erwirken.“

„Aber damit werden sie keinen Erfolg haben. Ihre Schwester wollte, dass Sie ihr Kind großziehen, und das Gericht wird das anerkennen.“

„Es gibt ja nichts Schriftliches, nur die Aussage der Krankenschwester. Und die Großeltern sind ein Ehepaar, da habe ich als Single schlechte Karten. Zumal ich für meine wechselnden Liebschaften bekannt bin.“

„Deshalb sind Sie aber doch kein schlechter Mensch.“

„Aber vielleicht ein schlechter Vater.“

„Wer sagt das? Ich finde, Sie machen Ihre Sache sehr gut.“

„Jedenfalls wäre alles einfacher, wenn ich verheiratet wäre. Dann stünde vor Gericht ein Ehepaar gegen das andere. Und wir sind jünger, was ein großer Vorteil ist.“

„Wir?“

„Ja, wir.“ Absichtlich sagte er es in entschiedenem Ton.

„Aber ich habe doch gar nicht zugestimmt.“

In ihrer Stimme lag Verunsicherung, aber auch Empörung. Mutlosigkeit machte sich in ihm breit. Wie konnte er es schaffen, sie zu überzeugen?

„Was wollen Sie, Brittany?“

„Wie meinen Sie das? Was soll ich wollen?“

„Sie sind klug und ehrgeizig. Zu klug und ehrgeizig, um ein Leben lang für andere zu arbeiten.“

„So, meinen Sie?“

„Vielleicht möchten Sie irgendwann eine eigene Firma gründen. Dabei kann ich Ihnen helfen. Wenn Sie mich heiraten, bekommen Sie von mir das nötige Startkapital. Und nicht nur das. Ich werde Sie all meinen Freunden und Geschäftspartnern empfehlen. Ihrem Erfolg würde nichts mehr im Wege stehen.“

„Und das alles nur für einen Trauschein?“, fragte sie spöttisch.

„Genau.“

Langsam stand sie auf und straffte ihre Schultern. Aufrecht wie eine Königin stand sie da und starrte ihn verächtlich an. „Ich bin nicht käuflich. Weder für Sie noch für irgendjemand anders. Für Bronco Elite kann ich nicht sprechen, aber ich arbeite jedenfalls nicht mehr für Sie.“ Sie griff nach ihrer Aktentasche. „Und Sie, Daniel Dubois, können von mir aus zum Teufel gehen.“

„Warten Sie.“ Er stand auf und ging auf sie zu, doch sie drehte sich um und verließ den Raum.

Er verstand die Welt nicht mehr. Er hatte sie doch nicht beleidigen wollen, sondern ihr nur einen Deal vorgeschlagen. Schließlich musste sie ja einen Vorteil davon haben, wenn sie ihn heiratete. Aber zugegebenermaßen hatte er sich ziemlich dämlich angestellt. Anscheinend hatte die Angst, Hailey zu verlieren, aus ihm einen kompletten Idioten gemacht.

Kraftlos ließ er sich auf die Couch sinken. Er hatte es vermasselt, aber vielleicht gab es ja noch Hoffnung. Er würde auf jeden Fall einen zweiten Versuch wagen.

4. KAPITEL

Wütend stapfte Brittany zu ihrem Auto. Hatte dieser Kerl tatsächlich versucht, sie zu kaufen wie eine Kuh? Klar wollte sie irgendwann eine eigene Firma gründen, aber ihre Seele würde sie dafür nicht verkaufen. Hatte dieser Mensch eine so schlechte Meinung von ihr, dass er annahm, sie würde auf seinen Vorschlag eingehen? Was für ein Reinfall.

Während der Fahrt ins Büro beruhigte sie sich allmählich. Sie hatte Daniel Dubois die Meinung gesagt, und damit war für sie ihr Auftrag erledigt. Sie würde sich wieder anderen Projekten zuwenden. Doch als sie die Treppe zu ihrem Büro hochstieg, nagte plötzlich eine andere Sorge an ihr. Der Rancher war ein reicher und einflussreicher Mann, überzeugt, dass er mit Geld alles kaufen konnte. Wenn er sich nun an ihr rächte, indem er sich bei ihrem Chef über sie beschwerte und ihrem guten Ruf in der Stadt schadete. Nach diesem seltsamen Antrag traute sie ihm so ziemlich alles zu.

Im Flur kam ihre Chefin Linnea lächelnd auf sie zu. „Und, wie lief das Meeting?“

Brittany fühlte sich überrumpelt, denn sie hatte sich noch keine plausible Erklärung überlegt. Die Wahrheit konnte sie ja wohl schlecht erzählen. Dass sie einen zahlungskräftigen Kunden zum Teufel geschickt hatte, wäre ihrer Karriere nicht gerade förderlich. Andererseits hätte Linnea sicher Verständnis dafür, dass sie Daniels Heiratsantrag abgelehnt hatte und deshalb nicht mehr für diesen Kunden arbeiten konnte. Allerdings dürfte sie dabei nichts von Hailey erwähnen, das hatte sie versprochen, und an dieses Versprechen würde sie sich halten.

Zum Glück erschien in diesem Moment ihr Kollege Reese. „Tut mir leid, euch zu unterbrechen, aber hast du einen Moment Zeit, Linnea?“

Linnea sah Brittany fragend an.

„Ja, schon okay“, sagte Brittany. „Im Moment gibt’s eh nicht viel Neues.“

„Gut.“ Linnea und Reese entfernten sich.

Eilig verschwand Brittany in ihrem Büro und lehnte sich mit einem Seufzer der Erleichterung an die geschlossene Tür. Wie hatte ein hoffnungsvoll begonnener Tag so schief laufen können? Sie musste sich jetzt ganz schnell überlegen, wie sie aus diesem Schlamassel wieder herauskam.

Irgendwie schaffte sie es bis zum Feierabend, ihre restliche Arbeit zu erledigen. Offenbar hatte Daniel sich noch nicht über sie beschwert, sonst wäre Linnea längst auf sie zugekommen. Am einfachsten wäre es, den Auftrag von Daniel Dubois weiterzubearbeiten, dann bräuchte sie nichts zu erklären. Würde sie es hinkriegen, den nötigen Abstand zu wahren? Sie bejahte die Frage, schließlich war sie schon lange genug im Geschäft. Amanda war nicht da, als Brittany nach Hause kam, und diesmal war sie froh darüber. Sie würde sich einen gemütlichen Abend machen, ein heißes Bad nehmen und sich dann genüsslich mit einem Buch ins Bett legen.

Doch es wurde eine unruhige Nacht. Sie träumte, dass irgendwo ein Baby schrie, aber sie konnte es nicht finden. Das Schreien wurde immer lauter, und sie suchte immer verzweifelter. Dabei rief sie dem Baby zu, es solle keine Angst haben, sie käme gleich …

Panisch und in Schweiß gebadet wachte sie auf. Auch ohne Psychologiekenntnisse war ihr klar, was der Traum bedeutete. Sie machte sich Sorgen um Hailey. Was würde aus dem Kind werden, wenn die Großeltern das Sorgerecht bekämen? Wie würde dieser erneute Verlust einer Bezugsperson Haileys zukünftiges Leben beeinflussen? Womöglich würde sie niemals echte Beziehungen eingehen können.

Aber warum tangierte sie das dermaßen? Eigentlich war es nicht ihr Problem. Daniel hatte Geld genug, um sich die besten Anwälte zu leisten. Und sicher hatte er auch kein Problem, eine Frau zum Heiraten zu finden. Er war nicht auf ihre Hilfe angewiesen.

Es war erst halb fünf, zu früh zum Aufstehen, aber an Schlaf war nicht mehr zu denken. Sie griff nach dem Kriminalroman neben ihrem Bett, entschlossen, sich vom Grübeln abzulenken. Doch bald klappte sie das Buch wieder zu, sie konnte sich einfach nicht konzentrieren. Schließlich stand sie auf, kochte Kaffee und frühstückte ausgiebig. Dann zog sie sich an und machte sich sorgfältig zurecht. Sie würde heute als Erstes die Sache mit Daniel klären.

Vermutlich würde sie ihn so früh am Morgen nicht selbst antreffen. Aber sie könnte wenigstens ihre Unterlagen abgeben.

Wieder wurde sie von der freundlichen Haushälterin empfangen. Marta bat sie herein und führte sie diesmal in die Küche. Auch hier konnte man durch eine Fensterfront ins Freie blicken. Der Raum war groß und mit allen Finessen ausgestattet, wirkte aber nicht nüchtern. An einem großen Holztisch vor dem Fenster saß Daniel und fütterte Hailey, die neben ihm in ihrem Hochstuhl saß. Kleckse von zermanschter Banane und Haferbrei waren um ihren Napf verteilt, und das kleine Gesicht war völlig verschmiert.

Anscheinend war er so auf das Füttern konzentriert, dass er sie nicht gleich bemerkte. Erst als Hailey ihr breites Grinsen zeigte und die Arme nach ihr ausstreckte, blickte er hoch und sah sie erstaunt an. „Mit Ihnen hätte ich jetzt am allerwenigsten gerechnet.“ Aus seiner Stimme klang so etwas wie Erleichterung.

„Wir haben noch immer nicht die Details für die Dinnerparty besprochen. Wenn Sie weiterhin mit unserer Firma arbeiten wollen, sollten wir das jetzt sofort tun.“

„Selbstverständlich möchte ich mit Ihnen weiterarbeiten. Ich bin sehr gespannt auf Ihre Ideen.“ Er blickte auf Hailey, die in ihrem Sitz herumzappelte.

„Tut mir leid, dass ich so früh hereingeplatzt bin, ohne vorher anzurufen.“

„Das macht gar nichts. Wie Sie sehen, sind wir alle längst wach.“

Brittany nickte. Langes Ausschlafen war mit einem Baby nicht möglich, das wusste sie nur zu gut.

Er machte Anstalten, Hailey aus dem Hochstuhl zu heben.

„Wischen Sie ihr lieber erst Gesicht und Hände ab“, schlug Brittany lächelnd vor. „Ist besser für Ihre Kleidung und auch für die Möbel.“

„Ja, natürlich, da hätte ich auch selbst drauf kommen können.“ Er befeuchtete einen Lappen und machte Hailey sauber, dann zog er ihr das Lätzchen aus und nahm sie auf den Arm. „Gehen wir ins Wohnzimmer. Da hat sie ihre Spielsachen, und wir können in Ruhe alles besprechen.“

Als Hailey auf ihrem Spielteppich saß und sich ihren Spielsachen zuwandte, setzten Daniel und Brittany sich nebeneinander an den Sofatisch. Brittany holte ihre Präsentationsmappe aus der Tasche und klappte sie auf.

Daniel legte ihr die Hand auf den Arm. „Bevor wir anfangen, möchte ich mich bei Ihnen entschuldigen. Ich habe mich ziemlich ungeschickt benommen. Tut mir leid, dass ich mein Anliegen so taktlos vorgebracht habe.“

„Vergessen wir das Ganze“, erwiderte Brittany und war froh, als er seine Hand wieder wegnahm. Das verräterische Kribbeln hatte ihr von Neuem gezeigt, welche Wirkung dieser Mann auf sie ausübte.

„Das geht leider nicht. Eine Heirat wäre einfach die beste Lösung. Dann würde ich garantiert das Sorgerecht bekommen.“

„Und da mussten Sie ausgerechnet Ihre Eventplanerin fragen?“

Er sah sie ernst an. „Ich habe Sie beobachtet, wie Sie mit dem Baby umgehen, und überhaupt, wie Sie Dinge angehen. Sie wären genau die Richtige. Sie würden in der Rolle der Ehefrau und Mutter genauso überzeugen wie bei allem anderen, was Sie machen.“

Brittany lachte. „Ich bin keine Mary Poppins, und wie Sie vielleicht bemerkt haben, bin ich auch nicht unbedingt der mütterliche Typ. Mein Interesse gilt einzig und allein meiner Karriere. Das wird jeder Richter oder Psychologe, der mich auf meine Eignung als Mutter überprüft, bald herausfinden.“

„Na und? Eine berufstätige Mutter ist nun wirklich nichts Ungewöhnliches mehr. Es geht mir ja auch nur darum, dass Sie diese Rolle vor Gericht glaubwürdig spielen. Sie brauchen sich weder um Hailey zu kümmern noch um irgendetwas sonst in diesem Haushalt.“

Sie räusperte sich. „Ist das alles?“

„Was soll denn sonst noch sein?“

Sie musterte ihn wortlos.

Seine Augen verengten sich. „Spielen Sie etwa auf irgendwelche ehelichen Pflichten an? Da kann ich Sie beruhigen. In dieser Hinsicht habe ich keinerlei Bedarf. Im Gegenteil, ich habe Mühe, mir die Frauen vom Hals zu halten.“

Brittany versuchte, den kleinen eifersüchtigen Stich zu ignorieren, der sie bei der Vorstellung von Daniel mit einer anderen Frau im Bett überkam. „Warum fragen Sie dann nicht eine von den vielen, die sich Ihnen an den Hals werfen?“

Er presste die Lippen zusammen, als müsste er ein Grinsen unterdrücken. Aber vielleicht war der Eindruck falsch, denn er antwortete ohne den leisesten Schalk in der Stimme. „Weil Hailey Sie offenbar mag, und das habe ich bisher noch bei keiner anderen Person erlebt. Ich werde wohl keinen Richter überzeugen, wenn Hailey beim Anblick ihrer Stiefmutter jedes Mal anfängt zu schreien. Selbst wenn Sie kein mütterlicher Typ sind, wirken Sie jedenfalls so. Die Rolle wird Ihnen vor Gericht jeder abnehmen.“ Er lächelte.

„Wie gesagt“, fuhr er fort, „es wäre eine reine Zweckehe, und ich bin gern bereit, das schriftlich niederzulegen. Sobald mir das Sorgerecht für Hailey erteilt ist, können wir die Ehe wieder annullieren lassen. Und wenn Sie eine eigene Firma gründen wollen – mein Angebot steht.“

Es hörte sich wie ein simpler Deal an. Doch etwas in Brittany sträubte sich dagegen. Obwohl sie nie von einer Heirat geträumt hatte, war für sie dennoch Liebe die Grundvoraussetzung für eine Ehe. Sie fand es wundervoll zu sehen, wie ihre Eltern nach fünfunddreißig Jahren einander noch immer ihre Zuneigung zeigten.

„Es tut mir leid, Daniel, aber ich kann das nicht. Trotzdem hoffe ich, dass wir unsere Geschäftsbeziehung fortführen können. Ich kann Ihnen einen tollen St...

Autor

Kathy Douglass
Als Tochter lesebegeisterter Eltern ist Kathy Douglass mit Büchern aufgewachsen und hat schon früh eins nach dem anderen verschlungen. Dann studierte sie Jura und tauschte Liebesgeschichten gegen Gesetzestexte ein. Nach der Geburt ihrer zwei Kinder wurde aus der Liebe zum Lesen eine Liebe zum Schreiben. Jetzt schreibt Kathy die Kleinstadt-Romances,...
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