Bianca Extra Band 20

– oder –

Im Abonnement bestellen
 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

KUCHEN, KÜSSE, KARRIERE von PADE, VICTORIA
"Nicht mit den Händen essen!", ermahnt Lang Camden seinen Sohn verzweifelt. Doch Konditorin Heddy ist hingerissen von dem süßen Fratz - genau wie von dem attraktiven Vater und CEO, der ihr prompt ein verlockendes Angebot macht. Wird Heddy ihre Karriere aufs Spiel setzen - für die Liebe?

MEIN NACHBAR, SEINE TOCHTER UND ICH von KIRK, CINDY
Groß und charmant? Michelle ist skeptisch, als ihr neuer Nachbar mit ihr flirtet - zurecht! Denn Gabe Davis zieht mit seiner Tochter ein, und gegen Single-Daddys ist die Ärztin komplett immun - aber Mr Right erobert ihr Herz schneller, als sie eine Diagnose stellen kann …

EINE NACHT MIT DEM TRAUZEUGEN von BERRY, AMANDA
Als Penny ihre Jugendliebe auf einer Hochzeit wiedersieht, ist sie noch genauso fasziniert von Luke wie damals. Trotzdem will sie sich beweisen, dass er längst Geschichte ist … Ist es eine gute Idee, dafür die Nacht in seinen Armen zu verbringen und süße Erinnerungen zu wecken?

EINE BRAUT MUSS SICH ENTSCHEIDEN ... von SOUTHWICK, TERESA
Sich in einem schmutzigen Hochzeitskleid um einen Job bewerben? Auch für Kate scheint das kein guter Start. Trotzdem gibt der verboten gutaussehende Cabot ihr Arbeit auf seiner Ranch … bis ihr altes Leben sie einholt. Jetzt steht Kate vor der Wahl: Will sie Glamour oder Familienglück?


  • Erscheinungstag 07.07.2015
  • Bandnummer 20
  • ISBN / Artikelnummer 9783733732523
  • Seitenanzahl 448
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Victoria Pade, Cindy Kirk, Amanda Berry, Teresa Southwick

BIANCA EXTRA BAND 20

VICTORIA PADE

Kuchen, Küsse, Karriere

Für seine erfolgreichen Kaufhäuser sucht CEO Lang Camden stets nach kulinarischen Köstlichkeiten. Doch beim Anblick der schönen Heddy spürt er: Diese Frau ist verführerischer als ihre himmlisch süßen Kuchen …

CINDY KIRK

Mein Nachbar, seine Tochter und ich

Aus seiner schönen Nachbarin wird Gabe Davis einfach nicht schlau. Eigentlich müsste auch sie das erotische Knistern zwischen ihnen spüren. Aber Michelle geht auf Distanz – was verheimlicht sie vor ihm?

AMANDA BERRY

Eine Nacht mit dem Trauzeugen

Penny war schon immer das schönste Mädchen der Stadt – und das wildeste! Als Luke sie jetzt wiedersieht, ist er sicher, sie beide sind füreinander bestimmt. Doch wovor hat die mutige Penny nur Angst?

TERESA SOUTHWICK

Eine Braut muss sich entscheiden …

Wie ein Wirbelwind stürmt die impulsive Kate in das Leben von Cabot Dixon – und sie beide wären ein perfektes Team! Dennoch: Cabots Stolz lässt es nicht zu, dass er sie bittet, auf seiner Ranch zu bleiben …

1. KAPITEL

„Carter! Nicht mit den Händen in den Käsekuchen, dafür gibt es doch den Löffel!“ Der Mann stöhnte leise auf. „Ja, fass dir ruhig noch mit den klebrigen Händen an den Kopf. Jetzt ist dein ganzes Haar voller Käsekuchen, na toll. Kannst du nicht bitte mal einen Moment lang ruhig sitzen bleiben?“

Zwei Personen waren an dem kleinen Drama beteiligt, das sich gerade vor Heddy Hanrahans Augen abspielte: ein überwältigend gut aussehender Mann im Geschäftsanzug und ein kleiner Junge, den Heddy ungefähr auf zwei Jahre schätzte. Der Mann war dem Jungen offensichtlich nicht gewachsen.

Es war Montagnachmittag, und die beiden saßen als einzige Gäste an einem Tisch in Heddys kleiner Käsekuchenbäckerei. Der süße blauäugige Junge hatte inzwischen das hellbraune Haar voller Käsekuchen.

Heddy konnte nicht anders, sie musste immer wieder zu ihnen hinüberschauen. Schließlich zwang sie sich, den beiden den Rücken zuzudrehen. Jetzt fiel ihr Blick auf die große Spiegelwand hinter dem Tresen … und sie erschrak. Sie hätte nicht gedacht, dass ihr ihre Sorgen so deutlich ins Gesicht geschrieben standen.

Eigentlich hatte sie gehofft, dass ihr Geschäft besser laufen würde, nachdem ihre Käsekuchen in einer Zeitschrift als „die besten in ganz Colorado“ gelobt worden waren. Tatsächlich hatte das den Verkauf zunächst ein bisschen angekurbelt. Aber jetzt, zwei Wochen später, war alles wieder beim Alten, und sie hatte so gut wie keine Kunden.

Die vielen Sorgen um ihre Zukunft taten ihr auch äußerlich nicht gut. Auf ihrer Stirn deutete sich eine senkrechte Falte an, und ihre ohnehin schon sehr helle Haut wirkte blasser als sonst und bildete einen noch stärkeren Kontrast zu ihren rotbraunen Locken und ihren haselnussbraunen Augen.

Das hat mir gerade noch gefehlt, dachte sie. Sie kniff sich in die Wangen und beschloss, am nächsten Tag etwas mehr Rouge aufzulegen.

Für ihr kupferfarben glänzendes Haar nahm sie ihre blasse Haut aber gern in Kauf. Die vollen Locken fielen ihr in sanften Wellen bis über die Schultern, wenn sie sie offen trug. Das kam allerdings selten vor. Normalerweise steckte sie sich das Haar locker hoch. Dann umrahmten die Locken sanft ihr Gesicht, sodass ihre Frisur zwar ordentlich, aber nie streng wirkte.

Komisch eigentlich, dass sie sich gerade jetzt solche Gedanken über ihr Aussehen machte. An ihrem extrem attraktiven Kunden konnte das wohl kaum liegen. Das wäre ja vollkommen lächerlich!

Schnell wandte sie sich vom Spiegel ab und widmete sich der Glasvitrine mit den Käsekuchen, um sie ein bisschen zurechtzurücken – damit es nicht so aussah, als hätte sie nichts zu tun. Heddy verkaufte ihre Kuchen stückweise oder im Ganzen, aber viele davon waren nicht mal angeschnitten.

Vorsichtig spähte sie durch die Glasvitrine in den Cafébereich des Ladens. Dort versuchte der Mann gerade, dem Jungen mit einer Papierserviette den Kuchen aus den Haaren zu entfernen. Vergeblich. Dabei wirkte er so konzentriert, dass er bestimmt nicht mitbekam, ob Heddy ihn nun beobachtete oder nicht.

Sie richtete sich auf und überprüfte dabei schnell, ob ihre weiße Bluse immer noch ordnungsgemäß im Jeansbund steckte. Tatsächlich hatte sie im Moment einfach nichts zu tun. Da blieb ihr kaum etwas anderes übrig, als ihre einzigen Gäste zu beobachten. Und das lag nicht etwa daran, dass ihr erwachsener Kunde einer der attraktivsten Männer war, die sie je gesehen hatte. Aber das interessierte sie nicht, denn in ihrem Leben gab es keine Männer mehr.

Trotzdem war ihr sein umwerfendes Aussehen nicht entgangen. Der Mann hatte dunkelbraunes Haar, das sie an Espresso und Zartbitterschokolade erinnerte. An den Seiten trug er es kurz; oben war es etwas länger und leicht zerzaust. Und dann seine Augen! Sie waren so dunkelblau wie der Himmel um Mitternacht. Der Mann hatte eine breite, kantige Stirn und eine gerade Nase, die weder zu lang noch zu kurz war.

Seine Lippen fand Heddy irgendwie sexy. Und schon als er den Laden betreten hatte, war ihr aufgefallen, wie groß er war. Zudem hatte er breite Schultern und wirkte durchtrainiert – weil er einen Anzug trug, konnte Heddy das nicht genau beurteilen. Der saß aber jedenfalls perfekt und war bestimmt maßgeschneidert. Wahrscheinlich hätte der Mann sich anders angezogen, wenn er geahnt hätte, wie der kleine Junge sich hier benehmen würde.

„Na, bravo!“, murmelte er. „Jetzt hast du sogar zwei Fäuste voll Käsekuchen.“

Heddy beobachtete den Kleinen dabei, wie er sich die zerdrückte Masse erst aus der einen, dann aus der anderen Hand in den Mund schob. Dabei konnte sie sich ein Lächeln nicht verkneifen: Offenbar wusste der Junge ihren Kuchen zu würdigen! Außerdem sah er in seinem kleinen Holzfäller-Outfit hinreißend aus. Er trug winzige derbe Schnürstiefel, umgekrempelte Jeans und ein kariertes Flanellhemd. Dazu an jedem Handgelenk eine Armbanduhr aus Plastik, eine knallgelb, die andere blau.

Erneut musste Heddy lächeln, und gleichzeitig wurde sie traurig. So ging ihr das immer, wenn sie mit Kindern zu tun hatte.

Wenigstens war dieses Kind kein Mädchen, sondern ein Junge …

Der Kleine sah dem Mann ein bisschen ähnlich, zumindest um die Augen herum. Wahrscheinlich waren die beiden verwandt. Vater und Sohn konnten sie kaum sein, dafür verhielt sich der Mann zu distanziert. Vielleicht war er ja sein Onkel und passte heute Nachmittag auf den Kleinen auf?

Auf jeden Fall hatte Heddy ihre helle Freude daran, wie gut dem Jungen ihr Käsekuchen mit weißem Mousse au Chocolat schmeckte. Kaum war der Teller leer, leckte er ihn noch einmal gründlich ab und rief laut: „Mehr!“

Daraufhin schenkte ihr der Mann ein verschämtes und unheimlich charmantes Lächeln, bei dem jede andere Frau wahrscheinlich weiche Knie bekommen hätte. Heddy natürlich nicht, sie war für so etwas nicht empfänglich. „Tja, und ich dachte, es reicht locker, wenn wir uns ein Stück teilen“, bemerkte er. „Tut mir leid, dass wir hier so eine Schweinerei veranstaltet haben. Bekommen wir trotzdem noch Nachschlag? Diesmal hätten wir gern eins mit weißer Schokolade und Himbeeren.“

„Kein Problem.“ Heddy war froh über jede Bestellung. Sie schnitt ein Stück Kuchen ab, befeuchtete ein frisches Geschirrtuch mit warmem Wasser und brachte beides zu ihren Gästen. Den Teller stellte sie so auf den Tisch, dass der Kleine ihn nicht erreichen konnte. Dann reichte sie dem Mann das feuchte Handtuch. „Damit können Sie dem Jungen das Gesicht abwischen“, erklärte sie. „Das klappt bestimmt besser als mit den trockenen Papierservietten.“

„Am allerbesten würde es mit einem Gartenschlauch klappen“, murmelte er, nahm das Tuch aber dankend entgegen. „Sie sind nicht zufällig Heddy Hanrahan, oder?“

„Doch, die bin ich.“ Sie betrachtete ihren Kunden etwas aufmerksamer. Auf einmal kam er ihr bekannt vor. Vielleicht war er vorher schon mal hier gewesen?

„Freut mich, ich bin Lang Camden“, stellte er sich vor.

„Camden … wie die Warenhauskette Camden Superstores?“

„Ganz genau, die gehört unserer Familie.“

Einer von den Camdens, du liebe Güte …

Darum war er ihr auch vage bekannt vorgekommen: Seiner Familie gehörte nicht nur besagte Warenhauskette. Die Camdens besaßen darüber hinaus mehrere Immobilien, Produktionsstätten, Lagerhäuser, Fuhrparks und was sonst noch in Verbindung mit ihrem weltweit operierenden Einzelhandelskonzern stand. Jedes Jahr fand man sie unter den Top Ten der reichsten Amerikaner, und immer wieder wurde in Zeitungen und Zeitschriften über die vielen Familienmitglieder berichtet.

Zehn Nachkommen des Firmengründers leiteten die Geschicke des Unternehmens, alle aus einer Generation. Ihre Großmutter Georgianna Camden lebte in Denver.

Heddy kannte die Familie zwar nicht persönlich, hatte aber alle Berichte über sie mit besonderem Interesse gelesen. Schließlich hatten ihre Mutter und ihr Großvater schlimme Erfahrungen mit den Camdens gemacht.

Immer wieder hatte Heddy sich wüste Beschimpfungen über sie anhören müssen. Deswegen kam ihr der Mann, der sich ihr gerade als Lang Camden vorgestellt hatte, wohl so bekannt vor: Wahrscheinlich hatte sie sein Gesicht schon mehrmals auf Fotos neben dem einen oder anderen Zeitungsartikel gesehen.

„Haben Sie kurz Zeit?“, erkundigte er sich jetzt.

Was konnte dieser Camden-Mann von ihr wollen? „In Ordnung“, sagte sie vorsichtig, allein aus Neugier.

„Mögen Sie sich zu uns setzen? Am besten vielleicht auf den Stuhl da drüben, da sind Sie erst mal in Sicherheit.“ Mit dem Kopf wies er auf die andere Seite des Tisches. Der kleine Junge neben ihm war gerade auf seinen Stuhl geklettert und beugte sich zu dem zweiten Stück Käsekuchen vor.

Heddy ging um den Tisch herum und setzte sich. Dann zeigte sie auf den Kuchenteller. „Achtung!“

Gerade rechtzeitig schob Lang Camden den Teller außer Reichweite, griff sich den Jungen und setzte ihn wieder auf den Stuhl.

„Mehr!“, rief der Kleine.

Der Mann probierte von der Kreation aus Himbeeren und weißer Schokolade. Dann nahm er einen sauberen Löffel und fütterte den Jungen.

„Hmm …“, schwärmte der Kleine und öffnete sofort wieder den Mund, damit sein Aufpasser die zweite Portion nachschob.

„Das ist Carter“, erklärte Lang Camden. „Er ist zweieinhalb Jahre alt und absolut begeistert von Ihren Käsekuchen. Ich übrigens auch. Was ich bisher probiert habe, war einfach nur toll.“ Damit hatte er immer noch nicht verraten, welche Beziehung er zu Carter hatte.

„Vielen Dank“, sagte Heddy und fragte sich, was ein Mitglied der reichen Camden-Familie in ihrer kleinen Bäckerei in Arcada zu suchen hatte, einem beschaulichen Vorort von Denver.

„Mir ist neulich ein Artikel über Ihren Laden ins Auge gefallen“, erklärte Lang Camden, ganz als könnte er Gedanken lesen.

„Der beste Käsekuchen in ganz Colorado, und niemand weiß davon?“, zitierte Heddy die Überschrift.

„Genau den meine ich.“ Er nahm sich einen weiteren Bissen.

„Meins!“, protestierte Carter laut.

„Ja, schon gut.“ Lang Camden schob dem Jungen den Teller hin und ließ ihm damit Narrenfreiheit. „Wie viele verschiedene Sorten Käsekuchen haben Sie eigentlich im Angebot?“, erkundigte er sich und fixierte sie mit seinen faszinierenden blauen Augen.

„Eine ganze Menge. Von den Mousse-au-Chocolat-Kuchen gibt es mehrere Varianten. Außerdem mache ich noch die klassischen Käsekuchen, mit Früchten oder ohne. Dabei nehme ich meist Obst, das gerade Saison hat. Ich ändere mein Programm von Woche zu Woche, und auf Bestellung backe ich auch herzhafte Kuchen.“

Er nickte. „Wir wollen unser Sortiment in den Camden-Märkten um eine Feinschmeckerlinie ergänzen. Ihre Käsekuchen passen perfekt in unser Programm. Was halten Sie davon? Würden Sie uns beliefern?“

Einen Moment lang war Heddy sprachlos. „Das meinen Sie doch nicht ernst“, brachte sie schließlich hervor.

„Doch, sehr ernst sogar.“

Sie stieß einen undefinierbaren Laut aus. Lang Camdens Vorschlag kam ihr einfach nur absurd vor. „Dieser Laden hier war früher mal mein Wohnzimmer mit Wintergarten“, erklärte sie. „Bevor ich die Bäckerei eröffnet habe, habe ich mir im Untergeschoss eine kleine Backstube einbauen lassen, in der ich gerade genug Kuchen für meinen Laden zubereiten kann. Ich habe hier nicht die Kapazitäten, um Käsekuchen für einen einzigen Camden-Megamarkt herzustellen.“

Ganz abgesehen davon hatte ihre Familie schon einmal eine ähnliche Vereinbarung mit einem der Camdens getroffen. Der kleine Betrieb ihres Großvaters war daran kläglich zugrunde gegangen.

„Wir hatten uns das so vorgestellt, dass wir Ihre Käsekuchen erst mal flächendeckend in Colorado einführen. Irgendwann sollen sie dann in jedem Camden-Megamarkt auf der ganzen Welt erhältlich sein.“

Jetzt machte er wirklich Witze! Beeindruckend, wie ernst er dabei aussah …

Vielleicht wusste er gar nichts davon, dass die Camdens Heddys Familie damals in den Ruin getrieben hatten? Immerhin war das Ganze schon eine Weile her. Heddy war zu der Zeit noch nicht geboren, und ihre Eltern kannten sich nicht mal. Wahrscheinlich hatte Lang damals auch noch nicht gelebt. Er musste etwa in ihrem Alter sein, also nicht viel älter als dreißig. Damals hatten ihre Mutter und ihr Großvater einen Pakt mit dem Teufel geschlossen, wie ihre Mutter betonte. Dabei war nicht nur ihre Existenz zerbrochen, sondern auch ihr Herz.

Unabhängig davon konnte Heddy auf keinen Fall auf Lang Camdens Angebot eingehen. „Wie gesagt, ich kann Ihnen nicht das bieten, was Sie sich von mir wünschen.“ Sie erschrak. Hatte das eben ein kleines bisschen anzüglich geklungen? So hatte sie es auf keinen Fall gemeint.

Trotzdem war die Doppeldeutigkeit auch ihm nicht entgangen. Ein Lächeln breitete sich auf seinem attraktiven Gesicht aus. „Ich weiß, warum Ihnen die Sache nicht geheuer ist“, sagte er. „Weil die Bäckerei Ihrer Familie an einem ähnlichen Abkommen zugrunde gegangen ist.“

Dann wusste er also doch Bescheid!

„Und deshalb wollen wir es diesmal anders regeln“, fuhr er fort. „Zunächst bekommen Sie von uns eine finanzielle Starthilfe, damit Sie Ihre Produktionsmöglichkeiten erweitern können …“

„Was soll ich von Ihnen bekommen?“, unterbrach sie ihn.

„Finanzielle Starthilfe“, wiederholte er. „Und zwar als Zuschuss, nicht als Kredit. Trotzdem sind und bleiben Sie die alleinige Inhaberin Ihres Unternehmens.“

Das machte Heddy nur noch skeptischer. „Klingt etwas zu schön, um wahr zu sein“, erwiderte sie.

„Warum das? Das wäre nicht das erste Mal, dass wir ein vielversprechendes junges Unternehmen fördern.“

„Aber doch nicht in diesem Umfang, oder?“

„Ich will ehrlich zu Ihnen sein“, begann Lang Camden mit ernster Stimme. „Sie liegen schon richtig mit Ihrer Vermutung. Es ist für uns wirklich das erste Mal, dass wir jemanden so umfangreich unterstützen. Trotzdem gilt für diesen Zuschuss das Gleiche, das auch für alle anderen Zuschüsse galt: Sie behalten das Geld in jedem Fall. Und mich bekommen Sie als Dreingabe.“ Dabei lächelte er sie so einnehmend an, dass Heddy ganz anders zumute wurde.

„Was meinten Sie eben? Dass ich Sie auch mit dazubekomme?“ Erschrocken stellte Heddy fest, dass sie sich gerade so anhörte, als fände sie sein Zusatzangebot besonders reizvoll.

„Ja, ich unterstütze Sie persönlich dabei, eine Backstube einzurichten, in der Sie unseren Bedarf an Käsekuchen decken können. Ich bin in unserem Unternehmen dafür zuständig, neu gegründeten Firmen auf die Sprünge zu helfen. Ich helfe Ihnen bei der Ausstattung und suche mit Ihnen nach dem geeigneten Personal. Außerdem stehe ich Ihnen so lange zur Seite, bis alles rundläuft, damit Ihnen nicht passiert, was damals Ihrer Mutter und Ihrem Großvater widerfahren ist.“

„Und wo ist der Haken?“, wollte Heddy wissen.

„Falls es überhaupt einen gibt, besteht der wohl darin, dass Sie die Kuchen exklusiv an unsere Einzelhandelskette liefern sollen. Aber sonst …“

„Und wenn Sie nichts verkaufen? Dann nehmen Sie sie wieder aus dem Sortiment, und ich bin erledigt.“

„Das kann nicht passieren“, beruhigte er sie. „Wir legen vertraglich fest, dass Sie in einem solchen Fall nicht mehr an das Exklusivitätsabkommen gebunden sind. Die neue Backstube bleibt nach wie vor in Ihren Händen, und Sie können andere Großkunden beliefern. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass sich Ihre Käsekuchen in den Camden-Märkten nicht verkaufen. Bei uns haben Sie eine professionelle Marketingabteilung an Ihrer Seite. Außerdem ist unsere Kette weltweit sehr erfolgreich.“

Das Angebot war Heddy immer noch nicht geheuer, obwohl sie keinen Haken daran entdecken konnte. Sie schüttelte den Kopf.

„Wir setzen einen hieb- und stichfesten Vertrag auf“, versprach Lang Camden. „Den können Sie gern so vielen Anwälten und Unternehmensberatern vorlegen, wie Sie wollen, und anschließend alles in Ruhe mit uns durchsprechen.“

In diesem Moment kletterte Carter wieder auf seinen Stuhl und beugte sich weit vor, um auch den zweiten Kuchenteller abzulecken. Der Stuhl kippte gefährlich nach vorn, und Heddy sprang auf, um den Jungen festzuhalten.

Gleichzeitig griff Lang Camden nach dem Stuhl. Gemeinsam konnten sie verhindern, dass der Kleine schlimm stürzte.

„Carter …“, stöhnte Lang.

„Schmeckt lecker!“, rief das Kind. „Will mehr!“

„Ich glaube, es reicht für heute. Aber wir kaufen gleich noch einen Kuchen und nehmen ihn mit nach Hause.“

„Himbeer!“, verlangte Carter begeistert.

Erneut setzte Lang Camden den Jungen auf den Stuhl. Er versuchte noch einmal, sein Gesicht mit dem feuchten Küchentuch abzuwischen – vergeblich.

Carter befreite sich schnell aus dem Griff des Mannes. Dann lief der Kleine zur Kuchenvitrine und leckte sie ab – wie er vorhin die beiden Kuchenteller abgeleckt hatte.

„Carter!“, ermahnte Lang ihn.

„Mehr Kuchen!“, erläuterte der Kleine sein Verhalten.

Der Mann verdrehte die Augen. „Es tut mir wirklich leid. Ich weiß auch nicht, was mit ihm los ist.“

„Kein Problem“, gab Heddy zurück. „Ich finde das sogar ganz schmeichelhaft.“

„Wir können ihn ja zu Werbezwecken einsetzen“, schlug Lang Camden vor. „Natürlich nur, wenn Sie auf meinen Geschäftsvorschlag eingehen.“

Aber Heddy schüttelte den Kopf. „Ich will nicht …“

„Aber wie soll es sonst weitergehen?“, argumentierte er. „Ich sehe doch selbst, dass das Geschäft nicht richtig läuft. Das stand auch in diesem Zeitschriftenartikel. Ihre Kuchen schmecken zwar fantastisch, aber Sie haben leider nicht genug Kunden.“

„Ja, aber …“

„Kein Aber. Ich bin heute extra vorbeigekommen, um mich zu vergewissern, dass sich Ihre Kuchen in unseren Geschäften gut verkaufen würden. Da bin ich mir inzwischen ganz sicher. Jetzt würde meine Familie Sie gern dabei unterstützen. Sie gehen wirklich keinerlei Risiko ein. Falls wir Ihre Kuchen wieder aus unserem Sortiment nehmen müssen, können Sie immer noch andere Kunden in großem Umfang beliefern. Oder aber Sie verkaufen ihre Backstube wieder und bauen sich von dem Geld etwas anderes auf.“

„Ich verstehe das nicht“, sagte Heddy. „Warum tun Sie das alles?“

Lang Camden seufzte. „Vor einigen Jahrzehnten hat die Bäckerei Ihrer Familie unsere damaligen Läden mit Brot beliefert und war irgendwann nicht mehr in der Lage, die Nachfrage zu bedienen. Mein Vater und die anderen Verantwortlichen haben sich schließlich nach einem anderen Lieferanten umgesehen. Ihr Familienbetrieb stand völlig ohne Kunden da, weil sich die Bäckerei ganz auf die Camden-Märkte konzentriert hatte.“

Das ist aber noch nicht alles, dachte Heddy. Zwischen ihrer Mutter und Mitchum Camden hatte damals nicht nur eine geschäftliche Verbindung bestanden, sondern auch eine persönliche. Ob Lang Camden wohl auch darüber Bescheid wusste?

„So etwas darf auf keinen Fall wieder passieren“, fuhr er fort. „Darum bieten wir Ihnen diese Sicherheit.“

„Es hört sich aber …“

„Zu schön an, um wahr zu sein. Das haben Sie vorhin schon mal gesagt. Aber wir profitieren ja auch von dem Abkommen. Sie bieten ein Produkt an, das wir unbedingt verkaufen wollen. Deswegen sorgen wir dafür, dass Sie es in ausreichenden Mengen herstellen können. Und je mehr Käsekuchen Sie herstellen, desto mehr können wir verkaufen. Also haben wir beide etwas davon. Und Sie haben garantiert nichts zu verlieren. Es sei denn, Sie machen so weiter wie bisher. Dann müssen Sie Ihr Geschäft vielleicht bald schließen.“

„Will großen Kuchen haben!“, rief Carter ihnen von der Vitrine aus zu.

Heddy nutzte das als Vorwand, aufzustehen und hinter den Tresen zu gehen. Vielleicht konnte sie mit etwas räumlichem Abstand besser über dieses seltsame Angebot nachdenken.

Lang stellte sich zu dem Jungen an die Kuchenvitrine und bat Heddy, den größten Kuchen für sie einzupacken. „Vielleicht schlafen Sie einfach mal eine Nacht über meinen Vorschlag“, sagte er. „Sie können sich auch gern mit jemandem beraten. Danach sprechen wir in Ruhe über alles. Wir würden auf jeden Fall sehr gern mit Ihnen zusammenarbeiten.“

Warum bloß? fragte Heddy sich. Liegt das wirklich nur daran, dass meine Käsekuchen so gut schmecken? Daran hätte sie gern geglaubt, aber sie wusste nur zu gut, wie rücksichtslos die Camdens schon gegenüber ihren Geschäftspartnern gewesen waren.

„Denken Sie einfach noch mal darüber nach, ja?“, bat Lang sie und reichte ihr seine Kreditkarte.

Schweigend zog sie die Karte durch das Lesegerät und gab ihm den Ausdruck zum Unterschreiben.

„Ich melde mich noch mal“, sagte er und steckte die Karte wieder ein. „Und ich verspreche Ihnen jetzt schon, dass ich Sie in jeder Hinsicht unterstützen werde, wenn Sie einverstanden sind.“

„Okay, ich lasse mir die Sache durch den Kopf gehen“, willigte sie schließlich ein. Weitere Zugeständnisse wollte und konnte sie nicht machen. Wenn sie sich ausmalte, wie ihre Mutter auf dieses Angebot reagieren würde …

Lang Camden verabschiedete sich und verließ mit Carter den Laden, um draußen in einen großen Geländewagen zu steigen.

Was hatte ihr dieser Mann da eigentlich gerade vorgeschlagen? War er ihr Retter in der Not, oder würde sie einen Pakt mit dem Teufel eingehen, wenn sie sein Angebot annahm?

Teufel oder nicht, eines war ihr auf jeden Fall schon mal klar: Lang Camden sah wirklich teuflisch gut aus. Ein Glück, dass sie im Gegensatz zu ihrer Mutter gegen solche Reize immun war.

Ich bin immer noch Daniels Ehefrau, sagte sie sich. Und das werde ich auch bleiben.

Obwohl ihr Mann schon lange nicht mehr lebte …

2. KAPITEL

„Komm, Carter, wir gehen zum Billardtisch und rollen die Kugeln in die Löcher“, sagte Jonah Morrison zu dem kleinen Jungen. „Dann können dein Dad und GiGi sich in Ruhe unterhalten.“ Sie saßen gerade mit Lang und Georgianna Camden in Georgiannas riesiger Küche. Georgianna war Langs verwitwete Großmutter und das Oberhaupt der Camden-Familie. Sie wurde von allen liebevoll GiGi genannt. Jonah Morrison war ihre Jugendliebe. Erst vor kurzer Zeit waren sie sich wiederbegegnet.

Begeistert sprang Carter von seinem Platz auf und folgte Jonah Morrison aus dem Zimmer.

Jetzt war Lang mit seiner Großmutter allein. „Ich glaube, daran gewöhne ich mich nicht mehr“, murmelte er. „Dass mich jemand als Dad bezeichnet.“

GiGi lachte. „Ach, das kommt schon. Irgendwann drehst du dich automatisch um, sobald jemand nach seinem Dad ruft. Noch bevor dir einfällt, dass du Carter gar nicht dabeihast.“

„Es ist viel wahrscheinlicher, dass ich ihn vergesse, wenn ich ihn dabeihabe“, gab Lang zurück.

„Heute musst du ihn auf jeden Fall erst mal baden und ihm die Haare waschen“, stellte GiGi fest. „Was hat er sich denn da reingeschmiert? Pudding?“

„Käsekuchen. Wir waren gestern zusammen in Heddy Hanrahans kleiner Bäckerei und haben auch einen Kuchen mitgebracht. Heute Morgen ist Carter gleich zum Kühlschrank gerannt und hat mit beiden Händen in den Kuchen gegriffen. Dabei hat er sich wohl auch etwas in die Haare geschmiert. Ich war leider schon viel zu spät dran und musste dringend zur Arbeit. Deshalb konnte ich mich bis jetzt nicht darum kümmern.“

Er seufzte. „Aber Heddy Hanrahans Käsekuchen sind wirklich erstklassig. Darum bin ich heute gleich vorbeigekommen. Ich habe ihr ein Angebot gemacht und möchte mich mit dir darüber unterhalten.“

So leicht ließ sich GiGi nicht von Carters Zustand abbringen. „Dann läuft der Junge also schon den ganzen Tag mit Käsekuchen in den Haaren herum?“ Sie betrachtete Lang missbilligend.

„Was soll ich denn machen? Ihr wollt mir ja nicht mehr helfen, auf ihn aufzupassen!“ In den letzten drei Monaten hatten sich Langs Schwestern, seine Cousine und GiGi immer wieder um den Jungen gekümmert. „Könnt ihr mir nicht wenigstens so lange unter die Arme greifen, bis ich ein Kindermädchen für ihn gefunden habe? Oder auch zwei? Ich bin mir nicht sicher, ob eine Person ihn allein in den Griff bekommt.“

GiGi schüttelte den Kopf. „Kommt nicht infrage“, sagte sie. „Carter ist jetzt schon seit drei Monaten bei dir. Im Januar hast du ihn bei dir aufgenommen, und inzwischen haben wir April. Wir sind alle sehr stolz auf dich, weil du dich gleich bereit erklärt hast, dich um ihn zu kümmern. Aber jetzt wird es langsam Zeit, dass du in deine Vaterrolle hineinwächst.“

„Ich weiß“, räumte Lang ein. Es war ihm unangenehm, dass er dieser Aufgabe so lange aus dem Weg gegangen war. „Aber jeden Tag vierundzwanzig Stunden lang verantwortlich zu sein – das schaffe ich nicht. Ich brauche dringend Unterstützung, und meine Sekretärin lässt sich ganz schön Zeit mit ihrer Suche nach dem passenden Kindermädchen.“ Ihm selbst blieb neben seinem anspruchsvollen Beruf und Carter keine Zeit, nach Unterstützung zu suchen.

Seine Großmutter fuhr sich durch das kurze grau melierte Haar. „Dir müsste doch klar sein, dass so etwas nicht so schnell geht“, gab sie zu bedenken. „Wir sind eine wohlhabende Familie und müssen deswegen besonders vorsichtig sein. Selbst wenn deine Sekretärin eine geeignete Kandidatin gefunden hat, muss sie erst noch deren Hintergrund überprüfen lassen. Und so etwas dauert.“

„Ja, ich weiß.“ Lang seufzte. Der Reichtum der Camdens lockte immer wieder Betrüger an.

„Jedenfalls ist Carter dein Sohn, nicht unserer“, betonte GiGi. „Und trotzdem hast du von uns allen am wenigsten Zeit mit ihm verbracht. Seit Audrey dich verlassen hat, hältst du alle Menschen auf Abstand, die du nicht schon seit Jahren kennst. Dabei ist der Junge doch dein Sohn!“

„Wenn ich mir seit der Trennung von Audrey alle Menschen vom Leib gehalten hätte, würde es Carter gar nicht geben“, argumentierte Lang.

„Das war ja auch nur ein Abenteuer für eine Nacht. Aber wenn es um echte Nähe geht, versteckst du dich hinter deinem Schutzwall, damit dich bloß niemand so verletzen kann wie damals Audrey. So kannst du aber auch kein erfülltes Leben führen.“

„Vielleicht warte ich nur auf die Richtige.“

„Wahrscheinlich wartest du auf eine zweite Audrey, die bitte schön genauso sein soll wie ihre Vorgängerin. In den letzten dreieinhalb Jahren hast du nämlich bei jeder noch so sympathischen Frau irgendein Haar in der Suppe gefunden. Weil sie immer in irgendeiner Hinsicht nicht mit Audrey mithalten konnte.“

Was sollte das eigentlich gerade? Lang war doch nicht hergekommen, um sich von seiner Großmutter eine Standpauke halten zu lassen! „Ich glaube eher, dass ich auf jemanden warte, für den ich das Gleiche empfinde wie damals für Audrey. So eine Frau habe ich allerdings noch nicht kennengelernt.“ Leise fuhr er fort: „Es wäre aber schön, wenn sie meine Gefühle auch erwidert.“

„Die Frauen, mit denen du dich bisher getroffen hast, können dir sowieso nicht geben, was du dir wünschst“, gab GiGi zu bedenken. „Und im Moment ist es viel wichtiger, dass du dich wie ein guter Vater um deinen Sohn kümmerst.“

„Du siehst ja, was passiert, wenn ich das mache. Jetzt hat Carter das Haar voller Käsekuchen.“ Dann kam er auf den eigentlichen Grund für seinen Besuch zurück: „Und das liegt nicht nur daran, dass ihr mich mit Carter hängen lasst. Du wolltest ja unbedingt, dass ich ausgerechnet jetzt in dein Wiedergutmachungsprojekt einsteige.“

Anfang des 20. Jahrhunderts hatte Langs Urgroßvater H. J. Camden den Grundstein des Unternehmens gelegt, aus dem der riesige Camden-Konzern entstanden war. Wie skrupellos der zielstrebige H. J. damals vorgegangen war, hatten seine Nachkommen erst lange nach seinem Tod herausgefunden. Vor Kurzem waren seine Tagebücher entdeckt worden. Aus den Aufzeichnungen ging deutlich hervor, dass das Camden-Imperium auf dem Leid vieler Menschen aufgebaut worden war. Auch sein Sohn Hank und seine beiden Enkel Mitchum und Howard hatten dabei mitgewirkt.

Daher hatten GiGi und ihre zehn Enkel beschlossen, die Betroffenen so gut wie möglich für das zu entschädigen, was man ihnen angetan hatte. GiGi schickte ihre Enkel nacheinander zu den Familien, um herauszufinden, wie schlimm diese unter den Camdens gelitten hatten … und was die Camdens heute für sie tun konnten. Aus diesem Grund hatte Lang gestern Heddy Hanrahan in ihrer Bäckerei besucht.

„Vielleicht tut es dir sogar ganz gut, dass du im Moment so viel um die Ohren hast“, gab GiGi zu bedenken. „So etwas kann auch dazu führen, dass man sich anderen Menschen mehr öffnet.“

Ob sie gerade aus eigener Erfahrung sprach? Als ihre Enkelkinder durch ein Flugzeugunglück plötzlich verwaist waren, hatte sie alle zehn bei sich aufgenommen. GiGi hatte sich damals liebevoll um Lang, seine Geschwister, Cousins und Cousinen gekümmert, und sie waren sich dadurch sehr nahegekommen. Wahrscheinlich hoffte sie jetzt, dass es sich zwischen ihm und Carter ähnlich entwickeln würde. Trotzdem fühlte sich Lang gerade ziemlich überfordert.

„Dann erzähl mir doch mal, wie es gestern bei Heddy Hanrahan war, damit du schnell wieder nach Hause fahren und den Jungen waschen kannst“, forderte GiGi ihn auf.

Lang schilderte ihr, wie das Treffen mit der jungen Frau verlaufen war. „Morgen fahre ich nach der Arbeit noch mal bei ihr vorbei und frage sie, was sie von unserem Angebot hält“, schloss er.

„Glaubst du, dass sie weiß, was zwischen ihrer Mutter und deinem Vater passiert ist?“

Lang zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung, wir haben uns nur über Geschäftliches unterhalten. Und Carter hat jede Menge Käsekuchen gegessen. Zwei Sorten haben wir probiert, und beide waren ausgezeichnet. Die verkaufen sich in unseren Märkten bestimmt richtig gut.“

„Und sonst?“, hakte Gigi nach. „Wie hat Heddy Hanrahan reagiert, als du dich ihr vorgestellt hast?“

„Im ersten Moment wirkte sie etwas erschrocken, aber sie ist trotzdem freundlich geblieben und hat uns nicht aus dem Laden geworfen. Sie hat sich sogar in Ruhe unser Angebot angehört und will darüber nachdenken.“

Als sie zusammen am Tisch gesessen hatten, hatte er immer wieder ihr schönes Gesicht betrachtet: ihre makellose helle Haut, ihre haselnussbraunen Augen mit den grünen Einsprengseln, ihre sanft geschwungenen Brauen. Sie hatte hohe Wangenknochen, eine schmale, gerade Nase und wunderschöne rosafarbene Lippen, die wie zum Küssen gemacht waren. Nicht, dass er sie hätte küssen wollen, das wäre ihm nie in den Sinn gekommen.

„Hat sie ihre Mutter gar nicht erwähnt?“, sprach GiGi in seine Gedanken hinein.

„Nein“, erwiderte Lang. „Über Persönliches haben wir uns nicht unterhalten, nur über das Geschäft.“ Plötzlich kam ihm ein erschreckender Gedanke. „Könnte sie etwa rein theoretisch meine Halbschwester sein?“

„Auf keinen Fall“, gab seine Großmutter zurück. „Laut diesem Zeitschriftenartikel ist sie jetzt dreißig. Und es ist inzwischen sechsunddreißig Jahre her, dass dein Vater mit ihr zusammen war. Ich hatte bloß gehofft, dass ihre Mutter immer noch glücklich mit ihrem Vater verheiratet ist. Das würde immerhin darauf hinweisen, dass sie diese unglückliche Geschichte mit deinem Vater gut überwunden hat.“

GiGi und ihre Enkelkinder hofften bei jedem ihrer Wiedergutmachungsprojekte, dass die Rücksichtslosigkeit ihrer Vorfahren bei den Betroffenen keine bleibenden Schäden hinterlassen hatte.

„Ist sie denn hübsch?“, erkundigte sich GiGi jetzt.

„Ja, wunderschön sogar“, sagte Lang und bemühte sich, möglichst gelassen zu klingen. „Warum, was wäre, wenn sie hässlich wäre? Würden wir ihr die Zusammenarbeit dann nicht anbieten?“

GiGi lächelte ihren Enkel vielsagend an, als wollte sie ihm damit zu verstehen geben, dass sie ihn durchschaute. Dabei interessierte ihn Heddy Hanrahan als Frau gar nicht. Im Moment interessierten ihn überhaupt keine Frauen. In seinem Leben ging es auch so schon drunter und drüber. Obwohl es ihn schon interessieren würde, wie diese Heddy aussah, wenn sie ihr rostrotes Haar offen trug …

Jedenfalls wollte er mit seiner Großmutter nicht weiter über die junge Frau oder ihr Aussehen diskutieren, sondern so schnell wie möglich nach Hause. „Carter!“, rief er laut in Richtung Küchentür, durch die Jonah mit dem Jungen verschwunden war. „Kommst du? Wir wollen fahren.“ Dann wandte er sich wieder an GiGi. „Wir verschwinden jetzt besser. Dann könnt ihr noch etwas für euch sein, dein Highschoolschwarm und du“, bemerkte er, um sich ein bisschen dafür zu rächen, dass sie ihm mit ihren Bemerkungen zu seinem Privatleben ganz schön auf die Pelle gerückt war.

Aber GiGi lächelte nur. „Das ist lieb von dir.“

In diesem Moment kam Carter zu ihnen in die Küche, und sie gingen gemeinsam zur Haustür, wo ihre Jacken hingen.

„Lass mich bitte wissen, wie es morgen mit der wunderschönen Heddy Hanrahan gelaufen ist!“, rief GiGi ihm hinterher, als er mit seinem Sohn zum Auto ging.

„Ja!“, antwortete er knapp und setzte Carter in seinen Kindersitz.

Es war wie verhext: Kaum hatte seine Großmutter Heddys Namen erwähnt, sah er sie schon genau vor sich. Sie ist wirklich wunderschön, dachte er. Aber das ist mir egal.

Denn obwohl er das GiGi oder seiner restlichen Familie gegenüber nie zugeben würde, war er wirklich nicht bereit, eine Frau an sich heranzulassen.

Nicht einmal, wenn sie so schöne rote Haare hatte wie Heddy Hanrahan.

„Ich habe mir deine Einnahmen und Ausgaben inzwischen mehrmals angeschaut und komme leider immer wieder zu dem gleichen Ergebnis.“ Heddys Cousine Clair seufzte. „Du hast deinen Laden seit fünfzehn Monaten und machst damit immer noch keinen Gewinn.“

Heddy hatte Clair gleich am Montagabend nach Lang Camdens Besuch angerufen und ihr von seinem Angebot erzählt. Clair arbeitete als Wirtschaftsprüferin und kümmerte sich kostenlos um Heddys Buchführung. Inzwischen war es Mittwochnachmittag, und Clair war gerade vorbeigekommen, um ihrer Cousine zu erklären, wie es wirklich um die kleine Käsekuchenbäckerei stand.

„Den Großteil von Daniels Lebensversicherung hast du verwendet, um dein Geschäft aufzubauen“, fuhr Clair fort. „Und von dem Rest bestreitest du gerade deinen Lebensunterhalt, weil du bisher keinen einzigen Cent Profit erwirtschaftet hast. Allmählich geht dir das Geld aus. Gibt es irgendeinen Grund anzunehmen, dass das Geschäft demnächst besser läuft?“

„Eigentlich hatte ich gehofft, dass durch diesen Zeitschriftenartikel viel mehr Kunden kommen, aber das war nicht so“, gestand Heddy.

„Dann rate ich dir dringend, das Angebot der Camdens anzunehmen“, schloss Clair. „Entweder das, oder du kehrst wieder in deinen alten Beruf zurück und arbeitest als Krankenschwester.“

„Das geht nicht“, widersprach Heddy heftig. „Ich halte es nicht aus, Kinder in meiner Nähe zu haben.“ Allein der Gedanke versetzte sie in Panik. Seit der schrecklichen Nacht, die ihr ganzes Leben verändert hatte, ging ihr das so. Damals, vor fünf Jahren, hatte sie ihren Beruf als Kinderkrankenschwester aufgegeben.

„Aber dir ist doch klar, dass dich absolut keine Schuld trifft, oder? Dass es nicht deswegen passiert ist, weil du in dieser Nacht auf der Kinderstation gearbeitet hast? Es hat dir sogar das Leben gerettet“, sagte Clair mitfühlend. „Vielleicht kannst du dir ja vorstellen, in einem anderen Bereich als Krankenpflegerin zu arbeiten? Du warst doch wirklich gut in deinem Beruf …“

Heddy schüttelte energisch den Kopf. „Das kommt nicht infrage. Kann ja sein, dass du mich jetzt für völlig unvernünftig hältst, aber ich kann auf keinen Fall wieder in meinem alten Beruf arbeiten. Die Käsekuchenidee war meine Rettung.“

Clair seufzte. „Dann würde ich das Angebot von diesem Lang Camden annehmen“, wiederholte sie. „Clark und ich sehen uns den Vertrag genau an, damit dir nicht das Gleiche passiert wie deiner Mutter und deinem Großvater. Soweit ich das mitbekommen habe, hört sich die Sache sehr vernünftig an. Wenn sich deine Kuchen in den Camden-Märkten nicht verkaufen, kannst du immer noch andere Lebensmittelläden oder Restaurants beliefern. In jedem Fall stehst du hinterher besser da als jetzt.“

So sah Heddy das auch. Trotzdem gab es noch andere Dinge zu bedenken. „Schon, aber … wie soll ich das meiner Mutter beibringen?“, sagte sie. „Bis jetzt habe ich ihr noch nichts von der Sache erzählt. Sie dreht bestimmt durch, wenn sie das hört.“

„Ja, und das ist sogar nachvollziehbar. Trotzdem …“

Die beiden Cousinen saßen an einem Tisch im Cafébereich der Bäckerei, Heddy mit dem Rücken zum Eingang, Clair direkt gegenüber. In diesem Moment ging die Tür auf.

„Da kommt mein zweiter Kunde für heute“, murmelte Heddy ihrer Cousine zu.

Diese starrte gerade ziemlich fasziniert in Richtung Eingang.

Heddy stand auf, drehte sich um … und ihr Blick fiel auf Lang Camden. Auch heute hatte er Carter dabei.

„Oh“, entfuhr es ihr. Schlagartig war ihr klar, was es mit Clairs Gesichtsausdruck auf sich hatte.

„Hi.“ Lächelnd nickte Lang den beiden Frauen zu. Er trug wieder einen Anzug, diesmal in einem dunklen Graublau mit einem hellblauen Hemd und einer passenden Krawatte. Seit Montag hatte Heddy sich einzureden versucht, dass der Mann in Wirklichkeit gar nicht so umwerfend aussah, wie sie ihn in Erinnerung hatte. Aber jetzt musste sie feststellen, dass er sogar noch attraktiver war.

„Hi“, erwiderte Heddy schließlich. „Clair, das ist Lang Camden. Mr Camden, das ist Clair Darnell, meine Cousine und beste Freundin. Und außerdem meine Buchhalterin“, fügte sie hinzu.

„Schön, Sie kennenzulernen, Mrs Darnell“, sagte Lang Camden. „Ich hoffe, Sie überzeugen Heddy Hanrahan gerade davon, mein Angebot anzunehmen.“

Clair war sofort wieder im Hier und Jetzt. „Wir haben uns eben ein bisschen darüber unterhalten“, erwiderte sie vorsichtig. Dann nahm sie ihre Handtasche und einen Ordner vom Tisch und wandte sich an Heddy. „So, jetzt muss ich weiter. Sag mir Bescheid, wenn du dich entschieden hast, ja? Ich kann auch gern mitkommen, wenn du deiner Mutter davon erzählst …“

„Vielen Dank.“ Heddy begleitete ihre Cousine zur Tür.

Währenddessen lief Carter zur Kuchenvitrine, und Lang folgte ihm.

Clair beugte sich zu Heddy. „Hey, du hast mir gar nicht erzählt, wie umwerfend er aussieht!“, raunte sie ihr zu. „Wenn ich nicht glücklich verheiratet wäre …“

Heddy lachte leise und tat, als hätte sein Aussehen sie nicht weiter beeindruckt. Was natürlich nicht stimmte. Seit Montag hatte sie immer wieder sein Bild vor Augen gesehen, außerdem hatte sie sogar schon von ihm geträumt. Und zwar dreimal in nur zwei Nächten …

Clair lugte über Heddys Schulter zur Kuchenvitrine hinüber. „Wer ist eigentlich der kleine Junge?“

„Das weiß ich nicht. Am Montag hatte er ihn auch schon dabei.“

In diesem Augenblick verkündete Carter lautstark, dass er heute ein Stück Kuchen mit „Hai-Bären“ probieren wollte.

„Ich glaube, du wirst da vorn gebraucht. Wir telefonieren noch mal, okay?“, sagte Clair und warf einen letzten Blick auf den attraktiven Mann, bevor sie den Laden verließ.

„Ich will Hai-Bär-Kuchen“, wiederholte Carter, sobald Heddy hinter dem Tresen stand.

„Ich glaube, er meint Heidelbeeren“, vermutete Lang. „Das hoffe ich jedenfalls. Carter nimmt also ein Stück Käsetorte mit Blaubeeren und weißer Mousse au Chocolat, und ich probiere mal Ihren gebackenen Käsekuchen.“

„Gern.“ Heddy holte die beiden noch unberührten Kuchen aus der Vitrine.

„Kommen Sie gleich zu uns?“

„In Ordnung.“ Bei seinem Vorschlag setzten sich die Schmetterlinge in ihrem Bauch in Bewegung.

Warum bin ich eigentlich so aufgeregt? fragte sie sich. Hing es etwa damit zusammen, dass sie kurz davor stand, sein geschäftliches Angebot anzunehmen? Und dass sie jetzt Angst hatte, wie ihre Familie darauf reagieren würde? Oder hatte Lang selbst diese Wirkung auf sie? Wie er so dastand, mit seiner imposanten Statur, dem kunstvoll zerzausten dunklen Haar und dem leichten Bartschatten …

Er setzte sich mit Carter an den Tisch, der dem Tresen am nächsten war. Heddy brachte den beiden ihren Kuchen und nahm ihnen gegenüber Platz.

Der kleine Junge trug heute Jeans und Pullover. Er griff sich sofort einen Löffel, teilte einen viel zu großen Bissen von seinem Tortenstück ab und versuchte vergeblich, alles auf einmal in den Mund zu schieben. „Hmm …“, murmelte er mit vollem Mund.

Lang Camden teilte sich mit seinem Löffel ebenfalls etwas von Carters Torte ab, probierte es und bestätigte das Urteil des Jungen. Dann aß er ein Stück von seinem eigenen Kuchen. Genüsslich verdrehte er die Augen. „Und ich dachte schon, dass die Mousse-au-Chocolat-Torten nicht mehr steigerungsfähig sind. Aber die hier ist unglaublich saftig und cremig – einfach nur lecker.“

Heddy lächelte. „Das freut mich.“

„Und ich freue mich noch viel mehr, wenn Sie unsere Märkte beliefern“, erwiderte er.

Darauf ging Heddy zunächst nicht ein. Ihre Mutter würde ausrasten, wenn sie ihr erzählte, dass sie sich auf Geschäfte mit den Camdens einließ, da war sie sich sicher. Andererseits war ihr im Gespräch mit Clair klar geworden, dass ihr kaum etwas anderes übrig blieb, wenn sie nicht wieder als Krankenschwester arbeiten wollte. „Meine Kuchenrezepte müssen aber absolut geheim bleiben“, sagte sie, als wollte sie Lang Camden damit herausfordern.

Er zuckte bloß mit einer Schulter. „Kein Problem. Wir interessieren uns nur für das fertige Produkt. Alles andere überlassen wir Ihnen.“

„Ich kann auch kein Eigenkapital in die neue Backstube einfließen lassen, die wir aufbauen müssten“, fuhr sie fort. „Und ich will mich dafür nicht verschulden.“

„Wie gesagt – Sie bekommen das Startkapital als Zuschuss von uns.“

„Bevor ich den Vertrag unterschreibe, will ich ihn meiner Cousine und ihrem Mann vorlegen. Sie ist Wirtschaftsprüferin, und er ist Anwalt.“

„Das finde ich gut – dass Sie Menschen an Ihrer Seite haben, die sich mit so etwas auskennen und sich vergewissern können, dass alles in Ordnung ist. Wir sind natürlich einverstanden.“

Trotz allem, was er sagte, war Heddy schrecklich nervös. Aber nachdem ihre Mutter und ihr Großvater so schlechte Erfahrungen mit den Camdens gemacht hatten, war das wohl nur natürlich. „Okay“, sagte sie schließlich. Ihr war längst klar geworden, dass es keinen anderen Ausweg aus ihrer Misere gab.

Im selben Moment entglitt Carter der Löffel, und ein Stück Käsekuchen flog auf Lang Camden zu, um auf dem Revers seines Maßanzugs zu landen.

„Ach, Carter!“, stöhnte er und bearbeitete den schmierigen Fleck mit einer Papierserviette. „Den Anzug habe ich gerade erst aus der Reinigung geholt!“ Er nahm dem Jungen den Löffel weg.

Unbeeindruckt teilte sich Carter das nächste Stück mit dem Löffel ab. Dabei rieb er sich mit der anderen Hand das Auge.

„Hatte er heute keinen richtigen Mittagsschlaf?“, fragte Heddy.

„Nein, eigentlich gar keinen. Ich nehme mir zwar vor, ihn nachmittags hinzulegen, aber das klappt leider nicht immer.“

„Kinder in seinem Alter brauchen dringend ihren Mittagsschlaf“, erklärte sie. „Und zwar täglich. Sie brauchen das zum Krafttanken, außerdem tut ihnen die Routine gut …“ Sie hielt inne. Was tat sie da eigentlich gerade? Ihr stand nun wirklich nicht zu, Lang Camden einen Vortrag zum Thema Kindererziehung zu halten.

Allerdings schien er ihr das nicht übel zu nehmen. „Tja, ich muss noch eine Menge dazulernen“, gab er zu.

Damit wusste Heddy immer noch nicht, wie Lang und Carter zueinander standen, und warum der Mann sich überhaupt um den Jungen kümmerte.

„Ich warne Sie lieber vor, dass ich die nächsten Termine mit Ihnen nur im Doppelpack wahrnehmen kann … und zwar so lange, bis ich jemanden gefunden habe, der sich tagsüber um Carter kümmert.“

Ihr zog sich der Magen zusammen, wenn sie sich vorstellte, bei jeder Geschäftsbesprechung mit Lang Camden auch auf Carter zu treffen. „Im Doppelpack?“, wiederholte sie.

„Ja. Ich nehme Carter im Moment überall mit hin“, erklärte Lang und fixierte sie mit seinen unglaublich blauen Augen. Dann sprach er weiter: „Habe ich das vorhin eigentlich richtig verstanden? Waren Sie mit meinem Angebot einverstanden, kurz bevor ich unter Käsekuchenbeschuss stand?“

„Ja.“

„Sie werden es nicht bereuen.“

Das konnte sie nur hoffen. „Und was passiert jetzt?“

„Ich überlasse es Ihnen, wann Sie Ihr Geschäft offiziell schließen wollen. An Ihrer Stelle würde ich das aber sofort tun, weil wir in den nächsten Wochen jede Menge Arbeit haben. Da bleibt Ihnen kaum Zeit, sich um den Laden zu kümmern.“

Außerdem hatte es wenig Sinn, weiter Geld und Arbeit in ein Projekt ohne Zukunft zu investieren. Bestimmt hatte Camden das auch gedacht, aber aus Rücksicht auf ihre Gefühle nicht gesagt.

„Ich lasse ein Hinweisschild anfertigen, dass es Ihre Kuchen bald in den Camden-Märkten zu kaufen gibt“, fuhr er fort. „Das können Sie als Werbung ins Schaufenster stellen. Dann wissen Ihre Stammkunden, wo sie ihre Lieblingsdesserts finden.“

Heddy nickte. Sie war traurig, dass sie ihren Laden schließen musste … gleichzeitig aber auch ein bisschen erleichtert. Zumal sie ein großes, vielversprechendes Projekt vor sich hatte.

„Am besten entwickle ich schnell eine Strategie, damit wir so bald wie möglich mit Ihrer Camden-Gourmetlinie loslegen können und es für Sie möglichst wenig Leerlauf gibt.“

„Das kommt mir sehr entgegen“, sagte sie. Um ihre Finanzen stand es nicht gerade gut.

„Heute Abend und morgen mache ich mir mal Gedanken darüber“, versprach er. „Wie wär’s, wenn Sie für morgen Abend eine kleine Käsekuchenverkostung für mich vorbereiten? Ich würde gern Ihre verschiedenen Sorten probieren, zumindest das Standardprogramm. Wenn wir Ihre Kuchen einführen, fangen wir am besten mit ein paar Klassikern an und bauen langsam darauf auf. Und während ich mich durch Ihre Käsekuchen probiere, sprechen wir über den Businessplan, den ich bis dahin erarbeitet habe.“

„Und der Vertrag …“

„Den bereite ich auch vor. Die endgültigen Dokumente sind allerdings erst in ein paar Tagen zur Unterschrift bereit. Aber ich lege bis morgen Abend schon mal die Rahmenbedingungen für Ihre Starthilfe fest.“

„Gut“, sagte Heddy gedehnt. Wenn es um die geschäftliche Seite des Deals ging, geriet sie ähnlich ins Schwimmen wie Lang bei der Betreuung von Carter.

Der kleine Junge hatte inzwischen sein Stück Käsetorte aufgegessen und döste auf seinem Stuhl vor sich hin.

Auch Lang sah jetzt zu dem Kind. Er griff nach einer Papierserviette und wischte ihm Gesicht und Hände ab. „Sie hatten recht“, sagte er. „Er ist wirklich ganz schön müde. Ich trage ihn schnell ins Auto. Da kann er ja schon mal ein bisschen schlafen.“ Er stand auf und setzte sich den Jungen auf eine Hüfte. Carter schmiegte den Kopf an den kräftigen Oberkörper des Mannes.

Es hatte etwas sehr Anrührendes, die beiden so zusammen zu sehen. Schnell wandte Heddy den Blick ab und sammelte die benutzten Teller ein.

„Passt es Ihnen überhaupt, dass wir die Käsekuchen-Verkostung auf morgen Abend legen?“, meldete sich Lang wieder zu Wort. „Tagsüber schaffe ich es leider nicht.“

Jetzt sah sie ihn doch wieder an und begleitete ihn zur Tür – alles andere wäre unhöflich gewesen. „Ja, das ist völlig in Ordnung. Ich habe abends meist nicht so viel vor. Wann würden Sie denn vorbeikommen? Das hängt wahrscheinlich davon ab, wann Sie Carter ins Bett bringen …“ Mit ihrer Frage wollte sie auch herausfinden, ob Lang rund um die Uhr für den Jungen verantwortlich war.

„Wie wäre es mit halb sieben?“, schlug er vor. „Da hat er gerade zu Abend gegessen, und wir können uns noch ein, zwei Stunden unterhalten, bevor ich ihn schlafen lege.“

Also wohnte das Kind tatsächlich bei Lang. „Halb sieben ist gut.“

„Dann sind wir jetzt Geschäftspartner.“ Er reichte ihr die Hand.

Heddy schlug ein und erschauerte, als seine große, kräftige Hand ihre umschloss. Sie spürte seine Körperwärme und seine Kraft … und sein Selbstvertrauen. Es fühlte sich aufregend und gleichzeitig sehr schön an.

Als er die Hand wieder zurückzog, musste Heddy schlucken. „Dann sehen wir uns morgen um halb sieben“, wiederholte sie. Zu ihrem Ärger klang ihre Stimme heiser und belegt.

„Alles klar“, bestätigte er. „Bis morgen.“

Heddy nickte bloß und blickte Lang hinterher. Sie würden sich in nächster Zeit noch sehr oft sehen. Und zu ihrem Schrecken wurde ihr klar, dass sie sich sehr zu diesem Mann hingezogen fühlte. Sosehr sie sich auch dagegen wehren wollte … Auf keinen Fall durfte ihr passieren, was ihrer Mutter mit seinem Vater passiert war.

Als ob ihr Unbewusstes sie genau davor schützen wollte, führte es ihr plötzlich ein Bild aus der Vergangenheit vor Augen: Auf einmal sah sie Daniel vor sich, der ihre gemeinsame Tochter Tina genauso auf dem Arm hatte – wie Lang Camden gerade Carter trug. Eine unendlich schmerzliche Erinnerung.

Damit war alles, was Lang eben in ihr ausgelöst hatte, vergessen.

Zumindest vorerst.

3. KAPITEL

„Tu das bitte nicht, Heddy!“, flehte Kitty Hanrahan ihre Tochter an. „Du weißt ja nicht, worauf du dich da einlässt. Die Camdens nutzen dich nur aus, und dann lassen sie dich wieder fallen. So haben sie es damals mit deinem Großvater und mir auch gemacht. Besonders mit mir.“

„Was soll mir denn passieren?“, gab Heddy zurück. „Ich habe schließlich nichts mehr zu verlieren.“ Heute, am Donnerstagnachmittag, hatte sie ihrer Mutter endlich von dem Abkommen mit den Camdens erzählt.

Und Kitty Hanrahan hatte so entsetzt wie befürchtet reagiert.

„Ich habe heute Morgen schon mit Grandpa telefoniert und ihm alles erzählt“, erklärte Heddy. Sie war gerade damit beschäftigt, in ihrer kleinen Backstube Käsekuchen zusammenzustellen, die Lang Camden später probieren sollte.

Ihre Mutter lehnte am Tresen und sah ihr dabei zu. „Und was hat er dazu gesagt?“

„Er meinte, dass er die Pleite damals selbst mitverschuldet hat. Eigentlich hätte er ahnen können, dass er sich vergrößern musste, um die Camden-Märkte ausreichend zu beliefern.“

„Da vergisst er aber, dass wir die Camdens um Unterstützung gebeten hatten, um expandieren zu können. Sie hatten uns ihre Hilfe erst zugesagt, und dann ließen sie uns einfach fallen und bestellten ihr Brot bei einer anderen Bäckerei.“

Diese Geschichte kannte Heddy in- und auswendig. Sie wusste auch, dass ihre Mutter und ihr Großvater sich darüber nie einig werden konnten. Statt weiter darauf einzugehen, wollte sie ihrer Mutter lieber erklären, warum die Vereinbarung zwischen ihr und Lang Camden wirklich Hand und Fuß hatte: weil sie dank der versprochenen Starthilfe gleich in die Produktion einsteigen konnte. Und weil sie mit ihrer neuen, größeren Backstube notfalls andere Großkunden bedienen könnte, falls Camden sich als ihr Auftraggeber zurückziehen sollte.

„Es sei denn, die Camdens schaffen es irgendwie, deine Kuchen so schlechtzureden, dass niemand sie mehr kaufen will“, warf ihre Mutter ein. „Zutrauen würde ich ihnen das jedenfalls. Ich kenne die Camden-Männer. Sie sehen umwerfend gut aus und sind auch noch ausgesprochen charismatisch. Und bevor du begreifst, was gerade mit dir passiert, haben sie dich schon mit Haut und Haaren gefressen und wieder ausgespuckt.“

„Ich weiß, dass dir das damals passiert ist …“

„Allerdings. Als der tolle Mitchum Camden mit mir durch war, wollte er am liebsten vergessen, dass es mich jemals gegeben hatte. Er hat sich schnell einen anderen Brotlieferanten gesucht. Dass er damit unsere ganze Existenz zerstörte, war ihm egal.“

Heddy seufzte. „Grandpa meinte zu mir, dass ich aus den Dingen lernen kann, die damals passiert sind“, sagte sie. „Das sehe ich auch so. Darum habe ich Clark gebeten, den Vertrag so zu ergänzen, dass ich rundum abgesichert bin. Außerdem hat Lang Camden mir seine Unterstützung versprochen, falls sich die Käsekuchen in den Camden-Märkten nicht gut verkaufen.“

„Du darfst kein Wort von dem glauben, was dir diese Camdens erzählen“, warnte ihre Mutter sie. „Mitchum hat mir damals auch das Blaue vom Himmel versprochen und nichts davon gehalten. Und meinen Verlobungsring hat am Ende eine andere Frau getragen.“

„Ich weiß“, sagte Heddy voller Mitgefühl. „Aber die Beziehung zwischen Lang Camden und mir ist rein geschäftlich, und dabei bleibt es auch. Ich will nämlich gar keine Beziehung mehr eingehen, weder mit Lang Camden noch mit sonst jemandem. Für mich gab es nur einen Mann, und das war Daniel.“

„Oh Heddy …“ Liebevoll legte ihre Mutter ihr einen Arm um die Schultern. „Ich will zwar auf keinen Fall, dass du etwas mit einem Camden anfängst, aber ich würde mir so sehr wünschen, dass du dich wieder auf einen Mann einlassen kannst. Du trauerst schon seit fünf Jahren. Das ist eine lange Zeit.“

„Mach dir keine Sorgen um mich, mir geht es gut“, versicherte Heddy ihr. „Aber Daniel war meine große Liebe, und eine neue Beziehung kommt für mich nicht infrage. Und ich werde auch kein Kind mehr bekommen …“

„Wenn alles anders gekommen wäre, hättet ihr bestimmt mindestens noch ein Baby gekriegt“, gab ihre Mutter zu bedenken.

„Schon, aber jetzt erinnert mich jedes Kind an Tina“. Heddys Herz zog sich zusammen, als sie den Namen ihrer Tochter aussprach. „Das kann ich kaum ertragen, und deshalb gehe ich Kindern möglichst aus dem Weg. Wenn ich jetzt noch ein Kind bekäme, wäre das so, als würde ich einen Ersatz für Tina wollen. Aber das ist unmöglich. Nein, heiraten und eine Familie gründen – das Kapitel ist für mich endgültig abgeschlossen. Darum brauchst du auch nicht zu befürchten, dass Lang Camden mit mir das anstellt, was Mitchum mit dir gemacht hat.“

„Mir gefällt das alles trotzdem nicht. Weder dein Abkommen mit den Camdens noch dein Beschluss, nicht mehr richtig am Leben teilhaben zu wollen.“

„Aber mein Leben geht doch weiter!“, protestierte Heddy. „Ich steige jetzt ganz groß in die Käsekuchenbranche ein. Und werde bald eine echte Karrierefrau.“

Sanft zog Kitty Heddys Kopf zu sich heran und küsste sie aufs Haar. „Das allein macht aber nicht glücklich“, flüsterte sie.

Doch, dachte Heddy. Komisch, dass sie plötzlich wieder Lang Camden vor Augen hatte …

„Was genau machen Sie eigentlich als Gründungshelfer?“, erkundigte sich Heddy bei Lang. Sie saßen in Heddys Wohnbereich am Küchentisch, auf dem sie die Käsekuchenproben angeordnet hatte.

Ursprünglich waren Lang und Carter zu ihr in den Laden gekommen. Aber weil Carter wieder vollkommen übermüdet war, waren sie in den hinteren Teil des Hauses umgezogen, in dem sich Heddys Wohnräume befanden. Dort durfte sich Carter mit Kissen und Decke aufs Sofa legen und Kindersendungen schauen. Innerhalb weniger Minuten war der Junge eingeschlafen.

„Worin meine Arbeit als Gründungshelfer besteht?“, wiederholte Lang ihre Frage. „Wenn wir zum Beispiel einen neuen Megamarkt eröffnen wollen, überprüfe ich die möglichen Standorte nach verschiedenen Gesichtspunkten: Umfeld, Konsumverhalten der Anwohner, Verkehrsanbindung und so weiter. Dann reiche ich ein Angebot für das Grundstück ein, setze mich mit dem Flächennutzungsplan für das Gebiet auseinander, beantrage bestimmte Genehmigungen und kümmere mich um mögliche Lieferanten. Ich sorge also dafür, dass die Dinge ins Rollen kommen.“

„Werden Sie auch aktiv, wenn es darum geht, neue Sortimente einzuführen?“

„Ja, dann gehe ich so vor wie jetzt bei Ihnen. Ich überlege mir zunächst, wie wir die Produkte am besten verkaufen können, und ob wir mit Lieferanten arbeiten oder selbst in die Herstellung gehen wollen. Bei der Lieferantenlösung kümmere ich mich um die Randbedingungen und stelle sicher, dass unsere Vertragspartner uns ausreichend beliefern können. Und wenn wir selbst produzieren wollen, suche ich nach einer geeigneten Produktionsstätte und geeignetem Personal.“

„Mein Fall liegt genau dazwischen, oder? Sie bauen mit mir gerade eine eigene Produktionsstätte auf, die ich dann aber übernehmen soll.“

„Das stimmt.“

„Und wenn Sie sich irgendwann entschließen, den Käsekuchen selbst herzustellen?“

Heute war Lang nicht im Geschäftsanzug gekommen, sondern in Tweedhose und Freizeithemd. Heddy trug eine schlichte Bluse, die locker über ihre Jeans fiel.

„Da kann ich Sie beruhigen, wir werden nie versuchen, Ihre Käsekuchen selbst zu produzieren“, sagte er. Es klang nicht so, als hätte sie ihn mit ihrer Überlegung beleidigt. „Ich habe Ihnen ja schon versprochen, Ihre Betriebsgeheimnisse zu respektieren. Sie machen die besten Käsekuchen in ganz Colorado, Sie kennen sich mit den Rezepten und der Zubereitung aus. Die Herstellung ist bei Ihnen in den besten Händen. Wir können das gar nicht nachmachen.“

„Da wäre ich mir nicht so sicher“, gab sie zu bedenken. „Sie erfahren ja nach und nach immer mehr über meine Kuchen. Zum Beispiel jetzt, wo Sie die verschiedenen Sorten probieren …“

„Ja, aber an diese Informationen kommt doch jeder heran, der in Ihrem Laden ein Stück Kuchen kauft, oder?“

Heddy zuckte mit den Schultern. Damit hatte er recht. Sie wünschte bloß, sie hätte ihm nicht schon so viel über die Zubereitung erzählt.

„Betrachten Sie das Ganze doch mal aus unserer Sicht“, schlug Lang vor. „Bei manchen Produkten sparen wir gutes Geld, wenn wir sie selbst herstellen, und bei anderen nicht. Eine eigene Produktion eröffnen wir meist bei gängiger Massenware. Aber in Ihrem Fall handelt es sich um eine echte Spezialität. Da ist es für uns wirtschaftlicher, gleich bei Ihnen einzukaufen, als Spezialisten zu suchen, die entsprechende Rezepte entwickeln und sie auch noch so zubereiten können. Es würde sich nicht lohnen, nur für ein paar Käsekuchen eine ganze Produktion drum herum aufzubauen.“

Er sah ihr tief in die Augen. „Wir wollen Sie ganz bestimmt nicht übervorteilen. Im Gegenteil, wir möchten mit Ihnen zusammenarbeiten – und zwar so, dass beide Seiten davon profitieren.“

Für Heddy klang das alles sehr überzeugend. Vielleicht sollte sie einfach die Bedenken ihrer Mutter ausblenden, die sie immer wieder im Ohr hatte?

„So in etwa sieht jedenfalls meine Arbeit als Berater für Unternehmensgründungen im Camden-Konzern aus“, schloss Lang. „Und wie ist es bei Ihnen? Was haben Sie gemacht, bevor Sie Ihre eigene Bäckerei eröffnet haben? Waren Sie da in einem größeren Unternehmen angestellt?“

„Nein, davor waren die Käsekuchen für mich reines Privatvergnügen. Aber mir wurde immer wieder gesagt, dass ich damit ein gutes Geschäft machen könnte. Und als ich mich beruflich umorientieren musste, habe ich diesen Vorschlag aufgegriffen.“

„Es ist bloß nicht so einfach, seine Produkte richtig zu vermarkten und davon zu leben. Selbst wenn man wirklich ein tolles Angebot hat.“

„Ja, so sieht es aus.“

„Als Sie sich beruflich umorientieren mussten – was hatten Sie da vorher gemacht?“, erkundigte er sich. Dann teilte er sich einen dritten Bissen vom Brombeer-Schokoladen-Käsekuchen ab, obwohl sie sich längst geeinigt hatten, die Sorte ins Standardprogramm aufzunehmen.

„Davor habe ich in einem Kinderkrankenhaus als Krankenschwester gearbeitet.“

„Das geht wahrscheinlich ganz schön an die Substanz“, überlegte Lang laut. „Ich kann mir vorstellen, dass es in dem Bereich viele Burn-out-Fälle gibt.“

„Bei mir war es kein Burn-out.“

„Dann haben Sie also aus einem anderen Grund aufgehört?“, hakte er nach.

Erst jetzt wurde Heddy bewusst, dass ihr Blick schon die ganze Zeit auf seiner markanten Kieferpartie ruhte. Der Dreitagebart ließ ihn ein bisschen verwegen wirken, was sie sehr attraktiv fand. Um ihn nicht weiter so anzustarren, schob sie die Kuchenteller auf dem Tisch zurecht.

„Damals passierte etwas, das von heute auf morgen mein ganzes Leben veränderte“, erklärte sie. „Ich war erst mal krankgeschrieben und bin eine Zeit lang morgens nicht mal aus dem Bett gekommen. Später wurde mir klar, dass ich auf keinen Fall in meinen alten Beruf zurückgehen konnte.“

Erstaunlich, wie viel sie ihm gerade über sich erzählt hatte! Lag das vielleicht daran, dass er sie so sanft und verständnisvoll mit seinen unendlich blauen Augen anblickte? Es kam ihr vor, als würde sie in seinem Blick versinken …

Lang nickte. „Manchmal spielt einem das Leben übel mit.“ Es klang, als wüsste er genau, wovon sie sprach, obwohl sie nichts Genaueres erzählt hatte.

„Ja, manchmal ist das so“, stimmte sie ihm zu. „Hat Ihnen das Leben auch übel mitgespielt? Ist Carter deshalb bei Ihnen?“ Das war eine sehr persönliche Frage. Aber einerseits wollte Heddy nicht weiter über ihre Vergangenheit sprechen, und andererseits interessierte sie sich brennend für die Antwort.

„Nicht ganz“, erwiderte er. „Nach einer Krise habe ich etwas getan, das ich lieber nicht hätte tun sollen. Und dabei ist Carter entstanden.“ Lang lachte unvermittelt auf. „Damals war gerade eine langjährige Beziehung in die Brüche gegangen, und da habe ich mir Trost gesucht. Das Ganze lief auf einer rein körperlichen Ebene ab, ohne weitere Verpflichtungen. Das dachte ich jedenfalls. Aber dann wurde es auf einmal ziemlich seltsam.“

„Seltsam?“

„Na ja, ich hatte Viv auf einer Party kennengelernt. Eigentlich hatte sie ganz normal auf mich gewirkt, nur vielleicht etwas überdreht. Wir haben uns auf Anhieb gut verstanden und uns öfter getroffen …“

„Auf einer rein körperlichen Ebene“, zitierte Heddy ihn und fragte sich gleichzeitig, warum ihr dabei so seltsam zumute war. Sie war doch nicht etwa eifersüchtig?

„Ja“, bestätigte er. „Nach ein paar Wochen drehte sie plötzlich vollkommen durch. Später erfuhr ich von einer ihrer guten Freundinnen, dass Viv schwere psychische Probleme hatte und sich bei ihr Hochs und Tiefs abwechselten. Als wir uns kennenlernten, war sie offenbar gerade in einer Hochphase, darum wirkte sie auch so fröhlich. Sie war voller Energie, und es machte einfach Spaß, mit ihr zusammen zu sein. Aber auf einmal kehrte sich alles ins Gegenteil.“

„Da war es wohl mit dem Spaß vorbei.“

„Allerdings. Es wurde sogar ziemlich gruselig. Die Frau hatte nämlich auch eine sehr düstere Seite. Ich wollte sie überzeugen, dass sie sich Hilfe holt, aber mit dem Vorschlag hatte ich wohl ein heißes Eisen angefasst. Allmählich wusste ich nicht mehr, wie ich mit ihr umgehen sollte. Dann bekam sie einen schrecklichen Wutanfall und schrie mich an, dass sie mich nie wiedersehen wollte. Darüber war ich sogar ziemlich erleichtert, denn ich konnte mich mit gutem Gewissen zurückziehen.“

„Und dann ist sie doch wieder auf Sie zugekommen?“

„Nein, seitdem habe ich sie nie wiedergesehen. Das ist inzwischen etwas länger als drei Jahre her. Aber diesen Januar hat sich das Sozialamt bei mir gemeldet …“ Seine Stimme klang unheilvoll.

„Überraschung – Sie sind Vater?“, vermutete Heddy.

„Nicht so ganz. Sie erklärten mir, dass sie ein schlimm vernachlässigtes Kind bei sich hätten. Seine Mutter hatte es ausgesetzt. Sie hatte noch eine Nachricht hinterlassen, auf der stand, dass vier Männer als Vater infrage kämen.“

„Vier Männer?“

„So ist es. Als ich mich mit dieser Frau einließ, war ich ziemlich durcheinander. Ich wollte mich in erster Linie von der Trennung ablenken, die ich gerade hinter mir hatte. Da habe ich mich nicht dafür interessiert, ob sie sich noch mit anderen Männern trifft.“

„Und sie hat sich damals sogar mit drei anderen Männern getroffen?“

„Ja, so sah es aus. Außer mir hätten noch drei andere Männer Carters Vater sein können.“

„Oje.“

„Allerdings.“ Lang verzog das Gesicht. Es war deutlich, dass er nicht gerade stolz auf diese Geschichte war.

Heddy fand es umso beeindruckender, dass er sie ihr trotzdem erzählte.

„Am Ende lief alles auf einen Vaterschaftstest hinaus. Viv hatte auf ihr Sorgerecht verzichtet, und jetzt suchte man nach dem leiblichen Vater des Jungen. Wenn der auch auf sein Sorgerecht verzichtete, sollte der Junge zur Adoption freigegeben werden, damit er nicht den Rest seiner Kindheit von Pflegeeltern zu Pflegeeltern geschoben wurde. Ein Vaterschaftstest war mir nur recht, weil ich mir damals noch sehr sicher war, dass Carter nicht von mir sein konnte. Ich hatte immer darauf geachtet, dass wir auf Nummer sicher gehen …“

„Aber manchmal geht eben doch etwas schief.“ Wieder eine Vermutung.

„Offenbar schon. Ich hatte einen echten Schock, als der Test ergab, dass Carter mein Sohn ist.“

„Aber statt genau wie Viv auf Ihr Sorgerecht zu verzichten, haben Sie Carter bei sich aufgenommen.“

Lang schloss die Augen und atmete hörbar aus. „Er ist doch mein Sohn! Da kann ich ihn nicht … ich musste einfach … ach, Sie wissen schon, was ich meine. Ich hatte und habe doch überhaupt keine Ahnung, wie man mit Kindern umgeht“, sagte er etwas verschämt und lachte leise. „Das ist Ihnen bestimmt noch nicht aufgefallen, oder?“, fügte er im Scherz hinzu.

Heddy lächelte bloß.

„Jedenfalls habe ich Carter bei mir aufgenommen und mich sofort wieder aus der Verantwortung gestohlen.“

„Wie meinen Sie das?“

„In den ersten Monaten habe ich ihn den Frauen in meiner Familie überlassen: meinen beiden Drillingsschwestern, meiner Cousine Jani und meiner Großmutter. Ich habe ihn bloß hin und her gefahren.“

Heddy lachte. „Sehr clever!“

„Zuerst ja, aber letztes Wochenende haben sich alle gegen mich verbündet und meinten, es sei höchste Zeit, dass ich selbst die Verantwortung übernehme. Dann haben sie mir einen Crashkurs in Sachen Kinderpflege gegeben, und seitdem bin ich auf mich gestellt.“

„Bekommen Sie keine Unterstützung mehr?“

„Nein“, erwiderte Lang düster. „Meine Sekretärin sucht gerade jemanden, der sich tagsüber um Carter kümmert, aber die Suche gestaltet sich offenbar schwierig. Wahrscheinlich hat meine Großmutter sie angewiesen, sich möglichst viel Zeit zu lassen. Sie findet nämlich, dass Carter und ich uns erst mal näherkommen müssen.“

„Na ja, immerhin haben Sie die erste ziemlich nervenraubende Phase übersprungen“, gab Heddy zu bedenken. „Sie brauchten nicht mitten in der Nacht aufzustehen, um Fläschchen warm zu machen, und das Zahnen ist auch schon vorbei. In Carters Alter weinen Kinder nicht mehr stundenlang ohne offensichtlichen Grund. Das kann übrigens sehr anstrengend sein: ein schreiendes Baby herumzutragen, hin und her zu wiegen, alles Mögliche zu versuchen, um es zu beruhigen …“

„Sie kennen sich aber gut aus.“

Heddy zuckte mit den Schultern. „Ich wollte damit bloß sagen, dass es noch viel anstrengender für Sie hätte werden können. Aber je älter ein Kind wird, desto mehr lernt es dazu, und desto einfacher wird es für die Eltern.“

„Sie haben leicht reden.“

Im Gegenteil, dachte Heddy. Es fiel ihr sogar sehr schwer, über dieses Thema zu sprechen. Aber sie konnte Lang schlecht sagen, dass sie alles dafür geben würde, um ihre Tochter mit zweieinhalb Jahren zu erleben …

„Meine Familie hat wahrscheinlich recht. Carter ist mein Sohn, und ich will, dass wir uns nahestehen. Daher nehme ich mir Zeit für ihn und gebe mir Mühe, alles so gut wie möglich zu machen. Ich habe bloß Schwierigkeiten damit, mich von heute auf morgen in einen perfekten Vater zu verwandeln. Im Grunde hatte ich mir ja schon Kinder gewünscht. Aber ich hätte nicht gedacht, dass es auf diese Weise passiert …“

„Es ist schwer, etwas hinzunehmen, das man sich ganz anders vorgestellt hatte“, stimmte Heddy ihm zu. Dadurch, dass Lang so viel Persönliches von sich preisgab und sich ihr gegenüber sogar verletzlich zeigte, fand sie ihn noch viel anziehender. Am besten wechselten sie schnell das Thema und redeten wieder über das Geschäft. „Hier, das ist der letzte Kuchen“, sagte sie und schob ihm den Teller mit dem Orangen-Gewürz-Käsekuchen zu.

Lang probierte einen Löffel und verdrehte genüsslich die Augen. „Hm, in Sachen Käsekuchen sind Sie nicht zu überbieten. Unglaublich, dass die Leute Ihnen nicht den Laden einrennen.“

„Freut mich, dass Sie das so sehen. Aber das müssen Sie auch, denn schließlich wollen Sie die Kuchen ja auch verkaufen.“

„Das wird einfach. Schreiben Sie mir einfach eine Rechnung für die Kuchen, die Sie mir heute serviert haben. Alles, was übrig ist, nehme ich mit nach Hause. Hält sich das wohl bis Sonntag?“

„Wenn Sie die Stücke gut einpacken und gleich in den Kühlschrank stellen, dann ja.“

„Prima. Wir treffen uns nämlich jeden Sonntag bei meiner Großmutter zum Familienessen. Jeder soll etwas mitbringen, und ich bin diesmal mit fünfzehn Käsekuchen dabei. Das müsste ja wohl reichen.“ Er lachte. Dann stand er auf und half Heddy, die restlichen Kuchen zu verpacken.

Während Carter noch auf dem Sofa schlief, trugen sie und Lang den Kuchen zu seinem Geländewagen. Dann stellte er Heddy einen großzügigen Scheck aus und legte ihn auf den Küchentisch. Jetzt standen sie sich in ihrer Küche gegenüber, und sie betrachtete sein attraktives Gesicht.

„Wir sehen uns am Samstag wieder, um Räumlichkeiten für die neue Backstube zu besichtigen, ja?“ Das hatten sie bereits vorhin bei der Kuchenverkostung besprochen. „Und danach können wir uns ja im Fachgeschäft für Küchenbedarf nach den nötigen Gerätschaften umsehen. Die Rechnung übernehme natürlich ich, das ist Teil Ihrer Starthilfe. Anfang nächster Woche sind wahrscheinlich auch alle Verträge fertig.“

„Ich stehe Ihnen voll und ganz zur Verfügung.“ Heddy hatte das einfach als Redewendung vor sich hingesagt. Erst jetzt wurde ihr die Doppeldeutigkeit bewusst.

Lang Camden grinste sie herausfordernd an. „Das freut mich.“

Und sosehr sich Heddy auch bemühte, sie konnte den Blick nicht von seinen vollen, sinnlichen Lippen lösen. Wie es wohl wäre, wenn er sich jetzt zu ihr vorbeugte und damit ganz sanft ihren Mund berührte?

„Ich hole Sie am Samstagmorgen um zehn ab, okay?“, sagte er stattdessen und holte sie damit wieder in die Realität zurück.

Jetzt nimm dich endlich zusammen! Du wirst diesen Mann niemals küssen! Das wollte sie auch gar nicht. Überhaupt wollte sie nie einen anderen Mann küssen als Daniel.

Erst recht keinen Camden.

4. KAPITEL

Am Samstag waren Heddy, Lang und Carter den ganzen Tag lang unterwegs, um zusammen mit Langs Makler Räumlichkeiten für die neue Backstube zu besichtigen. Für Carter war das ganz schön ermüdend. Für Heddy hingegen verging die Zeit wie im Flug. Zum einen, weil sie sich darauf freute, eine eigene große Backstube einzurichten … und zum anderen, weil sie es genoss, mit Lang Camden zusammen zu sein.

Heute trug er eng sitzende Jeans, die seine schmalen Hüften und seinen knackigen Po perfekt betonten, dazu einen blauen Pullover und eine Lederjacke. Kein Wunder, dass Heddy nicht aufhören konnte, ihn anzusehen.

Während sie von Objekt zu Objekt zogen, entging ihr nicht, wie gut er in seinem Job war: Er zeigte sich fachkundig und aufmerksam, war erstklassig informiert und so wach und intelligent, dass ihm bei den Besichtigungen keine Kleinigkeit entging.

Er wirkte weder herrisch noch arrogant oder rechthaberisch, und er hörte sich Heddys Meinung und die seines Maklers jeweils aufmerksam an. Bei jeder Besichtigung erkundigte er sich nach ihren Wünschen und Bedenken und ließ sie dabei deutlich spüren, dass ihre Bedürfnisse für ihn an erster Stelle standen.

Schließlich hatten sie die idealen Räume gefunden. Der Standort lag genau zwischen Denver und Arcada, dem Vorort, in dem Heddy wohnte. Dadurch hatte sie erstens keinen langen Anfahrtsweg, und zweitens war sie dort nicht weit vom Hauptsitz des Camden-Konzerns entfernt.

Doch sosehr Lang sie als Geschäftsmann beeindruckte, so unbeholfen verhielt er sich im Umgang mit seinem Sohn.

Die meiste Zeit beachtete er Carter nicht, also beschäftigte sich der kleine Junge selbst, so gut es ging: Einmal rannte er ununterbrochen von einer Wand zur anderen und klatschte dabei jedes Mal laut mit den Händen gegen die Mauer. Ein anderes Mal drehte er sich so lange um eine Stützstange, bis ihm schwindelig wurde.

Als er im dritten Objekt versuchte, einen Stock in eine Steckdose zu stecken, kam Heddy gerade noch rechtzeitig dazwischen. Auch bei seinen anderen selbst erfundenen Spielen war Heddy diejenige, die ihn unterbrach.

Und Lang schien jedes Mal wieder überrascht zu sein, wie intensiv ein kleines Kind beaufsichtigt werden musste.

Nachdem sie die perfekten Räumlichkeiten gefunden und alles Geschäftliche über den Makler geklärt hatten, mussten sie gleich weiter. Lang hatte für den späten Nachmittag noch einen Termin in einem Fachgeschäft für Küchenbedarf vereinbart.

Daher musste Carter schon wieder auf seinen Mittagsschlaf verzichten.

Es war bereits nach sechs Uhr abends, als Heddy, Lang und Carter das Fachgeschäft für Küchenbedarf verließen. Gemeinsam mit dem Verkäufer hatten sie eine beachtliche Einkaufsliste für die Backstube zusammengestellt. Auch der Schätzpreis, den der Verkäufer ihnen genannt hatte, war beachtlich.

Auf der Fahrt zu Heddys Wohnhaus erklärte Lang, dass er die Einkaufsliste auch anderen Fachgeschäften vorlegen würde, um weitere Angebote einzuholen.

Heddy hörte nur mit einem Ohr zu. Sie war viel mehr damit beschäftigt, dass der gemeinsame Tag mit Lang gleich zu Ende sein würde. Zu ihrem Erstaunen gefiel ihr das ganz und gar nicht. Ob sie ihn und Carter wohl noch zu sich hereinbitten sollte?

Ihr war bewusst, dass sie sich damit auf dünnes Eis begab und Gefahr lief, Geschäftliches mit Privatem zu vermischen. Und das durfte sie auf keinen Fall riskieren, schon gar nicht bei Lang Camden.

Andererseits war heute Samstag, und sie hatten gerade gemeinsam einen Standort für ihr neues Unternehmen ausgesucht. Nach so einem aufregenden Tag wollte Heddy nicht einfach in ihr Haus gehen und dort in der Stille allein sein. „Wissen Sie schon, was Sie heute zu Abend essen?“, fragte sie, ohne weiter darüber nachzudenken.

Lang war gerade in ihre Einfahrt eingebogen. „Hm, mal nachdenken …“, sagte er und lächelte ihr schelmisch zu. „Normalerweise hole ich uns eine Pizza oder Hamburger aus irgendeinem Schnellimbiss, der auf dem Nachhauseweg liegt. Das mache ich heute wohl auch. Oder ist Ihnen die Antwort zu vage?“

„Nein, ich habe jetzt eine ganz gute Vorstellung von Ihren Essgewohnheiten“, gab sie zurück. „Ich dachte nur gerade …“ Sie zögerte. „… dass ich uns gern eine Hühnerpastete backen kann, wenn Sie mögen. Die Zutaten habe ich schon alle zu Hause.“

„Aber Sie brauchen uns doch nicht zu bekochen“, protestierte er. Aus seinem Tonfall ging allerdings hervor, dass er absolut nicht abgeneigt war.

„Ich weiß, aber wenn ich das selbst gern möchte?“

„Wirklich? Dann wäre ich einverstanden, das klingt nämlich toll“, sagte Lang sichtlich begeistert. „Ich kann auch gern mitmachen. Als Kinder mussten wir unserer Großmutter auch jeden Abend in der Küche helfen, da habe ich ein paar Handgriffe gelernt. Soll ich uns noch schnell etwas aus dem Laden holen? Vielleicht einen Wein?“

Das klang wirklich gefährlich danach, als könnte der Abend doch ein Stück zu weit ins Private gleiten. Aber statt sein Angebot abzulehnen, witzelte sie: „Wie bitte, darf Carter bei Ihnen etwa Wein trinken?“

„Nein, ich dachte dabei eher an Sie und mich. Wie wär’s mit einem Weißwein zum Huhn?“

„Das klingt sehr gut“, erwiderte Heddy und versuchte, ruhig und sachlich zu klingen. Dann schlug sie vor, schon mal das Essen vorzubereiten, während Lang mit Carter den Wein holte. „Bis gleich!“, rief sie den beiden zu und stieg aus.

„Gleich!“, wiederholte Carter und führte ihr damit vor Augen, dass es zwischen Lang und ihr nie zu intim werden konnte, solange der Junge dabei war. Sie schloss die Autotür, winkte Carter noch einmal zu und ging ins Haus.

Nachdem Heddy ihr Make-up aufgefrischt hatte, löste sie ihre etwas zu straff frisierte Knotenfrisur und steckte sich das Haar locker hoch, sodass vereinzelte Strähnen ihr Gesicht umspielten. Dann ging sie in die Küche. Als Lang und Carter vor der Tür standen, hatte sie den Pastetenteig vorbereitet und die Zutaten für die Füllung herausgesucht.

Lang wusch seine und Carters Hände und bot an, das Gemüse klein zu schneiden, während Heddy die Soße zubereitete.

„Ich glaube, Sie verstehen sehr viel mehr vom Kochen, als Sie zugeben“, bemerkte sie, als er seinen ersten Schwung fein geschnittener Karottenstreifen vom Brett in die Gemüseschüssel gleiten ließ.

„Ich war sechs Jahre alt, als wir alle bei unserer Großmutter einzogen“, erklärte er. „Sie hatte damals zwar schon Margaret und Louie als Haushaltshilfen, aber fürs Kochen war immer GiGi verantwortlich.“

„Und GiGi war Ihre Köchin?“, hakte Heddy nach.

Er lachte. „Nein, wir hatten keine Köchin. GiGi ist der Kosename unserer Großmutter. Jedenfalls haben wir damals immer alle zusammen gekocht, GiGi und wir zehn Kinder. Dabei habe ich zwar keine Rezepte gelernt, aber ich kann ganz gut Gemüse schneiden und sonstige Aufgaben übernehmen.“

Für Heddy warf diese Bemerkung einige Fragen auf. Wie war es dazu gekommen, dass Lang und neun weitere Kinder damals bei ihrer Großmutter „GiGi“ gelebt hatten?

Doch bevor sie nachhaken konnte, schnitt er das restliche Gemüse klein, reichte ihr die Schüssel und bot an, schon mal mit Carter zusammen den Tisch zu decken.

Während sie das Gemüse anbriet und einen Salat zubereitete, beobachtete sie ihre beiden Gäste. Unendlich geduldig erklärte Lang seinem Sohn, wo die Teller und das Besteck hingehörten. Er zeigte ihm sogar, wie man die Servietten faltete. Der Mann überraschte Heddy immer wieder: In Sachen Kindererziehung hatte er zwar noch einiges zu lernen, dafür ging er sehr liebevoll mit dem Jungen um.

Inzwischen war sie sich sicher, dass seine Familie die richtige Entscheidung getroffen hatte, ihn und Carter sich selbst zu überlassen. Nur auf diese Weise konnten die beiden sich wirklich näherkommen, und nur so konnte Lang in seine Vaterrolle hineinwachsen.

Als Heddy das Essen zum Tisch brachte, legte er gerade ein dickes Wörterbuch aus ihrem Bücherregal auf einen Stuhl, damit Carter besser an seinen Teller herankam. Gemeinsam genossen sie das Essen.

Danach tat Carter lautstark kund, dass er Zeichentrickfilme sehen wollte. Also bereitete Heddy für ihn ein gemütliches Plätzchen mit Kissen und Decke auf ihrem Sofa vor und schaltete den Kinderkanal ein. Innerhalb weniger Minuten war der Kleine eingeschlafen.

Lang bestand darauf, Heddy mit dem Abwasch zu helfen. „Ich würde unheimlich gern mehr über Ihre Familie erfahren“, sagte er. „Wie kommt es eigentlich, dass Sie selbst Hanrahan mit Nachnamen heißen? Ist das nicht der Mädchenname ihrer Mutter? Ich habe gehört, dass Ihre Bäckerei früher Hanrahan’s Bakery hieß und Ihrem Großvater mütterlicherseits gehörte.“

„Das stimmt. Meine Mutter hat ihren Namen behalten, sie heißt immer noch Katherine Hanrahan, genannt Kitty.“

„Heißt das, dass Sie ohne Vater aufgewachsen sind?“, hakte Lang vorsichtig nach.

Heddy lachte. „Nein, mein Vater war immer für mich da und ist es auch heute noch. Er heißt Jim Craig und ist seit fünfunddreißig Jahren glücklich mit meiner Mutter verheiratet.“

„Also mit Kitty Hanrahan.“

„Genau. Sie hat ihren Namen behalten, weil ihre beiden Schwestern die Namen ihrer Ehemänner angenommen hatten. Aber sie wollte nicht, dass der Name ganz von der Bildfläche verschwindet. Deshalb habe ich ihn auch bekommen, während mein großer Bruder mit Nachnamen Craig heißt.“

„Verstehe. Und was machen Sie, wenn Sie heiraten?“

„Ich war schon mal verheiratet, da habe ich den Namen Hanrahan behalten“, sagte Heddy leise. Auch ihre Tochter Tina hatte Hanrahan geheißen. Und eigentlich hatten Daniel und sie sich noch ein zweites Kind gewünscht, vielleicht einen Sohn, der Daniels Nachnamen Doyle bekommen hätte. Ja, auch Daniel und sie hatten alles getan, um den Familiennamen weiterzugeben. Aber jetzt war es damit vorbei …

„Ach, Sie waren schon mal verheiratet?“

Darüber wollte sie mit ihm ganz bestimmt nicht reden. „Ich dachte, Sie wollten etwas über die Hanrahans hören.“

Inzwischen hatten sie das Geschirr in der Spülmaschine untergebracht und die Küche aufgeräumt. Heddy stand in der Ecke des L-förmigen Tresens, lehnte sich mit dem Rücken gegen die Arbeitsplatte und sah Lang an.

Er hob den Kopf, als wollte er damit zum Ausdruck bringen, dass er sehr wohl verstanden hatte, dass sie nicht über ihre Ehe sprechen wollte. „Okay, dann erzählen Sie mir noch ein bisschen von den Hanrahans.“

„Gut. Meine Großeltern leben alle noch. Dann sind da meine Eltern und mein älterer Bruder Max. Er ist Zahnarzt und wohnt in New Mexico.“

„Und Ihre Eltern sind immer noch glücklich verheiratet?“, hakte Lang nach.

Erneut fragte sie sich, ob er von dem Verhältnis zwischen Kitty Hanrahan und seinem Vater wusste. Vielleicht versuchte er auf diesem Weg, mehr über Kitty zu erfahren?

„Allerdings“, erwiderte Heddy. „Und Ihre?“

„Meine Eltern kamen bei einem Flugzeugabsturz ums Leben, als ich sechs Jahre alt war. Meine Tante, mein Onkel und mein Großvater saßen im selben Flieger.“

„Oh, das tut mir sehr leid. Das wusste ich nicht“, sagte Heddy voller Mitgefühl. Unentwegt hatte ihre Mutter über die Camdens geschimpft, besonders an „diesem Mistkerl Mitchum Camden“ hatte sie kein gutes Haar gelassen. Abgesehen davon wusste Heddy allerdings nicht viel über die Unternehmerfamilie. „Hat Ihre Großmutter Sie deswegen bei sich aufgenommen?“

„Ja, nach dem Unglück sind wir alle zehn zu ihr gezogen“, bestätigte Lang. „Meine Schwestern, meine Brüder und vier Cousins und Cousinen und ich. Sie hat sich um uns alle gekümmert. Da müsste ich doch eigentlich auch mit einem einzigen kleinen Jungen zurechtkommen, oder?“ Er hielt einen Moment lang inne und wechselte dann das Thema. „Sie meinten vorhin, dass Ihre Großeltern noch leben. Sind sie auch jeweils glücklich verheiratet?“

„Ja, alle vier.“

„Dann ist es für Ihre Mutter und Ihren Großvater mütterlicherseits doch noch gut weitergegangen, nachdem sie die Bäckerei aufgeben mussten?“

„Ja, irgendwann haben sie sich wieder gefangen, aber das war wirklich nicht leicht für die beiden.“ Heddy sah nicht ein, warum sie diese schwere Zeit schönreden sollte. „Erst haben sie noch versucht, die Bäckerei zu retten und ihre alten Kunden zurückzugewinnen, die sie vor ihrem Exklusivvertrag mit Camden beliefert hatten. Aber die hatten längst neue Lieferanten gefunden und wollten nicht mehr zurückwechseln.“

„Konnten sie denn keine neuen Kunden gewinnen?“

„Nicht so richtig. Dadurch, dass die Bäckerei ihre alten Kunden aufgegeben hatte, um nur noch für die Camden-Märkte zu backen, hatten die kleinen Unternehmen vor Ort das Vertrauen verloren. Sie hielten meinen Großvater und meine Mutter für Verräter und wollten nicht noch einmal das Risiko eingehen, von ihnen im Stich gelassen zu werden.“ Heddy holte kurz Luft.

„Dass die Camden-Märkte sich irgendwann einen anderen Lieferanten gesucht hatten, war ihrer Meinung nach die gerechte Strafe. Für meine Mutter und meinen Großvater gab es also kein Zurück mehr. Ein Jahr, nachdem die Zusammenarbeit mit den Camden-Märkten beendet war, mussten sie ihren Betrieb endgültig schließen.“

„Und was ist dann passiert?“, erkundigte Lang sich vorsichtig.

„Dann mussten sie lange kämpfen.“

„Weil das Geld so knapp war?“

„Ja, das auch. Aber nicht nur deswegen.“

„Es gab also noch andere Gründe?“, hakte er nach.

Einer der Gründe hatte darin bestanden, dass es ihrer Mutter lange psychisch sehr schlecht gegangen war. Aber das wollte Heddy ihm nicht erzählen. „Meine Mutter und mein Großvater hatten so viele Hoffnungen in die Bäckerei gesteckt, dass sie erst mal ziemlich deprimiert waren, als alles zusammenbrach.“

„Aber irgendwann haben sie doch eine neue Tätigkeit gefunden, oder?“, wollte Lang wissen. Seine Stimme klang hoffnungsvoll. Offenbar hatte er genug von den Schattenseiten im Leben der Hanrahans gehört.

Trotzdem sah Heddy nicht ein, warum sie die Dinge beschönigen sollte, zumal er das Thema selbst aufgebracht hatte. Nur von der Beziehung zwischen ihrer Mutter und seinem Vater wollte sie ihm nichts erzählen. „Meine Mutter war damals noch recht jung, sie hat dann mal diesen und mal jenen Job angenommen, meistens im Büro. Dort hat sie sich gar nicht wohlgefühlt. Den größten finanziellen Verlust hatte mein Großvater zu tragen, und das hat ihm schwer zu schaffen gemacht.“ Sie seufzte.

„Eine ganze Weile ging bei ihm gar nichts mehr“, fuhr sie fort. „Aber das kenne ich nur aus Erzählungen. Damals war ich noch nicht geboren, und er spricht nicht gern darüber. Ich weiß nur, dass er meiner Mutter gegenüber ein extrem schlechtes Gewissen hatte. Und dass er sich so sehr verschuldet hatte, dass er dadurch fast sein Haus verlor.“

„Hat er es denn behalten können?“, erkundigte sich Lang besorgt.

„Eigentlich sollte es schon zwangsversteigert werden, aber sie haben es doch noch gerettet. Kurz davor hatte ihn allerdings meine Großmutter verlassen.“

„Oh nein, das wird ja immer schlimmer …“

„Ja. Aber zum Glück wachte er dadurch auf, nahm sich zusammen und suchte sich einen neuen Job: als Brotbäcker für eine große Supermarktkette. Dann überzeugte er meine Großmutter, zu ihm zurückzukehren, und rettete das Haus vor der Zwangsversteigerung.“

„Wie steht Ihr Großvater denn zu unserer neuen Geschäftsverbindung?“, wollte Lang wissen. „Ich kann mir vorstellen, dass ihm das gar nicht gefällt.“

Er wirkte so beunruhigt, dass Heddy ihm am liebsten die Sorgenfalten auf der Stirn glatt gestrichen hätte. Doch dann erschrak sie darüber, überhaupt auf so einen Gedanken gekommen zu sein. „Mein Großvater hat nichts dagegen“, erklärte sie. „Er meinte nur, dass ich aufpassen soll und nicht die gleichen Fehler machen darf wie er damals. Er fragt sich allerdings, ob das Angebot so eine Art Wiedergutmachung ist.“

„Meine Familie würde sich sehr über eine zweite Chance freuen, mit den Hanrahans Geschäfte zu machen“, sagte Lang und ging damit einer direkten Antwort aus dem Weg. Dann blickte er Heddy in die Augen – so intensiv, dass ihr dabei flau im Magen wurde. „Vor allen Dingen freue ich mich, mit Ihnen zusammenzuarbeiten. Und ich hoffe, dass uns die Vergangenheit dabei nicht in die Quere kommt.“

„Ich bin da nicht nachtragend, falls Sie das meinen. Außerdem freue ich mich über die Chance, meine Käsekuchen über Ihre Kette zu verkaufen.“

„Und ich mich erst. Immerhin sind Sie der Star unter den Käsekuchenbäckern.“

„Ich bin also ein Star. Das ist ja toll.“

„Ja, Sie sind ein Mega-Superstar. Die beste, die begabteste, die kreativste Bäckerin weltweit.“ Während er ein Lob an das nächste reihte, betrachtete er sie weiter eindringlich mit seinen warmen blauen Augen.

„Hm … da fällt mir gerade auf, dass wir uns noch nicht auf einen Preis für meine Käsekuchen geeinigt haben.“

Lang grinste. „Okay, dann sind Sie für mich erst mal nur ein ‚Star‘, alles andere können wir uns vielleicht nicht leisten.“ Keine Sekunde lang nahm er den Blick von ihr.

Heddy hatte den Eindruck, dass er ihre Gegenwart genoss. Wenn das hier keine geschäftliche Verabredung, sondern ein erstes Date gewesen wäre, hätte sie spätestens jetzt beschlossen, dass sie den Mann unbedingt wiedersehen wollte.

Und obwohl ihr Verstand ihr immer wieder sagte, dass sie und Lang nur rein beruflich miteinander zu tun hatten, musste sie doch wieder an ihren Abschied neulich denken. Als sie sich gefragt hatte, wie es wohl wäre, wenn Lang sie einfach küssen würde.

Heute war es sogar noch schlimmer. Unwillkürlich hob sie den Kopf, als würde es wirklich gleich passieren. Und dann stellte sie sich vor, wie es sich anfühlte …

Lang drehte sich ein winziges Stück zu ihr hin, und sie bemerkte, dass sein Blick auf ihrem Mund ruhte. Er brauchte sich nur noch zu ihr herunterzubeugen, um ihre Lippen zu berühren. Und obwohl sie es sich selbst gegenüber nicht zugeben wollte, wünschte sie es sich insgeheim doch.

Als er sich tatsächlich vorbeugte, richtete sie sich schnell auf und wich zurück. „Darf ich Ihnen Kaffee oder Tee anbieten? Vielleicht noch ein Stück Brownie dazu? Wir können uns ja an den Küchentisch setzen.“ Er weiß Bescheid, dachte sie. Er hat erkannt, dass ich mich zurückgezogen habe, weil ich glaubte, dass er mich küssen will.

Jetzt richtete auch er sich auf. „Nein, danke, ich bin wunschlos glücklich. Ich glaube, ich fahre jetzt lieber nach Hause und bringe Carter ins Bett.“

Aber statt zum Sofa zu gehen, auf dem sein Sohn schlief, betrachtete Lang weiter Heddy und sah sie dabei verständnisvoll und warmherzig an. Offensichtlich wollte er ihr signalisieren, dass sie von ihm nichts zu befürchten hatte. „Was haben Sie eigentlich am morgigen Sonntag vor?“, wollte er wissen.

„Moment mal, morgen … da wollte ich versuchen, das Schild vor meinem Laden abzunehmen.“

„Überlassen Sie das doch einfach unseren Leuten. Ich schicke am Montag gleich ein paar Handwerker vorbei. Ich dachte, Sie wären sonntags vielleicht bei Ihrer Familie eingeladen?“

„Nein, so häufig sehen wir uns nicht. Wir feiern Geburtstage und Familienfeste gemeinsam und laden uns auch manchmal gegenseitig ein, aber nicht regelmäßig.“

„Ach so, das ist bei uns etwas anders. Meine Familie trifft sich jeden Sonntag bei GiGi zum Abendessen; das ist eine echte Institution. Wir dürfen alle jemanden mitbringen.“

Autor

Victoria Pade
Victoria Pade ist Autorin zahlreicher zeitgenössischer Romane aber auch historische und Krimi-Geschichten entflossen ihrer Feder. Dabei lief ihre Karriere zunächst gar nicht so gut an. Als sie das College verließ und ihre erste Tochter bekam, machte sie auch die ersten schriftstellerischen Gehversuche, doch es sollte sieben Jahre dauern, bis ihr...
Mehr erfahren
Teresa Southwick
Teresa Southwick hat mehr als 40 Liebesromane geschrieben. Wie beliebt ihre Bücher sind, lässt sich an der Liste ihrer Auszeichnungen ablesen. So war sie z.B. zwei Mal für den Romantic Times Reviewer’s Choice Award nominiert, bevor sie ihn 2006 mit ihrem Titel „In Good Company“ gewann. 2003 war die Autorin...
Mehr erfahren
Cindy Kirk
Solange sie denken kann, liebt Cindy Kirk das Lesen. Schon als kleines Mädchen in der ersten Klasse hat sie einen Preis dafür gewonnen, hundert Bücher gelesen zu haben! 1999 war es so weit: Ihr erster eigener Roman erschien bei Harlequin. Seitdem muss die Autorin ihr Lieblingshobby Lesen damit unter einen...
Mehr erfahren
Amanda Berry
Mehr erfahren