Bianca Extra Band 65

– oder –

Im Abonnement bestellen
 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

SÜßE SEHNSUCHT IM KERZENGLANZ von HARLEN, BRENDA
Plätzchenduft, Glitzerkugeln und glänzende Augen: Jamie Stockton und seine Kinder sollen ein wunderschönes Weihnachtsfest erleben - das hat sich Fallon fest vorgenommen. Doch der attraktive Witwer weist sie zurück: Ihm ist nicht nach fröhlichen Stunden. Aber vielleicht nach Liebe?

LIEBESGLÜCK IM DOPPELPACK von MAJOR, MICHELLE
Was für ein ungehobelter Kerl! Und gleichzeitig so anziehend! Seinen Vater wird Lucys Mutter an Weihnachten heiraten, doch Caden Sharpe lässt keine feierliche Stimmung aufkommen. Lucy muss wissen, warum der Rancher sie so ablehnt - obwohl sie Leidenschaft zwischen ihnen spürt …

VERLASS MICH NICHT, SOPHIE von KAY, PATRICIA
Klar wird Sophie ihrer schwangeren, minderjährigen Schwester helfen! Auch wenn sie dann wieder Kontakt zu Dillon Burke hat. Dem Mann, der ihr Herz gebrochen hat. Und dessen Neffe der Vater des Babys ist. Sophie muss sich ihren nie erloschenen tiefen Gefühlen für Dillon stellen …

AFFÄRE GESUCHT - DADDY GEWORDEN von HARLEN, BRENDA
Nur eine Nacht, damit ihre Sehnsucht endlich gestillt ist - mehr wird Nathan Garrett nicht von ihr kriegen! Allison weiß, dass ihr Chef nicht als Daddy für ihren Sohn infrage kommt, denn der Playboy will keine feste Beziehung. Warum nur kann ihr Herz ihn nicht vergessen?


  • Erscheinungstag 18.12.2018
  • Bandnummer 0065
  • ISBN / Artikelnummer 9783733733650
  • Seitenanzahl 448
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Brenda Harlen, Michelle Major, Patricia Kay

BIANCA EXTRA BAND 65

BRENDA HARLEN

Süße Sehnsucht im Kerzenglanz

Süß, sexy und liebevoll zu seinen Kindern: Fallon ist eine Traumfrau. Aber Witwer Jamie Stockton braucht keine Liebe! Er wäre höchstens zu einer Affäre bereit. Doch Fallon will mehr. Viel mehr …

MICHELLE MAJOR

Liebesglück im Doppelpack

Nie darf er Lucy vertrauen; schon ihre Mutter ist habgierig! Auch wenn Lucy verführerisch lächelt: Erliegt Caden Sharpe der Verlockung, ist sein Bankkonto leer. Trotzdem denkt er pausenlos an ihre Lippen …

PATRICIA KAY

Verlass mich nicht, Sophie

Warum ist Sophie so eiskalt zu ihm? Dabei war Dillon glücklich darüber, seine Jugendliebe zurückzuhaben. Aber plötzlich ist sie ganz anders – merkwürdig launisch … Er muss herausfinden, was los ist!

BRENDA HARLEN

Affäre gesucht – Daddy geworden

Nathan wird aus seiner Assistentin Allison nicht schlau. Sie wollte doch auch nur ein unverbindliches Verhältnis! Mehr geht nicht, denn seine Freiheit liebt Nathan über alles. Sogar mehr als Allison?

1. KAPITEL

Dezember, las Jamie Stockton, als er die Kalenderseite umdrehte – der letzte Monat eines Jahres, das wie in einem Nebelschleier an ihm vorbeigezogen war.

Letztes Jahr im Dezember hatte er sich noch auf das Weihnachtsfest im nächsten Jahr gefreut, das er zum ersten Mal mit seinen drei Babys verbringen würde. Nun war es bald so weit. Henry, Jared und Katie würden ihr erstes Weihnachtsfest erleben. Doch Paula war nicht mehr da, und statt Vorfreude empfand er nur unsägliche Erschöpfung.

Gedankenverloren griff er nach der großen Tasse, die seine Schwester ihm in die Hand drückte, und trank von dem starken dampfenden Kaffee. Sofort spürte er, wie das Koffein seine Sinne belebte. „Danke, Bella“, sagte er.

„Hattest du wieder eine kurze Nacht?“, fragte Bella, während sie Eier in einer Schüssel verquirlte.

„Henry ist dreimal wach geworden.“

„Vielleicht bekommt er Zähne.“

„Kann sein, aber es ist noch nichts zu sehen.“

„Hm.“ Bella sah die Drillinge an, die nebeneinander in ihren Hochstühlen an dem großen Holztisch in der Küche saßen. Alle drei kauten auf den Fruchtstücken herum, die sie ihnen hingelegt hatte, um sie zu beschäftigen, während sie das Frühstück zubereitete. „Krank scheint er nicht zu sein, jedenfalls sieht er besser aus als du“, sagte sie lächelnd.

„Danke“, erwiderte Jamie trocken.

Bella schüttete die Eiermasse in die heiße Pfanne auf dem Herd. „Und Jared und Katie haben durchgeschlafen?“

„Nicht so richtig. Um vier fingen sie auch an zu schreien.“

„Und da du früh aufstehen musst, hat sich das Einschlafen nicht mehr gelohnt, oder?“

Er zuckte die Achseln.

Im Grunde hatte er seit der Geburt der Drillinge vor zehn Monaten keine ruhige Nacht mehr gehabt. Nachdem er die drei abends in den Schlaf gelullt hatte, fiel er meist todmüde ins Bett. Doch kaum lag er darin, begannen seine Gedanken zu kreisen. Und wenn er dann endlich eingeschlafen war, fing garantiert eins der Babys an zu schreien.

Zwar hatte er sich immer Kinder gewünscht, doch das Leben als alleinerziehender Vater war schwer. Obwohl seine Drillinge unbeschreiblich süß waren und ihm viel Freude bereiteten, überwog im Moment die Anstrengung.

„Ich finde, du solltest überlegen, ob du sie nicht in eine Krippe gibst“, sagte Bella mit sanfter Stimme. „Dann wärst du wenigstens tagsüber entlastet und nicht immer auf fremde Hilfe angewiesen.“

Es war nicht das erste Mal, dass seine Schwester ihn darauf ansprach, und natürlich wäre es das Vernünftigste. Er teilte Bellas Ansicht, dass es auch für die Kinder gut wäre, mit Gleichaltrigen zusammen zu sein und einen geregelten Tagesablauf zu haben. Die Kosten für eine Kindertagesstätte überstiegen zwar sein Budget, aber er konnte auch nicht unbegrenzt ehrenamtliche Hilfe aus der Gemeinde in Anspruch nehmen.

Nachdem seine Frau kurz nach der Geburt der Drillinge gestorben war, hatten die Bewohner von Rust Creek Falls sich gegenseitig mit Hilfsangeboten übertroffen. Das hatte seine Schwester dazu bewogen, ein Netzwerk aus Familienpaten zu organisieren, das seit zehn Monaten einwandfrei funktionierte. Die freiwilligen Helferinnen kamen abwechselnd zu ihm ins Haus und betreuten die Drillinge. Bella selbst kümmerte sich in ihrer Freizeit nahezu ausschließlich um ihren Bruder und dessen Babys.

Sofern sie nicht mit Hudson Jones zusammen war, in den sie sich vor ein paar Monaten verliebt hatte. Im nächsten Jahr sollte die Hochzeit stattfinden, und spätestens dann wurde es für Jamie Zeit, sein Leben alleine in den Griff zu bekommen.

Er nickte.

„Du hast also tatsächlich darüber nachgedacht?“, fragte Bella überrascht.

Er hielt sich die Tasse vor den Mund, um sein Lächeln zu verbergen. „Die Country Kids sollen sehr gut sein.“

Bella warf ihm einen skeptischen Blick zu, während sie in der Pfanne rührte. Sie selbst arbeitete in einer Kindereinrichtung namens Just Us Kids, die ihr zukünftiger Ehemann leitete.

Jamie lachte leise. „Ich mache nur Spaß.“

„Das hoffe ich.“

„Allerdings“, fuhr er fort, „arbeitet Fallon bei den Country Kids. Dort gibt es außerdem Rabatt für das zweite Kind und alle weiteren Kinder.“

„Den bekommst du bei uns auch!“ Bella holte den warm gehaltenen Toast und den gebratenen Schinken aus dem Backofen und stellte beides auf den Tisch.

„Natürlich will ich sie nicht den ganzen Tag dort lassen.“

„Natürlich nicht.“ Bella teilte eine Scheibe Toast in drei Stücke und gab jedem der Drillinge eins in die Hand. „Die Kinder müssen sich langsam eingewöhnen, man fängt meistens mit ein, zwei Stunden an. Aber da sie zu dritt sind und schon immer von verschiedenen Leuten betreut werden, wird ihnen die Eingewöhnung leichtfallen.“

Es bleibt ihnen wohl nichts anderes übrig, dachte Jamie bitter. Sie haben ja keine Mutter und nur einen Vater, der kaum Zeit für sie hat.

„Du magst das positiv sehen, aber im Grunde ist es schrecklich, dass ich meine Kinder aus dem Haus geben muss.“

Bella verteilte kleine Brocken Rührei in drei Schalen und ließ sie zum Abkühlen auf der Anrichte stehen.

„Die drei werden sich unter Gleichaltrigen wohlfühlen“, versicherte sie. „Sie haben dort intensive Betreuung und viel mehr Spielmöglichkeiten als hier zu Hause.“

„Trotzdem habe ich ein schlechtes Gewissen.“ Er legte Schinken und Ei auf seinen Teller und nahm sich von dem gebutterten Toast.

Bella setzte sich mit ihrem Teller zu ihm und blickte lächelnd auf die zufrieden mampfenden Drillinge. „Das verliert sich, wenn du merkst, wie gut es den dreien in der Krippe gefällt.“ Sie nahm sich schnell das letzte Stück Schinken, bevor Jamie es ihr wegschnappte. „Sieh mal, ich arbeite doch auch dort und bin dann die ganze Zeit mit ihnen zusammen.“

„Aber sie sind erst zehn Monate alt. Drei Tage die Woche reichen vielleicht erst mal.“

Bella beschloss, nicht weiter auf ihren Bruder einzureden. „Wir werden sehen.“ Sie holte die drei Schalen von der Anrichte und fütterte Henry, Jared und Katie abwechselnd mit dem Rührei.

Jamie war gerade mit Frühstücken fertig, als es an der Hintertür klopfte. Kurz darauf betrat Fallon O’Reilly die Küche.

Es machte ihm nichts aus, dass sie so hereinplatzte. Fallon war eine Freundin aus Kindertagen und eine der Ersten, die sich als Familienpatin gemeldet hatten.

„Hallo, ihr beiden“, sagte Fallon lächelnd, bevor sie sich den Babys zuwandte und jedem einen Kuss auf die Wange drückte. Die drei glucksten fröhlich.

Wenn er die süßen Stimmen seiner Drillinge hörte, ging Jamie das Herz auf. Er sah Fallon dankbar an. Sie konnte so wunderbar mit den Kindern umgehen. Man könnte denken, sie liebte die drei wie eine Mutter. Paula hatte leider nie die Chance bekommen, Mutter zu sein, denn ein paar Stunden nach dem Kaiserschnitt war sie gestorben.

„Ich habe Blaubeermuffins mitgebracht.“ Fallon stellte eine Plastikschüssel auf den Tisch und ging dann zur Anrichte, um sich Kaffee einzuschenken. Sie hob die Kaffeekanne. „Wollt ihr auch noch?“

Die beiden schüttelten den Kopf.

„Ich muss zur Arbeit“, sagte Bella. „Hudson möchte unsere Kita erweitern und auch eine Gruppe für Säuglinge anbieten. Ich habe versprochen, mit ihm die Anmeldungen zu prüfen und die Elterngespräche zu vereinbaren.“

„Und ich muss in den Stall. Bei Daisy kann es jeden Moment so weit sein.“

Fallons Blick wanderte zwischen den beiden hin und her. „Wieso habt ihr es denn plötzlich so eilig? Drückt ihr euch etwa darum, meine Muffins zu probieren? Nur weil sie mir einmal misslungen sind?“

Sie griff in die Schüssel, nahm sich eins und biss herzhaft hinein. „Mhm, köstlich. Probier doch mal.“ Sie hielt Jamie die Schüssel hin, und er langte zögernd zu.

Fallon brach einen Muffin in kleine Stücke und legte jedem der Babys ein paar davon hin. Die drei zögerten keine Sekunde und stopften sich die Mäulchen voll.

„Ich habe noch was mitgebracht“, sagte Fallon und holte ein zusammengefaltetes Blatt aus ihrer Jeanstasche.

Zögernd faltete sie es auseinander und legte es auf den Tisch. In den letzten zehn Monaten hatte sie viel Zeit mit diesem Mann und dessen Kindern verbracht, und obwohl sie gut verstehen konnte, dass er noch immer um seine Frau trauerte, fand sie, er müsste allmählich wieder nach vorne schauen.

Bella beugte sich über das Blatt.

„Es ist das erste Weihnachten für die Drillinge“, sagte Fallon mit sanfter Stimme, „und ich möchte mithelfen, es für sie zu einem ganz besonderen Fest zu machen.“

„Sie sind doch nicht mal ein Jahr alt. Daran werden sie sich später bestimmt nicht mehr erinnern“, wandte Jamie ein.

„Mag sein“, gab Fallon zu, „aber du wirst dich daran erinnern, und wenn du ihnen später die Fotos zeigst, werden sie sehen, wie schön du es für sie gemacht hast.“

Jamie probierte seinen Muffin. „Hm, gar nicht schlecht.“

„Fallon hat recht“, sagte Bella. „Du musst etwas Besonderes daraus machen – für euch alle. Es ist dein erstes Weihnachten als Vater …“

„Und Witwer“, unterbrach Jamie sie.

„Als Vater“, wiederholte Bella. „Und das ist ein Grund zum Feiern.“

Er las, was auf dem Blatt stand, und seine Augenbrauen zogen sich zusammen. „Foto mit dem Weihnachtsmann? Soll ich mich etwa selber als Weihnachtsmann verkleiden?“

„Du brauchst nur ins Einkaufszentrum zu fahren“, erwiderte Fallon geduldig. „Dort steht immer ein Weihnachtsmann und wartet nur darauf, sich mit Kindern fotografieren zu lassen.“

Er schüttelte den Kopf, noch bevor sie den Satz beendet hatte. „Ich gehe nie ins Einkaufszentrum, schon gar nicht mit drei quengelnden Babys. Und schon gar nicht, um sie mit einem aufgemotzten Weihnachtsmann zu fotografieren.“

„Tja, der echte ist leider am Nordpol mit Geschenkeverpacken beschäftigt“, gab Fallon zurück, „deshalb musst du mit der Kopie vorliebnehmen.“

„Wieso muss ich das? Ist das denn so wichtig?“

„Ja“, meldete Bella sich wieder zu Wort. „Ich möchte nämlich ein Foto meiner Nichte und meiner Neffen mit dem Weihnachtsmann.“

„Dann kannst du das ja übernehmen“, bemerkte Jamie.

Fallon holte tief Luft und zählte bis zehn. Dieser Mann machte sie wahnsinnig. Er liebte doch seine Babys, und wenn er diese Gelegenheit verpasste, dann würde es ihm irgendwann bestimmt leidtun.

„Lasst uns ein andermal darüber reden“, schlug sie vor. „Die Sachen, die ich bestellt habe, sind eh noch nicht da.“

„Was hast du denn bestellt?“, fragte er stirnrunzelnd. „Ich brauche keine Almosen von dir.“

Fallon seufzte. „Es sind Geschenke, keine Almosen.“

Bella bedachte ihren Bruder mit einem vorwurfsvollen Blick. „Ich finde das sehr nett von Fallon.“

„Du hast recht. Tut mir leid, Fallon, es war nicht so gemeint.“

„Dann beweise es“, erwiderte Fallon.

Jamie seufzte. „Und wie?“

„Indem du meine Vorschläge annimmst.“

„So leid tut es mir nun auch wieder nicht.“

Er schob das Blatt von sich weg, doch sie schob es ihm wieder hin.

Seufzend blickte er auf die Liste. „Okay, gegen einen Tannenbaum habe ich nichts einzuwenden.“

„Prima, dann packen wir die Kids heute Nachmittag auf den Schlitten und fahren mit ihnen in den Wald.“

„Eine wunderbare Idee“, bemerkte Bella.

„Gleich heute Nachmittag?“, wandte Jamie ein. „Wozu die Eile, der Monat hat doch gerade erst angefangen.“

„Weil ein geschmückter Tannenbaum einen am besten in Weihnachtsstimmung versetzt.“

„Also gut“, willigte er achselzuckend ein. „Dann bitte ich eins der Nachbarskinder, dir beim Baumschlagen zu helfen.“

Fallon starrte ihn fassungslos an. „Nein, nein, mein Lieber, so leicht kommst du mir nicht davon. Das machen wir gemeinsam.“

„Ich habe keine Zeit …“

Wie oft hatte sie diesen Satz schon gehört. „Dann nimm dir die Zeit.“

Er betrachtete sie stirnrunzelnd. „Seit wann bist du eigentlich so bestimmend?“

„Das war sie schon immer“, meldete Bella sich zu Wort. „Wundert mich, dass du das erst jetzt bemerkst, dabei kennst du sie schon bald zwanzig Jahre.“

Fallon war nicht sonderlich überrascht von Jamies Frage. Es gab eine Menge Dinge, die er nicht von ihr wusste. Zum Beispiel, dass sie unsterblich in ihn verliebt war, und zwar bereits seit ihrem ersten Hormonausbruch als Zwölfjährige. Einerseits war sie froh, dass er ihre Verliebtheit nicht bemerkte. Andererseits frustrierte es sie, dass er sie immer nur als Freundin seiner kleinen Schwester betrachtete.

In den letzten Jahren hatte sich zwar eine eigene Freundschaft zwischen ihnen entwickelt, aber dabei war es auch geblieben. Fallon war für Jamie eine Freundin und Vertraute, mehr nicht.

Sie wusste, dass er ihr manches erzählte, was er nicht einmal seiner Schwester anvertraute. Als er herausgefunden hatte, dass seine Frau heimlich verhütete, obwohl ihr klar war, wie sehr er sich Kinder wünschte, hatte er Fallon sein Herz ausgeschüttet. Und als Paula dann doch die Pille abgesetzt hatte und schwanger geworden war, hatte Jamie zuallererst Fallon davon berichtet. Sie wusste auch, dass Paula nicht annähernd so begeistert war wie Jamie – vor allem, als feststand, dass sie Drillinge bekommen würden.

„Ich muss jedenfalls erst mal in den Stall und nach Daisy sehen“, sagte Jamie entschlossen.

„Kommst du zum Lunch nach Hause?“, fragte Fallon.

„Nur wenn ich mich nicht abzuhetzen brauche, weil danach ein Tannenbaum geschlagen werden muss.“ Er zwinkerte ihr zu und nahm sich im Weggehen noch zwei Muffins aus der Schüssel.

Als Jamie draußen war, fing Bella an, den Tisch abzuräumen.

„Das kann ich machen, du musst doch zur Arbeit“, bot Fallon an.

„So eilig habe ich es nun auch wieder nicht.“ Bella lächelte schelmisch.

Fallon sah ihre Freundin kopfschüttelnd an. „Du bist unmöglich. Eine Ausrede zu erfinden, nur damit du meine Muffins nicht probieren musst!“

„Ich hab sie ja probiert, und diesmal sind sie wirklich köstlich.“

Fallon tat beleidigt. „Wie kann man nur so nachtragend sein.“

Bella drückte ihre Freundin an sich. „War doch nur Spaß.“

„Habt ihr übrigens schon euren Hochzeitstermin festgelegt?“, fragte Fallon, während sie den Drillingen Gesicht und Hände abwusch.

„Ja, stell dir vor“, erwiderte Bella strahlend, „nächstes Jahr im Juni. Wir lassen uns in der Kirche trauen, und anschließend gibt es eine Feier auf Gut Maverick.“

Die beiden Frauen nahmen Henry, Jared und Katie mit ins Wohnzimmer. Da sie zu zweit waren, ließen sie die Kinder frei umherkrabbeln. Jamie war in Panik geraten, als die drei zu krabbeln anfingen. Sofort hatte er alle möglichen Kindersicherungen im Haus installiert und einen riesigen Laufstall aus Holzgitterstäben angeschafft.

Die beiden Freundinnen setzten sich auf den Teppich und beobachteten lachend die Erkundungstour der Drillinge.

„Sind sie nicht süß?“, bemerkte Fallon.

„Ja, das sind sie“, stimmte Bella ihr zu. „Vor allem bin ich froh, dass sie alle drei gesund und munter sind. Das ist bei Drillingen nicht selbstverständlich.“

Fallon nickte. Dann fragte sie lächelnd: „Hast du schon ein Kleid gefunden?“

„Nein, ich bin noch auf der Suche. Ich würde gern meine Trauzeugin mitnehmen.“

„Und wer wird deine Trauzeugin?“, fragte Fallon.

„Hoffentlich meine beste Freundin“, erwiderte Bella lächelnd.

„Ich etwa?“

„Natürlich, wer sonst? Falls du dazu bereit bist.“

„Ich fühle mich geehrt“, sagte Fallon.

„Hast du Lust, am Samstag mit mir Brautkleider anzugucken?“

„Gern. Weißt du schon, wer deine Brautjungfern sind?“

Bella schüttelte den Kopf. „Es wird keine Brautjungfern geben.“

„Warum denn nicht?“, wunderte sich Fallon.

Bella wurde ernst. „Weil ich mir immer vorgestellt habe, dass Dana und Liza das machen.“ Dana und Liza waren Bellas jüngere Schwestern, die sie aus den Augen verloren hatte. „Wenn sie nicht dabei sein können, will ich auch niemand anders.“

Fallon griff nach der Hand ihrer Freundin und drückte sie tröstend.

„Es wird keine große Feier geben“, fuhr Bella fort. „Nur mit den engsten Freunden und Verwandten.“

„Aber Katie, Henry und Jared werden natürlich auch dabei sein, oder?“

„Auf jeden Fall, auch wenn Jamie das verrückt findet.“

„Ich stelle es mir sehr lustig vor mit den dreien. Bis dahin sind sie ja schon anderthalb.“ Fallon lächelte in sich hinein. „Homer Gilmore wirst du aber hoffentlich nicht einladen.“

Bella fing an zu lachen. Der alte Mann hatte bei der Hochzeit von Jennifer MacCallum und Braden Traub die Festtagsbowle mit seinem selbst gebrannten Schnaps Magic Moonshine veredelt, woraufhin die ganze Hochzeitsgesellschaft außer Rand und Band geraten war. Etliche neue Romanzen hatten sich angebahnt, und im Jahr darauf war in Rust Creek Falls ein regelrechter Babyboom zu verzeichnen gewesen.

„Hm, vielleicht gar keine schlechte Idee“, sagte Bella gedankenverloren, „ich würde schon gern herausfinden, ob Homers Schnaps wirklich eine geheime Kraft hat.“

„Wozu? Du hast doch schon den Mann deines Lebens gefunden. Und Babys kriegst du sicher auch noch.“

„Du hast recht, aber vielleicht könnte es bei Jamie nicht schaden.“

„Noch mehr Babys kann er im Moment eigentlich nicht gebrauchen“, scherzte Fallon.

„Aber ich würde ihm eine neue Liebe wünschen. Mein Bruder braucht eine Frau, und die Drillinge brauchen eine Mutter.“ Bella wurde nachdenklich. „Ich hoffe, er findet irgendwann die Frau, die er verdient und die ihn wirklich liebt. Manchmal denke ich, dass Paula nicht die Richtige für ihn war und dass sie die Drillinge gar nicht haben wollte.“

„Vielleicht, aber bestimmt hätte sie die drei geliebt, wenn sie nur eine Chance dazu bekommen hätte.“

„Du hattest schon immer ein großes Herz und siehst zuerst das Gute in den Menschen. Jamie bräuchte eine Frau wie dich, die ihm hilft, sich wieder zu öffnen.“

Fallon spürte, wie ihr Herz schneller schlug. Ahnte ihre Freundin wirklich nicht, dass sie längst in ihren Bruder verliebt war?

Doch Bella fuhr ungerührt in ihren Überlegungen fort. „Er braucht jemand Bodenständiges, am besten jemand aus der Gegend. Eine Frau, die etwas vom Landleben versteht und gern auf einer Ranch lebt. Fällt dir nicht jemand ein?“

Ja, ich! Fallon hätte es am liebsten herausgeschrien. Stattdessen sagte sie in ruhigem Ton: „Es gäbe sicher ein paar geeignete Heiratskandidatinnen.“

Sie war daran gewöhnt zurückzustehen, auch wenn es ihr das Herz zerrissen hatte, als er Paula heiratete. Sie hatte versucht, Jamie sein Glück zu gönnen, und sich ehrlich mit ihm gefreut, als die Babys unterwegs waren, weil sie wusste, wie sehr er sich Kinder wünschte. Aus Liebe zu ihm hatte sie ihre eigenen Gefühle zurückgedrängt. Aber sie war sich nicht sicher, ob sie das noch einmal durchstehen würde, falls er sich wieder verliebte.

„Hat er denn angedeutet, dass er wieder heiraten möchte?“

„Nein“, gab Bella zu. „Aber warum auch? Jeden Tag kommt jemand, der sich um seine Kinder kümmert, ihm oft auch Essen kocht. Was ihm fehlt, ist höchstens der Sex.“

Fallon spürte, wie sie rot wurde. „Woher weißt du, dass er keinen hat?“

„Er hat ja gar keine Zeit zum Ausgehen, außerdem ist er viel zu müde. Was hältst du davon, wenn wir gemeinsam eine Frau für ihn suchen?“

Fallon zuckte die Achseln. „Warum nicht?“ Was hätte sie auch sonst antworten sollen?

Ihre Stimmung hellte sich sofort auf, als der kleine Henry angekrabbelt kam und auf ihren Schoß wollte. Sie nahm ihn liebevoll in die Arme, und er legte den Kopf an ihre Brust. „Er scheint müde zu sein.“

„Schon?“ Bella sah auf die Uhr. „Haben wir etwa so lange gequasselt?“

Fallon deutete mit dem Kopf auf Jared, der sich mit seinem Auto auf den Teppich gelegt hatte und am Einschlafen war. Auch Katie rieb sich die Augen.

Die beiden Frauen trugen die Babys nach oben und legten sie in ihre Betten. Dann beeilte sich Bella, zur Arbeit zu kommen. Beim Hinausgehen erinnerte sie Fallon noch an die Brautkleidsuche am Samstag.

Fallon freute sich aufrichtig über das Glück ihrer Freundin, doch gleichzeitig empfand sie Wehmut, weil sie selbst keine Heiratspläne schmieden konnte. Wie immer würde sie lächelnd alles tun, was man von ihr erwartete – als Trauzeugin neben der Braut stehen, sich um Henry, Jared und Katie kümmern und sich nicht anmerken lassen, dass sie seit Langem in deren Vater verliebt war.

Wie üblich hatte Jamie alle Hände voll zu tun. Nachdem er die Kühe gefüttert hatte, ritt er zur nördlichen Weidegrenze, um den Zaun zu reparieren. Vermutlich hatte der missratene Sohn seines Nachbarn bei einem seiner wilden Ritte den Zaun niedergetrampelt.

Jamie schämte sich sofort für diesen Gedanken. Craig war ja nicht missraten, sondern einfach ein unbedachter Junge, dem in seinem jugendlichen Überschwang nicht bewusst war, dass Jamie sich täglich abrackern musste, um seine Ranch zu bewirtschaften.

Vor vier Jahren hatte er die Ranch von dem Ehepaar Dirk und Grete Krueger gekauft. Damals hieß sie noch Circle K Ranch. Nach vierzig Jahren auf der Ranch hatten die Kruegers beschlossen, sich in Florida niederzulassen und ihren Lebensabend zu genießen. Keines ihrer Kinder wollte die Ranch übernehmen, und so wurde sie zum Verkauf angeboten.

Jamie hatte gerade sein Studium beendet und war begierig darauf, sich selbstständig zu machen. Da er den Kruegers in den Sommerferien häufig bei der Farmarbeit geholfen hatte, kannte er sich auf der Circle K Ranch gut aus. Dirk hatte ihm eine Menge beigebracht und war froh gewesen, dass Jamie die Ranch übernahm. So konnte er sicher sein, dass kein Investor das Gelände kaufte und womöglich eine Touristenattraktion daraus machte.

Bevor Jamie mit seiner frisch angetrauten Ehefrau einzog, renovierte er das Haus von Grund auf und gab der Ranch einen neuen Namen: Short Hills Ranch.

Damals war er glücklich gewesen und hatte voller Hoffnung in die Zukunft geblickt. Mittlerweile versuchte er nur noch, irgendwie klarzukommen, und dachte kaum über den Tag hinaus.

Grübeleien über die Vergangenheit waren ihm eher lästig, sie überfielen ihn nur leider öfters, wenn er draußen alleine vor sich hinarbeitete. Zudem hatte Fallon heute mit ihren Gedanken zur Weihnachtsfeier die Erinnerung an vergangene Weihnachtsfeste aufgewühlt.

In den ersten fünfzehn Jahren seines Lebens, bevor seine Eltern bei einem Autounfall ums Leben gekommen waren, hatte Weihnachten in seiner Familie immer den Stellenwert eines fröhlichen, liebevollen Fests gehabt. Sein Dad war mit den Kindern in den Wald gegangen, und alle waren ausgeschwärmt, um einen besonders schönen Tannenbaum zu suchen. Dabei war es immer hoch hergegangen, weil natürlich jeder seinen Baum am schönsten fand. Nachdem man sich glücklich auf ein Exemplar geeinigt hatte, ging es darum, wer beim Fällen helfen und wer den Baum nach Hause ziehen durfte.

Während der Vater den Baum im Wohnzimmer aufstellte, kochte die Mutter heißen, wunderbar cremigen Kakao und stellte eine Schüssel Plätzchen hin. Dann schmückten alle gemeinsam den Baum mit Girlanden, Lichterketten und Weihnachtsschmuck und warteten voller Vorfreude auf die Bescherung. Bei sieben Kindern kam einiges an Geschenken zusammen, meist waren es nützliche Dinge wie selbst gestrickte Pullover und Schals oder Sachen für die Schule, aber immer war auch etwas dabei, das die Kinder sich gewünscht hatten.

Das erste Weihnachten nach dem Tod der Eltern war sehr traurig gewesen. Die jüngeren Kinder waren bei den Großeltern mütterlicherseits untergekommen, die ihnen wenig Zuneigung entgegenbrachten. Die drei erwachsenen Söhne Luke, Daniel und Bailey studierten bereits und waren ohnehin nur in den Ferien nach Hause gekommen. Nach dem Tod der Eltern verließen sie die Stadt dann für immer.

Die Großeltern waren mit ihren vier Enkeln völlig überfordert, zumal sie nur ein kleines Haus in der Innenstadt bewohnten. Ohne vorher mit den Kindern gesprochen zu haben, gaben sie die beiden jüngsten zur Adoption frei. Jamie erinnerte sich noch genau an den Tag, als er aus der Schule kam, und Dana und Liza waren nicht mehr da gewesen.

Nur Jamie und Bella, die im Teenageralter waren, blieben bei den Großeltern. Noch nicht erwachsen, aber auch keine Kinder mehr, die sich herumkommandieren ließen, verschworen sie sich in der Wir-gegen-den-Rest-der-Welt-Haltung. Das Weihnachtsfest war bei den Großeltern eine nüchterne Angelegenheit, ohne Tannenbaum und all die anderen Dinge, die Weihnachten mit den Eltern so schön gemacht hatten.

Passend zu Jamies nostalgischer Stimmung trieb ihm ein kalter Windstoß die Tränen in die Augen. Dann hörte er in der Ferne einen Hund bellen, und Jamies Gedanken wanderten in eine andere Richtung.

Er wollte immer einen Hund haben, hatte sich aber mit Paula nicht einigen können. Für ihn kam nur ein Hund aus dem Tierheim infrage, doch Paula wollte keinen verlausten Straßenköter, wie sie sich ausgedrückt hatte. Spätestens da hätte er erkennen müssen, dass es wenig Gemeinsamkeiten zwischen ihnen gab, doch er hatte die vielen Anzeichen ignoriert und weiterhin an das Gelingen seiner Ehe geglaubt.

Wieder hörte er das Bellen. Vor ein paar Monaten hatte er in der Nähe der Farm eine streunende Hündin gesehen und versucht, sie heranzulocken. Sie war weggelaufen, ließ sich aber immer mal wieder blicken. Probeweise stellte Jamie Schalen mit Wasser und Trockenfutter auf, die er regelmäßig nachfüllen musste, weil sie leer waren. Aus ein paar Brettern zimmerte er daraufhin eine behelfsmäßige Hütte und stellte sie direkt hinter dem Zaun auf.

Er hatte nie bemerkt, dass die Hündin hineinging, aber es beruhigte ihn, dass sie dort Unterschlupf finden konnte. Ihm war aufgefallen, dass sie trächtig war, und daher hatte er vor dem ersten Frost ein paar alte Wolldecken in die Hütte gelegt. Vielleicht würde sie sich in die Hütte zurückziehen, um ihre Jungen zu bekommen.

Fallon hatte gerade die Küche aufgeräumt, als sie einen der Drillinge schreien hörte. Sicher würden die beiden anderen auch gleich lautstark ihre Bedürfnisse anmelden.

Obwohl es immens anstrengend war, drei Babys gleichzeitig zu versorgen, genoss Fallon jede Minute mit den Kindern. Von Anfang an hatte sie die drei mitbetreut und liebte sie heiß und innig. Ihretwegen hatte sie ihre Arbeitszeit bei den Country Kids auf drei Tage in der Woche reduziert. Es gefiel ihr ungemein, so wie heute den ganzen Tag im Haus zu verbringen, mit Henry, Jared und Katie zu spielen und, wenn sie schliefen, sauber zu machen und zu kochen. Dann kam ihr schon mal der Gedanke, dass sie gern für immer hier leben würde, als Jamies Frau und Mutter seiner Kinder.

Doch sobald Jamie seine Arbeit beendet und sich geduscht und umgezogen hatte, verließ Fallon das Haus. Heute allerdings war ein besonderer Tag, denn Jamie hatte versprochen, nachmittags in den Wald zu fahren und einen Tannenbaum zu fällen.

Es war Henry, der wach geworden war.

„Na, mein Kleiner, du hast aber nicht lange geschlafen“, sagte sie leise, nahm ihn hoch und vergewisserte sich mit einem raschen Blick, dass seine Geschwister noch fest schliefen. „Hast du etwa schon wieder Hunger?“, murmelte sie zärtlich, während sie mit ihm nach unten ging. „Du hast doch so viel gefrühstückt. Soll ich dir ein Fläschchen machen?“

„Ba“, machte Henry, was Flasche, aber auch alles Mögliche andere bedeuten konnte.

Nachdem das Fläschchen fertig war, ging Fallon damit ins Wohnzimmer. Die Drillinge konnten inzwischen selbst die Flaschen halten, was das Füttern wesentlich erleichterte. Doch Fallon wusste, dass Körperkontakt für Babys sehr wichtig war, deshalb schmuste sie, so oft es ging, mit jedem der drei. Da Jared und Katie noch schliefen, bekam Henry eine Extraportion Kuscheleinheiten.

Als sie ihm die Flasche reichte, griff er mit beiden Händen danach und führte den Sauger zielsicher zum Mund.

„Du scheinst ja großen Durst zu haben“, sagte Fallon lachend, als der Kleine gierig zu schmatzen begann.

Zart berührte sie seine Stirn mit den Lippen. Sie war ein wenig warm, und seine Wangen waren gerötet. „Wahrscheinlich kriegst du wieder ein neues Zähnchen“, sagte sie liebevoll. Die unteren Schneidezähne waren vor ein paar Tagen herausgekommen.

Nachdem Henry die Flasche leer getrunken hatte, nahm Fallon ihn hoch, damit er sein Bäuerchen machen konnte. Der Rülpser kam prompt, und mit ihm ergoss sich der gesamte Flascheninhalt über Fallons Pullover.

2. KAPITEL

Während Fallon den kleinen Henry sauber machte und ihm frische Sachen anzog, überlegte sie, ob es nicht besser wäre, die Baumfällaktion zu verschieben. Womöglich würde Henry noch richtig krank werden.

Sie legte ihn in sein Bettchen zurück und wartete, bis er eingeschlafen war. Dann zog sie ihren besudelten Pullover aus. Es blieb ihr nichts anderes übrig, als sich ein frisches Oberteil aus Bellas Kleiderschrank zu nehmen. Da Bella öfters im Haus schlief, hatte sie sich in einem der Zimmer häuslich eingerichtet.

Kaum war Fallon umgezogen, hörte sie Jared und Katie schreien und ging rasch ins Kinderzimmer. Inzwischen schaffte sie es, zwei Babys gleichzeitig auf ihre Hüften zu setzen und die Treppe hinunterzutragen. Sie verfrachtete die beiden in ihre Hochstühle und wärmte die vorbereiteten Nudeln mit Tomatensoße auf. Nachdem sie zwei Teller gefüllt hatte, fütterte sie die Kinder abwechselnd, wobei jedes auch mit seinem eigenen Löffel probieren durfte.

Bald waren die Teller leer gegessen, und Fallon gab Katie und Jared ihre mit Saft gefüllten Babytassen. Dann lief sie rasch nach oben, um nach Henry zu sehen. Anscheinend war er gerade aufgewacht und wirkte wieder ganz munter. Sie nahm ihn mit nach unten und stellte ihm probeweise einen Teller Nudeln mit Tomatensoße hin. Sofort steckte er begeistert seinen Löffel hinein. Während sie auch ihn fütterte, wartete sie nach jedem Löffel, ob alles drinblieb, aber seine Übelkeit schien vorbei zu sein.

Nachdem sie die Drillinge in ihren Laufstall gesetzt hatte, aß sie selbst einen Happen und räumte dann die Küche auf. Draußen schien die Sonne, und Fallon beschloss, mit den Kindern in den Garten hinter dem Haus zu gehen, wo Jamie einen kleinen umzäunten Spielplatz angelegt hatte. Sie packte ein Kind nach dem anderen in seinen Schneeanzug, was wie immer mit Quengeln und Zappeln einherging, und brachte sie alle in den Garten.

Als alle drei glücklich in ihrem Spielbereich umherkrabbelten, setzte Fallon sich auf die windgeschützte Bank an der Hauswand und genoss die Sonne. Es war lustig, den Babys zuzusehen, wie sie mit Schaufeln und Sandförmchen hantierten und offensichtlich ihren Spaß hatten.

Gern wäre Fallon noch länger draußen geblieben, doch bald rieben die Kinder sich die Augen. Also hieß es wieder eins nach dem anderen ins Haus zurückbringen, Schneeanzug ausziehen, wickeln und ins Bett legen.

Nachdem alle drei eingeschlafen waren, ging sie nach unten, räumte das Wohnzimmer auf und stellte die Waschmaschine an. Nun konnte sie endlich ein wenig entspannen. Sie machte sich einen Tee und setzte sich im Wohnzimmer auf das gemütliche Sofa.

Seit Jahren war sie es gewohnt, sich um Kinder zu kümmern. In der Kindertagesstätte betreute sie eine Gruppe von Vorschulkindern, die nicht mehr gewickelt und gefüttert zu werden brauchten. Mit ihnen konnte sie basteln und ihnen Geschichten vorlesen.

Sosehr sie Henry, Jared und Katie liebte – sie zu betreuen forderte wahrlich heraus. Inzwischen hatte sich das Ganze etwas eingespielt, aber in den ersten paar Monaten waren sie und die anderen Familienpatinnen oft an ihre Grenzen gestoßen. Sobald eins der Babys eingeschlafen war, wurde ein anderes wach und verlangte sein Fläschchen, während das dritte die Windel so vollgemacht hatte, dass es komplett umgezogen werden musste. Inzwischen hatte das erste dann seinen Schlaf schon wieder beendet, und alles fing von vorne an.

Damals hatten sie kürzere Schichten eingelegt, denn eine allein hielt das höchstens drei, vier Stunden durch. Mittlerweile waren einige der Frauen ganz abgesprungen, und Fallon konnte es ihnen nicht verdenken. Um Jamie und Bella nicht zu viel aufzubürden, hatte sie ihre Arbeitszeit in der Kita noch weiter reduziert.

Der Trockner piepte zum Zeichen, dass die Wäsche fertig war. Sie ging in den Waschraum und räumte die Maschine aus. Sie wusste, dass Jamie ihr dankbar für ihre Hilfe war. Doch während sie die Sachen zusammenlegte, ertappte sie sich bei dem Wunsch, er möge sie doch wenigstens einmal als Frau sehen, und nicht nur als Freundin und Babysitterin.

Als Jamie am Nachmittag ins Haus zurückkehrte, fiel ihm die ungewöhnliche Stille auf.

„Fallon?“, rief er, aber es kam keine Antwort. Nur das Wasser im Waschraum fing an, durch die Leitungen zu fließen. Anscheinend war sie mit der Wäsche beschäftigt. Jedes Mal, wenn er daran dachte, wie viel sie für ihn und die Kinder tat, versetzte es ihm einen Stich. Nie würde er ihr eine angemessene Gegenleistung für ihre Fürsorge bieten können.

Aber wenigstens könnte er ihr danken. Mit diesem Vorsatz im Sinn öffnete er die angelehnte Tür zum Waschraum und sah Fallon vor dem Trockner stehen. Sie schüttelte ein Kleidungsstück, das sie gerade herausgenommen hatte.

Er konnte weder erkennen, was es war, noch machte er sich die Mühe, näher hinzusehen. Sein ganzes Augenmerk galt nämlich Fallons nacktem Oberkörper. Nun ja, ganz nackt war sie nicht, sie hatte noch ihren BH an. Aber es war schon eine Weile her, seit er zuletzt so viel nackte Haut einer Frau gesehen hatte, so verführerisch weiche, zarte Haut. Ihn überkam der heftige Wunsch, ihre Schulter zu küssen.

Durch das Dröhnen der Waschmaschine hatte sie ihn offenbar nicht gehört. Sie drehte sich zur Seite und hob den Arm, um das Kleidungsstück überzustreifen, das er nun als Pullover erkannte. Mit ihrer seitlichen Drehung erlaubte sie ihm einen Blick auf ihren Spitzen-BH und die verführerische Rundung ihrer Brust.

Er schluckte.

Dann fiel ihm ein, dass er sich besser wieder hinausschleichen sollte, bevor sie seine Anwesenheit bemerkte. Doch irgendwie wollten ihm seine Beine nicht gehorchen. Statt zurückzugehen, machte er einen Schritt vorwärts und knallte dabei die Tür gegen die Wand.

Fallon stieß einen spitzen Schrei aus und wirbelte herum, womit sie ihm nun volle Sicht auf ihre verlockende Vorderansicht gewährte. Der Atem stockte ihm, als er ihre zarten Brüste unter der durchsichtigen weißen Spitze wahrnahm. Er konnte die Augen nicht von ihr wenden.

„Jamie!“, rief sie empört.

Er hob den Blick und sah ihr ins Gesicht, das ganz rot geworden war. „Was denn?“

„Gehst du bitte raus?“

„Oh, ja, natürlich“, stammelte er und zog sich hastig zurück.

Mit zitternden Händen streifte Fallon ihren Pullover über. Noch immer glühten ihre Wangen, und nicht nur aus Verlegenheit, das war ihr sehr wohl bewusst. Jamies begehrlicher Blick hatte auch sie erregt. Zumindest glaubte sie, dass es Begehren gewesen war, was sie in seinen Augen gelesen hatte.

Sicher konnte sie allerdings nicht sein, denn sie hatte nicht allzu viel Erfahrung mit Männern. Abgesehen von Küssen und flüchtigen Zärtlichkeiten war sie nie einem Mann nähergekommen. Natürlich hatten viele Männer mit ihr geflirtet und versucht, sie anzumachen. Das taten die bei jeder Frau, die an einem Freitag- oder Samstagabend im örtlichen Pub auftauchte. Zumal die alleinstehenden Männer in Rust Creek Falls gegenüber den Frauen in der Mehrheit waren.

Doch Fallon empfand nicht das geringste Bedürfnis, einen Mann kennenzulernen. Sie hatte immer nur Jamie begehrt. Leider war es bisher nur zu einem einzigen Kuss gekommen, und der war schon sieben Jahre her. Ansonsten hatte Jamie keinerlei Anzeichen erkennen lassen, dass er ihre Gefühle erwiderte.

Sie stieß den Atem aus und presste die Hände an ihre heißen Wangen. Sie musste sich erst fassen, bevor sie ihm wieder gegenübertreten konnte. Zum Glück gab es noch reichlich Wäsche zusammenzufalten – eine Tätigkeit, bei der sie ihren Gedanken freien Lauf lassen konnte. Sie versuchte Jamies Gesichtsausdruck zu deuten. Hatte wirklich so etwas wie Begehren in seinen Augen gefunkelt? Oder war es nur der Schock gewesen, sie ohne Vorwarnung halb nackt anzutreffen?

Kaum hatte sie die Wäsche fertig zusammengelegt, da hörte sie Geräusche aus dem Babyfon, das sie immer bei sich trug. Zumindest einer der Drillinge schien aufzuwachen. Gleich darauf tönte Jamies besänftigende Stimme aus dem Gerät. Wie warmherzig und liebevoll er mit seinen Kindern redete. Das tat er immer, selbst wenn er abends hundemüde nach Hause kam.

Fallon konnte sich gut vorstellen, wie schwer es für ihn war, gleichzeitig Vater und Mutter für die Drillinge zu sein. Allerdings wusste sie auch, wie sehr er sich immer eine Familie gewünscht hatte, vielleicht umso mehr, als er selbst seine Eltern mit fünfzehn verloren hatte und von zweien seiner drei Schwestern getrennt worden war.

Als sie ins Kinderzimmer kam, war er gerade dabei, Katie die Windel zu wechseln. Jared schlief noch, und Henry stand in seinem Bettchen und hopste am Gitter auf und ab.

„Brauchst du Hilfe?“, fragte sie.

Er nahm Katie hoch. „Ja, du kannst sie mit nach unten nehmen. Ich bringe dann Henry und Jared mit, wenn sie fertig sind.“

Ohne sie anzusehen, drückte er ihr Katie in den Arm und wandte sich dann Henry zu.

Fallon blieb neben dem Wickeltisch stehen. „Das war vorhin eine blöde Situation.“

„Ja, tut mir leid.“ Er legte Henry auf den Wickeltisch und zog ihm den Strampler aus.

„Es braucht dir nicht leidzutun.“

Er zuckte die Achseln. „Vielleicht tut es mir ja auch nicht wirklich leid.“ Er warf ihr ein schiefes Lächeln zu.

Sie merkte, wie ihre Wangen erneut zu glühen anfingen.

„Natürlich wäre ich niemals reingekommen, wenn ich gewusst hätte, dass du halb nackt dastehst.“

„Ich hatte doch bloß keinen Pullover an. Am Strand laufen alle im Bikini rum.“

„Aber nicht in Montana Anfang Dezember.“

„Ich wollte damit nur sagen, dass wirklich nichts dabei ist.“

„Für einen Mann, der seit fast anderthalb Jahren keine nackte Frau gesehen hat, schon.“

Anderthalb Jahre?

Er nickte. Offenbar deutete er ihr Erstaunen richtig. „Kaum hatte Paula erfahren, dass sie Drillinge erwartet, hat sie mich aus dem Schlafzimmer verbannt.“

Fallon wusste nicht, was sie dazu sagen sollte.

„Falls ich dich also ein bisschen länger angestarrt habe …“ Ohne den Satz zu beenden, stellte er den frisch gewickelten Henry in sein Bettchen zurück und nahm Jared hoch, der gerade aufwachte.

„Kein Problem.“ Sie lächelte ihn an. „Ehrlich gesagt, fühle ich mich ein bisschen geschmeichelt. Ich dachte immer, bei meinen kleinen Brüsten würde keiner einen Blick riskieren.“

„Wie kommst du darauf, dass sie klein sind? Sie sind …“ Er schluckte. „Mann, diese Unterhaltung ist wirklich anstrengend.“

„Vergessen wir das Ganze.“

„Hm, ich kann’s versuchen, aber ob es mir gelingt …“

Ein verlockender Duft stieg Jamie in die Nase, als er mit Henry und Jared die Treppe hinunterging. Er setzte die beiden zu ihrer Schwester in den Laufstall und ging in die Küche.

„Das riecht aber gut hier!“, sagte er und betrachtete Fallon, die am Herd stand. Obwohl sie komplett angezogen war, kam es ihm vor, als wäre ihr Pullover durchsichtig und er könnte ihre zarte weiche Haut und die verführerischen Brüste unter der weißen Spitze sehen.

„Ich habe einen Rostbraten mit Gemüse in den Ofen geschoben. Der kann bei kleiner Hitze schmoren und ist fertig, wenn wir aus dem Wald zurückkommen.“

„Du meinst, wir essen erst, wenn wir zurück sind?“

„Wir hatten ja besprochen, dass wir vor der Dunkelheit rausfahren“, erinnerte sie ihn. „Und da der Braten eh noch eine Stunde braucht … Aber ehrlich gesagt bin ich nicht sicher, ob wir den Weihnachtsbaum nicht lieber ein andermal holen sollten.“

„Wieso denn?“ Er hätte nichts dagegen, doch er fragte sich, warum Fallon plötzlich zögerte.

War es seine Schuld? Hatte die Situation im Waschraum sie vielleicht doch mehr durcheinandergebracht, als sie zugab?

„Nun, der Grund, warum ich vorhin keinen Pullover anhatte …“, er fand es süß, wie sie rot wurde, „… ist, dass Henry stark gespuckt hat.“

„Oje, das tut mir leid. Ich hatte schon gemerkt, dass es ihm nicht so gut ging, weil er heute Nacht öfter als sonst aufgewacht ist.“

„Nachdem er sich übergeben hatte, ging es ihm sofort besser. Trotzdem ist es vielleicht nicht gut, wenn wir uns so lange mit ihm draußen in der Kälte aufhalten.“

„Meine Mom hat uns immer rausgeschickt, wenn wir erkältet waren. Sie meinte, von der Kälte würden die Bazillen abgetötet.“

„Ich war heute Mittag ja auch schon mit ihnen draußen. Henry hat wahrscheinlich etwas Falsches gegessen. Hoffentlich nicht meine Muffins …“

Jamie schüttelte den Kopf. „Nein, bestimmt nicht.“

„Woher willst du das wissen?“

„Weil alle drei davon gegessen haben, und nur Henry hat sich übergeben.“

„Bis jetzt“, murmelte sie.

„Ich habe sogar vier davon gegessen, weil sie so köstlich geschmeckt haben.“

Sie sah noch immer skeptisch aus.

„Es geht ihm gut, Fallon. Kleine Kinder haben öfters irgendwelche Wehwehchen, das weißt du doch selbst.“

„Aber ich habe auch die Erfahrung gemacht, dass Kinder, wenn sie zusammen sind, sich leicht gegenseitig anstecken. Deshalb würde ich vorsichtshalber mit dem Baumschlagen noch warten.“

„Okay, das gibt mir Gelegenheit, vorher die Weihnachtsdeko vom Dachboden zu holen. Du willst den Baum ja sicher gleich schmücken, sobald wir ihn aufgestellt haben.“

„Nein, dafür bist du zuständig“, erwiderte sie lächelnd.

Ihr Lächeln animierte ihn dazu, ihren Mund zu betrachten und sich zu fragen, wie es wohl wäre, sie nach all den Jahren wieder zu küssen. Um sich von seinen lüsternen Gedanken abzulenken, sagte er in scherzhaftem Ton: „Da siehst du wieder, wie bestimmend du bist.“

„Aber ich könnte mich überreden lassen, mitzuhelfen.“

Er öffnete den Backofen und schnupperte genießerisch. „Bist du sicher, dass der Braten noch eine Stunde braucht?“

Sie trat neben ihn und machte die Backofentür wieder zu. „Wenn du die Hitze rauslässt, dauert es noch länger.“

Ihm war plötzlich heiß, aber er bezweifelte, dass es am Backofen lag. Rasch trat er einen Schritt beiseite. „Tut mir leid, aber ich habe heute kaum was gegessen.“

Sie griff in die Plastikschüssel mit den Muffins und warf ihm einen zu.

„Danke, du rettest mich vor dem Hungertod.“ Er biss herzhaft hinein. „Die sind wirklich gut.“

„Siehst du, so schlecht bin ich gar nicht in der Küche, wie alle behaupten.“

„Tja, Gerüchte halten sich eben hartnäckig. Dein Braten scheint jedenfalls auch zu gelingen, so lecker wie er riecht.“

„Na ja, dazu braucht es nicht viel. Du gibst einfach Fleisch und Gemüse und ein paar Gewürze in den Topf, gießt das Ganze mit Bouillon auf und lässt alles im Backofen schmoren.“

„Immerhin. Ich finde es jedenfalls sehr nett, dass du für uns kochst.“

„Falls das ein Dankeschön sein soll, nehme ich es gerne an.“ Sie ging zur Flurgarderobe und holte ihren Anorak.

Es war ihr gutes Recht, nach Hause zu gehen, nachdem sie sich den ganzen Tag um seine Kinder und den Haushalt gekümmert hatte. Und für seine Gemütsruhe wäre es auch gut. Seit dem Vorfall im Waschraum konnte er in ihrer Gegenwart keinen klaren Gedanken mehr fassen. Trotzdem wollte er sie nicht gehen lassen.

Statt ihr wie sonst einen guten Nachhauseweg zu wünschen, sagte er spontan: „Bleib doch da.“

Fallon hob erstaunt die Augenbrauen, protestierte aber nicht, als Jamie ihr den Anorak abnahm und wieder an den Garderobenhaken hängte.

„Soll ich deinen leckeren Schmortopf etwa alleine essen?“

„Kommt Bella denn nicht nach Hause?“

„Nein, ich glaube, sie bleibt heute bei Hudson. Die beiden sind neuerdings unzertrennlich.“

„Was auch verständlich ist, schließlich sind sie verliebt und wollen heiraten.“

Sie ging ins Wohnzimmer, um nach den Babys zu sehen. Die drei saßen einträchtig in ihrem Laufstall und brabbelten miteinander, während sie versuchten, einen Turm zu bauen.

Fallon setzte sich vor ihnen auf den Boden, mit dem Rücken ans Sofa gelehnt.

„Hast du den Zaun repariert?“, fragte sie, als Jamie sich zu ihnen gesellte. Er hatte zwei weitere Muffins in der Hand, wie sie lächelnd feststellte.

„Ja.“ Er setzte sich neben sie und streckte die Beine von sich.

Fallon hob ein Bauklötzchen auf, das Henry über das Gitter geworfen hatte, und gab es ihm zurück. „Und wie geht’s Daisy?“, fragte sie.

„Sie ist ein bisschen unruhig, das Kalb kann jetzt jederzeit kommen.“ Er biss herzhaft in seinen Muffin und hob nebenbei das Bauklötzchen auf, das sein Erstgeborener erneut rausgeworfen hatte. Er gab es Henry zurück, und so ging es ein paar Mal hin und her.

„Und wie war dein Tag – abgesehen davon, dass Henry dich vollgesabbert hat?“

Wie er erwartet hatte, röteten sich ihre Wangen. „Gut wie immer. Bella hat mich gefragt, ob ich ihre Trauzeugin werden will.“

„Ja, das dachte ich mir. Schließlich bist du nicht nur ihre beste Freundin, sondern beinahe wie eine Schwester für sie. Für mich übrigens auch.“ Es fiel ihm schwer, seine Stimme neutral zu halten, denn seit heute Nachmittag wusste er nicht mehr so richtig, was Fallon eigentlich für ihn war. Eins war sicher, brüderliche Gefühle waren es nicht, die er im Moment für sie empfand.

Fallon berührte leicht seinen Arm, als ob sie seinen inneren Aufruhr ahnte. Allein ihre Hand auf seinem Arm weckte in ihm das Verlangen, auch an anderen Körperteilen berührt zu werden, ihre Finger auf seiner nackten Haut zu spüren …

Doch das ging nicht. Nicht mit Fallon.

„Bella hätte gern ihre eigenen Schwestern bei der Hochzeit dabei.“

Er nickte. „Dana und Liza, klar. Unsere Eltern sind leider auch nicht mehr da. Statt unseres Dads werde ich sie zum Altar führen.“

„Wenn sie dann mit Hudson zusammenlebt, wird es schwieriger für sie, sich um die Drillinge zu kümmern.“

Er nickte. „Ich habe sowieso schon viel zu lange ihre Hilfe in Anspruch genommen. Wegen mir hat sie ihren Abschluss am College nicht machen können.“

„Sie wird ihren Abschluss nachholen“, versicherte Fallon ihm.

„Auch wenn sie ihn nicht nachholt, sie hat einen Job, und sie hat einen Mann, der sie versorgen kann.“

Fallon verdrehte die Augen. „Welche Frau verlässt sich denn heute noch auf ihren Mann? In einer Ehe tragen doch beide Verantwortung füreinander.“

Sie hatte natürlich recht. Allerdings war seine eigene Erfahrung mit der Ehe eine andere.

Am Anfang hatte es ihm gefallen, dass Paula sich um den Haushalt kümmerte und er sich um die Ranch. Eine klare Aufgabenverteilung. Doch als feststand, dass Paula Drillinge erwartete, war es mit der Harmonie zu Ende gewesen. Sie hatte sich vollkommen zurückgezogen und kaum noch mit ihm geredet …

Der Küchenwecker klingelte, und Fallon stand vom Boden auf. „Na, hast du noch Hunger?“

„Was für eine Frage.“

„Ich mache noch schnell die Soße fertig, und dann können wir essen.“

Er sah ihr nach, während sie hinüber in die Küche ging. Warum waren ihm zuvor nie ihre verführerischen Rundungen aufgefallen, die sinnliche Bewegung ihrer Hüften? Zum ersten Mal machte er sich bewusst, dass Fallon O’Reilly kein Teenager mehr war, sondern eine sehr attraktive junge Frau.

Diese Erkenntnis verunsicherte ihn, denn plötzlich sah er sie in einem ganz anderen Licht. Nie war sie etwas anderes für ihn gewesen als eine treue Freundin und fürsorgliche Betreuerin seiner Kinder.

„Fa?“ Der kleine Henry blickte fragend zur Tür, durch die Fallon verschwunden war.

Fallon schien im Moment seine Favoritin zu sein.

„Fallon macht das Abendessen“, erklärte Jamie seinem Sohn. „Hast du Hunger?“

„Fa-fa!“, erwiderte Henry.

„Fa-fa!“, echote sein Bruder.

Jamie seufzte. „Und was ist mit dir, Katie?“

Die Kleine sah ihn mit ihren großen blauen Augen an. „Ba-ba!“

Jamie ging das Herz auf. „Ja, das ist mein kleines Mädchen.“ Er hob Katie aus dem Laufstall und nahm sie auf den Arm. Als er das Baby liebevoll küsste, meldete Jared sich energisch zu Wort: „Ba-ba!“ Er hopste am Gitter auf und ab und warf eifersüchtige Blicke auf seine kleine Schwester.

„Du glaubst wohl, jetzt nehme ich euch beide auch noch auf den Arm?!“

„Ba-ba!“, rief Jared fordernd, und Henry schloss sich mit einem energischen „Fa-fa!“ an.

Lachend öffnete Jamie die Klapptür, und die beiden krabbelten zielsicher in Richtung Küche. Jamie folgte ihnen amüsiert. Das waren für ihn die schönsten Momente.

Fallon löffelte gerade das Gemüse in eine Schüssel. „Ihr kommt gerade richtig“, sagte sie und stellte die Schüssel auf den gedeckten Tisch. Die Fleischplatte, die Soßenterrine und ein Korb mit warmen Brötchen standen schon bereit.

Jamie setzte ein Baby nach dem anderen in ihre Hochstühle und wischte den Kindern die Hände ab, während Fallon das Fleisch und das Gemüse für sie in mundgerechte Stücke schnitt.

Er war froh, dass sie hiergeblieben war. Nicht nur, weil sie ihm beim Füttern der Babys zur Hand ging, sondern auch weil es schön war, sich beim Essen mit ihr zu unterhalten. Wie mit einer Freundin, das durfte er nicht vergessen.

Wenn Bella abends nicht zum Essen kam, saß er alleine mit den Drillingen am Tisch, die naturgemäß nicht viel zur Unterhaltung beisteuerten. Zum Glück hatte Fallon oder eine der anderen Familienpatinnen meist schon das Essen vorbereitet. Oder Bella hatte vorgekocht, sodass er das Essen nur noch aufwärmen musste. Als die Babys kleiner gewesen waren und gefüttert werden mussten, war Bella nach der Arbeit immer direkt nach Hause gekommen.

„Wann sollen wir den Baum denn holen?“, fragte er und schnitt sich ein Stück vom Braten ab. „Vielleicht am Samstag?“

Fallon schüttelte den Kopf. „Da habe ich Bella schon versprochen, mit ihr nach Brautkleidern zu gucken.“

„Sie hat sich doch gerade erst verlobt. Wozu die Eile?“

„So etwas braucht seine Zeit. Die Auswahl ist groß, und wenn man sich endlich entschieden hat, muss meistens noch etwas geändert werden. Besser man geht das frühzeitig an.“

„Okay, dann eben nicht Samstag. Wie wäre es mit Sonntag?“

„Da muss ich zum obligatorischen Sonntagsessen zu meinen Eltern, aber davor könnte ich kommen.“

„Gut, abgemacht. Bis dahin hole ich die Kisten mit der Weihnachtsdeko vom Dachboden.“

„Du hast noch gar nichts zu den anderen Punkten auf meiner Liste gesagt“, stellte Fallon fest.

„Stimmt, ich dachte, der Baum ist erst mal das Wichtigste.“

„Schon, aber was ist mit den Geschenken? Hast du dich darum schon gekümmert?“

Sie blickte zu den Kindern, die sich mit Appetit das Essen in den Mund stopften. Was für ein Segen, dass die drei so gute Esser sind, dachte sie nicht zum ersten Mal.

„Bella hat ein paar Sachen besorgt“, erwiderte Jamie, während er genüsslich das zarte Fleisch kaute.

Fallon verdrehte die Augen. „Ich kenne Männer, die auch noch stolz darauf sind, dass sie ihre Geschenke am Heiligabend kurz vor Ladenschluss einkaufen. Aber mit Kindern geht das nicht!“

„Vielleicht wenn sie älter sind, im Moment wissen die drei doch noch gar nicht, was Weihnachten ist. Wahrscheinlich sind sie mehr an den bunten Schachteln interessiert als daran, was drin ist.“

Bevor Fallon protestieren konnte, ging die Hintertür auf, und Bella stapfte herein. Auf der Matte im Vorraum klopfte sie den Schnee von ihren Stiefeln und zog sie aus. „Da kommt ganz schön was runter!“, sagte sie, während sie Schal, Wollmütze und Jacke an die Garderobe hängte.

„Wann hat es denn angefangen zu schneien?“ Fallon warf einen erstaunten Blick aus dem Fenster und sah, wie dicke Schneeflocken dicht wie ein Vorhang vom Himmel fielen.

„Vor ungefähr einer halben Stunde“, erwiderte Bella und schlüpfte in ihre warmen Pantoffeln. „Wenn es so weitergeht, sind wir morgen eingeschneit.“

„Dann fahre ich mal lieber gleich nach Hause“, entschied Fallon und stand auf.

„Soll ich dich fahren?“, fragte Jamie.

Sie verdrehte die Augen. „Ich bin in Montana schon bei jedem Wetter gefahren, von ein bisschen Schnee lasse ich mich nicht abschrecken.“ Sie gab jedem der Babys einen Kuss auf die Stirn, bevor sie sich an Bella wandte. „Ruf mich an, wann du am Samstag losfahren willst.“

„Mach ich“, sagte Bella.

„Wir sehen uns dann am Sonntag, Jamie. Morgen muss ich arbeiten.“ Fallon holte ihre Jacke und winkte beim Hinausgehen allen zu.

Henry hob seine mit zermatschten Kartoffeln und Soße beschmierte Hand und sagte: „Fa-fa.“

„Was ist denn am Sonntag?“, wollte Bella wissen, als Fallon weg war.

„Da holen wir den Tannenbaum“, sagte Jamie.

„Wolltet ihr das nicht heute machen?“, fragte Bella, während sie den Drillingen Gesicht und Hände sauber wischte.

„Der Plan wurde geändert.“

Bella räumte die Teller der Babys weg und putzte die Auflage vor den Hochstühlen mit einem Lappen ab. Dann setzte sie Teewasser auf. „Hab ich was verpasst?“

Mit einem Stück Brötchen stippte Jamie den Rest der Soße auf. „Ja, den Braten.“

Bella schüttelte den Kopf. „Das habe ich nicht gemeint.“

„Was hast du denn gemeint?“

„Ich hatte den Eindruck, dass ich eure Unterhaltung störe.“

„Nein, hast du nicht. Wir haben nur ein wenig geplaudert.“

Bella schien nicht sehr überzeugt.

„Hast du denn schon gegessen?“, fragte Jamie.

„Ja, Hudson und ich waren kurz im Ace.“

Jamie runzelte die Stirn. „In diesen Laden würde ich keinen Fuß setzen.“

„Wieso? Das Essen ist ganz in Ordnung. Und du weichst mir aus.“

„Inwiefern?“

„Fallon.“

Er stellte seinen leeren Teller in die Spülmaschine. „Was soll denn mit ihr sein?“

„Irgendwas hat sich zwischen euch verändert. Das habe ich genau gespürt, als ich reinkam.“

„Was soll sich denn verändert haben?“

„Das versuche ich ja gerade herauszufinden.“

„Dann tu das. Ich mache inzwischen schon mal die Babys bettfertig.“ Er hob die drei nacheinander aus den Hochstühlen und ließ sie zur Treppe krabbeln.

Inzwischen schafften sie es schon, sich von einer Stufe zur andern zu hangeln. Er empfand das als große Erleichterung, auch wenn es lange dauerte, bis sie oben waren. Während er langsam hinter ihnen herging und dem einen oder anderen Hilfestellung gab, dachte er über Bellas Bemerkung nach.

Hatte sich zwischen ihm und Fallon wirklich etwas verändert, oder lag es nur an Bellas Wahrnehmung? Seit er Fallon halb nackt gesehen hatte, war er vollkommen verunsichert.

Nachdem die Drillinge eingeschlafen waren, ging Jamie noch einmal in den Stall, um nach der trächtigen Daisy zu sehen. Er hoffte, dass sie bis morgen früh durchhielt, dann würde er den Tierarzt anrufen. Es gab einen Sensor im Stall, der mit dem Haus verbunden war, für den Fall, dass mit den Kühen und Rindern etwas nicht in Ordnung war. Zum Glück übernachtete Bella im Haus und könnte sich, falls notwendig, um die Babys kümmern.

Es gab noch eine Menge Büroarbeit zu erledigen – Rechnungen bezahlen, Landwirtschaftsbedarf bestellen und was sonst alles zum Betrieb einer Ranch gehörte. Er ging in sein Arbeitszimmer und schaltete seinen Computer ein. Obwohl er nach wie vor gerne Farmer war, machten ihm die permanenten Geldsorgen zu schaffen. Wie gern würde er einen Mitarbeiter einstellen, doch das konnte er sich nicht leisten.

Hinzu kam im Moment der Schlafmangel. Wenn er wenigstens jemanden hätte, der permanent bei ihm lebte, dann könnte er sich ein wenig entspannen. Bella tat zwar, was sie konnte, und übernachtete häufig im Haus, doch spätestens nach ihrer Heirat wäre es damit vorbei.

Vielleicht sollte er wirklich darüber nachdenken, eine Ersatzmutter für die Babys zu suchen. Doch das wäre gleichbedeutend mit der Suche nach einer neuen Lebenspartnerin. Und danach stand ihm so gar nicht der Sinn.

Zu tief saß die Enttäuschung über die misslungene Ehe mit Paula. Als er sie kennenlernte, war er geblendet gewesen von ihrer Schönheit und ihrem Charme und hatte sich Hals über Kopf in sie verliebt. Damals hatte er das freie Leben in der Großstadt und am College in vollen Zügen genossen, befreit von den Zwängen und Konventionen der Kleinstadt.

Nachdem sie beide ihr Studium beendet hatten, beschlossen sie zu heiraten. Jung und unbekümmert, wie sie waren, hatten sie sich über ihre unterschiedlichen Lebensauffassungen keine Gedanken gemacht. Sie wollten einfach nur zusammenbleiben, ungeachtet Jamies Ankündigung, nach Rust Creek Falls zurückzukehren.

Bella war nicht begeistert von den Heiratsplänen ihres Bruders. Sie hatte Paula sofort richtig eingeschätzt und vorausgesehen, dass sie sich als Großstadtmensch niemals auf dem Land einleben würde.

Jamie hätte auf Bella hören sollen. Obwohl Paula immerhin drei lange kalte Winter in Rust Creek Falls überstanden hatte, war sie nicht glücklich gewesen. Am Ende hatte sie die Ranch gehasst – und schließlich auch ihren Mann.

Sollte er jemals wieder beschließen zu heiraten, dann müsste es jemand aus der Gegend sein. Eine Frau, die mit dem Ranchleben vertraut war.

Jemand wie Fallon.

Plötzlich war dieser Gedanke da, doch er verwarf ihn sofort wieder. Fallon mochte die perfekte Frau für ihn sein, trotzdem war sie absolut die falsche, und zwar aus einem einzigen Grund: Sie war seine beste Freundin, und als solche wollte er sie nicht verlieren.

Er verscheuchte seine Grübeleien und versuchte, sich auf seine Büroarbeit zu konzentrieren. Als er fertig war, schaltete er den Computer aus und ging die Treppe hoch. Wie üblich sah er noch einmal nach den Babys, bevor er todmüde ins Bett fiel.

Diesmal war es das Bild der halb nackten Fallon, das ihn am Einschlafen hinderte. Er hatte alles noch genau vor Augen. Er sah ihren schlanken Rücken, dessen verführerische Nacktheit nur von dem schmalen Band ihres BHs unterbrochen wurde. Er sah die süßen kleinen Dellen knapp unterhalb ihrer Taille und die zarte Rundung ihres Hüftansatzes. Und dann drehte sie sich um …

Er presste die Hände auf die Augen, als ob er damit das Bild verscheuchen könnte. Es war nicht gut, dass er Fallon so gesehen hatte. Gar nicht gut. Fallon war für ihn eine unersetzliche Freundin und Vertraute, und er durfte diese Freundschaft nicht aufs Spiel setzen.

Seit der Geburt der Drillinge hatte er nicht die leiseste Anwandlung von körperlichem Begehren verspürt. Seine Arbeit und die Babys nahmen ihn voll und ganz in Anspruch. Und nun das mit Fallon. Schon damals vor sieben Jahren, als sie sich beim Abschlussfest in der Schule geküsst hatten, war es ihm wie Verrat an ihrer Freundschaft vorgekommen. Es war nur ein einziger Kuss gewesen, doch noch heute konnte er diesen sinnlichen Moment nachempfinden. Vielleicht war ihm sogar kurz der Gedanke gekommen, dass aus dem Kuss mehr werden könnte. Doch dann war er nach Seattle gegangen und hatte Paula kennengelernt.

Weder er noch Fallon hatten jemals über diesen Kuss gesprochen. Als er ihr erzählte, dass er heiraten würde, hatte sie sich für ihn gefreut. Auch nach der Hochzeit war sie immer für ihn da gewesen, wenn er das Bedürfnis gehabt hatte zu reden.

Nun, da sein körperliches Verlangen geweckt war, ließ sich seine Fantasie nicht mehr zurückdrängen. Ob sie zu ihrem Spitzen-BH auch ein Spitzenhöschen trug? Und wie wäre es, wenn er ihr beides abstreifte?

Eins stand fest: Die Phase seines sexuellen Desinteresses war vorbei. Und im Moment waren seine erotischen Fantasien eindeutig auf Fallon ausgerichtet …

3. KAPITEL

Jamie zog den Schlitten mit den Drillingen hinter sich her. Es war ein Schlitten mit Babysitzen, wie ihn alle Eltern in Montana besaßen. Den brauchte man in den langen schneereichen Wintern. Die Drillinge saßen hintereinander in ihren Sitzen, warm eingepackt in Schneeanzügen und Fußsäcken aus Lammfell. Kaum hatte sich der Schlitten in Bewegung gesetzt, schliefen sie ein.

Fallon zog einen leeren Schlitten, mit dem später der Tannenbaum nach Hause transportiert werden sollte.

Während sie Seite an Seite auf den Wald am Rand der Ranch zustapften, knirschte der Schnee unter ihren Füßen. Fallon trug kniehohe Winterstiefel und eine dicke blaue Steppjacke, dazu eine pinkfarbene Bommelmütze mit passenden Handschuhen. Das Pink der Mütze passte streng genommen gar nicht zum Kastanienrot ihrer Haare. Trotzdem sah sie damit umwerfend aus.

Überhaupt wirkte sie wie eine Frau, die vollkommen in ihrem Element war. Während er den Weg zum Wald eher als Pflicht empfand, glühten ihre Wangen vor Begeisterung, und ihre Augen blitzten unternehmungslustig. Noch nie war sie ihm so schön vorgekommen.

Als sie am Waldrand ankamen, deutete Jamie auf die Reihe der Tannen. „So, dann such dir mal einen schönen Baum aus.“

„Wieso ich?“

„Deshalb wolltest du doch hierher, oder?“

„Nein, wir sind hier, weil du einen Weihnachtsbaum brauchst!“, erinnerte sie ihn. „Ich bin nur mitgekommen, weil du es nicht schaffen würdest, die Kinder plus Baum nach Hause zu ziehen.“

„Nein, du bist mitgekommen, weil du mir nicht traust.“

„Das auch“, gab sie zu, ohne ihr amüsiertes Lächeln zu verbergen. „Aber es geht wirklich darum, deinen Kindern etwas von Familientradition mitzugeben.“

„Ich weiß, das hatten wir schon mal, aber ich bin immer noch der Meinung, dass zehn Monate alten Babys Familientraditionen ziemlich egal sind.“ Er deutete hinter sich auf den Schlitten, wo Henry, Jared und Katie friedlich schlummerten.

Fallon seufzte. „Daran habe ich natürlich nicht gedacht, dass Babys immer einschlafen, wenn sie gefahren werden. Aber wer weiß, unbewusst kriegen sie vielleicht doch etwas mit.“

„Okay, wie wäre es mit dem da?“ Er deutete auf die nächststehende Tanne.

Fallon besah sich den Baum von allen Seiten und schüttelte dann den Kopf. „Der ist zu groß.“

„Und der da?“ Sie war sicher, dass er völlig wahllos irgendwo hindeutete.

„Der ist zu klein.“

„Siehst du, du willst nämlich doch bestimmen.“

„Nein, aber bei einem Christbaum kommt es eben darauf an, dass der Stamm gerade ist und die Äste schön gleichmäßig gewachsen sind. Außerdem gibt es verschiedene Arten von Tannen, und man nimmt am besten welche mit weicheren Nadeln wie die Nordmanntanne.“

Sie gingen am Waldrand entlang, bis Fallon vor einem Baum stehen blieb. „Den nehmen wir.“

„Der ist doch genauso groß wie der, den ich dir zuerst gezeigt habe.“

„Genauso hoch, aber nicht so breit. Er nimmt nicht so viel Platz im Wohnzimmer ein.“

Jamie sah zwar keinen Unterschied, zuckte aber mit den Achseln. „Von mir aus.“ Er holte die Säge von Fallons Schlitten und trat dicht vor die Tanne. Die Zweige gingen bis zum Boden, und er sägte die untersten ab. Dann machte er sich an den Stamm.

Fallon blieb beim Babyschlitten stehen und sah ihm zu. Es gefiel ihr, ihn bei der Arbeit zu beobachten. Besonders im Sommer, wenn er nur Jeans und T-Shirt anhatte und sie sein Muskelspiel sehen konnte. Sie fand seinen sehnigen Körper mit dem festen Po, den straffen Oberschenkeln und den breiten Schultern ungemein sexy.

Selbst in der lammgefütterten Lederjacke war die Kraft seiner Arme deutlich zu erkennen. Sein Körper war von der jahrelangen Rancharbeit so perfekt geformt, wie ein Bodybuilder im Fitnessstudio es niemals hinkriegen würde.

Es rührte ihr ans Herz, wenn sie sah, wie zärtlich dieser starke Mann mit seinen Babys umging. Zu beobachten, wie er mit seinen kräftigen Händen die winzigen Druckknöpfe an den Strampelanzügen zuklickte oder eine klitzekleine Haarspange in Katies flaumweichem Haar befestigte. Und wenn sie mitbekam, wie er eins oder gleich zwei seiner Babys zärtlich an seine breite Brust drückte, dann hätte sie jedes Mal vor Entzücken seufzen können.

Zum Glück bekam er von ihrer Bewunderung nichts mit, denn das wäre ihr peinlich. Er sollte nichts ahnen von ihrer leisen Hoffnung, eines Tages vielleicht doch seine Liebe zu erwecken. Vorläufig gab sie sich damit zufrieden, an seinem Leben teilhaben und für seine Kinder sorgen zu können.

Nachdem sie mit vereinten Kräften den Baum samt Säge auf dem Schlitten festgezurrt hatten, stapften sie nach Hause. Henry, Jared und Katie schliefen weiterhin selig und wachten erst auf, als sie im Haus die Schneeanzüge ausgezogen bekamen.

Während die drei in ihrem Laufstall herumwuselten, stellten Jamie und Fallon den Baum im Wohnzimmer auf. Der würzige Tannennadelduft erfüllte Fallons Herz mit Nostalgie. Weihnachten war für sie die schönste Zeit des Jahres. Dieses Fest war in ihrer Familie immer etwas Besonderes gewesen, und so war es bis heute. Fallon liebte die alten Traditionen: das Plätzchenbacken, das Einkaufen und Verpacken der Geschenke, das Festessen und die Weihnachtslieder. Und sie wollte Jamie helfen, diese alten Traditionen in seiner neuen Familie wiederzubeleben.

Natürlich konnte sie seine Vorbehalte verstehen. Seit dem Tod seiner Eltern waren die Festtage für ihn eher eine Qual gewesen. Und das diesjährige Weihnachtsfest würde er ohne seine Frau verbringen müssen. Allerdings war es das erste Weihnachten mit seinen Babys, und wenn sie ihn dazu bringen konnte, seinen Widerstand zu überwinden, dann würde er seine Weihnachtsfreude wiederfinden. Da war sie ganz sicher.

Das Aufstellen des Christbaums war der erste Schritt in diese Richtung. Sie hielt den Ständer fest, während Jamie den Stamm in die Öffnung steckte. Anschließend hielt sie den Stamm, und Jamie drehte die Schrauben fest.

„Na, wie findest du ihn?“, fragte sie.

„Steht er nicht ein bisschen schief?“

„Nein, er sieht super aus“, versicherte sie.

„Vielleicht sollte ich ihn doch …“

„Nein.“

Er runzelte die Stirn. „Du weißt doch gar nicht, was ich sagen wollte.“

„Das spielt keine Rolle. Du brauchst gar nichts mehr zu machen. Der Baum ist perfekt.“

„Perfekt“, echote er skeptisch.

„Perfekt bedeutet ja nicht unbedingt fehlerlos“, erklärte sie. „Etwas ist perfekt, wenn es in einem bestimmten Moment deine Bedürfnisse erfüllt.“

Er sah sie lange an, und in den Tiefen seiner blauen Augen schien etwas aufzuflackern, das wenig mit dem bevorstehenden Weihnachtsfest zu tun hatte. Ihr Herz fing heftig zu pochen an.

Er wandte seine Aufmerksamkeit wieder dem Baum zu. „Wenn das so ist … wenn der Baum perfekt ist, dann brauchen wir ja gar keine Dekoration.“

„Das könnte dir so passen“, sagte sie und war stolz, dass ihre Stimme ganz normal klang.

Er grinste. „Dachte ich mir, dass so was kommt.“

Fallon wandte sich den Kartons zu, die Jamie vom Dachboden geholt hatte. Sie öffnete den Karton, auf dem „Lichterketten“ stand, und seufzte.

„Was ist denn?“, fragte Jamie.

Als sie ein Gewirr von Kabeln und Glühbirnchen hochhielt, zog er eine Grimasse.

„Wer hat denn das so eingepackt?“, fragte sie.

„Wahrscheinlich ich.“

Sie warf ihm das verhedderte Knäuel zu. „Dann kannst du es ja auch wieder entwirren.“

Ohne Widerrede machte er sich an die Arbeit. Und natürlich half sie ihm, denn bevor die Lichterkette angebracht war, konnte der Baum nicht geschmückt werden.

„War die Brautkleidsuche eigentlich erfolgreich?“, fragte Jamie.

Fallon lächelte in der Erinnerung. „Ja, und vor allem war es sehr lustig.“

„Und hat Bella sich schon entschieden?“

„Hat sie dir nichts erzählt?“

„Nein, ich habe sie gestern nicht mehr gesehen.“

„Ja, sie hat ein Kleid gefunden, nachdem sie mindestens dreißig anprobiert hatte. In allen hat sie toll ausgesehen, doch dann hat sie sich für das entschieden, das ihr zuerst ins Auge gefallen war. Danach musste noch der Schleier ausgesucht werden und die Schuhe und … aber es interessiert dich sicher nicht, was deine kleine Schwester unter dem Kleid trägt. Jedenfalls kann ich dir versichern, dass sie die schönste Braut sein wird, die Rust Creek Falls jemals gesehen hat.“

Zu spät, Fallon konnte den Satz nicht mehr zurücknehmen. Vor dreieinhalb Jahren waren Jamie und Paula in derselben Kirche getraut worden, in der Bella und Hudson sich das Jawort geben würden, und Paula war eine absolute Schönheit gewesen. Wie eine Märchenprinzessin hatte sie ausgesehen, nur leider war ihrer Ehe kein „glücklich bis ans Lebensende“ beschieden gewesen.

„Zumindest wird sie die schönste Braut des Jahres sein“, fügte Fallon rasch hinzu.

„Du brauchst bei mir nicht aufzupassen, was du sagst, Fallon. Wir kennen uns lange genug, um nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen zu müssen.“

„Ich weiß. Aber ich weiß auch, dass das letzte Jahr für dich unglaublich schwer war. Und vielleicht macht es dich traurig, Bella so glücklich zu sehen, wenn deine eigene Ehe nicht deine Erwartungen erfüllt hat.“

„Nein, ich freue mich sehr für Bella. Allenfalls mache ich mir ein wenig Sorgen, weil alles so schnell gegangen ist. Aber Hudson vergöttert sie, und die beiden passen so richtig gut zusammen. Sie wirken sehr verliebt und glücklich, und das ist alles, was ich mir für meine Schwester wünsche – dass sie glücklich ist.“

„Dasselbe sagt sie über dich.“

„Ich weiß. Aber ich bin noch nicht so weit. Im Moment beschränke ich mich darauf, froh und dankbar für meine drei wundervollen Babys zu sein. Es käme mir egoistisch vor, mehr zu verlangen.“

„Aber es ist das Recht jedes Menschen, glücklich zu sein.“

„Bist du denn glücklich?“, fragte er.

Sie hatte eine der Lichterketten entwirrt und stand auf. „Wie sind wir denn plötzlich bei mir gelandet?“

Jamie wandte sich wieder seinem verhedderten Kabel zu. „Du wolltest doch immer heiraten und eine Familie haben, aber in letzter Zeit scheint das kein Thema mehr zu sein. Kann es sein, dass du gar nicht mehr an dich denkst, weil du dich ständig um meine Kinder kümmern musst?“

Sie zuckte die Achseln. „Vielleicht macht es mich glücklich, mich um die Kinder zu kümmern. Auf jeden Fall ist es lustiger, als darauf zu warten, dass irgendwann mein Traumprinz vorbeikommt.“ Sie stieg mit ihrer Lichterkette auf die Trittleiter, die Jamie vor dem Tannenbaum aufgestellt hatte.

„Was machst du da?“, fragte er erschrocken. Er ließ seine Lichterkette fallen und war mit zwei Schritten bei ihr.

„Das siehst du doch.“ Sie streckte sich, um die Kette über die Zweige zu hängen.

Mit beiden Händen packte er ihre Oberschenkel, und wenn sie vorher sicher auf der Leiter gestanden hatte, so brachte er sie mit seiner Berührung beinahe aus dem Gleichgewicht.

„Du kannst dich doch nicht einfach auf die oberste Stufe stellen.“

„Wie soll ich denn sonst an die Baumspitze kommen?“

„Komm bitte runter, und lass mich das machen.“

„Vorher musst du mich aber loslassen.“

„Aber ich habe Angst, dass du runterfällst.“

Sie seufzte ergeben und ließ es zu, dass er sie festhielt, während sie Stufe für Stufe die Leiter hinunterstieg.

Unten drehte sie sich um und stand plötzlich dicht vor ihm. Noch immer hatte er die Hände an ihren Hüften, und sie bemerkte wieder dieses seltsame Flackern in seinen Augen. Als sein Blick zu ihrem Mund wanderte, hielt sie den Atem an.

„Fa-fa!“, rief Henry energisch und durchbrach den magischen Moment.

Fallon machte einen Schritt zurück, ohne an die Trittleiter zu denken. Sie stolperte, doch Jamie hatte sie fest im Griff. Um seine Mundwinkel zuckte es, als ob er sich kaum das Lachen verbeißen könnte. Sie merkte, wie sie rot wurde, und ärgerte sich über sich selbst. Unwirsch drückte sie ihm die Lichterkette in die Hand. „Hier, häng du sie auf, ich kann ja inzwischen die andere entwirren.“

„Fa-fa“, meldete Henry sich wieder zu Wort. Er stand am Laufstallgitter und hopste auf und ab.

Sie ging zu ihm. „Was ist denn, mein Kleiner?“

Er deutete auf den Softball, den er herausgeworfen hatte.

„Ah, du willst wieder fangen spielen.“

Henry grinste und zeigte dabei seine kleinen weißen Vorderzähne. Sie hob den Ball auf und warf ihn in den Laufstall zurück. Er ließ die Absperrung los und klatschte in die Hände.

„Jamie!“, rief Fallon, „Henry kann stehen, ohne sich festzuhalten!“

„Ja, ich sehe es.“ Sie merkte, dass er direkt hinter ihr stand.

In diesem Moment fiel Henry auf den Hosenboden und riss erschrocken die Augen auf. Gleich darauf fingen seine Lippen an zu zittern.

„Es ist nichts passiert“, beruhigte Fallon ihn mit sanfter Stimme. „Du bist aufgestanden und wieder umgefallen, das ist alles.“

Sofort hörten seine Lippen auf zu zittern.

„Auf und ab“, sang sie und klatschte dabei in die Hände. „Yeah!“

Henry klatschte ebenfalls in die Hände.

Jamie strich seinem kleinen Sohn liebevoll über den Kopf. „Gut gemacht, mein Großer.“

Henry freute sich und schien stolz auf sich zu sein, auch wenn er bestimmt nicht wusste, weshalb.

„Das musst du gleich in sein Babytagebuch eintragen“, sagte Fallon.

„Ja, mach ich. Leider hab ich vergessen, aufzuschreiben, wann er sich zum ersten Mal herumgerollt hat. Bei den beiden andern hab ich’s übrigens auch vergessen.“

Er stieg auf die Trittleiter und drapierte die Lichterkette am Baum, was ihm wegen seiner Größe und seiner längeren Arme sehr viel leichter fiel als Fallon.

„Du musst sie um die einzelnen Äste wickeln, nicht einfach nur drüberhängen“, ermahnte Fallon ihn.

„Und warum ist es falsch, so wie ich es mache?“

„Abgesehen davon, dass es schlampig und nachlässig aussieht, kommt auch kein Licht von innen.“

„Du bist aber pingelig“, erwiderte er leicht pikiert.

„Anspruchsvoll“, konterte sie.

„Aber die Nadeln sind ganz schön stachelig.“

„Genau wie du.“

Er grinste. „Okay, du sollst deinen Willen haben. Aber unten kannst du dann weitermachen.“

„Hast du keine Angst, dass ich runterfalle, wenn ich zwei Stufen hochsteige?“

„Doch, aber normalerweise bricht man sich aus dieser Höhe kein Bein.“

Während er die Lichterkette anbrachte, entwirrte Fallon den Rest des Kabelsalats. Hin und wieder hörte sie ihn leise fluchen, weil er sich offenbar gestochen hatte.

„Man könnte meinen, du hättest noch nie einen Tannenbaum geschmückt.“

„Früher bei meinen Eltern schon. Aber Paula hat darauf keinen Wert gelegt. Wir haben immer nur einen klappbaren Plastiktannenbaum aufgestellt und Lichterketten an die Fenster gehängt.“

„Tut mir leid, ich wollte dich nicht traurig machen.“

„Alle denken, sie müssten mich schonen, weil ich um meine Frau trauere“, platzte es aus ihm heraus. „Aber die Wahrheit ist doch, dass unsere Ehe nur noch auf dem Papier bestand. Selbst wenn Paula noch leben würde, hätten wir Weihnachten dieses Jahr nicht zusammen gefeiert.“

„Wie meinst du das?“, fragte Fallon erschrocken.

„Sie wollte mich verlassen, sobald die Babys auf der Welt waren.“

Fallon schüttelte ungläubig den Kopf. „Das kann doch nicht wahr sein.“

„Doch. Sie musste die Drillinge ja wohl oder übel austragen, aber danach wollte sie wieder ihre Freiheit haben.“

„Irgendwie kann ich ja verstehen, dass eine Frau Angst davor hat, gleich drei Kinder auf einmal zu bekommen. Sicher macht man sich da große Sorgen. Ob sie gesund sind und wie es danach weitergehen soll.“

„Natürlich“, gab er zu. „Mir wäre es auch lieber gewesen, wenn eins nach dem andern gekommen wäre. Allerdings habe ich mir immer eine große Familie gewünscht und mich wahnsinnig gefreut.“

„Paula hätte es sicher nicht übers Herz gebracht, ihre Babys im Stich zu lassen, wenn sie sie erst einmal gesehen hätte.“

„Ich fürchte doch. Sie hatte klar entschieden, mir die Drillinge zu überlassen und nach Seattle zurückzugehen.“

Fallon schüttelte den Kopf. „Ich kann mir das überhaupt nicht vorstellen.“

Jamie zuckte nur die Achseln und drapierte die Lichterkette weiter sorgfältig um die Zweige, wie Fallon es gesagt hatte. Er war so in seine Arbeit vertieft, dass er nicht aufhörte, bis alle drei Ketten am Baum hingen.

Wortlos reichte Fallon ihm die Girlande aus Goldfolie, und er stieg wieder auf die Leiter.

In der Zwischenzeit öffnete Fallon die Kartons mit Kugeln und Christbaumanhängern. „Dafür, dass dir Weihnachten nicht so wichtig ist, hast du ganz schön viel Deko angehäuft“, bemerkte sie.

„Das meiste stammt von den Kruegers, sie haben es dagelassen, als sie ausgezogen sind.“

Fallon zeigte den Drillingen all die glitzernden Teile, bevor sie eins nach dem anderen zum Aufhängen an Jamie weiterreichte. Längst hatten die drei ihr Spiel vergessen und beobachteten fasziniert, was sich im Wohnzimmer abspielte.

Sorgsam suchte Jamie für jeden Anhänger einen passenden Zweig. Nachdem er einen Weihnachtsmann mit Zipfelmütze in die Mitte des Baums gehängt hatte, trat er zurück und betrachtete sein Werk. „So, fertig.“

„Nicht ganz“, sagte Fallon und reichte ihm eine kleine Schachtel mit einer roten Schleife.

„Was ist das?“

„Mach auf.“

Er öffnete den Deckel und sah, in separaten Nestern aus Seidenpapier, einen Schneemann, einen Wichtel und ein Engelchen. Er nahm den Schneemann heraus und betrachtete ihn von allen Seiten. Dabei entdeckte er ein Datum und eine Inschrift auf der Rückseite: Henrys erstes Weihnachten.

Der Wichtel war für Jared graviert, das Engelchen für Katie.

„Oh, was für eine schöne Idee, Fallon!“, sagte er gerührt.

„Auf dem Weihnachtsmarkt in Kalispell gab es einen Stand, wo man Anhänger gravieren lassen konnte. Da konnte ich einfach nicht widerstehen.“

Jamie hockte sich vor den Laufstall. „Schaut mal, Kinder, was Fallon euch mitgebracht hat.“ Jedes der drei Babys durfte seinen Anhänger anfassen, und anschließend hängte er die Teile so an den Baum, dass die Kinder sie sehen konnten.

Er lächelte Fallon an. „Danke, du tust so viel für uns.“

„Du weißt, dass ich es gerne mache, Jamie.“ Sie sah auf die Uhr und stieß einen kleinen Schrei aus. „Schon so spät, jetzt muss ich aber los. Mom wird sich schon wundern, wo ich bleibe.“ Sie gab jedem der Babys einen Kuss auf die Stirn und zog im Flur rasch ihre Jacke an. Jamie folgte ihr und sah zu, wie sie ihre rosa Bommelmütze aufsetzte. Spontan griff er nach einer Locke, die unter der Mütze hervorlugte.

„Was machst du da?“, fragte Fallon und lächelte unsicher.

„Du hast eine Tannennadel im Haar, die hing wohl in der Mütze.“ Er nestelte an der Nadel herum.

„Lass mal, ich bürste sie nachher raus.“

„Gleich hab ich sie.“ Es gefiel ihm, ihre seidigen Locken anzufassen. „Hier.“ Er hielt die Nadel hoch.

„Danke“, sagte sie ein wenig atemlos.

„Ich hätte nie gedacht, dass mir das Christbaumschmücken so viel Spaß macht. Danke, Fallon.“

„Ja, das erste der lustigen Sachen auf meiner To-do-Liste hast du geschafft.“

Sie stand dicht vor ihm, und plötzlich konnte er nicht anders. Er beugte sich über ihre Lippen, die ihn verlockten wie eine süße Frucht.

Doch im letzten Moment besann er sich und drückte ihr einen Kuss auf die Wange.

4. KAPITEL

„Tut mir leid, dass ich so spät bin.“ Fallon küsste ihre Mutter auf die Wange.

Maureen O’Reilly unterbrach das Kartoffelbreistampfen und sah ihre Tochter an. „Wo warst du denn so lange?“

„Hab ich dir nicht erzählt, dass ich heute mit Jamie einen Tannenbaum im Wald holen wollte? Wir haben ihn dann auch gleich geschmückt.“

Maureen stampfte weiter ihren Kartoffelbrei. „Es ist wirklich nett von dir, dass du Jamie so viel hilfst, aber vielleicht solltest du derlei Familientraditionen ihm selbst überlassen. Ich finde, das ist seine Angelegenheit.“

„Aber er schafft das alles doch gar nicht alleine. Nicht jeder hat das Glück, eine Familie wie unsere zu haben. Seine Schwester verbringt neuerdings viel Zeit mit ihrem Verlobten, und die Drillinge sind noch nicht wirklich in der Lage, mitzuhelfen.“

Fallon lächelte schief, und Maureen musste ebenfalls lächeln.

„Nun, wo du jetzt da bist, kannst du ja den Tisch fertig decken. Brenna hatte angefangen, aber dann bekam sie einen Anruf von ihrer Freundin und hängt seitdem am Telefon.“

„Und wo ist Fiona?“

„Sie ist in die Stadt gefahren, um Vanilleeis für den Apfelstrudel zu besorgen.“

„Mhm, lecker.“

Während Fallon die restlichen Teller und das Besteck auf dem Tisch verteilte, sinnierte sie darüber, warum ihre Brüder eigentlich nie zur Küchenarbeit herangezogen wurden. Maureen hatte zwar keine Hemmungen, ihren Mann und ihre beiden Söhne für alle möglichen Arbeiten einzuspannen, doch blieb die Küche und alles, was damit zusammenhing, ihr Reich, zu dem nur ihre drei Töchter Zutritt hatten.

Nachdem Fiona mit dem Vanilleeis zurück war und Brenna es geschafft hatte, ihr Telefonat zu beenden, versammelte sich die Familie O’Reilly um den großen Esstisch. Wie immer ging es lebhaft zu. Während alle ihre Teller mit Brathähnchen, Kartoffelbrei und Bohnengemüse vollpackten und mit Appetit zu essen anfingen, gingen die Gespräche hin und her. Jeder erzählte, was er in der Woche erlebt hatte und was in der Stadt passiert war.

Obwohl die fünf Geschwister längst erwachsen waren, lebten sie noch alle auf der Ranch. Keiner schien das Bedürfnis zu haben, die Familie zu verlassen. Allerdings hatte jeder seinen eigenen Bereich. Keegan und Ronan hatten in der alten Scheune zwei kleine Wohnungen für sich eingebaut. Die drei Schwestern hatten sich unter dem Dach eingerichtet, wo sie eine Art WG führten und sich weitgehend selbst versorgten. Da die Familie es während der Woche kaum schaffte, gemeinsam zu essen, bestanden Maureen und Paddy darauf, dass alle wenigstens am Sonntag zusammenkamen.

Nach dem Essen zerstreute sich die Familie wieder. Fiona ging mit ihrem Dad in den Stall, um nach ihrem Pferd zu sehen, das sich beim Ausreiten den Knöchel verletzt hatte. Keegan und Ronan fütterten die Tiere, und Brenna fuhr zu ihrer Freundin, um sie in ihrem Liebeskummer zu trösten. So blieb das Aufräumen und Abwaschen Maureen und ihrer jüngsten Tochter überlassen.

Fallon machte es nichts aus, in der Küche zu helfen. Es gefiel ihr, allein mit ihrer Mutter plaudern zu können. Im Gegensatz zu den meisten ihrer Freunde hatte sie ein gutes Verhältnis zu ihren Eltern. Sie konnte mit ihnen über alles reden. Manchmal allerdings wurden ihr die ungenierten Fragen und Bemerkungen ihrer Mom zu viel.

Besonders wenn es um Jamie ging.

„Ich finde, du solltest aufhören, dich um die Stockton-Drillinge zu kümmern“, sagte Maureen wie beiläufig, während sie Wasser für den Abwasch einließ und die Pfannen und Töpfe säuberte.

Fallon sah ihre Mutter entgeistert an. „Warum um Himmels willen sollte ich denn das tun?“

„Ich mache mir Sorgen um dich.“

Fallon griff nach dem Geschirrtuch. „Das brauchst du nicht. Es geht mir gut.“

„Du wirkst aber erschöpft.“

„Ja, ich bin ein bisschen müde, das gebe ich zu. Doch das geht auch wieder vorbei.“

„Wann bist du eigentlich das letzte Mal mit einem Mann ausgegangen?“, fragte Maureen.

Fallon runzelte die Stirn. „Was hat denn das eine mit dem anderen zu tun?“

Maureen ignorierte die Zwischenfrage. „Ich nehme an, du erinnerst dich schon gar nicht mehr daran.“

„Na ja, es ist schon eine Weile her“, gab Fallon zu. Eigentlich konnte sie sich wirklich nicht mehr erinnern. Sie hatte auch nicht das geringste Interesse, mit einem Mann auszugehen, denn meist waren ihre Dates enttäuschend verlaufen.

Kein Mann konnte Jamie das Wasser reichen. Bei keinem hatte sie je dieses erregende Kribbeln gespürt, das selbst die kleinste Berührung von Jamie bei ihr auslöste. Wie er sie seit ein paar Tagen ansah! Ein Schauer durchlief sie, als sie an den Moment im Flur dachte. Wie er sich über sie gebeugt hatte – um sie zu küssen, da war sie sich sicher.

Maureens Stimme unterbrach Fallons Träumereien. „Du verbringst beinahe jede freie Minute auf der Short Hills Ranch.“

„Das tun andere auch“, erklärte Fallon. „Abgesehen von Bella, die sowieso das meiste macht, sind wir im Moment drei Familienpatinnen.“

„Aber ich bin mir sicher, dass die beiden anderen sich nicht so intensiv einsetzen wie du.“

„Die haben schließlich noch ihre eigene Familie.“

„Eben. Und warum hast du keine? Solange du dir Jamie Stockton und seine Drillinge zur Lebensaufgabe machst, wirst du nie einen Mann finden.“

„Mom, ich bin gerade mal vierundzwanzig. Hast du etwa Angst, dass ich als alte Jungfer ende?“

„Wenn du so weitermachst, bist zu siebenundzwanzig, bevor die Drillinge aus dem Gröbsten heraus sind. Damit bist du noch nicht alt, aber auf jeden Fall älter als die meisten unverheirateten Frauen in Rust Creek Falls. So viele hübsche Cowboys werden da nicht mehr übrig sein.“

„Mach dir nicht so viele Sorgen, Mom. Demnächst wird sich sowieso wieder einiges ändern, denn die Drillinge kommen in eine Kinderkrippe.“

„Eine gute Idee! Aus vielerlei Gründen.“

Fallon nickte. Sie selbst fand die Idee auch gut, allerdings würden ihr die Drillinge schrecklich fehlen. Sie würde dann allenfalls noch nachmittags oder abends als Babysitter zum Einsatz kommen und auch Jamie kaum noch sehen.

„Wo wir gerade von guten Ideen reden“, sagte Maureen. „Bald findet die Geschenkaktion für bedürftige Kinder statt.“

Fallon war froh über den Themenwechsel. „Da mache ich auf jeden Fall mit.“

„Vielleicht ist das eine Gelegenheit, nette Junggesellen zu treffen“, bemerkte Maureen süffisant.

„Also wirklich, Mom. Willst du mich etwa beim gemeinsamen Geschenkepacken im Gemeindesaal verkuppeln?“

„Von Verkuppeln habe ich nichts gesagt“, erwiderte Maureen mit Unschuldsmiene.

„Ich wusste gar nicht, dass du es so eilig hast, mich loszuwerden. Immerhin bin ich die jüngste deiner Töchter.“

Wohlweislich verschwieg sie ihrer Mutter, dass sie bereits Jamie zu der Veranstaltung eingeladen hatte. Es würde ihm guttun, seinen Wohlfühlbereich zu verlassen und mal unter Leute zu kommen. Seit der Geburt der Drillinge fuhr er nur noch höchst ungern in die Stadt, angeblich weil er die besorgten Fragen und mitleidigen Blicke nicht ertragen konnte.

„Ich möchte nur, dass du glücklich bist, Fallon. Und ich habe den Eindruck, dass du es nicht bist. Du vertust ja dein Leben, indem du auf Jamie wartest.“

Fallon machte sich eifrig an den Schränken zu schaffen, um ihre verlegene Miene zu verbergen. „Ja, in der Highschool war ich mal in ihn verliebt“, gab sie widerstrebend zu.

„Und als er Paula geheiratet hat, warst du am Boden zerstört“, sagte Maureen mit sanfter Stimme.

„Dabei habe ich alles versucht, mir nichts anmerken zu lassen.“

„Bei den anderen mag dir das auch gelungen sein, aber eine Mutter spürt doch, wenn ihr Kind leidet, und sie leidet mit.“

„Ich bin drüber weggekommen.“

„Wirklich?“

Fallon seufzte. „Vielleicht kommt es noch manchmal hoch.“

„Wie willst du auch darüber hinwegkommen, wenn du ihn drei, vier Mal die Woche siehst.“ Maureen sah ihrer Tochter nun direkt ins Gesicht. „Oder hoffst du, dass sich seine Gefühle für dich ändern, wenn er dich möglichst oft sieht?“

Autor

Patricia Kay
Patricia Kay hat bis heute über 45 Romane geschrieben, von denen mehrere auf der renommierten Bestsellerliste von USA Today gelandet sind. Ihre Karriere als Autorin begann, als sie 1990 ihr erstes Manuskript verkaufte. Inzwischen haben ihre Bücher eine Gesamtauflage von vier Millionen Exemplaren in 18 verschiedenen Ländern erreicht!
Patricia ist...
Mehr erfahren
Brenda Harlen
<p>Brenda ist eine ehemalige Rechtsanwältin, die einst das Privileg hatte vor dem obersten Gerichtshof von Kanada vorzusprechen. Vor fünf Jahren gab sie ihre Anwaltskanzlei auf um sich um ihre Kinder zu kümmern und insgeheim ihren Traum von einem selbst geschriebenen Buch zu verwirklichen. Sie schrieb sich in einem Liebesroman Schreibkurs...
Mehr erfahren
Michelle Major
<p>Die USA-Today-Bestsellerautorin Michelle Major liebt Geschichten über Neuanfänge, zweite Chancen - und natürlich mit Happy End. Als passionierte Bergsteigerin lebt sie im Schatten der Rocky Mountains, zusammen mit ihrem Mann, zwei Teenagern und einer bunten Mischung an verwöhnten Haustieren. Mehr über Michelle Major auf www.michellemajor.com.</p>
Mehr erfahren