Bianca Extra Band 68

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EIN DIAMANT IST ERST DER ANFANG von WILSON, TERI
Das heiße Werbeplakat am Times Square beweist es deutlich: Zwischen Diana und dem argentinischen Polospieler Franco Andrade knistert es gewaltig! Steht etwa eine Verlobung der reichen Erbin mit dem Playboy an? Niemand ahnt etwas von dem geheimen Plan dahinter …

WIE VIEL MUT KOSTET DAS GLÜCK? von WENGER, CHRISTINE
Ein grausames Schicksal raubt der kleinen Rose die Eltern - und plötzlich ist Lisa ihr Vormund. Aber nicht allein: Sully, ihr arroganter Feind der ersten Stunde, kümmert sich auch um Rose! Hat sie deshalb Herzklopfen bei dem Gedanken, dass sie ab sofort eine kleine Familie sind?

… UND EINE PRISE ZÄRTLICHKEIT von MAXWELL, MEG
Die hübsche Köchin Olivia hat eine magische Gabe: Mit ihren leckeren Speisen kann sie traurigen Menschen Mut machen. Aber bei dem attraktiven Privatdetektiv Carson Ford, der eines Tages vor ihrem Imbiss steht, fügt sie eine besonders delikate Zutat hinzu: Liebe …

ACHT PFOTEN UND EIN HAPPY END von MEYER, KATIE
Die wilden Tiere Floridas zu schützen ist Samanthas Traumjob. Doch leider bringen ihr die Leute in Paradise Misstrauen entgegen. Kann eine Scheinverlobung mit Dylan Thomas, dem sexy Leiter des Tierreservats, das ändern? Oder macht er mit seinem Kuss etwa Jagd auf ihr Herz?


  • Erscheinungstag 12.03.2019
  • Bandnummer 68
  • ISBN / Artikelnummer 9783733736699
  • Seitenanzahl 448
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Teri Wilson, Christine Wenger, Meg Maxwell, Katie Meyer

BIANCA EXTRA BAND 68

TERI WILSON

Ein Diamant ist erst der Anfang

Plötzlich ist Franco verlobt! Natürlich nur zum Schein, um seinen verhängnisvollen Playboy-Ruf loszuwerden. Aber sein Verlangen nach der aufregenden Diana Drake fühlt sich verteufelt echt an …

CHRISTINE WENGER

Wie viel Mut kostet das Glück?

Wütende Bullen machen Cowboy Sully keine Angst. Sich um seine verwaiste Nichte zu kümmern dagegen sehr – zusammen mit Lisa, die er heimlich „Eiskönigin“ nennt. Was muss er tun, damit die schöne Pilotin auftaut?

MEG MAXWELL

… und eine Prise Zärtlichkeit

Hat sie ihn verzaubert? Carson weiß nicht, was Olivia mit ihm angestellt hat. Sie sollte ihm bloß helfen, eine Verschwundene zu finden. Stattdessen ist er nur einen Kuss von der großen Liebe entfernt …

KATIE MEYER

Acht Pfoten und ein Happy End

„Hände hoch.“ Dylan erstarrt. Die Frau in Uniform, die auf ihn zielt, scheint ihn für einen Wilderer zu halten! Dabei will er das Rehkitz in seinen Armen retten – und die wilde Schönheit erobern …

1. KAPITEL

Diana Drake wusste zurzeit nicht gerade viel, aber eines war glasklar: In diesem Augenblick hätte sie ihren Bruder am liebsten erwürgt.

Nicht ihren älteren Bruder, Dalton. Was ihn anging, brachte sie es nicht fertig, echte Empörung aufzubringen, auch wenn er bestimmt mitverantwortlich für ihre gegenwärtige Misere war.

Aber Dalton kam ungeschoren davon. Vorerst zumindest.

Zumal sie ihm eine Menge schuldig war. Sie wohnte nämlich schon seit ein paar Monaten mietfrei in seinem mondänen Apartment an der Upper East Side, weil er nicht mehr in New York, sondern irgendwo an der französischen Riviera lebte, wo er seine Krone polierte oder auf einem Thron saß oder womit auch immer man sich als Prinz so den Tag vertrieb.

Deshalb bekam Dianas jüngerer Bruder Artem jetzt als Einziger ihren ganzen Frust ab. Was vielleicht nicht ganz unproblematisch war, da er inzwischen ihr Chef war.

Streng genommen.

Irgendwie.

„Ich pack das einfach nicht“, platzte sie in seinem Riesenbüro im neunten Stock von Drake Diamonds heraus, dem legendären Juwelier an der Ecke Fifth Avenue und 57th Street – direkt in Manhattans glitzernder Innenstadt.

Diana hatte zwar nicht ihr ganzes Leben umgeben von Diamanten und hübschen blauen Samtschatullen mit weißen Satinschleifen verbracht so wie Dalton. Sie führte auch nicht die Geschäfte, so wie Artem. Aber soweit sie wusste, war sie immer noch Mitglied der Familie. Eine Drake, genauso wie die anderen.

War es wirklich notwendig, sie damit zu demütigen, sie als Verkäuferin in die schrecklichste Abteilung des Ladens zu stecken?

„Verlobungsringe? Im Ernst?!“ Sie verschränkte die Arme vor der Brust und funkelte Artem wütend an. Es war nach wie vor irgendwie schräg, ihn hinter dem Schreibtisch ihres Vaters sitzen zu sehen. Gaston Drake war inzwischen zwar seit fast einem Jahr tot, doch sein Geist war immer noch allgegenwärtig.

Zu gegenwärtig. Manchmal geradezu erstickend.

„Dir auch einen guten Morgen, Diana“, antwortete Artem gelassen und glättete seine Krawatte, die exakt die gleiche Farbe hatte wie die blauen Samtschatullen des Ladens: Drake-blau.

Könnte er nicht wenigstens so tun, als würde ihr Ausbruch ihn zumindest ein kleines bisschen einschüchtern?

Diana seufzte tief. „Ich pack das nicht, Artem. Ich mach alles, aber nicht das.“ Sie wedelte Richtung Verlobungsringabteilung.

Artem musterte sie nur belustigt und warf einen demonstrativen Blick auf seine Uhr. „Verständlich. Es sind immerhin schon drei Stunden. Wie hast du nur so lange durchgehalten?“

„Drei qualvolle Stunden!“ Wieder seufzte sie melodramatisch. „Warst du überhaupt schon mal da?“

„Als Geschäftsführer schaue ich ab und zu mal rein, ja.“

Ach so. Stimmt.

Trotzdem bezweifelte Diana, dass er jemals Ringe an frisch Verlobte verkauft hatte. Ein solches Schicksal würde sie noch nicht mal ihrem schlimmsten Feind wünschen.

Heute Morgen hatte sie doch tatsächlich mit angehört, wie ein erwachsener Mann und eine erwachsene Frau Babysprache miteinander gesprochen hatten. Schon allein bei der Erinnerung daran drehte sich ihr der Magen um. So etwas müsste verboten werden!

Ihr Blick fiel auf den Stubenwagen in einer Ecke des Büros. Sie konnte immer noch nicht fassen, dass ihr Bruder inzwischen Vater war. Und Ehemann. Es war total irre – vor allem, wenn man bedachte, was für ein abgrundtief mieses Vorbild ihr Vater gewesen war.

Bleib ganz professionell.

Sie würde bei Artem nichts erreichen, wenn sie ihm als seine Schwester gegenübertrat. Bei diesem Gespräch ging es um das Geschäft, nicht mehr und nicht weniger. Sie musste ihm klarmachen, dass es nicht nur für sie gut wäre, die Verlobungswelt zu verlassen, sondern auch für den Laden.

Erst vor einer halben Stunde hatte sie sich fest auf die Zunge beißen müssen, als ein Mann sie wegen eines Verlobungsrings um Rat gebeten hatte. Sie hätte ihm fast empfohlen, sein Geld lieber in etwas Vernünftiges statt einen Klunker im Wert von drei Monatsgehältern zu stecken, da die Chance, mit seiner Freundin glücklich bis ans Ende ihrer Tage zu leben, sowieso verschwindend gering war.

Mal vorausgesetzt, dass seine Freundin seinen Antrag tatsächlich annahm, lag die Wahrscheinlichkeit, es bis zum Altar zu schaffen, bei achtzig Prozent. Danach standen die Chancen fifty-fifty, dass die Ehe hielt. Und sogar, wenn sie Mann und Frau blieben, bis dass der Tod sie schied, hieß das noch lange nicht, dass sie glücklich miteinander sein würden. War überhaupt jemand glücklich verheiratet?

Dianas Mutter war treu an der Seite ihres Mannes geblieben – sogar nachdem sie herausgefunden hatte, dass er ein Kind mit der Haushälterin gezeugt hatte. Sie hatte es sogar mit großgezogen. Von einer glücklichen Ehe konnte da beim besten Willen nicht die Rede sein.

Besagtes Kind war inzwischen ein Mann und saß jetzt vor Diana hinterm Schreibtisch. Sie war zusammen mit Artem aufgewachsen und liebte ihn abgöttisch. Er war ihr Bruder, kein Zweifel.

Mit Artem hatte sie auch kein Problem. Aber sehr wohl mit ihrem Vater und dem Konzept der Ehe an sich. Die Ehe brachte nichts als Leid.

Ihre Mutter war der beste Beweis.

Aber vermutlich hätte Diana sogar dann nichts weiter als Verachtung für sündhaft teure Verlobungsringe übrig, wenn sie in einer richtigen Bilderbuchfamilie aufgewachsen wäre. Das war schlicht und ergreifend eine Frage der Statistik. Denn laut Statistik konnte man sein Geld genauso gut in den Hudson River werfen.

So etwas durfte man allerdings nicht laut aussprechen, wenn man in der Verlobungsabteilung arbeitete. Drake Diamonds hatte Diana nämlich ihr ganzes Leben lang finanziell unterstützt.

Also hatte sie brav die Klappe gehalten.

„Ich sage ja nur, dass meine Talente anderswo besser eingesetzt werden könnten.“

„Ach, tatsächlich?“ Artem musterte sie eingehend. Einer seiner Mundwinkel zuckte belustigt. Diana wusste genau, was er jetzt sagen würde. „Und was für Talente wären das?“

Bingo!

„Fang nicht schon wieder so an!“ Sie hatte keine Lust, über ihren Unfall zu sprechen. Am liebsten würde sie nie wieder darüber reden.

Artem hob mit gespielter Abwehr die Hände. „Ich habe nichts gesagt. Ich will dich nur darauf hinweisen, dass du keine Arbeitserfahrung hast. Und keine Ausbildung. Ich sage das ja nur ungern, Schwesterherz, aber deine Möglichkeiten sind begrenzt.“

Sie hatte mit dem Gedanken gespielt, sich an der Universität von New York einzuschreiben, erwähnte das jedoch nicht. Einen Abschluss würde sie sowieso nicht über Nacht schaffen. Leider. Sie hatte zwar immer studieren wollen, hatte aber so viel trainiert und an so vielen Turnieren teilgenommen, dass sie einfach nicht die Zeit gefunden hatte. Und jetzt war sie sechsundzwanzig Jahre alt und ohne jede Ausbildung.

Hätte sie in den letzten zehn Jahren doch nur etwas weniger Zeit auf Pferderücken und mehr im Hörsaal verbracht …

Sie räusperte sich. „Muss ich dich wirklich daran erinnern, dass der Laden zu einem Drittel mir gehört? Du und Dalton seid nicht die einzigen Drakes hier!“

„Nein, aber wir sind die einzigen, die hier jemals gearbeitet haben.“ Artem warf wieder einen Blick auf seine Uhr, stand auf und knöpfte sein Jackett zu. „Hör mal, halt einfach eine Weile durch. Wenn du erst mal begriffen hast, worauf es ankommt, versuchen wir, eine andere Position für dich zu finden. Okay?“

Eine Weile?!

Und wie lange sollte das dauern? Eine Woche? Einen Monat? Ein Jahr? Diana hätte Artem gern gefragt, traute sich jedoch nicht. Sie wollte nicht jammern, und schon gar nicht wollte sie den schrecklichen Namen Drake ins Spiel bringen. Aber leider war dieser Name gerade ihr einziger Ass im Ärmel.

Ach, wie tief die Mächtigen gefallen sind.

„Komm mit.“ Artem ging an ihr vorbei. „Wir haben für heute Nachmittag ein Fotoshooting in der Verlobungswelt. Das wird bestimmt interessant für dich.“

Sie war froh, dass sie hinter ihm ging. So konnte er wenigstens nicht ihr genervtes Augenverdrehen sehen. „Jetzt sag nicht, dabei ist ein Hochzeitskleid im Spiel!“

„Entspann dich, Schwesterherz. Wir fotografieren Manschettenknöpfe. Die Fotografin will die Abteilung nur nutzen, weil man von dort den besten Blick auf Manhattan hat.“

Die Aussicht war wirklich schön – vor allem jetzt im Frühling, wenn die japanischen Kirschbäume blühten.

Genervt folgte Diana ihrem Bruder in die Ecke, wo die Fotografin gerade zwei große Scheinwerfer aufstellte. Mehrere Kameraobjektive in verschiedenen Größen lagen auf einer Vitrine bereit.

Diana legte ein Samttuch unter die Objektive, um das Glas zu schützen, und versuchte, sich weiter nützlich zu machen. Wenn sie sich hier einbrachte, konnte sie sich vielleicht für eine oder zwei Stunden davor drücken, sich mit irgendwelchen Verlobten auseinanderzusetzen.

Man darf ja wohl noch träumen, oder?

„Ist unser Model schon da?“, erkundigte sich die Fotografin. „Ich bin nämlich so weit, und in einer Stunde ist schon Sonnenuntergang. Ich würde gern diese tolle Aussicht einfangen, bevor es zu spät ist.“

Diana warf einen Blick aus dem Fenster. Der Himmel hatte einen violetten Schimmer, und der Abendwind wehte rosa Blütenblätter über die Fifth Avenue. Die Sonne versank gerade hinter den Wolkenkratzern. Ja, das Licht und der Hintergrund waren perfekt …

… nur, wo blieb das Model?

Artem warf wieder einen Blick auf seine Armbanduhr und blickte stirnrunzelnd Richtung Tür. Diana putzte schon mal die sechs Paare Manschettenknöpfe, die Artem für das Shooting rausgesucht hatte. Hauptsache, sie konnte etwas Zeit herausschinden.

Als sie gerade nach dem letzten Paar griff, hörte sie Artem erleichtert aufseufzen. „Da ist er ja.“

Diana hob den Blick zu dem Mann, der auf sie zuschlenderte, und erstarrte. Hatte sie etwa Wahnvorstellungen? Hatte ihr Sturz auf den Kopf vor einigen Monaten doch größeren Schaden angerichtet, als die Ärzte gesagt hatten?

Nein, mit mir ist alles in Ordnung. Es geht mir gut. Bestens sogar.

Leider fühlte es sich nicht so an. Seit Dianas Unfall war nichts mehr wie vorher, und sie bezweifelte, dass sie je einen Weg zurück finden würde. Niemand konnte die Scherben wieder zusammenfügen. Deshalb hatte sie endgültig einen Schlussstrich gezogen und fing hier von vorne an. Begann ein neues Leben. Ein normales Leben, ruhig und sicher. Sie würde sich zwar erst mal daran gewöhnen müssen, aber das würde sie schon irgendwie hinkriegen.

Schließlich fingen viele Menschen irgendwann mal von vorn an, oder?

Sie hatte wenigstens einen Job. Eine Wohnung und eine Familie. Und es gab Schlimmeres, als eine Drake zu sein.

Der Job hier war ein Neuanfang. Sie war jetzt Juwelierin. Ihre Vergangenheit war vorbei.

Bis auf die verstörende Tatsache, dass ein gewisser Mann aus ihrer Vergangenheit in diesem Augenblick geradewegs auf sie zukam.

Jetzt, in der Gegenwart.

Franco Andrade.

Oh nein, ausgerechnet! Warum nur?

Sie musste raus hier. Vielleicht sollte sie unauffällig hinter einen der Tresen schlüpfen – zurück zu ihren Champagner schlürfenden Bräuten und Bräutigamen. Noch nie war es ihr so verlockend vorgekommen, Verlobungsringe an den Mann zu bringen.

Als sie die Manschettenknöpfe in ihre Schatullen zurücklegte, fiel ihr in ihrer Hast einer herunter. Entsetzt sah sie ihn von einem von Artems Schuhen abprallen und über den plüschigen Drake-blauen Teppich rollen – direkt auf Franco zu.

Das hatte sie jetzt davon, sich bei Artem beschwert zu haben. Dass sie Firmenerbin war, hieß noch lange nicht, dass sie sich auch wie eine aufführen konnte. Hochmut kam bekanntlich vor dem Fall. Und machte schlechtes Karma.

Ihres verschwendete jedenfalls keine Zeit.

Diana kniete sich hin, um den abtrünnigen Manschettenknopf zu suchen. Am liebsten wäre sie vor Scham im Erdboden versunken. Es gab also doch Schlimmeres, als verknallten Männern dabei zu helfen, Verlobungsringe auszusuchen.

Artem stellte sich geschickt und schützend neben sie und hielt Franco eine Hand hin. „Mr. Andrade, endlich lernen wir uns mal kennen.“

Mr. Andrade.

Er war es also wirklich. Bis zu diesem Augenblick hatte Diana sich noch an der Hoffnung festgeklammert zu halluzinieren. Oder auf einen Doppelgänger. Was natürlich völlig absurd war. Männer mit Franco Andrades gutem Aussehen gab es nun mal nicht im Doppelpack. Seine markanten Gesichtszüge waren eine echte Rarität – so etwas kam nur alle Jubeljahre vor.

Fragte sich nur, was er hier wollte? War er etwa das Model für die neue Kampagne? Oh Gott, bitte nicht!

Vielleicht war das hier ja nur ein schlechter Scherz. Vielleicht wollte Artem sie damit auf völlig unpassende Weise aus dem Laden befördern, damit sie in ihr altes Leben zurückkehrte.

Zum zweiten Mal an diesem Tag wäre sie ihm am liebsten an die Gurgel gesprungen, weil er Franco hergeholt hatte. Was für eine Schnapsidee von ihr, in den Laden ihrer Familie einzusteigen!

Als ob sie eine andere Wahl gehabt hätte.

Sie verdrängte die Erinnerung an Artems Hinweis auf ihre mangelnde Ausbildung und Arbeitserfahrung und konzentrierte sich auf ihre jetzige demütigende Aufgabe. Wo zum Teufel steckte dieser dämliche Manschettenknopf?

„Hab dich“, flüsterte sie triumphierend, als sie aus dem Augenwinkel etwas Silbernes aufblitzen sah. Doch als sie danach greifen wollte, hockte Franco Andrade sich vor ihr hin und versperrte ihr mit seinem lächerlichen männlich gebauten Körper den Blick. „Erlauben Sie?“

Sie erschauerte. War seine Stimme schon immer so köstlich tief und männlich gewesen? Der Mann könnte das Alphabet vorlesen, und man würde weiche Knie bekommen.

„Hier.“ Franco hielt ihr den Manschettenknopf hin. Seine Handfläche war rau und schwielig. Ein deutlicher Kontrast zu seinem maßgeschneiderten Smoking.

Allerdings trug er keine Fliege, und seine Ärmel waren nicht zugeknöpft. Er sah aus, als komme er direkt aus dem Bett einer Frau und hätte sich nur rasch den Armanianzug vom Vorabend übergestreift.

Was vermutlich sogar stimmte.

„Danke“, murmelte sie, wobei sie seinem Blick auswich.

„Moment mal.“ Er schloss die Hand um den Manschettenknopf und legte den Kopf schief, um ihr Gesicht besser zu sehen. „Kennen wir uns nicht?“

Heftig schüttelte sie den Kopf. „Ich glaube nicht.“

„Ich schon“, erwiderte er belustigt. Noch immer machte er keine Anstalten, ihr den Knopf zu geben.

Schön, sollte er ihn doch behalten! Sie hatte Besseres zu tun. Zum Beispiel, Turteltäubchen dabei zu fotografieren, wie sie Verlobungsringe anprobierten. Aber alles war besser als das hier.

Sie sprang auf. „Hier scheint inzwischen alles vorhanden zu sein. Ich gehe dann mal …“

„Warte, Diana“, sagte Artem bestimmt.

Na toll!

Nur widerstrebend blieb Diana stehen. Sie befürchtete, dass Artem sein Versprechen, ihr einen anderen Job zu geben, sonst womöglich rückgängig machen würde und sie bis in alle Ewigkeit in der Verlobungsringabteilung versauern musste.

Im Gegensatz zu ihr erhob Franco sich so lässig, als habe er alle Zeit der Welt. Als sei es selbstverständlich, dass alle auf ihn warten mussten – der Sonnenuntergang über Manhattan eingeschlossen.

„Mr. Andrade, ich bin Artem Drake, Geschäftsführer von Drake Diamonds.“ Artem zeigte auf Diana. „Und das ist meine Schwester, Diana Drake.“

„Freut mich, Sie kennenzulernen“, sagte sie steif und verschränkte abweisend die Arme vor der Brust. Als Artem ihr einen ermahnenden Blick zuwarf, setzte sie ein künstliches Lächeln auf und hielt Franco die Hand hin.

Franco senkte den Blick zu ihren ausgestreckten Fingern. Er wartete eine Sekunde, bis er den Manschettenknopf in ihre Handfläche fallen ließ.

„El placer es mío“, sagte er mit einem schwachen argentinischen Akzent. Das Vergnügen ist ganz meinerseits.

Diana erschauerte wieder, versuchte sich jedoch einzureden, dass das nichts zu bedeuten hatte. Franco war ein schöner Mann, das war alles. Es war völlig normal, körperlich auf ihn zu reagieren, auch wenn seine breiten Schultern und seine dunklen glühenden Augen sie auf der Verstandesebene natürlich völlig kaltließen.

Franco Andrade hatte erhebliche Charaktermängel, aber er war schon immer umwerfend attraktiv gewesen. Das war zwar unfair, aber das Leben war nun mal nicht immer fair, oder? Das wusste sie aus bitterer Erfahrung.

Diana schluckte den plötzlichen Kloß in ihrem Hals hinunter und hörte Francos Räuspern nur wie durch einen Nebel.

„Wollen wir anfangen? Ich glaube, wir sollten das Licht nutzen.“ Artem stellte Franco der Fotografin vor, die bei seinem Anblick förmlich dahinschmolz.

Diana unterdrückte ein Würgen und versuchte, sich unauffällig zu verdrücken. Leider vergeblich, denn Artem winkte sie zu sich. „Diana, kommst du mal bitte?“

Wieder zwang sie sich zu einem Lächeln und ging zum Fenster, wo die Fotografin Franco seine Position erklärte und dabei unnötig oft Hand anlegte. Sie hatte ihm seine Verspätung offensichtlich verziehen. War ja klar.

Diana wandte der ekelerregenden Szene den Rücken zu und konzentrierte sich auf Artem, der etwas in sein iPhone tippte. „Du brauchst mich?“

Er hob den Blick von seinem Handy. „Ja. Kannst du Mr. Andrade bitte ein Paar Manschettenknöpfen anlegen?“

Verdattert sah sie ihn an. „Äh … ich?“

„Ja, du. Wo liegt dein Problem? Ich dachte, du würdest dich freuen. Bist du nicht erst gerade eben in mein Büro gestürmt und hast von mir verlangt, dir einen anderen Job zu geben?“

Sie schluckte. „Stimmt.“ Sie sehnte sich plötzlich nach der Verlobungsabteilung zurück, aber wenn sie das zugab, würde Artem sie nie ernstnehmen.

Sie nickte steif. „Manschettenknöpfe. Bin schon dabei.“

Irgendwie würde sie das schon hinkriegen. Natürlich würde sie das. Sie war schließlich Diana Drake, verdammt noch mal! Sie war für ihre Furchtlosigkeit bekannt – dafür, vor keinem Hindernis zurückzuschrecken.

Zumindest früher. Heutzutage sah das leider etwas anders aus.

Bring es einfach hinter dich, und danach brauchst du Franco nie wiederzusehen.

Entschlossen straffte sie die Schultern, schnappte sich ein Paar Manschettenknöpfe und tröstete sich damit, dass sie diesen Laden eines Tages leiten würde … oder zumindest nicht mehr ganz unten auf der Hierarchieleiter stehen.

Franco lehnte lässig am Fenster, während die Fotografin ihm das dunkle Haar zauste – angeblich aus Stylinggründen.

„Entschuldigen Sie bitte?“ Diana hielt die Manschettenknöpfe hoch – achtzehnkarätige Knoten aus Weißgold mit schwarzen Diamanten, die mehr wert waren, als die Hälfte der Ringe in diesem Raum. „Hier sind die Knöpfe.“

„Ausgezeichnet“, sagte die Fotografin. „Ich hole rasch die Kamera, und dann kann’s losgehen.“ Sie ließ ein letztes Mal die Hand durch Francos Haar gleiten, bevor sie davonschlenderte.

Sollte Franco auffallen, wie übertrieben sie dabei mit den Hüften wackelte, ließ er sich nichts anmerken. Er musterte Diana. „Sie sollen mich ankleiden?“

„Nein“, platzte sie heraus. Ihr schoss das Blut ins Gesicht. Wieder. „Ich meine, ja“, stammelte sie. „Gewissermaßen.“

Provozierend lächelnd hielt er ihr seine Handgelenke hin.

Sie griff nach einer Manschette. Ihre Demütigung erreichte neue Höhen, als ihr auffiel, dass ihre Hände zitterten.

Wird dieser Tag denn niemals enden?

„Ganz ruhig, mi cielo“, flüsterte er – kaum laut genug, um ihn zu verstehen.

Mi cielo …

Sie wusste, was das hieß, weil er es ihr schon mal zugeflüstert hatte. Damals hatte sie diese Worte gehütet wie einen Schatz. So als hätten sie tatsächlich etwas zu bedeuten gehabt.

Mi cielo. Mein Schatz.

Aber für ihn waren sie völlig bedeutungslos gewesen.

Genauso wie sie selbst.

„Ich gehöre Ihnen nicht, Mr. Andrade, und ich werde Ihnen auch nie gehören.“ Wütend funkelte sie ihn an, bevor sie den zweiten Manschettenknopf etwas zu heftig an seinem Hemdaufschlag fixierte und sein Handgelenk losließ. „So, fertig!“

Warum hatte sie nur das unangenehme Gefühl, dass das nicht stimmte?

2. KAPITEL

Diana Drake konnte sich anscheinend nicht mehr an ihn erinnern. Oder verabscheute sie ihn so sehr, dass sie nur so tat? Franco wusste nicht, was ihm lieber wäre.

Natürlich wäre es wenig schmeichelhaft, wenn sie ihn vergessen hätte. Aber dass man ihn sich leicht merkte, hatte ihm in letzter Zeit nicht gerade Vorteile gebracht, oder? Auch wenn es bis dahin verdammt viel Spaß gemacht hatte.

Leider gehörte Spaß nicht mehr zu seinem Vokabular. Diese Zeiten waren endgültig vorbei. Er hatte einen neuen Lebensabschnitt angefangen, ein neues Kapitel aufgeschlagen oder was für Metaphern es sonst noch gab.

Nicht dass ihm etwas anderes übrigbleiben würde.

Er war nämlich gefeuert worden. Freigesetzt. Rausgeworfen aus dem Kingsmen-Polo-Team. Jack Ellis, der Eigentümer, hatte seine zahlreichen Ultimaten der letzten Jahre endlich wahrgemacht. Was Franco eigentlich nicht hätte überraschen dürfen. Er wusste, wie oft er Ellis’ Toleranz überstrapaziert hatte.

Aber seine außerberuflichen Eskapaden hatten nie seine Fähigkeiten auf dem Spielfeld beeinträchtigt. In den letzten vier Jahren hatte er fast alle seine Rekorde halten können. Er war immer doppelt so gut wie die Nummer zwei gewesen.

Was seine Entlassung umso frustrierender machte, war, dass er diesmal noch nicht mal etwas verbrochen hatte. Er war völlig unschuldig. Zum ersten Mal in seinem Leben hatte er nichts Schlimmes getan.

Was für eine Ironie! Vielleicht würde er sogar darüber lachen, wenn es nicht so frustrierend wäre.

„Mr. Andrade, würden Sie bitte Ihren rechten Unterarm etwas heben?“, flötete die Fotografin. „So etwa.“ Sie zeigte es ihm.

Nur widerstrebend riss Franco den Blick von Diana Drake los. Er hatte sie nicht bewusst beobachtet, aber irgendwie schien sein Blick immer wieder von ganz allein in ihre Richtung zu wandern.

Sie war nicht die schönste Frau, die er je gesehen hatte. Andererseits gab es in seinem Leben so viele schöne Frauen, dass Schönheit für ihn nichts Besonderes war. Nein, die Faszination, die Diana Drake auf ihn ausübte, hatte nichts mit ihrem Aussehen zu tun.

Auch wenn ihr Anblick nicht gerade unangenehm war. Im Gegenteil, Franco sah sie sehr gern an.

Im Moment stand sie an einem Tresen und arrangierte die Manschettenknöpfe neu. War ihr eigentlich bewusst, was für einen tollen Anblick ihrer Rückseite sie ihm damit bot? So konsequent, wie sie ihn ignorierte, bezweifelte er das. Sie setzte sich nicht seinetwegen in Pose wie zum Beispiel die Fotografin. Franco spürte es, wenn eine Frau versuchte, seine Aufmerksamkeit zu erregen, und Diana tat das eindeutig nicht.

Als sie ihn mit einem Blick streifte, fiel ihm wieder ein, was ihn schon damals so an ihr fasziniert hatte.

Ihre Augen …

Bis zu seiner ersten Begegnung mit ihr hatte Franco noch nie solche Augen gesehen – tief violett. Sie leuchteten wie Amethyste. Umrahmt von tiefschwarzen Wimpern bildeten sie einen so starken Kontrast zu ihrer hellen Alabasterhaut, dass er den Blick einfach nicht von ihr losreißen konnte. Noch nicht mal jetzt.

Was problematisch werden konnte.

„Mr. Andrade?“, wiederholte die Fotografin. „Ihr Handgelenk.“

Er korrigierte seine Haltung und zwinkerte der Frau entschuldigend zu. Als sie rot anlief, wusste er, dass sie ihm verziehen hatte.

Wieder wanderte sein Blick Richtung Diana, die nur genervt die Augen verdrehte.

Ja, Probleme vorprogrammiert.

Dabei sollte er zurzeit überhaupt keine Frau ansehen, schon gar nicht eine, die Drake hieß. Er wollte seinen Job zurück, und die Drakes konnten ihm dabei helfen. Diana Drake war daher für ihn tabu.

Nur gut, dass sie sowieso nichts mit ihm zu tun haben wollte. Das war eine richtige Erleichterung.

Franco riss den Blick von Diana Drakes leuchtend violetten Augen los und blickte in die Kamera.

„Wundervoll“, gurrte die Fotografin. „Einfach perfekt.“

Artem Drake neben ihr nickte. „Ja, ganz ausgezeichnet. Aber vielleicht sollten wir das Ganze etwas interessanter gestalten, bevor das Licht verschwindet.“

Die Fotografin sah sich in dem Ausstellungsraum voller Verlobungsringe um. „Und woran dachten Sie? An etwas Romantisches vielleicht?“

Artem zuckte die Achseln. „Romantik ist so abgenutzt. Nein, ich hatte an etwas Ausgefalleneres gedacht.“

Die Fotografin runzelte nachdenklich die Stirn. „Lassen Sie mich mal nachdenken.“

Franco seufzte, als die beiden Ideen auszutauschen begannen. Er hatte gewusst, dass Modeln nicht so aufregend sein würde wie Polo, aber es war noch keine Stunde vergangen, und er war schon jetzt zu Tode gelangweilt.

Er schloss die Augen und versetzte sich an einen anderen Ort. Einen, an dem es nach Heu und Pferden und aufgewühlter Erde duftete. Einen Ort, wo der Boden unter dem Donner von Hufen bebte. Einen Ort, in dem er sich nicht so eingesperrt und rastlos fühlte wie hier.

Sein Anflug von Kopfschmerzen ließ etwas nach. Als er die Augen wieder aufschlug, stand Diana Drake direkt neben ihm.

Franco schenkte ihr sein charmantestes Lächeln. „So sieht man sich wieder.“

Ihre einzige Reaktion war, sich zu verkrampfen, als die Fotografin sie noch ein Stück dichter zu ihm hinschob.

„Okay, drehen Sie sich zu mir. Schnell, bevor die Sonne untergeht“, bellte die Frau und richtete ihre Aufmerksamkeit auf Franco. „Schlingen Sie von hinten die Arme um sie. Ziehen Sie sie an sich, ganz eng. Ja, genau so. Perfekt!“

Diana presste sich gehorsam an ihn, den knackigen Po direkt an seinem Schritt. Hm, allmählich wurde der Job ja doch ganz interessant!

Franco räusperte sich. „Irgendwie peinlich, oder?“, flüsterte er in Dianas volles dunkles Haar, wobei er zu ignorieren versuchte, wie weich es sich an seiner Wange anfühlte. Oder dass ihr blumiger Duft ihn an die wilden gelben Orchideen in Argentinien erinnerte.

„Peinlich?“ Diana wandte ihm kurz das Gesicht zu. „So etwas bist du doch gewohnt.“

Er festigte den Griff um ihre Taille. „Und ich dachte schon, du erinnerst dich nicht mehr an mich.“

„Du bist unmöglich!“, zischte sie.

„Das hast du letztes Mal nicht gesagt, als wir in dieser Stellung waren.“

„Oh mein Gott, das hast du nicht gerade gesagt!“ Das hier war die Diana Drake, die Franco kannte. Feurig. Frech.

„Sehr schön.“ Artem kam nickend auf sie zu. „Ihr seht beide ganz toll vor dem Sonnenuntergang aus. So intim.“

Diana schüttelte den Kopf. „Du spinnst, Artem!“

„Das ist mein Ernst.“ Er hob eine glitzernde Diamant-Saphirkette mit einem Stein hoch, der so groß wie ein Poloball war. „Hier, leg sie an, Diana.“

Sie verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich habe doch gar nichts hiermit zu tun!“

„Das wird nur ein Foto von Hunderten. Wir werden es wahrscheinlich gar nicht benutzen. Die Kampagne ist für Manschettenknöpfe, schon vergessen? Tu mir den Gefallen, Schwesterherz. Leg sie an.“ Er hob eine Augenbraue. „Außerdem wolltest du hier doch neue Aufgabenfelder erkunden, oder?“

Sie riss ihm die Kette aus der Hand. „Also schön.“

Aufgabenfelder?

„Du arbeitest doch nicht etwa hier, oder?“, murmelte Franco so leise, dass nur sie ihn verstehen konnte. Klar, ihr Nachname war Drake. Aber warum um alles in der Welt sollte sie eine internationale Reitkarriere aufgeben, um Diamanten zu verkaufen?

„Ehrlich gesagt, ja“, antwortete sie spitz.

„Warum? Wenn meine Erinnerung mich nicht trügt, gehörst du auf das Siegertreppchen. Nicht hierhin.“

„Warum interessiert dich das überhaupt?“, stieß sie durch zusammengebissene Zähne hervor, während die Fotografin drauflosknipste.

Gute Frage. „Es interessiert mich nicht im Geringsten.“

„Gut.“

Nicht gut. Es interessierte ihn nämlich doch, verdammt noch mal. Ach wenn es ihn absolut nichts anging.

Er würde seinen linken Arm hergeben, um jetzt auf ein Pferd steigen zu können, und Diana Drake arbeitete freiwillig als Verkäuferin, anstatt sich auf die Olympiade vorzubereiten? Was dachte sie sich nur dabei? „Ich finde, dass du damit nur dein Talent verschwendest. Das Reiten muss dir doch fehlen, oder nicht?“

Ihre Hände zitterten so heftig, dass ihr die Kette beim Anlegen fast in ihren Ausschnitt gerutscht wäre.

Franco hielt ihre Hände fest. „Warte, ich helfe dir.“

„Ich schaff das auch allein!“

Franco seufzte resigniert. „Hör mal, je schneller dieses Foto fertig wird, desto schneller haben wir es hinter uns.“

Als er den Kopf senkte, um den Verschluss der Kette besser zu erkennen, berührte er mit den Lippen fast ihren elegant geschwungenen Nacken. Wieder wandte sie ihm kurz das Gesicht zu, wobei sie den Blick für den Bruchteil einer Sekunde zu seinen Lippen senkte. Franco hätte schwören können, dass ihr ein zittriger Seufzer entschlüpfte.

Ihre Reaktion war beunruhigend erregend, aber das hing bestimmt nur mit seiner neuen Enthaltsamkeit zusammen.

Enthaltsam zu leben, war herausfordernder als gedacht, aber das war okay so. Franco war noch nie vor Herausforderungen zurückgeschreckt. Im Gegenteil, Hindernisse stachelten ihn immer zu Höchstleistungen an. Je stärker sein Gegner, desto besser spielte er.

„Sie beide sehen absolut atemberaubend aus“, sagte die Fotografin. „Diana, knöpfen Sie den Kragen Ihrer Bluse etwas auf, damit wir den Saphir besser erkennen können.“

Als Diana gehorchte, war Franco für einen Moment wie hypnotisiert von dem Anblick ihres zarten Schlüsselbeins. Sie hatte wirklich schöne Haut, hell und glatt. Der leuchtend blaue Saphir hob sich toll davon ab.

„Okay, ich glaube, jetzt haben wir alles im Kasten.“ Die Fotografin senkte zufrieden die Kamera.

„Wir sind fertig?“, fragte Diana überrascht.

„Ja, alles erledigt.“

„Super.“ Diana eilte davon, ohne auch nur einen Blick zurückzuwerfen.

„Hast du nicht etwas vergessen, mi cielo?“, rief Franco hinter ihr her.

Sie war ganz rot im Gesicht, als sie sich zu ihm umdrehte. „Was denn?“

Er hob seine Handgelenke. „Die Manschettenknöpfe.“

„Ach ja, stimmt. Danke.“ Sie kam zurück und löste die Knöpfe. „Auf Wiedersehen, Mr. Andrade.“ Sie straffte die Schultern und stolzierte wieder davon. Ganz kühl und geschäftsmäßig.

Doch Franco konnte sie nichts vormachen. Ihre Finger hatten ihr kaum gehorcht, als sie die Manschettenknöpfe gelöst hatte. Sie hatte von Kopf bis Fuß gezittert.

Er fand das äußerst bemerkenswert. Sie war für ihn nämlich auch deshalb so unvergesslich, weil er noch nie jemandem begegnet war, der so viel Furchtlosigkeit und Selbstsicherheit ausgestrahlt hatte wie sie. Sie war nicht umsonst eine so ausgezeichnete Reiterin.

Und so eine Eigenschaft war naturgegeben. Angeboren. So wie die Körpergröße. Oder der Klang einer Stimme.

Oder eine violette Augenfarbe.

Aber anscheinend konnten Menschen sich ändern. So etwas kam vor.

Warum also nicht auch bei ihm?

Diana war mal wieder zu spät dran.

Seit dem demütigenden Fotoshooting hasste sie den Ausstellungsraum im neunten Stock mehr denn je zuvor. Jedes Mal, wenn sie an einer der Schmuckvitrinen stand, rechnete sie halb und halb damit, Franco Andrade mit einem wissenden Blick und einem selbstgefälligen Lächeln auf den Lippen auf sie zu schlendern zu sehen. Was natürlich absolut lächerlich war. Er hatte keinen Grund, in den Laden zurückzukehren. Das Shooting war vorbei. Erledigt.

Gott sei Dank!

Trotzdem musste sie immer wieder daran denken, wie er die Kette um ihren Hals befestigt hatte … spürte wieder seine Fingerspitzen auf ihrem Schlüsselbein, die prickelnde Wärme seines Atems auf ihrer Haut.

Es war schon lange her, dass Diana so viel körperliche Nähe erlebt hatte. Sehr lange. Dabei war das Foto mit ihm nur gestellt gewesen. Sie hatten posiert, weiter nichts. So getan als ob. Leider hatte ihr Körper das anscheinend anders gesehen. Er hatte an die schöne Lüge glauben wollen. Und war gründlich darauf reingefallen.

So wie sie in jener Nacht, als sie mit Franco geschlafen hatte.

Wie demütigend, auch nach so langer Zeit noch körperlich auf ihn zu reagieren! Sie war förmlich in seinen Armen dahingeschmolzen, und das ausgerechnet beim König der One-Night-Stands.

Doch das Schlimmste war, dass er ihr das bestimmt angemerkt hatte. Vermutlich hatte es ihn mit tiefer Genugtuung erfüllt. Jede demütigende Sekunde davon.

Denk einfach nicht mehr dran. Es ist vorbei. Außerdem ist gar nichts passiert.

Doch sie bekam das Shooting einfach nicht aus dem Kopf. Womit sie dem Zwischenfall einen Stellenwert gab, den er definitiv nicht hatte.

Schluss damit! Sie hatte größere Probleme, als sich vor diesem Polo spielenden Casanova lächerlich gemacht zu haben. Es war schließlich nicht das erste Mal gewesen. Wenigstens hatte sie diesmal ihre Kleidungsstücke anbehalten.

Sie hielt sich an der Stange über ihrem Kopf fest, als die U-Bahn ruckartig hielt. Die Bahn war heute Morgen so überfüllt, dass sie sich mühsam durch die Pendler hindurch zur Tür schieben musste.

Erst zu spät merkte sie, dass sie an der falschen Station ausgestiegen war.

Na toll! Einfach super. Sie war so in ihre Erinnerungen an Franco Andrade versunken gewesen, dass sie ausgerechnet an New Yorks überfülltestem Platz ausgestiegen war: dem Times Square.

Sie schlang sich den Riemen ihrer Umhängetasche über eine Schulter und stieg die Treppe hoch. Da sie jetzt sowieso nicht mehr rechtzeitig zur Arbeit kommen würde, konnte sie den Rest des Wegs genauso gut zu Fuß gehen. Der Spaziergang würde ihr guttun. Vielleicht würde sie davon einen klaren Kopf bekommen und konnte Franco ein für alle Mal aus ihrem Gedächtnis streichen.

Es war zumindest einen Versuch wert.

Als Diana die frische Frühlingsluft einatmete, fiel ihr ein, wie gern sie um diese Jahreszeit immer geritten war. Kein eisiger Wind mehr im Gesicht. Kein Bodenfrost. Und in der Frühlingssonne leuchtete das schwarze Fell ihres Pferdes immer wie schwarze Diamanten …

Diana bekam einen Kloß im Hals. Schluckend verbannte sie die Erinnerungen in die hinterste Ecke ihres Gehirns – da, wo sie hingehörten. Nicht weinen. Bloß nicht weinen. Wenn sie erst mal damit anfing, konnte sie bestimmt nicht wieder aufhören. Und auf keinen Fall wollte sie zu den mitleiderregenden Frauen gehören, die auf offener Straße in Tränen ausbrachen.

Stattdessen konzentrierte sie sich auf die Menschen um sie herum, auf ihre Außenwelt. Das tat sie immer, wenn die Erinnerungen an den Unfall zu schlimm wurden. Bei Drake Diamonds hatte sie einmal ganze zehn Minuten einen Verlobungsring im Art-Deco-Stil angestarrt, bis ihre Panik nachgelassen hatte. Sie hatte jeden winzigen Pavé-Diamanten gezählt, jede Platinschlinge um den Stein in der Mitte.

Im Krankenhaus hatte der Arzt ihr gesagt, dass sie sich vielleicht nicht an alles würde erinnern können, was vor dem Sturz passiert war. Dass die meisten Menschen mit Kopfverletzungen unter dieser Art Gedächtnisverlust litten.

Die Glücklichen!

Diana erinnerte sich nämlich an alles. Was würde sie nicht dafür geben zu vergessen.

Tief ein- und ausatmen. Sieh dich bewusst um.

Die Straßen waren voller Fußgänger. Seltsamerweise hatte Diana den Eindruck, dass einige der Passanten sie neugierig musterten. Ein paar nickten ihr sogar freundlich zu.

Was war hier los?

Auf Reitturnieren war sie daran gewöhnt, erkannt zu werden. Dort war sie so bekannt gewesen wie ein bunter Hund. Doch hier waren nicht die Hamptons oder Connecticut. Das hier war Manhattan. Hier dürfte sie eigentlich nicht auffallen. Das gefiel ihr ja so gut an dieser Stadt – dass man einfach in der Menge verschwinden könnte.

Ja, ihr gefiel dieses neue anonyme Leben. Zumindest war das so gewesen, bis Franco Andrade bei Drake Diamonds aufgetaucht war. Denn kaum hatte sie ihn wiedergesehen, hatte die Vergangenheit sie wieder eingeholt.

Und das gefiel ihr gar nicht. Vor Francos Auftauchen war es ihr hervorragend gelungen, damals und heute voneinander zu trennen. Sie hatte jetzt einen neuen Job und verbrachte ihre Abende in Daltons Wohnung mit fernsehen, bis sie einschlief. Sie lebte einen Tag nach dem anderen, ohne viel darüber nachzugrübeln, was sie verloren hatte.

Doch seit ihrer Wiederbegegnung mit Franco war es mit ihrem Seelenfrieden vorbei. Er hatte sie so wissend angesehen, dass sie sich sofort entblößt gefühlt hatte. Verletzlich.

Aber so war es schon damals gewesen. Irgendwie vermittelte er ihr immer das Gefühl, sie zu durchschauen. Sie zu kennen. Genau deshalb hatte sie damals ja den Fehler gemacht, mit ihm ins Bett zu gehen.

Entschlossen straffte sie die Schultern und marschierte den Bürgersteig entlang. Sie würde nicht zulassen, dass ein paar Minuten mit Franco ihren Neuanfang ruinierten. Der Mann war ihr völlig egal. Sie bildete sich seine wissenden Blicke wahrscheinlich sowieso nur ein. Vermutlich sah er alle Frauen so an. Genau deshalb lagen ihm ja alle zu Füßen.

Es war geradezu ekelhaft! Sie würde keine Sekunde mehr damit verschwenden, an den Kerl zu denken.

Sie bemerkte, dass sie vor einem Starbucks stand. Gut, sie konnte jetzt dringend einen Kaffee gebrauchen.

Kaum hatte sie sich in der Schlange angestellt, grinste sie ein Mann am anderen Ende des Raums breit an. Verwirrt sah Diana sich um, ob jemand hinter ihr stand. Seine Frau vielleicht. Oder einen Freund.

Aber da war niemand.

Sie drehte sich wieder um. Der Mann zwinkerte ihr zu und hob seinen Pappbecher, als wolle er ihr zuprosten, bevor er den Laden verließ.

Diana runzelte irritiert die Stirn. Schräg. Vielleicht hatte der Typ sie mit jemandem verwechselt. Oder er war geistig verwirrt.

Obwohl er eigentlich völlig normal ausgesehen hatte.

„Kann ich Ihnen helfen?“, fragte der Barista hinterm Tresen, während er etwas in die Kasse eintippte.

„Ja bitte. Ich hätte gern einen …“

Der junge Mann hob den Blick. Sofort breitete sich ein Lächeln über sein Gesicht. „Ach, hey! Sie sind das Mädchen.“

Das Mädchen?

Diana schüttelte den Kopf. „Äh, ich glaube nicht.“

Warum sagte sie das eigentlich? Sie hatte schließlich keine Ahnung, wovon er sprach. Aber sie wusste, dass sie den Typen noch nie gesehen hatte.

War ihr Unfall etwa auf Youtube oder so gepostet worden?

Oh nein. Alles, nur das nicht!

„Doch, Sie sind es.“ Der junge Mann wandte sich an die Frau hinter Diana. „Sie erkennen sie doch auch, oder?“

„Natürlich.“ Die Unbekannte musterte Diana von Kopf bis Fuß. „Sie ist es. Eindeutig.“

Für den Bruchteil einer Sekunde war Diana fast erleichtert. Dann verlor sie also doch nicht den Verstand. Die Passanten vorhin hatten sie wirklich angestarrt.

Doch ihre Erleichterung war nur von kurzer Dauer. Sie hatte nämlich immer noch keinen blassen Schimmer, wovon die anderen redeten.

„Können Sie mir nicht endlich sagen, was hier los ist? Welches Mädchen soll ich sein?“

Die Frau und der Typ hinterm Tresen wechselten einen verdutzten Blick. „Na ja, das Mädchen von der Werbetafel“, erklärte die Frau.

Diana blinzelte schockiert.

Das Mädchen von der Werbetafel?

Das hatte doch wohl nicht etwa mit den Fotos mit Franco zu tun, oder? Nein, das konnte nicht sein. Artem war ihr Bruder. Er würde nicht einfach ohne ihre Erlaubnis ein Foto von ihr für Werbungszwecke verwenden.

Oder?

Beunruhigt sah Diana zwischen der Frau und dem Barista hin und her. „Welche Werbetafel?“

„Sie hängt gleich da draußen gegenüber der Tür. Sie können sie gar nicht übersehen.“ Der Barista hob eine Augenbraue. „Wollen Sie jetzt etwas bestellen oder nicht? Sie halten nämlich den ganzen Betrieb auf.“

„Nein danke.“ Diana war die Lust auf Milchkaffee gründlich vergangen.

Sie verließ ihren Platz in der Schlange und ging zur Tür. Bevor sie sie öffnete, zögerte sie einen Moment – in der naiven Hoffnung, dass das alles nur ein großes Missverständnis war. Vielleicht war das Foto ja gar nicht von ihr und Franco. Vielleicht war es noch nicht mal Drake-Diamond-Werbung, sondern die irgendeiner anderen Firma. Mit einem Model, das zufällig wie sie aussah.

Das wäre doch immerhin möglich, oder?

Doch tief im Innern wusste sie, dass ihre Hoffnung vergebens war. Und dass sie das ganz allein sich selbst zuzuschreiben hatte.

Sie war diejenige, die in Artems Büro gestürmt war und ihn um eine neue Aufgabe gebeten hatte. Sie hatte ihn förmlich auf Knien angefleht. Ihr war nur nicht bewusst gewesen, dass es zu ihrer neuen Aufgabe gehörte, zusammen mit Franco Andrade auf einer Werbetafel mitten auf dem Times Square abgebildet zu werden.

Sie holte tief Luft und fasste sich ein Herz. Es war schließlich nur ein Foto. Sie und Franco waren einfach nur zusammen auf einer Werbetafel zu sehen. Die meisten Leute, die daran vorbeikamen, schenkten ihnen wahrscheinlich gar keine Beachtung. Morgen würde sich kein Schwein mehr dafür interessieren. Sie regte sich völlig umsonst auf.

So schlimm kann es doch nicht sein, oder?

Sie öffnete die Tür, blickte hoch und … Doch, es war schlimm. Richtig schlimm.

Genau gegenüber vom Times Tower prangte ein Foto von ihr und Franco, auf dem er sie von hinten umarmte. Die Saphirkette hing von seinen Fingerspitzen, aber es sah nicht so aus, als würde er ihr dabei helfen, die Kette anzulegen. Nein, man bekam eher den Eindruck, als hätte er sie ihr gerade abgenommen.

Dass er keine Fliege trug und sein Hemdkragen offenstand, war auch nicht gerade hilfreich. Genauso wenig ihre geröteten Wangen und leicht geöffneten Lippen.

Das hier war keine Werbung für Manschettenknöpfe. Es war eine Anzeige für Sex. Das Paar auf dem Foto sah aus, als sei es kurz davor, miteinander zu schlafen.

Und dieses Paar bestand aus ihr und Franco Andrade.

Oh Gott, was habe ich nur getan?!

3. KAPITEL

Es fiel Franco verdammt schwer, Artem Drake nicht zusammenzuschlagen.

„Mit so etwas habe ich mich nie einverstanden erklärt!“ Er warf eine Zeitschrift auf Artems Schreibtisch. „Manschettenknöpfe verkaufen, ja. Sex, nein.“

Artem hatte zumindest den Anstand, bei der Erwähnung des Wortes „Sex“ zusammenzuzucken, aber vermutlich nur, weil es um seine Schwester ging. Schließlich war sie diejenige, die Franco auf dem Titelbild jedes Klatschblatts der westlichen Halbkugel verführte.

„Mr. Andrade, bitte beruhigen Sie sich. Die neue Kampagne hat gerade erst begonnen und ist schon jetzt ein Riesenerfolg. Ich habe Sie über Nacht berühmt gemacht. Ihr Name ist jetzt eine Marke. Jetzt wissen auch Menschen, die noch nie in ihrem Leben ein Polospiel gesehen haben, wer Sie sind. Und genau das wollten Sie doch erreichen, oder?“

Ja.

Und nein.

Er hatte einfach nur Jack Ellis’ Aufmerksamkeit erregen wollen. Allerdings nicht so.

Doch das konnte er Artem Drake nicht erklären. Sein neuer „Arbeitgeber“ wusste bisher nicht, dass Franco aus dem Team geflogen war, und wenn es nach Franco ging, würde das auch so bleiben. Er wollte nämlich noch vor dem ersten Spiel der Saison wieder in Bridgehampton sein.

Zumindest war das der Plan gewesen.

Frustriert musterte er den Stapel Illustrierter auf Artems Schreibtisch. Die letzten enthaltsamen Wochen hätte er sich anscheinend sparen können. Seine Chance, wieder zu seinem alten Leben zurückzukehren, war mit einem Schlag zunichtegemacht worden.

„Es kann Sie doch wohl kaum erfreuen, dass jeder in dieser Stadt glaubt, ich würde mit Ihrer Schwester schlafen!“

Artems presste die Lippen zusammen. „Sie ist eine erwachsene Frau, kein Kind.“

„Ist mir schon aufgefallen.“ Es war unmöglich, das zu übersehen.

Diana hatte sich in den letzten drei Jahren sehr verändert. Sie war noch jung gewesen, als sie Francos Bett geteilt hatte. Jung und naiv. Herrlich naiv. Hätte er damals gewusst, wie unschuldig sie gewesen war, hätte er sie nie angerührt.

Aber das war jetzt alles Schnee von gestern.

Genauso wie Francos Karriere.

„Außerdem ist das hier …“, Artem zeigte wieder auf die Illustrierten, „… nur fake. Eine bloße Illusion. Wenn auch eine, die uns gewisse Vorteile verschafft.“

Der Typ war unglaublich. Aber wahrscheinlich wusste er nicht, was vor drei Jahren zwischen Franco und Diana gelaufen war. Was unter den gegebenen Umständen vermutlich auch besser so war.

„Inwiefern?“, stieß Franco hervor.

Artem zuckte die Achseln. „Ich kann Ihre Verärgerung wegen der Presse verstehen. Aber es gibt immer die Option, das Medieninteresse zu seinem Vorteil zu nutzen. Es ist uns immerhin gelungen, die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit zu erregen. Der nächste Schritt ist, sie zu halten.“

Was Franco hörte, gefiel ihm immer weniger. „Und was genau stellen Sie sich vor?“

„Lassen Sie sich in der Öffentlichkeit blicken, auf sämtlichen Society-Events – Galas, Cocktailpartys, Wohltätigkeitsveranstaltungen und so weiter. Lächeln Sie in die Kameras.“ Sein Blick wanderte zu Francos und Dianas Foto. „Zusammen mit meiner Schwester natürlich.“

„Noch mal von vorne: Sie wollen mich dafür bezahlen, in der Öffentlichkeit mit Diana als Paar aufzutreten?“ Nie im Leben! Er war Sportler, kein Gigolo!

„Ganz und gar nicht. Ich will Sie dafür bezahlen, in der Öffentlichkeit Drake-Schmuck zu tragen. Und wenn die Leute ganz nebenbei denken, Sie und Diana seien ein Paar – umso besser.“

Franco sah Artem aus schmalen Augen an. „Sie wissen genau, dass die Leute das denken werden.“

Artem zuckte wieder die Achseln. „Hören Sie, ich habe den Medienrummel nicht geplant, aber es wäre dumm, ihn nicht zu nutzen. Und soweit ich weiß, könnte es Ihrem Ruf nicht schaden, ausnahmsweise mal eine monogame Beziehung zu pflegen.“

Aha! Jetzt hatte Artem die Katze aus dem Sack gelassen.

Franco stieß einen Fluch aus. „Und wie lange soll diese Farce gehen?“ Er wusste nicht, warum er das überhaupt fragte. Das Ganze war komplett absurd … obwohl es vermutlich Schlimmeres gab, als Zeit mit Diana Drake zu verbringen.

Vergiss es!

„Drei Wochen“, antwortete Artem aalglatt.

„In drei Wochen und einem Tag danach beginnt die Polosaison in Bridgehampton. Die Kingsmen gehen gleich nach Saisonbeginn auf Tournee.“

„Ganz genau. Und Sie werden dabei sein. Vorausgesetzt natürlich, Sie sind dann wieder im Team.“ Artem zuckte die Achseln. „Und das wollen Sie doch, oder?“

Franco fragte sich, woher Artem das alles wusste. Er hatte nicht damit gerechnet, dass sich sein Rauswurf auch außerhalb der Poloszene rumsprechen würde. Irgendwie machte es das nur reeller. Und unwiderruflicher.

Und das war inakzeptabel.

„Natürlich will ich das.“

„Gut. Dann lassen Sie uns bei der Wiederherstellung ihres Rufes helfen.“ Artem sagte das mit solcher Selbstverständlichkeit, als sei das kein Problem.

Vielleicht ist es ja auch keins.

„Ich verstehe nicht. Was hätten Sie von diesem Arrangement? Sind Sie wirklich so dringend darauf angewiesen, Manschettenknöpfe zu verkaufen?“

„Nein. Hier geht es um mehr als nur Manschettenknöpfe.“ Artem durchsuchte die Zeitungsstapel auf seinem Schreibtisch nach einer sorgfältig zusammengefalteten Ausgabe der New York Times. „Viel mehr.“ Er schob Franco die Zeitung über den Schreibtisch hin.

Franco brauchte nicht lange, um die entsprechende Schlagzeile zu finden: Juwelier für den größten ungeschliffenen Diamanten der Welt gesucht.

Er hob den Blick zu Artem. „Lassen Sie mich raten. Drake Diamonds will diesen Diamanten schleifen?“

„Selbstverständlich wollen wir das. Der Stein hat über tausend Karat. Er ist praktisch so groß wie ein Baseball. Jeder Juwelier in Manhattan will ihn in die Hände kriegen. Sobald er geschliffen und gefasst ist, wird er nämlich bei einer Gala im Metropolitan Museum of Art enthüllt werden, gefolgt von einer öffentlichen Ausstellung natürlich.“

Franco zählte eins und eins zusammen. „Findet diese Gala zufällig in genau drei Wochen statt?“

„Bingo.“ Artem beugte sich in seinem Stuhl vor. „Es wäre das perfekte Arrangement. Sie und Diana sorgen dafür, dass Drake Diamonds auf der Titelseite jeder New Yorker Zeitung bleibt. Die Besitzer des Diamanten werden so mit unserem Namen bombardiert werden, dass sie gar keine andere Wahl haben, als uns den Auftrag zu geben.“

„Ich verstehe.“ Das klang sogar überzeugend. Irgendwie.

„Wenn Sie und Diana dann zur Diamantengala des Museums gehen“, fuhr Artem fort, „werden Sie schon fast einen Monat lang zusammen sein. Monogam. Respektabel. Und je berühmter Sie sind, desto mehr Menschen wollen Sie spielen sehen. Die Leute werden für Karten praktisch Schlange stehen, und dann werden die Kingsmen Ihnen verzeihen, was auch immer Sie angestellt haben.“ Artem hob fragend eine Augenbraue. „Was genau haben Sie eigentlich angestellt? Sie sind der beste Spieler im Team, also kann es nichts mit Ihrer Leistung zu tun haben.“

Franco zuckte die Achseln. „Nichts.“

Er hatte sich tatsächlich nichts zuschulden kommen lassen, aber er hatte auch nichts richtiggestellt. Was seine bewusste Entscheidung gewesen war. Er hatte getan, was getan werden musste und bereute es keine Sekunde.

Artem musterte ihn aus schmalen Augen. „Na schön, Sie brauchen es mir nicht zu sagen. Von jetzt an sind Sie sowieso ein bekehrter Mann. Und nur darauf kommt es an.“

Franco nickte. Er dachte ja wohl nicht allen Ernstes daran, dieses Arrangement zu akzeptieren, oder? Es war erniedrigend. Für ihn genauso wie für Diana.

Diana Drake …

Er bekam ihre atemlose Stimme einfach nicht mehr aus dem Ohr. So etwas bist du doch gewohnt.

Nie im Leben würde sie bei dieser Scharade mitmachen, dafür war sie viel zu stolz. Andererseits … was wusste er schon über sie?

Er räusperte sich. „Und was passiert danach?“

„Danach?“

Franco nickte. „Ja. Nach der Gala.“

Artem lächelte. „Ich nehme an, Sie reiten mit Ihrem Team in den Sonnenuntergang und machen jede Menge Punkte. Sie verhalten sich weiterhin professionell, und irgendwann teilen Sie und Diana der Presse diskret mit, dass sie sich getrennt haben.“

Damit würden sie nie davonkommen. Diana hatte Franco in den letzten drei Jahren keines Blickes gewürdigt. Kein Mensch würde ihnen abnehmen, dass sie ein Paar waren.

Wieder fiel Francos Blick auf die Magazine auf Artems Schreibtisch. Die Leute glaubten es jetzt schon.

„Wir werden Sie für jeden Auftritt in der Öffentlichkeit wie für ein Fotoshooting bezahlen. Heute Abend geht es los.“

„Heute Abend?!“

Artem nickte. „Das Tierheim hat seinen jährlichen Fur Ball im Waldorf Astoria. Sie und Diana werden sich aufbrezeln und mit ein paar Hunden und Katzen schmusen. Sämtliche Reporter der Stadt werden dort versammelt sein.“

Der Pelzball also. Wie putzig. Geradezu ekelerregend niedlich.

Artem stand auf. „Ich gehe davon aus, dass wir uns einig sind?“

Franco erhob sich ebenfalls, ignorierte Artems ausgestreckte Hand jedoch vorerst. „Sie haben anscheinend etwas vergessen.“

„Was denn?“

Nicht was. Wen. „Diana. Sie wird nicht einverstanden sein.“

„Wie kommen Sie darauf?“

Franco sah plötzlich wieder ihre tränennassen violetten Augen vor sich … unmittelbar bevor sie ihn geohrfeigt hatte. „Glauben Sie mir. Ich weiß es.“

„Der Chauffeur wird Sie um acht abholen. Ich kümmere mich in der Zwischenzeit um Diana.“

Als Artem ihm wieder seine Hand hinhielt, schüttelte Franco sie.

Diana rief Artem auf dem Weg zur Arbeit immer wieder an, doch seine Sekretärin, Mrs. Barnes, weigerte sich, sie durchzustellen, weil er angeblich ein wichtiges Geschäftsmeeting hatte. Was Diana noch wütender machte. Falls das überhaupt möglich war.

Eine Werbetafel! Am Times Square!!

Am liebsten wäre sie vor Scham gestorben.

Beruhige dich. Atme erst mal tief durch. Die Leute werden dich morgen oder übermorgen schon vergessen haben. Im Grunde ist das alles nicht der Rede wert.

Aber es hatte keinen Zweck, sich etwas vorzumachen. Es war der Rede wert. Buchstäblich. Die ganze Stadt schien kein anderes Gesprächsthema mehr zu haben als dieses Riesending in Technicolor!

Artem musste die Tafel sofort entfernen lassen! Sie hatte schließlich keinen Modelvertrag unterschrieben. Dass sie eine Drake war, hieß noch lange nicht, dass die Firma die Rechte auf ihre Fotos hatte.

Oder doch? Drake Diamonds hatte sie immer gesponsert. Vielleicht gehörte sie der Firma ja doch.

Himmel, warum war sie nicht aufs College gegangen? Dann wäre das alles nie passiert!

Heftig stieß sie die Drehtür von Drake Diamonds auf. Wichtiges Meeting hin oder her – Artem würde sie empfangen, ob er wollte oder nicht. Und wenn sie die Tür seines Drake-blauen Büros eintreten musste!

„Hoppla!“ Die Tür drehte sich so schnell, dass sie Diana einem nichts ahnenden Kunden in die Arme schubste. Er hielt sie an den Schultern fest. „Immer hübsch langsam, Wildfire.“

„Sorry. Ich habe nur …“ Blinzelnd hob sie das Gesicht und fand sich von Angesicht zu Angesicht mit dem Reklamehelden höchstpersönlich wieder. Franco. „Oh. Du bist es!“

Was wollte er hier? Warum hielt er sie an den Schultern fest? Und warum gab er ihr diesen lächerlichen Spitznamen?

Wildfire …

Sie hatte den Song geliebt, als sie klein gewesen war. Und jetzt hatte Franco den Song ein für alle Mal für sie ruiniert!

„Dir auch einen guten Morgen, Diana.“ Er zwinkerte anzüglich. Vermutlich war er der einzige Mann auf der Welt, bei dem eine so schmierige Geste charmant war.

Sie riss sich von ihm los. „Was willst du hier?“

Er zupfte seine Manschetten zurecht. „Stört es dich etwa, dass ich das neue Aushängeschild von Drake Diamonds bin?“

„Nein, nichts könnte mir gleichgültiger sein. Was mir jedoch etwas ausmacht, ist, dass ich das neue Aushängeschild von Drake Diamonds bin!“ Ein paar Kunden mit kleinen blauen Tüten drehten sich nach ihnen um und starrten sie an.

Franco beugte sich ein Stück vor. „Du solltest etwas leiser reden.“

„Mir doch egal, wer mich hört!“ Ihr war bewusst, dass sie sich total albern benahm, aber sie konnte gerade nicht anders. Außerdem hatte sie nicht die Absicht, sich ausgerechnet von Franco sagen lassen, wie sie sich zu benehmen hatte.

„Aber deinem Bruder nicht.“

„Wovon redest du überhaupt?“ Erst jetzt zählte sie eins und eins zusammen. Spät, aber doch. „Moment mal … warst du etwa gerade oben bei Artem?“

Franco nickte. Er sah fast zerknirscht aus.

„Dann hat seine Sekretärin mich also deinetwegen nicht durchgestellt?“

„Kann schon sein“, sagte er schuldbewusst lächelnd.

Wütend funkelte sie ihn an. „Und worum ging es bei diesem dringenden Tête-à-tête?“

Warum stellte sie ihm eigentlich all diese Fragen? Ihr doch egal, was er und Artem zu besprechen hatten … Aber so wie Franco sie gerade ansah, sollte es ihr vielleicht nicht egal sein.

Er hob eine Augenbraue. „Ich glaube, das solltest du besser mit Artem besprechen.“

Diana schluckte. Irgendetwas stimmte hier nicht, das spürte sie genau. Und zwar gewaltig. „Na schön. Aber um eins klarzustellen: Ich rede nur mit ihm, weil ich es will. Und weil er mein Bruder ist und gewissermaßen mein Chef. Nicht, weil du es mir sagst.“

„Schon klar.“ Er unterdrückte ein Lächeln.

Trotzig hob sie das Kinn. „Auf Wiedersehen, Franco.“

Doch aus irgendeinem Grund wollten ihre Füße sich nicht bewegen. Sie stand einfach da und sah ihm ins widerlich attraktive Gesicht.

„Bis heute Abend, Wildfire.“ Wissend lächelte er ihr zu, bevor er durch die Drehtür verschwand und sie ihm fassungslos hinterherstarrte.

Heute Abend?!

Oh ja, sie musste dringend mit Artem reden. Und zwar sofort!

Sie ignorierte den Fahrstuhl und rannte zwei Stufen auf einmal nehmend die Treppen zum neunten Stockwerk hoch, wo ihr Bruder hinter seinem Schreibtisch saß, als sei ein total normaler Tag. Kein Tag, an dem Franco Andrade vorhatte, sie abends zu sehen.

„Hallo, Schwesterherz.“ Artem blickte hoch und musterte sie stirnrunzelnd. „Bist du gerade einen Marathon gelaufen?“

„Ich bin nur ein paar Meilen zu Fuß gegangen und dann die Treppen hochgesprintet“, sagte sie atemlos. Zu ihrem Ärger taten ihr die Beine weh. Das bisschen Bewegung dürfte sie eigentlich nicht überanstrengen. Schließlich war sie Elitesportlerin.

Oder zumindest früher mal gewesen.

Er zeigte auf den Sessel ihm gegenüber. „Setz dich. Ich wollte sowieso mit dir reden.“

„Hab ich schon gehört.“ Sie wollte sich nicht setzen. Sie wollte stehenbleiben und ihn anbrüllen, aber das würde ihr auch nicht weiterhelfen. Außerdem war sie plötzlich total erschöpft. Wortwechsel mit Franco strengten sie immer an. „Apropos – was wollte Franco Andrade hier?“

Artem verschränkte die Hände auf den Tisch und lenkte Dianas Aufmerksamkeit auf den großen Stapel Magazine neben ihm. „Also, was das angeht …“

„Ist das etwa mein Foto auf der Titelseite der New York Daily News?“, fiel Diana ihm entsetzt ins Wort. Sie hätte nicht gedacht, dass der Tag noch schlimmer werden konnte.

Und die Tiefschläge nahmen kein Ende. Während sie den Stapel durchsah – jedes Magazin berichtete über ihre „stürmische Affäre“ mit dem „heißen Bad Boy des Polosports“ – erläuterte Artem ihr seine absurde Idee für eine Werbekampagne. Eine, die eher wie eine Folge von The Bachelor klang als wie eine solide Geschäftsidee.

„Nein danke.“ Diana legte die Ausgabe von Page Six mit dem Titelbild nach unten, um sich den Anblick des Fotos von sich zusammen mit Franco zu ersparen.

Artem runzelte die Stirn. „Nein danke? Was soll das heißen?“

„Das heißt Nein. Ich verzichte.“ Was war daran nicht zu verstehen? Klarer konnte sie sich beim besten Willen nicht ausdrücken. „Nein. N-e-i-n.“

„Anscheinend verstehst du nicht. Wir reden von dem größten ungeschliffenen Diamanten der Welt. Hast du eine Ahnung, was der Auftrag für Drake Diamonds bedeuten würde?“

Diana hatte nicht die Absicht, sich einschüchtern zu lassen. „Ja. Ich weiß, was das bedeutet, aber wir müssen uns eben etwas anderes einfallen lassen.“ Vorzugsweise etwas, das in keiner Hinsicht, Form oder Farbe mit Franco Andrade zu tun hat.

„Und was schlägst du stattdessen vor?“ Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich bin ganz Ohr.“

Was? Sie sollte jetzt einen Vorschlag machen?

Diana räusperte sich. „Darüber muss ich natürlich erst nachdenken. Aber mir fällt bestimmt etwas ein.“

„Nur zu. Ich warte.“

„Ach komm schon, Artem! Wir könnten mit den Besitzern des Diamanten essen gehen oder so. Sie umwerben.“

„Dir ist doch bewusst, dass das jeder Juwelier in Manhattan machen wird?“

Gut möglich. „Es muss doch eine andere Möglichkeit geben, ihre Aufmerksamkeit zu erregen, als alle Welt glauben zu lassen, dass ich eine skandalöse Affäre mit Franco habe.“

„Nicht skandalös. Nur medienwirksam. Romantisch. Glamourös.“ Artem musterte sie nachdenklich. „Er hat mich übrigens gewarnt, dass du Nein sagen würdest. Was hast du eigentlich für ein Problem mit ihm?“

Diana schluckte. Sollte sie Artem erzählen, was vor drei Jahren passiert war? Dann würde er bestimmt nicht mehr von ihr verlangen, wegen eines Diamanten an Francos Arm über die Park Avenue zu paradieren. Noch nicht mal wegen des größten Diamanten der Welt.

Aber sie konnte sich nicht dazu überwinden. Sie wollte noch nicht mal an die demütigende Episode denken, geschweige denn darüber reden.

Schon gar nicht mit ihrem Bruder.

„Er ist nichts weiter als eine männliche Hure, das weißt du genau! Machst du dir denn gar keine Sorgen um meinen Ruf?“

„Du kannst gut auf dich alleine aufpassen, Diana. Du bist eine der stärksten Frauen, die ich kenne. Um deinen Ruf brauche ich mir keine Gedanken zu machen.“ Er zuckte die Achseln. „Aber ich könnte mit Franco reden … ganz brüderlich natürlich, und ihm körperliche Gewalt androhen, sollte er es wagen, dich anzurühren. Erleichtert dir das das Ganze?“

„Bloß nicht!“ Etwas Demütigenderes konnte sie sich nicht vorstellen.

Artem zuckte die Achseln. „Ganz wie du willst. Er überarbeitet sowieso gerade sein Image. Franco Andrades Huren-Tage sind vorbei.“

Diana lachte spöttisch. „Hat er dir das erzählt? Und du hast ihm geglaubt?“

„Seit wann bist du so eine Zynikerin?“

Seit drei Jahren. Seitdem ich meine Unschuld verloren habe. „Ich sage ja nur, dass mir das Ganze etwas fragwürdig vorkommt. Warum sollte er sich nach all der Zeit verändern wollen? Es sei denn, er hat inzwischen jede Frau an der Ostküste gevögelt …“

Was durchaus möglich war.

„Menschen ändern sich, Diana.“ Artems Gesichtsausdruck wurde weicher. Er warf einen Blick auf den Stubenwagen in der Ecke, über dem ein rosa Mobile mit kleinen Teddybären mit Ballettschuhen hing. „Ich zum Beispiel.“

Diana musste bei dem Gedanken an ihre süße kleine Babynichte lächeln.

Er hatte nicht ganz unrecht. Vor noch nicht mal einem Jahr war Artem derjenige auf dem Titelblatt von Page Six gewesen. Er war jeden Abend mit einer anderen Frau fotografiert worden. Inzwischen war er eher Kandidat für den Vater des Jahres.

Außerdem hatte Diana noch nie ein so verliebtes Paar wie ihn und Ophelia gesehen. Die beiden gaben ihr fast ihr Vertrauen in die Ehe zurück.

Fast, aber nicht ganz.

Es war mehr erforderlich als ihre beiden glücklich verheirateten Brüder, um die Erinnerung an die vielen Fehltritte ihres Vaters auszulöschen. Nicht nur seine Affären an sich, sondern dass er sich keine Mühe gegeben hatte, seine Eskapaden vor ihrer Mutter zu verheimlichen. Er hatte von ihr erwartet, damit zu leben. Zu lächeln und nicht genau hinzusehen. Und das hatte sie getan.

Bis zu ihrem Tod.

Sie war erst vierzig Jahre alt gewesen, als Diana sie leblos auf dem Wohnzimmerfußboden gefunden hatte. Noch immer jung, noch immer schön. Die Ärzte waren ratlos gewesen. Sie hatten keine Erklärung für ihren plötzlichen Herzinfarkt gehabt. Für Diana hingegen war der Grund offensichtlich gewesen.

Ihre Mutter war an einem gebrochenen Herzen gestorben.

War es da ein Wunder, dass Diana die Ehe für einen schlechten Witz hielt? Umso schlimmer, dass sie sich ausgerechnet einem Mann an den Hals geworfen hatte, der Frauen wie Einweggegenstände behandelte?

Diana schloss gequält die Augen.

Warum musste Franco ausgerechnet jetzt in ihr Leben zurückkehren, wo es ihr so schlechtging? Vor ihrem Unfall hätte sie mit ihm umgehen können. Sie hatte mit allem umgehen können.

Sie schlug die Augen wieder auf. „Bitte, Artem. Ich will das wirklich nicht.“

Er nickte. „Ich verstehe. Du willst also lieber in der Verlobungsringabteilung dahinvegetieren, als mit Franco auf ein paar Partys zu gehen. Kein Problem. Tut mir leid, dass ich es angesprochen habe.“ Er wedelte mit einer Hand Richtung Verlobungsringabteilung. „Dann geh zurück an die Arbeit.“

Diana rührte sich keinen Zentimeter. „Moment mal! Willst du damit sagen, ich muss keine Verlobungsringe mehr verkaufen, wenn ich abends Frankos Freundin mime?“ Das änderte einiges.

Sie schluckte. Es würde trotzdem nicht funktionieren. Sie würde es keinen Abend in Francos Nähe aushalten, und schon gar nicht einundzwanzig Abende.

„Natürlich müsstest du nicht beides machen.“ Artem zeigte auf die Magazine auf seinem Schreibtisch. „Dein Job würde dann daraus bestehen, Abendveranstaltungen zu besuchen.“

Sie musterte ihn misstrauisch. „Bei welchem Job geht man bitte schön im Abendkleid auf Partys?“

„Als Leiterin der PR-Abteilung zum Beispiel. Ich habe das jahrelang gemacht. Du kannst den Job haben, wenn du willst.“ Artem lächelte. „Du wolltest doch eine neue Aufgabe. Von der Verkäuferin zu einer Leitungsposition aufzusteigen, ist ein Riesenkarrieresprung.“

So formuliert klang das gar nicht so übel. Leiterin der PR-Abteilung klang sogar ziemlich gut.

Na endlich! Das hier war die Gelegenheit, auf die Diana gewartet hatte. Sie hätte sich nur nie träumen lassen, dass Franco Andrade dabei eine Rolle spielen würde.

„Ich will eine Gehaltserhöhung“, platzte sie heraus.

„Einverstanden.“

Sie dachte doch wohl nicht ernsthaft darüber nach, den Job anzunehmen, oder? Nein, auf keinen Fall! Das konnte sie nicht machen. Ihre Würde war unverkäuflich.

Es sei denn …

„Und wenn wir den Auftrag kriegen, will ich noch mal befördert werden.“ Sie setzte ihr liebstes Lächeln auf.

Artem hob irritiert die Augenbrauen. „Das musst du mir mal genauer erklären.“

„Diese Diamantengala ist doch wichtig. Das hast du selbst gesagt.“

„Das stimmt.“

„Wenn ich meinen Teil erfülle und Drake Diamonds den Zuschlag kriegt, will ich Daltons Job.“ Sie räusperte sich. „Als Co-Geschäftsführerin.“

Artem sagte nichts. Er saß einfach nur da und starrte Diana an, als hätte sie den Verstand verloren.

Oje, war sie zu weit gegangen? Der Job als Abteilungsleiterin war wirklich ein Riesenkarrieresprung. Sie hätte die Gelegenheit nutzen sollen, sämtliche verliebten Bräute und Bräutigame New Yorks ein für alle Mal hinter sich zu lassen. Vielleicht hatte sie sich das jetzt verscherzt.

„Das ist eine ganz schön dreiste Forderung für jemanden ohne Erfahrung“, sagte Artem.

„Wenn ich mich recht entsinne, warst du doch auch nur Leiter der Öffentlichkeitsarbeit, bevor unser Vater starb und du sein Nachfolger wurdest.“ Dachte Artem allen Ernstes, sie hatte nicht mitbekommen, was sich in den letzten Jahren zwischen diesen Drake-blauen Wänden abgespielt hatte?

Er lachte anerkennend. „Du bist jedenfalls scharfsinnig genug für den Job.“

Sie lächelte. „Das betrachte ich als Kompliment.“

„Das solltest du auch.“ Artem seufzte und sah sie noch eine Weile nachdenklich an, bevor er nickte. „Okay. Ich bin einverstanden.“

Diana wartete auf einen Hinweis, dass er nur einen Witz machte, aber es kam keiner. Das Herz schlug ihr bis zum Hals. „Mach dich nicht über mich lustig, Artem. Ich habe einen harten Morgen hinter mir.“

Und der restliche Tag würde noch härter werden.

Wenn sie und Artem sich tatsächlich einig wurden, würde sie heute Abend mit Franco Andrade ausgehen. Freiwillig.

Sie musste wirklich den Verstand verloren haben!

„Ich mache mich nicht über dich lustig. Du hast mich überzeugt. Ich hatte keine Ahnung von Geschäftsführung, als ich den Job übernahm, aber ich habe es gelernt. Du schaffst das auch.“ Warnend hob er einen Finger. „Aber du kriegst den Job nur, wenn Drake Diamonds den Zuschlag bekommt.“

Diana strahlte über das ganze Gesicht. „Kein Problem“, versprach sie. Zum ersten Mal, seitdem sie vom Pferd gefallen war, fühlte sie sich wieder optimistisch. Zuversichtlich.

Wenn alles gutging, würde sie in weniger als einem Monat Co-Geschäftsführerin von Drake Diamonds sein. Kein Verteilen von Petit Fours mehr. Keine Verlobungsringe. Und für den Rest ihres Lebens keine Brautmagazine mehr!

Besser noch – sie würde keine lästigen Fragen mehr beantworten müssen, wann sie wieder aufs Pferd stieg. Ob sie schon ein neues Pferd hatte. Ob sie so weit war, wieder Turniere zu reiten.

Aber Diana war noch nicht annähernd so weit. Und sie bezweifelte ehrlich gesagt, je so weit zu sein.

Doch wenn sie erst mal Co-Geschäftsführerin war, würden diese Fragen aufhören. Sie würde dann so viel Verantwortung tragen, dass die Leute vergessen würden, dass sie je an der Olympiade hatte teilnehmen wollen. Es war die perfekte Lösung.

Sie musste nur irgendwie die nächsten einundzwanzig Tage überstehen.

„Geh nach Hause.“ Artem nickte Richtung Bürotür. „Ruh dich aus und bereite dich auf heute Abend vor.“

Ach, stimmt ja, die Party. Waldorf Astoria. Franco.

Sie schluckte.

Andererseits hatte sie gerade eine Menge erreicht, oder? Da würde sie ja wohl noch ein paar Stunden in Francos Gesellschaft überstehen.

Oh Gott, hoffentlich!

4. KAPITEL

Als Franco in die Drake-Limousine steigen wollte und Diana im Halbdunkel des Wagens sah, zuckte er erschrocken zusammen. „Buenas noches.“ Er war davon ausgegangen, dass der Chauffeur zuerst ihn einsammeln und dann zu Diana fahren würde, damit er sie abholen konnte. Wie bei einem richtigen Date. Was es natürlich nicht war.

Er wusste nicht, wann er zuletzt einen Smoking angezogen und mit einer Frau zu einer Party gegangen war. Trotz seiner zahlreichen Bettgeschichten ging er nicht oft mit Frauen aus. Er ging allein zu Veranstaltungen, und wenn der Abend vorbei war, verließ er sie mit einer Frau an seinem Arm. Manchmal sogar mehreren. Und Stunden später machte er sich dann normalerweise allein auf dem Heimweg. Nur selten schlief er mehr als einmal mit derselben Frau, und nie verbrachte er die Nacht mit ihr. Niemals.

Ehrlich gesagt war die erste und letzte Frau, neben der er aufgewacht war, Diana Drake gewesen.

„Selber guten Abend“, sagte sie gelangweilt, nachdem sie den Blick von ihm abgewandt hatte.

Ihr Verhalten würde sich in der Öffentlichkeit ändern müssen. Liebende sahen einander an. Sie berührten einander. Verdammt, wäre Diana seine Geliebte, würde Franco nicht die Hände von ihr lassen können.

Das hier ist nicht echt, schärfte er sich ein.

Er schlüpfte auf den glatten Ledersitz neben ihr.

Es war zwar nicht echt, aber es kam ihm so vor.

Diana trug ein trägerloses mitternachtsblaues Chiffonkleid mit einem gefährlich tiefen Ausschnitt. Ein glitzernder Edelstein ruhte zwischen ihren Brüsten. Ein Saphir. Der Saphir vom Fotoshooting.

„Hör auf, mich so anzustarren.“ Endlich würdigte sie ihn wieder eines Blickes.

Franco schoss das Blut in die Lenden, kaum dass er ihr in die Augen sah. So exquisit die Kette um ihren Hals auch war – sie konnte den leuchtend violetten Tiefen ihrer Augen nicht das Wasser reichen. „Du siehst sehr schön aus.“

Sie erwiderte seinen Blick kalt. „Spar dir die Komplimente für die Kameras. Es ist niemand hier. Deine Masche ist völlig überflüssig.“

„Das ist keine Masche. Du bist schön.“ Er schluckte. „Das ist ein tolles Kleid.“

Er war daran gewöhnt, sie in Reitkleidung zu sehen, nicht so. Es fiel ihm schwer, den Blick von ihr loszureißen.

Was bist du, ein Teenager? Werd erwachsen, Andrade!

„Hör auf damit! Das ist mein Ernst!“ Der Wagen fuhr durch einen Tunnel und tauchte Diana in Dunkelheit, doch das Zittern in ihrer Stimme war unüberhörbar. „Ich weiß, dass wir in der Öffentlichkeit so tun müssen, als seien wir total verknallt ineinander, aber können wir uns privat nicht professionell verhalten? Bitte!“

Irgendetwas an der Art, wie sie „bitte“ sagte, berührte Franco tief.

War er ihr gegenüber vor all den Jahren wirklich so schrecklich gewesen?

Ja, war er.

Trotzdem – ohne ihn war sie besser dran gewesen, ob ihr das bewusst war oder nicht. Sie war eine reiche Erbin. Eine tolle Partie. Franco war nicht der Typ Mann, den sie ihren Eltern vorstellen würde.

„Professionell. Schon verstanden“, sagte er zu ihrem Hinterkopf. Sie hatte sich wieder von ihm abgewandt und sah aus dem Fenster. Die Lichter der Großstadt rasten vorbei und verliehen ihrer Silhouette einen flackernden goldenen Heiligenschein.

Ein drückendes Schweigen breitete sich zwischen ihnen aus. Franco verzichtete auf den Hinweis, dass es kaum professionell war, sich zu weigern, ihn anzusehen oder mit ihm zu reden.

Warum zum Teufel hatte sie diesem Arrangement dann überhaupt zugestimmt? Keiner von ihnen dürfte in dieser Limousine sitzen, auf dem Weg zu irgendeiner langweiligen Gala. Sie gehörten beide auf ein Pferd. Franco wusste, warum er selbst gerade nicht trainierte, aber er hatte keine Ahnung, warum Diana in der Firma ihrer Familie arbeitete.

Er war fast dankbar, als sein Handy eine Nachricht ankündigte und ihm damit etwas zu tun gab. Diana nicht anzusehen, fiel ihm nämlich von Sekunde zu Sekunde schwerer. Sie sah umwerfend aus, sogar in ihrer Wut.

Er zog sein Handy aus der Innenasche seines Smokings und warf einen Blick auf das Display.

Eine Nachricht von Luc. Mal wieder.

Ellis gibt noch immer nicht nach.

Franco biss die Zähne zusammen. Diese Information war nichts Neues. Hätte tatsächlich Hoffnung bestanden, dass der Eigentümer des Teams bis heute Abend seine Meinung änderte, würde Franco jetzt nicht neben der Diamanten-Eisprinzessin sitzen. Trotzdem war es nicht gerade angenehm, an seine berufliche Misere erinnert zu werden.

Er wollte das Handy gerade wieder einstecken, als es erneut brummte.

Das geht jetzt schon viel zu lange so.

Und wieder:

Ich kann das nicht zulassen. Ich werde ihm die Wahrheit sagen.

Verdammte Scheiße!! Franco tippte rasch eine Antwort ein.

Lass es gut sein. Was passiert ist, ist passiert. Ich habe alles im Griff.

Diana räusperte sich vernehmlich neben ihm. „Na? Heißes Date heute Abend?“

Sie musterte ihn aus schmalen Augen und blickte betont auf sein Handy.

Aha. Die Vorstellung, dass er Nachrichten mit anderen Frauen austauschte, gefiel ihr also nicht? Interessant.

„Du bist heute mein Date, schon vergessen?“ Sie brauchte nicht zu wissen, worum es ging. Er war ihr keine Erklärung schuldig.

Sie verdrehte genervt die Augen. „Jetzt erzähl mir nicht, dass du nach der Party allein nach Hause fährst.“

Er schaltete sein Handy aus. „Ehrlich gesagt doch. Hat Atem es dir nicht gesagt? Du und ich sind monogam.“

Süffisant hob sie eine Augenbraue. „Hat er dir auch erklärt, was das bedeutet, oder musstest du das erst im Lexikon nachschlagen?“

„Du bist süß, wenn du eifersüchtig bist.“ Ihm war bewusst, dass er ihre Wut noch weiter aufstachelte, aber zumindest waren sie im Gespräch.

„Wenn du mich wirklich für eifersüchtig hältst, bist du noch arroganter, als ich dachte!“ Trotz des Dämmerlichts sah er, dass ihr das Blut in die Wangen schoss. „Anscheinend leidest du unter Wahnvorstellungen.“

Er zuckte die Achseln. „Das sehe ich anders. Und weißt du auch, warum?“

„Ich habe nicht die geringste Ahnung, was in deinem kranken Kopf vor sich geht, und ich will es auch nicht wissen.“ Sie schwieg eine Weile und seufzte dann resigniert. „Okay, warum?“

„Weil nichts an diesem Gespräch – das übrigens du angefangen hast – professionell ist.“ Er senkte den Blick zu dem auf ihrer Alabasterhaut glitzernden Saphir und betrachtete anerkennend ihre Brüste.

„Du bist wirklich unersättlich“, sagte sie angeekelt.

Er schmunzelte. „Den meisten Frauen gefällt das an mir.“

„Ich bin nicht die meisten Frauen.“

„Warten wir’s ab.“

Der Wagen bremste vor dem vergoldeten Eingang des Waldorf Astoria. Ein roter Teppich bedeckte den Bürgersteig vom Bordstein bis hin zur Tür – flankiert von einem Mob Paparazzi.

„Miss Drake und Mr. Andrade, wir sind da“, sagte der Chauffeur.

„Gott sei Dank. Ich muss hier raus!“ Diana wollte gerade die Tür öffnen, riss dann jedoch erschrocken ihre violetten Augen auf. „Moment mal. Das habe ich ja fast vergessen.“

Sie öffnete ihre winzige, mit Perlen bestickte Handtasche, zog eine Drake-blaue Schatulle heraus und klappte sie auf. Die mit schwarzen Diamanten besetzten Manschettenknöpfe vom Fotoshooting glitzerten auf dunklem Samt.

Sie reichte sie Franco, während der Chauffeur ausstieg. „Leg sie an. Schnell.“

Er befestigte einen an einem Ärmel, behielt den anderen jedoch in der Hand.

„Was machst du da? Beeil dich!“, rief Diana panisch.

In diesem Augenblick öffnete der Chauffeur die Tür und hielt ihr eine Hand hin.

„Steig aus, die Show beginnt.“ Franco lockerte seine Krawatte und blinzelte ihr zu. „Vertrau mir, Wildfire.“

Sie streckte einen Fuß aus der Tür und strahlte die wartenden Fotografen an. „Dir ist doch bewusst, dass du etwas Unmögliches von mir verlangst?“, murmelte sie.

Franco griff nach dem Saum ihres Chiffonkleides und half ihr aus der Limo. Ein Blitzlichtgewitter und das hektische Klicken von Kameras empfing sie.

Franco presste die Lippen auf Dianas nackte Schulter und befestigte auffällig den zweiten Manschettenknopf. Ein kollektives Aufkeuchen ging durch die Menge der Schaulustigen.

„Ich habe alles im Griff“, flüsterte er Diana ins Ohr.

Wer weiß, wenn er das oft genug wiederholte, würde es vielleicht sogar wahrwerden.

Der Mann ist ein gerissenes Genie.

Diana hatte nicht gewusst, was Franco vorhatte, bis sie seine Lippen auf ihrer Schulter gespürt und sich erschrocken zu ihm umgedreht hatte. Erst da hatte er den zweiten Manschettenknopf befestigt. Er hatte anscheinend absichtlich damit gewartet, um den Eindruck zu erwecken, dass sie gerade im Wagen Sex gehabt hatten.

Die Reporter stürzten sich natürlich wie die Aasgeier darauf.

„Diana, wie lange sind Sie und Franco schon zusammen?“

„Diana, welchen Designer tragen Sie?“

„Hier, Diana! Lächeln Sie in die Kamera!“

Die Fotografen riefen aus allen Richtungen.

Da Diana nicht wusste, wo sie zuerst hinsehen sollte, senkte sie den Kopf, während Franco sie geschickt durch die wilde Menge dirigierte, eine Hand schützend auf ihrem Rücken.

„Wie ist die Erbin im Bett, Franco?“, rief ein Paparazzo ihm zu.

Diana hob ruckartig den Kopf.

„Ignorier ihn einfach“, flüsterte Franco ihr zu.

„Bis jetzt ist alles okay“, log sie. Die Szene war der reinste Irrsinn. „Aber wenn du diese Frage beantwortest, bringe ich dich um!“

„Ein Gentleman genießt und schweigt.“

Für einen Moment trafen sich ihre Blicke. Hätte Diana es nicht besser gewusst, würde sie ihm glatt glauben.

Plötzlich war die Vorstellung, noch einundzwanzig solche Abende durchstehen zu müssen, völlig absurd. Absurd und nicht zu bewältigen.

„Guten Abend, Miss Drake und Mr. Andrade.“ Der Portier öffnete ihnen die Tür. „Willkommen im Waldorf Astoria.“

„Gracias.“ Franco zog Diana liebevoll an sich. „Wollen wir, mein Schatz?“

Seine tiefe sexy Stimme vibrierte durch ihren Körper. Sie schluckte. Es ist alles nur Show. Fall bloß nicht darauf rein.

Verlieb dich bloß nicht in ihn, hatte sie sich vor drei Jahren eingeschärft. Leider vergeblich.

„Miss Drake und Mr. Andrade, ich bin Beth Ross, die Leiterin von Manhattan Pet Rescue, des Tierheims. Wir sind ja so froh, dass Sie sich heute Abend Zeit für uns genommen haben.“

„Das hätten wir uns doch nie entgehen lassen, Beth“, sagte Franco aalglatt und küsste sie auf eine Wange.

Beth schmolz förmlich dahin.

Er war ein beängstigend guter Schauspieler. Artem hätte ihn zum Leiter der PR-Abteilung ernennen sollen und nicht Diana.

Sag was! Du bist hier nicht das hübsche Anhängsel, sondern er.

„Danke für die Einladung. Wir freuen uns sehr, hier zu sein“, sagte Diana lächelnd.

Aus dem Augenwinkel sah sie jemanden ein Handy in ihre und Francos Richtung hochhalten. Er musste es auch gesehen haben, denn er schlang ihr einen Arm um die Taille. Ohne darüber nachzudenken, schmiegte Diana sich an ihn.

Beth seufzte hingerissen. „Sie beide sind genauso faszinierend wie in der Anzeige. Es gibt kein anderes Gesprächsthema mehr in der Stadt.“

Diana zwang sich zu einem Lächeln. „Haben wir schon gehört.“

„Unsere Party findet im Starlight Ballroom statt. Ich werde Sie nach oben begleiten, und wenn es Ihnen nichts ausmacht, würden wir gern ein paar Fotos von Ihnen mit einigen der Tiere knipsen, die später am Abend mitgenommen werden sollen.“

Diana versteifte sich. „Also …“

Franco kniff sie sanft in eine Hüfte. „Gern. Wir sind ausgesprochen tierlieb.“

Wir?!

Diana blinzelte. Franco sah sie an, als warte er darauf, dass sie etwas sagte. „Und wie! Wahnsinnig tierlieb.“

Sie verließen die prunkvolle Lobby und betraten einen mit dunkelrotem Samt ausgeschlagenen Korridor. Beth drückte auf einen Fahrstuhlknopf.

„Das habe ich mir schon gedacht. Drake Diamonds war immer einer unserer größten Sponsoren. Und natürlich sind Sie beide Legenden in der Welt des Reitsports.“

Die Fahrstuhltür glitt auf, und sie traten ein.

„Diana hat eine wunderschöne schwarze Hannoveraner-Stute“, sagte Franco. „Erzähl Beth von Diamond, Liebling“, forderte er Diana auf.

Diana empfand seine Aufforderung wie einen Schlag ins Gesicht. Sie öffnete den Mund, aber es kam kein Laut heraus.

„Alles in Ordnung mit Ihnen?“, fragte Beth besorgt. „Sie sehen plötzlich so blass aus.“

„Ich … Ich bin nur …“ Es hatte keinen Zweck. Sie konnte nicht über Diamond reden. Nicht jetzt.

Sechs Monate lang hatte sie vermieden, über den Tod ihres geliebten Pferdes zu sprechen. Noch nicht mal mit ihren Brüdern hatte sie darüber reden können. Ihr war bewusst, dass das vielleicht ein Fehler war, aber es tat einfach zu weh. Und nach so langem Schweigen fehlten ihr irgendwie die Worte.

„Sie ist ein bisschen klaustrophobisch“, eilte Franco ihr rasch zu Hilfe.

Noch eine Lüge. Diana verlor allmählich den Überblick.

„Ach, das tut mir leid“, sagte Beth erschrocken. „Das wusste ich ja gar nicht. Sonst hätten wir die Treppe genommen.“

„Ist schon okay. Wir sind fast da, Liebling“, sagte Franco honigsüß.

Diana stützte sich instinktiv auf ihn, als er sie kurz darauf zum Eingang des Ballsaals führte.

Tief durchatmen. Es geht dir gut.

Sie holte tief Luft und straffte die Schultern. „Tut mir leid. Es geht schon wieder.“

Ihr Herz klopfte wie verrückt. Sie wünschte, sie wäre in Daltons Wohnung, zusammengerollt auf dem Sofa vor dem Fernseher.

Denk nicht an Diamond. Ruinier bloß nicht den Abend. Sag etwas.

Sie blickte an die mit Lichterketten geschmückte Bleiglasdecke. „Das sieht ja wunderschön aus.“

Beth nickte zustimmend und beschrieb ausführlich, wie viel Arbeit in dieser Gala steckte, die zum größten Teil von Drake Diamonds gesponsert war. Diana nickte lächelnd, genauso wie Franco, obwohl sie seinen fragenden Blick deutlich spüren konnte.

Sie hätte ihm gern gesagt, dass er es mit seiner Fürsorglichkeit etwas übertrieb. Es ging ihr wieder gut. Sie hatte einfach nicht damit gerechnet, dass er Diamond erwähnen würde, das war alles. Anscheinend hatte er noch nicht von dem Unfall gehört.

Eine Stunde später schüttelten sie immer noch Hände und machten Smalltalk mit anderen Tierheim-Sponsoren. Sie und Franco hatten keine Sekunde für sich allein.

Nicht dass Diana sich beschweren wollte. Während der Fahrt hierher hatten sie schließlich mehr Privatsphäre gehabt, als ihr lieb gewesen war.

„Nur noch eine Bitte …“ Beth führte sie in eine Ecke des Ballsaals, wo die Gäste für Fotos posierten. „Können wir vor Ihrem Aufbruch noch die Fotos machen, die ich vorhin erwähnt habe?“

Diana nickte. „Selbstverständlich.“

Sie spürte wieder Francos Hand im Rücken. Allmählich gewöhnte sie sich daran, wusste aber nicht, ob das etwas Gutes oder etwas Schlechtes war.

Fast geschafft. Nur noch ein paar Minuten.

Ein Abend fast abgehakt, noch zwanzig zu bewältigen.

Autor

Christine Wenger
Yeee-Haw! Die Romance-Autorin Christine Wenger liebt Cowboys, Bullenreiten und Rodeos — und das Schreiben. Ihr Lieblingscowboy ist und bleibt aber ihr Ehemann Jim, mit dem sie in New York lebt. Er ist ihr persönlicher Cheerleader und so stolz auf das Talent seiner Frau, dass er allen davon erzählt: den Nachbarn,...
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Katie Meyer kommt aus Florida und glaubt felsenfest an Happy Ends. Sie hat Englisch und Religion studiert und einen Abschluss in Veterinärmedizin gemacht. Ihre Karriere als Veterinärtechnikerin und Hundetrainerin hat sie zugunsten ihrer Kinder und des Homeschoolings aufgegeben. Sie genießt ihre Tage gerne mit der Familie, ihren vielen Haustieren,...

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