Bianca Extra Band 92

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LASS DEIN HERZ VON DER LEINE! von STACY CONNELLY

Mollie liebt Hunde und Zeke Harper, seit sie denken kann. Aber während ihr Job als Hundetrainerin toll ist, ist ihre Sehnsucht nach Zeke frustrierend. Er sieht in ihr nur die Schwester seines Freundes. Ob er sein Herz endlich von der Leine lässt, wenn Mollie ihn überraschend küsst?

WER WUNDER SUCHT, WIRD LIEBE FINDEN von BRENDA HARLEN

Liegt es an den breiten Schultern? Dem markanten Kinn oder frechen Blick? Jedenfalls landet Anwältin Katelyn Gilmore mit dem attraktiven Fremden im Hotelbett. Mit süßen Folgen, die sie ganz bewusst allein trägt! Bis der neue Sheriff in ihrer Heimatstadt seinen Dienst antritt …

ZEHN JAHRE UND EINE HOCHZEITSNACHT von MARIE FERRARELLA

Als Brautausstatterin muss Gina ausgerechnet mit ihrem Ex Shane, einem renommierten Konditor, für eine Hochzeit zusammenarbeiten. Vor zehn Jahren hat sie ihre Verlobung gelöst, weil sie sich zu jung für die Ehe fühlte. Jetzt würde sie selbst gern "Ja, ich will" flüstern …

ROSIE, DAS GLÜCK UND WIR von MICHELLE MAJOR

Ihre kleine Pension scheint rettungslos verloren: Der Immobilienmagnat Shep Bennett kauft sie auf! Paige ist verzweifelt. Doch dank der kleinen Rosie schließt Paige doch noch einen pikanten Deal mit dem Mann, den sie hassen sollte - und lieben lernt. Rosies Dad …


  • Erscheinungstag 12.01.2021
  • Bandnummer 92
  • ISBN / Artikelnummer 9783751500326
  • Seitenanzahl 448
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Stacy Connelly, Brenda Harlen, Marie Ferrarella, Michelle Major

BIANCA EXTRA BAND 92

STACY CONNELLY

Lass dein Herz von der Leine!

Bildet er sich die Sehnsucht in Mollies Augen nur ein? Zeke versucht zu ignorieren, dass aus dem Mädchen von nebenan eine echte Schönheit geworden ist! Was unmöglich wird, als Mollie ihn eines Tages küsst …

BRENDA HARLEN

Wer Wunder sucht, wird Liebe finden

Das Kind muss einen Vater haben! Als Reid erfährt, dass sein One-Night-Stand mit Kate süße Folgen hatte, macht er ihr spontan einen Antrag. Selbstüberzeugt erwartet er ihr „Ja“ – und erhält ein „Nein“!

MARIE FERRARELLA

Zehn Jahre und eine Hochzeitsnacht

Shane McCallister backt exquisite Hochzeitstorten. Aber es gibt noch Süßeres als seine leckeren Kreationen – wie er verblüfft feststellt, als er auf einer Hochzeit seine Ex-Verlobte Gina wiedertrifft …

MICHELLE MAJOR

Rosie, das Glück und wir

Sich verlieben? Das steht nicht auf der Agenda des mächtigen Unternehmers Shep Bennett! Weshalb er äußerst vorsichtig sein muss, als die schöne Paige die Nanny seiner kleinen Tochter Rosie wird …

1. KAPITEL

Mollie McFadden schob sich näher an den gut aussehenden Kerl in der Ecke heran. „Hallo, mein Süßer. Wie kommt es bloß, dass einer wie du hier landet?“

Mit seelenvollen braunen Augen sah er sie kurz an. Dann schaute er schnell weg, aber Mollie ließ sich nicht beirren. „Ich wette, du hast eine lange Geschichte zu erzählen.“

Wieder zuckten seine Augenlider. Dann folgte ein tiefer Seufzer.

„Wahrscheinlich eine herzzerreißende Story, hmm?“ Sie näherte sich ihm noch ein Stück. Obwohl sie sich wünschte, ihn zu trösten, wonach er sich offensichtlich sehnte, streckte sie die Hände nicht nach ihm aus. „Ich wette, du fühlst dich gerade ganz schön verloren, verlassen und allein.“

Ihr Herz machte einen Satz, als er sich regte. Vielleicht wollte er es sich nur bequemer machen, aber es entging ihr nicht, dass er sich dabei auf sie zu bewegte. „Du musst einfach daran glauben, dass es wieder besser wird.“

Er schnaubte.

„Ich sage dir, das wird es. Denk nur dran, was Spring Forest in den letzten Monaten weggesteckt hat. Sogar einen Tornado!“

Vielleicht interpretierte sie zu viel in seine Körpersprache hinein, aber Mollie hätte schwören können, dass er schauderte. „Der Sturm war schon schrecklich, nicht wahr? Aber hier in Spring Forest, da helfen die Leute einander. Du musst uns nur eine Chance geben. Ehrlich gesagt …“ Sie beugte sich vor, um ihm etwas zuzuflüstern, „… etwas sagt mir, dass du hier jemanden finden wirst, der perfekt zu dir passt.“

Da zog er die dunklen Augenbrauen hoch.

„Ich weiß, ich weiß. Das ist jetzt schwer zu glauben, aber ich habe durchaus ein gutes Gefühl.“

Und dieses Gefühl wurde immer stärker. Mollie schmolz nur so dahin, als der Hund aus dem Tierheim, der den Namen Chief bekommen hatte, langsam seinen Kopf senkte und ihn auf ihren Oberschenkel bettete.

Sie legte sanft die Hand auf das weiche Fell an seinem Nacken. „Wir werden ein wunderbares Zuhause für dich finden.“ Obwohl sie in ihren Jahren als ehrenamtliche Helferin bei „Fellknäuel fürs Leben“ schon mit vielen Hunden aus dem Tierheim gearbeitet hatte, schnürte es Mollie die Kehle zu, als sie versprach: „Das allerbeste Zuhause.“

Die Whitaker-Schwestern hatten die Organisation „Fellknäuel fürs Leben“ gegründet – alle nannten die beiden nur liebevoll Birdie und Bunny. Sie hatten Mollie gebeten, ins Tierheim zu kommen, damit sie Chief kennenlernen konnte. Als Hundetrainerin arbeitete sie mit vielen verschiedenen Hunden – vom Rassehund bis zur Promenadenmischung. Für schüchterne Tiere wie Chief hegte Mollie eine besondere Schwäche. Einen Hund zu sehen, der so verängstigt war wie er, brach ihr das Herz.

Außerdem neigten die Leute dazu, verborgene Schätze wie Chief zu übersehen, wenn sie im Tierheim nach einem Hund suchten. „Diesmal nicht, mein Junge“, versprach sie. „Wir werden dich aus der Reserve locken und der ganzen Welt zeigen, wie fantastisch du drauf bist.“

Bei ihren eigenen Worten zuckte Mollie kurz zusammen, denn sie klangen wie der Schwur, den ihre Freundin Amanda Sylvester letztens geleistet hatte. Nur hatte Amanda nicht über einen Freund mit vier Pfoten gesprochen, sondern sie hatte Mollie selbst gemeint.

Doch Mollie war es nicht um die ganze Welt gegangen, sondern nur um einen ganz bestimmten Mann – der sah in ihr leider nur die kleine Schwester seines besten Freundes.

Chief stieß einen Laut aus, eine Mischung aus Winseln und Bellen, aber definitiv mit einem Fragezeichen am Ende.

„Oh, mach dir keine Sorgen“, sagte Mollie und verdrängte alle Gedanken an ihr erbärmliches Liebesleben. „Die Chancen stehen jetzt viel besser für dich.“

Chief war mittelgroß, hatte kurzes Fell und eine auffällige schwarz-braune Zeichnung. Rein äußerlich besaß er alle Eigenschaften eines leicht vermittelbaren Hundes. Er hätte nur etwas Selbstvertrauen gebraucht. Dann würde niemand mehr an seinem Zwinger vorbeigehen.

„Irgendwas sagt mir, dass du außerdem ein kluger Bursche bist.“ Sie ging davon aus, auch wenn er ein Mischling war, denn schließlich zählten Schäferhunde zu den intelligentesten Hunderassen überhaupt. „Ich wette, ich kann dir sogar ein paar Tricks beibringen, wie zum Beispiel …“

Mollie kam nicht mehr dazu, Chief darüber aufzuklären, wie viel Spaß Ballholen macht. Ein plötzliches Krachen erschütterte das Fenster. Mit einem erschrockenen Aufheulen verkroch sich der Hund in seiner Ecke.

Mollie warf der Wand einen bitterbösen Blick zu, als ob sie durch die Steine hindurch nach draußen auf die Baustelle schauen konnte. Sie hatte Birdie gebeten, Chief in ein Besucherzimmer zu bringen, weil die abgenutzten Ledersofas und die geblümten Teppiche für Wohnzimmeratmosphäre sorgten. Mollie beabsichtigte, dass Chief das Ambiente eines Wohnhauses mit einem sicheren, angenehmen Ort in Verbindung brachte.

Das würde jetzt noch schwieriger werden. Mollie holte tief Luft. Frust half nichts. Sie wollte nicht, dass der arme Chief dachte, sie wäre jetzt sauer auf ihn.

Trotz ihrer größten Bemühungen hatte der Lärm den kleinen Fortschritt zunichtegemacht, den sie erzielt hatte. Der Hund hatte sich so klein zusammengerollt, dass seine Nase praktisch unter den Hinterbeinen versteckt war.

Sie schüttelte ihre Enttäuschung ab und ging in die Lobby. Dank eines kürzlich veranstalteten Spendenmarathons durften die Whitaker-Schwestern Pläne schmieden, den Eingangsbereich zu renovieren.

Im Augenblick war der attraktivste Teil des Foyers der kleine Geschenkeladen, wo Leinen und Halsbänder in allen Farben des Regenbogens an der Wand hingen. Der Shop bot auch eine Auswahl an Näpfen, Spielzeug und Körbchen – alles, was ein Besucher brauchte, der ein Fellknäuel fürs Leben mit nach Hause nahm.

Mollie schob eine der Glastüren auf und trat hinaus auf die Veranda. Der Geruch von frisch gesägtem Holz lag in der Morgenluft. Sie folgte dem Klang der energischen Stimme von Birdie Whitaker um das Gebäude herum. Die Miteigentümerin des Tierheims war Mitte sechzig und dafür bekannt, härter zu arbeiten als die meisten Leute, die halb so alt waren wie sie.

„Alles okay?“, fragte Mollie.

Birdie schüttelte den Kopf. „Ich kann es gar nicht erwarten, dass die Reparaturen abgeschlossen sind. Ich hoffe, das geht jetzt alles schneller, wo Rebekah den staatlichen Zuschuss beantragt hat.“ Rebekah war die neue Leiterin des Tierheims.

Das braune Dach und die graue Verschalung des Gebäudes machten nicht viel her. Das Logo aber wies auf die Mission des Tierheims hin – die Silhouette eines Hundes und einer Katze in einem großen Herz. „Wir wollen zusätzliche Zwinger bauen, damit wir noch mehr Tiere unterbringen können. Die Katzen sollen ein Außengehege bekommen und die Hunde einen Spielplatz. Doch lass uns jetzt mal darüber reden, warum ich dich heute hergebeten habe. Was hältst du von Chief?“

„Er ist so ein süßer Hund, aber unglaublich schreckhaft.“ Nachdem sie von ihrem kleinen Erfolg und von Chiefs Reaktion auf den Baulärm berichtet hatte, fragte Mollie: „Hat er hier zu irgendwem eine gute Beziehung?“

Wenn ein Hund eine Pflegefamilie brauchte, dann Chief. Der Aufenthalt im Tierheim konnte durch die unterschiedlichen Helfer und die vielen Besucher – ganz zu schweigen von all den anderen Tieren – sehr stressig sein. Dazu kam jetzt noch der Baustellenlärm.

„Also“, überlegte die ältere Frau, „da wäre schon jemand.“ Birdie entdeckte eine andere Helferin, die gerade mit einem wunderschönen gelben Labrador über den Parkplatz ging. „Entschuldige mich einen Augenblick.“

Nachdem sie kurz mit der jungen Frau gesprochen hatte, kam Birdie zurück. „Komm mit. Das solltest du dir ansehen.“

Sie gingen zurück zum Besucherraum. Birdie blieb vor dem Innenfenster stehen. Als Mollie an die Scheibe trat, sah sie sich nach Chief um. Der Hund war allerdings nicht in seiner Ecke, sondern saß stattdessen in der Mitte des Zimmers und schaute hingebungsvoll zu dem wunderschönen gelben Labrador auf.

„Oh, er wirkt wie ausgewechselt!“, sagte Mollie überrascht. Obwohl er die Ohren immer noch angelegt hatte und den Kopf unterwürfig senkte, zitterte Chief nicht mehr. Sie dachte sogar, dass sein Schwanz ein Wedeln andeutete. „Was für ein Hund ist das?“

Birdie grinste. „Das ist Charlie.“

Mollie musterte den großen Hund, der mit wedelndem Schwanz den Raum umrundete.

„So sehr, wie Chief an Charlie hängt, hofft Bunny, dass wir jemanden finden, der die beiden zusammen adoptiert. Bei größeren Hunden ist das ja eher unwahrscheinlich.“

Eine gemeinsame Adoption wäre ideal, auch eine gemeinsame Vermittlung an eine Pflegefamilie. Nicht, dass Mollie hergekommen war, um Chief als Pflegehund bei sich aufzunehmen – aber hatte sie nicht praktisch beim ersten Anblick des schüchternen Hundes gewusst, dass das Tierheim nicht gut für ihn war? Als sie beobachtete, wie Charlie die Vorderpfoten ausstreckte und die Brust fast auf den Boden presste, um Chief zum Spielen aufzufordern, wusste Mollie, dass es viel einfacher sein würde, mit Chief zu arbeiten, wenn die fröhliche Labradorhündin mit von der Partie wäre.

Mollie seufzte. Sie hatte es noch nie geschafft, sich von einem Hund abzuwenden, der Hilfe brauchte. Die Erinnerung an ihren ersten Hund, Shadow, ließ sie lächeln. Ihre Eltern hatten nie Haustiere erlaubt. Also lebte der Streuner, den sie und Zeke Harper gerettet hatten, am Ende bei ihm. Mollie hatte bei den Harpers fast so viel Zeit verbracht wie bei sich zu Hause.

Natürlich nicht nur, um bei Shadow zu sein …

Mollie schüttelte den Gedanken ab und konzentrierte sich auf den scheuen Schäferhundmischling. „Chief braucht eine ruhigere Umgebung, und er muss Zeit allein mit Menschen verbringen, um seine Angst zu überwinden.“

„Dann nimmst du sie – äh, ich meine ihn?“, korrigierte sich Birdie hastig.

Aber Mollie ließ sich nicht zum Narren halten. Ihr war völlig klar, dass Birdie wahrscheinlich von Anfang an so geplant hatte. Sie seufzte. „Ich nehme beide.“

Mollie wusste, dass sie die richtige Entscheidung getroffen hatte, als sie Charlie und Chief in ihr SUV bugsierte. Chief scheute, als sie ihn zur Heckklappe führte, und sträubte sich gegen die Leine. Mollie stellte sich schon auf einen Ringkampf ein. Aber Charlie sprang ohne Zögern in den Kofferraum und machte es sich dort gemütlich. Chief, der eindeutig Angst hatte, zurückgelassen zu werden, folgte der Hündin ohne weitere Umstände.

„Du wirst mir wirklich eine große Hilfe sein, was, Charlie?“, sagte Mollie, als sie Spring Forest, North Carolina, hinter sich ließ und durch die ländlich geprägten Vororte nördlich der Kleinstadt fuhr.

Als Mollie vor vier Jahren nach einem Haus gesucht hatte, war ihr klar gewesen, dass sie auf dem Land leben wollte. Beim Hundetraining konnte es laut werden, und sie wollte keine Nachbarn, die sich beschweren würden. Außerdem brauchte man fürs Lauf- und Geschicklichkeitstraining viel Platz.

Ihr winziges Haus mit dem riesigen Grundstück erwies sich als perfekt.

Bei dem Gedanken verzog sie das Gesicht – okay, perfekt für die Hunde. Bis das Anwesen für sie selbst perfekt sein würde, musste sie noch viel Arbeit investieren. Und sie brauchte endlich einen Plan, was die Reparaturen anging. Irgendwie verlor sie immer den Überblick. Das führte zu Dutzenden von halbfertigen Projekten.

„Macht euch nur keine Sorgen“, erklärte sie den Hunden. „Ihr steht immer an erster Stelle.“

Zu den Reparaturen würde sie früh genug kommen und …

Beim Anblick einer wohlbekannten schwarzen Limousine neben ihrem Haus trat Mollie heftiger auf die Bremse als geplant. Ihr Herz machte einen Satz. Sie hatte nicht erwartet, Zeke heute zu sehen.

Ihr Puls beschleunigte sich, als sie die Fahrertür aufmachte. Sie musste sich bewusst ins Gedächtnis rufen, dass sie sauer auf ihn war. Wie oft hatten sie darüber schon geredet?

„Hey, Moll.“ Zeke Harper kam um ihr Haus herum, als ob es ihm gehörte, und begrüßte sie mit einem Lächeln. „Wie ist es im Tierheim gelaufen?“

Mollie bemühte sich, ihm einen finsteren Blick zuzuwerfen. Ehrlich. Doch als er einen muskulösen Arm hob, um sich den Schweiß von der Stirn zu wischen, war Ärger nicht mehr unbedingt die Emotion, die dafür sorgte, dass Hitze in ihr aufwallte. In einem marineblauen T-Shirt und abgetragenen Jeans mit – oh mein Gott! – ledernem Werkzeuggürtel um die schmalen Hüften sah Zeke Harper eher wie der heiße Moderator einer Heimwerkershow aus als wie der angesehene Psychologe, um den es sich bei ihm handelte.

Sie bemühte sich, Stimme, Blutdruck und Hormone unter Kontrolle zu behalten. „Was machst du hier, Zeke?“

Er zeigte mit dem Daumen über eine breite Schulter. „Ich hab gedacht, ich mach mich schon mal dran, die kaputten Stufen der Veranda zu ersetzen.“ Er gab sich nicht einmal die Mühe, ein Grinsen zu unterdrücken. „Du hast da so einen guten Start hingelegt, als du sie rausgerissen hast.“

Mollies Gesicht glühte. Sie war ziemlich stolz auf sich gewesen, als sie die verrotteten Trittstufen, Setzstufen und Treppenwangen entfernt hatte. Seither hatte sie auch mehrmals erfolglos versucht, neue Wangen zu schneiden, aber es war ihr nie gelungen, die Winkel richtig hinzubekommen. Also war sie zu einem anderen Projekt übergegangen und hatte sich damit zu trösten versucht, dass sie so jedes Mal etwas für ihre Fitness tat, wenn sie vom Garten ins Haus wollte.

„Ich hatte vor, sie fertigzustellen“, sagte sie.

„Klar, Kleine“, sagte Zeke fröhlich und legte ihr einen Arm um die Schultern. „Wofür hat man denn Freunde?“

Mollie zuckte zusammen. So heftig, dass Zeke es bemerkte und hastig seinen Arm zurückzog. „Tut mir leid. Ich schätze, ich bin ein bisschen verschwitzt.“

„Du weißt genau, dass es mir nichts ausmacht, wenn’s mal heiß hergeht“, sagte Mollie herausfordernd.

Als sich ihre Blicke begegneten, schien sich die Atmosphäre um sie herum einen Sekundenbruchteil zu ändern. Die Luft schien zu vibrieren, elektrisch aufgeladen wie vor einem Sturm. Seine grünbraunen Augen verdunkelten sich, und Mollies Herz flatterte.

Aber dann blinzelte er. Egal, was sie glaubte, gesehen zu haben, war wieder verschwunden. „Von deiner Veranda zum Boden war es fast ein Meter. Das ist gefährlich!“

Überfürsorglich – diese Regung kannte sie nur zu gut.

Kleine, ermahnte sie sich, während sie schluckte. Freunde. Nichts weiter. So dachte Zeke von ihr. Sie war die kleine Schwester, die er sich nie gewünscht hatte.

Diesen Titel hatte er ihr vor langer Zeit zum Scherz verliehen. Und obwohl sie von ihm nie als großer Bruder gedacht hatte, war sie aus reinem Selbstschutz lange Zeit von dieser Bezeichnung unter keinen Umständen abgerückt – und sie unternahm alles, damit er nie erfuhr, dass sie hoffnungslos in ihn verliebt war.

„Du hättest wenigstens warten können, bis ich dich um Hilfe bitte.“

„Ja, das hätte ich.“ Sein wissender Blick hielt ihren gefangen. „Aber du hättest nie darum gebeten.“

Vielleicht hatte sie die Angewohnheit, alles nur noch schlimmer zu machen, wenn sie sowieso schon in Schwierigkeiten steckte. Trotzdem handelte es sich bei ihr um kein Kind mehr. Und als Frau sehnte sich Mollie nach dem Tag, an dem Zeke Harper in ihr nicht nur die kleine Schwester seines besten Freundes erkennen würde … die anscheinend grundsätzlich seine Hilfe brauchte.

2. KAPITEL

„Zwei Hunde?!“, fragte Zeke, als er Mollie zum Gartentor folgte. Er bewunderte ihr großes Herz, wenn es um Tiere ging, aber langsam sorgte er sich, dass sie zu viel von ihrem Leben für die Hunde opferte. „Meinst du nicht, dass du dir da eine Menge aufhalst? Die Reparaturen an deinem Haus, deine ehrenamtliche Arbeit bei ‚Fellknäuel fürs Leben‘, dein Job, dein eigener Hund …“

„Ich schaff das, Zeke. Ich bin absolut in der Lage, mein ehrenamtliches Engagement und meinen Job unter einen Hut zu bringen.“ Sie ließ die beiden neuen Pflegehunde von der Leine, damit sie den eingezäunten Garten erkunden konnten.

Obwohl Zeke es nicht wagte, das laut auszusprechen, bereitete ihm weder der Zustand des Hauses große Sorgen noch Mollies Mitarbeit beim Tierheim, auch nicht ihr Job oder ihre Hunde daheim – es ging ihm um Mollie selbst. Sie arbeitete hart, wahrscheinlich zu hart. Und sie verbrachte zu viel Zeit allein, nur mit Hunden als Gesellschaft.

Diese Unausgewogenheit machte ihn sehr nachdenklich. Also hatte er entschieden, dass Mollie mehr rauskommen musste, dass sie eine Verabredung oder zwei brauchte. Ihr ein Date zu vermitteln war gar nicht so anders, als ihre Verandastufen zu reparieren.

Okay, vielleicht ein bisschen anders …

Sicher, er konnte selbst besser mit Werkzeugen als mit Beziehungen umgehen. Lilah Fairchild hatte ihr Bestes getan, ihm bei lebendigem Leib das Herz herauszureißen.

Mollie war so ganz anders als seine Ex-Verlobte. Sie war süß, freundlich und lustig, und Zeke gefiel der Gedanke nicht, dass sie allein lebte.

Und Patrick hätte das auch nicht zugesagt.

Zeke holte tief Luft und konzentrierte sich wieder auf Mollie und deren neue Pflegehunde. Die Labradorhündin Charlie kam gerade mit vollem Karacho angerannt und sprang an Mollie hoch – schlammige Vorderpfoten landeten auf Mollies Brust, dann ließ Charlie einen Tennisball vor Mollies Füßen fallen. Zeke kannte viele Frauen, die spätestens jetzt wütend geworden wären, doch Mollie lachte nur und sagte: „Na, da braucht jemand dringend ein paar Lektionen, wie man einen Menschen höflich begrüßt. Aber was für ein kluges Mädchen du bist, dass du einen Ball gefunden hast!“

Charlie genoss das Lob sichtlich. Ihr Schwanz wedelte so heftig, dass der ganze Körper der Hündin bebte. Zeke war nicht überrascht. Mollie hatte schon immer gewusst, wie sie ihn ermutigen und aufmuntern konnte – so wie nach seiner gelösten Verlobung.

Lilah war sowieso nicht gut genug für dich. Du hast etwas Besseres verdient.

Mollie hatte auch etwas Besseres verdient. Deswegen war es eine schwierige Aufgabe, den richtigen Mann für sie zu finden. Nicht, dass es an willigen Männern gemangelt hätte. Auch wenn Mollie nicht der Typ war, viel Zeit auf ihre Frisur oder ihr Make-up zu verschwenden, sie besaß eine natürliche Schönheit. Mit ihren roten Locken, den blaugrünen Augen und den Sommersprossen hatte er schon immer gedacht, dass sie richtig süß war.

Er beobachtete, wie Mollie versuchte, Charlie fürs Ballholen zu interessieren. Doch die Hündin verfolgte andere Pläne. Charlie rannte nach rechts, wenn Mollie nach links lief, und Mollies lautes Lachen berührte etwas tief in seinem Inneren.

Süß? Verdammt, sie ist wunderschön.

Die späte Nachmittagssonne brachte die goldenen Strähnen in ihrem Haar zum Leuchten. Das königsblaue T-Shirt mit dem Logo ihrer Hundeschule „Best Friends“ betonte ihre muskulösen Arme, und der dünne Stoff schmiegte sich an ihre Brüste. Ihre Jeans waren abgetragen und verblasst. Eine der beiden hinteren Hosentaschen war teilweise abgerissen und flatterte um ihren perfekt gerundeten Po. Das zerfetzte Stück Stoff weckte in ihm das Verlangen, daran zu ziehen, und er glaubte nicht, dass es an einer latenten Zwangsneurose lag, wie feucht seine Hände wurden.

Als ob die Hündin spürte, welche verbotene Richtung seine Gedanken gerade einschlugen, rannte Charlie direkt auf Zeke zu. Das Gras rauschte um ihre Pfoten, und die Labradordame sprang ihm geradewegs in die Arme. Dem Aufprall hätte er vielleicht standgehalten, wenn Chief sich nicht genau in diesem Augenblick getraut hätte, endlich näher zu kommen. Nahe genug, dass Zeke gegen den Hund stieß, als er rückwärts stolperte. Das war’s. Zeke landete mir nichts, dir nichts auf dem Boden.

Ächzend blinzelte er in den strahlend blauen Himmel hinauf.

„Und ich musste ihnen das nicht mal beibringen. Das ist echtes Naturtalent!“

„Ha, ha, sehr witzig“, knurrte Zeke und starrte finster in Mollies lächelndes Gesicht.

Sie streckte ihm eine schlanke Hand entgegen. Entschlossen, die Kontrolle über sein überraschendes Verlangen wiederzuerlangen, griff Zeke nach ihrer Hand, umfasste ihr Handgelenk und zog zu heftig daran … genau wie er es gemacht hätte, als sie noch Kinder gewesen waren.

Mollies überraschter Aufschrei endete mit einem Stöhnen, als sie neben ihm zu Boden ging. Charlie dachte, das Ganze wäre ein neues Spiel und drängte sich zwischen sie. Erst ließ die Hündin Zeke ihren ekelhaft angesabberten Ball auf den Kopf fallen, dann bemühte sich Charlie, sie alle beide zu Tode zu lecken.

Lachend lag er da. Es war, als ob er wieder ein Kind war und mit Mollie, Patrick und dem Hund Shadow herumtobte. Alles war wieder in Ordnung in seiner Welt. Mollie war immer noch das kleine Mädchen mit Pferdeschwanz, das immer mit von der Partie war, das Mädchen, mit dem er schon immer befreundet war und auch immer befreundet sein würde.

Aber dann warf sie das Haar über die Schultern zurück und beugte sich über ihn. Die Zeit machte einen Sprung, sodass sie von einem Herzschlag zum nächsten eine erwachsene Frau geworden war. Der Geruch von frischem Gras mischte sich mit dem Duft von Wildblumen, der ihrer Haut anhaftete, und Zekes Körper reagierte.

Der weiche Schleier der Nostalgie wurde von heißem Verlangen zerrissen – gefolgt von einer glühenden Welle der Schuldgefühle. Mollie war kein kleines Mädchen mehr. Und der Hund, der um sie herumsprang, war Charlie und nicht Shadow. Und Patrick war …

Zeke stand hastig auf. Charlie saß vor ihm im Gras, den Ball zwischen den Pfoten. Wenn je ein Hund selbstzufrieden ausgesehen hatte, dann Charlie. „Mit der hast du dir ja eine ganz schöne Herausforderung eingebrockt.“

Mollie runzelte die Stirn und erhob sich langsam. Sie klopfte sich das Gras vom Po, und Zeke musste sich zwingen, den Blick abzuwenden. „Oh, es ist anscheinend zu lange her, seit du selbst einen Hund gehabt hast. Du hast vergessen, wie viel Energie ein Welpe hat.“

„Das habe ich nicht.“

Mollie tat, als ob sie ihn nicht gehört hatte. „Und ich kenne da eine ganz einfache Lösung …“

Diese Diskussion hatten sie schon oft gehabt. „Ich nicht.“

„Ich verstehe nicht, warum du dich weigerst. Du hast Shadow so geliebt.“

„Das habe ich. Sie war der beste Hund aller Zeiten. Du hast aber die ganze Arbeit mit ihr gehabt.“ Mollie war dauernd bei ihm zu Hause gewesen – um mit der Hündin spazieren zu gehen, mit ihr zu spielen und sie zu bürsten.

„Sich um jemanden zu kümmern, den man liebt, bedeutet nie Arbeit.“

Zeke wusste nicht, warum er automatisch zur neuen Verandatreppe hinübersah. Das war viel Arbeit gewesen, aber er hatte das mehr als gerne gemacht, weil … weil …

„Das ist eine Menge Verantwortung“, entgegnete er.

„Ein Haustier bedeutet immer Verantwortung.“ Sie schenkte ihm ein Lächeln. „Du warst schon immer ein verantwortungsbewusster Mensch.“

Dafür hielt er sich tatsächlich. Und er war auch für Mollie verantwortlich. Gleich nach dem Bootcamp und vor seinem ersten Auslandseinsatz hatte Patrick McFadden seinen besten Freund Zeke gebeten, auf seine kleine Schwester aufzupassen.

Patrick und er waren als Nachbarskinder miteinander aufgewachsen. Patrick war für Zeke wie ein Bruder gewesen. Und Mollie war immer die kleine Schwester gewesen, die mitkommen wollte. Auf sie aufzupassen war so selbstverständlich gewesen, wie sich mit Patrick zu treffen.

Also hatte Zeke seinem Freund sein Versprechen gegeben.

Und dann, vor zwei Jahren, war Mollie mit Tränen in den Augen vor seiner Tür gestanden und hatte ihm gesagt, dass Patrick nie mehr nach Hause kommen würde.

Sein bester Freund war tot. Und das Versprechen, das Zeke ihm gegeben hatte – und die Erinnerung an Patricks letzten Besuch zu Hause –, lastete so schwer auf Zeke, dass er manchmal kaum atmen konnte.

Als ihn der kalte Druck einer Hundenase gegen seine Hand aufschreckte, schaute er nach unten. Er streichelte Charlie über den seidigen goldenen Kopf und ließ sich von ihrer unbefangenen, wortlosen Freundschaft trösten.

„Du brauchst einen neuen besten Freund.“

Er schaute auf. Mollies weiches Herz zeigte sich in ihren blaugrünen Augen. Die Vernunft sagte ihm, dass weder sie noch der Hund an seiner Seite wissen konnten, was er gerade gedacht hatte. Durch seine Erfahrungen mit Shadow und den Therapiehunden in der Selbsthilfegruppe für Veteranen, in der er ehrenamtlich mitarbeitete, wusste er jedoch, wie feinfühlig Tiere sein konnten.

Und was Mollie anging … Patrick würde für immer das Bindeglied zwischen ihnen bilden.

Die Treppe war perfekt geworden. Mollie zweifelte nicht, dass jede Stufe und jede Wange exakt den Vorschriften entsprach und keinen Grad davon abwich.

Mollie seufzte. „Jetzt muss ich die Veranda, die Tür und die Hinterseite meines Hauses ersetzen, damit alles auch nur halb so gut aussieht wie deine Treppe!“

Zeke grinste nur. „Das hört sich an, als ob ich die nächsten Wochenenden genug zu tun haben werde.“

„Oh nein, Zeke. Das ist mein Haus und mein Problem.“

Erst machte er ein langes Gesicht. Doch dann schenkte er ihr ein zuversichtliches Grinsen. „Natürlich. Das heißt aber doch nicht, dass ich nicht helfen darf, oder? Wie soll ich mich sonst für das ganze leckere Essen erkenntlich zeigen, das du immer für mich kochst? Und du willst doch nicht etwa behaupten, dass heute noch nichts Leckeres auf dem Herd steht?!“

„Es könnte sein, dass ich heute früh die Zutaten für ein Chili in den Slow Cooker geworfen habe“, gab sie zu.

Er kniff die Augen zusammen. „Was für ein Chili?“

Mollie schaute zum Himmel hinauf. „Tofu. Was hast du denn gedacht?“

Er verschränkte die Arme. „Ich denke, es wäre besser für dich, wenn du gerade gelogen hättest.“

„Rinderhack.“ Manchmal machte sie zur Abwechslung gerne mal Truthahnchili, aber sie wusste es besser, als es mit der gesunden Ernährung zu weit zu treiben.

Zeke schwor Stein und Bein, dass er mit seiner letzten Freundin Schluss gemacht hatte, nachdem sie ihn auf eine Pizza eingeladen hatte und ihm dann einen Blumenkohlfladen serviert hatte.

Da musste er sich wegen Mollie keine Sorgen machen. Sie hasste Blumenkohl und liebte dicke Pizza mit scharfer Wurst und Mozzarella.

Also war sie die perfekte Frau für Zeke – nur als Kumpel, versteht sich.

Mollie unterdrückte einen Seufzer, als sie in die Küche ging. Dort begrüßten sie der Geruch von köchelndem Chili und ein quirliger schwarzbrauner Jagdhund, der von der Nasen- bis zur Schwanzspitze begeistert wedelte.

„Hey, Baby! Ich hab dich auch vermisst.“ Mollie streichelte die weichen Schlappohren.

Zum Glück war Arti nicht eifersüchtig. Mollie wünschte, sie könnte das auch von sich behaupten. Zeke bückte sich, um Arti Hallo zu sagen, und ihr Hund hatte das Vergnügen, sich an ihn zu schmiegen, die Nase an seinen Hals zu pressen und sogar ein Küsschen zu bekommen …

„Verrückter Hund!“

Natürlich war Zekes Lachen nicht die Reaktion, die Mollie sich vorstellte, sollte sie je in die Verlegenheit kommen.

Verrückte Mollie …

Im Lauf der Jahre war Zeke schon so oft bei ihr zum Essen gewesen, dass Mollie ihm nicht mehr mitteilen musste, wo sich Teller, Gläser oder Löffel befanden.

Sie hatte inzwischen auch jahrelange Übung darin, das köstliche Kribbeln zu ignorieren, das sie durchfuhr, wenn sie einander zufällig berührten – wenn ihr Arm seinen Oberkörper streifte oder wenn er ihr eine warme Hand auf die Schulter legte, während er den würzigen Duft des Chilis einatmete.

„Das riecht fantastisch!“, lobte er, und Mollie konnte nicht anders, als das Gleiche zu denken – nur über Zeke.

Nichts wünschte sie sich mehr, als sich in seinen Armen umzudrehen und seinen Geruch auszukosten, den warmen, würzigen Duft seines Aftershaves gemischt mit Sonnenschein und Zedernaroma …

Sein warmer Atem kitzelte ihr Ohr. Ein Schauer lief ihr den Rücken hinunter. Mollie schaffte es kaum, nicht einfach nur dahinzuschmelzen.

Sie spannte ihre Muskeln an, um ihre weichen Knie zu überspielen, und trug den Topf mit Chili zum Esstisch.

Nachdem er über das Chili hergefallen war, als ob er seit Ewigkeiten nichts gegessen hatte, fragte Zeke: „Wie laufen denn die Reparaturarbeiten im Tierheim?“

„Sie laufen, dank des Spendenmarathons letzten Monat. Und die Whitakers haben mir erzählt, dass sich Rebekah Taylor, die neue Leiterin des Tierheims, um einen staatlichen Zuschuss beworben hat. Nicht nur für die Reparaturarbeiten, sondern auch, um das Tierheim zu erweitern. Wenn das klappt, könnte sich der Tornado im Nachhinein als ein Segen entpuppen!“ Mollie schaute gerade rechtzeitig auf, um mitzubekommen, dass Zeke sie mit einem amüsierten Lächeln musterte. „Was ist los?“ Sie schaute an sich hinunter, um sicherzugehen, dass sie nicht ihr halbes Abendessen unbemerkt über ihr T-Shirt vergossen hatte. Chiliflecken waren keine da, aber schlammige Pfotenabdrücke.

Na toll.

„Nur du kannst sogar einem Tornado noch etwas Positives abgewinnen.“

Mollies Wangen glühten. Von ihren Eltern war sie als Teenager oft genug gewarnt worden, wie dumm es war, die Welt durch eine rosarote Brille zu sehen. „Du denkst, ich bin naiv.“

Zeke schüttelte den Kopf. „Ich denke, dass du unglaublich bist. Chief und Charlie haben ein Riesenglück.“

Bei dem Kompliment stockte Mollie der Atem. „Zeke … das …“ Sie musste sich räuspern. „Das ist das Netteste, was jemand jemals zu mir gesagt hat.“

„Und das entspricht nur der Wahrheit.“ Er nahm ihre Hand und sah ihr in die Augen.

Und obwohl sie sich in all den Jahren schon tausendmal berührt hatten, fühlte es sich diesmal anders an.

Auf einmal fühlte sich alles anders an.

Erst spürte sie die Wärme von Zekes Hand und dann ein köstliches Kribbeln. Zekes grünbraune Augen schienen noch nie derart geleuchtet zu haben.

Zeke nickte. „Du bist so eine unglaubliche Frau, Mollie. Ich verstehe nicht, warum dich noch kein glücklicher Mann für sich erobert hat.“

Oh… Oh! War es endlich soweit? Nachdem sie so viele Jahre davon geträumt hatte, so viele Jahre gehofft hatte … „Also …“ Mollie schluckte. „Du hast wahrscheinlich inzwischen erraten, dass ich darauf gewartet habe …“

„Und genau das ist der Punkt. Du solltest nicht warten müssen! Nicht mehr.“

„Nein“, stimmte sie zu. „Nicht mehr. Ich bin so weit, Zeke.“

Mollie hatte sich in ihn verliebt, als sie noch ein Kind gewesen war. Und klar, damals war sie zu jung für ihn gewesen. Sogar als Teenager hatte sie sich noch als zu jung empfunden. Inzwischen war ein Altersunterschied von vier Jahren allerdings bedeutungslos. Jetzt war sie eine Frau. Und dass Zeke sie endlich als Frau wahrnahm …

„Ich weiß. Darum will ich, dass du mit einem von meinen Freunden ausgehst.“

„Wie bitte?!“ Mollie entriss ihm ihre Hand und starrte ihn über den Tisch hinweg an. „Du willst was?“

„Ich habe gedacht, ich könnte für dich eine Verabredung arrangieren. Mollie, ich will doch nur sagen, dass du eine fantastische Frau bist. Du wärst ein toller Fang.“

Klar. Darum hatte er sie ja auch gerade über Bord geworfen.

Sie schob den Stuhl zurück, schnappte sich ihren halb vollen Teller und stakste zur Küchentheke. Ihr Gesicht glühte vor dem Gefühl, erniedrigt worden zu sein, weshalb sie es nicht ertragen konnte, Zeke auch nur anzusehen.

Sie wusste nicht, was sie als schlimmer empfand. Dass sie sich eingeredet hatte, er hätte Interesse an ihr, oder dass er sie für so verzweifelt hielt, aus Mitleid ein Date für sie organisieren zu müssen.

„Ich brauche dich nicht, um mein Liebesleben in Ordnung zu bringen!“

„Mollie, es geht doch nicht darum, irgendwas in Ordnung zu bringen. Lass mich dir helfen.“ Statt aufzugeben, kam Zeke um den Tisch herum und legte ihr die Hände auf die Schultern. So wütend sie war, der Augenblick hatte etwas in ihr freigesetzt.

Sie war kein Kind, und sie war nicht seine kleine Schwester. Sie war eine erwachsene Frau, und sie wollte, dass Zeke sie in den Armen hielt, sie küsste und sie liebte, wie ein Mann eine Frau liebte.

„Zeke …“

Obwohl sich für Mollie alles geändert hatte, war für Zeke alles wie immer.

„Ich weiß, du sagst immer, dass du Hunde lieber magst als Menschen“, sagte er lächelnd. „Es wird dir aber guttun, mal rauszukommen und jemand Neues kennenzulernen. Wenn es das einfacher macht, dann könnten wir ein Doppeldate draus machen.“

„Heißt das, du hast wieder jemanden kennengelernt?“ Mollie fürchtete den Tag, an dem Zeke eine Frau finden würde, die er für die Richtige hielt. Vor zwei Jahren war dieser Albtraum beinahe wahr geworden.

Sie war immer noch unendlich dankbar, dass Zeke und Lilah Schluss gemacht hatten, bevor sie vor den Altar getreten waren. Ihr persönlicher – unbeabsichtigter – Beitrag dazu war ihr immer noch unangenehm.

Er zog eine breite Schulter zu einem halben Achselzucken hoch. „Habe ich nicht. Aber ich kann ja jemanden anrufen.“

Weil es ja so einfach war, jemanden zu daten … Mollie konnte sich nicht erinnern, wann sie das letzte Mal mit einem Mann ein Gespräch geführt hatte, bei dem es nicht um ihren Job, um das Tierheim oder um einen Kostenvoranschlag für Reparaturen an ihrem Haus gegangen war.

Himmel, kein Wunder, dass Zeke glaubte, er müsste sie verkuppeln! Ihr Liebesleben hatte wirklich erbärmliche Ausmaße.

„Ich habe einfach gedacht, vielleicht fühlst du dich wohler, wenn ich dabei bin.“

Mollie konnte sich nicht viel vorstellen, bei dem sie sich unwohler fühlen würde – inklusive einer glühenden Nadel, die sie sich ins Auge stach …

„Klar, du mit mir, auf einer Verabredung.“

Mit ihr, aber nicht mir ihr verabredet. Mit einer anderen Frau auf ihrem Date.

„Wie wäre es nächsten Freitag?“, fragte Zeke. Er zückte sein Handy.

„Zeke, es reicht!“

Überrascht über ihren scharfen Tonfall schaute er auf. „Was ist? Passt dir Freitag nicht?“

„Nein, Zeke“, presste sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.

Zeke hatte nicht erwartet, dass sein Vorschlag sie begeistern würde, so eigensinnig, wie sie war. Er war es Patrick nun einmal schuldig, dass er sich um dessen kleine Schwester kümmerte.

Mollies blaugrüne Augen sprühten Funken, als sie einen Schritt auf ihn zu machte. Er hatte sie noch nie so wütend gesehen.

Er hatte sie noch nie als so sexy wahrgenommen.

Zeke dachte nicht mehr an seinen besten Freund oder an ein bedeutungsloses Doppeldate, als das Blut in seinen Adern plötzlich kochte. Das Verlangen traf ihn völlig unvermutet. Er stolperte einen Schritt rückwärts, als Mollie ihm den Finger in den Brustkorb stach.

„Ich brauche dich nicht, um für mich ein Date zu organisieren. Ich komme gut allein zurecht.“

„Du …“

„Ich komme allein zurecht!“, wiederholte sie. „Und ich kann mich selbst um meine Verabredungen kümmern. Vielen herzlichen Dank auch!“

„Wie in aller Welt soll ich nur an ein Date kommen?“, jammerte Molly am nächsten Tag. Ihre Freundinnen Claire und Amanda hatten auf ihren Hilferuf reagiert und sich mit ihr im Main-Street-Grill zum Lunch getroffen.

Doch anstatt die Unlösbarkeit ihres Problems zu erkennen, lächelten sich Amanda und Claire zu. Amandas warme schokobraune Augen leuchteten auf. „Ich will dir schon seit Ewigkeiten eine Verabredung vermitteln.“

Mollie stocherte in ihrem Salat herum. „Da seid ihr schon zwei, du und Zeke.“

Claires Miene spiegelte Mitleid wider. „Ich weiß, das ist nicht leicht. Vielleicht ist es wirklich an der Zeit, dich anders zu orientieren.“

Alles in Mollie rebellierte bei dem Gedanken. „Wie kannst du das sagen? Vor allem, wo du nach all den Jahren wieder mit Matt zusammengekommen bist.“

„Matt und ich hatten eine Vorgeschichte. Eine romantische Vorgeschichte.“

„Dann denkst du also, dass es hoffnungslos ist. Dass ich ein hoffnungsloser Fall bin.“

„Das bist du überhaupt nicht!“, widersprach Amanda. „Du bist eine wunderbare, fantastische Frau, die einen wunderbaren, fantastischen Mann verdient hat.“

„Zeke ist …“

„Ich weiß, er ist ein wunderbarer und fantastischer Mann.“ Mit überaus sanfter Stimme fügte Amanda hinzu: „Aber du musst dich damit abfinden, Süße, dass er vielleicht nicht der richtige Mann für dich ist.“

Mollie schob ihren Teller weg. „Ich bin einfach nicht gut, was Verabredungen angeht. Ich weiß nie, was ich sagen soll. Und dann fühle ich mich so unbehaglich, dass ich gar nichts sage … Das endet einfach immer in einer Katastrophe.“

„Du brauchst nur ein bisschen Selbstvertrauen. Lass uns mal versuchen, dir ein Date zu besorgen. Dann siehst du, dass es gar nicht so schlimm ist.“

„Ich weiß nicht so recht …“ Mollie wollte gerade abwinken, als jemand sie unterbrach.

„Hey, Schwesterchen!“

Die drei Frauen schauten auf. Amandas älterer Bruder Josh kam an den Tisch. Wie alle ihre Geschwister hatte Josh olivbraune Haut, dunkelbraune Augen und umwerfende Grübchen. Er beugte sich über die Schulter seiner Schwester und brach sich ein Stück von deren Muffin ab. „Die sind einfach nicht mehr so wie früher, bevor du weggegangen bist.“

„Hör bloß auf! Das Rezept ist dasselbe“, beharrte Amanda. Mollie entging nicht, dass ihre Freundin zur Sicherheit selbst noch einmal vom Gebäck kostete.

„Hör auf, deiner Schwester ein schlechtes Gewissen einzureden, weil sie mit ihrer Cateringfirma jetzt ihre eigenen Träume verwirklicht!“, schimpfte Claire.

„Ach, komm schon. Brüder und Schwestern zu nerven, das ist doch das Beste daran, Geschwister zu haben.“ Joshs Blick traf Mollie, und er verstummte mit einem leisen Fluch. „Tut mir leid, Mollie. Ich hab nicht nachgedacht – Patrick war ein echter Held.“

„Ja, das war er“, murmelte Mollie, obwohl ihr die Erinnerung die Kehle zuschnürte. So wie immer, wenn jemand ihren Bruder erwähnte.

Patrick war ein wunderbarer Mann und ein außergewöhnlicher Soldat gewesen. Doch der Bruder, um den sie trauerte, den sie vermisste, war auch nur ein Mensch gewesen. Er hatte sich geängstigt, gezweifelt und er hatte Fehler gemacht.

Ihre Eltern, Zeke, die ganze Stadt – alle wollten Patrick McFadden stets nur als den heldenhaften Soldaten in Erinnerung behalten, der sozusagen für sein Land gestorben war.

Sie schaffte es weiterzulächeln, obwohl ihr Tränen in den Augen brannten. „Und er wäre der Erste, der dir zustimmen würde.“

Erleichtert grinste Josh. „Oh ja, Patrick war ein cooler Typ. Alle Jungs in Spring Forest haben gewusst, dass sie besser die Finger von dir lassen, weil sie es sonst mit ihm zu tun bekommen hätten.“

„Was meinst du damit, Josh?“, fragte Amanda so verwirrt, wie Mollie sich fühlte.

Der zog die dunklen Augenbrauen hoch. „Das wisst ihr nicht? Bevor er zur Grundausbildung gegangen ist, hat sich Patrick jeden jungen Burschen im County zur Brust genommen. Er hat alle wissen lassen, dass seine kleine Schwester unantastbar ist.“

Mollie sah, wie sich ihre Freundinnen vielsagende Blicke zuwarfen. „Das ist doch lächerlich“, murmelte sie in ihr Glas Eistee. „Ich war doch noch ein Kind.“

„Du warst vierzehn“, meinte Amanda.

Josh nickte. „Und Patrick wusste schon damals, was wir anderen spätestens auf der Highschool gemerkt haben – dass aus dir mal eine wunderschöne Frau wird.“ Josh zwinkerte ihr auf eine Art und Weise zu, die sie erröten ließ. „Er hatte recht mit seiner Warnung.“

Nachdem Josh sich entschuldigt hatte, um in der Küche etwas mit seinem Schwager zu besprechen, herrschte Schweigen am Tisch.

„Also, jetzt hast du doch deine Erklärung!“, verkündete Claire schließlich.

Amanda nickte. „Der Grund, warum du solche Schwierigkeiten gehabt hast, Leute zu daten, hatte nichts mit dir persönlich zu tun.“

War das möglich? Mollie versuchte, sich an ihre Schulzeit zu erinnern. Damals war es ihr so vorgekommen, als ob sich alle Mädchen ständig verabredeten … alle, außer sie selbst. Mollie hatte geglaubt, sie sei schuld daran. Sie hielt sich für zu schüchtern, zu unbeholfen, zu unansehnlich. War es wirklich die Drohung ihres großen Bruders, die die Jungs von ihr ferngehalten hatte?

„Du weißt doch, dass Patrick dich immer beschützen wollte.“ Amanda drückte Mollies Hand. „Er hatte nie die Chance zu sehen, was für eine starke, selbstbewusste, schöne Frau aus dir geworden ist.“

„Und jetzt ist es an der Zeit, dass der Rest von Spring Forest das auch wahrnimmt“, fügte Claire hinzu.

„Ich weiß nicht so recht …“

„Du hast doch gehört, was Josh gesagt hat, und …“ Amanda riss die Augen auf. „Oh mein Gott! Ich kann nicht glauben, dass ich noch nicht daran gedacht habe. Josh würde perfekt zu dir passen!“

„Josh?! Aber er ist …“

„Er ist was?“, fragte ihre Freundin irritiert. „Ja, er ist mein Bruder und eine Nervensäge. Und doch ist er auch klug, witzig und sieht ganz gut aus. Nenn mir einen guten Grund, warum du nicht mit ihm ausgehen willst.“

Mollie machte sich nicht die Mühe, den einzigen Grund zu nennen, der für sie wichtig war …

Bei Josh handelte es sich eben nicht um Zeke.

Mollie lächelte voller Stolz, als sie den gut aussehenden Burschen über den Tisch hinweg ansah. „Herzlichen Glückwunsch, Stanley! Du hast ganz offiziell bestanden.“ Obwohl sie wusste, vom Zwergspaniel nicht verstanden werden zu können, ließ sich der Eindruck nicht abschütteln, dass der winzige Hund sie angrinste.

„Mein braver, braver Junge!“ Stanley grinste vielleicht, aber seine Eigentümerin, Mrs. Winchester, strahlte über das ganze Gesicht.

Mrs. Winchester pflegte ein sehr aktives Gesellschaftsleben. Und dabei sollte Stanley mit von der Partie sein. Seine Neigung, sich wie ein Wachhund aufzuführen, machte das jedoch zu einer Herausforderung.

Als Teil seiner Abschlussprüfung hatten Mollie und Mrs. Winchester sich in einem schicken Restaurant in Raleigh getroffen. „Er hat sich heute wirklich wie der perfekte Gentleman benommen“, sagte Mollie. Der Hund hatte nicht ein einziges Mal geknurrt oder geschnappt.

Mrs. Winchester schloss Mollie am Ende der Mahlzeit in die Arme. „Ich kann Ihnen gar nicht genug danken, Mollie.“

Mit der Versicherung, dass Mrs. Winchester sich jederzeit melden konnte, falls Stanley wieder in alte Verhaltensmuster zurückfallen sollte, verabschiedete sich Mollie. Weil ihr nächster Termin erst am späten Nachmittag war, beschloss sie, einen Einkaufsbummel zu unternehmen.

Normalerweise war das nicht so ihr Ding. Heute blieb sie jedoch vor einer Boutique stehen. Wenn sie sich auf ein Date mit Josh einließ, sollte sie wahrscheinlich darüber nachdenken, sich etwas Neues zum Anziehen zu kaufen.

Schaufensterpuppen präsentierten eine Auswahl an kurzen, tief ausgeschnittenen, hautengen Kleidern, während Poster für heiße Looks und noch heißere Preise warben. Einen Sekundenbruchteil dachte sie daran, in den Laden zu gehen, aber nein … Genau aus diesem Grund ging sie nicht shoppen. Oder auf Verabredungen.

Mollie seufzte, als sie weiterging. Der nächste Laden war noch schlimmer. Das Schaufenster bot eine üppige Auswahl an Spitzenunterwäsche. BHs und Slips – manche aus Satin, andere komplett durchsichtig. Baby-Doll-Nachthemdchen, seidene Morgenmäntel. In allen Schattierungen des Regenbogens und ein paar mit Tiermustern, um auch die wilde Seite einer Frau – oder eines Mannes – zu befriedigen.

Trotz ihres Berufs fürchtete Mollie, einfach keine wilde Seite zu besitzen. Ihre Unterwäsche sah demzufolge praktisch aus und kein bisschen modisch. Sie war nicht aus Satin oder sonst wie sexy. Im Gegenlicht betrachtete sie ihr Spiegelbild im Schaufenster – khakifarbene Button-down-Bluse, olivgrüne Caprihose, Pferdeschwanz.

Heiß? Scharf? Eher fad und langweilig.

Wenn sie im richtigen Winkel vor dem Schaufenster stand, konnte sie das schimmernde Spiegelbild eines smaragdgrünen Nachthemdchens auf ihrem Körper erblicken. Sie konnte die kühle, dünne Seide beinahe auf ihrer Haut spüren …

„Hey, Mollie! Hab ich doch gedacht, dass du das bist.“

Mollie … du bist es … du bist es immer gewesen …

Sie war so in Gedanken verloren, dass ihr das Herz bis zum Hals klopfte, als ihr aufging, dass Zeke nicht zu ihrem Tagtraum gehörte.

Sie wirbelte so schnell herum, dass ihr schwindelig wurde. Klar, Zekes Praxis befand sich nur ein paar Häuserblocks entfernt, aber Mollie hatte nicht erwartet, ihn hier zu treffen.

Du musst dich damit abfinden, dass er vielleicht nicht der richtige Mann für dich ist.

Ihr Verstand fing ja an, dies zu begreifen, aber ihr Herz ging beharrlich seinen eigenen Weg. Sie sog seinen Anblick in sich auf.

„Was machst du denn hier?“, fragte er lächelnd, bevor er stirnrunzelnd den Laden hinter ihr anstarrte.

Ihr wurde am ganzen Körper heiß, als ob er sie in einem dieser freizügigen Negligés ertappt hatte. War sie nicht gerade in die Vorstellung versunken gewesen, wie sich diese smaragdgrüne Seide auf ihrer Haut anfühlen würde? War es möglich, dass Zeke …

Mollie verwarf den Gedanken. Wenn er sie nicht neulich dazu ermutigt hätte, sich zu verabreden, dann hätte sie geschworen, dass Zeke überhaupt nicht klar war: Bei ihr handelte es sich tatsächlich um eine erwachsene Frau.

„Ich habe mich mit einer Kundin zum Lunch getroffen. Und dann habe ich gedacht, ich gehe shoppen.“

„Shoppen?!“ Er wiederholte das Wort, als ob er es noch nie gehört hätte. Die Ladentüren hinter ihnen öffneten sich zischend, als eine zufriedene – vielleicht auch bald in jeder Hinsicht befriedigte – Kundin mit knallrosa Tüten in der Hand aus dem Geschäft kam. Ein warmer Vanilleduft und romantische Hintergrundmusik folgten ihr.

Und doch war es Zekes Nähe, die Mollie ganz benommen machte. Sein würziges Eau de Toilette sorgte dafür, dass ihr fast schwindelig wurde. Sie konnte sich nicht vorstellen, diese verführerischen Dessous anzuprobieren, ohne sich auszumalen, wie Zeke sie ihr wieder ausziehen würde.

Sie blickte ihm in die grünbraunen Augen. Einen Sekundenbruchteil lang dachte sie, das ganze Verlangen und all die Lust in der Tiefe seiner Augen schimmern zu sehen, die sie sich ersehnte … Sie stand nah genug vor ihm, um ihr Spiegelbild in seinen Augen zu sehen. Und plötzlich wurde ihr auf schmerzhafte Weise etwas bewusst.

Was sie erblickte, waren nur ihr Verlangen und ihre Lust, die sich in seinen Augen widerspiegelten.

Und oh, Gott …

Was, wenn Zeke diese Empfindungen auch sehen konnte?

Das Einzige, was noch erniedrigender wäre, als rettungslos in den besten Freund ihres verstorbenen Bruders verliebt zu sein, wäre doch, wenn dieser beste Freund das auch noch wusste!

„Ja, shoppen! Ich brauche neues Kauspielzeug – für die Hunde“, platzte sie heraus. Ihre Wangen glühten vor Scham. Sie schwenkte eine Hand. „Gleich um die Ecke ist ein Zooladen.“

„Ach, richtig.“ Zeke stieß ein kurzes Lachen aus, das sich erleichtert anhörte. „Zooladen, klar. Wie geht’s den neuen Pflegehunden?“

Dankbar für den Themawechsel sagte Mollie: „Charlie ist dabei, sich einzugewöhnen.“ Inzwischen hatte sie Arti beide Gasthunde vorgestellt. Wie erwartet, hatte ihr alberner Hund sich nur über die neuen Spielkameraden gefreut. Um die beiden Hündinnen musste sie sich also definitiv keine Sorgen machen …

Als ob er ihre Gedanken lesen konnte, fragte Zeke: „Und was ist mit Chief?“

„Sie … macht sich.“ In den Tagen, seit sie Chief zu sich nach Hause gebracht hatte, hatte Mollie erst erkannt, wie schwer traumatisiert der arme Hund sein musste.

„Ich treffe mich nachher mit ein paar Kollegen zum Lunch“, sagte Zeke. „Hast du Lust mitzukommen?“

Mollie schüttelte den Kopf. „Ich muss doch noch einkaufen gehen.“

„Ach ja. Das Kauspielzeug für die Hunde.“ Er grinste. Plötzlich beschloss Mollie, ihm dieses Grinsen abzugewöhnen.

Sie musste ihm beweisen, dass sie Frau genug war, um ihre eigenen Lebensentscheidungen zu treffen. Und wenn er das nicht kapierte, dann war es vielleicht wirklich an der Zeit, ihre Aufmerksamkeit einem Mann zu schenken, der dazu in der Lage war.

„Genau. Und noch eine Kleinigkeit für mich.“

Sie drehte sich um und betrat den Dessousshop. In dem Sekundenbruchteil, bevor sich die Schiebetüren öffneten, erhaschte sie noch einen sehr befriedigenden Blick auf das Spiegelbild von Zekes schockierter Miene im Schaufenster.

3. KAPITEL

„Hey, tut mir leid, dass ich spät dran bin.“

Zeke schaute von seinem Kaffee auf, als sein Freund Matt Fielding sich ihm gegenüber niederließ. „Kein Problem.“ Er hielt seine Tasse hoch. „Ich habe gerade erst bestellt.“

Die beiden Männer trafen sich normalerweise samstagvormittags im Whole Bean Coffee, bevor sie ins Fitnessstudio gingen, um Bälle zu werfen. Matt erholte sich zwar immer noch von Verletzungen, die er als Soldat im Auslandseinsatz erlitten hatte, aber er behauptete steif und fest, dass Basketball viel weniger anstrengend für sein Bein sei als Krankengymnastik.

„Wie läuft’s denn so?“, fragte Zeke.

Wie üblich war das Café voll. Zeke hatte bereits Mollies Freundin Amanda entdeckt, aber Mollie selbst war nicht anwesend. Nicht, dass Zeke das erwartet hätte. Ihre Wochenenden waren normalerweise ausgebucht.

Zweifellos war das auch der Grund, warum sie nicht auf seine Anrufe oder Textnachrichten reagiert hatte.

„Und dann haben Ellie und Sparkle beschlossen wegzulaufen und zum Zirkus zu gehen.“

„Das ist toll, Matt. Und – warte mal, was hast du gesagt?“

„Spielt das eine Rolle?“, fragte sein Freund trocken. „Du hast mir sowieso nicht zugehört.“

„Tut mir leid. Ich habe an Mollie denken müssen.“

Matt zog die Augenbrauen hoch. „Wirklich?“

„Ja.“ Zeke seufzte. „Ich mache mir Sorgen um sie. Es kommt mir so vor, als ob sie nur noch mit ihren Hunden arbeitet.“

„Dasselbe könnte man über dich und deine Klientinnen und Klienten sagen. Gar nicht zu reden von der Zeit, die du mit der Selbsthilfegruppe für Kriegsheimkehrer verbringst.“

In Zekes Augen war sein Engagement das Wenigste, was er tun konnte, um sich bei den Soldaten erkenntlich zu zeigen, die so große Opfer gebracht hatten. Soldaten wie Patrick …

„Ich bin jetzt schon seit Monaten wieder zurück, und du hast nie eine Frau erwähnt – eine, die dir etwas bedeutet.“

Zeke griff nach seinem Kaffee. „Vielleicht, weil es eine Weile her ist, seit es so eine Frau gab“, erklärte er.

Seit seiner gelösten Verlobung hielt Zeke sein Liebesleben streng von Freunden und Familie fern.

Lilah war kurz vor seinem letzten Schuljahr ins Nachbarhaus gezogen. Die schöne Blondine war im Nullkommanichts das beliebteste Mädchen der Schule geworden.

Alle Jungs waren verknallt in sie, aber sogar als Teenager hatte Zeke gewusst, keine Chance zu haben. Lilah stand auf einen bestimmten Typ, und Zeke glaubte, nicht in das Muster von Supersportlern, Ballkönigen und Obercoolen zu passen. Patrick jedoch war im Sommer vor dem Bootcamp ein paarmal mit ihr ausgegangen.

Nach dem Ende der Schulzeit war Lilah weggezogen. Dann hatte sie die ganze Stadt in Erstaunen versetzt, indem sie zurückgekommen war. Zeke hatte nicht viel darüber nachgedacht. Er war erwachsen geworden und hatte andere Beziehungen, weshalb Lilah – und seine Schwärmerei für sie – längst der Vergangenheit angehörten. Das dachte er wenigstens, bis er eines Tages mit Kollegen ausgegangen war und sie im angesagtesten Nachtclub von Raleigh getroffen hatte. In all den Jahren hatte Lilah ihn nie eines Blickes gewürdigt. An diesem Abend jedoch war ihm ihr Blick durch Mark und Bein gegangen, quer durch die überfüllte Bar spürte er, wie sie ihn von Kopf bis Fuß musterte …

Und mit diesem einen Blick hatte sie ihn an der Angel gehabt.

Seine Eltern und die von Lilah waren begeistert gewesen. Sie waren seit mehr als zehn Jahren gut befreundet und hatten die Idee großartig gefunden, eine Familie zu werden … Als die Verlobung zerbrach, war ihre Freundschaft ebenfalls zu Ende gewesen.

„Ich habe angeboten, Mollie ein Date zu besorgen“, sagte er.

„Du?“ Matt verschluckte sich an seinem Kaffee. „Tut mir leid, wenn ich dich nicht in der Rolle des Amors sehen kann.“

Zeke winkte ab. „Ich kenne Mollie besser als irgendjemand sonst. Und ich bin gut darin, Leute einzuschätzen.“

„Ich … Wahnsinn. Na schön, Mr. Einfühlsam. Wer ist der Glückliche?“

Als Zeke seine Idee Mollie gegenüber erwähnt hatte, hatte er mindestens ein Dutzend Männer im Kopf gehabt, aber seither … Seither hatte er zugesehen, wie Mollie in dem Laden mit der sexy Unterwäsche verschwunden war. Und seither bekam er die Vorstellung von Mollie in Satin und Seide nicht mehr aus seinem Kopf.

Sich eine romantische Beziehung zu Mollie auch nur vorzustellen, war absolut unmöglich. Vor langer Zeit hatten Patrick und er einander geschworen, dass sie Brüder waren. Also handelte es sich bei Mollie um seine Schwester. Und er würde nicht – konnte nicht – anders von ihr denken.

Nichts würde einen Mann, mit dem Mollie ausging, daran hindern, sich das alles vorzustellen und noch viel mehr zu tun … Inzwischen fragte sich Zeke, warum er jemals gedacht hatte, einer guten Idee nachzugehen, wenn Mollie sich verabredete …

„Ich … ich weiß nicht“, murmelte er. „Es darf auf keinen Fall irgendein x-beliebiger Typ sein.“

„Wie wäre es mit Dan Sutton?“

Der Anwalt hatte einen sehr guten Ruf in Spring Forest. Trotzdem schüttelte Zeke den Kopf. „Der hat genug damit zu tun, sich um seine drei Töchter zu kümmern.“

„Ich weiß nicht“, entgegnete Matt. „Vielleicht sucht er als alleinerziehender Vater nach einer Partnerin, die ihm das Leben leichter macht.“

„Dan ist zu konservativ.“ Zeke konnte sich nicht vorstellen, dass der Mann Hundehaar auf seinen teuren Anzügen ertragen würde.

Matt zählte noch ein paar andere Männer auf – Grant Whitaker, den Neffen der Whitaker-Schwestern, sowie Davis Macintyre, einen Tierarzthelfer im Tierheim. Aber Zeke schüttelte den Kopf. „Grant zieht doch wieder nach Florida, wenn die Reparaturen am Tierheim fertig sind. Und Davis ist sogar noch introvertierter als Mollie. Sie braucht jemanden, der ihr hilft, sich mehr aus ihrem Schneckenhaus herauszutrauen.“

„Also einen Mann wie dich“, meinte Matt.

„Genau! Ich meine, natürlich nicht ich. Mollie kann sich bei mir entspannen, weil wir schon so lange befreundet sind.“ Und Freunde stellten sich Freunde definitiv nicht in Reizwäsche vor.

„Und du bist dir ganz sicher, das ist alles?“

„Natürlich.“ Da durfte nur Freundschaft sein. „Ich kenne sie doch schon, seit sie eine Zahnspange getragen hat“, sagte er. Daran wollte er sich selbst mindestens so sehr erinnern wie seinen Freund.

Sogar nachdem Matt jeden Mann in ihrem gemeinsamen Bekanntenkreis aufgezählt hatte, der zurzeit Single war, konnte Zeke sich keinen von ihnen mit Mollie vorstellen. Jedes Mal, wenn er das versuchte … Etwas in seinem Inneren schien sich gegen den Gedanken zu sträuben.

„Sieht so aus, als ob hier keiner gut genug ist für Mollie“, sagte Matt schließlich.

Zeke konnte nicht anders, als einen Seufzer der Erleichterung auszustoßen. „Ich bin sicher, es gibt jemanden, an den ich bislang nur noch nicht gedacht habe.“

„Ja“, murmelte sein Freund. „Da bin ich mir ziemlich sicher.“

Weil er einen Themawechsel brauchte, fragte Zeke: „Und wie läuft’s im neuen Job?“

Matt hatte einen Job in der Autowerkstatt von Bobby Doyle angenommen. Beim Militär hatte Matt als Mechaniker gearbeitet, und die beiden Veteranen hatten sich auf Anhieb gut verstanden.

„Großartig.“

„Aber?“, hakte Zeke nach, weil Matts Stirnrunzeln im Widerspruch zu seiner Antwort stand.

„Mann, ich mache mir immer noch echt Sorgen um Bobby. Auch wenn er das nicht zugeben will, ich weiß genau, dass er eine posttraumatische Belastungsstörung hat, ganz bestimmt.“

„Ich nehme an, dass du es immer noch nicht geschafft hast, ihn davon zu überzeugen, es mal mit der Selbsthilfegruppe zu versuchen, oder?“, vermutete Zeke.

Matt schüttelte den Kopf. „Ich glaube, er ist einfach noch nicht bereit zuzugeben, dass er seine Probleme nicht allein in den Griff bekommt.“

Frust und Sorge klangen aus Matts Stimme heraus. Ins zivile Leben zurückzukehren fiel vielen Veteranen nicht leicht. Und das Trauma von Auslandseinsätzen blieb nicht in Übersee zurück, wenn die Soldaten heimkehrten. „Es muss doch noch etwas geben, was ich tun kann.“

Dieses Gefühl kannte Zeke nur zu gut. Wie oft hatte er sich seit Patricks Tod die Frage gestellt, was er noch hätte tun können. Bei Patricks letztem Heimaturlaub hatte Zeke gespürt, dass es Patrick nicht gut ging. Mehr als einmal hatte er sich bemüht, seinen Freund dazu zu bringen, sich ihm anzuvertrauen.

Aber als Patrick klipp und klar gesagt hatte, dass er mit ihm als Freund abhängen wollte und sich nicht bei ihm als Therapeuten auf die Couch legen wollte, hatte Zeke sich zurückgehalten. Er war sich sicher gewesen, darauf vertrauen zu können: Sie würden zum richtigen Zeitpunkt miteinander reden können.

Doch dazu war es nie gekommen.

Wenn Zeke sich mehr bemüht hätte, Patrick dazu zu bringen, sich ihm anzuvertrauen, wäre sein bester Freund dann noch am Leben?

„Bist du bereit?“ Amanda und Claire grinsten aufgeregt. Die drei Frauen standen in Mollies Schlafzimmer und warteten auf die große Enthüllung.

Mollie hatte das Gefühl, dass ihre beiden Freundinnen stundenlang an ihr herumgezerrt und herumgezupft hatten. Jetzt quälten sie Kopfschmerzen. Ihre Füße, die sie in geborgte Schuhe mit hohen Absätzen gezwängt hatte, taten weh. Und sie war ziemlich sicher, dass sie ein paar Nähte sprengen oder sich eine Rippe brechen würde, wenn sie zu tief einatmete, solange sie das Kleid anhatte, das sie aus den Untiefen ihres Kleiderschranks hervorgezogen hatte.

Während der ganzen Verschönerungsprozedur hatten ihre Freundinnen Mollie daran gehindert, auch nur einen Blick auf ihr Spiegelbild zu erhaschen.

„Ihr wisst schon, dass das verrückt ist, ja? Es gibt nicht genug Make-up auf der Welt, um zu übertünchen, wer ich wirklich bin.“

„Niemand will hier irgendwas übertünchen, Mollie!“, beharrte Amanda. „Du bist eine wunderbare, eine wunderschöne Frau.“

„Und das wollen wir betonen“, fiel Claire ein.

„Und ihr glaubt wirklich, dass knallroter Lippenstift und eine Bienenkorbfrisur das tun?“, fragte sie zweifelnd.

Mollie war noch nie der Typ dafür gewesen, sich viel Gedanken über Frisuren und Make-up zu machen, obwohl – oder vielleicht gerade weil – ihre Mutter sie ständig dazu ermuntert hatte.

„Okay, also erstens ist das ein Color-me-Roses-Rot. Und zweitens leben wir nicht mehr in den Sechzigern. Deine Frisur ist ein zeitloser Knoten, kein Bienenkorb.“

„Was dir klar wäre“, mischte Claire sich ein, „wenn du mal einen Blick in den Spiegel werfen würdest.“

Mollie stieß einen Seufzer aus, drehte sich um und starrte die Frau an, die aus dem Spiegel heraus zurückstarrte …

„Oh, mein Gott. Ich sehe …“

„… fantastisch aus!“, beendete Amanda den Satz. Mollie fehlten die Worte, um ihre Verwandlung auch nur ansatzweise zu beschreiben.

Ihre zerzausten roten Locken waren verschwunden. Stattdessen wurde ihr Haar im Nacken zu einem eleganten Knoten zusammengefasst. Make-up betonte dezent ihre Sommersprossen und verlieh ihrer Haut einen warmen Schimmer. Ihre hellen Wimpern wirkten lang und dicht und umgaben Augen, die geradezu glühten.

Dann noch das ärmellose, smaragdgrüne Wickelkleid – das ihre Mutter ihr letztes Jahr unbedingt für die Hochzeit ihrer Cousine kaufen musste –, und Mollie erkannte sich selbst kaum wieder.

Sie hob den Kopf ein wenig höher und straffte die Schultern. Sie konnte nicht glauben, wie selbstbewusst und weltgewandt sie wirkte. Wie selbstbewusst und weltgewandt sie sich fühlte.

Nicht mehr wie Patricks kleine Schwester und Zekes bester Kumpel, sondern wie eine Frau, die einem Mann den Kopf verdrehen konnte. Wie eine Frau, die einem Mann wirklich auffallen würde …

„Josh wird wie vom Blitz getroffen sein!“

Josh …

Mollie zuckte zusammen. Eine Mischung aus Enttäuschung und Schuldgefühlen überkam sie. Zeke würde sie nicht bemerken, denn sie ging nicht mit Zeke aus. Die ganze Mühe sollte nur für Josh sein.

Mollie schüttelte den Gedanken ab und umarmte ihre Freundinnen. „Danke. Ihr habt das Wunder, das ihr mir versprochen habt, wahr werden lassen.“

„Kein Wunder, Mollie. Denk dran, Josh ist sowieso schon der Meinung, dass du wunderschön bist.“ Amanda drehte Mollie wieder zum Spiegel um. „Jetzt geht es nur darum, dass du selbst an dich glaubst.“

Mollie bemühte sich, es zu beherzigen, nachdem Amanda und Claire wieder fortgegangen waren. Josh wollte mit ihr in ein Restaurant in Raleigh. Was war, wenn sie nach den ersten paar Minuten nichts mehr zu sagen hatte? Was war, wenn das Restaurant so ein piekfeines Etablissement war und sie nichts kannte, was auf der Speisekarte stand? Was, wenn …

Ein Klopfen an der Haustür unterbrach ihre aufkeimende Panikattacke. Josh war nicht nur charmant und gut aussehend, er war auch noch überpünktlich.

Doch als sie die Tür aufmachte, handelte es sich bei dem Mann, der vor ihr stand, nicht um den, mit dem sie verabredet war. Stattdessen traf sie auf den Mann, in den sie rettungslos verliebt war.

Zeke starrte die Frau an, die ihm entgegenblickte. Er blinzelte heftig. Dann starrte er sie weiter an.

Die Frau nämlich – das Haar elegant zurückgebunden, die Lippen köstlich rot, den Körper in ein grünes Seidenkleid gehüllt, das ihre Figur umschmeichelte – konnte unmöglich Mollie sein.

Nicht seine Mollie – das Mädchen, das er aus den Stromschnellen gerettet hatte, als sie in den Fluss gesprungen war, um den Hund herauszuziehen, den sie später Shadow getauft hatte. Nicht der dünne Wildfang, der bei jeder sich bietenden Gelegenheit hinter ihm und Patrick hergelaufen war. Nicht die schüchterne Hundetrainerin, die nie etwas anderes trug als Jeans und T-Shirt, das Haar immer zum Pferdeschwanz gebunden, und die allenfalls Sonnencreme verwendete, aber kein Make-up.

„Zeke“, sagte die Frau, die unmöglich Mollie sein konnte. Ein Hauch natürlicher Röte schimmerte durch das Rouge auf ihren Wangen hindurch. „Was machst du hier?“

„Ich, äh…“ Nach seiner Unterhaltung mit Matt hatte Zeke ein paar Veteranen mit ihren Therapiehunden getroffen. Jetzt fragte er sich, ob das vielleicht die Lösung für Bobby Doyle sein könnte.

Und wer wusste mehr über Hundetraining als Mollie?

Sein Plan, Bobby zu helfen, war nun das Letzte, woran er dachte, als er mit offenem Mund die Frau anstarrte, die vor ihm stand. „Was hast du denn an?“

Und wo in aller Welt wollte sie in diesem Aufzug hin?

„Ich, äh…“ Mollie sah an sich herunter. So klein, wie sie war, hätte Zeke sich nie vorstellen können, dass ihre Beine so lang sein könnten.

Ruckartig schaute er auf, als Mollie etwas erwiderte. Auf einmal war es ihm unmöglich, zwei Dinge gleichzeitig zu tun – jedenfalls, wenn eines dieser Dinge darin bestand, Mollies Beine anzustarren.

„… für die Hochzeit meiner Cousine letztes Jahr“, sagte Mollie gerade. Leider half es seiner Konzentrationsfähigkeit nichts, wenn er in ihr Gesicht blickte.

Nicht, wenn die Abendsonne ihr Haar derart funkeln ließ und ihre Lippen so leuchtend rot waren. Und ganz sicher nicht, als Charlie versuchte, sich durch die offene Tür zu schieben, und Mollie sich bückte, um die Hündin festzuhalten. Als sie sich vorbeugte, klaffte nämlich der V-Ausschnitt ihres Kleides auseinander und gab den Blick frei auf sanft gerundete Brüste, die ein wahrer Gentleman ignoriert hätte, aber denen kein Mann widerstehen konnte.

Nur war das hier nicht einfach irgendeine Frau. Das war Mollie, seine gute Freundin! Und sie sollte nicht schön sein. Sie sollte … Mollie sein. Niedlich war okay, süß ging klar, aber doch nicht …

Sexy.

„Warte mal, wenn die Hochzeit deiner Cousine letztes Jahr war, warum hast du das Kleid jetzt an?“

Mollie runzelte die Stirn. „Also ehrlich, Zeke, ist alles gut bei dir? Du benimmst dich echt merkwürdig. Brauchst du was zu trinken?“

Er musste es geschafft haben zu nicken, denn Mollie ging in die Küche. Zeke folgte ihr. Alles war wie immer, als Mollie ihm einen Orangensaft einschenkte. Aber als sie ihm das Glas reichte und ihre Finger sich streiften, wusste Zeke ganz genau: Alles hatte sich geändert.

Er stürzte den Saft hinunter, als ob niedriger Blutzucker irgendwas mit dem plötzlich aufwallenden Verlangen zu tun hatte, das bei dieser schlichten, unschuldigen Berührung in ihm pulsierte. Mollie musterte ihn immer noch, als er ausgetrunken hatte.

Dann erklärte sie: „Du hast doch gefragt, was ich anhabe. Das ist das Kleid, das meine Mutter mir letztes Jahr für die Hochzeit meiner Cousine gekauft hat. Und heute habe ich es an, weil ich … ausgehe.“ Wieder überzog Röte ihre Wangen, und Mollie wich seinem Blick aus, als sie nach dem Saftglas griff und es zur Spüle trug.

„Aus? Was meinst du damit?“

Sie drehte sich zu ihm um und stieß einen Seufzer aus. „Du weißt schon, wie bei einer Verabredung. Oder das solltest du zumindest wissen. Schließlich war das Ganze deine Idee!“

„Meine Idee?“ Zeke war sich hundertprozentig sicher, dass er nie einen solchen Plan gehabt hatte. „Wieso war das meine Idee?“

Sie kniff verärgert die Augen zusammen. „Du warst doch derjenige, der gesagt hat, dass ich mehr ausgehen sollte.“

Das hatte er gesagt, richtig. „Aber doch nicht mit irgendwem! Ich wollte das für dich arrangieren. Mit dem richtigen Mann“, betonte er, und diese Worte brachten ihm nur einen weiteren vernichtenden Blick ein.

„Woher weißt du, dass Josh nicht der Richtige für mich ist?“

„Josh?“

Mollie nickte. „Josh Sylvester, Amandas Bruder.“

Obwohl Zeke den Mann nicht gut kannte, wusste er, dass Josh an der Spring-Forest-Highschool für den Schulsport zuständig war. Josh war freundlich, extrovertiert und dank seines Jobs großartig in Form.

„Woher weißt du, dass er nicht der Richtige ist?“, wiederholte sie ihre Frage.

„Weil ich dich kenne, Mollie.“ Er wusste nicht, warum sie bei diesem Satz mit den Augen rollte oder warum er von diesem Gespräch allmählich Herzrasen und Kopfschmerzen zu bekommen glaubte. „Deshalb wollte ich doch derjenige sein, der ein Date für dich arrangiert.“

„Also, das musst du jetzt nicht mehr. Diesen Punkt kannst du von deiner Liste mit Dingen streichen, die du bei Mollie in Ordnung bringen musst.“

Der Sarkasmus traf ihn. „Ich habe nie gesagt, dass irgendwas mit dir nicht in Ordnung wäre.“

Er sah ihr in die Augen, bis sie die Schultern etwas entspannte. „Mag sein. Zeke, ich brauche deine Hilfe nicht.“

Weil sie ihn nicht brauchte? Zeke schnappte nach Luft. Der plötzliche Schmerz bei diesem Gedanken traf ihn unvorbereitet.

„Ich bin jetzt ein großes Mädchen“, sagte Mollie. „Erwachsen und in der Lage, meine eigenen Entscheidungen zu treffen und die Männer für meine Verabredungen selbst auszusuchen.“

„Das weiß ich“, stimmte er zu. Vom Verstand her wusste er, dass Mollie eine fähige, intelligente Frau war. Sie verkörperte in seinen Augen eben immer noch – und das würde sie auch immer bleiben – Patricks kleine Schwester. Und er war es seinem Freund schuldig, auf sie aufzupassen. Das hatte er versprochen. „Ich versuche doch nur, dich zu beschützen.“

„Vor Josh?“, fragte sie ungläubig. „Er ist der Bruder einer meiner besten Freundinnen! Ich kenne ihn fast so gut wie dich.“

Der Kommentar hätte nicht so wehtun sollen, wie er es tat. Mollie und er waren mehr als nur Freunde. Sie waren beste Freunde. „Und Josh?“, fragte er herausfordernd. „Kennt er dich so gut wie ich?“

Der Blick, den sie ihm zuwarf, gab ihm seine Antwort, noch bevor Mollie es tat. „Ganz ehrlich, Zeke, manchmal denke ich, dass du mich überhaupt nicht kennst.“

Josh Sylvester war so klug und witzig und charmant, wie seine Schwester behauptet hatte. Auf der Fahrt zum Restaurant brachte er Mollie immer wieder mit Anekdoten über das Restaurant der Familie zum Lachen.

„Nachdem Amanda fahnenflüchtig geworden ist, haben meine Eltern natürlich gehofft, dass ich in ihre Fußstapfen treten würde.“

„Und wie stehen da die Chancen?“

„Nur wenn sie pleitegehen wollen. Das Talent fürs Kochen hat mich glatt übergangen, nur das Talent für gutes Essen nicht.“ Josh lächelte strahlend. „Ich habe gedacht, wir probieren das neue Fischrestaurant in Raleigh aus. Es hat großartige Kritiken bekommen – es sei denn … du magst keinen Fisch?“

Mollie merkte, dass ihm ihr Schweigen aufgefallen war. „Nein, nein, ich liebe Fisch.“ Zeke auch. Daher hatte sie mit einem Besuch des neuen Restaurants warten wollen, bis sie einmal zusammen hingehen konnten.

Mollie wollte jetzt jedoch nicht an Zeke denken und unterdrückte einen Seufzer. Sie hätte gedacht, dass Zeke wenigstens ein Wort über ihren neuen Look verlieren würde.

Josh, der Zeke nur knapp verpasst hatte, hatte ihr einen Blumenstrauß mitgebracht und ihr ohne zu zögern erklärt, dass sie fantastisch aussah.

Mit seinem eigenen Aussehen hatte sich Josh außerdem Mühe gegeben. Statt wie sonst Jeans und T-Shirt trug er an diesem Abend graue Anzughosen und ein blassgrünes Button-down-Hemd.

„Weißt du, ich war echt froh, dass Amanda auf die Idee gekommen ist, dass wir mal zusammen ausgehen“, sagte Josh, nachdem sie das Restaurant erreicht hatten.

„Ach ja?“

Josh lachte, weil sie so überrascht klang. „Na klar, ich fahre gern Fahrrad und gehe gern wandern“, sagte er. „Ich denke, wo du doch Hundetrainerin bist, haben wir insofern ähnliche Interessen.“

„Da hast du recht.“ Ihre schönsten Augenblicke hatte sie in der freien Natur verbracht, beim Spazierengehen mit Arti. Natürlich war Zeke da meistens mit von der Partie …

Wild entschlossen, Zeke endgültig aus ihren Gedanken zu verbannen, konzentrierte sich Mollie auf ihre Verabredung. Die Empfangsdame führte sie zu einem Tisch in einer ruhigen Ecke des Restaurants. Wassergläser aus Bleikristall funkelten im Kerzenlicht und sorgten für eine romantische Atmosphäre. Josh rückte ihr den Stuhl zurecht, und Mollie lächelte angesichts dieser höflichen Geste.

Als sie sich über ihre Lieblingswanderwege unterhielten, grinste Josh noch breiter. „Oh, oh, ich habe so das Gefühl, bei einer gemeinsamen Tour würdest du mich im Staub zurücklassen.“

„Das werden wir ja sehen“, schlug sie vor, leicht überrascht, weil sich ihr Kommentar anhörte, als würde sie mit Josh flirten.

Josh lachte leise. „Das ist ein Date.“

Ein zweites Date, dachte Mollie verblüfft. Vielleicht war das mit den Verabredungen doch nicht so schwierig, wie sie es sich ausgemalt hatte.

Die Bedienung kam vorbei, um ihre Bestellungen aufzunehmen. Mollie entschied sich für Lachs mit Hasselback-Kartoffeln. Josh wählte Thunfisch mit Spargel und eine Flasche Viognier. Mollie trank nicht viel, aber sie genoss den frischen und fruchtigen Geschmack vom ersten bis zum letzten Schluck, als sie am Ende des Abends ihr zweites Glas leerte.

„Was meinst du?“, fragte Josh, als die Bedienung mit einem Tablett voller Desserts erschien. „Hast du noch Platz für den besten Teil des Essens?“

Mollie lachte. „Ich bin voll!“ Der zarte Fisch war perfekt gebraten und gewürzt gewesen. Die fächerartig aufgeschnittenen Backkartoffeln waren großzügig mit Butter eingepinselt gewesen und praktisch in ihrem Mund geschmolzen.

„Du weißt, dass Amanda auf einem vollständigen Bericht bestehen wird.“ Als Mollie ihn überrascht ansah, erklärte er: „Über unser Dinner, Dessert eingeschlossen.“

„Richtig.“ Sie war sich ziemlich sicher, dass ihre Freundin enttäuscht sein würde, wenn Mollie den Abend abkürzte. „Ich muss mich mal kurz entschuldigen. Warum suchst du nicht etwas aus, das wir uns teilen können?“

Als Josh nickte, schob Mollie ihren Stuhl zurück und ging zu den Toiletten.

Beim Händewaschen nahm sie sich Zeit, um ihr Spiegelbild zu betrachten. Ihre Frisur war immer noch elegant, und das Make-up hielt. Sie hatte kaum einen Seufzer der Erleichterung ausgestoßen, als die Glastür aufging.

„Wenn das nicht Mäuschen Mollie McFadden ist?!“

Mollie erstarrte, als sie die Stimme vernahm – sie gehörte zu einer Person, die Mollie an der Highschool zu drangsalieren wusste und ihr Jahre später noch viel schmerzhafter zugesetzt hatte. Mollie zog die Hände zurück und konfrontierte sich mit Lilah Fairchilds Grinsen im Spiegel.

„Lilah … Was in aller Welt tust du denn hier?“

Die umwerfende Blondine warf das hüftlange, glatte Haar über die nackte Schulter zurück und schlenderte zum zweiten Spiegel. „Du meinst hier und nicht in Paris?!“

Irgendwie schaffte Mollie es zu murmeln: „Ja, genau.“

„Ah, ich bin vor ein paar Monaten wieder hergezogen.“ Lilah zog die Augenbrauen mit gespielter Überraschung nach oben. „Hat Zeke dir das nicht erzählt?“

Mollie umklammerte das Papierhandtuch, das sie aus dem Spender gezogen hatte. Lilah genoss es, die Leute aus der Reserve zu locken. Und peinlicherweise wusste die Frau ganz genau, wie verknallt Mollie in Zeke war. Weil sie Lilah die Genugtuung nicht gönnte, trocknete Mollie ihre Hände fertig ab und warf das nasse Handtuch in den Mülleimer, ehe sie antwortete. „Ehrlich gesagt, hat er das nicht. Er muss dich völlig vergessen haben.“

Lilah kniff die dunklen Augen zusammen. „Nun, dann muss ich ihn wohl an mich erinnern. Ist er heute Abend mit dir hier?“ Sie senkte die Stimme. „Ist er endlich aus Mitleid mit dir ausgegangen?“

Obwohl Mollie sich den größten Teil des Abends gewünscht hatte, mit Zeke im Restaurant zu sitzen, war sie jetzt heilfroh, dass er weit weg war. „Ich bin mit jemand anderem hier.“

Lilah grinste. „Na, wird aber auch Zeit, dass du über diese jämmerliche Verliebtheit wegkommst. Wenn Zeke gerade keine Frau hat, sollte ich ihn wohl mal besuchen.“

„Als ob dich das aufhalten könnte“, murmelte Mollie, als die Frau aus der Toilette stakste.

Mollie klammerte sich am Waschbecken fest und zwang sich, tief durchzuatmen.

Zeke war ein kluger Mann. Klar, er hatte den Fehler gemacht, sich in Lilah zu verlieben, aber Mollie musste daran glauben, dass er aus dieser Katastrophe etwas gelernt hatte. Falls Zeke wieder etwas mit seiner Ex anfing, würde sie es nicht noch einmal vollbringen, stumm danebenzustehen.

4. KAPITEL

Zeke hob die Hand, um an Mollies Haustür zu klopfen. Doch dann zögerte er. Er hatte letzte Nacht kaum geschlafen – es war ihm unangenehm, wie er gestern auf ihre Verabredung reagiert hatte.

Er wollte doch nur auf sie aufpassen. Also verstand er nicht, warum sie so sauer auf ihn gewesen war. Und er wollte ja wirklich, dass sie sich verabredete. Also war er sich auch nicht sicher, warum er sich deswegen so aufgeregt hatte. Er schüttelte sein Unbehagen ab und klopfte an die Tür.

Nur ein paar Sekunden später machte Mollie auf. „Hey, Zeke. Was machst du denn hier?“

Obwohl ihr Gesichtsausdruck misstrauisch war, stieß Zeke einen Seufzer der Erleichterung aus. Die schicke Frisur und das Make-up waren verschwunden. Stattdessen wurde ihre schöne Haut nur durch ihren natürlichen, strahlenden Teint und die kupferfarbenen Sommersprossen auf ihren Wangen betont. Das Haar hatte sie zu einem lockigen Pferdeschwanz zurückgebunden und sie trug einen rosa Schlafanzug mit einem Muster aus schwarzen Pudeln.

Bei dem Anblick fing er an zu lächeln. Doch auf einmal schlug sein Magen einen Salto, als ihm aufging, warum sie vielleicht länger geschlafen hatte.

„Ich, äh …“ Zeke schluckte schwer. „Ich, äh … störe hoffentlich nicht.“

Mollie zuckte mit einer schlanken Schulter. „Ich war gerade beim Frühstück.“

Im Bett? Mit Josh Sylvester?

Seine Gedanken waren ihm offensichtlich anzusehen, denn Mollie riss die Augen auf. „Oh, mein …“ Sie versetzte ihm einen Faustschlag gegen die Schulter. „Das war ein erstes Date, Zeke!“

„Ich weiß, aber …“ Sie hatte gestern Abend so wunderschön ausgesehen – welcher Mann wäre da nicht gerne mit ihr ins Bett gegangen?

„Aber was?“, fragte sie, während sie sich abwandte und ihm keine andere Wahl ließ, als ihr ins Wohnzimmer zu folgen.

Der kleine Raum war mit einer bunten Mischung aus Secondhandmöbeln dekoriert, die Mollie in Gebrauchtwarenläden in ganz North Carolina aufgespürt hatte. Er war bei mindestens einem halben Dutzend Fahrten kreuz und quer durch den Staat dabei gewesen, um ihre Fundstücke nach Hause zu transportieren.

Falls es mit ihr und Josh klappte, würde Mollie ihn für solche Dienste natürlich nicht mehr brauchen.

„Na, klar!“ Sie blieb stehen und stemmte die Fäuste in die Hüften. „Du kennst mich ja so gut! Da muss dir natürlich klar sein, dass ich gleich eine wilde Affäre vom Zaun reiße, wenn ich schon mal ausgehe!“

Eine wilde Affäre.

Die Worte purzelten durch sein betäubtes Hirn. Mollie … Affäre … Mollie … wild.

Ehrlich gesagt, wirkte sie in diesem Augenblick tatsächlich wild. Ihre roten Haare loderten in der Morgensonne, und ihre Augen schienen aquamarinblaue Funken zu sprühen, während sich ihre Brust unter dem schwarzen Trägerhemd sichtbar hob und senkte.

So dachte er doch nicht von Mollie. Das konnte er nicht. Zeke erinnerte sich noch daran, wie Patrick vor seiner Grundausbildung alle Jungs in Spring Forest gewarnt hatte, die Finger von seiner kleinen Schwester zu lassen. Damals hatte Zeke darüber gelacht. Schließlich war Mollie nur ein Kind gewesen.

Jetzt lachte Zeke nicht mehr, und Mollie war erwachsen.

Ihr Schlafanzug war vielleicht kein Negligé aus Seide, aber das spielte kaum eine Rolle. Das dünne Hemdchen betonte die Form ihrer Brüste. Die Schlafanzughose war auf einer Seite nach unten gerutscht und enthüllte ihre Hüfte. Und sogar ohne Make-up waren ihre Lippen so rosa, dass Zeke das Gefühl hatte, auf einmal dafür sterben zu können, sie auf seinen zu spüren.

Mollie McFadden war eine Frau. Er wusste nicht, wie er es geschafft hatte, das nicht wahrzunehmen, aber jetzt konnte er nicht mehr wegsehen.

„Bist du deswegen hier? Um zu überprüfen, ob mein Date bis heute früh gedauert hat?!“, fragte sie herausfordernd.

„Nein, ich …“, setzte er an. Doch er hatte keine Ahnung, was er eigentlich sagen wollte.

Mollie verschränkte die Arme. Sie wartete darauf, dass etwas von ihm kam – irgendwas. Die Geste sorgte dafür, dass der Spitzensaum ihres Tops noch ein wenig mehr nach unten gezogen wurde, um noch ein wenig mehr zarten cremeweißen Busen zu enthüllen. Zekes Zunge klebte an seinem Gaumen.

Er wandte sich ab und bemühte sich, tief durchzuatmen – nur um hilflos nach Luft zu schnappen, als sein Blick auf eines der Bilder auf Mollies Kaminsims fiel.

Patrick in Ausgehuniform starrte ihn aus einem silbernen Rahmen heraus an.

Auf den meisten Fotos lächelte Patrick und seine blauen Augen funkelten fröhlich. Das war der Patrick, an den sich Zeke erinnern wollte: der Freund, den er in der zweiten Klasse kennengelernt hatte.

Auf dem Foto vom Ende seiner Grundausbildung lächelte Patrick nicht. Zu sehen war Patrick McFadden, Sergeant First Class, der Soldat, der sein Leben für sein Land gegeben und Zeke nur eine einzige Aufgabe übertragen hatte.

Pass gut auf meine kleine Schwester auf.

Patricks Foto erinnerte Zeke auch abrupt daran, warum er vorbeigekommen war. Und das hing nicht mit ihrer Verabredung zusammen.

„Also, ich bin nicht hier, um über dein Date zu reden. Ich habe mich neulich mit Matt Fielding über Bobby Doyle unterhalten.“ Als Mollie ihn fragend ansah, erklärte er: „Ihm gehört die Autowerkstatt, in der Matt arbeitet.“

„Ah, ich glaube, Claire hat ihn mal erwähnt. Er ist auch ein Veteran, stimmts?“

„Richtig, ja.“ Nachdem er Mollie von der Unterhaltung erzählt hatte, sagte er: „Bobby ist noch nicht bereit zuzugeben, dass er Hilfe braucht. Ich habe aber im Zentrum gesehen, wie sehr Therapiehunde bei anderen Veteranen Gutes bewirkt haben.“

„Das ist eine großartige Idee, Zeke!“, sagte Mollie. Mitleid ließ ihre Miene weicher wirken. „Therapiehunde brauchen allerdings ein ganz spezielles Training und …“

„… die Wartelisten dafür sind lang“, fiel er ein. „Das weiß ich schon. Ich durfte auch miterleben, wie sehr Matt sein Hund und der Hund seiner Nichte geholfen haben. Und die beiden haben gar kein besonderes Training abbekommen! Ich hoffe, wenn du mir hilfst, den richtigen Hund für Bobby zu finden, dass ihm das … Nun ja, es wäre bestimmt sinnvoll, wenn er wenigstens einen Freund mit vier Pfoten hätte, mit dem er reden kann, solange er noch nicht bereit dazu ist, mit jemand anderem zu sprechen.“

Lass es gut sein, Zeke … Ich werde darüber reden, wenn ich so weit bin.

Und das hatte Zeke getan. Er hatte Patrick zu seiner Einheit zurückkehren lassen, wobei er auf diese Weise seinen Freund geradewegs in den Tod gehen ließ.

Schuldgefühle und Trauer setzten Zeke zu. Er würde nicht – konnte nicht – aufgeben, bis er wirklich alles getan hatte, was er konnte, um jetzt Bobby Doyle zu helfen. Es war zu spät für Patrick, aber nicht für Bobby und die anderen Kriegsheimkehrer in der Selbsthilfegruppe. Zeke verkrampfte die Finger. Anstatt eine leere Faust zu formen, vergrub er sie jedoch in warmem, weichem Fell – überrascht schaute er nach unten. Er hatte nicht einmal gemerkt, wie sich Charlie, die gelbe Labradorhündin, neben ihm niedergelassen hatte. Ihr Schwanz wedelte über das Parkett.

„Ich glaube, ich kenne vielleicht den perfekten Hund“, sagte Mollie leise.

Zeke schaute überrascht auf, obwohl er fortfuhr, die Hündin zu streicheln, die sich so geduldig an sein Bein lehnte. „Charlie? Aber was ist mit Chief? Ich habe gedacht, die beiden sind unzertrennlich?“

Obwohl Mollie lächelte, dachte Zeke nicht, dass er je zuvor einen solchen traurigen Gesichtsausdruck gesehen hatte. „Manchmal muss man sich einfach jemand Neuem zuwenden.“

Jemand Neuem zuwenden … Zeke wusste nicht, wieso die Endgültigkeit dieses Satzes sein Herz heftig schlagen ließ. Sie redete doch immer noch über die Hunde, oder nicht?

Zeke wusste so oder so, dass der Vorabend alles verändern könnte. Doch seine Freundschaft mit Mollie war seine letzte Verbindung zu Patrick. So hart es gewesen war, Patrick zu verlieren, Zeke konnte sich nicht vorstellen, auch Mollie zu verlieren.

„Mollie, gestern Abend …“ Er machte einen Schritt auf sie zu. „Dich zu sehen … also, das war einfach eine Überraschung.“

Sie fuhr sich mit der Zunge über die Unterlippe. „Ach ja?“

Ihr Blick wurde sanfter, als sie zu ihm aufschaute. Hatte er noch einen Schritt gemacht oder sie? Zeke war sich nicht ganz sicher, aber auf einmal standen sie direkt voreinander. Die Sommersprossen bedeckten ihre Wangen wie Feenstaub. Ihm kam auf einmal die verrückte Idee, dass er ihre Zauberkraft einfangen könnte, wenn er nur mit dem Daumen über ihre Haut streichelte …

„Da ist mir einfach klar geworden …“

„Was denn, Zeke?“, flüsterte sie.

„Dass Josh Sylvester …“

Nicht der Richtige für dich ist. Dass er definitiv und absolut der Falsche für dich ist.

Nur konnte er das nicht rauslassen, denn er hatte ja nicht das Recht, dies zu sagen – nicht, wenn er ihr außer Freundschaft nichts zu bieten hatte. Nicht, wenn Mollie so viel mehr verdient hatte.

„… ein Riesenglückspilz ist.“

Einen Augenblick blieb Mollie der Mund offen stehen. Dann presste sie die Lippen zusammen und machte einen Schritt rückwärts.

„Ich will nur, dass du glücklich bist, Mollie.“

„Klar, glücklich.“

Bildete er es sich nur ein oder hörte sie sich alles andere als glücklich an?

Einen Augenblick lang wandte Mollie sich ab, um Charlie zu streicheln. Dann begegnete sie seinem Blick mit einem strahlenden Lächeln. „Jetzt müssen wir nur noch dieses Doppeldate planen, von dem du gesprochen hast.“

5. KAPITEL

Mollie war sich nicht ganz sicher, wie sie es schaffte, aus dem Wohnzimmer zu fliehen. Sie murmelte irgendeine Ausrede. Dann rannte sie in ihr einsames Schlafzimmer. Nichts wünschte sie sich mehr, als sich aufs Bett zu werfen und ihren Tränen freien Lauf zu lassen.

Josh ist ein Glückspilz.

Und sie war die größte Idiotin auf Gottes weiter Flur.

Sie musste endlich über Zeke hinwegkommen und weiterleben. Ihre Augen brannten, als sie ihren Schlafanzug auszog. Mit voller Absicht schnappte sie sich ihr ältestes T-Shirt und eine abgetragene Jeans. Es bestand kein Grund mehr, sich chic zu machen. Josh, der Glückspilz, war ja nicht da.

Sie zog ihren schiefen Pferdeschwanz fest, bevor sie wieder hinausging, um Zeke zu suchen. Er saß auf dem Fußboden, alle drei Hunde um sich geschart.

Er schenkte ihr ein schiefes Lächeln und musste sich ducken, damit ihm ein Hundeschwanz nicht direkt ins Gesicht schlug. Dann stand er auf, aber erst, nachdem er jeden Hund noch einmal getätschelt hatte. Die Tiere, Chief eingeschlossen, umdrängten ihn und wollten nur noch mehr Aufmerksamkeit.

Mollie wusste genau, wie sie sich fühlten.

Zeke deutete auf den Hund aus dem Tierheim. „Ich kann gar nicht glauben, wie weit er schon gekommen ist.“

„Ja, leider tun sich viele Hunde schwer in einem Tierheim. Hunde mögen ein Zuhause mit festen Abläufen und Zeit für ihre Familie.“

„Du hast wirklich tolle Arbeit geleistet, was ihn angeht.“

Mollie schüttelte den Kopf. „Damit hatte ich gar nicht so viel zu tun. Das haben Chief und Charlie ganz alleine erledigt.“ Und es würde schwierig sein, die beiden zu trennen. Sie hatte allerdings ernst gemeint, was sie gesagt hatte: Manchmal ließ einem das Leben keine andere Wahl, als sich neu zu orientieren.

„Meinst du im Ernst, Charlie könnte Bobby helfen?“

„Wie du gesagt hast, wäre Charlie einfach nur, was sie ist – eine großartige Gefährtin. Was einen Einsatz als Therapiehund angeht, denke ich, dass sie sich mit dem richtigen Training perfekt zu verhalten wüsste.“ Die wichtigere Frage war: Würde sie selbst in der Lage sein, für dieses Training zu sorgen? Gehorsamkeits- und Geschicklichkeitstraining waren etwas ganz anderes, als ein Tier zum Therapiehund auszubilden. Trotzdem spürte sie bei dem Gedanken an diese Aufgabe ein freudiges Kribbeln im Bauch.

Autor

Brenda Harlen
<p>Brenda ist eine ehemalige Rechtsanwältin, die einst das Privileg hatte vor dem obersten Gerichtshof von Kanada vorzusprechen. Vor fünf Jahren gab sie ihre Anwaltskanzlei auf um sich um ihre Kinder zu kümmern und insgeheim ihren Traum von einem selbst geschriebenen Buch zu verwirklichen. Sie schrieb sich in einem Liebesroman Schreibkurs...
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<p>Die USA-Today-Bestsellerautorin Michelle Major liebt Geschichten über Neuanfänge, zweite Chancen - und natürlich mit Happy End. Als passionierte Bergsteigerin lebt sie im Schatten der Rocky Mountains, zusammen mit ihrem Mann, zwei Teenagern und einer bunten Mischung an verwöhnten Haustieren. Mehr über Michelle Major auf www.michellemajor.com.</p>
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