Bianca Gold Band 22

– oder –

 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

SAG JA ZUM GÜCK von ANDERSON, CAROLINE
Was wird nur aus seiner großen Liebe, wenn sich der reiche Bauunternehmer Nick Barron nun um die Kinder seiner verstorbenen Schwester kümmern muss? Georgia muss seine Frau werden, das wäre für alle der Himmel auf Erden. Doch auf seinen Antrag reagiert sie zögerlich …

DER PLAYBOY UND DAS BABY von RIMMER, CHRISTINE
Er soll der Vater eines drei Monate alten Babys sein? Cord Stockwell, Chef des Familienunternehmens, ist fassungslos. Dem umschwärmten Playboy bleibt wohl nichts anderes übrig, als Hilfe zu engagieren. Und zwar die bildhübsche Hannah. Nur zur Unterstützung. Denkt er …

HALLO DADDY! von WILSON, MARY ANNE
Lindsey ist wie elektrisiert, als sie im Fahrstuhl ihrer Firma Zane Holden trifft. Er ist absolut umwerfend, aber eben der Chef, der jeden Zuschuss für ihren Kinderhort ablehnt. Doch nun bittet er sie um ihre ganz private Hilfe - und sein Blick trifft sie mitten ins Herz …


  • Erscheinungstag 25.07.2014
  • Bandnummer 0022
  • ISBN / Artikelnummer 9783733730369
  • Seitenanzahl 448
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Caroline Anderson, Christine Rimmer, Mary Anne Wilson

BIANCA GOLD BAND 22

CAROLINE ANDERSON

Sag Ja zum Glück

Die hübsche Architektin Georgia ist unschlüssig! Ja, sie liebt den millionenschweren Bauunternehmer Nick Barron wie keinen Menschen je zuvor. Und sie ist tief berührt von seinem liebevollen Engagement für die Kinder seiner verstorbenen Schwester. Aber wie ist sein Heiratsantrag gemeint? Liebt er sie wirklich, oder sucht er nur eine Mutter für die Kinder?

CHRISTINE RIMMER

Der Playboy und das Baby

Eigentlich müsste Hannah wieder gehen! Schließlich hat sie sich nicht nur in die süße Kleine, die sie als Nanny zu versorgen hat, verliebt. Auch deren Vater bringt ihr Herz ordentlich zum Rasen. Dabei gilt der Multimillionär Cord Stockwell als notorischer Playboy – und dessen Baby erinnert sie viel zu sehr an ihr eigenes, das sie verloren hat …

MARY ANNE WILSON

Hallo Daddy!

Bisher waren dem Vorstandsvorsitzenden Zane Holden Kinder ein Gräuel: Alle Anträge auf Zuschüsse für den Kinderhort des Konzerns hat er abgeschmettert. Doch dann lernt er dessen Leiterin Lindsey kennen – eine zauberhafte Frau! Wäre sie nicht genau die Richtige, um den kleinen Jungen zu betreuen, um den er sich kümmern muss? Und für noch viel mehr …

PROLOG

„Nennen Sie mir einen guten Grund, warum ich Ihnen helfen sollte.“

Der Mann, der vor ihm saß, zuckte mit den Schultern. Er war ein stolzer Mensch, der sichtlich am Ende war, und es bereitete Nick wirklich kein Vergnügen, ihn in die Enge zu treiben. Aber er musste dieser Sache auf den Grund gehen, und um den heißen Brei herumzureden führte zu keinem Ergebnis und half seinem Gegenüber nicht.

„Mr Broomfield?“

Wieder ein Achselzucken. „Ich kann … ich kann Ihnen keinen Grund nennen. Ich weiß ja nicht mal, warum ich hier bin.“

„Also, warum sind Sie zu mir gekommen?“

„Es war Gerrys Idee. Gerry Burrows – Sie haben ihm im letzten Jahr aus der Klemme geholfen.“

„Ich erinnere mich. Wir haben seine Firma gekauft.“

„Oh, Sie haben viel mehr als das getan. Sie haben ihm das Leben gerettet. Er stand kurz vor dem Selbstmord, und seine Frau war kurz davor, ihn zu verlassen. Sie haben ihm eine neue Chance verschafft.“

Und dieser Mann sah aus, als würde er auch eine brauchen. Nick fragte sich, wie viele verzweifelte Freunde Gerry Burrows noch hatte.

„Gerry Burrows besaß ein Unternehmen, das zu kaufen sich lohnte. Bisher weiß ich nichts über Sie oder Ihre Firma. Ich habe keine Ahnung, was Sie von mir erwarten. Also erzählen Sie mir doch einfach, was genau Sie sich vorstellen.“

Andrew Broomfield lachte bitter. „So weit habe ich noch gar nicht gedacht …“

„Das sollten Sie aber. Wenn ich Ihnen helfen soll, Mr Broomfield, brauche ich einen guten Grund.“

„Ich wäre froh, wenn ich einen hätte, aber es gibt keinen. Nur ein Verrückter würde mir helfen.“ Sein Lachen wurde immer brüchiger. „Wir kaufen und verkaufen bankrotte Unternehmen. Es lief richtig gut, doch dann haben wir uns übernommen und mehrere Geschäfte gekauft, um Outlets zu eröffnen. Leider ging der Umsatz zurück, und in unseren einzigen Vermögenswert mussten wir so viel Geld investieren, dass es uns den Rest gegeben hat. Wir können so nicht weitermachen – und wenn ich niemanden finde, der uns unter die Arme greift, werden wir Konkurs anmelden müssen.“

„Vielleicht wäre es das Beste.“

„Nein.“ Broomfield schloss die Augen und schüttelte langsam den Kopf. „Für mich vielleicht, denn ich habe es nicht anders verdient, aber meine Frau ist schwanger, und wir haben gerade erfahren, dass mit dem Baby etwas nicht in Ordnung ist. Es muss gleich nach der Geburt operiert werden. Mehrfach. Meine Frau hat keine Ahnung, dass ich in geschäftlichen Schwierigkeiten stecke. Ich kann es ihr nicht antun – sie kurz vor der Geburt des Babys obdachlos machen. Aber ich weiß einfach keinen Ausweg …“

Verdammt. Der Mann hatte gerade Nicks wunden Punkt getroffen.

„Obdachlos?“, wiederholte er.

Broomfield nickte betrübt. „Ich Idiot habe der Bank unser Haus als Sicherheit angeboten. Es ist nichts Besonderes – nur ein ganz normales Einfamilienhaus mit drei Schlafzimmern und angesichts unserer Schulden nur ein Tropfen auf den heißen Stein, aber es ist unser Zuhause, und ich darf es ihr nicht auch noch nehmen.“

Nick lehnte sich zurück und beobachtete, wie sein Gegenüber versuchte, seine Gefühle unter Kontrolle zu bekommen. Du meine Güte, bekam er auf seine alten Tage etwa ein weiches Herz? Er wusste längst, dass er Broomfield helfen würde, obwohl er den Mann nicht kannte und ihm eigentlich egal sein sollte, was aus dessen schwangerer Frau oder dem kranken Baby wurde.

„Erzählen Sie mir von dem Vermögenswert.“

„Es ist nur ein Baugelände – ein altes, heruntergekommenes Schulgebäude mit einer nicht mehr benutzten Kapelle und einer Handvoll provisorischer, verstreuter Klassenräume. Ich habe es vor ein paar Jahren gekauft, und im letzten Jahr haben wir die Genehmigung bekommen, es zu modernisieren und auf dem Gelände Wohnhäuser zu errichten. Wir hätten es gleich wieder verkaufen sollen, aber ich … na ja, ich dachte, wir könnten mehr verdienen, wenn wir es selbst nutzen. Leider habe ich die Kosten unterschätzt. Gewaltig.“

„Also haben Sie damit angefangen.“

„Ja, aber dann ist uns das Geld ausgegangen, und wir können den Bauunternehmer nicht mehr bezahlen. Ich habe ihn überreden können, uns noch etwas Zeit zu geben, aber er hat uns nur deshalb eine Gnadenfrist eingeräumt, weil wir ihm schon jetzt eine Menge Geld schulden.“

„Wie viel?“

„Ich bin nicht sicher – Tausende. Hunderttausende, wahrscheinlich.“

Nickt fragte sich, wie man sich so hoch verschulden konnte, ohne den genauen Betrag zu kennen. „Und die anderen Schulden?“

„Ebenso viel – vielleicht sogar noch mehr. Unser Unternehmen steckt in echten Schwierigkeiten, aber jemand, der weiß, was er tut, könnte etwas daraus machen. Mit dem Verkauf der Ladengeschäfte könnte man die Schulden tilgen, aber es würde dauern, und dafür fehlt uns die Zeit. Wertvoll ist allein das alte Schulgelände, und das auch nur, wenn man es erschließt. Aber dann hat es Potenzial.“

Nicks Spürnase regte sich. Potenzial gehörte zu seinen Lieblingsworten. Genau wie Ehrlichkeit. Niemand konnte Broomfield vorwerfen, dass er etwas verheimlichte. Der Mann beschönigte nichts, und das gefiel ihm.

„Na gut. Ich werde mir das Gelände ansehen, wenn ich in ein paar Tagen aus New York zurückkomme. Bis dahin möchte ich exakte Zahlen und Bilanzen sehen. Danach unterhalten wir uns wieder.“

„Wenn ich einfach nur mein Haus …“

„Ich verspreche nichts. Ich bin kein Wohltäter, Mr Broomfield, aber ich werde tun, was ich kann.“

„Weißt du, was du da kaufst?“

Nick zog die Jacke aus, ließ sich auf den Ledersessel hinter dem Schreibtisch fallen und warf einen Blick auf das ungläubige Gesicht seiner Assistentin.

„Wovon redest du?“

Seufzend setzte Tory sich und verdrehte die Augen. „Von dem Geschäft mit Broomfield? Dem Schulgelände?“

Nick runzelte die Stirn. „Was ist damit? Ein paar schäbige alte Gebäude, nichts Großartiges. Aber mit Potenzial, hat er gesagt, glaube ich.“

„Nichts Großartiges?“ Schnaubend wedelte Tory mit einem dicken Ordner. „Also hast du dir die Pläne, die ich dir gefaxt habe, noch nicht angesehen?“

Nick lächelte. „Schuldig im Sinne der Anklage.“

„Das habe ich mir gedacht. Die angeblichen schäbigen alten Gebäude sind ein viktorianisches Landhaus im Stil einer italienischen Villa, ein Kutschenhaus, eine Kapelle, Stallungen und so weiter und so weiter. Mit ein paar Hektar Sportflächen. Es gibt noch einige provisorische Klassenräume aus den Tagen, als es noch eine Privatschule war. Die müssen natürlich abgerissen werden, wenn sie überhaupt noch stehen. Der Rest ist ein Juwel – eine erstklassige Immobilie, ein Ufergrundstück in Yoxburgh in Suffolk. Du könntest wenigstens einen Hauch von Interesse aufbringen.“

Nick setzte sich gerader hin. Er kannte Yoxburgh. Als Kind hatte er dort am Strand gespielt, und seine Mutter lebte etwa zwanzig Meilen von dort entfernt. „Du hast etwas von Plänen gesagt“, erinnerte er Tory.

„Richtig. Detaillierte Entwürfe und Vorlagen für die Umwandlung in Wohnungen und Stadthäuser und den Bau weiterer Gebäude auf dem Gelände. Nicht gerade originell, aber das Ganze ist eine Goldmine, und wenn du schlau bist, gehört sie bald dir.“

Nick spürte, wie sein Herz etwas schneller schlug. „Wissen wir etwas über den Bauunternehmer?“

„Ja. Er kommt aus dem Ort, heißt George Cauldwell und genießt einen ausgezeichneten Ruf. Ich habe ihn überprüft. Er ist seit Jahren im Geschäft, und ich habe keinen einzigen unzufriedenen Kunden gefunden. Wenn das Projekt auch nur annähernd so erfolgreich ist wie seine bisherigen, könnte es uns einen stattlichen Profit einbringen. Da war jemand sehr, sehr nachlässig – oder er hat keine Ahnung, was er an Land gezogen hat.“

„Nachlässig? Eher verzweifelt.“ Nick dachte an Andrew Broomfield, der mit seiner schwangeren Frau in einem kleinen Haus wohnte, das kurz vor der Zwangsversteigerung stand. Vielleicht würde er ja etwas für die beiden tun können. Sicher, nach den Zahlen, die er gesehen hatte, war Broomfields Unternehmen weniger wert als die Schulden, die darauf lasteten. Also würde das Bauprojekt schon eine Menge einbringen müssen, wenn er nicht nur den selbstlosen Retter spielen wollte.

Aber wenn er Torys Gesichtsausdruck richtig deutete …

Er zeigte auf den Ordner. „Sind das zufällig die Pläne?“

Sie landeten auf dem Schreibtisch und rutschten über die Platte, bis Nick sie mit der flachen Hand festhielt. Er blätterte den Ordner durch, breitete die Zeichnungen vor sich aus und betrachtete sie, bis ihm bewusst wurde, was für eine einmalige Gelegenheit sich ihm gerade bot.

Rasch ging er im Kopf seine heutigen Termine durch und überlegte, was er delegieren und was er auf morgen verschieben konnte. Dann faltete er die Pläne wieder zusammen, schob sie in den Ordner zurück und stand auf. „Ich werde mir das Gelände ansehen. Jetzt gleich.“

„Aber du bist zum Mittagessen mit Simon Darcy …“

„Übernimm du das. Simon vergöttert dich – aber lass dich bloß nicht überreden, für ihn zu arbeiten, mehr verlange ich nicht. Ich brauche Seeluft.“

„Ich rufe den Bauunternehmer an. Er setzt Broomfield unter Druck, und der arme Kerl wartet auf deine Antwort. Sie werden sich freuen, dich zu sehen.“

„Nein. Warn sie nicht vor. Ich will erst sehen, wie dieser George Cauldwell arbeitet, bevor ich mich festlege.“

Tory wollte widersprechen, ließ es jedoch. „Na schön. Aber lass dein Handy an.“

Niemals, dachte Nick. Plötzlich war ihm klar geworden, dass sein Leben zur Routine erstarrt war und er sich unsäglich langweilte. Er war im New York gewesen, um ein anderes Geschäft abzuschließen, und hatte in drei Tagen nur sechs Stunden geschlafen. Er war müde und ausgebrannt und brauchte unbedingt etwas Zeit für sich.

Heute würde Nick Barron sich eine kurze Auszeit gönnen.

1. KAPITEL

Auf der Baustelle herrschte Stille.

Kein Wunder, dachte Georgia betrübt. Sie hatte die Arbeiter schon vor Tagen nach Hause geschickt, und sie selbst war auch nur hier, weil die Sorgen sie nachts nicht schlafen ließen. Sie hatte nichts Besseres zu tun. Ihr Vater lag im Krankenhaus, und sie war nur hergekommen, um die Zahlen noch einmal durchzugehen und auf ein Wunder zu hoffen. Vielleicht hatte sie ja etwas übersehen, und die Firma war doch noch retten.

Nein. Sie hatte nichts übersehen.

Seufzend stützte Georgia den Kopf auf die Hände und blickte über das Gelände auf die See hinaus. Kein Wunder, keine Rettung, nur die Bank mit ihren Forderungen und ihr Vater mit seiner angegriffenen Gesundheit.

Von ihren Träumen ganz zu schweigen.

Sie stand auf und zog den Mantel an. Hier herumzusitzen brachte nichts. Sie würde einen Kontrollgang machen und nachsehen, ob etwas gestohlen oder zerstört worden war. Mechanisch griff sie nach dem Schutzhelm und rümpfte die Nase. Zwar hasste sie das Ding, aber Vorschriften waren Vorschriften.

Archie folgte ihr schwanzwedelnd, und sein fröhliches Gesicht brachte sie zum Lächeln. „Komm schon, Archie, sehen wir uns alles an.“

Sie verließ das Baustellenbüro, ging durch den schneidenden Märzwind und schloss die Seitentür der alten Villa auf – in der sie nie wohnen würde, wenn nicht doch ein Wunder geschah.

Zusammen stiegen sie die Treppe hinauf. Georgias Schritte hallten durch das leere Haus, Archies Krallen klapperten auf den Holzstufen, bis sie den Raum an der Spitze des großen quadratischen Turms erreichten. Er war nicht groß, aber wegen der Fenster an drei Seiten und der atemberaubenden Aussicht auf die Bucht und die weite See dahinter hatte sie gehofft, ihn eines Tages zu ihrem Schlafzimmer zu machen.

Außerdem bot er den besten Blick auf das Gelände, und sie starrte auf die aufgewühlte Erde, die mit Pflöcken abgesteckten Bauplätze, das halb modernisierte Kutschenhaus und die hinter hohen Bäumen verborgene Kapelle.

Es gab so viel zu tun – und es war unendlich schade, dass nicht das daraus werden würde, was sie sich vorgestellt hatte. Selbst wenn Broomfield das Geld dafür auftrieb, war sein Entwurf einfach zu großspurig, um dieser einmaligen Lage gerecht zu werden.

„Deiner Meinung nach“, sagte sie streng. „Du bist nicht allein auf der Welt. Auch andere Leute dürfen mitreden.“

Selbst wenn sie keine Vision, keine Fantasie, keine … Seele besaßen. Angewidert wandte sie sich ab, und dabei erfasste ihr Blick eine einsame Gestalt, die am Rand des Rasens vor dem Haus stand und auf das Meer hinausstarrte.

„Wer ist das, Archie?“, murmelte sie. Der Hund raste die Treppe hinunter, durch die Seitentür, über das Gras und bellte, so laut er konnte.

Mist. Das Letzte, das absolut Letzte, was Georgia an diesem Morgen brauchte, war ein Besucher. Sie musste telefonieren, denn wenn sie nicht bald von Andrew Broomfield eine ehrliche Antwort bekam, würde die Bank die Geduld verlieren.

Dann wären sie am Ende.

„Archie! Bei Fuß!“, rief sie, aber der Wind verwehte ihre Stimme, und außerdem hatte Archie etwas Besseres zu tun. Der kleine Terrier lag auf dem Rücken, streckte die Beine in die Luft, ließ sich den Bauch kraulen und dachte an alles andere als daran, ihr zu gehorchen. Georgia konzentrierte sich auf den Mann, der ihren Hund kitzelte. Vielleicht hatte sie bei dem mehr Glück.

„Entschuldigung!“

Zu Archies Enttäuschung richtete er sich auf und drehte sich zu ihr um. Seine Augen waren hinter einer Designer-Sonnenbrille verborgen. Doch das Lächeln war nicht zu übersehen, und verblüfft spürte Georgia, wie ihr Herz gleich etwas schneller schlug.

„Guten Morgen.“

Du meine Güte, seine Stimme war tief, und ihr Puls beschleunigte sich noch mehr.

„Morgen.“

Das war das einzige Wort, das sie herausbrachte. Sie überquerte die Einfahrt, ging über den Rasen und baute sich vor dem Fremden auf, eine Hand am Schutzhelm, den Kopf in den Nacken gelegt.

Der Mann überragte sie – nicht, dass man dazu besonders groß sein musste. Hätte er in der Einfahrt gestanden, hätte sie sich auf den leicht erhöhten Rasen stellen können, um nicht ganz so klein zu wirken. Schade, dachte sie, doch dann nahm er die Sonnenbrille ab, und sie starrte in ein Augenpaar, dessen Farbe der von regenfeuchtem Schiefer glich. Ihr stockte der Atem.

Nein. Selbst flach auf dem Rücken liegend wäre er ihr gegenüber im Vorteil. Er hatte etwas an sich, etwas äußerst Maskulines, Selbstsicheres, das ihren Mund trocken und die Knie weich werden ließ.

Falls er von der Bank kam, war sie erledigt. Sein Vorgänger war klein, sanft und schüchtern gewesen, und sie hatte ihn mühelos um den Finger gewickelt.

Bei dem hier, mit seiner weichen, alten Lederjacke, dem forschenden Blick und der energischen Ausstrahlung, würde ihr das wohl kaum gelingen. Dieser Mann war zäh. Na ja, das war sie auch, und für sie stand mehr auf dem Spiel. Wenn er tatsächlich von der Bank kam, würde sie ihn über die Baustelle schleifen und ihm zeigen, warum sie so viel Geld brauchten – und er würde zuhören. Sie würde ihm keine andere Wahl lassen.

So übel konnte er nicht sein, denn Archie stand auf den Hinterbeinen, die schmutzigen Vorderpfoten an der teuer aussehenden Hose, und wedelte begeistert mit dem Schwanz, während er dem Fremden die Hand leckte. Aber vielleicht war der Mann einfach nur ein neugieriger Spaziergänger.

Georgia straffte die Schultern, klopfte gegen ihr Bein und atmete tief durch. „Kann ich Ihnen helfen? Archie, komm sofort her!“

„Das weiß ich noch nicht. Ich wollte mich nur mal umsehen – ein Gefühl für das Gelände bekommen.“

Die Anspannung legte sich, an ihre Stelle trat Verärgerung. Baustellentouristen waren eine Plage, und dieser hier bildete keine Ausnahme. Trotz der tollen Augen.

Nein. Vergiss die Augen, dachte sie. „Es tut mir leid, aber Sie dürfen das Gelände nicht besichtigen, ohne sich vorher im Büro anzumelden. Archie, hierher! Sofort! Das steht auf dem Schild am Eingang. Es ist gefährlich, allein auf der …“

„Sagen Sie bloß, Sie sind die Sicherheitsbeauftragte“, unterbrach er sie belustigt, und sie fühlte, wie ihre Brauen nach oben zuckten.

„Nein, ich bin die Bauleiterin und habe die Nase gestrichen voll von Leuten, die hier herumspazieren, als wären sie im Park!“, fuhr sie aufgebracht fort. „Das hier ist Privatgelände, und wenn Sie sich nicht an die Vorschriften halten, muss ich Sie bitten, die Baustelle sofort zu verlassen.“

„Das könnte etwas voreilig sein“, erwiderte er leise.

„Finden Sie?“ Sie musterte ihn und schaute wütend in die kühlen stahlblauen Augen. „Nun ja, es tut mir leid, wir wollen nicht, dass Sie uns auf Schadenersatz verklagen, weil Sie sich verletzt haben, also muss ich Sie bitten, mein Gelände zu verlassen, bevor Sie sich wehtun.“

Ihr Gelände?“ Er klang spöttisch, und sie musste sich beherrschen, um ihn nicht zu ohrfeigen.

„Richtig“, bestätigte sie mit ihrem letzten Rest Selbstkontrolle. „Mein Gelände. Gehen Sie freiwillig, oder muss ich die Polizei rufen?“

Er schüttelte langsam den Kopf. Sein Gesicht, auf dem das Lächeln längst verblasst war, verfinsterte sich. „Oh, ich werde nirgendwohin gehen. Aber Sie vielleicht, und ich hoffe, Sie nehmen Ihren Hund mit, bevor er mich zu Tode leckt. Ich werde mich jetzt gründlich umsehen, und während ich das tue, könnten Sie so freundlich sein, George Cauldwell zu sagen, dass ich ihn suche? Obwohl ich inzwischen glaube, dass es zwischen uns nur wenig zu besprechen gibt. Mein Name ist übrigens Barron. Nick Barron.“

Oh. Der Name sagte ihr nichts, aber offenbar sollte er es, und sie bekam plötzlich ein mulmiges Gefühl. Wenn der Mann ihren Vater sprechen wollte, kam er vermutlich von der Bank. Obwohl die Jeans und die Lederjacke nicht so recht dazu passten. Aber wenn er kein Bankmensch war, wer …

„Er ist nicht hier“, antwortete sie. „Sind Sie von der Bank?“

„Nicht ganz. Kommt er heute noch her?“

Nicht ganz? Was hieß das? Sie schüttelte den Kopf. „Nein. Ich bin seine Tochter. Georgia“, fügte sie misstrauisch hinzu. „Ich vertrete ihn, während er … fort ist.“

„In dem Fall wären Sie vielleicht so freundlich, mir die ganze Baustelle zu zeigen. Falls ich so dumm sein sollte, mich zu einem Kauf zu entschließen, möchte ich jeden Quadratzentimeter sehen.“

Kauf? Das ganze Projekt?

Gütiger Himmel, was hatte sie getan? Diese Baustelle war das größte Projekt, das ihr Vater jemals in Angriff genommen hatte, und vor ihr stand der Mann, der über ihr Schicksal bestimmte. Und sie hatte ihm gerade mit der Polizei gedroht!

Fantastisch. Seit zwei Monaten steckten sie Geld in diese Baustelle, die Modernisierung der bestehenden Gebäude machte Fortschritte, und die ersten Neubauten nahmen Gestalt an. Die ganze Zeit warteten sie auf Anweisungen – und vor allem auf Geld. Aber das ließ auf sich warten, weil die viel zu ungenauen Pläne immer wieder zu Verzögerungen führten. Broomfields Firma mochte ja tolle Ideen haben, aber um wichtige Einzelheiten kümmerte sie sich nicht, und der Teufel steckte nun mal im Detail. Wenn es zu einer Konventionalstrafe kam, würden sie sich darüber streiten müssen, wer schuld war.

Und jetzt stand der Mann, der möglicherweise die Antwort auf ihre Gebete war, vor ihr. Sie würde ihn nicht wieder gehen lassen, bevor sie die Chance bekam, ihm ihre Sicht der Dinge zu schildern. Vielleicht konnte sie ihn sogar dazu bewegen, ihnen das zu zahlen, was Broomfield ihnen schon jetzt schuldete.

Aber als Erstes musste sie sich eine Entschuldigung einfallen lassen – und zwar eine gute. Georgia zwang sich, seinem Blick standzuhalten, und verlor den Mut. Kein Zweifel, seine Geduld ging zu Ende, und in seinen Augen las sie nichts als Skepsis und Zweifel – Zweifel, die sie hier und jetzt ausräumen musste.

„Es tut mir leid, ich weiß nichts von einem Verkauf des Geländes“, gab sie hastig zu. „Mein Vater liegt seit fast zwei Wochen im Krankenhaus, und ich muss mit Andrew Broomfield reden – das heißt, ich versuche es. Er weicht mir aus.“

„Ich frage mich, warum“, murmelte er.

Sie schluckte ihren Stolz herunter. Die erste Entschuldigung hatte nicht gewirkt. Sie würde sich größere Mühe geben müssen.

„Hören Sie, es tut mir wirklich leid. Falls ich unhöflich war, entschuldige ich mich. Normalerweise bin ich nicht so, aber ich dachte, Sie wären einfach nur neugierig. Deshalb habe ich Sie so angefaucht. Wir haben auf der Baustelle schon genug Diebstähle und Vandalismus gehabt, daher bin ich etwas nervös, wenn ich mich allein hier aufhalte …“

„Sehe ich wie ein Vandale aus?“

Nein, dachte sie, du siehst wie ein Racheengel aus, und ich mache alles nur noch schlimmer. Sie schüttelte den Kopf, schloss die Augen und fragte sich, ob er noch da sein würde, wenn sie sie wieder öffnete.

Er war da. Verdammt. „Nein, natürlich nicht, aber es war ein harter Tag, und ich … Können wir noch mal von vorn anfangen?“

Einen Moment lang betrachtete er sie nur, dann entspannte seine Miene sich fast unmerklich. „Klingt eher nach einem harten Monat.“

Sie lachte etwas zu laut. „Das kann man wohl sagen. Tut mir leid, ich hatte wirklich keine Ahnung, dass Sie das Projekt übernehmen. Andrew ist in letzter Zeit sehr verschlossen. Natürlich führe ich Sie gern über das Gelände, aber ich werde Ihnen erst einen Helm besorgen, und Sie müssen sich eintragen. Vielleicht kann ich dabei ein paar Ihrer Fragen beantworten.“

„Es hört sich an, als hätten Sie mehr Fragen als ich.“

Sie lachte trocken. „Nur eine, die zählt, und die hat wohl Zeit. Wir warten auf eine Zwischenzahlung, und die Bank wird langsam unruhig. Bei Andrew komme ich nicht weiter. Gestern hat er mir eine Nachricht geschickt, in der er eine Zahlung in Aussicht stellt, aber damit kann die Bank nichts anfangen.“

Seine Lippen wurden schmal. „Das könnte meine Schuld sein. Ich war außer Landes und habe ihm bisher nicht geantwortet.“

„Und ich wollte Sie auch noch vom Gelände werfen.“ Georgia seufzte. „Mein Gott, was für ein Schlamassel! Ich habe die Arbeiter nach Hause geschickt, weil ich sie nicht beschäftigen kann. Am Ende der Woche werde ich sie wohl vorübergehend entlassen müssen, damit sie anderswo Geld verdienen …“

„Das tut mir leid.“

„Wie bitte?“, fragte sie verblüfft.

„Ich sagte, es tut mir leid – dass Sie solche Schwierigkeiten haben. Ich wäre früher hergekommen, aber ich war in New York. Ich habe mir die Unterlagen faxen lassen, als der Vertrag unterschrieben war, aber ehrlich gesagt hatte ich keine Ahnung, dass es ein so riesiges Gelände ist. Wir haben es als Teil einer Firmenübernahme bekommen, und ich habe die Pläne erst heute Morgen zu Gesicht bekommen. Vielleicht kann ich Ihnen ein paar Antworten geben, wenn Sie mir die Zeit dazu schenken.“

Georgia starrte ihn an. Sie war unhöflich gewesen, und er entschuldigte sich? „Natürlich.“ Sie nickte, aber eigentlich war sie in Eile. Sie musste zur Bank, um ihnen diese Neuigkeit zu überbringen – sobald sie wusste, wie diese Neuigkeit genau lautete! Sie schaute auf die Uhr. „Ich kann Ihnen eine halbe Stunde geben. Ich muss noch telefonieren und Fundamente markieren, wenn ich den Plan einhalten will.“

Er schüttelte den Kopf. „Keine Fundamente – und wenn Sie diesen Auftrag bekommen wollen, werden Sie mir die Zeit geben, die ich benötige, Miss Cauldwell. Ohne meine Zustimmung wird hier kein Stein mehr vermauert. Sie können telefonieren, mehr nicht. Der Rest Ihres Tages gehört mir, und wenn ich mit dem zufrieden bin, was Sie mir erzählen, kommen wir ins Geschäft. Wenn nicht, sind Sie draußen. Wie auch immer, hier wird sich einiges ändern.“

Georgia schnappte nach Luft. Das konnte ja heiter werden! „Wie Sie meinen, aber uns droht eine Konventionalstrafe und …“

„Nicht, wenn Sie die Arbeit einstellen. Das wäre unfair. Außerdem halte ich nichts von Konventionalstrafen. Wenn man seinem Personal vertraut, sind sie überflüssig.“

Ihre Augen wurden groß. „Kann ich das schriftlich haben?“

Zu ihrem Erstaunen lachte er. Es veränderte sein Gesicht völlig, ließ die harten Züge weicher erscheinen und die Augen leuchten. Und der Mund – dieses langsame, lässige Hochziehen eines Winkels …

„Das können Sie. Lassen Sie uns noch mal von vorn anfangen.“ Er streckte die Hand aus. „Nick Barron. Ich freue mich, Sie kennenzulernen, Miss Cauldwell.“

„Bitte nennen Sie mich Georgia.“ Sie legte ihre Hand in seine und wünschte, sie hätte sie heute früh eingecremt.

Und dann vergaß sie alles bis auf seinen festen Griff, die Wärme seiner Finger und die plötzliche Kälte, als er sie losließ.

„Gern. Ich nehme an, Sie wollen jetzt, dass ich einen dieser dämlichen Helme aufsetze und eines dieser Schilder trage, auf denen ‚Besucher‘ oder so etwas steht.“

„Ja“, erwiderte sie mit klopfendem Herzen und dachte nicht mehr daran, dass sie den Mann noch vor wenigen Minuten mit einem Fußtritt von der Baustelle hatte befördern wollen! Er gab ihr eine Chance, die letzte Chance, die Pleite abzuwenden und die Würde und die Firma ihres Vaters zu retten. Georgia war fest entschlossen, sie zu nutzen.

Daher straffte sie die Schultern, schenkte Nick Barron ein gewinnendes Lächeln und zeigte zum Büro. „Gehen wir und rüsten Sie aus, und dann können wir mit der Besichtigung beginnen.“

Es war verblüffend.

Nick stand auf etwas, das in besseren Zeiten wahrscheinlich mal ein satter Rasen gewesen war, blickte aufs Meer hinaus und lauschte der Brandung am Strand unter ihm. Sie krachte gegen die Wellenbrecher und schleuderte Gischt auf die Promenade, während der salzige Wind an seinem Haar zerrte und ihm das Gefühl gab, endlich wieder richtig zu leben.

Er lachte vor Begeisterung, und als er sich zu Georgia umdrehte, sah er, dass sie ihn nachdenklich musterte.

„Was ist denn?“

„Sie lieben es auch – das Meer“, sagte sie mit Nachdruck, als wäre es ihr wirklich wichtig, und er nickte.

„Vor allem um diese Jahreszeit, wenn es wild und stürmisch und ungezähmt ist.“

Sie starrte aufs Wasser hinaus und fröstelte. „Es macht mir Angst, aber ich kann nicht ohne das Meer leben. Es ist gefährlich und trügerisch und wunderbar und mächtig, und selbst wenn ich dafür Geld bekäme, würde ich nirgendwo anders leben wollen.“

„Wo leben Sie?“

Georgia lachte wehmütig. „Im Moment im Haus meines Vaters in Yoxburgh, aber das ist nur vorübergehend. Wenn sie fertig sind, werde ich mir eines von denen dort hinten kaufen. Deshalb habe ich ihm auch geholfen.“

Nick konzentrierte sich wieder auf das Baugelände, ließ den Blick aufmerksam umherschweifen und begann zu glauben, dass Tory allen Grund hatte, von diesem Projekt zu schwärmen.

Oben am Hang stand ein viktorianisches Landhaus, das selbst in seiner in die Jahre gekommenen Eleganz noch immer majestätisch wirkte. Die Erkerfenster und Terrassentüren boten eine wundervolle Aussicht aufs Meer, und so wie der Erker geschnitten war, würde den ganzen Nachmittag hindurch die Sonne hineinscheinen. Der Rasen erstreckte sich vom Haus bis zu einer etwa hüfthohen Mauer, die das Anwesen vor neugierigen Blicken von der tiefer gelegenen Uferstraße aus schützte.

Der Blick muss aus sämtlichen Räumen spektakulär sein, dachte Nick, und als ob das nicht genug wäre, gab es auch noch einen dreistöckigen Turm. Er ragte weit über das Dach, und das Zimmer an der Spitze besaß an drei Seiten Fenster.

Es musste herrlich sein, dort zu sitzen und zuzusehen, wie die Schiffe die Häfen von Felixstowe und Harwich ansteuerten. Bestimmt gab es auch jede Menge Jachten und Segelboote zu beobachten.

Nick war seit Jahren nicht mehr hier gewesen, aber er war keine dreißig Meilen entfernt aufgewachsen und wusste von den Tagesausflügen in seiner Jugend, dass sich im Sommer hier die Wassersportler tummelten. Er sah es schon vor sich, wie sich die Segel bei einer Regatta blähten, hörte die Kinder unter am Strand fröhlich spielen und die Hunde bellend ins Wasser preschen, um Stöcke zu apportieren …

Und er war ein hoffnungsloser Romantiker.

„Können wir ins Haus gehen?“

„Sicher. Aber dort herrscht ein Chaos – wir haben angefangen, ein paar Wände einzureißen. Passen Sie also lieber auf, wohin Sie …“

„Keine Sorge, ich werde Sie nicht verklagen. Ich glaube fest daran, dass ein Mensch selbst für seine Fehler verantwortlich ist. Dass jeder irgendwen vor Gericht zerren und Schadenersatz kassieren will, macht mich rasend. Was ist bloß aus dem gesunden Menschenverstand geworden?“

Georgia schnaubte. „Sagen Sie das mal der Versicherung meines Vaters. Die würden Anfälle bekommen, wenn sie Sie hören könnten.“

„Nein, vermutlich wären sie meiner Meinung – jedenfalls diejenigen, die das Risiko tragen.“

Sie lachte. „Das kann sein. Kommen Sie, wir gehen hier entlang.“

Sie betraten das Haus durch eine offene Tür am Fuß des Turms. Ihre Schritte hallten durch die leeren Räume, und Nick versuchte, sich einen kritischen Blick zu bewahren, doch das kleine Energiebündel neben ihm lenkte ihn zu sehr ab.

Zunächst hatte er sie für ein junges Mädchen gehalten, doch hier, wo die Sonne ihn nicht blendete, sah er, dass sie eine begehrenswerte Frau war. Nicht, dass die Frauen, die er kannte, sie als eine von ihnen akzeptieren würden. Sicher nicht. Dafür hatte sie zu wenig großstädtische Eleganz, keinen Glitzer und Glamour, und stellte kein einziges Designerlabel zur Schau, aber sie strahlte eine natürliche Lebensfreude aus.

„Was soll aus diesem Haus werden?“, fragte er und zwang sich, nicht mehr an die verführerischen Kurven zu denken, die sich unter der wenig schmeichelhaften Arbeitskleidung abzeichneten.

„Zwei Wohnungen im Hauptteil, ein kleines Stadthaus an diesem Ende mit dem Turm und dann noch eine Erweiterung mit vier weiteren Wohnungen. Kommen Sie, ich zeige es Ihnen. Der Turm ist einzigartig.“

Sie hatte recht. Der Turm entsprach seinen kühnsten Erwartungen, und die Aussicht von oben war spektakulär, genau wie von fast allen Räumen an der Vorderfront. Doch als Georgia ihn nach hinten führte, legte Nicks Begeisterung sich schlagartig, denn sie betraten einen langweiligen Anbau mit kleinen, konventionell geschnittenen Zimmern. Wesentlich interessanter war die Art, wie seine Führerin sich bewegte, wie sie das Haar nach hinten warf, wenn es ihr in die Augen fiel, und Nick sah ihr an, dass auch sie diesen Teil des Hauses wenig inspirierend fand. Der Anbau passte nicht zum ursprünglichen Charakter der Villa, und Nick sah keine andere Möglichkeit, als ihn komplett abzureißen.

„Wer ist der Architekt?“, fragte er.

„Hm, ein Mann, mit dem mein Vater noch nie gearbeitet hat. Ein Freund von Andrew Broomfield, glaube ich.“

Er nickte. Ja, das passte. Es war immer schlecht, einen Freund zu beschäftigen, um Geld zu sparen, und sich damit einen fantasielosen Entwurf einzuhandeln, bei dem es in erster Linie um Gewinn ging.

„Können Sie mit mir die Pläne durchgehen?“

„Natürlich. Wenn Sie nett sind, kann ich vielleicht sogar einen Kaffee auftreiben.“

„Oh, ich bin sogar sehr nett“, murmelte Nick, ohne zu überlegen, und sie blickte hastig zur Seite. Aber ihm entging nicht, dass ihre Augen groß geworden waren und ihre Wangen sich ein wenig rot gefärbt hatten.

„Daran zweifle ich nicht“, erwiderte sie leise und drehte sich auf dem Absatz um. In den klobigen Stiefeln und der leuchtend gelben Jacke stapfte sie nach draußen, gefolgt von dem kleinen Hund.

Nick folgte ihr über die chaotische Baustelle zu dem winzigen Blechschuppen, den sie als ihr Büro bezeichnete, und fühlte sich so lebendig wie seit Jahren nicht mehr …

„Sie haben einen Anruf erwähnt“, sagte er.

Georgia fragte sich, ob sie ihm erzählen sollte, wie sehr die Bank ihnen im Nacken saß. Oder sollte sie versuchen, ihn auf ihre Seite zu ziehen und die Bank um einen weiteren Tag Aufschub zu bitten?

Nein. Dazu war es schon zu spät. „Von der Bank“, sagte sie.

Er nickte langsam, verschränkte die Arme, lehnte sich zurück und betrachtete sie nachdenklich. „Setzt sie Ihnen sehr zu?“

„Ja. Wir mussten Rechnungen begleichen und Löhne auszahlen. Andrew hat versprochen, dass das Geld jeden Tag kommt …“

„Aber es ist nicht gekommen, und jetzt steht Ihnen das Wasser bis zum Hals?“

„Höher. Die Frist der Bank läuft heute bei Geschäftsschluss ab.“

„Wie viel?“

„Bitte?“

„Wie viel brauchen Sie, um die Bank abzuschütteln und die aufgelaufenen Schulden zu tilgen?“

Verblüfft setzte sie sich an den kleinen Schreibtisch. Hatte er allen Ernstes vor, ihr einfach so einen Scheck über Tausende von Pfund auszuschreiben?

„Eine Menge“, antwortete sie unverblümt, bevor sie einen Ordner aufschlug und Zahlen addierte. Als sie sich zu ihm umdrehte, sah sie, dass er über ihre Schulter auf das Display des Taschenrechners starrte.

„Ist das der Betrag?“

„So ungefähr. Vorläufig.“

Wieder nickte er. „Ich runde es auf, damit Sie wieder flüssig sind und Luft zum Atmen haben.“

„Aber ich dachte, Sie wollten erst entscheiden, ob wir den Umbau …“

„Das habe ich gerade getan.“ Er nahm sein Handy heraus, rief jemanden namens Tory an und reichte es Georgia. „Meine Assistentin. Sagen Sie ihr, wohin sie das Geld überweisen soll. Sie wird dafür sorgen, dass es heute vor Geschäftsschluss auf dem Konto eingeht.“

Vor Erleichterung bekam sie kaum ein Wort heraus. Ihr Vater lag im Krankenhaus, wartete auf eine Operation am offenen Herzen und bangte um seine Firma. Ihre Arbeiter waren loyal, verloren jedoch langsam die Geduld. Die Bank hatte alles getan, was man von ihr erwarten konnte, und Georgia selbst hatte seit Monaten kein Gehalt mehr bekommen.

Sie war den Tränen nahe, als sie Tory die Bankverbindung nannte. Dann gab sie Nick das Handy zurück und starrte blinzelnd aus dem Fenster.

„Danke“, sagte sie und atmete tief durch. Es sollte sie beruhigen, doch es ging wie von selbst in ein Schluchzen über. Nach einem Moment lehnte er sich gegen den Schreibtisch, drückte behutsam ihren Kopf an seine Brust und strich ihr über den Rücken.

„Hey, es ist alles gut“, flüsterte er.

Sie wehrte sich gegen das, was seine plötzliche Nähe so unerwartet in ihr auslöste, doch den Duft seines Aftershave, die Wärme seines Körpers und den kräftigen, gleichmäßigen Herzschlag konnte sie nicht länger ignorieren. Nach kurzem Zögern schmiegte sie sich in seine Arme und spürte, wie die Anspannung der vergangenen Wochen von ihr wich. Sie brach in Tränen aus und weinte, wie sie es seit dem Tod ihrer Mutter nicht mehr getan hatte.

Doch dann schob sie ihn verlegen von sich, stand auf, ging nach draußen, schaute von der Treppe aus aufs Meer und sog die salzige Luft ein.

Es würde alles gut werden. Der erste, entscheidende Schritt war bereits getan. Mit Nick Barrons Hilfe würde das Projekt sich vielleicht doch noch realisieren lassen, und ihr Vater würde nicht alles verlieren, wofür er so hart gearbeitet hatte …

Ein Taschentuch tauchte in ihrer Hand auf, und sie putzte sich die Nase und rieb sich mit dem Handrücken über die Wangen. Alles wird gut, dachte sie und wollte es laut hinausschreien. Sie wollte ins Wasser rennen und es den kreischenden Möwen zurufen …

„Wäre jetzt ein guter Zeitpunkt für den Kaffee, den Sie mir versprochen haben?“, murmelte Nick.

„Ich habe eine bessere Idee“, sagte sie und drehte sich lächelnd zu ihm um. „Um die Ecke gibt es ein Café, nichts Schickes, nur guten Kaffee und die besten Schinkenbaguettes der Welt. Ich glaube, zumindest das bin ich Ihnen schuldig – und außerdem habe ich noch nicht gefrühstückt.“

„Es ist zehn vor zwölf.“

„Ich weiß. Mein Magen meldet sich schon.“

Lächelnd legte er den Schutzhelm auf den Schreibtisch. „Worauf warten wir dann noch?“

2. KAPITEL

Sie hatte recht. Guter, starker Kaffee, eine wundervolle Aussicht – und Georgia.

Sie hatte die klobigen Stiefel ausgezogen und die grellgelbe Jacke gegen eine getauscht, die nicht in den Augen wehtat, und plötzlich war sie einfach nur eine junge Frau mit Schatten unter den Augen, deren rote Ränder dem golden schimmernden Grün nichts von seiner faszinierenden Wirkung nahmen.

Nick war ihrem Rat gefolgt und hatte ebenfalls ein Schinkenbaguette bestellt, und bis sie kamen, tranken sie Kaffee. Er nahm seinen schwarz, Georgia dagegen hatte den kompletten Inhalt des Sahnekännchens in ihren Becher gekippt und wärmte sich jetzt die Hände daran, während sie den würzigen Duft mit sichtlichem Genuss einsog. Er hörte sie seufzen und sah, wie ein Lächeln ihren Mund umspielte.

„Herrlich“, sagte sie, und er war ganz ihrer Meinung.

„Erzählen Sie mir von den Plänen“, bat er und musste sich zwingen, nicht länger auf ihre vollen Lippen zu starren. Er konnte nur hoffen, dass das Vertrauen, das er in die Firma ihres Vaters setzte, gerechtfertigt war.

Sie rümpfte die Nase. „Was soll mit denen sein?“

„Was halten Sie davon?“

Sie sah ihn an. „Einfallslos. Bieder. Der Architekt ist langweilig.“

„Was hätten Sie getan?“

„Einen besseren Architekten engagiert.“

„Wen zum Beispiel?“

Sie lachte. „Mich.“

„Sie sind Architektin?“, fragte er erstaunt.

„Ja – und bevor Sie fragen, ich bin alt genug.“

Nick verzog entschuldigend das Gesicht. „Tut mir leid. Also, warum leiten Sie die Baustelle Ihres Vaters?“

„Weil ich keine andere Wahl hatte. Er ist zusammengebrochen, und ich war … gerade frei. Zwischen zwei Jobs, wie man so sagt. Ich gönnte mir gerade eine Auszeit, um über meine Zukunft nachzudenken, daher konnte ich sofort einspringen. Er braucht einen dreifachen Bypass, liegt jetzt in Ipswich in Krankenhaus und wartet darauf, dass er nach Papworth verlegt wird, wo er operiert werden soll. Ich bin überzeugt, dass es auch die Sorge um die Firma war, die ihn so krank gemacht hat. Dieses Projekt hat von Anfang nur Probleme bereitet. Ungenaue Pläne, keine klaren Antworten, niemand, der Anweisungen gibt oder die Verantwortung übernimmt. Trotzdem haben sie uns mit einer Vertragsstrafe wegen Verzögerung gedroht, weil sie hofften, dass damit alles schneller geht.“

„Weil sie etwas vorzeigen mussten, um einen neuen Geldgeber zu finden.“

Sie zuckte mit den Schultern. „Es hätte nichts gebracht. Der Entwurf ist grauenhaft – die Baubehörde hat ihn genehmigt, aber ich bezweifle, dass sie damit glücklich war. Es ist einfach nur eine Ansammlung von Kästen. Selbst die Aussicht wird niemanden dazu bewegen, sich eine Wohnung zu kaufen.“

„Was würden Sie anders machen?“, fragte er. „Sie müssen sich doch Gedanken gemacht haben.“

Wieder lachte sie, und es ging ihm unter die Haut. „Unzählige, aber keiner davon ist baureif.“

„Das macht nichts. Denken Sie einfach laut.“

„Jetzt? Wirklich?“

„Jetzt. Wirklich.“

Sie legte den Kopf schräg, und ihre Augen funkelten vor Begeisterung. „Ich würde das Projekt halbieren“, begann sie. „Weniger Häuser, viel bessere Qualität, und vor allem würde ich diesen schrecklichen Anbau abreißen. Und dann … Ich kann es nicht beschreiben, ich zeige es Ihnen.“ Sie nahm eine Serviette, wühlte in ihrer Tasche, und Nick hielt ihr einen Stift hin.

Das Lächeln, mit dem sie ihm dankte, war so ansteckend wie ihre Begeisterung. Sie skizzierte und sprach gleichzeitig, und Nick ertappte sich dabei, wie er unwillkürlich den Atem anhielt. Sie war faszinierend. Ein Energiebündel voller intelligenter, interessanter Ideen.

Und sie war wunderbar. Absolut wunderbar.

Nick beugte sich vor, um genauer hinzusehen, und fühlte sich sofort vom verlockenden Duft des Shampoos umfangen, den ihr glänzendes Haar verströmte. Es hatte keine auffallende Farbe, nur ein helles Mittelbraun, das mit zarten, unaufdringlichen Highlights in Silber und Gold durchsetzt war. Es schwang nach vorn, sobald sie den Kopf senkte, denn der kurze, knapp oberhalb der Schultern endende Schnitt gab ihm die Freiheit dazu.

Gedankenverloren schob Georgia sich das Haar hinters Ohr, doch eine Strähne fiel nach vorn, hing hinunter und kam dabei Nicks Hand so nahe, dass es ihm in den Fingern juckte, danach zu tasten und festzustellen, ob es wirklich so weich war, wie es aussah. Er musste seine ganze Selbstbeherrschung aufbringen, um sich zurückzulehnen und auf den Stift zu starren, während ihr Entwurf mit kurzen, zielsicheren Strichen Gestalt annahm.

Und dann, als er es endlich schaffte, sich allein darauf zu konzentrieren, war er geradezu hingerissen.

„Jetzt wird alles gut, Dad.“

Georgias Vater runzelte die Stirn. „Aber ich verstehe nicht – woher kommt das alles?“

Sie lachte. „Keine Ahnung – vielleicht ist er vom Himmel geschickt? Ich wollte ihn nicht aushorchen. Er hat Geld überwiesen, ich habe bei der Bank nachgefragt, und es ist auf dem Konto. Wir sind sogar im Plus.“

Die Falten vertieften sich. „Und wo ist der Haken?“

„Kein Haken. Er zahlt Andrew aus, warum auch immer, und jetzt haben wir es mit ihm zu tun. Außerdem hasst er die Pläne und will, dass ich mir etwas Neues einfallen lasse. Er hat die Bauarbeiten eingestellt und …“

„Aber die Vertragsstrafe …“

„Verschwunden. Er hat sie einfach gestrichen, weil er nichts von solchen Maßnahmen hält. Dad, es ist alles in Ordnung. Wirklich! Glaub mir.“

Er suchte in ihrem Gesicht nach einem Anzeichen dafür, dass sie ihn anlog. Als er keines fand, nicht einmal eine Andeutung davon, ließ er seufzend den Kopf aufs Kissen sinken, schloss die Augen, und eine einzelne Träne lief ihm über die graue Wange. „Ich hätte nicht gedacht, dass wir den Kopf noch aus der Schlinge ziehen würden. Wirklich; ich kann es immer noch nicht glauben.“

Georgia verstand seine Zweifel. Auch sie konnte kaum fassen, was geschehen war.

„Glaub es“, sagte sie und musste schlucken, bevor sie die Träne fortküsste. „Werd einfach wieder gesund und überlass alles andere mir. Ich komme morgen wieder.“

Er öffnete die Augen. „Du gehst schon?“

„Ich muss arbeiten. Meinen Entwurf zu Papier bringen.“

Lächelnd streichelte er ihre Hand. „Gut. Lass dich nicht aufhalten. Darauf wartest du seit Wochen, ja? Geh schon und tu dein Bestes.“

„Das werde ich. Keine Sorge, Dad. Du wirst stolz auf mich sein.“

„Das bin ich immer“, sagte er, und seine Augen fielen wieder zu.

Leise verließ sie das Krankenzimmer und fuhr nach Hause. Der Anrufbeantworter blinkte. Georgia drückte auf den Knopf, und eine markante Stimme füllte den Raum. Ihr Herz begann zu klopfen. Nick.

„Georgia, ich habe es auf Ihrem Handy versucht, aber es war ausgeschaltet. Vermutlich waren Sie im Krankenhaus. Ich hoffe, es ist alles in Ordnung. Wann können wir uns treffen und Ihre Ideen durchgehen? Ich werde während der nächsten Tage im Büro festsitzen, aber wenn Sie morgen oder übermorgen nach London kommen, könnten wir uns abends zusammensetzen. Ich habe ein Gästezimmer. Sie können also bei mir übernachten, aber wenn Sie möchten, bringe ich Sie in einem Hotel unter. Sagen Sie mir einfach, wann Sie eintreffen – je früher, desto besser. Ich möchte so bald wie möglich anfangen.“

Übernachten? Übernachten? Ihr Herz schlug noch schneller, und sie legte eine Hand darauf und atmete tief durch. Ein, aus, ein, aus …

Übernachten?

In seinem Gästezimmer.

„Vergiss das nicht“, befahl sie sich, während sie den Wasserkocher füllte und einschaltete. Kurz darauf nahm sie sich eine Packung Kekse und setzte sich mit einer Tasse Tee und einem Kopf voller Träume an ihr Zeichenbrett …

„Nick?“

„Georgia – wie geht es Ihnen?“

Jetzt, da sie nach langen vierundzwanzig Stunden endlich wieder seine Stimme hörte, ging es ihr schon viel besser, aber das brauchte er nicht zu wissen. „Bestens. Hören Sie, ich habe ein paar Ideen zu Papier gebracht, aber ich denke, ich erspare Ihnen zu viele Einzelheiten. Vielleicht sollten Sie es sich ansehen, damit ich eine Vorstellung von dem bekomme, was Sie erwarten.“

„Das finde ich auch. Leider sitze ich momentan hier fest. Können Sie herkommen?“, fragte er.

„Sicher. Wann?“

„Wann Sie wollen. Abends bin ich immer frei. Heute ist es aber schon etwas zu spät, fast sechs – wie wäre es mit Morgen?“

Ihr Herz klopfte. „Morgen?“, wiederholte sie nervös. Sie hatte gehofft, noch etwas länger an ihren Ideen arbeiten zu können, aber wenn es sein musste … Morgen war immer noch besser als heute! Sie zwang sich, ruhig zu bleiben. „Na ja … morgen kann ich schaffen, wenn Sie nicht zu beschäftigt sind …“

„Wann ungefähr?“

„Ich muss erst zu meinem Vater und könnte den Zug um halb sechs nehmen, dann wäre ich eine Stunde später in Liverpool Street. Passt Ihnen das?“

„Bestens. Ich hole Sie von der U-Bahn ab.“ Er erklärte ihr, welche Linie sie nehmen und wo sie aussteigen musste. „Rufen Sie an, wenn Sie da sind. Ich brauche nur fünf Minuten bis zum Bahnhof.“

Er brauchte sechs, und jede einzelne davon kam Georgia endlos vor, was kein Wunder war, denn sie war schrecklich aufgeregt und erschöpft. Sie hatte den ganzen Tag hindurch über ihren Plänen gebrütet, einige Ideen wieder verworfen und neue skizziert, danach war sie kurz zu ihrem Vater in die Klinik gefahren, hatte schnell geduscht und war noch mit nassen Haaren in den Zug gestiegen.

Daher war der Kragen ihres Mantels feucht, und als sie vor der U-Bahn-Station auf Nick wartete, nahm der Märzwind zu, und sie fror erbärmlich.

Sie schaute auf die Straße und versuchte, zu erraten, was für ein Auto Nick wohl fuhr. Plötzlich hielt ein flacher, schnittiger Sportwagen vor ihr, und die Beifahrertür ging auf. „Steigen Sie ein“, sagte er, über den Beifahrersitz gebeugt, und wie von selbst fiel Georgias Blick auf seinen offenen Hemdkragen, wo die breite Brust zu sehen war. Hastig nahm sie Platz und war heilfroh, dass ihr gesunder Menschenverstand über die Eitelkeit gesiegt hatte und sie keinen Rock trug.

„Schönes Auto“, sagte sie, um nicht an seine Brust zu denken, und sein Lächeln wurde breiter.

„Mein einziger Luxus“, erwiderte er, aber irgendwie glaubte sie es ihm nicht. Nick Barron besaß die Ausstrahlung eines Mannes, der sich alles gönnte, worauf er gerade Lust hatte.

„Schnallen Sie sich an“, befahl er sanft und fuhr mit quietschenden Reifen an, um sich in eine winzige Lücke im fließenden Verkehr zu quetschen. Das Auspuffgeräusch hatte etwas Raubtierhaftes, und als der Wagen plötzlich beschleunigte und Georgia in den Ledersitz presste, wurden ihre Knie weich!

„So einen Wagen hätte ich auch gern“, sagte sie seufzend. „Aber er passt nicht auf eine Baustelle, außerdem bin ich kein millionenschwerer Playboy.“

„Halten Sie mich denn für einen?“

„Sind Sie etwa keiner?“

„Gut gekontert. Schuldig in mindestens einem Punkt der Anklage“, gestand er lächelnd.

„Na also. Aber ich würde am Steuer lächerlich aussehen.“

„Ich finde, Sie würden wundervoll aussehen, aber dieser Verkehr wäre nicht ideal, um es das erste Mal zu versuchen.“

Er fuhr an einer Schlange vorbei, schoss über eine Kreuzung, als die Ampel auf Gelb wechselte und bog in die Einfahrt einer Tiefgarage ein. Alles ging so schnell, dass Georgia die Orientierung verlor. Sekunden später half er ihr aus dem Wagen, und auf dem Weg zum Lift fragte sie sich, ob sie es jemals schaffen würde, beim Aussteigen aus einem solchen Sportwagen ihre Würde zu wahren. Nicht, dass ich es lernen muss, dachte sie betrübt.

Nick lebte nicht in ihrer Welt und war Lichtjahre von dem entfernt, was sie kannte und sich erhoffte. Bisher war die einzige Gemeinsamkeit zwischen ihnen die Liebe zur See und die Begeisterung für schnittige Sportwagen.

Und natürlich die Abneigung gegen die alten Pläne für das Baugelände.

Ihre Laune verbesserte sich – bis sie die Kabine betraten, er eine Karte in einen Schlitz steckte, und der Fahrstuhl sämtliche nummerierten Stockwerke ausließ. Dann erschien auf der Anzeige ein P. Die Tür glitt fast geräuschlos auf, Georgia ging hindurch und blieb abrupt stehen.

„Wow“, sagte sie leise.

Alles, was sie vor sich sah, waren Lichter – so viele, dass die Nacht davor zurückzuweichen schien. So weit das Auge blickte, ragten hell erleuchtete Hochhäuser wie Glasbausteine in den Himmel.

Georgia erkannte das Riesenrad, das sich in der Ferne gemächlich drehte, dahinter Big Ben und … all die berühmten Wahrzeichen Londons, Norman Fosters im Volksmund „Gurke“ genannter Büroturm, der alte NatWest Tower, das Rathaus und davor das breite, dunkle Band der Themse.

Wunderbar. Magisch. Atemberaubend.

Einen Moment lang glaubte sie, auf dem Dach zu stehen, doch dann betätigte Nick einen Schalter, und sie sah, dass sie sich in einem riesigen, luftigen Raum befanden, mit großen Couches an einem und einer offenen, ultramodernen Küche am anderen Ende. Dazwischen lag der Essbereich mit Blick auf die Dachterrasse und die glitzernde Metropole hinter den Glaswänden – denn die umgaben das Penthouse wie eine transparente, nahezu unsichtbare Begrenzung.

„Oh, wow“, wiederholte sie, und er lächelte schief, fast ein wenig verlegen.

„Gefällt es Ihnen?“

„Ich liebe es.“ Sie strich über die Lehne eines weichen braunen Ledersofas und fragte sich, was um alles auf der Welt sie an einem Ort wie diesem verloren hatte. „Und das überrascht mich. Normalerweise mag ich so etwas nicht. Bisher fand ich es immer kalt und unfreundlich, aber das hier ist ganz anders. Und dann die Aussicht!“

„Deshalb habe ich das Penthouse gekauft. Die Dachterrasse erstreckt sich über alle vier Seiten, und sämtliche Räume haben einen Zugang.“

Erneut berührte er den Schalter, und verdeckt angebrachte Strahler erhellten Kübel mit kunstvoll geschnittenen Sträuchern, geschmackvoll arrangierte Skulpturen und sogar einen …

„Ist das ein Whirlpool?“

Er zog eine Grimasse und nickte. „Ein kleiner Luxus.“

„Ich dachte, der Wagen ist Ihr einziger Luxus“, sagte sie, und er lachte.

„Nun ja, eigentlich ist der Whirlpool kein Luxus, sondern eine medizinische Notwendigkeit. Ohne ihn könnte ich gar nicht richtig abschalten. Nach einem stressigen Tag im Büro oder einem langen Flug ist es herrlich, darin zu entspannen. Außerdem habe ich hier oben kaum Besucher, also ist er mein Geheimnis und zählt nicht“, fügte er mit einem verschmitzten Lächeln hinzu.

Zu ihrem Erstaunen freute sie sich, das zu hören. Nicht, dass es sie etwas anging, wie viele Leute er einlud, aber irgendwie …

„Einen Drink?“

„Ein Tee wäre schön.“

Er setzte Wasser auf und holte zwei Becher heraus. „Was ist mit Abendessen? Möchten Sie ausgehen, oder soll ich etwas bestellen? Unten gibt es ein Restaurant mit Lieferservice.“

Das wunderte Georgia nicht. Sie kannte zwar nur die Tiefgarage und den Ausblick von ganz oben, doch das reichte. Sie konnte sich gut vorstellen, was dazwischen lag, und war sicher, dass es ebenso beeindruckend war.

„Ich würde gern hier essen“, erwiderte sie, ohne den Blick von der faszinierenden Kulisse zu nehmen. „Dann hätten wir auch mehr Zeit für die Pläne“, sagte sie rasch, um sich nicht zu verraten.

„Einverstanden. Werfen Sie einen Blick in die Speisekarte und suchen Sie etwas aus.“

Sie tat es, blinzelte verblüfft und gab sie ihm zurück. „Was auch immer. Alles. Allein beim Lesen läuft mir schon das Wasser im Mund zusammen. Ich hatte eine Tasse Tee zu Mittag und einen Keks zum Frühstück. Im Moment wäre ich sogar mit einer Tüte fettiger Chips zufrieden.“

Seine Mundwinkel zuckten. „Ich glaube, damit müssen wir uns nicht begnügen“, erwiderte er und griff nach dem Telefonhörer. Mit leiser, aber befehlsgewohnter Stimme bestellte er, während Georgia ein kleines Boot beobachtete, das langsam über die Themse tuckerte, und sich fragte, wie es wäre, hier zu wohnen. Er kam zu ihr, stellte sich neben sie und reichte ihr einen dampfenden Becher.

„Gehen wir nach draußen“, schlug er vor. Die Glaswand glitt zur Seite, und er ließ ihr den Vortritt.

Die Terrasse war riesig. Niemals hätte Georgia erwartet, auf dem Dach eines Londoner Hochhauses ein so großzügiges Areal zu finden, und als sie das Penthouse umrundete und dabei auch an den Schlafzimmern vorbeikam, ging ihr auf, wie viel Geld ihr Gastgeber haben musste.

Der Sportwagen allein kostete schon ein kleines Vermögen, und der sollte angeblich Nicks einziger Luxus sein? Das bezweifelte sie.

Und doch erschien ihr die Wohnung nicht etwa protzig, sondern einladend. Die Einrichtung war teuer, aber schlicht, die Pflanzen auf der Dachterrasse gepflegt, und Georgia hatte das Gefühl, dass seine privilegierte Position für ihn nicht selbstverständlich war. Aber vielleicht war das alles nur die Handschrift eines Innenarchitekten und eines Gärtners, der sich regelmäßig um das Grün kümmerte.

Und dann war da noch die medizinische Notwendigkeit, der Whirlpool, der ihren Blick immer wieder auf sich zog. Sie sah, dass er aus solidem Holz gefertigt war, nicht aus verkleidetem Kunststoff. Die waren zwar sehr bequem und einfach zu installieren, aber sie besaßen einfach nicht den diskreten, natürlichen Charme, den die Planken aus Zedernholz ausstrahlten.

Dieser Whirlpool glich einem großen, flachen Fass, das in eine erhöhte Plattform eingelassen war, und mit geschlossenem Holzdeckel diente er als Sitzgelegenheit. Sie nahm darauf Platz und seufzte genießerisch, als sie durch das Holz hindurch die Wärme fühlte. „Er ist an!“, rief sie überrascht, und Nick lächelte.

„Natürlich. Dies ist die beste Jahreszeit dafür. Wir können uns hineinsetzen, wenn Sie möchten – wir entspannen uns und reden über die Pläne.“

Lieber nicht, dachte sie. Sie hätte es gern getan, sehr gern sogar, aber sie war nicht sicher, was man dabei trug. Außerdem war sie hier, um zu arbeiten.

„Wollen Sie sich denn nicht erst die Skizzen ansehen?“, fragte sie fast ein wenig verzweifelt.

Zu ihrer Enttäuschung und Erleichterung zuckte er mit den Schultern und führte sie wieder hinein. Nein, nur zu ihrer Erleichterung …

„Wir sehen sie uns jetzt an, während wir essen. Es gibt immer ein Später“, fügte er hinzu.

„Vielleicht“, antwortete sie nervös und griff nach der langen Röhre, in der sie ihre Zeichnungen transportierte, schraubte den Deckel ab und zog die Entwürfe heraus.

„Das sind nur grobe Skizzen“, warnte sie, aber er lächelte nur, bevor er ihr half, sie auf dem Couchtisch auszubreiten, und eine Ecke mit einer Figur beschwerte.

Georgia blinzelte. Sie kannte den Künstler, der die Statuette geschaffen hatte, und das Stück hatte vermutlich mehr gekostet, als sie in einem ganzen Jahr verdiente. Du meine Güte, wie hatte sie sich nur zu diesem Besuch überreden lassen können? Er konnte unmöglich an dem interessiert sein, was sie zu sagen hatte. Er lebte in einer vollkommen anderen Welt.

„Das macht nichts. Erklären Sie sie mir? Was ist das hier?“

Sie konzentrierte sich auf die Skizze, holte tief Luft und begann mit ihrem Verkaufsgespräch.

3. KAPITEL

„Das war unglaublich!“

Nick lachte leise, als Georgia ihren Teller von sich schob und zufrieden seufzte. „Ich habe doch gesagt, dass sie gutes Essen liefern.“

„Von wegen gut. Es war perfekt. Gut beschreibt es nicht annähernd.“

„Kaffee?“

Sie nickte. „Gern. Wenn es nicht zu viel Mühe macht.“

„Gar keine. Heiß und stark, richtig?“

Er sah ihr kurz in die Augen, und sie fühlte, wie ihre Wangen sich erwärmten. Du meine Güte, er meinte doch nur den Kaffee! „Ja, bitte. Mit viel Sahne, wenn Sie welche haben.“

„Klar.“ Er wandte sich ab, und sie fächelte sich Luft zu und atmete tief durch.

„Macht es Ihnen etwas aus, wenn ich hinausgehe? Ich liebe den Ausblick.“

„Fühlen Sie sich wie zu Hause.“

Sie schob die Glastür auf, schlenderte über die Dachterrasse, stützte die Arme auf das Geländer und starrte fasziniert auf den Fluss. Sie hörte den Verkehr tief unter ihr, die Sirenen, das Hupen, einen bellenden Hund, aber es erschien ihr alles unwirklich. Es war, als würde sie über allem schweben, weit entfernt von der Realität des hektischen Alltags, und am Horizont verschmolz der Sternenhimmel mit dem funkelnden Lichtermeer Londons.

Es wäre so herrlich, im warmen Wasser zu liegen, hoch über der Stadt, wie in einer Märchenwelt …

„Ihr Kaffee ist fertig. Möchten Sie ihn drinnen oder draußen trinken?“

Sie drehte sich zu ihm um. „Es ist so kühl. Wir sollten ihn lieber drinnen trinken.“

„Wir könnten uns in den Whirlpool legen und über Ihre Entwürfe reden.“

Im Halbdunkel war sein Blick nicht zu deuten, aber plötzlich spürte sie die Anspannung zwischen ihnen. Es war, als würde die Welt auf ihre Antwort warten.

„Ich habe keinen Badeanzug“, sagte sie, dankbar für das praktische Argument.

„Ich werde nicht hinsehen, und außerdem brauchen wir die Unterwasserbeleuchtung nicht einzuschalten. Sie könnten ihre Unterwäsche anbehalten, falls Sie sich darin wohler fühlen.“

„Was ist mit Ihnen?“

Sie sah seine Zähne aufblitzen. „Ich werde Sie nicht in Verlegenheit bringen, Georgia. Ich leihe Ihnen sogar einen Bademantel.“

Sie konnte nicht länger widerstehen. Er führte sie hinein, reichte ihr einen flauschigen Bademantel und einen Stapel Handtücher, zeigte ihr ein Schlafzimmer von der Größe eines durchschnittlichen Reihenhauses und verschwand.

Als sie von dort aus den Dachgarten betrat und nach vorn ging, war die Abdeckung des Whirlpools fort. Die Kaffeebecher standen am Rand, und Nick war nirgendwo zu sehen. Aber das sprudelnde Wasser war verlockend, also zog sie den Bademantel aus, ließ ihn auf die Plattform fallen und stieg in den wärmenden Dampf, der aus dem Becken aufstieg.

Zunächst stockte ihr der Atem, dann seufzte sie genießerisch, als das Wasser ihre Schultern umströmte und sie sich gegen die Seite lehnte. Wie durch eine Nebelwand sah sie einen hell erleuchteten Ausflugsdampfer ablegen. An Deck herrschte Trubel, doch der Dampf und das brodelnde Wasser dämpften die Geräusche der Party, und Georgia fühlte sich wie in einen magischen Kokon gehüllt.

Kein Wunder, dass er das hier brauchte, um sich zu entspannen. Wäre es ihr Whirlpool, würde sie für immer darin liegen bleiben!

„Ist Ihnen jetzt wärmer?“

„Oh, Sie haben mich erschreckt“, erwiderte sie lachend, schaute über die Schulter und bereute es sofort, denn er stand direkt hinter ihr, ließ den Bademantel fallen, der über seinem Arm hing, und glitt ins dampfende, sprudelnde Wasser. Was für ein Bild von einem Mann. Breitschultrig, schmale Hüften, lange Beine.

„Oh, das tut gut!“

Ja, das tat es. Sie hätte nicht gedacht, dass die Aussicht noch schöner werden konnte!

Er war größer als sie, also bedeckte das Wasser seine Schultern nicht, sondern erlaubte ihr einen Blick auf seine breite Brust, auf die gebräunte Haut, auf der Tropfen glitzerten. Darunter spannten sich kräftige Muskeln, und als er den Kopf nach hinten legte, straffte sich der Hals unter dem markanten Kinn, und Georgia spürte, wie ihre Knie weich wurden.

Im Lichtschein aus dem Wohnzimmer konnte sie erkennen, wie in der kleinen Vertiefung zwischen Schlüsselbein und Hals der Puls schlug, und plötzlich sehnte sie sich danach, sich vorzubeugen, die Stelle mit der Zunge zu berühren und die Tropfen abzulecken, die sich dort sammelten.

„Herrlich“, sagte sie und versuchte, nicht laut aufzustöhnen. Sie wollte etwas Unvergängliches von sich geben, doch es war schwer, an etwas anderes als seinen Körper zu denken. Hastig zog sie die Beine an, weil sie Angst hatte, dass sie sich wie von selbst nach seinen ausstrecken würden …

„Kaffee“, sagte er und öffnete die Augen. Dann stemmte er sich hoch, gab ihr einen Becher, machte es sich am Rand bequem und betrachtete sie. „Erzählen Sie von sich“, befahl er sanft.

Sie lachte überrascht. „Da gibt es nicht viel zu erzählen.“

„Unsinn. Fangen Sie mit dem Einfachen an. Wo sind Sie geboren?“

Ja, das war wirklich einfach. „In Ipswich. Mein Vater arbeitete in Yoxburgh, und ich wuchs in einem Haus mit Meerblick auf – wenn man auf den Dachboden stieg und sich den Hals verrenkte!“

Nick lächelte. „Daher rührt also Ihre Liebe zur See.“

„Nein, die kam erst später, als ich in Cornwall Urlaub machte und die Wellen gegen die Felsen schlagen sah. Felsen gibt es in Suffolk nicht, nur die, die zur Uferbefestigung importiert werden. Wir haben nur Sand und Ablagerungen, aber dafür schöne Strände, und abends gehe ich gern auf der Promenade spazieren und höre dem Wasser zu, wenn es über den Sand wispert. Und an stürmischen Tagen schließe ich die Augen und lausche der Brandung an den Wellenbrechern. Dann kann ich davon träumen, anderswo zu sein.“

„Das ist das Schöne am Meer“, murmelte er. „Es ist weltumspannend. Der Geruch, die Geräusche – sie sind immer gleich, wo man auch ist.“ Er machte eine kurze Pause. „Warum sind Sie Architektin geworden?“

„Oh.“ Was für ein abrupter Themenwechsel! „Na ja, mein Vater war Bauunternehmer, das hat mich wahrscheinlich beeinflusst. Er hatte oft wegen Krankheit in der Schule fehlen müssen, also konnte er nicht zur Universität gehen. Aber er liebte Häuser und war gern im Freien, daher ging er auf den Bau, und ich bin mit den Geräuschen und Gerüchen aufgewachsen. Da lag es für mich nahe, Häuser zu entwerfen, und meine Noten waren gut genug, um Architektur zu studieren, also fing ich an.“

„Aber dann haben Sie festgestellt, dass Sie den Beruf doch nicht mögen?“

„Im Gegenteil! Ich liebe ihn. Richtige Architektur, meine ich. Was mir nicht gefällt, und was ich tagaus, tagein tun musste, war, die Lücken im Entwurf eines Stadtplaners zu füllen – hier zig Zweizimmerwohnungen, dort einige Dreizimmerwohnungen. Kleine Schachteln. Das war nicht das, was ich wollte, und was mich interessierte, aber ich konnte meine Rechnungen bezahlen und dachte, ich halte eine Weile durch, bis der richtige Job kommt.“

„Aber Sie hielten nicht durch.“

Sie dachte an Martin und seufzte. „Es hatte auch persönliche Gründe.“

„Ihr Chef?“

Woher wusste er das? Sie nickte. „Er hatte Probleme in seiner Ehe. Und hat sie mir überlassen.“ Zwei, um genau zu sein. Sechs und drei Jahre alte süße Mädchen, die ihre kranke Mutter vermissten und sich wie Kletten an Georgia hängten. Genau wie Martin – bis seine Frau gesund wurde und ihn und die Kinder zurück wollte. Da ließ er Georgia wie eine heiße Kartoffel fallen.

„Das klingt unschön.“

„Das war es auch.“ Georgia hatte nicht vor, darüber zu reden. Es war noch zu frisch, tat noch zu weh. Vor allem der Schock in den Augen der Mädchen, als sie ihnen erklärte, dass sie sie verlassen musste.

„Also haben Sie eine berufliche Auszeit genommen, um in Ruhe über alles nachzudenken?“

Sie lachte, dankbar dafür, dass er nicht nachfragte. „Mein Vater hat immer gehofft, dass ich seine Firma übernehme. Seit zehn Jahren baut er exklusive Einzelhäuser, nichts von der Stange. Er hat einen hervorragenden Ruf – deshalb hat Andrew ihn beauftragt, das Schulgelände zu bebauen. Er dachte, der Name Cauldwell würde Investoren und Käufer anlocken. Aber das Projekt ist nichts für meinen Vater – es ist viel zu groß, viel zu konventionell …“

„Das wird sich ändern. Ihr Entwurf sieht wesentlich weniger Wohneinheiten und viel mehr Freiflächen vor. Und vor allem wollen Sie diesen hässlichen Anbau hinter der Villa abreißen. Das hat mich überzeugt.“

„Erst müssen wir die Genehmigung dafür bekommen, und dazu muss ich viel detailliertere Pläne vorlegen – wenn Sie damit einverstanden sind, heißt das.“

„Das bin ich. Es gibt noch ein oder zwei Dinge, die wir besprechen müssen, aber im Prinzip gefällt mir, was Sie sich vorstellen. Es gefällt mir sogar sehr. Und ich möchte, dass Sie einen Teil des alten Hauses für mich reservieren, als Ort, an den Leute aus meiner Firma sich am Wochenende zurückziehen können. Mich eingeschlossen.“

Ihr Herz schlug schneller. „Welchen Teil?“, fragte sie und wusste schon jetzt, was er antworten würde.

„Das Erdgeschoss und den Turm.“

Verdammt. Sie machte ein langes Gesicht und konnte nichts dagegen tun. Vielleicht würde er es nicht bemerken …

„Was ist denn?“

Pech gehabt. „Was soll sein?“

„Aus irgendeinem Grund gefällt Ihnen meine Idee nicht.“

Sie spürte, wie ihr Lächeln gefror, und gab auf. „Den Turm wollte ich eigentlich selbst kaufen“, gestand sie.

„Aha.“ Sein Blick war nachdenklich und forschend. „Wie wäre es stattdessen mit der Wohnung im Obergeschoss?“

„Das ist kein Vergleich.“

„Nein. Da haben Sie recht. Ich habe sogar mit dem Gedanken gespielt, das Haus so zu erhalten, wie es ist. Als eine Wohneinheit. Aber das ist verrückt. Es wäre wunderschön, aber auch zu groß, und ich bezweifle, dass viele Familien so viel Platz brauchen.“

„Es würde sich auch nicht rechnen. Wenn man es in drei Einheiten aufteilt, kann man damit mehr Geld verdienen“, sagte sie, aber er musste etwas in ihrer Stimme gehört haben, denn er legte den Kopf schräg und musterte sie neugierig.

„Sie sind doch meiner Meinung, oder nicht?“

Georgia lächelte wehmütig. „Ja, sicher“, erwiderte sie leise. „Es wäre ein tolles Zuhause für eine Familie. Wenn ich mir vorstelle, wie Kinder darin lachen, über den Rasen laufen, wie am Abend Partys gefeiert werden, Musik aus den Fenstern in den Garten dringt …“

„Sie sind ja eine Romantikerin“, entgegnete Nick belustigt, aber sein Blick war ernst, und Georgia fragte sich plötzlich, ob ihm sein hektisches, einsames Leben wirklich gefiel. Ob er nach einem langen Arbeitstag gern allein nach Hause kam, sich in den Whirlpool setzte und darüber nachdachte, was ihm fehlte …

War sie jetzt endgültig verrückt geworden? Woher wollte sie wissen, dass er allein war? Vielleicht verbrachte er hier jede Nacht mit einer anderen Frau. Hektisch? Ja. Aber einsam? Nicht, wenn es nach den Frauen der Londoner Gesellschaft ging, davon war sie überzeugt!

„Sind Sie verheiratet?“, fragte sie unvermittelt.

„Ich? Aber nein. Ich bezweifle, dass eine Frau meinen Lebensstil auch nur einige Minuten lang ertragen würde.“

Das hatte Martins Frau nicht davon abgehalten, ihn zu heiraten, aber es war vermutlich auch der Grund dafür, dass sie schließlich zusammengebrochen und für einige Monate in einer psychiatrischen Klinik gelandet war.

„Habe ich etwas Falsches gesagt?“

Sie rang sich ein Lächeln ab. „Nein, nein. Ich habe nur gerade an jemand anders gedacht.“

„An Ihren alten Chef“, riet er treffsicher.

Da sie nicht darüber reden wollte, schwieg sie, und er schüttelte den Kopf.

„Er muss ein echter Mistkerl gewesen sein.“

„Das war er wirklich“, bestätigte sie.

Nick stand auf, das Wasser strömte an seinem makellos gebauten Körper hinab, und sie fühlte, wie ihr Mund trocken wurde. „Kommen Sie, gehen wir hinein. Wir werfen noch einen Blick auf die Entwürfe, bevor wir zu Bett gehen. Möchten Sie in meinem Gästezimmer übernachten, oder soll ich im Hotel nebenan anrufen?“

Ihr Herz schlug schneller. „Nein, ich nehme gern das Gästezimmer“, sagte sie rasch. „Bestimmt ist es im Hotel nicht annähernd so schön, und die Aussicht ist nicht zu vergleichen. Ich finde es hier oben traumhaft.“

„Ja, mir gefällt es auch“, antwortete er verlegen. „Hier, Ihr Bademantel.“

Er hielt ihn ihr so hin, dass ihr nichts anderes übrig blieb, als aufzustehen, in ihrer durchnässten, viel zu durchsichtigen Unterwäsche aus dem Becken zu steigen und ihm mit brennenden Wangen den Rücken zuzukehren, damit er ihr in den Bademantel helfen konnte.

Doch damit begnügte er sich nicht. Er legte ihr den weichen Kragen um den Hals, schlug ihn hoch, tupfte das feuchte Haar ab und hüllte sie sorgfältig ein, wie ein Vater – oder ein Liebhaber.

Und in ihr stiegen unsinnige, alberne Ideen auf. Daher schlang sie den Bademantel fest um sich, zog den Gürtel stramm und betrat die Dachterrasse. Als sie danach den Kopf hob, war ihr, als würde sie in seinen Augen etwas Neues wahrnehmen.

Nein. Das bildete sie sich nur ein. Er hatte nicht das leiseste Interesse an ihr, und selbst wenn, würde sie es nicht erwidern.

Wirklich nicht? Hastig wandte sie sich ab, und plötzlich wurde ihr schwindlig. „Oh!“

Nick stützte sie. „Das geht vorbei. Sie waren zu lange im Whirlpool und sind nicht daran gewöhnt. Die Wärme geht manchmal auf den Kreislauf. Alles wieder in Ordnung?“

Nein. Ganz und gar nicht. Sie stand da, an seine breite, muskulöse Brust gepresst, die Wange fast an der feuchten Haut, und seine Arme umschlossen sie.

Und sich von ihm zu lösen war das Letzte, was sie wollte.

„Es geht mir gut. Ent…schuldigung“, stammelte sie und schob Nick behutsam von sich.

Es wäre alles in bester Ordnung gewesen, wenn sie dabei nicht in seine Augen geschaut hätte, denn die schienen in der Dunkelheit zu glühen, und wie von selbst schmiegte ihr Körper sich wieder an seinen. Und dann, als er den Kopf senkte und ihr den Blick auf die Sterne nahm, seufzte sie leise.

Sein Mund war warm und fest und verlockend, die Lippen verführerisch, und sie öffnete sich ihm. Nick zog sie an sich, während das Spiel seiner Zunge ihr wohlige Schauer bis in die Zehenspitzen sandte und ihre Beine fast nachgaben.

Sie stöhnte auf, und er vertiefte den Kuss, bevor er die Hände in ihren Bademantel schob. Die kalte Luft strich über ihre erhitzte Haut, und als seine Daumen ihre Brüste streiften, wurden die Spitzen fest.

Georgia schnappte nach Luft, als das Verlangen ihr den Atem raubte, presste sich an ihn, legte die Hände auf seine kräftigen Oberarme und genoss es, zu fühlen, wie sehr er sie in diesem Moment begehrte.

„Nick“, keuchte sie, doch dann war plötzlich alles anders. Er zog sich zurück, hob den Kopf und legte die Stirn an ihre.

„Was zum Teufel machen wir hier?“, murmelte er atemlos, während er die Hände sinken ließ, ihren Bademantel zusammenzog, sie behutsam umdrehte und in Richtung ihres Zimmers schob. „Zieh dich an, Georgia“, sagte er mit rauer Stimme. „Bevor wir etwas tun, was wir beide bereuen werden.“

Dazu ist es zu spät, Nick. Viel zu spät.

Sie schlang die Arme um sich und ging davon.

4. KAPITEL

Georgia duschte ausgiebig, obwohl sie schon genug Zeit in warmem Wasser verbracht hatte, und beeilte sich auch beim Anziehen nicht. Schließlich hatte sie sich gerade einem Mann an den Hals geworfen, der sie lediglich hatte stützen wollen, als sie hinzufallen drohte!

„Idiotin!“, sagte sie zum hundertsten Mal. „Was bist du bloß für eine Idiotin! Wie um alles in der Welt kommst du nur darauf, dass er sich für dich interessiert? Er ist auch nur ein Mensch, und du ziehst dich fast ganz aus und präsentierst dich ihm! Natürlich hat er dich geküsst, aber der Mann hat die freie Auswahl, warum sollte er sich ausgerechnet mit dir abgeben?“

Sie stieg in die Jeans, zog den Reißverschluss hoch und den Pullover nach unten. Auf die unbequemen Schuhe verzichtete sie und blieb lieber barfuß, obwohl sie ihre Zehennägel schon lange nicht mehr lackiert hatte. Außerdem kannte Nick ihre Füße schon. Er kannte verdammt viel mehr als nur die Füße und war trotzdem davongegangen.

„Idiotin!“

„Georgia? Ich habe Wasser aufgesetzt.“

„Ich komme“, rief sie zurück, bevor sie die Augen schloss, tief durchatmete und das Gästezimmer verließ.

„Tee oder Kaffee?“

Weder noch. Sie würde auch so schon heute Nacht kein Auge zutun und brauchte ganz sicher nicht mehr Koffein! „Du hast nicht zufällig etwas mit Kräutern?“

„Kamille? Meine Mutter mag Kamillentee, deshalb habe ich immer welchen hier. Vielleicht finde ich ihn sogar.“

„Gern.“

Nick goss Wasser in zwei Becher, rührte darin und trug sie dorthin, wo Georgia unsicher am Esstisch wartete. Er hatte schon abgeräumt, und jetzt stellte er die Becher ab und betrachtete Georgia, als hätte er sie noch nie gesehen.

Einen Moment lang sagte er nichts, dann stieß er den angehaltenen Atem aus und seufzte dabei. „Es tut mir leid, dass ich dich geküsst habe“, sagte er mit leiser, sanfter Stimme. „Das war wirklich nicht geplant.“

„Das habe ich auch nicht …“

„Natürlich hast du es gedacht. Du bist nicht dumm. Es muss auf dich wie die kitschigste Verführung der jüngeren Geschichte gewirkt haben.“

„Wohl kaum. Außerdem kann ich dir keinen Vorwurf machen. Schließlich habe ich mich in meiner Unterwäsche zur Schau gestellt. Nein, ich glaube ganz bestimmt nicht, dass du es so geplant hattest. Ich kann mir nicht vorstellen, dass du dich genug für mich interessierst, um …“

„Was?“ Er hob den Kopf und starrte sie belustigt an. „Du kannst dir nicht vorstellen, dass ich an dir interessiert bin? Bist du verrückt?“

Verlegen zuckte sie mit den Schultern. Draußen, in der Dunkelheit war es schlimm genug gewesen, aber hier im Hellen … Sie wandte den Blick ab. „Warum solltest du?“

Er nahm ihr Kinn in die Hand, drehte ihren Kopf wieder zurück und sah ihr zärtlich in die Augen. „Weil du humorvoll bist. Und kompliziert und wunderschön und rätselhaft …“

„Wirklich?“

„Wirklich“, bestätigte er mit Nachdruck und wiederholte es noch einmal leiser. „Wirklich.“

Georgia konnte nichts gegen das Lächeln tun. Das Gefühl begann irgendwo in der Nähe der Zehen und breitete sich über den ganzen Körper aus und wärmte sie von innen. Dann lachte sie und hob die Arme und den Kopf, um Nick dankbar zu küssen.

„Du bist auch ein ziemlich aufregender Typ.“

Er erwiderte das Lachen und umarmte sie, bevor er sie auf einen Stuhl setzte und ihre Pläne hervorzog.

„Komm schon. Zurück an die Arbeit! Ich muss morgen sehr früh raus und möchte, dass du genug Informationen hast, um weiterzumachen. Am Wochenende komme ich wieder hoch, und vielleicht können wir dann ein bisschen mehr Zeit zusammen verbringen und einfach nur Spaß haben.“

Warum nicht? Sie hatte monatelang Winterschlaf gehalten und sich vor dem Leben versteckt. Zum ersten Mal seit sehr langer Zeit hatte sie wirklich Spaß. Harmlosen, unkomplizierten Spaß.

Harmlos? Unkompliziert?

Hatte sie den Verstand verloren?

Auf der Zugfahrt von London nach Suffolk blieb Georgia genug Zeit, um über das nachzudenken, was zwischen Nick und ihr passiert war. Und da dieser äußerst reizvolle Mann nicht in Reichweite war, gab es nichts mehr, was sie von den nüchternen Fakten ablenkte.

Erstens war er unglaublich reich und mächtig. Und er hielt ihre Zukunft, ihre und die ihres Vaters, in seinen Händen. Es war ungeheuer leichtsinnig, sich mit so einem Mann einzulassen. Ein riskanteres, gefährlicheres Abenteuer konnte sie sich kaum vorstellen.

Zweitens konnte Nick jede Frau haben, die er wollte. Und wahrscheinlich ließ er sich auch mit jeder Frau ein, auf die er gerade Lust hatte. Er hielt sie also für humorvoll und kompliziert und wunderschön und … Was noch? Rätselhaft. Ha! Im Moment. Aber der Eindruck würde nicht lange anhalten. Warum auch? Bald würde er sich mit ihr langweilen, sie alles andere als rätselhaft finden, und sie mit einem gebrochenen Herzen zurücklassen.

Oh nein! Allein der Gedanke daran ließ sie schaudern.

Zum Glück war er gerade noch rechtzeitig zur Vernunft gekommen, denn sie hätte sich wahrscheinlich nicht mehr zusammenreißen können. Was war bloß mit ihr los gewesen? So etwas hatte sie noch nie getan – mit einem Mann zu schlafen, den sie nicht besonders gut kannte! Aber sie war tatsächlich kurz davor gewesen, zum ersten Mal in ihrem Leben. Hätte Nick sie nicht behutsam, aber entschlossen zurückgewiesen, hätte sie ihn am Ende sogar angefleht.

Wie hatte sie nur so dumm sein können? Noch dazu von einer Minute zur anderen! Bei Martin hatte es Monate, nicht nur Stunden gedauert, bis sie seinem Drängen nachgab.

Nicht, dass sie Martin viel besser gekannt hatte. Sie hatte es geglaubt, aber schnell gemerkt, wie wenig sie tatsächlich über ihn wusste. Und was hatte die Beziehung ihr eingebracht?

Man sollte wirklich meinen, dass sie ihre Lektion gelernt hätte, aber nein! Erneut hatte sie sich Hals über Kopf, vollkommen unüberlegt auf einen Mann eingelassen …

„Du musst besser aufpassen“, murmelte sie vor sich hin.

Der Mitreisende gegenüber warf ihr einen erstaunten Blick zu, hob seine Zeitung etwas höher vor das Gesicht, und mit roten Wangen wühlte Georgia in ihrer Handtasche und holte ein Notizbuch heraus.

Autor

Mary Anne Wilson
Mary Anne wurde in Toronto, Kanada, geboren und fing bereits im Alter von neun Jahren mit dem Schreiben kleiner Geschichten an. Über den Ausgang von Charles Dickens' berühmtem Roman "A Tale of Two Cities" ("Eine Geschichte zweier Städte") war sie so enttäuscht, dass sie das Ende kurzerhand nach ihren Vorstellungen...
Mehr erfahren
Christine Rimmer
<p>Christine Rimmers Romances sind für ihre liebenswerten, manchmal recht unkonventionellen Hauptfiguren und die spannungsgeladene Atmosphäre bekannt, die dafür sorgen, dass man ihre Bücher nicht aus der Hand legen kann. Ihr erster Liebesroman wurde 1987 veröffentlicht, und seitdem sind 35 weitere zeitgenössische Romances erschienen, die regelmäßig auf den amerikanischen Bestsellerlisten landen....
Mehr erfahren
Caroline Anderson
<p>Caroline Anderson ist eine bekannte britische Autorin, die über 80 Romane bei Mills &amp; Boon veröffentlicht hat. Ihre Vorliebe dabei sind Arztromane. Ihr Geburtsdatum ist unbekannt und sie lebte die meiste Zeit ihres Lebens in Suffolk, England.</p>
Mehr erfahren