Bianca Gold Band 35

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  • Erscheinungstag 23.09.2016
  • Bandnummer 0035
  • ISBN / Artikelnummer 9783733732837
  • Seitenanzahl 448
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Susan Crosby, Lois Faye Dyer, Allison Leigh

BIANCA GOLD BAND 35

1. KAPITEL

Tricia McBride blieb kurz vor dem Besprechungsraum von At Your Service stehen, einer bekannten Vermittlungsagentur für Haushaltshilfen und Bürokräfte in Sacramento. Ungläubig schaute sie die Chefin Denise Watson an, die sie gerade über die Einzelheiten eines neuen Stellenangebots informierte.

„Moment mal“, meinte Tricia. „Habe ich das richtig verstanden: Ich habe mein Vorstellungsgespräch nicht mit diesem Noah Falcon, für den ich arbeiten soll? Ich würde den Job also übernehmen, ohne meinen Arbeitgeber zu kennen?“

„Richtig“, antwortete Denise. „Das kommt doch ständig vor, Tricia.“

„Tatsächlich?“

„Du weißt, dass ich alle meine potenziellen Arbeitgeber sorgfältig überprüfe, genau wie meine Mitarbeiter. Wenn die Situation unzumutbar sein sollte, kannst du jederzeit gehen. Aber ich glaube nicht, dass dies der Fall sein wird. Noah ist ein erfolgreicher Geschäftsmann, Witwer mit vier Kindern, eine Stütze der Gesellschaft.“

„Aber er führt das Einstellungsgespräch nicht selbst. Du verheimlichst mir doch irgendwas“, entgegnete Tricia.

Denise zögerte. „Na ja, um ehrlich zu sein, er weiß noch gar nicht, dass seine jetzige Angestellte gehen wird. Sie hat es seinem Bruder gesagt, und der hat beschlossen, die Sache in die Hand zu nehmen.“

„Wieso das denn?“

„Frag ihn doch selbst.“ Denise öffnete die Tür und ging hinein.

Ein attraktiver Mann etwa in Tricias Alter stand auf, und Denise machte sie miteinander bekannt. „Tricia McBride, das hier ist David Falcon.“

Nachdem sie sich begrüßt hatten, ließ Denise sie allein.

„Ihr Lebenslauf klingt beeindruckend.“ David setzte sich wieder an den Konferenztisch.

„Danke.“ Tricia nahm ebenfalls Platz. „Warum ausgerechnet ich, Mr. Falcon?“

Er hob die Brauen. „Warum nicht?“

„Denise hat Ihnen doch sicher erzählt, dass ich im Januar aus beruflichen Gründen nach San Diego ziehen werde“, erwiderte sie. „Ich wäre weniger als drei Monate bei Ihrem Bruder beschäftigt. Das erscheint mir der Familie gegenüber ziemlich unfair.“

„Das ist für uns natürlich keine ideale Situation“, gab er zu. „Aber das Wichtigste ist, dass wir drei Monate Zeit haben, um die perfekte Kandidatin zu finden. Jemand, der auch wirklich bleibt. Und sobald wir jemanden haben, sind Sie raus. Der Job ist also nicht für drei Monate garantiert. Aber bisher musste Noah immer sehr schnelle Entscheidungen treffen. Sie würden ihm die nötige Zeit geben, um die Richtige zu suchen.“

„Soll das heißen, seine Angestellten wechseln häufig?“

Zögernd antwortete David: „Mein Bruder neigt dazu, Leute einzustellen, die frisch vom College kommen. Die haben weder Alltagskompetenzen noch können sie mit vier Kindern umgehen. Sie dagegen waren Erzieherin und besitzen praktische Berufserfahrung. Und mit vierunddreißig haben Sie auch genügend Lebenserfahrung. Daher bin ich überzeugt, dass Sie ein Gewinn für die Familie wären.“

Tricia sah ihn offen an. „Und warum tun Sie das hinter seinem Rücken?“

Er lächelte ein wenig. „Ganz ehrlich? Noahs Kinder brauchen eine Frau wie Sie, und wenn auch nur für ein paar Monate. Ihre Mutter starb vor drei Jahren. Das Haus ist sehr still. Für die Kinder ist es wichtig, dass mal wieder gelacht wird und jemand da ist, der sich Noah gegenüber behauptet.“

„Warum?“

„Er braucht Hilfe, sperrt sich jedoch meistens gegen Ratschläge“, meinte David. „Noah trauert noch. Er weiß nicht, wie er mit seinen Kindern umgehen soll. Er liebt sie, kann es aber nicht so recht zeigen.“

„Denise zufolge handelt es sich nicht nur um eine Stelle als Nanny“, sagte Tricia.

„Eigentlich wären Sie eher Lehrerin als Nanny. Die Kinder werden zu Hause unterrichtet.“

„Vier Kinder zu unterrichten ist aber etwas ganz anderes, als sie nur zu betreuen“, gab Tricia zurück.

„Deshalb ist das Gehalt auch so hoch. Aber die Kinder sind intelligent und haben Spaß am Lernen“, antwortete er.

„Wie alt sind sie?“

„Die Jungs sind neun und die Mädchen zwölf. Zwei Zwillingspärchen.“ David lächelte bedauernd. „Auch ein Grund für die Höhe des Gehalts. Aber sie sind längst nicht so schlimm, wie Sie vielleicht denken. Allein die Vorstellung schreckt allerdings viele ab. Darum hatte ich Denise gebeten, es nicht zu erwähnen.“

Unschlüssig meinte Tricia: „Ich bin wirklich nicht sicher.“

„Ich kann Ihre Bedenken verstehen.“ Er beugte sich vor. „Aber warum kommen Sie nicht einfach mal mit zu Noahs Haus, während er im Büro ist? Dann können Sie die Kinder kennenlernen und sich die Umgebung mal anschauen. Die Familie wohnt nördlich von Sacramento an der Sierra Nevada. Es ist ein geräumiges Haus auf einem vierzig Quadratkilometer großen Gelände.“

Tricia war entsetzt. „Das heißt, mitten auf dem Land und weit und breit keine Nachbarn?“

„So in etwa, ja.“

„Ich müsste also dort wohnen?“, fragte sie. „Ich will mein Haus demnächst verkaufen und muss renovieren.“

„Sie könnten die Wochenenden freihaben“, sagte David.

Tricia überlegte. Es war nicht gerade das, was sie sich vorgestellt hatte. Aber schließlich war es nur für drei Monate. Und ihr neues Lebensmotto kam ihr wieder in den Sinn: Das Leben ist kurz. Mach ein Abenteuer draus.

„Okay“, meinte sie schließlich. „Fahren wir.“

Mit verkrampften Schultern bog Noah Falcon in die Zufahrt zu seinem Haus ein. Er fuhr den Wagen in die Garage, stellte den Motor aus, blieb einen Moment lang sitzen und versuchte, von Chef auf Vater umzuschalten. Die Anforderungen in der Firma waren ein Kinderspiel im Vergleich zu dem Zusammensein mit seinen Kindern jeden Abend. Irgendwie waren sie einander in den vergangenen drei Jahren fast fremd geworden.

In letzter Zeit war Noah immer später nach Hause gekommen. Er wusste, dass die Kinder dann entweder kurz vorm Schlafengehen oder schon im Bett waren. Dadurch konnte er den Kontakt mit ihnen weitgehend vermeiden, abgesehen von einer kurzen Frage danach, wie der Tag verlaufen war.

Falls er es doch einmal schaffte, rechtzeitig zum Abendessen da zu sein, bemühte er sich, bei Tisch ein Gespräch in Gang zu halten. Aber wenn er ihnen nicht ständig Fragen stellte, blieben die Kinder beinahe stumm. Er wusste nicht, wie er dieses Schweigen brechen sollte, damit sie von sich aus etwas erzählten.

Heute war auch noch Freitag. Das bedeutete wieder ein ganzes Wochenende mit ihnen. Aber wenigstens musste er sich heute Abend keine Gedanken darüber machen, weil sie schon längst im Bett sein würden. Auf dem Weg zum Haus sah Noah jedoch, dass im Zimmer der Mädchen noch Licht an war. Die übrigen Zimmer an der Rückseite des Hauses lagen dagegen im Dunkeln.

Durch die Hintertür kam er in die Küche. Wie üblich stand ein mit Klarsichtfolie abgedeckter Teller im Kühlschrank. Das Essen bestand aus Hackbraten, Kartoffelbrei und grünen Bohnen. Da Noah der Magen knurrte, schob er den Teller in die Mikrowelle, ehe er nach oben ging, um Gute Nacht zu sagen.

Als er den Treppenabsatz erreichte, hörte er eine dramatische Frauenstimme. Anscheinend schauten sich Ashley und Zoe einen Film an, denn es war nicht die Stimme von Jessica, ihrer Nanny.

Kurz vor dem Zimmer seiner Töchter sah Noah alle vier Kinder in Ashleys großem Ballettspiegel an der Wand. Sie hatten ihre Schlafanzüge an. Die Jungen hockten auf Sitzsäcken, die sie aus ihrem eigenen Zimmer mitgebracht hatten. Die Mädchen lagen bäuchlings auf Ashleys Bett, den Kopf in die Hände gestützt. Alle hörten aufmerksam der Frau zu, die mit einem aufgeschlagenen Buch mitten im Raum stand.

Sie war groß. Noah selbst war eins dreiundneunzig und schätzte sie auf mindestens eins achtzig. Sie hatte eine wilde Mähne goldblonder Locken, die sich bei ihrer dramatischen Erzählung heftig bewegten. Die Unbekannte verwendete für jede Person der Geschichte eine andere Tonlage, und ihr gesamter Körper spielte dabei mit.

Ein wirklich sehr ansprechender Körper, wie Noah feststellte. Sie trug enge Jeans, die ihre langen Beine betonten, und ihre herrlichen Brüste zeichneten sich unter dem körpernahen Pullover ab.

Nackt sah sie bestimmt atemberaubend aus, wie eine Amazone, eine Kriegerin.

Er verdrängte das Bild. Wer war die Frau? Was hatte sie hier verloren? Und wo zum Teufel war Jessica?

Noah trat ins Zimmer. Die Kinder drehten sich um und sahen ihn an, sagten jedoch nichts.

„Guten Abend“, begrüßte er sie.

„Guten Abend, Vater“, antworteten sie einstimmig.

Er merkte, dass die unbekannte Frau für einen Augenblick die Brauen zusammenzog. Dann ging sie auf ihn zu und streckte ihm die Hand entgegen. Mit ihren strahlend grünen Augen musterte sie ihn. „Hallo, Sie müssen Noah Falcon sein. Ich bin Tricia McBride, Ihre neue Hauslehrerin.“

„Meine neue Hauslehrerin?“ Er gab ihr die Hand. „Aber wo ist Jessica?“

„Sie guckt in ihrem Zimmer fern. Am Montag können wir die offizielle Übergabe machen.“ Noah wirkte so schockiert, dass Tricia mitfühlend meinte: „Sie sollten Ihren Bruder David anrufen.“

Er presste die Lippen zusammen. „Dürfte ich Sie vielleicht für einen Moment draußen sprechen?“ Ohne ihre Antwort abzuwarten, verließ er das Zimmer.

Tricia wappnete sich für die bevorstehende Auseinandersetzung. Nach allem, was sie von David und Jessica gehört hatte, rechnete sie mit einigem Widerstand von Noahs Seite. Doch nachdem sie den Nachmittag und den Abend mit seinen Kindern verbracht hatte, hatte sie beschlossen, ihn dazu zu bringen, dass er sie einstellte. Die Kinder brauchten sie, basta.

Sie legte das Buch hin und lächelte ihnen zu. „Ich komme gleich zurück, um die Geschichte fertig vorzulesen. Ihr könnt ja solange eine Kissenschlacht veranstalten.“

Die Kinder schauten einander verblüfft an, als Tricia hinausging. Prompt prallte sie auf dem Flur beinahe mit ihrem neuen Arbeitgeber zusammen.

„Warum hat das so lange gedauert?“, fragte er ungehalten.

„Zehn Sekunden ist lang? Ich habe Ihren Kindern nur versprochen, dass ich die Geschichte noch zu Ende vorlesen werde.“

„Sind sie nicht schon ein bisschen zu alt für Gutenachtgeschichten? Sie können doch selbst lesen“, entgegnete er.

Mit dem Vater würde es sicher entschieden mehr Probleme geben als mit den Kindern. Und außerdem hätte jemand Tricia sagen sollen, wie unglaublich attraktiv dieser Mann war mit diesem dichten dunkelbraunen Haar, den dunklen Augen, seinem muskulösen Oberkörper und den breiten Schultern. Zu schade nur, dass er offenbar nicht den geringsten Sinn für Humor besaß.

„Ich lasse mir auch heute noch gerne etwas vorlesen“, meinte sie.

Er schob die Hände in die Hosentaschen. „Ich nehme an, dass Jessica gehen will?“

„So ist es.“

„Und mein Bruder hat es herausgefunden, sich eingeschaltet und Sie dafür eingestellt.“

„Ja. Ich denke, er wartet darauf, dass Sie sich bei ihm melden“, erwiderte Tricia.

„Keine Sorge, das werde ich“, erklärte Noah. „Was sind Ihre Qualifikationen?“

„Ich bin Erzieherin“, antwortete sie. „Jessica hat mir den Lehrplan gezeigt. Scheint machbar zu sein.“ Er musste nur ein bisschen aufgepeppt werden, um auch etwas Spaß dabei zu haben.

Noah wandte sich halb ab. „Ich werde jetzt zu Jessica gehen und danach David anrufen. Bitte kommen Sie in mein Arbeitszimmer, sobald Sie mit der Geschichte fertig sind. Wissen Sie, wo es ist?“

„Ja. Jessica hat eine Hausführung mit mir gemacht.“ Sieben Schlafzimmer, sieben Bäder, zwei Stockwerke. Die Führung hatte eine geschlagene halbe Stunde gedauert.

„Gut.“ Noah wollte gehen.

„Entschuldigen Sie. Ich habe Sie wohl davon abgehalten, Ihren Kindern Gute Nacht zu sagen“, meinte Tricia.

Er sah sie an, ging dann an ihr vorbei und wieder in das Zimmer zurück. Tricia folgte ihm. Es fand keine Kissenschlacht statt, was sie nicht überraschte.

„Na ja, schon wieder jemand Neues“, sagte Noah zu seinen Kindern. „Das tut mir leid.“

Ashley lächelte. „Ist schon okay.“

„Nein, ist es nicht“, antwortete er. „Und ich werde mich darum kümmern.“

Die Mädchen saßen im Schneidersitz auf dem Bett. Er fuhr ihnen über das lange rotblonde Haar und sagte Gute Nacht. Bei den Jungen, die wie er dunkles Haar und dunkle Augen hatten, tat er das Gleiche.

Alle erwiderten brav: „Gute Nacht, Vater.“

Ehe er hinausging, nickte er Tricia kurz zu.

Sie nahm das Buch zur Hand. Es waren nur noch drei Seiten bis zum Ende der Geschichte. Die Kinder waren sofort wieder ganz bei der Sache. Am Schluss klatschte Ashley Beifall. Sie war leicht von ihrer Zwillingsschwester zu unterscheiden, denn sie lächelte häufig. Zoe dagegen nur selten.

„Ich nehme an, es ist Zeit zum Schlafengehen?“, fragte Tricia.

Die Jungen schleppten ihre Sitzsäcke zur Tür.

„Ich sage euch auch gleich Gute Nacht“, sagte sie zu ihnen.

Die beiden schauten sich an. „Warum?“, fragte Adam.

„Weil ich finde, dass es schön ist, den Tag so zu beenden“, erklärte Tricia.

Wieder sahen sich die Jungen an. Achselzuckend verließ der stille Zachary das Zimmer, und Adam ging hinterher.

Ashley schlüpfte unter ihre Bettdecke. „Sie kommen am Montag, stimmt’s?“

„Die Entscheidung liegt bei eurem Vater, aber ich hoffe es. Ich freue mich darauf“, erwiderte Tricia.

„Wieso?“, wollte Zoe wissen.

„Weil ich euch mag.“

„Sie kennen uns doch gar nicht“, gab das Mädchen verächtlich zurück.

„Das stimmt, Zoe. Und ihr kennt mich auch noch nicht. Aber was ich bisher gesehen habe, gefällt mir.“ Tricia steckte die Decke um Ashley herum fest. „Gute Nacht, schlaf gut.“

Ashley lächelte Tricia an. Zoe wollte nicht zugedeckt werden, also versuchte Tricia es gar nicht erst.

Danach ging sie zum Zimmer der Jungen. Die Tür war zu, und es war kein Licht zu sehen. Tricia klopfte. Als keine Antwort kam, machte sie die Tür weit auf, sodass das Licht vom Flur hereinfiel. Keiner der Jungen rührte sich. Da sie nicht wusste, wer in welchem Bett schlief, richtete sie sich nach dem, was sie sehen konnte.

Die eine Seite des Zimmers war aufgeräumt und ordentlich. Auf der anderen Seite lagen jede Menge Sportgeräte herum. Dort ging Tricia zuerst hin, wobei sie über einen Basketball stolperte.

„Gute Nacht, Adam.“ Sie drückte seine Schulter.

Rasch hob er den Kopf. „Woher wussten Sie, dass ich das bin?“

„Du bist eben einmalig.“

Er schwieg einen Moment. „Echt?“

„Na klar“, meinte sie. „Schlaf gut.“

„Kommen Sie wieder?“

„Das hoffe ich.“

Tricia ging zu Zachs Bett hinüber, sagte auch ihm Gute Nacht und berührte seine Schulter. Er reagierte nicht, bis sie an der Tür war.

„Ich weiß Ihren Namen nicht mehr“, sagte er dann.

„Tricia McBride.“ Sie schloss die Tür hinter sich, froh, dass sie die beiden hatte unterscheiden können. Dann ging sie nach unten, um sich in die Höhle des Löwen zu wagen.

Ungeduldig trommelte Noah mit den Fingern auf den Schreibtisch, während er sich anhörte, wie sein Bruder sich verteidigte.

„Dass sie attraktiv ist, schadet ja auch nichts“, meinte David scherzhaft.

„Ich habe mich noch nie mit einer Angestellten eingelassen, und ich werde auch jetzt nicht damit anfangen“, entgegnete Noah gereizt.

„Du solltest dir ein Beispiel an mir nehmen. Bei mir hat’s geklappt.“

„Es war ein großes Risiko, dass du dich mit deiner Haushälterin eingelassen hast. Sie hätte kündigen oder dich anzeigen können.“

„Stattdessen hat sie sich mit mir verlobt“, erklärte David. „Wunderbar.“

„Du hattest Glück.“

„Kann man wohl sagen.“

„Das war nicht positiv gemeint, David.“

David lachte. Im Grunde war Noah erleichtert, dass er sich nicht schon wieder um eine neue Hauslehrerin kümmern musste.

„Die Kinder scheinen sie zu mögen“, meinte er. „Sie mussten sich schon viel zu oft an jemand Neues gewöhnen. Ich hoffe, die hier bleibt.“

David schwieg einen Moment lang. „Das hoffe ich auch.“

Noah hörte Tricia die Treppe herunterkommen. „Ich muss Schluss machen. Wir sehen uns dann am Montag im Büro.“

„Da kannst du mir ja dann immer noch gebührend danken.“

Kopfschüttelnd legte Noah auf. Nun, da er endlich die richtige Frau gefunden hatte, wollte David, dass jeder so glücklich war wie er.

Es klopfte.

„Herein.“ Sie ist in der Tat attraktiv, dachte Noah. Er deutete auf den Stuhl vor seinem Schreibtisch.

„Sie sind alle im Bett.“ Tricia setzte sich. „Es sind wirklich nette Kinder.“

Er lehnte sich zurück. „Danke. Sie haben es schwer, seit ihre Mutter gestorben ist.“

„Das war vor drei Jahren, oder?“

„Ja. Aber erzählen Sie mir nicht, dass sie inzwischen darüber hinweg sein sollten.“ Noah war es satt, das zu hören.

„In mancher Hinsicht wird es im Laufe der Zeit sogar schwerer“, erwiderte sie. „Wahrscheinlich können sie sich inzwischen nicht mehr so leicht an das Gesicht ihrer Mutter erinnern. Es macht Angst, wenn die Bilder verblassen, obwohl man sie so gerne im Gedächtnis behalten möchte.“

Tricias Bemerkung traf Noah, denn ihm erging es genauso. Er konnte sich Margies Stimme nicht mehr vorstellen. Außer dass Ashley und Zoe so lachten wie sie. „Das klingt, als hätten Sie eigene Erfahrungen damit.“

„Mein Vater starb, als ich elf war. Deshalb verstehe ich, was in den Kindern vorgeht.“ Tricia sah ihn an. „Sollen wir über den Job reden? Hat David Sie über mich informiert?“

„Er sagte, dass Sie die Wochenenden freihaben wollen, aber in der Woche hier wohnen würden. Cora, unsere Haushälterin, arbeitet auch nur von montags bis freitags. Dann habe ich am Wochenende niemanden hier“, meinte er.

Lächelnd gab sie zurück: „Da das Haus am Wochenende nicht geputzt werden muss und die Kinder keine Schule haben, müssen Sie doch nur mit ihnen essen und spielen. Ich nehme an, dass die Kinder ihre Betten selbst machen. Und kochen können Sie doch mittlerweile sicher auch.“

„Gibt es irgendeinen besonderen Grund, warum Sie nicht ganz hier wohnen können?“, fragte Noah.

Tricia hob die Brauen. „Habe ich die Stellenbeschreibung etwa falsch verstanden? David meinte, ich wäre hauptsächlich als Hauslehrerin engagiert. Nach meinem Verständnis ist das ein Job von montags bis freitags. Und jeder hat ein Recht auf etwas Freizeit.“

„In dem recht lukrativen Gehalt, das ich zahle, war immer auch die allgemeine Betreuung der Kinder mit eingeschlossen“, sagte er. „Nanny und Hauslehrerin zugleich. Und das bedeutet auch am Wochenende.“

„Dann werden Sie mir mein Gehalt entsprechend kürzen müssen. Denn ich möchte nicht rund um die Uhr hier wohnen. Ich lebe in Sacramento“, erklärte Tricia. „Gibt es irgendeinen Grund, warum Sie nicht in der Lage sind, sich am Wochenende selbst um Ihre Kinder zu kümmern?“

Damit hatte sie einen wunden Punkt getroffen. Noah war bewusst, dass er als Vater versagte, wollte sich das jedoch von niemand anderem sagen lassen. „Manchmal muss ich arbeiten“, meinte er kühl.

„Dann müssen Sie fürs Wochenende eben eine Aushilfe einstellen. David hat Ihnen sicher gesagt, dass ich dabei bin, mein Haus zum Verkauf vorzubereiten.“ Sie sah ihn an. „Finanziell scheint das für Sie ja kein Problem zu sein.“

„Vater?“ Alle vier Kinder standen dicht nebeneinander an der Tür.

„Wieso seid ihr nicht im Bett?“, fragte er.

Ashley kam einen Schritt herein, und die anderen drängten sich um sie herum. „Wir möchten, dass Miss Tricia unsere neue Nanny wird.“

Noah legte die Fingerspitzen aneinander. „Verstehe. Na ja, noch kann ich das nicht mit Sicherheit sagen. Miss Tricia und ich verhandeln gerade.“

„Was heißt das?“, wollte Adam wissen.

„Das heißt, dass wir die beste Lösung für uns alle suchen.“

„Das Beste wäre, wenn sie hier bei uns wohnt“, erklärte Zach.

„Du musst ihr nur viel Geld bezahlen“, sagte Ashley.

„Es geht nicht um Geld.“ Tricia freute sich, dass die Kinder sie haben wollten. „Euer Vater zahlt sehr gut. Es geht darum, dass ich die Wochenenden freihaben muss.“

Die Kinder schauten sich an. Schließlich meinte Ashley: „Wir sind keine kleinen Kinder mehr, Vater. Wir brauchen nicht ständig eine Nanny.“

„Ich werde darüber nachdenken. Aber jetzt geht ihr alle wieder ins Bett und lasst uns hier weiter diskutieren.“

Zach kam zu Tricia und schüttelte ihr mit ernster Miene die Hand. Mit einem breiten Grinsen folgte Adam seinem Beispiel.

Danach kam Zoe. „Können Sie Fußball spielen?“

„Aber klar.“

„Okay.“ Zoe gab ihr ebenfalls die Hand, ehe sie hinausging und dabei einen imaginären Ball zwischen ihren Knien hin- und herhüpfen ließ.

Als Letzte kam Ashley. „Bitte sagen Sie Ja, Miss Tricia.“ Rasch umarmte sie Tricia und eilte aus dem Zimmer.

Noah merkte, wie gerührt Tricia war. Wenn ihr die Kinder schon nach wenigen Stunden so viel bedeuteten, dann war sie auf jeden Fall die Richtige für den Job. Das würde ihm eine große Last von den Schultern nehmen.

„Also“, sagte er etwas freundlicher. „Von Samstagmorgen bis Sonntagabend haben Sie frei. Und diesen Sonntagabend fangen Sie an.“

„Jessica geht doch erst am Montag“, widersprach sie.

„Nein, am Sonntagnachmittag.“

„Ach so.“ Tricia nickte. „Wäre Ihnen fünf Uhr recht, Mr. Falcon?“

Er stand auf. „Noah. Und ja, das ist in Ordnung.“

Sie erhob sich ebenfalls. „Es würde mich interessieren, warum Sie die Kinder nicht auf eine öffentliche Schule schicken.“

„Ich habe meiner verstorbenen Frau versprochen, das weiterzuführen, was sie angefangen hatte.“ Er hielt inne. „Ich bringe Sie noch zu Ihrem Wagen. Wo steht der überhaupt?“

„Gleich neben der Garage. Haben Sie ihn nicht gesehen?“

„Ich war in Gedanken. Lassen Sie mich nur schnell den Kindern sagen, dass Sie bereit sind, den Job zu übernehmen. Vorher werden sie sicher nicht einschlafen. Bin gleich wieder da.“ Noah gab ihr die Hand, genau wie seine Kinder. „Danke.“

„Ich freue mich, dass wir uns einig geworden sind.“

Ihr Händedruck war fest, ein Zeichen von Charakterstärke. Tricia schien sehr direkt zu sein und konnte ihre Meinung durchaus vertreten. Im Haus der Falcons würde sich ab jetzt wohl einiges ändern.

Zehn Minuten später ging Tricia mit Noah nach draußen in den kühlen Oktoberabend. Jetzt war es also offiziell. Sie hatte den Job.

Plötzlich fiel ihr die ungeheure Stille ringsum auf. An das Leben auf dem Land musste sie sich erst noch gewöhnen.

„Haben Ihre Kinder schon immer Vater zu Ihnen gesagt?“, fragte sie Noah.

„Ja, wieso?“

„Das hört man heutzutage nicht mehr oft. Haben Sie Ihren Vater auch so genannt?“

„Nein, meistens habe ich ihn Mistkerl genannt.“

Tricia stolperte unwillkürlich, und Noah fing sie auf. Sie hielt sich an ihm fest und blickte in sein Gesicht. Im Gegensatz zu dem kalten Ausdruck in seinen Augen fühlten sich seine Hände warm an.

„Danke“, sagte sie leise. Irgendwie war es schade, dass er sie losließ. Seine großen, sanften Hände hatten etwas Tröstliches. „Auf eine solche Antwort war ich nicht vorbereitet.“

„Warum die Wahrheit verschweigen? Ich habe es mir zum Ziel gesetzt, mein Leben so weit wie möglich anders zu gestalten als er.“

„Und weil Sie ihn Dad genannt haben, möchten Sie nicht, dass Ihre Kinder das Gleiche zu Ihnen sagen?“, fragte Tricia.

Da sie inzwischen ihren Geländewagen erreicht hatten, drückte sie auf den Knopf ihres Autoschlüssels, um ihn zu entriegeln.

„Sie sind noch nicht lange genug hier, um mich zu kritisieren“, erwiderte Noah kühl. „Ich bin im totalen Chaos aufgewachsen, und so etwas will ich für meine Kinder nicht.“

Tricia öffnete die Fahrertür. „Entschuldigen Sie, Noah. Ich war nur neugierig. Das Verhältnis zwischen Ihnen und Ihren Kindern scheint sehr förmlich zu sein.“

Er wechselte das Thema. „Brauchen Sie noch irgendetwas, bevor Sie Ihre Stelle hier antreten?“

Sie spürte seinen tiefen Schmerz und fragte sich, ob er wohl jemals in der Lage sein würde, sich wieder dem Leben zuzuwenden.

„Wenn mir was einfällt, werde ich es einfach in Sacramento besorgen.“ Sie stieg ein. „Am Sonntagabend schaue ich mir den Lehrstoff an, damit ich am Montag gleich einsteigen kann.“

„Sie haben meine Telefonnummern?“

„Ja, danke.“ Tricia ließ den Motor an. Noah hatte den Arm an ihre Tür gelehnt. Trotz seiner starken inneren Anspannung war er wirklich ein außerordentlich attraktiver Mann.

„Bis Sonntag dann“, sagte er und lächelte.

Tricia legte den Rückwärtsgang ein. „Bis Sonntag.“

Noah trat zurück, stand jedoch noch in der Auffahrt, als sie in den Rückspiegel schaute, ehe sie auf die Straße einbog. Vielleicht würde es ihm irgendwann leidtun, sie eingestellt zu haben. Er war nämlich ziemlich sicher, dass sie anders war als alle anderen Nannys vor ihr.

2. KAPITEL

In der Küche schaute Noah zu, wie seine Kinder sich von Jessica verabschiedeten, die für einige Monate ihre Nanny und Hauslehrerin gewesen war. Normalerweise war jede Wachablösung, wie Tricia sich ausgedrückt hatte, Ursache schlechter Laune und stummer, vorwurfsvoller Mienen bei den Kindern. Aber diesmal nicht. Heute sagten sie einfach Auf Wiedersehen und ließen Jessica gehen.

Die Kinder mochten ihre Betreuerinnen eigentlich immer. Das Problem war eher, dass die Nannys Noah nicht mochten.

Er wusste, dass er Schwierigkeiten mit seinen Angestellten hatte. In den letzten beiden Tagen hatte er viel darüber nachgedacht und überlegt, wie er es vermeiden konnte, die nächste Nanny auch wieder zu verlieren. Nein, er sollte sich angewöhnen, Tricia Hauslehrerin zu nennen, da ihr diese Bezeichnung offenbar lieber war.

Warum ihre Vorgängerinnen sich wohl nie an dem Begriff Nanny gestört hatten? Vielleicht weil sie gerade frisch vom College kamen und noch keine praktische Erfahrung besaßen. Es gefiel Noah, dass Tricia eine erfahrene Erzieherin war. Margie hätte sie sicher gemocht.

„Sie ist weg“, meldete Adam. Er schaute aus dem Fenster, während Jessicas Wagen außer Sichtweite verschwand. „Wann kommt Miss Tricia, Vater?“

„Sie wollte um fünf hier sein.“ Das bedeutete, Noah musste sich überlegen, was er solange mit seinen Kindern anfangen sollte. Alle sahen ihn an. „Möchtet ihr mir irgendwas sagen?“ Sein Blick blieb an Ashley hängen.

„Wir wollen eine Familienkonferenz“, antwortete sie ernst.

„Gut. Dann gehen wir am besten ins Wohnzimmer“, meinte er.

Wortlos folgten sie ihm. Noah setzte sich in einen überdimensionalen Fernsehsessel, der als seiner betrachtet wurde. Die Kinder nahmen auf den übrigen Sitzgelegenheiten Platz.

„Also, was habt ihr auf dem Herzen?“, fragte Noah.

„Wir finden, es ist Zeit, dass sich hier mal was ändert“, erklärte Ashley.

„Was denn zum Beispiel?“

„Wir haben bis jetzt sieben verschiedene Nannys gehabt. Und wir haben keine Lust mehr, uns ständig an jemand Neues zu gewöhnen“, sagte sie.

„Das verstehe ich. Was meint ihr, was man dagegen tun könnte?“

„Wir finden, du solltest mehr lächeln“, erwiderte Ashley sachlich.

„Mehr lächeln?“, wiederholte Noah verständnislos.

„Nicht bei uns, Vater. Sondern bei Miss Tricia. Miss Jessica hatte Angst vor dir.“

Tatsächlich? Noah war erstaunt. „Ich werde mich bemühen.“ Wieder ein Punkt, auf den er achten musste, wenn er Tricia nicht verlieren wollte. „Noch was?“

Ashley fuhr fort: „Wir wollen, dass Miss Tricia mit uns zu Abend isst und nicht allein auf ihrem Zimmer so wie Miss Jessica und die andern.“

Noah war fasziniert von seiner reifen Tochter. „Warum?“

„Weil wir glauben, wenn sie sich als Teil unserer Familie fühlt, dass sie dann glücklicher ist.“

„Mögt ihr sie so sehr?“

„Sie scheint in Ordnung zu sein. Wir wollen bloß nicht wieder jemand Neues.“

Er nickte. „Ja, ich weiß, dass ihr das satt habt.“

Die Hände im Schoß gefaltet, richtete Ashley sich noch etwas mehr auf. „Und wir finden auch, dass du dich nicht mit Miss Tricia streiten sollst.“

Noah unterdrückte ein Lächeln. „Das kann ich nicht versprechen. Es gibt bestimmt ein paar Dinge, bei denen wir unterschiedlicher Meinung sind. Ihr seid meine Kinder, und ich weiß, was das Beste für euch ist.“

Die Kinder schauten sich an.

Zach fixierte seinen Vater. „Dann sei bitte wenigstens nett und lächle, wenn ihr euch streitet.“

Wieder musste Noah sich beherrschen, um nicht zu lachen. Aber dann würden die Kinder glauben, dass er sie nicht ernst nahm. „Okay, ich werde nett sein.“

„Danke.“

Noah sah alle nacheinander an. „Gibt es noch irgendwas, was ihr gerne für euch hättet und nicht für Miss Tricia?“

Zoe hob die Hand. „Ich möchte einen Swimmingpool.“

„Und ich einen Basketballplatz“, ergänzte Adam.

Belustigt meinte Noah: „Netter Versuch.“

Von draußen war ein Motorengeräusch zu hören, und Zach stürzte zum Fenster. „Onkel David.“

„Allein?“

„Nein, mit Valerie und Hannah.“

Drei Kinder liefen davon, um ihren Onkel, seine Verlobte und deren acht Jahre alte Tochter zu begrüßen. Ashley dagegen blieb zurück und ging mit ihrem Vater zusammen zur Küche.

„Hast du noch was auf dem Herzen?“

Sie zuckte die Achseln.

„Sag schon.“ Vor der Küchentür blieb er stehen und legte Ashley die Hand auf den Arm.

„Können wir uns das Video mit Mommy bald mal wieder anschauen? Alle zusammen?“

Noah war nicht sicher, ob das die Wunden nicht aufs Neue aufreißen würde. „Wollen die andern das auch?“

„Zach nicht.“

Das überraschte ihn kaum. Zach war von allen der Verschlossenste. „Gut, dann machen wir es heute Abend.“

„Nein, nicht heute“, sagte Ashley schnell. In diesem Moment ging die Tür auf, und die anderen kamen herein. Sie lachten und redeten durcheinander. „Ich sag dir, wann, ja?“

„In Ordnung.“ Noah war froh über den Aufschub.

Plötzlich wimmelte es in der Küche von Leuten, bis die Kinder mit ihrer zukünftigen Cousine nach oben abzogen.

„Wir haben Abendessen mitgebracht“, erklärte Valerie, während David eine Auflaufform in den Backofen und eine Salatschüssel in den Kühlschrank stellte.

„Ich war bloß der Chauffeur. Valerie hat das Essen gemacht“, korrigierte er.

„Danke“, meinte Noah erstaunt. „Aber wieso?“

„Um deine neue Nanny willkommen zu heißen“, erwiderte Valerie.

„Hauslehrerin“, verbesserte er. David hatte echtes Glück gehabt, als er Valerie durch At Your Service gefunden hatte. Sie war ruhig und kompetent. Eine Frau, wie auch Noah sie gesucht hätte. Auf Tricia passte diese Beschreibung jedoch nicht. Sie wirkte zwar kompetent, aber ruhig? Nein, eher lebhaft. „Dann hoffe ich, dass ihr auch zum Essen bleibt.“

David schnalzte mit der Zunge. „Du hast also keine Lust auf Smalltalk mit deiner neuen Hauslehrerin?“

„Smalltalk mochte ich noch nie. Da ist Tricia keine Ausnahme.“

„Sie ist genau dein Typ“, entgegnete David.

„Sie ist das absolute Gegenteil von meinem Typ“, widersprach Noah.

„Lass ihn in Ruhe.“ Valerie warf David einen warnenden Blick zu. „Ja, wir bleiben zum Essen. Eigentlich hätte David vorher anrufen sollen. Ich möchte Tricia selbst gerne kennenlernen, ich glaube, wir werden uns gut verstehen.“

„Sie ist da!“, schrie jemand von oben. Dann rannten alle die Treppe herunter und zur Küche hinaus. Hannah folgte fröhlich als Letzte.

„Was für ein Empfang!“ David ging ans Fenster.

Auch Noah schaute hinaus. Ashley und Zach drängten sich an Tricia. Sie drückte Ashley an sich und sagte etwas zu Zach. Er lächelte und schaute dann verlegen zu Boden. Adam und Zoe ließen keine Umarmung zu. Schließlich begrüßte Tricia auch Hannah, die von der allgemeinen Aufregung ebenso angesteckt war wie die übrigen Kinder.

Tricia öffnete den Kofferraum ihres Wagens und gab jedem Kind etwas von ihren Sachen. Dann marschierten sie hintereinander zum Haus, beladen mit Taschen, Kartons und Kleidersäcken. Tricia, die den größten Karton trug, bildete das Schlusslicht.

„Will keiner von euch großen, starken Männern ihr helfen?“, fragte Valerie, als die Hintertür aufgestoßen wurde und die Kinder durch die Küche stapften.

Noah kam Tricia an der Tür entgegen und nahm ihr den Karton ab.

„Ein Willkommenskomitee, wie nett“, meinte sie. „Hi, Noah. Freut mich, Sie wiederzusehen, David.“

„Und mich erst!“ Er lachte. „Darf ich vorstellen? Tricia McBride. Und dies ist meine Verlobte Valerie Sinclair.“

Die beiden Frauen gaben sich die Hand. „Hannah muss Ihre Tochter sein. Sie sieht genauso aus wie Sie. Eine Süße.“

„Danke. Ja, sie ist meine Tochter“, antwortete Valerie erfreut.

„Sie haben Abendessen mitgebracht.“ Noah stellte den Karton auf der Küchenarbeitsfläche ab.

„Wie schön. Und da Sie wohl noch eine Weile bleiben, würden Sie mich bitte einen Augenblick entschuldigen?“, sagte Tricia. „Ich muss mal gucken, ob die Kinder meine Sachen nicht alle auf einen Haufen geworfen haben.“

Valerie und David nickten verständnisvoll.

„Bin gleich wieder da.“ Noah folgte ihr die Treppe hinauf. Er genoss den Anblick und überlegte sogar, ob er Zoes Vorschlag nach einem Swimmingpool nicht doch aufgreifen sollte. Die Hauslehrerin in einem knappen Bikini, nicht schlecht.

Tricia blieb stehen und drehte sich um. „Vielleicht sollten Sie besser neben mir gehen.“

Noah machte eine ausdruckslose Miene. Na gut, sie hatte ihn erwischt. Aber er war schließlich ein normaler Mann, der seit drei Jahren keine Beziehung mehr gehabt hatte. Konnte man es ihm zum Vorwurf machen, dass er ihren sexy Körper bewunderte?

„Ich hab das!“, schrie ein Kind oben im Flur.

„Aber ich hab’s hochgebracht!“

„Ich glaube, die Truppe braucht einen Schiedsrichter“, meinte Noah. Er war überrascht, dass es überhaupt Geschrei gab. Im Allgemeinen kamen die Kinder geradezu erschreckend gut miteinander aus.

Tricia presste den Mund zusammen und ging weiter. Und Noah gestattete sich, den Anblick ihres Hüftschwungs zu genießen, bis sie den oberen Treppenabsatz erreichten.

„Das sag ich Vater!“ Zoe stürmte aus Tricias Zimmer. „Ashley lässt uns nicht helfen!“

Noah ging an ihr vorbei in den Raum, setzte seinen Karton ab und schaute sich um. Die Schranktür stand offen. Die Kleider hingen ordentlich auf der Stange, und die Schuhe waren fein säuberlich auf dem Boden aufgereiht. Ashley und Adam schubsten sich gegenseitig, während sie Bücher ins Regal stellten. Zach hockte auf dem Bett und blätterte in einem Fotoalbum. Hannah saß mit großen Augen etwas weiter entfernt auf dem Fußboden. Als Einzelkind war sie Geschwisterstreitereien nicht gewöhnt.

Es herrschte große Anspannung, denn alle Kinder wollten es Tricia so schön wie möglich machen, waren aber gleichzeitig aggressiv dabei.

„Miss Tricia kann ihre Sachen selbst einräumen. Wahrscheinlich wäre ihr das sogar lieber. Also, alle raus hier!“, befahl Noah.

„Aber trotzdem danke für eure Hilfe“, fügte Tricia von der Tür her hinzu.

Noah nahm Zach das Album aus der Hand. Da fiel sein Blick auf ein Bild von Tricia, eng umschlungen mit einem Mann in Uniform.

Er legte das Album auf die Kommode. „Ich entschuldige mich im Namen meiner Kinder. Sie möchten helfen, sind aber wohl etwas übers Ziel hinausgeschossen.“

„Schon gut.“

„Ich wollte, dass wir uns alle an Ihrem ersten Tag von unserer besten Seite zeigen, ich eingeschlossen“, meinte er.

„Wieso?“

„Wir wollten Sie nicht gleich wieder verscheuchen.“

Tricia lachte, und ihre grünen Augen funkelten amüsiert. „So leicht lasse ich mich nicht abschrecken.“

„Gut. Ist das Zimmer okay? Groß genug?“

„Es ist wunderschön. Und da meine Zeit hier sowieso begrenzt ist, reicht es völlig aus. Die Kinder haben meine Sachen fast alle eingeräumt, also können wir ja wieder zu Ihren Gästen runtergehen.“ Als sie das Zimmer verließen, fragte sie: „Wie lange ist Ihr Bruder schon verlobt?“

„Noch nicht mal eine Woche“, erwiderte Noah. „Vor etwa zwei Monaten hat er Valerie über At Your Service als Haushälterin und Assistentin eingestellt. Und er will auch ihre Tochter adoptieren.“

„Wie schön für sie alle.“

„Ja.“

Prüfend sah Tricia ihn an. „Aber?“

Er zögerte ein wenig. „Sie kennen sich noch nicht lange. Und David hat immer behauptet, er würde nicht heiraten. Deshalb kommt mir sein Entschluss etwas übereilt vor.“

Sie waren fast unten an der Treppe angelangt. Tricia lehnte sich zu Noah herüber und meinte halblaut: „Sie sind ja nur verlobt. Dann haben sie vor der Hochzeit genügend Zeit, sich besser kennenzulernen. Sie können es sich immer noch anders überlegen.“

Noah hatte angenommen, dass sie ihm widersprechen würde. Stattdessen konnte sie seine Bedenken nachvollziehen. Das gefiel ihm, genauso wie der Duft ihres Haares.

Sobald sie in die Küche kamen, sagte David: „Wir haben auf euch gewartet.“ Alle hielten ein Glas mit einem sprudelnden Getränk in der Hand. David reichte Noah und Tricia Champagnerflöten. In den Gläsern der Kinder befand sich vermutlich Apfelschorle.

„Was ist los?“, fragte Noah.

„Ich möchte einen Toast ausbringen.“ David hob sein Glas in Richtung Valerie. „Auf meine wunderschöne Braut. Dafür, dass sie mich heiraten will und mich nicht lange warten lässt. Ihr seid alle zu unserer Hochzeit eingeladen, am Samstag in zwei Wochen.“

Tricia und Noah wechselten einen Blick, während sie den Champagner tranken, den es zur Feier des Tages gab. Dann zuckte Noah die Achseln, womit er offenbar das Unvermeidliche akzeptierte.

Wenig später scheuchte Valerie die Männer und die Kinder ins Wohnzimmer, um in Ruhe das Abendessen vorzubereiten.

„Ein Glück, dass die Familie nicht auf meine Kochkünste angewiesen ist“, meinte Tricia.

Valerie legte zwei gebutterte Knoblauchbrote auf ein Backblech. „Kochst du nicht gerne?“ Die beiden Frauen mochten sich und waren daher schnell zum Du übergegangen.

„Meine Mom und ich konnten hervorragend Dosen öffnen. Und mein Erdnussbutter-Sandwich mit Marmelade ist große Klasse“, gab Tricia scherzhaft zurück.

Valerie lachte. „Meine Mutter war Haushälterin und Köchin bei einer Familie in Palm Springs. Sie hat mir alles beigebracht.“

„Kann Hannah auch kochen?“

„Sie ist nicht ganz so begeistert davon wie ich, aber einiges kann sie auch schon. Aber was du machst, Tricia, das könnte ich nicht. Ich bewundere Menschen, die als Lehrer arbeiten.“ Valerie zeigte auf einen Küchenschrank. „Geschirr ist da drin.“

Tricia trug Teller, Salatschüsseln, Gläser und Besteck ins Esszimmer hinüber. „Tischtuch oder Sets?“, rief sie Valerie zu.

„Wie du willst. Es ist alles in dem Kasten.“

Beim Tischdecken konnte Tricia hören, wie die Männer und die Kinder nebenan Videospiele spielten. „Sie haben anscheinend viel Spaß da drüben“, berichtete sie Valerie, die gerade frischen Parmesan rieb.

Tricia lehnte sich an die Küchentheke. „Darf ich dir ein paar Fragen zu Noah stellen?“

„Ja, natürlich, aber ich weiß nicht viel über ihn.“

„Ist er immer so ernst?“

„Ich glaube schon“, sagte Valerie. „Laut David ist Noah ein Workaholic. Er macht nie Urlaub. Er ist der Chef und hat immer die Kontrolle über alles. Er ist ziemlich ungeduldig und handlungsorientiert. Und er mag keine Veränderungen.“

„Aber trotzdem hatte er eine ganze Reihe verschiedener Nannys für die Kinder“, wandte Tricia ein. „Das bedeutet Veränderung.“

„Da kommt dann vermutlich die Ungeduld ins Spiel. Der ganze Aufwand mit Vorstellungsgesprächen und so ist ihm viel zu mühsam. Also entscheidet er sich für die schnellste Lösung.“

„Trifft er sich mit Frauen?“

„Nicht dass ich wüsste.“ Valerie holte den Salat aus dem Kühlschrank und meinte lächelnd: „Diesen Falcon-Männern kann man nur schwer widerstehen, stimmt’s?“

„Was meinst du damit?“, fragte Tricia.

Valerie schaute vorsichtig aus der Tür, um sicherzugehen, dass sie alleine waren. „Ich habe mich auch schon am ersten Tag in David verliebt.“

„Oh, nein. Ich nicht.“ Abwehrend hielt Tricia beide Hände hoch. „In drei Monaten bin ich hier weg.“

Valerie war erstaunt. „Wieso das?“

„Ich bin nur eine Aushilfe. David hat mich eingestellt, damit Noah genug Zeit hat, jemanden auf Dauer zu finden.“

„Weiß Noah das?“

„Ich nehme an, dass David es ihm gesagt hat“, erwiderte Tricia. „Also, erzähl. Du hast dich tatsächlich gleich am ersten Tag in David verliebt?“

„Ich wollte das nicht, aber dann ist es einfach so passiert. Er macht mich sehr glücklich.“

„Warum habt ihr es denn so eilig mit dem Heiraten?“

Valerie nahm die heiße, aromatisch duftende Lasagne aus dem Ofen und stellte das Brot hinein. Nach wenigen Augenblicken verbreitete sich ein köstlicher Knoblauchduft in der Küche. „Warum sollten wir warten? Es ist richtig für uns beide. Außerdem ziehe ich erst nach der Hochzeit in sein Schlafzimmer. Ich will ein gutes Vorbild sein.“

„Soll das heißen, ihr habt noch nicht miteinander geschlafen?“, entgegnete Tricia verblüfft.

Valerie lachte. „Na ja, David arbeitet oft von zu Hause aus, und Hannah geht zur Schule.“

„Oh, okay. Das ist gut.“

„Gut?“

Tricia nickte. „Irgendwann erzähl ich dir mal, warum.“

„Ich hoffe, du kommst zur Hochzeit.“

„An den Wochenenden bin ich nicht da.“

„Mach bitte eine Ausnahme für uns, ja?“, bat Valerie. „Ich habe hier nicht viele Freundinnen, und ich fände es schön, wenn wir uns anfreunden. Ich werde dir auch meine Freundin Dixie vorstellen. Sie ist meine Brautjungfer. Sie wird dir gefallen. Außerdem gibt es natürlich noch die Junggesellinnenparty. Zu der musst du auch kommen.“

Sie goss die Marinade über den Salat. „Kannst du der Rasselbande Bescheid sagen, dass das Essen fertig ist? Es dauert bestimmt fünf Minuten, bis alle am Tisch sitzen.“

Von der Tür aus beobachtete Tricia das Treiben im Wohnzimmer. Noah saß mit dem Rücken zu ihr und sah David und Adam zu, die unter großem Geschrei ein Videospiel spielten. Ashley und Hannah schauten sich etwas im Fernsehen an. Zoe ließ wieder einen unsichtbaren Fußball von Knie zu Knie hüpfen. Zach, der zu Füßen seines Vaters saß, nahm alles um sich herum aufmerksam auf.

Er bemerkte Tricia zuerst und lächelte ihr zu. Sie erwiderte sein Lächeln und verkündete dann: „Es gibt Essen.“

„Du bist erledigt!“, schrie Adam seinen Onkel an.

„Noch nicht, mein Lieber!“, schrie dieser zurück.

Noah stand auf, woraufhin Ashley auch sofort aufstand und den Fernseher ausschaltete. Mit Hannah zusammen ging sie zur Tür und zog Zoe am Arm mit. Zach blieb zurück und stellte sich zwischen Tricia und Noah.

„Es riecht gut“, meinte er.

„Anscheinend hat dein Onkel sich eine gute Köchin geangelt. Magst du Lasagne?“, fragte Tricia.

Der Junge nickte.

„Wir essen viele Nudelgerichte und Aufläufe“, ergänzte Noah. „Die sind einfach für Cora zu kochen und lassen sich gut aufwärmen. Manchmal kommt mein anderer Bruder Gideon am Wochenende her, und dann machen wir ein Barbecue.“

Im Esszimmer nahm Noah am Kopfende Platz und David am unteren Ende. Zach suchte sich einen Stuhl zwischen seinen Geschwistern, sodass für Tricia nur noch ein Platz neben Noah frei war.

Das Essen verlief erstaunlich ruhig. Obwohl fünf Kinder und vier Erwachsene am Tisch saßen, wurde nur wenig geredet. David stellte ein paar Fragen, und die Kinder antworteten. Aber es wurde keine richtige Unterhaltung daraus.

Nach dem Abwasch entschuldigte sich Tricia, um ihre restlichen Sachen einzuräumen. Danach schaute sie sich den Schulstoff der Kinder an.

Das Schulzimmer im zweiten Stock war riesig. Jedes Kind hatte einen Schreibtisch. Es gab zwei Computerarbeitsplätze, doch nur einer davon hatte Internetzugang und war mit einem Passwort gesichert. Im Raum waren bestimmte Bereiche für Kunst und Musik sowie Arbeitstische für naturwissenschaftliche Projekte. Alles war tadellos sauber und ordentlich. Da das Zimmer fast nur aus Fenstern bestand, bot es eine fantastische Aussicht auf das bewaldete Gelände ringsum.

Nach einer Weile kam Ashley im Schlafanzug die Treppe herauf. „Wir gehen jetzt schlafen“, sagte sie zögernd. „Wenn Sie uns Gute Nacht sagen wollen?“

„Ja, gerne.“ Tricia legte dem Mädchen den Arm um die Schultern und ging mit ihr hinunter. „Ich freue mich schon auf morgen. Mögt ihr euren Unterricht?“

„Manchmal. Kommt auf die Lehrerin an.“

„Ich werde mein Bestes tun, dass es interessant wird und euch Spaß macht.“

„Das weiß ich.“ Ashley lächelte.

Sie hatte das Zimmer der Mädchen erreicht. Zoe kam gerade aus dem Bad, sprang gleich ins Bett und zog die Bettdecke bis an die Nase.

„Wann steht ihr morgens auf?“, erkundigte sich Tricia.

„Wenn Ashley mir die Decke wegzieht“, antwortete Zoe.

Tricia lachte und wandte sich an Ashley. „Und wie wachst du auf?“

„Ich wache von alleine so um sieben Uhr auf. Dann wecke ich alle andern. Um acht gehen wir ins Klassenzimmer. Zoe ist meistens die Letzte.“

„Macht ihr euch euer Frühstück selbst?“ Tricia wusste, dass Cora erst um halb zwölf kam.

„Ich mag kein Frühstück“, erklärte Zoe. „Davon wird mir schlecht.“

Ashley verdrehte die Augen. „Wir essen Frühstücksflocken oder Toast mit Erdnussbutter. Und Obst. Das machen wir alles selbst.“

„Wann fährt euer Vater zur Arbeit?“

„Er ist schon weg, wenn wir aufstehen.“ Ashley stieg auch ins Bett.

Tricia beugte sich zu ihr herunter, um sie zu drücken, und ging dann zu Zoe. Ihr strich sie lediglich übers Haar und sagte Gute Nacht.

Bei den Jungen war es ähnlich. Adam umarmte sie, Zach dagegen wollte keinen Körperkontakt. Tricia fragte sich, wo Noah war. Wie verbrachte er seine Abende? Mit Arbeit? Oder Fernsehen?

Sie beschloss, wieder ins Schulzimmer zurückzukehren und den Stoff durchzugehen. Nach einiger Zeit hörte sie Noahs Schritte auf der Treppe.

„Wie läuft’s?“, fragte er, die Hände in den Hosentaschen vergraben.

Tricia lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück. „Ich komme voran. Es ist ja noch relativ früh im Schuljahr, und die Kinder scheinen sich an einen ziemlich strengen Lehrplan zu halten.“

„So ist es mir am liebsten.“

Es lag also an ihm, dass der Unterricht so straff organisiert war. „Ich werde einen Termin mit der Aufsichtsperson vereinbaren, die regelmäßig ihren Wissensstand kontrolliert“, meinte sie. „Ich möchte gerne ihre Einschätzung hören.“

„Sie heißt Cynthia Madras.“ Noah holte einen Stuhl und setzte sich zu ihr. „Sie wird Ihnen sagen, dass Ashley visuell lernt, mehr arbeitet als die anderen und sich Sorgen macht, wenn sie nicht gut genug ist. Zoe und Adam sind kinetische Lerntypen, die kaum stillsitzen können und am liebsten Krach um sich herum haben. Was wiederum Ashley verrückt macht. Und Zach lernt am besten übers Hören. Er hat ein außergewöhnlich gutes Gedächtnis. Er lernt am wenigsten und nimmt am meisten auf.“

„Vielen Dank für diese Zusammenfassung“, sagte Tricia.

„Ich überwache ihre Schulbildung sehr genau und spreche jeden Abend einzeln mit ihnen.“ Noah hielt inne. „Besser gesagt, früher habe ich das getan. Im vergangenen Jahr musste ich so viel arbeiten, dass ich abends dafür fast nie früh genug zu Hause war.“

„Sie sind also nicht zum Abendessen zu Hause?“

„Selten.“

„Verstehe. Aber vielleicht können Sie diese Gesprächszeiten ja bald wieder in Ihren Tagesplan mit einbauen.“

„Vielleicht.“

Es entstand eine längere Pause, und Tricia wechselte das Thema. „Wer macht eigentlich abends den Abwasch?“

„Niemand. Cora kümmert sich darum, wenn sie kommt.“

„Haben die Kinder irgendwelche Aufgaben im Haushalt?“, erkundigte sie sich.

„Die Schule ist ihre Aufgabe.“

Anstatt sich mit ihm auf eine Diskussion darüber einzulassen, ließ sie es dabei bewenden. „Ich hatte übrigens ein sehr nettes Gespräch mit Ihrer zukünftigen Schwägerin.“

Noah war offenbar froh über den erneuten Themenwechsel, denn seine Züge glätteten sich sichtlich. „Und?“

„Ich glaube, Valerie ist bis über beide Ohren in David verliebt und sehr bodenständig“, erwiderte Tricia. „Ich mag sie. Und auf ihrer Junggesellinnenparty werde ich sie sicher noch besser kennenlernen.“

Er zog die Brauen hoch. „Zweifellos. Ich schätze, als Trauzeuge des Bräutigams sollte ich mir auch etwas für die Junggesellenparty ausdenken.“

„Auf jeden Fall. Nächstes Wochenende. Die Party soll ja nicht direkt vor der Hochzeit stattfinden. Am Samstagabend, weil Freitag ja Halloween ist.“

„Schön.“ Noah stand auf. „Sie kommen hier also zurecht?“

„Ja, danke.“ Sie war zwar etwas nervös, aber gespannt. „Sind Sie jemals über Nacht weg? Ich meine, geschäftlich?“

„In den letzten Jahren nicht mehr.“

„Gut.“

„Warum?“

„Ich habe immer in der Stadt gelebt. Hier draußen so isoliert zu sein, macht mir ein bisschen Angst“, gestand Tricia.

Noah sah sie an. „Kommen Sie mit.“ Er ging vor ihr die Treppe hinunter.

Ganz unten wartete er auf Tricia und nahm sie dann mit in den Hauswirtschaftsraum. Dort gab er ihr eine Jacke, warf selbst eine über und hielt Tricia die Haustür auf.

Es war eine stille, mondlose Nacht. Man sah keine Lichter irgendeines anderen Hauses, nur Sterne. Millionen von Sternen. Der Kies knirschte unter ihren Schuhen, als sie zur Garage gingen. Tricia hatte gesehen, dass Noah einen eleganten schwarzen Sportwagen fuhr. In der Garage stand außerdem noch ein großer amerikanischer Geländewagen.

„Ich werde Ihnen einen Garagenöffner geben“, meinte Noah. „Dann können Sie auch hier drin parken. Und ich möchte, dass Sie den Caddy nehmen, wenn Sie mit den Kindern unterwegs sind.“

„Okay.“ Sie schlug den Kragen hoch. „Ich weiß noch nicht mal, womit Sie Ihr Geld verdienen. Außer dass Sie und David zusammen eine Firma haben.“

„Uns gehört Falcon Motorcars. Wir fertigen Autos nach Kundenwünschen. Wir waren lange sehr erfolgreich auf dem europäischen Markt tätig, konzentrieren uns jetzt aber mehr auf das amerikanische Geschäft.“

„Dieser schicke Sportwagen, den Sie fahren, ist also von Ihnen?“

„Ja, das neueste Modell. Momentan produzieren wir nur das Zweisitzer-Cabrio, eine viertürige Limousine und maßgefertigte Stretchlimousinen.“ Als ein Geräusch ertönte, meinte Noah: „Das ist eine Eule.“

„Ich bin kein kompletter Vollidiot“, gab Tricia lächelnd zurück. „Was gibt es hier noch?“

„Rotwild. Wilde und zahme Hunde und Katzen. Waschbären, Füchse, Stinktiere und verschiedene Vögel. Frühmorgens kann man Wachteln sehen. Außerdem gibt es Moorhühner, Trauertauben und Habichte. Keins dieser Tiere ist Ihnen feindlich gesinnt, Tricia. Sie brauchen wirklich keine Angst zu haben.“

Im Augenblick hatte sie auch keine Angst, weil er bei ihr war. Aber allein?

„Haben Sie deshalb keinen Garten, weil das Rotwild alles wegfrisst?“, fragte sie.

Noah blickte zu der freien Fläche hinüber. „Wir hatten früher einen Garten. Margie hat sich sehr für biologische Ernährung interessiert.“

„Margie war Ihre Frau?“

„Ja.“

„Wie lange waren Sie verheiratet?“

„Elf Jahre. Wir sind uns auf dem College begegnet.“

„Und Sie waren glücklich.“ Tricia hörte es an seiner Stimme, trotz der Trauer darin.

„Ja, sehr.“

„Wie ist sie gestorben?“

„Bauchspeicheldrüsenkrebs. Sehr schnell und sehr qualvoll.“ Seine knappen Antworten zeigten ihr, dass Noah nicht weiter darüber sprechen wollte.

„Das tut mir so leid.“

„Danke.“ Als sie wieder zum Haus zurückgingen, berührte er sie flüchtig am Rücken.

Dieser kurze Kontakt brachte Tricia völlig aus der Fassung. Sie hatte ohnehin schon Sorge, dass sie zu sehr an den Kindern hängen könnte und dann im Januar nicht mehr gehen wollte. Sich auch noch in den Vater zu verlieben, konnte sie gar nicht gebrauchen.

Es sind sicher nur die Hormone, sagte sie sich. Hormone, die aus ihrem jahrelangen Winterschlaf erwachten. Im Grunde hatte Tricia sich das sogar gewünscht, nur nicht gerade bei ihrem Boss.

Drinnen zog sie schnell die Jacke aus, ehe er ihr helfen konnte.

„Haben Sie noch irgendwelche Fragen?“, meinte er auf dem Weg zur Treppe.

„Darf ich Sie bei der Arbeit anrufen, falls es Probleme geben sollte? Auch wenn es kein Notfall ist?“, fragte sie.

„Selbstverständlich. Rufen Sie mich am besten auf dem Handy an. Ich werde immer drangehen, wenn ich sehe, dass Sie es sind.“

„Gut. Ich denke, das wäre erst mal alles. Morgen gibt es wahrscheinlich noch einiges zu besprechen“, meinte Tricia. „Es wäre nett, wenn Sie mir Bescheid geben könnten, ob Sie zum Abendessen kommen, damit ich weiß, ob wir auf Sie warten sollen.“

Noah wirkte verärgert. „Ich habe geschäftlich in vielen unterschiedlichen Zeitzonen zu tun. Manchmal muss ich länger bleiben, um einen Anruf abzuwarten. Ich werde es versuchen. Mehr kann ich nicht versprechen.“

„Die Kinder vermissen Sie, Noah.“

Ihm schien eine scharfe Erwiderung auf der Zunge zu liegen. Stattdessen lächelte er gezwungen. So, als hätte ihn jemand dazu aufgefordert. „Ich werde mich bemühen“, erwiderte er ruhig, aber bestimmt. „Wenn sonst alles geklärt ist, sage ich jetzt Gute Nacht. Ich hoffe, es wird Ihnen bei uns gefallen, Tricia.“

„Die Kinder und ich werden sicher viel Spaß miteinander haben.“

„Ich weiß, dass Sie Kindergartenkinder gewöhnt sind, die meistens nur spielen.“

„Bitte beleidigen Sie mich nicht“, entgegnete sie entrüstet. „Die Schuldbildung Ihrer Kinder wird garantiert nicht unter meinen Fähigkeiten als Lehrerin leiden.“

„Ich wollte Sie nicht …“ Noah brach ab und trat einen Schritt zurück. „Gute Nacht.“

Als Tricia die Treppe hinaufging, sah sie ihn zu seinem Arbeitszimmer gehen. Mitgefühl stieg in ihr auf. Dieser Mann war nicht glücklich. Nicht nur deshalb, weil er noch um seine Frau trauerte. Vielleicht war er nie wirklich glücklich gewesen. Anscheinend hatte er keine schöne Kindheit gehabt.

Tricia schloss die Tür zu ihrem Zimmer hinter sich. Sie befand sich in einer schwierigen Situation. Drei Monate, um dem Vater und den Kindern zu helfen, wieder eine Familie zu werden. Dann musste sie gehen.

Am besten wäre es gewesen, jetzt gleich zu gehen. Aber die Kinder brauchten sie. Genau wie Noah.

Das Leben ist kurz. Mach ein Abenteuer daraus. Wieder dachte sie an ihren Leitspruch. Sie hatte sich selbst versprochen, ihre eigenen Bedürfnisse nicht mehr zu vernachlässigen.

Aber momentan war ihr Platz hier, bei dieser Familie. Das war das Abenteuer.

3. KAPITEL

Am nächsten Abend bog Noah um halb sieben in die Auffahrt ein, hatte aber nicht vorher Bescheid gesagt.

Er wusste nicht genau, wieso. Normalerweise war er kein unhöflicher Mensch, und er hatte es auch nicht vergessen. Denn er hatte Tricia nicht vergessen. Doch er hatte absichtlich Fachzeitschriften gelesen, um erst eine halbe Stunde nach der üblichen Abendessenszeit nach Hause zu kommen.

Er ging zum Haus. Niemand begrüßte ihn an der Hintertür, obwohl im Esszimmer das Licht schien und seine Scheinwerfer deutlich zu sehen gewesen waren. Margie hätte die Kinder sicher gebeten, ihm entgegenzulaufen.

Er drückte auf die Türklinke und hielt inne. Margie war nicht mehr da. Er hatte keine Frau mehr. Obwohl die At-Your-Service – Agentur, wo David Tricia gefunden hatte, auch scherzhaft ‚Ehefrauen zu vermieten‘ genannt wurde. Tricia war keine Ehefrau, selbst wenn sie Margies Rolle in vielerlei Hinsicht wunderbar ausfüllte.

Natürlich ohne Sex. Das stand in dem Vertrag, den sie beide unterzeichnet hatten. Doch Noah hätte sich sowieso nie mit einer Angestellten eingelassen. Bei den anderen Nannys war das für ihn noch nicht mal ein Thema gewesen. Tricia war die Erste, die ihn überhaupt interessierte.

Er kam in die Küche, als die Kinder gerade ihr schmutziges Geschirr hereintrugen. Allen voran Ashley, die ihn vorwurfsvoll und zutiefst enttäuscht ansah.

„Hi.“ Er stellte seinen Aktenkoffer auf den Küchenschrank.

„Hallo.“ Sie ließ Wasser über ihren Teller laufen, stellte ihn in die Spülmaschine und ging hinaus.

„Das Essen war gut.“ Adam stellte seinen Teller in die Maschine, ohne ihn vorher abzuwaschen.

Zoe folgte seinem Beispiel. „Rindereintopf“, ergänzte sie statt einer Begrüßung.

Dann kam Zach, dessen Miene noch vorwurfsvoller war als Ashleys. Er spülte seinen Teller und sein Besteck sorgfältig ab und wischte sogar noch mit einem Lappen darüber, ehe er alles zusammen in die Spülmaschine räumte. Schließlich sah er seinen Vater an. „Du hast versprochen, nett zu sein.“ Damit ging auch er.

Aha, nett sein bedeutete anscheinend auch, rechtzeitig zum Abendessen zu Hause zu sein.

Tricia brachte ihr Geschirr zuletzt. „Hallo, Noah. Hatten Sie einen schönen Tag?“, sagte sie.

„Ich nehme an, da stecken Sie dahinter?“, erwiderte er verärgert.

„Ich?“ Sie spülte ihre Sachen, ohne ihn anzuschauen. „Ihre Kinder haben offensichtlich geglaubt, dass sich irgendetwas ändern würde. Ich habe keine Ahnung, warum. Sie haben nicht angerufen, dass Sie unterwegs sind. Also haben wir ohne Sie gegessen. Was ist verkehrt daran?“

„Ich meinte, dass die Kinder den Abwasch machen.“

Tricia war verblüfft. „Deswegen sind Sie sauer?“

Nein. Noah war böse, dass seine Kinder kaum mit ihm redeten. Aber dafür konnte er Tricia nicht verantwortlich machen. „Ich möchte nicht, dass die Kinder irgendwelche Arbeiten im Haushalt übernehmen.“

„Wieso nicht?“ Sie verschränkte die Arme.

„Weil man nur einmal Kind ist.“

„Zu Hause werden wir aufs Leben vorbereitet. Hausarbeit gehört zum Leben dazu. Und die Kinder wollen es so“, setzte sie ruhig hinzu. „Sie möchten Verantwortung tragen.“

„Woher wollen Sie das wissen?“

„Sie haben es mir gesagt.“

Noah wusste nicht, wie er darauf reagieren sollte. Er wollte seinen Kindern nur eine solche Kindheit ersparen, wie er sie gehabt hatte. Da sein Vater und seine Stiefmutter beide Vollzeit arbeiteten, musste er sich um seine beiden jüngeren Brüder kümmern.

Bereits mit zehn Jahren war er für den sieben Jahre alten Gideon und den drei Jahre alten David verantwortlich gewesen. Im Laufe der Jahre hatte er ihre Hausaufgaben kontrolliert, das Haus geputzt und die Wäsche gewaschen. Vom Kochen war er nur deshalb verschont geblieben, weil er sich dabei absichtlich dumm angestellt hatte.

„Aber das haben sie Ihnen vermutlich nicht erzählt, ohne dass Sie nachgefragt hätten, oder?“ Noah ging ins Esszimmer, um dort zu essen.

Tricia folgte ihm. „Das kann man so nicht sagen.“ Sie wollte nach dem Topf greifen. „Soll ich das für Sie aufwärmen?“

„Nein, ist schon gut.“ Er nahm sich alles, was an Salat, Brötchen und Eintopf übrig war, und blickte dann auf. „Inwiefern kann man das nicht so sagen?“

„Wir haben heute den Stundenplan der Kinder besprochen“, antwortete Tricia. „Nicht nur den Lehrstoff, sondern auch die außerschulischen Aktivitäten. Dabei ging es um Verantwortung im Allgemeinen. Ich habe vorgeschlagen, dass sie ihre Betten selbst machen und das Geschirr in die Spülmaschine räumen könnten, statt es die ganze Nacht im Spülbecken herumstehen zu lassen.“

Noah forderte sie mit einer Handbewegung auf, sich zu setzen. „Und sie haben diese Art der Verantwortung gleich begeistert aufgenommen?“

„Nicht alle“, gab sie zu.

„Lassen Sie mich raten. Ashley und Zach waren übereifrig, Zoe hat sich aufgeregt, und Adam …“

„Meinte, wir würden damit doch Cora die Arbeit wegnehmen. Wie könnten wir das mit unserem Gewissen vereinbaren?“, ergänzte Tricia.

Noah lachte, und sie auch. „Das ist mein Junge.“

„Ist er Ihnen von allen Kindern am ähnlichsten?“

„Nein, ich glaube, Zach ist mir am ähnlichsten“, sagte er. „Und wie war Ihr Tag?“

„Sehr schön“, sagte sie. „Sie sind alle verschieden und trotzdem als Zwillinge stark miteinander verbunden.“

„Als sie klein waren, hatten sie sogar ihre eigene Geheimsprache, aber jetzt nicht mehr.“

„Vielleicht nicht direkt, aber sie wissen genau, was der andere empfindet“, meinte Tricia. „Ich hatte keine Geschwister. Daher habe ich keinen Vergleich.“

„Ich habe nur meine Brüder, und bei uns war es nicht so. Also, haben alle ihre Arbeit geschafft?“, erkundigte sich Noah.

„Ja. Wenn Sie sich den Stoff ansehen wollen, kann ich Ihnen den später in Ihrem Arbeitszimmer zeigen. Oder wir treffen uns im Klassenzimmer.“

„Eine kurze Zusammenfassung reicht“, erklärte er. „Wenn Sie in mein Arbeitszimmer kommen könnten, sobald die Kinder im Bett sind, wäre das nett. Ich werde Ihre Zeit nicht lange in Anspruch nehmen.“

„Gut.“ Tricia stand auf. „Jetzt würde ich gerne in mein Zimmer gehen. Ich bin schon seit fast zwölf Stunden im Dienst.“

Noah war nicht bewusst gewesen, wie lange sie arbeitete. Kein Wunder, dass ihm die Nannys ständig abhanden kamen. „Hat Cora Sie nicht für eine Weile abgelöst?“

„Sie hat es angeboten, aber ich wollte den Tag nicht unterbrechen. Ab morgen werde ich das Angebot annehmen“, sagte sie. „Mir war nicht klar, wie erschöpft ich bin, wenn ich ohne Pause arbeite.“

„Gut.“

Tricia verabschiedete sich kurz und ging. Sie sah nicht müde aus. Ihre blonden Locken wirkten frisch, und ihre Augen waren klar wie immer. Auch ihre Haltung war perfekt, die Schultern gestrafft, und ihre Brüste waren ein verführerischer Anblick, den Noah zu ignorieren versuchte. Das war jedoch schwierig, da ihr enges T-Shirt jede Rundung zeigte.

Gewöhnlich aß er immer allein, doch heute Abend störte es ihn. Vielleicht weil er im Esszimmer saß, anstatt in der Küche zu stehen. Als er fertig war, räumte er sein Geschirr in die Spülmaschine und ließ den Topf eingeweicht im Spülbecken stehen.

Dann ging er ins Wohnzimmer. Dort spielte Zoe ein Fußball-Videospiel. Adam war mit seinem Game Boy beschäftigt. Zach und Ashley schauten sich einen Jugendfilm an, bei dem es um Basketball ging.

Noah setzte sich aufs Sofa neben Ashley, die sofort mit zusammengepressten Lippen von ihm abrückte. Scheinbar war alles, was er momentan machte, falsch, und sie verurteilte ihn dafür.

„Wenn das hier zu Ende ist, könntest du dann bitte in mein Arbeitszimmer kommen?“, sagte er zu ihr.

Sie wartete ein paar Sekunden und nickte dann.

Am liebsten wäre Noah geflüchtet, zwang sich jedoch dazu, bei seinen Kindern zu bleiben.

„Wo ist Miss Tricia?“, fragte Zach in einer Werbepause.

„In ihrem Zimmer“, antwortete Noah.

„Wieso?“

„Sie war wohl ein bisschen müde.“

Zach musterte seinen Vater, als wäre dieser dafür verantwortlich. „Ach so“, meinte der Junge düster. „Kommt sie später noch runter?“

„Ich weiß nicht. Wenn ich nach Hause komme, hat sie frei.“

Da die Kinder alle beschäftigt waren, schaute Noah sich den Rest des Films mit Zach und Ashley an.

Dann sagte Ashley: „Ich bin jetzt so weit, Vater.“ Sie stand auf und ging hinaus.

„Was meint sie damit?“, wollte Adam wissen.

„Ich möchte gerne mit jedem von euch einzeln sprechen“, erklärte Noah. „Es ist nichts Schlimmes. Ich möchte nur erfahren, wie euer Tag gelaufen ist und was ihr gelernt habt.“

„So wie früher“, bemerkte Zoe, ohne den Blick von ihrem Fußballspiel abzuwenden.

„Ja.“ Sie erinnerten sich also noch daran, dachte Noah schuldbewusst.

„Willst du uns testen?“, fragte Adam.

Noah seufzte leise. „Nein, bloß reden.“

„Wie lange?“

„So lange, wie es eben dauert. Ashley ist die Erste.“

„Ashley ist immer die Erste“, murrte Zach.

„Morgen kannst du der Erste sein“, meinte Noah geduldig.

Ashley saß bereits auf einem Stuhl gegenüber von seinem Schreibtisch und wartete. Als Noah sich setzte, fiel sein Blick auf das Foto von Margie, das auf dem Schreibtisch stand. Seine Töchter sahen ihr so ähnlich.

„Hab ich irgendwas falsch gemacht?“, fragte Ashley.

Er schüttelte den Kopf. „Ich wollte nur hören, wie dein erster Tag mit Miss Tricia gewesen ist.“

„Es war schön.“

„Ist sie eine gute Lehrerin?“

„Ja.“

Noah wusste nicht, ob er über ihre knappen Antworten lachen oder seufzen sollte. „Könntest du das vielleicht etwas genauer beschreiben?“

„Sie hat gesagt, dass sie viel von uns verlangen wird, weil wir alle sehr intelligent sind.“

Das gefiel ihm. „Das ist alles?“

„Na ja, und sie findet, dass unser Klassenraum zu ordentlich ist. Sie meint, wir könnten unsere Kunst- und Naturwissenschaftsprojekte draußen stehen lassen anstatt sie jeden Abend wegzuräumen“, berichtete Ashley.

Damit war Noah nun wieder gar nicht einverstanden. „Sonst noch was? Es interessiert mich, welchen Eindruck du von ihrem Unterricht hast und wie sie mit euch umgeht.“

„Ich mag sie. Ich weiß nicht, was ich sonst noch über sie sagen soll. Sie ist bisher meine Lieblingslehrerin.“

„Sie ist erst einen Tag da und schon deine Lieblingslehrerin?“, erwiderte er erstaunt.

„Man merkt, dass sie uns wirklich mag. Sie tut nicht bloß so.“

Waren die anderen Hauslehrerinnen deshalb gegangen? Also doch nicht seinetwegen, sondern weil sie seine Kinder nicht mochten? „Du hast in solchen Dingen ein gutes Urteilsvermögen. Danke, dass du es mir erzählt hast.“

Ashley strahlte. Es war schon eine Weile her, seit sie Noah so angelächelt hatte.

„Zach will der Nächste sein“, sagte er. „Ich komme nachher noch zum Gutenacht-Sagen nach oben.“

„Okay, Vater.“ Sie ging hinaus.

Vater. Das klang wirklich sehr förmlich.

Zach erschien an der Tür. Er sah aus wie ein Kind, das man zum Direktor geschickt hatte.

„Komm rein, mein Sohn.“

„Miss Tricia sitzt nicht hinter ihrem Schreibtisch. Sie meint, das wäre wie eine Wand zwischen uns.“

Noah hatte es jetzt schon satt, sich anzuhören, wie toll Miss Tricia war. „Wo soll ich denn lieber sitzen, Zach?“

„Auf dem Sofa.“

„Setzt du dich dann zu mir?“

Er nickte.

Noah setzte sich an das eine Ende des Sofas. Zach nahm ebenfalls Platz und lächelte schüchtern.

„Wie war dein Tag?“, erkundigte sich Noah.

„Gut.“

„Hat dir etwas besonders gefallen?“

„Miss Tricia hat mir ein neues Computerspiel gezeigt, mit dem ich Mathe üben kann.“

Alle Kinder besaßen hervorragende Computerkenntnisse für ihr Alter. Aber Zach war bei Weitem der Beste und Ehrgeizigste. „Gibt es etwas, was dir nicht gefällt?“

Zach überlegte einen Moment und antwortete dann entschieden: „Nein.“

„Sonst noch irgendwas, worüber du sprechen möchtest?“, fragte Noah.

„Nein, alles okay.“

„Gut, dann schick mir entweder Zoe oder Adam rein, ja? Ich sage euch nachher noch Gute Nacht.“

Zach lief davon, und eine Minute später tauchte Zoe auf. Noah saß noch auf dem Sofa und bedeutete ihr, sich zu ihm zu setzen. Seufzend ließ sie sich aufs Sofa fallen, schaute ihn jedoch nicht an. Sie war ihm gegenüber am feindseligsten eingestellt und zeigte ihre Gefühle meistens ziemlich offen.

„Wie ist es dir heute ergangen?“, meinte Noah.

„Ganz okay.“

„Gefällt dir Miss Tricia als Lehrerin?“

„Sie ist in Ordnung. Bis jetzt.“

Noah beugte sich ein wenig zu Zoe hin. „Glaubst du, dass sie sich ändern wird?“

„Meistens ist das so.“

Er war überrascht. „Warum habt ihr mir das nie erzählt?“

„War wohl nicht so wichtig.“ Sie schlenkerte die Füße hin und her. „Sie sollen uns doch nur unsere Aufgaben geben, und dann machen wir sie. Das ist alles. Ist doch egal, wer das ist, oder?“

Da war Noah allerdings anderer Meinung. „Wenn du das Gefühl hast, dass Miss Tricia sich verändert, wenn sie keine gute Lehrerin mehr ist, dann möchte ich, dass du mir das sagst, Zoe, ja?“

„Klar. Kann ich gehen?“

Erst jetzt fiel ihm auf, wie selten sie ihn ansah. „Bitte schau mich an.“

Sie zögerte, tat es dann aber doch.

„Versprich mir, dass du es mir erzählst, Zoe.“

„Hab ich doch schon gesagt. Darf ich jetzt gehen?“

Am liebsten hätte Noah sie in den Arm genommen. Doch er wusste, dass sie sich sträuben würde. Denn irgendwann hatte er aufgehört, seine Kinder zu umarmen. Er wusste selbst nicht, warum. „Schick bitte Adam rein.“

Zoe schoss hinaus. Adam kam sofort durch die Tür. Dabei machte er einen Basketball-Sprungwurf, schwang sich über die Sofalehne und landete mit einem Plumps auf dem Sofa.

„Na, du warst aber schnell da“, bemerkte Noah.

„Ich stand draußen und hab zuge… Ich meine, ich hab gewartet, dass ich drankomme.“ Er grinste ungeniert.

Da es Zoe offenbar nicht störte, dass ihr Bruder gelauscht hatte, beschloss Noah, auch nicht weiter darauf einzugehen.

„Du willst bestimmt wissen, was ich über Miss Tricia denke“, meinte Adam. Genau wie Zoe zappelte auch er herum. „Sie ist cool. Sie hat gesagt, dass sie mich nächste Woche im Basketball-Verein anmeldet. Und sie will ihre Gitarre mitbringen, wenn sie das nächste Mal nach Hause fährt. Sie meint, es wäre besser, erst dann zu fragen, ob ich Gitarrenunterricht haben kann, wenn ich weiß, ob ich es wirklich will. Sie wird mir erst mal selbst ein paar Stunden geben.“

Gab es irgendetwas, was Miss Tricia nicht konnte? „Ich wusste gar nicht, dass du Gitarre lernen möchtest“, erwiderte Noah. „Ich dachte, du magst Klarinette.“

„Ach, komm schon, Vater. Das ist so altmodisch.“

Vater. Da war es wieder, und aus Adams Mund hörte es sich ganz besonders steif an.

„Kann ich jetzt gehen?“, fragte Adam.

Noah verabschiedete ihn mit einer Handbewegung und unterdrückte einen Seufzer. Er konnte von seinen Kindern keine Wunder erwarten. Anscheinend hatte er sie schon viel zu lange ignoriert. Außerdem waren sie größer und reifer geworden. Er musste sich wohl in einigem umstellen.

Er kehrte auf seinen Schreibtischstuhl zurück und öffnete seinen Aktenkoffer. Ob er das jemals begriffen hätte, wenn Tricia nicht zu ihnen gekommen wäre? Doch sie war gekommen. Und wenn er nett zu ihr war, dann würde er nach Meinung seiner Kinder nie wieder nach einer neuen Hauslehrerin suchen müssen.

Das war immerhin ein Ziel, für das es sich lohnte, ein paar Veränderungen vorzunehmen.

Tricia saß mit einem Notizzettel voller Fragen im Arbeitszimmer und wartete auf Noah. Sie freute sich, dass er seine Kinder zu Bett brachte. Er war ihr begegnet, als sie gerade aus dem Zimmer der Mädchen kam. Die Kinder brauchten ihn, und für ihn wäre eine engere Beziehung zu ihnen auch schöner.

In diesem Augenblick eilte er herein. Er blieb stehen, zögerte kurz und nahm dann an seinem Schreibtisch Platz. „Sie haben jetzt schon einen großen Eindruck auf meine Kinder gemacht“, meinte er.

„Sie sind wunderbar.“

„Aber sie haben viel durchgemacht.“

Tricia nickte verständnisvoll. „Sie sagten, dass Zach Ihnen am ähnlichsten wäre. Ist eines der Mädchen wie Margie?“

„Ja, Ashley.“

„Inwiefern?“

Noah lehnte sich zurück. „Die Liebe zum Detail. Keine großen Wellen machen wollen. Das Bedürfnis nach allgemeiner Harmonie. Und trotzdem war sie auch selbstsicher und eigensinnig.“

„Welche Art von Urlaub haben Sie gemacht?“, fragte Tricia.

„Als Familie?“ Er überlegte. „Wir waren zusammen in einigen Vergnügungsparks.“

„Zelten?“

„Margie hätte das gerne gewollt, aber ich nicht. Wir waren viel zu Hause. Wahrscheinlich, weil ich sehr oft nach Europa musste. Ich wollte einfach nur hier sein.“

Tricia fragte sich, ob Margie damit zufrieden gewesen war, oder ob sie sich gedacht hatte, dass noch genug Zeit fürs Reisen sein würde, wenn die Kinder älter waren.

„Sie und die Kinder sind mehrmals im Jahr nach San Luis Obispo zu ihren Eltern gefahren. Und die Kinder tun es immer noch. In der Thanksgiving-Woche sind sie auch dort.“ Noah wies auf Tricias Notizen. „Noch irgendwelche Fragen?“

„Habe ich meinen ersten Tag bei den Kindern bestanden?“

„Steht die Frage auf Ihrer Liste?“, meinte er mit einem kaum merklichen Zwinkern in den Augen. Er besaß also doch Sinn für Humor.

Tricia lachte. „Gleich an erster Stelle.“ Sie wedelte so schnell mit dem Zettel, dass er nichts lesen konnte.

„Sie haben von allen eine hervorragende Beurteilung bekommen“, erklärte Noah. „Adam hat Sie sogar als ‚cool‘ bezeichnet.“

„Schön.“ Sie freute sich ehrlich über das Lob. Dann tippte sie mit dem Finger auf ihre erste richtige Frage. „Halloween. Verkleiden Ihre Kinder sich dafür? Und muss ich mich darum kümmern?“

Er durchsuchte einige Unterlagen auf dem Schreibtisch. „Hier.“ Er reichte ihr eine Party-Einladung für Freitagabend mit einem Geist darauf.

„Haben Sie zugesagt?“, erkundigte sich Tricia. Die Einladung stammte von Cynthia Madras, der Aufsichtslehrerin.

„Nein, das habe ich vergessen.“

„Wollen die Kinder denn hingehen?“

„Ich habe sie nicht gefragt.“ Sein Tonfall zeigte, dass er sich dafür nicht verantwortlich fühlte. Offensichtlich hatten die früheren Lehrerinnen sich um solche Dinge gekümmert.

„Dann frage ich sie morgen früh“, meinte Tricia. „Cynthia kommt morgen sowieso vorbei, und ich werde sie darauf ansprechen. Ist es okay für Sie, wenn die Kinder zu der Party gehen?“

„Sicher. Cynthia gibt jedes Jahr eine Halloween-Party für die Schüler, für die sie zuständig ist. Sie organisiert ein Spukhaus. Nächstes Jahr werden Ashley und Zoe dreizehn. Die Teenager dürfen bei der Party immer die Monster spielen.“

„Klingt nach Spaß. Ich freue mich schon, Cynthia kennenzulernen.“ Sie warf einen Blick auf ihre Liste. „Zoe sagt, dass sie Samstagmittag ein Fußballspiel hat. Gehen Sie und die Kinder als Familie mit hin?“

„Normalerweise nicht. Meistens holt jemand sie ab und bringt sie danach wieder zurück“, antwortete Noah.

Seine Körpersprache vermittelte deutlich den Eindruck, dass Tricia das Thema nicht weiter verfolgen sollte. Doch ihr blieben nur drei Monate, um dieser Familie zu helfen. Also musste sie etwas sagen. „Es ist wichtig für Zoe, dass Sie ihr Aufmerksamkeit schenken, Noah. Sie alle sollten sich in der Familie gegenseitig unterstützen. Für die andern Kinder wäre es auch gut, dabei zu sein und sie mit anzufeuern. Dasselbe gilt für Adam, wenn er mit dem Basketballtraining anfängt.“

„Jawohl, Frau Lehrerin.“

Das ärgerte sie. „Meinen Sie wirklich, dass Sarkasmus hier angebracht ist? Ihre Familie ist zerbrochen. Ich versuche nur zu helfen.“

Autor

Susan Crosby
Susan Crosby fing mit dem Schreiben zeitgenössischer Liebesromane an, um sich selbst und ihre damals noch kleinen Kinder zu unterhalten. Als die Kinder alt genug für die Schule waren ging sie zurück ans College um ihren Bachelor in Englisch zu machen. Anschließend feilte sie an ihrer Karriere als Autorin, ein...
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Lois Faye Dyer
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Allison Leigh

Allison Leigh war schon immer eine begeisterte Leserin und wollte bereits als kleines Mädchen Autorin werden. Sie verfasste ein Halloween-Stück, das ihre Abschlussklasse aufführte. Seitdem hat sich zwar ihr Geschmack etwas verändert, aber die Leidenschaft zum Schreiben verlor sie nie. Als ihr erster Roman von Silhouette Books veröffentlicht wurde, wurde...

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