Bianca Gold Band 53

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  • Erscheinungstag 20.09.2019
  • Bandnummer 53
  • ISBN / Artikelnummer 9783733737474
  • Seitenanzahl 448
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Victoria Pade, Leigh Greenwood, Marie Ferrarella

BIANCA GOLD BAND 53

1. KAPITEL

Es war beinahe halb zehn Uhr abends, als Kit MacIntyres Bus nach Northbridge, Montana, einfuhr. Sie war der letzte Passagier, und der Fahrer entlud ihr Gepäck und trug es persönlich in die Bahnhofshalle.

„Ich übernachte hier und fahre morgen früh die Tour wieder zurück“, erzählte er auf dem Weg dorthin.

Die kleine Bahnhofshalle war leer, und die einzige Angestellte, deren Schalter Informations- und Kartenverkaufsschalter zugleich war, wollte gerade die große Eingangstür abschließen. Sie begrüßte den Fahrer mit seinem Namen und nickte Kit zu. „Werden Sie abgeholt, meine Liebe?“, fragte sie, nachdem der Busfahrer wieder gegangen war.

„Meine Freundin wollte eigentlich hier sein“, sagte Kit und sah sich suchend um.

„Und wer ist Ihre Freundin?“

Überall anderswo hätte diese Frage seltsam geklungen. Doch Kira hatte Kit gewarnt, dass in dieser kleinen Stadt jeder den anderen kannte.

„Kira Wentworth“, antwortete sie.

„Ah, dann sind Sie wegen der Hochzeit am Samstag hier“, stellte die ältere Frau ehrfürchtig fest, als wäre es das gesellschaftliche Ereignis des Jahres.

„Ja, ich bin die Brautjungfer“, bestätigte Kit. „Außerdem backe ich die Hochzeitstorte.“

Langsam schien der Frau ein Licht aufzugehen. „Dann müssen Sie Kit sein. Ich habe von Ihnen gehört. Meine Nichte hat in Colorado geheiratet und wollte unbedingt eine Torte von Kit’s Cakes. Als Kira erzählte, wer ihre Torte backt, fiel mir der Name gleich wieder ein.“

„Ja, ich bin Kit MacIntyre.“

„Ich habe Kira heute noch nicht gesehen. Weiß sie, wann Ihr Bus ankommen sollte?“

Kit versicherte der Frau, dass sie ihrer Freundin die Ankunftszeit mitgeteilt hätte.

Die Frau warf einen Blick auf die große runde Wanduhr hinter dem Schalter. „Ich muss jetzt leider abschließen und nach Hause gehen. Aber es ist ja ein schöner milder Abend. Vielleicht können Sie draußen auf der Bank warten?“

Kit war sicher, dass Kira jeden Augenblick eintreffen würde. Die Freundin war immer zuverlässig. „Darf ich vorher noch zur Toilette gehen?“, fragte sie. „Ich werde mich beeilen.“

„Natürlich. Ich rufe meinen Mann schnell an und sage ihm, dass ich praktisch auf dem Weg bin.“

Kit folgte dem Pfeil auf dem alten Hinweisschild zu den Toiletten und trat ein. Sie war froh, dass sie noch etwas Zeit hatte, um ihr Make-up aufzufrischen und ihre Frisur wieder herzurichten. Sie würde Kiras Verlobten heute zum ersten Mal treffen und wollte nicht zu zerzaust aussehen.

Der Tag heute war wirklich lang gewesen! Erst hatte sie in ihrer Bäckerei noch letzte Hand an vier Hochzeitstorten legen müssen, bevor sie nach Hause eilte, packte und zum Flughafen fuhr. Nach der Landung dann noch die Überlandfahrt mit dem alten Bus, na ja, aber ein Blick in den Spiegel über dem Waschbecken zeigte ihr, dass sie längst nicht so erschöpft aussah, wie sie sich fühlte.

Ihre blasse Haut brauchte ein bisschen Rouge. Die Wimperntusche, die sie heute Morgen aufgetragen hatte, hielt zum Glück noch. Vorsichtig wischte sie eine winzige Spur mit dem kleinen Finger unter ihren violettblauen Augen fort. Sie frischte ihren hellrosa Lippenstift auf und löste das Gummiband, das ihr Haar zu einem Pferdeschwanz hielt.

Das Haar fiel in unzähligen wilden Locken über ihre Schultern. Kits Locken ließen sich einfach nicht bändigen. Doch wenn sie das Haar kurz schneiden ließ, fehlte das Gewicht, um es niederzudrücken, und es stand ihr von allen Seiten am Kopf ab. Wie eine Clownsfrisur.

Wenigstens ist nichts gegen die Farbe einzuwenden, dachte Kit, bürstete die dunkle haselnussbraune Mähne und ließ sie locker um das Gesicht fallen.

Anschließend legte sie ihr Kosmetiktäschchen wieder in die Handtasche und kehrte in die Halle zurück.

„Kira ist immer noch nicht da“, verkündete die Frau.

„Das macht nichts. Ich warte draußen“, antwortete Kit freundlich und folgte der Frau mit ihrem Koffer und ihrer riesigen Einkaufstasche, die ihre Backformen und Küchengeräte enthielt, durch die Vordertür.

„Wenn Kira und Cutty noch in ihrem alten Haus wohnen würden, könnten Sie zu Fuß gehen“, sagte die Bahnhofsangestellte. „Aber das neue Haus ist ziemlich weit weg von hier. Mit dem Koffer und der Tasche … Nun, ich bin sicher, dass Kira gleich hier sein wird.“

„Ich komme zurecht, machen Sie sich keine Sorgen“, versicherte Kit.

„Dann wünsche ich Ihnen eine gute Nacht“, erklärte die Frau und eilte davon.

Es war ein schöner Augustabend. Warm, aber nicht zu heiß. Kein Lüftchen regte sich.

Trotzdem wünschte Kit, ihre Freundin würde kommen. Es war beinahe unheimlich still. Kein Mensch war weit und breit zu sehen.

Von der Bank aus, auf der sie saß, bot Northbridge einen hübschen Anblick. Der Busbahnhof lag gegenüber einer Tankstelle, mit der zusammen er am einen Ende der Main Street eine Art Eingangstor zur eigentlichen Stadt bildete.

Kit konnte nicht die ganze Hauptstraße einsehen. Doch sie sah, dass sich zwei- und dreigeschossige Backsteingebäude zu beiden Seiten reihten. Die Häuser wirkten so altmodisch, dass sie sich nicht gewundert hätte, wenn plötzlich eine Pferdekutsche auf sie zugekommen wäre.

Große schmiedeeiserne Laternen beleuchteten die Gehsteige zu beiden Seiten der Main Street. Sie waren von Blumenkübeln umgeben, in denen unzählige gelbe, orangerote und rotbraune Blumen blühten.

Doch so hübsch der Anblick war, Kit hätte ihn lieber an einem gemütlichen Nachmittag genossen, während Kira und sie zum Shoppen durch die Geschäfte bummelten. Sie überlegte, ob sie zur Tankstelle gehen und ihre Freundin anrufen sollte. Da bemerkte sie plötzlich eine Bewegung weiter unten an der Main Street.

Ein Mann hatte eines der Gebäude verlassen und kam direkt auf sie zu. Kira hatte erzählt, dass Northbridge eine sehr sichere Stadt sei. Trotzdem wurde es Kit ein bisschen flau im Magen.

Es war schon dunkel, und sie war völlig allein. Weit und breit war kein Mensch, der sie hören würde, wenn sie um Hilfe rief. Und der Mann kam nicht nur auf sie zu. Als er ungefähr einen Block entfernt war, begann er zu lächeln und winkte freundlich.

Kiras Verlobter war es nicht. Die Freundin hatte ihr ein Foto von sich und Cutty sowie seinen neunzehn Monate alten Zwillingstöchtern geschickt.

Bedrohlich wirkte der Mann nicht. Im Gegenteil, er sah eher fantastisch aus. Richtig toll. Geradezu unwahrscheinlich toll.

Doch das war noch längst keine Garantie dafür, dass er ungefährlich war.

Mit seinen langen muskulösen Beinen kam er rasch näher. Er hatte eine schmale Taille und breite kräftige Schultern. Sein schwarzes Haar war an den Seiten kurz und oben etwas länger geschnitten und leicht zerzaust. Und erst sein Gesicht! Mit diesen gemeißelten Zügen hätte er Werbung für Rasierapparate machen können: hohe Wangenknochen, eine breite eckige Stirn, eine schmale, sehr gerade Nase, etwas zu dünne Lippen, die aber zu ihm passten … Wenn er lächelte, bildeten sich zwei Grübchen in seinen Wangen und gaben ihm etwas sehr Schelmisches.

„Kit?“, fragte er, als er nur noch wenige Meter entfernt war.

„Ja“, antwortete sie zögernd und hätte nicht sagen können, was sie mehr beunruhigte: dass sie auf einer verlassenen Straße von einem Fremden angesprochen wurde oder dass dieser Fremde geradezu umwerfend gut aussah.

Er legte seine große Hand auf seine breite Brust, die von einem roten Polohemd bedeckt wurde, und erklärte: „Ich bin Ad, Ad Walker. Ein Freund von Cutty.“

Erwartungsvoll hielt er inne, um festzustellen, ob sie diesen Namen schon gehört hatte. Was der Fall war.

Sie selbst hatte auch den Zeitungsartikel gelesen, der Kira bewogen hatte, nach Northbridge zu reisen. Der Artikel berichtete, wie Cutty Grant und Addison Walker in ein brennendes Haus gelaufen waren und eine Familie vor dem sicheren Tod gerettet hatten. Dabei waren sie selbst verletzt worden. Cutty hatte seinen Fußknöchel gebrochen, und Addison Walker war bewusstlos geworden. Kira hatte in Cutty Grant den Mann ihrer Schwester Marla erkannt und war hierhergereist in der Hoffnung, Marla endlich, nach dreizehn Jahren, wiederzufinden. Doch sie war zu spät gekommen – Cuttys Frau war vor mehr als einem Jahr bei einem Autounfall ums Leben gekommen.

„Kira hat mir von Ihnen erzählt“, sagte Kit reichlich spät. „Ich bin Kit MacIntyre“, fügte sie überflüssigerweise hinzu und streckte ihm die Hand hin.

Ad legte seine warmen kräftigen Finger lächelnd um ihre Hand und schüttelte sie. Glühende Hitze schoss Kit den Arm hinauf und breitete sich in ihrem ganzen Körper aus. Wie konnte ein einfaches Händeschütteln so sinnlich sein?

„Freut mich, Sie kennenzulernen“, sagte er.

Der Händedruck war viel zu schnell vorüber. Kit war fast enttäuscht, als Ad sie losließ. So enttäuscht, dass es ihr schwerfiel, sich auf seine Worte zu konzentrieren.

„Mel – eines der Zwillingsmädchen – ist gestürzt und hat sich am Kopf verletzt“, erklärte Ad Walker. „Die Wunde musste genäht werden. Deshalb baten Cutty und Kira mich, ob ich Sie abholen könnte.“

„Geht es dem kleinen Mädchen gut?“

„Ja. Es war nur eine Platzwunde“, versicherte Ad. „Ich weiß nicht, ob Kira es Ihnen schon erzählt hat: Sie schlafen bei mir.“ Rasch hob er die Hand. „Keine Sorge, es war anders gemeint, als es klang. Ich habe zwei Apartments über meinem Restaurant.“ Er deutete mit dem Daumen über die Schulter in die Richtung, aus der er gekommen war. „Ich wohne in dem einen und vermiete das zweite an Collegestudenten. Während der Ferien steht es leer. Da Kiras und Cuttys neues Haus noch eine halbe Baustelle ist und Sie sowieso den Backofen des Restaurants für Ihre Hochzeitstorte benötigen, dachten wir, Sie hätten nichts dagegen, in das leere Apartment zu ziehen.“

Kira hatte ihr das zwar längst erzählt. Aber Kit gefiel der Klang von Ad Walkers Stimme so sehr, dass sie es gern ein zweites Mal hörte.

„Es sind zwei völlig getrennte Wohnungen“, fuhr er fort. „Ich werde nicht einmal merken, ob Sie da sind oder nicht. Und umgekehrt.“

Kit bezweifelte, dass zwei getrennte Wohnungen genügen würden, um den Gedanken zu vertreiben, dass dieser Mann irgendwo in der Nähe war.

Andererseits nahm sie ja gerade eine Auszeit von den Männern. Nach zwei gewaltigen Katastrophen, für die sie selbst verantwortlich war, ging sie allen romantischen Beziehungen vorläufig aus dem Weg.

Ad Walker hob ihren Koffer auf. „Ich wohne nicht weit von hier die Straße hinab. Was halten Sie davon, wenn wir nun erst einmal in Ihr Apartment gehen, damit Sie sich frisch machen und auspacken können. Anschließend würden wir etwas essen und trinken, während wir auf Kira und Cutty warten. Ist Ihnen das recht?“

„Natürlich.“ Kira nahm ihre Einkaufstasche von der Bank. „Ich habe meine eigenen Formen für die Torte mitgebracht, weil ich nicht wusste, wie weit Sie in Ihrem Restaurant zum Backen eingerichtet sind.“

„Abgesehen von den Öfen habe ich überhaupt nichts zum Kuchenbacken“, gab er zu, während sie sich auf den Weg machten. „Bei mir gibt es nur die üblichen Snacks – Fish and Chips, Hamburger, Sandwichs, Suppen und so weiter. Außerdem Käse- und Schokoladenkuchen. Aber die bekomme ich gefroren geliefert.“

„Oje.“

Ad Walker lachte tief in der Kehle. „Ja, es ist mir ziemlich peinlich, so etwas gegenüber jemandem zuzugeben, der seinen Lebensunterhalt mit feinsten Kuchen verdient.“

„Wenn Sie wollen, bringe ich Ihnen ein paar meiner Grundrezepte bei. Es ist wirklich nicht schwierig zu backen. Es würde erheblich besser schmecken als die vorgefertigten Massenprodukte.“

Er sah sie lächelnd an. „Sie würden mir einige Ihrer weltberühmten Rezepte verraten?“

„Nun, vielleicht nicht die berühmtesten“, ging Kit auf seinen Scherz ein. „Aber ich könnte Ihnen einige weniger bekannte im Tausch gegen Bett und Frühstück beibringen.“ Die Neckerei mit diesem Mann gefiel ihr besser, als gut für sie war.

Sie hatten das Restaurant inzwischen erreicht. Ein großes Neonschild verkündete den Namen: „Adz“. Die Vorderfront bestand fast ganz aus Fenstern mit dunkelgrünen Caféhausgardinen, die den Blick auf die Gäste vollkommen versperrten. Der Eingang lag etwas zurück, und Ad Walker öffnete die Tür.

Das Lokal mit seiner dunklen Holzverkleidung, der gedämpften Beleuchtung und den Nischen an den Wänden rings um die frei stehenden Tische sah aus, als stammte es direkt aus England oder Irland. Eine lange geschnitzte Theke mit einer Fußleiste aus Messing und einer Spiegelwand dahinter verstärkte die freundliche einladende Atmosphäre.

„Hübsch“, stellte Kit fest.

„Danke. Mir gefällt es auch.“

Ad Walker leitete Kit zu einer Pendeltür neben der Theke, die in die Küche führte – ein hell erleuchteter Raum mit Spülbecken, Herden und Öfen an den Wänden und Arbeitstischen aus rostfreiem Stahl in der Mitte.

Das Personal beachtete die beiden kaum, während Ad Kit durch die Hintertür in eine sehr hübsche Gasse führte.

Die Straße war mit Backsteinen gepflastert, die wie Kopfsteine wirkten. Die Häuser waren gelb und weiß gestrichen und hatten hölzerne Fensterläden. Kutschlaternen auf beiden Seiten sorgten für die Beleuchtung.

„Wir wohnen da oben“, sagte Ad und deutete zu einer Holztreppe, die auf der Rückseite des Restaurants zu einer breiten Galerie mit zwei Türen führte.

Er öffnete die erste Tür und reichte Kit den Schlüssel. Dann schaltete er das Licht ein und ließ ihr den Vortritt.

Ein Doppelbett und ein Kosmetiktisch standen auf der einen Seite. Ihnen gegenüber befand sich eine winzige Küche. Ein Sofa mit passendem Sessel, ein Schreibtisch und ein Fernseher ergänzten die Einrichtung.

„Na ja, das Apartment ist recht unpersönlich“, gab Ad zu und zeigte mit seinem langen Arm auf zwei Türen. „Links ist der Kleiderschrank, rechts das Bad. Ich habe das Bett heute früh schon bezogen. Frische Handtücher sind im Schrank im Bad. Im Kühlschrank ist nur das Wesentlichste. Eine Kaffeemaschine gibt es leider nicht. Wenn Sie etwas essen oder trinken möchten, können Sie jederzeit ins Restaurant kommen.“

„Ich erwarte nicht, dass Sie mich durchfüttern, während ich hier bin. Das Apartment ist völlig in Ordnung. Es gefällt mir“, versicherte Kit und meinte es ernst.

Ad Walker hob ihren Koffer über den Fußteil des Bettes, der ebenso wie der Kopfteil aus Messing bestand. Und Kit stellte ihre Einkaufstasche auf den winzigen Küchentisch.

Sie drehten sich fast gleichzeitig zueinander, und Kit sah Ads Augen nun zum ersten Mal ganz aus der Nähe. Der Mann hatte erstaunlich lebhafte aquamarinblaue Augen. Einen Moment verlor sie sich ganz in deren Tiefe.

Dann brachte Ads Stimme sie in die Wirklichkeit zurück. „Möchten Sie einen Moment allein sein, oder wollen wir gleich nach unten gehen?“

„Ehrlich gesagt, ich habe den ganzen Tag noch nichts gegessen und bin halb verhungert. Ich würde jetzt gerne in Ihr Restaurant gehen.“

Er lächelte, als hätte er auf diese Antwort gehofft. „Sehr gut. Ich empfehle Fish and Chips. Die sind heute besonders gut“, schlug er vor. „Aber Sie können natürlich auch etwas anderes essen.“

„Fish and Chips sind mir völlig recht. Und Eistee dazu, falls Sie welchen haben.“

Sie durchquerten die Küche erneut, und Ad gab die Bestellung auf. Dann schenkte er zwei Gläser mit Eistee aus einem Krug hinter der Theke voll und deutete zu einem kleinen freien Ecktisch. „Setzen wir uns da drüben hin.“

„Sie brauchen mir keine Gesellschaft zu leisten, falls Sie etwas anderes zu tun haben – oder tun möchten“, sagte Kit höflicherweise.

„Ich habe weder etwas anderes zu tun, noch möchte ich es“, antwortete er: „Es sei denn, Sie wollen lieber allein sein.“

„Nein“, antwortete Kit ein bisschen zu schnell. „Ich möchte Ihnen nur keine Ungelegenheiten bereiten.“

„Das tun Sie nicht. Es macht mir Freude, Ihnen Gesellschaft zu leisten.“

Diese Antwort gefiel ihr besser, als sie sollte. Doch sie verdrängte den Gedanken rasch. Sie setzten sich einander gegenüber, und Kit suchte nach einem unverfänglichen Thema, um sich mit dem Mann zu unterhalten, den sie gerade erst kennengelernt hatte und von dem sie den Blick nicht lassen konnte.

Aber wahrscheinlich fiel es jeder Frau schwer, nicht in dieses hübsche Gesicht und auf diesen muskulösen Körper zu schauen.

Plötzlich fiel ihr der Zeitungsartikel wieder ein.

„In dem Zeitungsartikel stand, dass Cutty und Sie eine Familie aus einem brennenden Haus gerettet haben und dabei selber verletzt worden sind. Cuttys Gips kam letzte Woche herunter. Ich hoffe, bei Ihnen ist auch wieder alles in Ordnung?“

„Ja, ich bin so gut wie neu.“ Ad klopfte an seinen Kopf. „Ein Schädel hart wie Stahl. Auch das Haus ist inzwischen repariert, und die Familie konnte wieder einziehen. Selbst der versengte Schwanz des Hundes sieht wieder normal aus. Alles ist wie früher.“

„Außer, dass meine beste Freundin nicht mehr bei mir gegenüber wohnt“, stellte Kit fest, während die Kellnerin ihr Essen brachte. „Und das ist Ihre Schuld.“

Ad lachte leise. „Meine Schuld? Was habe ich damit zu tun?“

„Sie haben Kira von Cutty und seiner schweren Vergangenheit erzählt. Das gab den Ausschlag für ihre Entscheidung, die Beziehung mit Cutty zu vertiefen.“

„Aha.“ Sein Lächeln bewies Kit, dass er sie durchschaut hatte und wusste, dass sie ihn nur neckte. Doch anstatt eine Bemerkung über die Rolle zu machen, die er in der Romanze seines Freundes gespielt hatte, deutete er mit dem Kinn auf ihren Teller. „Wie schmeckt es?“, fragte er.

Kit hatte den in Bierteig gebackenen Kabeljau und die Pommes schon probiert und antwortete aufrichtig: „Der beste Fisch, den ich jemals gegessen habe. Allerdings glaube ich kaum, dass er mich für den Verlust meiner besten Freundin entschädigen kann.“

„Nicht einmal ein bisschen?“

Flirtete er mit ihr? Und sie mit ihm? Kit war sich nicht sicher. Aber ihr gefiel die kleine Plänkelei. Sehr sogar.

„Höchstens ganz, ganz wenig.“

„Hm. Wenn ich mich nicht irre, haben Sie ebenfalls keinen geringen Anteil daran, dass Kira und Cutty am Samstag heiraten. Kira erzählte mir, dass Sie ihr die Augen geöffnet und sie dazu gebracht hätten, zu Cutty zurückzukehren.“

„Es war längst zu spät, als ich das Spielfeld betrat. Ich konnte nur noch das Beste aus allem machen“, erklärte Kit lachend. „Der eigentliche Schuldige sind Sie.“

Also das hatte wirklich nach Flirten geklungen.

Hör sofort auf, befahl Kit sich im Stillen. Was soll das denn? Du wolltest doch keinen Mann mehr an dich heranlassen!

„Dann muss ich wohl überlegen, wie ich es wiedergutmachen kann“, gab Ad viel sagend zu.

Kit ging auf seinen Tonfall ein. „Das ist eine schwierige Aufgabe.“

„Ich liebe Herausforderungen.“ Seine aquamarinblauen Augen funkelten schelmisch und hielten sie derart in ihrem Bann, dass Kit alles um sich herum vergaß. Sie bemerkte ihre Freundin erst, als Kira direkt neben ihr stand und fragte: „Stören wir etwa?“

Ad schien ebenso überrascht zu sein, dass Kira Wentworth und Cutty Grant eingetroffen waren.

„Kira!“, rief Kit und sprang rasch auf, damit die beiden nicht merkten, wie sehr dieser Mann sie gefesselt hatte.

Kira umarmte die Freundin herzlich. „Es tut mir unendlich leid, dass ich dich nicht vom Bus abholen konnte. Du kommst extra aus Montana, und ich bin nicht einmal da, wenn du eintriffst. Mel war mit dem Kopf an die Kaminecke geschlagen. Die Wunde musste genäht werden.“

„Ich weiß. Ad hat es mir erzählt. Du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Ich freue mich, dass du jetzt da bist“, versicherte Kit.

Ad war ebenfalls aufgestanden und hatte zwei Stühle von einem anderen Tisch herbeigezogen. „Was kann ich euch bringen?“, fragte er. „Etwas zu essen oder zu trinken?“

„Ein Bier, bitte“, sagte Cutty.

„Für mich auch“, erklärte Kira. „Ich wollte unbedingt, dass Kit Cutty heute noch kennenlernt.“

Während Ad das Bier holte, stellte sie die beiden einander vor. Dann setzten sie sich an den kleinen Tisch, und was immer zwischen Kit und Ad Walker vorgegangen war, war nun zu Ende.

2. KAPITEL

Nach einer unruhigen Nacht stand Ad am Sonntag früh auf. Er ging in die Küche seines Apartments, bereitete ein großes Frühstück zu und warf dabei immer wieder einen wachsamen Blick durch das Fenster auf die Gasse – und die Galerie, die er mit Kit teilte. Und verwünschte sich selbst dafür.

Er war nicht seit Anbruch der Dämmerung auf den Beinen, weil er ein Frühaufsteher war. Und er bereitete auch kein doppeltes Frühstück vor, weil er ungewöhnlich hungrig war. Und er blickte nicht aus dem Fenster, weil das Wetter sich ständig änderte.

Kit MacIntyre war der Grund.

Er hatte schlecht geschlafen, weil die Frau ihm nicht aus dem Kopf ging. Und er bereitete eine doppelte Portion vor, damit er sie zum Frühstück einladen konnte.

Er beeilte sich und sah ständig aus dem Fenster, damit sie ihm nicht entwischte und zum Essen ins Restaurant ging.

Das waren absolut schlechte Gründe. Allesamt.

Andererseits lernte er nicht jeden Tag eine Frau kennen, mit der er sich so gut verstand. Bei der er sich wohlfühlte und die – wenn er sich nicht irrte – in seiner Gegenwart ebenfalls völlig entspannt war. Sie hatten herumgealbert und sich gegenseitig geneckt. Die Zeit mit ihr hatte – nun, Spaß gemacht. So etwas hatte er lange nicht mehr erlebt.

Natürlich fiel es ihm nicht schwer, sich mit anderen Frauen zu unterhalten. Sie aufzuziehen und mit ihnen zu scherzen. Aber bei Kit war gestern noch etwas hinzugekommen.

Anziehungskraft.

Okay, gab Ad zu. Er fühlte sich zu Kit hingezogen, ob er es wollte oder nicht. Und er wollte es nicht.

Was hatte er nach dem Debakel mit Lynda geschworen?

Nie wieder eine Frau von außerhalb. Schon gar nicht eine Beziehung mit einer, die einen eigenen Betrieb in einer anderen Stadt besaß.

Er verstand sich selbst nicht. Dabei war Kit gar nicht sein Typ. Normalerweise bevorzugte er Frauen mit von der Sonne gebleichtem Haar und gebräunter Haut. So Sportskanonen. Und solche mit endlos langen Beinen.

Kit war völlig anders.

Sie hatte kaffeebraunes Haar, das sie ein bisschen wild und ungezähmt aussehen ließ. Es umrahmte ihre blasse Porzellanhaut, die nicht aussah, als wäre sie jemals länger der Sonne ausgesetzt worden. Außerdem hatte sie keine sonderlich langen Beine. Wie sollte sie auch bei höchstens eins sechzig?

Und trotzdem.

Nie zuvor war ihm eine Frau mit so feinen Zügen und so hohen Wangenknochen begegnet. Mit solch einer schmalen makellos geformten Nase. Mit so perfekten vollen rosa Lippen. Mit so dunklen purpurblauen Augen von der Farbe der Blüten des Busches, den seine Mutter besonders liebte.

Große funkelnde violette runde Augen mit den längsten, dichtesten schwarzen Wimpern der Welt …

Ad stieß einen langen Seufzer aus.

Kit besaß auch einen fantastischen Körper. Ihre Brüste hatten seine Aufmerksamkeit und seine Gedanken mehr als einmal auf sich gezogen, und ihr Hintern würde genau in seine Hände passen …

Ja, ihr Aussehen gefiel ihm ganz entschieden.

Aber die Frau lebt in Denver, ermahnte er sich. Sie hat einen eigenen Betrieb in Denver. Sie ist nur wegen der Hochzeit hier. Und dann fährt sie wieder zurück in ihr eigenes Leben.

Diese Tatsache sollte ihn eigentlich abschrecken. Doch Ad musste ständig daran denken, dass Kit die ganze Woche seine Nachbarin sein würde.

„Du rennst in dein eigenes Elend“, murmelte er. Die Art von Elend, die er schon einmal erlebt hatte. Und die er nie wieder heraufbeschwören wollte.

Plötzlich hörte er, wie die Tür zu Kits Apartment sich öffnete und wieder schloss. Im nächsten Moment war er an der eigenen Tür und riss sie auf.

„Meine Güte, haben Sie mich erschreckt“, sagte Kit und drückte eine Hand auf ihre Brust.

„Tut mir leid“, entschuldigte Ad sich.

Kit trug weiße Shorts, die ihn zweifeln ließen, ob sie wirklich keine langen Beine hatte, und ein rotes T-Shirt mit winzigen Ärmeln. Es saß so eng, dass ihm der Atem stockte. Ihr Haar fiel in weichen Locken hinab. Und ihre Haut strahlte frisch gewaschen und …

Wow!

Ad brauchte einen Moment, bevor ihm klar wurde, was er tat. Energisch rief er sich zur Ordnung.

„Ich wollte Sie abfangen, bevor Sie nach unten gehen“, erklärte er. „Haben Sie Lust, mir beim Frühstück Gesellschaft zu leisten?“

„Das ist sehr nett“, antwortete Kit, und er merkte, dass ihm auch ihre leise sinnliche Stimme gefiel. „Aber Kira hat angerufen und gesagt, dass sie mich früher abholen kommt. Ich treffe mich gleich mit ihr. Trotzdem vielen Dank.“

„Gern geschehen.“ Ad tat, als machte ihm ihre Absage nichts aus.

„Ach, da hätte ich noch eine Frage: Schließt Ihr Restaurant sonntags früher?“, erkundige sich Kit.

„Ja, um acht.“

„Wäre es Ihnen recht, wenn ich dann die Böden für die Hochzeitstorte backen würde? Ich mache sie immer im Voraus und friere sie ein. Wenn die Küche leer ist …“

„Das ist eine gute Idee“, stimmte Ad ihr zu. „Sobald das Restaurant geschlossen ist, haben Sie freie Bahn.“

Kit zögerte einen Moment, bevor sie fortfuhr: „Ja. Aber da ist noch etwas. Natürlich nur, falls es Ihnen nichts ausmacht und Sie keine anderen Pläne haben – es wäre mir eine große Hilfe, wenn Sie dabei sein könnten.“

„Ich soll den Assistenten für eine Konditormeisterin spielen?“

„Nein, das nicht gerade. Aber Sie könnten mir sagen, wo ich alles finde, wie Ihr Rührgerät arbeitet, wie lange Ihr Backofen vorgeheizt werden muss und was es sonst zu beachten gibt. Ich weiß einfach nicht, wie Ihre Küche funktioniert.“

„Kein Problem“, sagte Ad und freute sich jetzt schon darauf, mit Kit allein zu sein.

„Sie haben nichts anderes vor?“

„Nein.“

„Wunderbar. Dann sehen wir uns kurz nach acht.“

Du bist ein Rindvieh, Walker, schalt Ad sich kurz darauf. Ein verdammtes Rindvieh. Die Frau lebt in Denver. Erinnere dich an Lynda und die Jahre mit ihr …

Doch es half alles nichts. Er freute sich wie ein kleiner Junge auf den Abend.

Kit stand vor Ads Restaurant und wartete auf Kira. So verlegen wie gerade war sie nicht einmal als linkischer Teenager in der Highschool gewesen. Wie war sie bloß auf den Gedanken gekommen, diese Shorts anzuziehen?

Sie hatte die Shorts aus einer Laune heraus gekauft, ohne sie anzuprobieren, und zu Hause festgestellt, dass sie viel zu kurz waren. So etwas würde sie niemals tragen. Andererseits waren sie nicht sehr teuer gewesen, und sie hatte auch keine Zeit gehabt, sie umzutauschen. Deshalb hatte sie die Shorts eingepackt und mit nach Northbridge genommen. Eigentlich hatte sie vorgehabt, sie dem jungen Mädchen zu schenken, das regelmäßig bei Kira als Babysitter einsprang.

Und jetzt trug sie die Shorts selbst.

Und kam sich richtig albern darin vor.

Und noch viel alberner, wenn sie an den Grund dafür dachte.

Dabei hatte sie wirklich hübsche züchtige geschmackvolle Kleider eingepackt, in denen sie gut aussah und sich wohlfühlte.

Doch als sie die Sachen heute Morgen durchgesehen hatte, war ihr alles so langweilig, so spießig vorgekommen. Sie wollte sexy aussehen. Nichts als sexy. Und das lag an Ad Walker.

Sie könnte sich sonst wohin dafür beißen.

Trotzdem hatte ihr Ads Reaktion eben sehr gefallen. Auch seine Stimme, die plötzlich heiserer geklungen hatte.

Andererseits, was sollte das Ganze? Sie wollte bestimmt nichts mit Ad Walker anfangen. Es konnte ihr also völlig gleichgültig sein, ob er sie wahrnahm oder nicht. Es sollte ihr gleichgültig sein.

Er war der beste Freund des Verlobten ihrer besten Freundin. Sie würden sich diese Woche ein paarmal sehen und anschließend wieder getrennte Wege gehen.

Weshalb war es ihr trotzdem so wichtig, dass Ad sie bemerkte und dass ihm gefiel, was er sah?

Das war nicht die einzige Frage, die Kit durch den Kopf ging. Viele andere kamen hinzu. Zum Beispiel: Weshalb beschäftigte dieser Mann vom ersten Moment an alle ihre Gedanken? Weshalb hatte sie gestern im Bett gelegen und überlegt, wo er wohl auf der anderen Seite der Wand schlief und was er dabei trug? Und weshalb hatte ihr erster Gedanke ihm gegolten, als sie heute Morgen erwachte?

Okay, gab Kit zu. Sie hatte einen attraktiven Mann kennengelernt – einen umwerfend attraktiven Mann, der ihren gesamten Verstand ausschaltete und sie alle Lektionen vergessen ließ, die sie schmerzlich gelernt hatte.

Was nicht hieß, dass mehr daraus werden musste als der Wunsch, diese unmöglichen Shorts anzuziehen. Das würde sie nicht zulassen. Sobald sie bei Kira war, würde sie sich von ihr eine Jeans borgen und die Shorts ausziehen. Und sie würde dafür sorgen, dass sie alles – Ad Walker eingeschlossen – absolut nüchtern und praktisch betrachtete.

Sie war nur für eine Woche in Northbridge. Und Ad Walker war nur einer von vielen Gästen auf der Hochzeitsfeier. Jemand, zu dem sie höflich und nett sein musste. Mehr nicht.

Was machte es, dass er sagenhafte aquamarinblaue Augen hatte, ein markantes Kinn und einen unwiderstehlichen muskulösen Körper, bei dessen Anblick ihre Knie weich wurden? Dass ihr Puls sich allein schon bei dem Gedanken beschleunigte, heute Abend mit ihm allein zu sein? Wo sie heimlich seinen knackigen Hintern betrachten, seine Stimme und sein Lachen hören und die Grübchen sehen konnte, die sich in seinen Wangen bildeten, wenn er lächelte?

Vielleicht sollte sie die Shorts doch anbehalten.

Nein! Nein! Nein! schrie Kit stumm, sobald sie merkte, wohin ihre Gedanken wanderten. Das musste unbedingt aufhören. Sie hatte aus gutem Grund beschlossen, eine Auszeit von Männern einzulegen, und musste unbedingt bei ihrem Vorsatz bleiben. So schwer es ihr bei einem Mann wie Ad Walker unmittelbar vor ihrer Nase auch fiel.

Ein Kombi mit Kira am Steuer hielt am Straßenrand an. Kit sprang auf den Beifahrersitz und rief, ohne die Freundin zu begrüßen: „Du musst mir unbedingt ein paar Jeans borgen.“

„Okay“, antwortete Kira verwirrt.

„Ich trage diese Shorts hier heute zum ersten Mal, und sie gefallen mir überhaupt nicht.“

„Äh ja, sie sind schon ziemlich kurz“, gab Kira zu. „Ich kann aber auch gern einen Moment warten, wenn du wieder nach oben gehen und dich umziehen möchtest. Wir haben es nicht eilig.“

Das vielleicht nicht. Aber wenn sie nach oben ging, könnte sie erneut mit Ad zusammentreffen und müsste ihm erklären, warum sie noch einmal in ihr Apartment ging. Oh Gott, nein, das wäre zu peinlich!

„Ich möchte ungern noch einmal durch das Restaurant laufen“, sagte sie deshalb. „Lieber trage ich etwas von dir. Ich wollte die Shorts sowieso deiner Babysitterin schenken. Ach so, und dann bräuchte ich noch ein Gummiband, um mein Haar hochzubinden. Ich hätte es nicht offen lassen dürfen. Es macht mich noch verrückt.“

„Okay“, wiederholte Kira. „Äh, Kit, ist alles in Ordnung mit dir?“

„Ja. Ich fühle mich einfach nicht wohl in diesen Shorts“, log sie.

„Okay“, wiederholte Kira zum dritten Mal, immer noch leicht verwirrt, und fuhr los.

Normalerweise hätte Kit der Freundin alles anvertraut, was sie über Ad Walker dachte und fühlte. Sie hätten darüber geredet, es ausdiskutiert und viel gelacht. Und anschließend hätte sie sich besser gefühlt. Kira hätte die Angelegenheit sicher nüchterner betrachtet und ihr wie schon so oft geholfen, ihre Empfindungen richtig einzuordnen.

Doch obwohl sie den ganzen Tag mit Kira verbrachte, fand Kit keine Gelegenheit, ein paar Minuten mit ihrer besten Freundin allein zu reden.

Auf der kurzen zehnminütigen Fahrt nannte Kira ihr den knappen Zeitplan für den Tag heute und die restliche Woche vor der Hochzeit. Und als sie das zweistöckige Haus im Kolonialstil erreichten, in das sie kürzlich mit Cutty und den Zwillingen gezogen war, herrschte dort ein so gewaltiger Trubel, dass an ein persönliches Gespräch nicht im Geringsten zu denken war.

Cutty beaufsichtige die lebhaften neunzehn Monate alten Mädchen, die ihre Finger in alles und jedes steckten. Installateure bauten gerade eines der Badezimmer um, und eine ältere Frau namens Betty, die früher Cuttys Haushälterin und das Kindermädchen der Zwillinge gewesen war und jetzt nur noch stundenweise half, packte mit Kira und Kit kleine Päckchen mit Nüssen und Bonbons für jedes Hochzeitsgedeck.

Bei so vielen Leuten ringsum und so viel Arbeit hatte Kit keine einzige Minute gefunden, um der Freundin zu gestehen, wie schwer es ihr fiel, nicht ständig an Ad Walker zu denken.

Im Nu war der Tag vorüber. Auf der Rückfahrt erklärte Kira, was sie am nächsten Tag erledigen mussten, setzte Kit unten an der Treppe zu den Apartments ab und fuhr wieder davon.

Kit eilte die Treppe hinauf und schlüpfte in ihr Apartment, ohne dem Mann zu begegnen, der ihr den ganzen Tag nicht aus dem Kopf gegangen war.

Vielleicht betrachte ich alles durch eine rosarote Brille, überlegte sie, während sie die Tür hinter sich schloss. Schließlich hatte sie nicht sehr viel Zeit mit Ad verbracht. Außerdem war sie nach der langen Reise müde gewesen. Sehr müde sogar. Möglicherweise hatte die Fantasie ihr einen Streich gespielt, und sie sah den Mann in einem besseren Licht, als es der Wirklichkeit entsprach.

Obwohl er heute Morgen tatsächlich fantastisch ausgesehen hatte …

Heute Abend würde sie bestimmt feststellen, dass er nur ein Mann wie jeder andere war.

Mit dem Gefühl, gut für eine neue Begegnung mit Ad gewappnet zu sein, zog Kit sich für die Arbeit um.

Der Bäckerkittel, den sie mitgebracht hatte, verbarg ihr rotes T-Shirt und ihre Jeans. Es ist gut, dass ich darin völlig geschlechtslos wirke, sagte sie sich.

Sie zurrte das Gummiband um ihr Haar noch ein bisschen fester, damit sich auch ja keine Locke löste. Doch der Versuchung, ihr Rouge und ihre Wimperntusche aufzufrischen, konnte sie nicht widerstehen. Das ist völlig harmlos, redete sie sich ein.

Anschließend nahm sie ihre Tasche mit den Backformen, den Geräten und einigen Zutaten und stieg die Treppe hinab.

Er ist ein Mann wie jeder andere, wiederholte sie auf dem Weg nach unten. Er ist nichts Besonderes. Er ist ein ganz gewöhnlicher Kerl.

Ein ganz gewöhnlicher Kerl, der wahrscheinlich schreiend davonlaufen würde, wenn er von ihrer Vergangenheit erfuhr.

Kit legte die Hand auf den Griff der Küchentür, stählte sich innerlich für die Begegnung mit Ad und trat ein.

„Da sind Sie ja“, begrüßte Ad sie. „Ich hatte schon Angst, dass Sie mich vergessen hätten.“

Ich wünschte, ich könnte es … „Ich wollte nur sicher sein, dass Ihr Personal für heute fertig ist, bevor ich mich hier breitmache“, log sie. In Wirklichkeit hatte sie um acht Uhr noch um die richtige Haltung gerungen, Ad wieder gegenüberzutreten.

Ein einziger Blick auf ihn, und ihre Behauptung, dass er ein ganz gewöhnlicher Kerl wäre, verlor alle Gültigkeit. Himmel, der Mann sah unwahrscheinlich gut aus. Er trug schlichte Jeans und ein grünes Polohemd mit dem Namenszug des Restaurants auf der Brusttasche. Sowohl die Jeans als auch das Hemd saßen wie angegossen und betonten seine breiten Schultern, seine kräftige Brust, seine schmale Taille, seine schlanken Hüften und seine muskulösen Schenkel.

Er war frisch rasiert und roch fantastisch – ein Duft nach frischer Seeluft, der ebenso verlockend wie verführerisch war.

Sie musste unbedingt aus seiner Reichweite kommen.

„Wie wäre es mit einem Glas Eistee oder Limonade, während wir arbeiten?“, fragte Ad.

„Limonade wäre mir sehr recht“, nahm Kit sein Angebot an und überlegte, ob sie sich die kalte Flüssigkeit nicht lieber über den Kopf schütten sollte.

Während Ad zwei Gläser füllte, ging sie zu dem Arbeitstisch in der Mitte und begann, ihre Einkaufstasche auszupacken. Sie durfte unter keinen Umständen einfach nur dastehen und ihn anstarren. Auch wenn sie genau das am liebsten gemacht hätte!

„Zucker, Mehl, Vanille und Likör habe ich von zu Hause mitgebracht, weil ich spezielle Sorten und Marken verwende“, begann sie, einfach um irgendwas zu sagen. „Außerdem hatte ich Kira gebeten, in einem Lebensmittelgeschäft hier irische Butter zu bestellen. Die irische Butter ist einfach die beste, wissen Sie? Eier könnte ich von Ihnen bekommen, meinte Kira.“

„Ja, natürlich“, bestätigte Ad. „Auch alles andere, was immer Sie brauchen.“

Oh, da würde mir einiges einfallen! „Das wird nicht nötig sein. Die Himbeeren und die Schlagsahne kann ich später noch besorgen. Oh, da ist ja noch die Schokolade“, fügte sie hinzu und griff tief in die Tasche. „Ich habe meine eigene Schokolade dabei – weiße und halbbittere. Das muss ebenfalls eine bestimmte Sorte sein. Belgische.“

Ad brachte die Limonadengläser zum Tisch und reichte Kit eines. „Himbeeren und Schokolade? Das wird keine gewöhnliche Hochzeitstorte, nicht wahr?“

Kit trank einen Schluck und beobachtete diesen fantastischen Mann verstohlen über den Rand ihres Glases. „Ich werde dunkle Schokoladenböden backen und mit Himbeerlikör tränken“, erklärte sie. „Anschließend kommt eine Schicht Schokoladencreme darauf und darüber dick Himbeerpüree. Das Ganze wird mit einer dünnen Schokoladenglasur überzogen und mit einer Creme aus Butter und weißer Schokolade verziert.“

„Meine Güte. Backen Sie lieber mal eine riesige Torte. So etwas haben die Leute hier bestimmt noch nie gesehen. Wenn es nur halb so gut schmeckt, wie es klingt, werden die Gäste wohl mehr als ein Stück Torte essen.“

„Keine Sorge. Das Ganze wird eine vierstöckige Pyramide mit fünf weiteren Torten rings um die untere Etage. Kira möchte sicher sein, dass genug für alle vorhanden ist.“

Ad zählte die unterschiedlichen runden Kuchenformen, die Kit auf dem Tisch gestapelt hatte.

„Tatsächlich, neun Formen. Sieht ganz danach aus, als hätten wir jede Menge Arbeit.“ Er breitete die Arme weit aus. „Verfügen Sie nach Belieben über mich.“

Kit lachte leise und verdrängte den Gedanken daran, dass sie eine bessere Verwendung für diesen Mann wüsste, als die Formen auszubuttern. Aber genau diese Aufgabe teilte sie ihm zu. Außerdem sollte er das Pergamentpapier für die Böden der Formen zuschneiden.

Während Ad sich an die Arbeit machte, begann Kit, das Eiweiß zu schlagen und den Teig vorzubereiten.

Das Laufgeräusch des elektrischen Rührgeräts war zu laut, um sich nebenher noch richtig zu unterhalten. Kit gab nur hin und wieder Anweisungen, und Ad führte sie aus. Es wäre besser gewesen, sie hätten sich unterhalten können. Das hätte Kit vielleicht davon abgehalten, den Mann immer wieder verstohlen zu beobachten. Festzustellen, wie geschickt seine Hände und seine langen kräftigen Finger waren. Wie sich seine Brauen zusammenzogen, wenn er sich konzentrierte. Oder seinen Hintern zu betrachten, als er die Schere fallen ließ und sich bückte, um sie wieder aufzuheben.

Nachdem die Tortenböden im Ofen waren, räumten Kit und Ad die Küche gemeinsam auf. Anschließend konnten sie nur noch warten.

„Setzen wir uns nach draußen, da ist es kühler“, schlug Ad vor und nickte in Richtung Restaurant.

Sie ließen die Pendeltür offen, damit Kit die Herduhr piepen hören konnte, und nahmen ihre Limonadengläser mit. Ad hob zwei Stühle von den Tischen, damit sie sich setzen konnten.

Kit zog automatisch ihren Kittel aus, wie sie es immer nach Abschluss ihrer Arbeit tat. Erst als sie ihren Kittel abgestreift hatte, fiel ihr ein, dass sie das Kleidungsstück nicht nur als Schutz vor den Spritzern getragen hatte, sondern auch, um ihr hautenges rotes T-Shirt zu verbergen, das sie heute Morgen mit dem Gedanken an Ad gewählt hatte.

Doch jetzt war es zu spät. Ihr blieb nichts anderes übrig, als so zu tun, als bemerkte sie seinen kurzen anerkennenden Blick auf ihre Brüste nicht.

„Sie scheinen sich in einer Restaurantküche auszukennen“, stellte er fest, nachdem sie sich an den Tisch gesetzt hatten.

„Das will ich hoffen. Mein erster Job bestand darin, in der Bar meines Onkels Pizzas zu backen. Onkel Mackie war der Bruder meiner Mutter. Er besaß einen kleinen Imbiss gleich bei uns um die Ecke.“

„Sie waren eine Pizzabäckerin?“, fragte Ad verblüfft.

„Mit allem Drum und Dran. Ich kann den Teig in die Luft werfen und anschließend wieder auffangen“, bestätigte sie lachend.

„Das würde ich gern einmal sehen“, sagte er und zog seine linke Braue viel sagend in die Höhe.

„Das kann ich mir vorstellen.“

„War das Pizzabacken der Grund, weshalb Sie Bäckerin geworden sind?“

„Ich habe schon als Kind gern Kekse gebacken. Aber die Pizzas gaben tatsächlich den Ausschlag. Ich liebte das Gefühl des Teigs, den Duft der Hefe. Dass ich aus derart einfachen Zutaten so etwas Leckeres anfertigen konnte.“

Ihre Stimme hatte einen sinnlichen Ton angenommen, und Kit unterdrückte ihn rasch.

„Wie dem auch sei“, fuhr sie fort. „Ich begann zu experimentieren und tat mehr Zucker in den Teig, damit ich Zimtrollen backen konnte. Anschließend ging ich zu Blechkuchen und aufwendigeren Keksen über. Am Ende kamen auch Pasteten und Torten hinzu. Als ich mit der Highschool fertig war, beschloss ich, nicht aufs College zu gehen, sondern eine Kochschule zu besuchen, um Konditorin zu werden.“

„Haben Sie in dieser Zeit weiter im Restaurant Ihres Onkels gearbeitet?“

„Auch noch eine Weile nach meinem Abschluss. Mein Onkel überließ mir einen Teil seiner Küche, damit ich jedes Dessert anfertigen konnte, das mir einfiel. Wo sonst hätte ich als blutige Anfängerin so selbstständig arbeiten können?“

„Und wann haben Sie das Restaurant verlassen?“

„Als ich meine eigene Bäckerei aufmachte. Zwei Jahre hatte ich jeden Cent gespart. Dann hatte ich genug zusammen, um einen Laden neben dem Restaurant zu mieten und die Öfen und die notwendige Einrichtung zu kaufen.“

„Arbeiten Sie dort immer noch?“

„Nein“, antwortete Kit, nachdem sie einen weiteren Schluck Limonade getrunken hatte. „Nach einigen Jahren wurde mein Betrieb zu groß, und ich brauchte mehr Platz. Inzwischen hatte ich festgestellt, dass ich mit Torten am meisten Geld verdiente. Deshalb stieg ich von Brot, Brötchen und süßen Teilchen ganz zur Konditorei um und gründete Kit’s Cakes.“

„Ihre Torten laufen fantastisch, wie ich gehört habe. Es ist kaum zu glauben, dass Sie allein von Hochzeitstorten leben können.“

Kit lachte über seine Skepsis. „Ich backe auch andere Torten. Für Partys, Abschiedsfeiern, Polterabende, Geburtstage und so weiter. Den größten Teil meines Umsatzes mache ich aber tatsächlich mit Hochzeitstorten. Die Torte für Kira und Cutty ist mein Geschenk für die beiden. Sie würden sich wundern, was ich normalerweise für eine Tortenpyramide fordern kann. Hoffen wir, dass Hochzeiten nie aus der Mode kommen“, schloss Kit mit einem Scherz, bei dem Ad erneut lächelte und seine Grübchen wieder sichtbar wurden.

Die Herduhr piepte, und Kit eilte in die Küche. Die Böden waren gut durchgebacken, mussten aber noch zehn Minuten ruhen und restlos auskühlen, bevor sie verpackt werden und in den Gefrierschrank kommen konnten. In der Zwischenzeit spülten Kit und Ad die Backformen aus und kehrten danach ins Restaurant zurück.

„Falls ich Sie langweile oder Sie etwas anderes erledigen müssen, kann ich jederzeit gehen“, erklärte Kit. Ihr wurde plötzlich bewusst, dass Ad eigentlich keinen Grund hatte, noch zu bleiben.

„Sie langweilen mich keinesfalls, und es gibt auch nichts, was ich jetzt tun müsste“, versicherte er.

Kit freute sich mehr, als sie ihm zeigen wollte. „Also gut“, sagte sie und trank einen weiteren Schluck. „Dann zu Ihnen. Wie sind Sie zu diesem Restaurant gekommen?“

„Ich habe hier früher die Tische abgeräumt“, antwortete Ad und blickte liebevoll in die Runde. „Schon mit zehn.“

„Mit zehn?“, wiederholte Kit nun. „War das nicht etwas zu jung?“

„Mein Dad war Automechaniker. Als ich zehn Jahre alt war, stürzte ein Wagen, unter dem er lag, auf ihn hinab. Er war auf der Stelle tot.“

„Oh, das tut mir leid“, sagte Kit und zuckte bei dem Bild innerlich zusammen.

„Das ist lange her. Aber meine Mutter hatte bis dahin nicht gearbeitet und blieb mit fünf kleinen Kindern und einer jämmerlich geringen Summe aus einer Lebensversicherung zurück. Sie fand einen Job bei einer Textilreinigung. Trotzdem hatten wir zu kämpfen. Und ich dachte mit meinen zehn Jahren, ich könnte ein bisschen helfen.“

Kit stellte sich den kleinen Jungen vor, der sich schon derart verantwortlich gefühlt hatte. Sie war hin und her gerissen zwischen Mitleid und Bewunderung für ihn. „Wie haben Sie den Job eigentlich bekommen, obwohl Sie noch ein Kind waren?“

„Bing – Bingham Murphy – war damals der Besitzer dieses Restaurants. Er sponserte und coachte unser kleines Baseballteam. Er sagte, er könnte immer Hilfe gebrauchen, Boden fegen oder das schmutzige Geschirr abräumen, solche Dinge eben. Und falls sich jemand Geld für ein neues Fahrrad oder so verdienen wollte, solle er sich bei ihm melden. Als ich Bing erzählte, wie es bei uns zu Hause stand, überließ er mir den Job allein.“

„Sie haben jeden Tag gearbeitet? Nach der Schule und an den Wochenenden?“

„Ja. Ich fegte die Böden und den Gehsteig vor dem Haus, putzte die Fenster, trug den Abfall hinaus und räumte das Geschirr ab. Und schenkte Wasser für die Gäste nach.“

„Und dieser Bing hat Sie dafür bezahlt?“

„Natürlich. Außerdem kannten die Gäste unsere Familie und wussten, was mit meinem Dad passiert war. Sie wollten uns helfen, ohne dass es wie ein Almosen aussah. Deshalb gaben Sie mir ein Extra-Trinkgeld. Es kam ganz schön etwas zusammen.“

„Für einen zehnjährigen Jungen.“

„He, am Ende besaß ich mein eigenes Restaurant!“, scherzte Ad, als hätte der Verdienst in seiner Kindheit dafür gereicht.

„Wie haben Sie das geschafft?“, fragte Kit.

„Mit Beharrlichkeit. Ich tat so ziemlich alles, was es zu tun gab – bediente an den Tischen, stand hinter der Theke und kochte. Als ich mein Diplom in Betriebswirtschaft machte, hatte Bing sich schon auf sein Altenteil zurückgezogen, und ich führte den Betrieb. Er bot mir an, das Restaurant samt Gebäude zu kaufen, und ich zahlte die Summe in Raten ab. Vor zwei Jahren habe ich alles hier renoviert und teilweise umgebaut. Seitdem habe ich das Gefühl, dass es wirklich meins ist.“

„Sie haben tatsächlich schon mit zehn Jahren Ihren Weg gefunden?“, fragte Kit verblüfft.

„Ja. Ich fühlte mich hier von Anfang an wie zu Hause.“

„Mir ging es bei meinem Onkel ähnlich. Es war harte Arbeit, aber auch schön.“

Ebenso schön, wie hier gemeinsam mit Ad zu sitzen, einen Vorwand zu haben, ihn anzusehen, und zu erleben, wie seine Augen von Aquamarinblau zu dunklem Türkis wechselten, wenn seine Gefühle sich änderten.

Doch es war alles andere als vernünftig, sich derart davon verzaubern zu lassen. Das war Kit klar. Energisch riss sie sich zusammen und stand auf.

„Die Kuchen sollten inzwischen gut ausgekühlt sein“, erklärte sie und nahm ihr Glas mit.

Ad folgte ihr in die Küche und half ihr, die Kuchen in Plastikfolie zu schlagen, in Beuteln zu versiegeln und in den Gefrierraum zu tragen, wo sie dem Personal nicht im Weg sein würden.

Anschließend sammelte Kit ihre Geräte wieder ein, und Ad schaltete die Lichter aus. Sie verließen die Küche, und er verschloss die Tür.

Den ganzen Weg die Treppe hinauf kämpfte Kit gegen das traurige Gefühl, dass der schöne Abend mit Ad zu Ende ging. Du bist nur auf Besuch hier, ermahnte sie sich, das ist nicht der Anfang einer Beziehung. Obwohl es ihr so vorkam.

„Hat Kira Ihnen gesagt, dass morgen Nachmittag die Anprobe für unsere Hochzeitskleidung ist?“, fragte Ad, als sie die Galerie erreicht hatten.

„Ja“, antwortete Kit und versuchte, nicht zu tief zu atmen. Ihr schwindelte ein bisschen vom Duft seines Rasierwassers – oder einfach von seiner Nähe.

„Der Schneider wohnt ein kleines Stück die Straße weiter hinab. Wollen wir gemeinsam hinübergehen?“

Sein Vorschlag gefiel ihr entschieden zu gut.

„Okay“, sagte sie so gleichmütig wie möglich.

„Anschließend könnten wir vier – Kira und Cutty sowie Sie und ich – gemeinsam hier zu Abend essen. Betty passt sowieso auf die Zwillinge auf, und den beiden täte eine kleine Pause nach dem Stress wegen der Hochzeit und dem Umbau des Hauses sicher gut.“

„Das glaube ich auch“, stimmte Kit zu.

Ad nickte zu seiner Tür. „Dann rufe ich Cutty jetzt an und lade ihn und Kira für morgen Abend ein.“

„Gute Idee.“

Er rührte sich nicht von der Stelle, sondern blickte über ihren Kopf zu ihrem Apartment. „Hatten Sie vorige Nacht alles, was Sie brauchten? War das Bett nicht zu weich oder zu hart?“

„Nein, das Bett war perfekt, und ich hatte alles, was ich brauchte.“ Es war ihr nur schwergefallen, nicht ständig an ihn in seinem Bett nebenan zu denken.

„Dann ist alles in Ordnung?“

„Absolut“, antwortete Kit. Bildete sie es sich ein, oder zog Ad die Zeit mit ihr absichtlich hinaus?

Nicht, dass sie es besonders eilig gehabt hätte. Ein ganz anderes Bild tauchte plötzlich vor ihrem inneren Auge auf. Eine Szene, in der ein Date zu Ende ging.

Ein Date, das sie sehr genossen hatte. Bei dem sie sich zum Abschied küssen würden.

Aber das würde in Wirklichkeit nicht passieren.

„Dann sehen wir uns morgen“, erklärte sie bestimmt, um ihren Traum zu vertreiben.

Ad nickte und sah sie an, als versuchte er, in ihren Augen irgendetwas zu lesen.

Ein Anflug von Panik erfasste Kit bei der Vorstellung, dass er ihre Gedanken ahnen könnte.

„Gute Nacht“, sagte er endlich und ging zu seiner Tür.

„Gute Nacht. Danke, dass ich Ihre Küche benutzen durfte und für Ihre Hilfe heute Abend“, fügte sie hinzu und öffnete ihre Tür.

„Gern geschehen. Jederzeit wieder“, scherzte er mit einem sinnlichen Ton in der Stimme und lächelte.

„Vorsicht, ich könnte darauf zurückkommen“, warnte sie ihn, betrat ihr Apartment und schloss die Tür hinter sich.

Dieser Ad Walker war absolut nicht wie alle anderen Männer! Die letzten Stunden mit ihm hatten sie jedenfalls nicht von dem Blitz geheilt, der sie bei ihrer ersten Begegnung getroffen hatte.

Und sie hatte keine Ahnung, was sie jetzt tun sollte.

3. KAPITEL

„Oh Kira, das ist ja noch hübscher, als ich es mir nach deiner Beschreibung vorgestellt hatte“, sagte Kit am späten Montag, als sie den ersten Blick auf Kiras Brautkleid warf.

Nach einem weiteren anstrengenden Tag des Organisierens war es nach fünf Uhr nachmittags geworden, als sie Betty mit den Zwillingen allein lassen und zur letzten Anprobe zum Schneider fahren konnten.

Cutty und Ad waren schon vorausgegangen, um ihre Smokings abzuholen. Sie würden später im Restaurant mit ihnen zusammentreffen.

Kit bedauerte vor allem, dass sie sich nicht gemeinsam mit Ad auf den Weg hatte machen können, wie ursprünglich geplant. Hallo, war sie nicht wegen Kira hier? Sie musste den Mann wirklich schleunigst aus ihrem Kopf bekommen, schleunigst!

„Einfach wunderschön“, wiederholte sie, während Kira auf das Podest in der Mitte des großen Raums stieg, wo der Schneider die letzten Änderungen vornehmen würde.

Kira drehte sich langsam im Kreis, damit Kit das Kleid von allen Seiten betrachten konnte. „Ja, es ist hübsch, nicht wahr?“, sagte sie ehrfürchtig.

Das Brautkleid bestand aus weißem Satin. Es hatte einen weiten bodenlangen Rock und ein mit Perlen besticktes eng anliegendes Oberteil mit herzförmigem Ausschnitt, der bis über die Schultern reichte. Zwanzig winzige Knöpfe reihten sich den Rücken hinab.

„Es ist perfekt“, erklärte Kit.

„Meinst du, es ist in Ordnung, dass der Schleier nur bis zu den Ellbogen reicht? Einen längeren wollte ich nicht. Außerdem finde ich, dass er von dem Kleid ablenken würde.“

„Diese Länge ist genau richtig“, versicherte Kit.

„Und was ist mit der Tiara? Ist sie nicht zu viel? Ich wollte den Schleier eigentlich mit einem Band befestigen. Aber er bauschte sich so nicht genug.“

Der Schleier wurde von einer kleinen schlichten Tiara aus Bergkristallen gehalten.

„Nein, sie ist nicht zu viel“, antwortete Kit, nachdem sie die Tiara einen Moment betrachtet hatte. „Sie ist genau richtig. Das Ganze ist absolut perfekt.“

„Bist du sicher? Ich verlasse mich darauf, dass du mir die Wahrheit sagst.“

„Ja, ich bin absolut sicher. Das Kleid, der Schleier und die Tiara passen perfekt zusammen. Nur die Taille sollte noch etwas enger gemacht werden, wenn du mich fragst.“

Kira betrachtete sich im Spiegel und zog den Stoff zusammen. „Stimmt. Zwei Zentimeter könnten wirklich noch weg.“

„Das ist wirklich alles. Sonst würde ich nichts ändern“, erklärte Kit nachdrücklich.

Ihre Freundin schien endlich überzeugt zu sein, denn sie fragte: „Und was ist mit deinem Kleid? Gefällt es dir immer noch?“

Kira war extra nach Denver gekommen, um mit Kit zusammen ein Kleid auszusuchen. Anschließend hatte Kira es mit nach Northbridge genommen, und Kit hatte es seitdem nicht mehr gesehen.

„Sogar noch besser als bei unserem Kauf, falls das möglich ist“, antwortete Kit und blickte in den Spiegel. „Ich hatte so viele Kleider anprobiert, dass ich mich gar nicht mehr richtig erinnert habe, wie hübsch es ist.“

Der federleichte milchkaffeebraune Stoff war mit unzähligen Wildblüten in zarten erdfarbenen Tönen bestickt. Das Kleid wurde von Spaghettiträgern gehalten und umspielte ihre Figur locker bis zum Boden. Der Ausschnitt verlief gerade, war aber tief genug, um den Brustansatz erkennen zu lassen. Der eingearbeitete BH und die Raffung unterhalb ihrer Brüste betonten Kits Oberweite sehr vorteilhaft.

„Es steht dir fabelhaft“, sagte Kira. „Der Saum muss ein bisschen gekürzt werden. Aber sonst ist alles in Ordnung.“

„Außerdem ist es herrlich bequem. Mir ist, als würde ich nur einen Slip tragen“, sagte Kit und wiegte sich ein wenig, um den schimmernden Stoff zu spüren.

Sie waren zum ersten Mal ein paar Minuten allein, und Kira bemerkte eine seltsame Unruhe bei der Freundin.

„Stimmt etwas nicht?“, fragte sie. „Tut mir leid, ich hatte noch keine Minute Zeit, um in Ruhe mit dir zu reden. Es macht dir doch nichts aus, in den ganzen Wirbel um die Hochzeit einbezogen zu werden? Oder in dem Apartment zu wohnen anstatt bei mir?“

Kit hatte gehofft, die Freundin würde ihr irgendwann ein Stichwort liefern, um über ihre Verwirrung wegen Ad zu reden. Doch Kira war den ganzen Tag so beschäftigt gewesen, dass es ihr egoistisch vorgekommen wäre, sie auch noch mit den eigenen Sorgen zu belasten. Daran hatte sich nichts geändert.

„Das Apartment ist völlig in Ordnung. Außerdem hatte ich nicht erwartet, dass ich hier herumsitzen und Löcher in die Luft starren würde. Ich bin gekommen, um dir zu helfen!“, sagte sie deshalb.

„Ja, ich weiß. Trotzdem habe ich ein schlechtes Gewissen, dass sich alles nur um mich dreht.“

„He, du bist die Braut! Natürlich muss sich alles um dich drehen.“

Das entsprach der Wahrheit, und es verstärkte Kits Entschluss, nicht über die seltsame Anziehungskraft zu reden, die Ad auf sie ausübte.

Aber dann kamen sie doch auf den Mann zu sprechen.

„Du musst ständig etwas gemeinsam mit Ad erledigen“, sagte Kira. „Ist dir das überhaupt recht?“

„Ich bin die Brautjungfer, und er ist Cuttys Trauzeuge“, antwortete Kit. „Da ist es unvermeidlich, dass wir gemeinsame Aufgaben haben.“

Ihre Freundin ließ nicht locker. „Du wohnst in dem Apartment direkt neben ihm, und du benutzt seine Küche für die Hochzeitstorte. Ihr seht euch erheblich öfter als Brautjungfern und Trauzeugen normalerweise. Geht das in Ordnung? Ich meine, es sah nicht so aus, als ob dir seine Gesellschaft unangenehm wäre. Als Cutty und ich am Samstag endlich im Restaurant eintrafen, hat keiner von euch unsere Ankunft überhaupt bemerkt. Trotzdem: Ist es dir lästig, ihn so oft zu sehen? Soll ich eine Ausrede wegen des Essens heute Abend erfinden, damit du nicht schon wieder mit ihm zusammentreffen musst?“

„Nein, auf keinen Fall“, sagte Kit und versuchte, nicht zu erschrocken zu klingen. „Ad möchte dir und Cutty eine kleine Erholungspause von dem ganzen Stress verschaffen. Es macht mir nichts aus, ihn schon wiederzusehen. Er ist ein netter Kerl.“

Kira lächelte verschmitzt. „Ich hatte gehofft, dass ihr beide euch leiden könnt. Richtig gut leiden, meine ich“, fügte sie nachdrücklich hinzu.

„Ich glaube schon, dass wir uns ziemlich gut leiden können.“

„Gut genug, um euch rasend zu verlieben und zu heiraten, damit du ebenfalls nach Northbridge ziehst?“, scherzte Kira.

„Na, so gut nun wieder nicht“, erwiderte Kit im selben Ton.

„Aber du magst ihn?“

„Er ist ein netter Kerl“, wiederholte Kit.

„Cutty fragt sich nämlich, ob das Abendessen vielleicht nur ein Vorwand ist.“

„Ein Vorwand?“

„Um die Tatsache zu verschleiern, dass Ad gern mit dir zu Abend essen würde.“

„Ach, das glaube ich nicht“, sagte Kit. Sie war sicher, dass das Essen genau das sein sollte, was Ad gesagt hatte: eine kleine Pause für Kira und Cutty. Trotzdem durchrieselte sie ein lustvoller Schauer bei dem Gedanken an die andere Möglichkeit. „Er sieht mich ja ständig“, fügte sie vorsichtshalber hinzu. „Dieser Abend ist für euch.“

Die Tür zum Ankleideraum öffnete sich, und das Eintreffen des Schneiders beendete ihre Unterhaltung.

Während sie zusah, wie Kiras Kleid abgesteckt und ihr eigener Saum gekürzt wurde, konnte Kit die winzige Erregung darüber, dass Ad das Abendessen vielleicht doch ihretwegen angesetzt hatte, immer noch nicht ganz unterdrücken.

Ad und Cutty verließen das Herrengeschäft, bei dem sie ihre Smokings gekauft hatten, und gingen ins Restaurant, um dort auf Kit und Kira zu warten. Die Hektik des Abendbetriebs hatte schon begonnen. Doch sie fanden zwei freie Plätze an der Theke und bestellten ein Bier.

„Wir sind dir wirklich aufrichtig dankbar, dass Kit bei dir wohnen kann“, sagte Cutty. „Unser Gästezimmer dient derzeit als Abstellkammer für den Umbau und ist vollgestopft mit Werkzeug, Farbeimern und Elektrokabeln. Wir hätten nicht gewusst, wo wir das alles unterbringen sollen. Die Garage ist auch randvoll.“

„Das ist doch kein Problem“, versicherte Ad dem Freund. „Das Apartment steht leer. Weshalb sollte sie es nicht benutzen?“

„Ja. Aber du übernimmst jetzt auch unsere Gastgeberrolle und kümmerst dich um Kit. So war das eigentlich nicht gemeint.“

„Ach was, das ist halb so wild. Außerdem ist Kit ja fast immer bei Kira. Ich habe ihr gestern Abend nur ein bisschen in der Küche geholfen, das war alles.“

„Und sie am Busbahnhof abgeholt und ihr Gesellschaft geleistet, als wir mit Mel zum Arzt mussten.“

„Auch das war keine große Angelegenheit.“

„Trotzdem sind wir dir etwas schuldig.“

„Das ist wirklich nicht nötig“, versicherte Ad ein bisschen atemlos. Die Zeit mit Kit war garantiert keine Belastung für ihn gewesen. Ganz im Gegenteil.

Vielleicht war es seiner Stimme anzuhören, denn der Freund sah ihn seltsam an.

Doch Cutty sagte nichts, und Ad gab keine weitere Erklärung. Stattdessen tranken beide einen Schluck.

Nachdem sie die Flaschen wieder abgesetzt hatten, fuhr Cutty fort: „Dieses Abendessen ist eine gute Idee. Ich hatte so viel zu tun, dass es eine Ewigkeit her zu sein scheint, seit ich den letzten richtigen Bissen zu mir genommen habe.“

„Ein neues Haus zu kaufen und umzubauen, umzuziehen und zu heiraten – das hält dich ganz schön auf Trab.“

„Sicher. Allerdings … Ich will ehrlich sein, Ad. Geht es dir heute Abend tatsächlich darum, dass Kira und ich ein bisschen Auszeit haben? Oder hast du nicht eher einen Plan ausgeheckt, um ein bisschen Zeit mit Kit zu verbringen? Vielleicht gefällt es dir ja sogar, unsere Gastgeberrolle zu übernehmen.“

Ad warf dem Freund einen Seitenblick zu. „So, das hast du dich gefragt, ja?“

„Es stimmt also?“

„Ich lade dich zu einem Bier und zu einem kleinen Abendessen ein, und du vermutest geheime Absichten dahinter“, scherzte Ad und tat, als wäre er beleidigt.

„Aha. Ich stelle hiermit fest, dass du es nicht abstreitest. Wäre es möglich, dass du ernsthaft an Kit interessiert bist?“, fragte Cutty.

„Sie ist eine interessante Frau. Wir haben einiges gemeinsam. Zum Beispiel die Arbeit im Restaurant.“

„Na also. Du bist also tatsächlich an ihr interessiert.“

Ad trank einen weiteren Schluck Bier. „Nein“, erklärte er.

„Also gut, dann lass es mich anders ausdrücken. Wärst du richtig an Kit interessiert, wenn sie in Northbridge geboren und aufgewachsen wäre?“

„Richtig?“, wich Ad aus.

„Wärst du es?“ Cutty ließ nicht locker.

„Vielleicht.“ Mehr konnte Ad unmöglich zugeben. Nicht weil er seinem Freund etwas vormachen wollte. Er durfte sein Interesse für Kit nicht weiterverfolgen. Wenn er seine Gefühle gegenüber Cutty eingestand, könnte es der erste Schritt sein, alle Vorsicht fallen zu lassen. Und er wusste, wohin das führen würde. In einen großen Liebeskummer. Nein, das hatte er wahrlich hinter sich.

„Aber weil sie nicht ständig hier lebt, willst du unter keinen Umständen eine Beziehung mit ihr.“

„Du hast es erfasst.“

Cutty aß ein paar Erdnüsse, die auf der Theke standen. „Wenn ich mich nicht irre, ist die Anzahl deiner Dates mit Frauen aus Northbridge ziemlich gering.“

„He, ich bin mit einigen ausgegangen“, wehrte Ad ab.

„Ja, ein oder zwei Mal. Aber nie hast du dich derart überschlagen wie bei deiner Einladung zum Abendessen. Ich wette, du würdest ein langes Gesicht machen, wenn nur Kira und ich heute Abend mit dir am Tisch säßen.“

„Ich habe mich nicht überschlagen. Ich habe dich angerufen und dich gefragt, ob wir nach der Anprobe gemeinsam essen wollen. Was ist daran auszusetzen?“

Das hatte wirklich nach Verteidigung geklungen.

Ad verschlang ebenfalls ein paar Erdnüsse und spülte sie mit Bier hinunter.

„Ich finde, du solltest deinen Vorsatz, niemals etwas mit einer Frau von außerhalb anzufangen, noch einmal überdenken.“

Genau das hatte Ad die letzten drei Tage erstaunlich oft getan. Und er war jedes Mal zu demselben Schluss gekommen. Nein!

„Es ist ein guter Vorsatz, und ich bleibe dabei“, erklärte er seinem Freund.

„Kira stammt auch von außerhalb. Sie ist hierhergezogen, und es gefällt ihr sehr.“

„Ich hoffe, es bleibt dabei. Um deinetwillen.“

„Aber du willst dieses Risiko nicht eingehen.“

„Gebranntes Kind scheut das Feuer“, sagte Ad.

„Schade“, meinte Cutty und schüttelte nachdenklich den Kopf. „Kit scheint etwas ganz Besonderes zu sein.“

„Und sie besitzt einen eigenen Betrieb in Denver. Kit liebt ihren Beruf. Sie liebt ihr Geschäft. Weshalb reden wir also darüber?“

„Oho. Der Mann zeigt seine Krallen!“, reizte Cutty den Freund und ahmte den ungeduldigen Ton nach, der sich in Ads Stimme geschlichen hatte.

Doch Ads Ungeduld richtete sich nicht gegen den Freund. Sie war ein verräterisches Anzeichen für seine eigene Verärgerung, denn tief im Herzen stimmte er Cutty zu. Kit war wirklich etwas Besonderes. Sogar mehr als das. Und er hatte tatsächlich nur an sie gedacht, als er die Einladung zu dem Abendessen heute ausgesprochen hatte.

Nur änderte das nichts. Nichts würde etwas an seinem Entschluss ändern, sich nie wieder auf eine Frau einzulassen, die nicht in Northbridge lebte. Das stand fest.

„Also gut, wenn du es unbedingt hören willst: Eure Brautjungfer ist sehr sympathisch, und es macht mir Spaß, ihr Gesellschaft zu leisten“, gab er widerstrebend zu. „Aber es ist völlig harmlos. Und damit Ende des Gesprächs.“

Cutty ließ sich nicht beirren. „Nicht zuletzt deshalb haben Kira und ich deine Einladung ja angenommen: damit es harmlos bleibt.“

Ad verdrehte die Augen, als wäre das der größte Unsinn der Welt. In Wirklichkeit war es wirklich auch ein Grund für die Einladung gewesen. Er brauchte Cutty und Kira als Anstandswauwaus, weil er sonst für nichts garantieren konnte. Ein Abend mit Kit allein – so überaus reizvoll das klang, es war gefährlich!

„Okay, ich mag Kit. Aber nicht mehr und nicht weniger als viele andere Leute. Können wir das Thema jetzt beenden und über etwas anderes reden?“

Cutty zuckte mit den Schultern. „Natürlich“, stimmte er zu und lächelte dabei so wissend, dass Ad erneut die Augen verdrehte.

Dass er immer wieder einen verstohlenen Blick zur Restauranttür warf und heimlich hoffte, dass Kit bald auftauchen würde, hatte nichts zu bedeuten.

Wenigstens redete er sich das ein.

Kiras Bemerkung, dass Ad das Abendessen zu viert möglicherweise nur vorgeschlagen hatte, damit er mit ihr zusammen sein konnte, ging Kit den ganzen Abend nicht aus dem Kopf.

Das Essen schmeckte fabelhaft. Die Unterhaltung war lebhaft und unbeschwert, und die beiden Flaschen Wein trugen das ihre dazu bei, dass sie viel lachten und eine nette Zeit miteinander verbrachten.

Trotzdem überlegte Kit ständig, ob Kira recht haben könnte.

Und wenn ja: Bedeutete es, dass Ad sich ebenso zu ihr hingezogen fühlte wie sie sich zu ihm?

Es war töricht, dass dieser Gedanke sie derart erregte. Vor allem, weil sie sich mit aller Kraft gegen diese Anziehungskraft wehrte, die Ad auf sie hatte. Aber sie konnte nichts dagegen tun.

Ebenso wenig, wie sie verhindern konnte, dass sie ständig nach Anzeichen dafür suchte, dass Cutty sich nicht geirrt und Ad wirklich an sie gedacht hatte, als er das Essen vorschlug.

Doch leider waren keine Anzeichen dafür zu erkennen. Ad war ihr gegenüber nicht aufmerksamer als gegenüber Kira oder Cutty. Kein einziger viel sagender Blick ging in ihre Richtung.

Genau so, wie es sein sollte. Wie Kit es wollte …

„Was findest du bloß an diesem Kerl?“, fragte Ad Kira, während der Abend fortschritt und das Personal ringsum schon aufräumte.

„He!“, protestierte Cutty, bevor Kira antworten konnte.

„Bist du sicher, dass du ihn heiraten willst?“ Ad ließ nicht locker.

„Vielleicht sollte ich wirklich noch einmal darüber nachdenken“, ging Kira auf seinen Ton ein.

„He, jetzt reicht es aber“, klagte Cutty.

„Nun ja, du schnarchst manchmal wirklich laut. Möglicherweise sollte ich es mir noch einmal überlegen.“

Cutty warf einen spöttischen Blick in Kits Richtung. „Hast du ihr diese Angst vorm Heiraten eingeflößt?“

„Guck mich nicht so an“, wehrte Kit ab. „Falls Kira Panik hat, dann von ganz allein.“

„Heiratspanik?“, wiederholte Ad ungläubig. „Was soll das denn sein?“

„Eine verstärkte Form von Angst vor der Hochzeit“, erklärte Cutty.

„Sie sind auf Hochzeitstorten spezialisiert und haben Bammel vor Hochzeiten?“, fragte Ad verblüfft und sah Kit an.

„Nur vor der eigenen“, warf Cutty ein und klang ein bisschen beschwipst.

„Cutty!“, sagte Kira vorwurfsvoll und fügte für Kit und Ad hinzu: „Ich glaube, ich bringe den Mann lieber nach Hause, bevor er noch mehr Unsinn redet.“

„Sollte ich das etwa nicht sagen?“, fragte Cutty verwirrt und blickte einfältig drein. „Das war doch bloß für Ads Ohren bestimmt. Zu Ad darf ich alles sagen.“

„Nein, das darfst du nicht.“ Kira warf Kit einen Blick zu, der besagte: Was soll man da machen? Er ist nun mal ein Mann. „Tut mir leid.“

Kit lachte leise. „Lass nur. Cutty hat ja recht. Wenn andere heiraten, bin ich nie nervös.“

„Trotzdem bringe ich den Bräutigam jetzt besser nach Hause“, beharrte Kira und schob ihren Stuhl zurück.

„Was steht morgen auf dem Terminplan?“, fragte Kit die Freundin, während Ad die Restauranttür aufschloss, um das Paar hinauszulassen.

„Das letzte Okay für die Blumenarrangements. Und dann sollten wir noch einmal mit dem Partyservice sprechen und ihnen die endgültige Zahl der Gäste durchgeben. Ach so, und dann kommt noch die Frau, die sich um den Empfang nach der Kirche kümmern wird. Morgen beginnt auch der Zeltaufbau, weißt du, für die Feier. Das Zelt kommt auf den Rathausplatz, habe ich das schon erwähnt? Ich muss festlegen, wohin die Tische fürs Büfett kommen, entscheiden, ob die Tische und Stühle in der einen Hälfte stehen sollen, sodass die andere Fläche zum Tanzen frei bleibt, oder ob sie die Tanzfläche umrahmen sollen. Ferner die Tischtücher und die Gedecke überprüfen und …“ Kira hielt erschöpft inne. „Es gibt tausend Dinge zu erledigen. Ich hatte keine Ahnung, dass eine Hochzeit so viel Arbeit macht.“

„Außerdem müssen wir noch einiges für deine Abschiedsparty morgen Abend besorgen“, erinnerte Kit die Freundin. Auf den traditionellen Junggesellinnenabschied hatte Kira bestanden. Sie fand es eine schöne Tradition, ein letztes Mal als unverheiratete Frau im Kreis anderer Frauen zu feiern.

„Ja, das auch“, stimmte Kira zu. „Wir fangen lieber früh an. Was hältst du von neun Uhr?“

„Bestens“, antwortete Kit.

Cutty legte den Arm um Kira. Die beiden dankten Ad für den schönen Abend und verließen das Restaurant.

Ad schloss die Tür hinter ihnen und lehnte sich an das Holz. Er trug Jeans und ein neues Polohemd mit dem gestickten Namen des Restaurants – diesmal in Rot. Trotz des eher unauffälligen Outfits sah er so gut aus, dass Kit nicht den Blick von ihm lassen konnte.

Und er nicht von ihr.

Dabei hatte sie sich heute wirklich so züchtig angezogen, wie es ihr Koffer hergegeben hatte. Eine schlichte weiße Leinenhose, die locker saß, und ein rosa T-Shirt mit einem unschuldigen runden Ausschnitt. Dennoch – sein Blick hatte etwas seltsam Forschendes.

„Heiratspanik?“, fragte er wie aus heiterem Himmel.

Kit hatte befürchtet, dass der letzte Teil der Unterhaltung ihn neugierig gemacht hatte. Sie wollte auf keinen Fall über dieses Thema sprechen. Deshalb sagte sie: „Kira hatte recht. Wir müssen morgen früh anfangen. Ich sollte ebenfalls schlafen gehen.“

Obwohl es ihr widerstrebte, den Abend zu beenden.

„Aha, das Thema Heiratspanik ist tabu“, stellte Ad fest, ohne sich von der Stelle zu rühren. Oder sie aus den Augen zu lassen. „Wenn ich verspreche, es heute Abend nicht mehr zu erwähnen – bleiben Sie dann noch ein bisschen und helfen mir, den restlichen Wein auszutrinken?“

Es war ein wunderbarer Wein. Ein sehr teurer Wein. Es wäre eine Schande, ihn zu vergeuden …

Kit war sich bewusst, dass sie nach einer Ausrede suchte, um noch zu bleiben. Na ja, aber was war schon dabei. Es wäre schließlich nur für eine Weile. Bis sie den Wein ausgetrunken hatten. So spät war es schließlich nicht. Noch nicht einmal Mitternacht. Und sie war nicht müde.

„Meinetwegen“, sagte sie endlich.

Ad stieß sich mit seinen breiten Schultern und seinen schmalen Hüften von der Tür ab.

Kit drehte sich um und ging zu dem Tisch zurück, an dem sie den ganzen Abend gesessen hatten. Sie hatte keine Ahnung, wie geschmeidig und sexy ihre Schritte wirkten.

Der Wein reichte nur noch für ein halbes Glas für jeden, und Ad teilte ihn gleichmäßig auf.

„Ich muss immer daran denken, was Sie gestern Abend erzählt haben“, sagte Kit, um das Gespräch auf ein unverfängliches Thema zu bringen.

„Was habe ich denn erzählt?“

„Dass Ihr Vater so früh gestorben ist und dass Sie zum Unterhalt Ihrer Familie beitragen mussten. Haben Sie nicht das Gefühl, dass man Ihnen die Kindheit geraubt hat?“

„Nicht im Geringsten“, antwortete Ad, ohne zu zögern. „Natürlich war es schlimm, den Vater zu verlieren. Aber sonst hatte ich eine ziemlich normale Kindheit. Northbridge war – ist – ein großartiger Ort für Kinder.“

„Inwiefern?“, fragte Kit zwischen zwei Schluck Wein.

„Jeder achtet auf den anderen. Daher können Eltern hier die Zügel etwas lockerer lassen. Wo ihr Kind auch ist: Immer wird jemand in der Nähe sein und ihm helfen, wenn es Hilfe braucht – oder es nötigenfalls zurechtweisen. Ich denke, für Kinder ist es wie ein kleines Paradies, sie haben hier, wo jeder jeden kennt, mehr Freiheit als anderswo. Und welches Kind möchte nicht frei herumlaufen und Abenteuer erleben?“

„Gab es denn so viele Möglichkeiten für Abenteuer in Northbridge?“, fragte Kit skeptisch. Das schien ziemlich unwahrscheinlich zu sein.

„Für uns Kinder? Natürlich. Alles, was nicht von den Eltern geregelt war, war für uns Kinder ein Abenteuer. Wir fuhren mit den Fahrrädern herum, schwammen an den langen Sommertagen im Teich und angelten oder tauchten im Fluss. Einmal bauten wir gleich zu Beginn der Ferien ein Baumhaus und übernachteten jeden Tag dort, bis die Schule wieder begann. Im Winter liefen wir Schlittschuh auf dem Teich und rodelten den Sloan Hill hinab.“

Das klang nach viel Vergnügen.

„Hatten Sie als Kind viele Freunde, oder waren Sie hauptsächlich mit Ihren Geschwistern zusammen?“

„Beides. Ich hatte viele Freunde. Aber auch zu Hause fehlte es mir nicht an Spielkameraden. Ich habe mich nie gelangweilt und war gewiss nicht einsam.“

„Dann hatten Sie trotz des Verlustes Ihres Vaters tatsächlich eine schöne Kindheit?“

„Ja. So eine Kindheit würde ich mir auch für meine Kinder wünschen.“

Kit spürte, wie wichtig ihm dies war. „Sie lieben Northbridge sehr, nicht wahr?“, schloss sie aus seinem herzlichen Ton.

„Es ist ein wunderbarer Ort zum Leben, eine Familie zu haben und Kinder großzuziehen.“

„Und was war als Teenager? Hatten Sie nie den Wunsch, auszubrechen und den engen Grenzen der Kleinstadt zu entfliehen?“

Ad zuckte mit den Schultern. „Natürlich gab es solche Momente. Aber normalerweise hatte einer von uns freitags oder samstags immer einen Wagen, und wir fuhren nach Billings. Wir versuchten, in den Kneipen dort ein Bier zu bekommen – erfolglos. Dann bandelten wir mit ein paar Mädchen an und zogen eine große Show ab. Das genügte uns als Stadtleben. Anschließend fuhren wir glücklich wieder nach Hause.“

„Sie gingen hier auch aufs College?“

„Na klar.“

„Dann haben Sie nie woanders als in Northbridge gelebt?“

„Das habe ich nicht gesagt.“

Er fügte nicht hinzu, wo er sonst noch gelebt hatte. Und wann. Kit hatte das Gefühl, dass er ebenso wenig darüber reden wollte wie sie über ihre Angst vor dem Heiraten. Deshalb drängte sie ihn nicht.

„Lebt Ihre Familie auch noch hier?“, fragte sie stattdessen.

„Ja. Meine Mom hat unser Elternhaus nie verlassen. Sie könnte längst in Rente gehen. Aber sie liebt ihre Arbeit. Sie leitet die Textilreinigung inzwischen, bei der sie damals einen Job gefunden hatte. Meine Schwester und meine Brüder wohnen auch noch hier. Mein Bruder Ben hat gerade ein Heim für straffällige Kinder eingerichtet, das demnächst öffnen wird.“

„Ist eines Ihrer Geschwister verheiratet?“

Ad trank seinen Wein aus und schüttelte den Kopf. „Nee, leider nicht.“

Na klar … Nee … Ob das letzte halbe Glas Wein ein bisschen viel für Ad gewesen war? Sie selbst war auf jeden Fall beschwingter als zuvor. Beschwingter und sich jeder Einzelheit von Ad eindringlich bewusst.

Viel zu bewusst, stellte Kit plötzlich fest. Energisch schob sie ihren Stuhl zurück und stand auf. „Der Wein ist ausgetrunken. Sie wissen, was das bedeutet?“

„Sie wollen mich so plötzlich verlassen?“, fragte Ad enttäuscht.

„Ich fürchte, ja. Die Flasche ist leer, und Sie haben gehört, was Kira gesagt hat. Ich muss morgen früh raus.“

„Blöde Hochzeit“, klagte er, stand aber ebenfalls auf.

Gemeinsam trugen sie die vier Gläser und die leere Flasche in die Küche.

Autor

Victoria Pade
Victoria Pade ist Autorin zahlreicher zeitgenössischer Romane aber auch historische und Krimi-Geschichten entflossen ihrer Feder. Dabei lief ihre Karriere zunächst gar nicht so gut an. Als sie das College verließ und ihre erste Tochter bekam, machte sie auch die ersten schriftstellerischen Gehversuche, doch es sollte sieben Jahre dauern, bis ihr...
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