Bianca Gold Band 61

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EINE AFFÄRE IST LANGE NICHT GENUG von STACY CONNELLY

Reiß‘ dich zusammen! ermahnt Allison sich, während sie zu Zachs Büro geht. Langsam sollte sie sich an die unverschämt blauen Augen ihres Chefs gewöhnt haben. Vor allem, weil er einer Affäre mit ihr offenbar nicht abgeneigt ist, aber von einer gemeinsamen Zukunft nichts wissen will …

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  • Erscheinungstag 15.01.2021
  • Bandnummer 61
  • ISBN / Artikelnummer 9783751501972
  • Seitenanzahl 447
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Stacy Connelly, Stella Bagwell, Jessica Hart

BIANCA GOLD BAND 61

1. KAPITEL

Ungeduldig wartete Allison Warner darauf, dass ihre Schwester sich meldete, und zählte dabei, wie oft es am anderen Ende läutete. Nach dem vierten Mal schaltete sich der Anrufbeantworter ein – wie üblich. Bethanys Stimme bat sie, eine Nachricht zu hinterlassen.

Allison seufzte enttäuscht. Seit sie fünf Monate zuvor nach Arizona zurückgezogen war, hatte sie öfter Monologe auf dem Anrufbeantworter hinterlassen als mit ihrer Schwester gesprochen. Sie konnte nicht sagen, was sie mehr frustrierte – dass Bethany ihre Nachricht vermutlich ignorieren würde oder dass sie wusste, wer anrief, und trotzdem nicht abnahm. Trotzdem holte sie tief Luft und versuchte, unbeschwert zu klingen.

„Hi, Bethany. Hier ist Allison, deine Schwester“, scherzte sie, obwohl es gar nicht lustig war. „Es ist Donnerstagnachmittag, und ich fahre gleich zur Arbeit. Ich wollte fragen, ob du Lust hast, heute Abend essen zu gehen oder am Wochenende einen Shoppingbummel zu unternehmen. Wir könnten uns Möbel für das Kinderzimmer ansehen. Ich habe das ganze Wochenende frei. Aber wenn du lieber zu Hause bleiben möchtest, können wir das alles auch online regeln. Also ruf mich einfach an.“

Sie legte auf und verzog das Gesicht. Konnte man noch verzweifelter klingen? Und wusste sie nicht längst, dass es sinnlos war, Bethany zu bedrängen?

Du musst Geduld haben. Der Bruch in ihrer Beziehung war nicht über Nacht gekommen und auch nicht so schnell zu heilen. Sie braucht Zeit.

Davon hatte Allison zum Glück jede Menge. Sie schaltete den Computer aus und ordnete die Dinge auf ihrem Schreibtisch. Den schiefen Kaffeebecher, den sie im Töpferkurs zustande gebracht hatte. Den vertrockneten Flieder. Den selbst gebastelten Rahmen mit dem Foto, auf dem ihre Schwester und sie lächelnd die Köpfe zusammensteckten. Ein seltener Moment, von der Kamera festgehalten …

Gäbe es im Leben doch auch nur eine Taste, mit der man einen Augenblick einfrieren konnte, damit er nicht vorüberging … oder eine Rückspulfunktion, mit der man in die Vergangenheit zurückkehren konnte, um falsche Entscheidungen ungeschehen zu machen.

Das Foto war auf Bethanys Hochzeit gemacht worden. Damals hatten die beiden Schwestern einander so nahe gestanden wie nie wieder. Bittersüße Erinnerungen an die Feier und das letzte Zusammensein ihrer Familie gingen Allison durch den Kopf. Mit Tränen in den Augen hatte Bethany gelächelt, als ihr Vater sie zum Altar führte und Gage Armstrong übergab. Allison hatte neben ihr gestanden, als Brautjungfer und beste Freundin.

Ein paar Wochen später war Allison ihrem Freund Kevin Hodges nach New York gefolgt. Das war jetzt drei Jahre her, und drei Jahre waren eine lange Zeit. Inzwischen war ihr Vater erkrankt, Bethanys Ehe war gescheitert, und Allison hatte sich so sehr in ihre Arbeit gestürzt, dass sie beides gar nicht richtig mitbekommen hatte.

Sie war nach Hause zurückgekehrt, aber die dreitausend Meilen waren leichter zu überbrücken als die emotionale Distanz zwischen ihr und ihrer Schwester. Zumal Bethany kein Blatt vor den Mund genommen hatte. Übernimmst keine Verantwortung … zu weit weg … zu spät …

Das schlechte Gewissen raubte Allison fast den Atem. Sie würde alles geben, um die Zeit zurückdrehen zu können. Wäre sie doch nur bei ihrer Familie gewesen, als sie am meisten gebraucht wurde. Aber die Chance hatte sie verpasst, und jetzt musste sie das Beste aus dem Hier und Jetzt machen.

„Du musst Bethany dazu bringen, sich zu öffnen und darüber zu sprechen, was zwischen ihr und Gage schiefgelaufen ist“, hatte ihre Mutter gesagt, bevor sie zu ihrer dreiwöchigen Kreuzfahrt durch die Karibik aufgebrochen war. Auf der Reise hatten ihre Eltern den fünfunddreißigsten Hochzeitstag begehen wollen. Nachdem ihr Vater sechs Monate zuvor gestorben war, hatte ihre Mutter entschieden, die Schiffsreise trotzdem zu unternehmen und seiner zu gedenken.

Allison vermisste ihren Vater schmerzlich. Sein Lachen, seine Liebe, seine Ermutigung, immer nach den Sternen zu greifen. Er hätte es schrecklich gefunden, dass sein Tod einen Keil zwischen seine Töchter trieb. Zwischen seine Mädchen, wie er Bethany, Allison und ihre Mutter stets genannt hatte. Es hätte ihm das Herz gebrochen. Und obwohl Bethany es nicht glaubte, brach es auch Allison das Herz.

Seufzend stellte sie den Bilderrahmen zurück. Die Vergangenheit ließ sich nicht ändern, aber sie war fest entschlossen, sich mit ihrer Schwester auszusöhnen. Im Moment brauchte Bethany ihre Familie mehr denn je, auch wenn sie es niemals zugeben würde.

Um halb sechs waren die Geschäftsräume von Knox Security fast menschenleer, und Allison ging den Flur entlang und löschte die Lichter. Sie hätte schon vor einer halben Stunde aufbrechen können, doch dies war ihre letzte Woche bei der Firma für Sicherheitssysteme, und sie wollte keine unerledigte Arbeit zurücklassen.

Am Montag würde Martha Scanlon nach einer Pause wegen ihrer Hüftoperation zurückkommen. Allison würde sie einen oder zwei Tage lang unterstützen und danach den nächsten Aushilfsjob antreten.

Der Einsatz als Empfangssekretärin bei Knox Security war ihr bisher längster gewesen. Normalerweise sprang sie höchstens zwei Wochen ein, in Notfällen oder als Urlaubsvertretung. Die Abwechslung gefiel ihr, und sie liebte neue Herausforderungen. Außerdem hatte sie feste Arbeitszeiten, ganz anders als bei Marton/Mills, der Werbeagentur in New York City, bei der eine Sechzigstundenwoche eher die Regel als die Ausnahme gewesen war.

Als Aushilfe geriet sie nicht in Versuchung, zu ehrgeizig zu werden und berufliche Ziele über private Beziehungen zu stellen.

Vor dem Bürofenster kündigte ein prächtiger Sonnenuntergang das Ende eines weiteren herrlichen Frühlingstages an – noch ein Grund, hier zu arbeiten. Der April war ideal für Shorts und T-Shirts. Selbst hier in Phoenix war business casual nicht zu casual, und obwohl Allison ihre maßgeschneiderten Kostüme in New York gelassen hatte, kleidete sie sich zwar individuell, aber stets so, wie der jeweilige Job es erforderte.

Wenn du vorankommen willst, musst du lernen, das passende Outfit zu wählen.

Unwillkürlich dachte sie an die mahnenden Worte ihres Ex-Freunds. Und daran, wie sie ihre Persönlichkeit verleugnet hatte, um ja nicht unangenehm aufzufallen. Sie hatte sich große Mühe gegeben, nicht nur die perfekte Freundin, sondern auch die strebsame Mitarbeiterin mit besten Aufstiegschancen zu sein.

Kevin wurde angestellt, weil sein Vater mit dem Chef von Barton/Mills befreundet war. Er hatte Allison einfach in die Firma mitgenommen, und sie hatte hart gearbeitet und keine Überstunden gescheut, um Karriere zu machen. Aber nie im Leben hatte sie damit gerechnet, welch hohen Preis sie dafür bezahlen musste.

Nie wieder würde sie sich für einen Job oder einen Mann so sehr aufgeben, und um das nicht zu vergessen, zog sie sich jeden Tag so an, wie sie es tat.

Heute trug sie einen schwarzen Rock mit Nadelstreifen und ein schlichtes schwarzes Oberteil – eine durchaus respektable Kombination, der die pinkfarbene Spitze am Rocksaum nicht zu viel Pep verlieh. Sie hatte die Sachen erst kürzlich gekauft und sich darauf gefreut, sie an diesem Tag anzuziehen. Nicht, dass es dafür einen besonderen Grund gab. Das Outfit betonte zwar ihr kurzes blondes Haar und die grünen Augen, aber sie hatte es eigentlich ausgewählt, weil es zu ihrer Persönlichkeit passte …

Als Allison sich Zach Wilders Büro näherte, wurden ihre Schritte wie von selbst langsamer, und der Puls beschleunigte sich. Nach zwei Monaten sollten sein dunkles Haar, die lebhaften blauen Augen und die markanten Gesichtszüge ein gewohnter Anblick sein. Selbst die breiten Schultern, die schmale Taille und die langen, muskulösen Beine hätten ihr längst nicht mehr auffallen dürfen.

Trotzdem hatte der Topverkäufer der Firma noch immer etwas, das sie schneller atmen ließ, sobald sie einander über den Weg liefen. Dass Zach ein Mann war, wie er für sie nicht falscher sein konnte, änderte leider nichts daran, dass sie ihn attraktiv fand.

Man bekam nie eine zweite Chance, einen ersten Eindruck zu hinterlassen. Der Spruch stimmte, und Allisons erster Eindruck von Zach war … vielversprechend gewesen. Sie waren einander an ihrem ersten Tag im Fahrstuhl begegnet. Sein Arm hatte ihren kurz gestreift, und sie hatte die zufällige Berührung bis zu den Sohlen ihrer modischen Pumps gespürt.

Selbst Wochen später erinnerte sie sich daran. Es war, als hätte der kurze Moment sie aus dem emotionalen Gleichgewicht gebracht. Als wäre ihr Leben von einer Sekunde zur anderen aus der Spur geraten.

Dass ein Mann für sie so viel Bedeutung bekam, war verrückt. Aber Allison wusste, dass sie sich den Moment nicht eingebildet hatte. Und auch nicht das, was sie in Zachs blauen Augen wahrgenommen hatte. Er hatte es ebenfalls gemerkt, da war sie ganz sicher. Jetzt brauchte sie nur seine tiefe Stimme zu hören, schon fühlte sie ein verräterisches Kribbeln im Bauch.

Doch sie durfte nicht vergessen, dass er sie seitdem nie wieder angeschaut hatte – dazu konzentrierte er sich zu sehr auf seine Arbeit. Ihr dagegen fiel es nicht so leicht, ihn zu ignorieren. Im Gegenteil, wenn sie an seinem Büro vorbeikam, riskierte sie einen Blick und sah, wie er mit zusammengekniffenen Augen auf den Bildschirm seines Computers starrte. Wie an seiner Wange ein Muskel zuckte, wenn etwas nicht klappte, und ein Lächeln die Mundwinkel umspielte, wenn etwas gut lief.

Aber vor allem fiel ihr auf, wie erschöpft er manchmal aussah. Dann rieb er sich die müden Augen und drehte den Kopf hin und her, um den verspannten Nacken zu lockern. Allison ahnte, wie schwer der Erfolgsdruck auf ihm lastete.

In diesen Momenten war sie sicher, den wahren Zach Wilder vor sich zu sehen. Fast erschien er ihr … menschlich. Verletzbar.

Zum Glück passierte das nicht oft. Und wenn, dann nur kurz, bevor Zach wieder umschaltete und zu dem Mann wurde, der keine Schwächen zeigte.

Auch an diesem Abend schaute Allison durch die schmale Glasscheibe neben seiner Bürotür. Der Schreibtischsessel war zurückgeschoben, als wäre Zach nur kurz aufgestanden. Doch das Büro war ganz leer, der Schreibtisch aufgeräumt. Offenbar hatte Zach das Gebäude schon verlassen.

Das überraschte sie, denn seit sie bei Knox angefangen hatte, hörte sie immer wieder, wie hart und lange er jeden Tag arbeitete, welche großen Aufträge er hereinholte und wie zielstrebig er seine Karriere verfolgte. Jedes Wort über ihn war wie eine Warnung vor jemandem, dem der berufliche Erfolg wichtiger war als alles andere. Aber zugleich hörte Allison den tiefen Respekt heraus, den ihre Kollegen vor einem Mann hatten, der ganz unten angefangen und sich beharrlich nach oben gearbeitet hatte.

Das allein war Welten von den Beziehungen entfernt, die Kevin schamlos ausnutzte, um auf der Karriereleiter so manche Stufe zu überspringen.

Dennoch waren Zach und ihr Ex-Freund einander so ähnlich, dass Allison auf der Hut sein musste … auch wenn er so toll aussah, dass sie sich immer wieder gern an die Szene im Fahrstuhl erinnerte.

Gut, dass ihr nur noch wenige Tage bei Knox blieben. Danach würde sie den nächsten Job annehmen und Zach vergessen. Sie strich über das Namensschild an seiner Tür, bis ihr bewusst wurde, was sie tat. Hastig eilte sie weiter, verlegen und erleichtert darüber, dass niemand sie gesehen hatte.

Hoffentlich ist bald Dienstag, dachte sie, als sie den Fahrstuhl betrat und auf den Knopf für die Tiefgarage drückte.

Die Türen hatten sich fast geschlossen, da schob sich eine kräftige Männerhand dazwischen. Ein Blick auf die langen, schmalen Finger, die blütenweiße Manschette und die teure Armbanduhr reichte, um Allison einen Schauer über den Rücken zu jagen. Sie erkannte die Uhr, denn sie hatte sie selbst ausgesucht. Im Auftrag ihres Vorgesetzten, als Geschenk für den Mitarbeiter, der zum fünften Mal hintereinander Verkäufer des Jahres geworden war.

Allison wappnete sich für das, was kam. Dennoch stockte ihr der Atem, als Zach Wilder den Aufzug betrat.

Die dunklen Stoppeln an den Wangen passten zu den Ringen unter seinen Augen. Eine schwarze Locke fiel ihm in die Stirn, und die schwarz-rote Krawatte hing schief.

„Zach, ist alles in Ordnung?“, fragte sie, ohne zu überlegen. Er sah aus wie ein Mann, der … gerade geküsst worden war. Denn welche Frau könnte der Versuchung widerstehen, die Finger in das dichte Haar zu schieben? Oder ihn an der sonst immer perfekt geknoteten Krawatte zu sich zu ziehen? Und wäre es nicht herrlich, für den verzweifelten Ausdruck in seinen Augen verantwortlich zu sein?

Allison schämte sich ihrer außer Kontrolle geratenen Fantasie so sehr, dass ihre Wangen sich erhitzten. Als würde Zach Wilder sich jemals mit einer Kollegin einlassen! Noch dazu am Arbeitsplatz! Sie riss sich zusammen. Er durfte auf keinen Fall merken, was allein sein Anblick in ihr auslöste.

Er schaute ihr in die Augen, als die Fahrstuhltür zuglitt. Seine Stimme klang ein wenig atemlos. „Ich habe Sie gesucht. Ich hatte schon Angst, ich verpasse Sie.“

„Mich verpassen?“ Sie wollte zurückweichen, weg von seinem verführerischen Duft, doch die Kabine war zu eng. Und vielleicht war es höchste Zeit, sich ihrer albernen Schwärmerei zu stellen. Und dem Objekt ihrer Begierde. „Sie haben mich nicht verpasst. Ich bin hier. Brauchen Sie etwas?“

„Ich brauche Sie.“

Das Herz schlug ihr bis zum Hals. Und dass flaue Gefühl im Bauch hatte nichts damit zu tun, dass der Fahrstuhl sich in Bewegung setzte. Sie schluckte. „Ich … Was haben Sie gesagt?“

„Ich brauche Ihre Hilfe bei einem Kunden.“

„Oh. Natürlich. Bei einem Kunden.“

Verlegen senkte sie den Blick. Was hatte sie denn gedacht? Dass er ein tiefes emotionales Bedürfnis gestehen wollte? Bitte! Der Mann lebte nur für seine Arbeit. Das wusste sie doch. Wie kam sie bloß dazu, sich etwas anderes einzubilden?

„Kann es nicht bis morgen warten?“, fuhr sie hilflos fort. „Ich bin ein wenig in Eile.“

Noch bevor sie verstummte, schüttelte er den Kopf. „Nein, es handelt sich um einen Notfall“, sagte er, als die Tür sich öffnete. Dann nahm er ihre Hand und eilte mit ihr durch die Tiefgarage. „Sie müssen mich begleiten.“

Allison fühlte sich wie in einem Spionagethriller. Jede Sekunde konnte ein Bösewicht aus dem Schatten auftauchen und auf sie beide schießen. So albern es war, sie atmete auf, als sie seinen schwarzen BMW unbeschadet erreichten.

Fast unbeschadet. Denn sie fühlte seine Hand selbst dann noch, als er sie losließ.

„Ein Notfall?“, wiederholte sie. „Es gibt medizinische oder technische Notfälle, aber doch keine, bei denen eine Empfangssekretärin gebraucht wird! Davon habe ich noch nie …“

„Ich bezahle Ihnen die Überstunden. Doppelt … dreifach. Was immer Sie verlangen.“

„Es ist nach halb sechs. Ich möchte nach Hause.“ Wo sie allein sein würde, denn ihre Schwester rief bestimmt nicht zurück. Aber sie war kein Workaholic. Nicht mehr. Geld und Erfolg waren nicht alles.

Zach blieb neben der Beifahrertür stehen und drehte sich um. „Bitte.“

Das Wort, das er mit Sicherheit nicht oft von sich gab, ließ sie zögern. Es war ein Riss in seiner polierten Fassade, durch den sie etwas sah, das er sonst verbarg. Das war der Mann, der ihr aufgefallen war. Der Mann, den nur wenige kannten. Und dies war vielleicht ihre letzte Chance, mehr von ihm zu erfahren.

Sie ignorierte das Warnsignal in ihrem Kopf. „Na gut, ich helfe Ihnen. Was soll ich tun?“

„Das erkläre ich Ihnen unterwegs.“

„Unterwegs wohin?“

„Warten Sie es ab“, erwiderte er und öffnete die Tür für sie.

Seine Arroganz hätte sie ärgern sollen. Schließlich half sie ihm, nicht umgekehrt. Doch als sie sich in den Ledersitz fallen ließ, stellte sie verblüfft fest, dass sie kein bisschen verärgert, sondern einfach nur neugierig war. Gespannt darauf, was sie erwartete.

Zach schwieg, während er den Wagen durch den dichten Verkehr nach Scottsdale lenkte. Allison spielte mit dem Riemen ihrer Handtasche, bis sie die Stille nicht mehr aushielt. „Wenn ich Ihnen helfen soll, müssen Sie mir schon sagen, was Sie brauchen“, platzte sie heraus.

Er hielt an einer roten Ampel und warf Allison einen Blick zu. Unwillkürlich fragte sie sich, ob er vielleicht sie brauchte. Sie wusste, dass es vermutlich nur am rötlichen Licht der untergehenden Sonne lag, aber was sie in seinen blauen Augen wahrnahm, konnte durchaus so etwas wie Verlangen sein …

Der Fahrer hinter ihnen hupte, und Zach schaute wieder nach vorn. Nur mit Mühe unterdrückte Allison einen Seufzer der Erleichterung. Sie konnte nicht wissen, was der Rest des Abends noch bringen würde, aber sie würde ihn nur durchstehen, wenn sie ihre Fantasie zügelte.

„Ich bin in einer halben Stunde zum Essen verabredet“, verkündete er mit grimmiger Miene.

„Okay. Ihre goldene Uhr verrät mir, dass Sie sich sonst mehr auf Kunden freuen.“ Der Mann war ein Jäger, der es kaum abwarten konnte, seine Beute zu erlegen. Wahrscheinlich schnitzte er für den Auftrag, den er abschloss, eine Kerbe in seinen Schreibtisch. Doch jetzt spürte sie bei ihm nichts als Verzweiflung. Der Mann zeigte Schwäche. Dies war eine Gelegenheit, die sie sich nicht entgehen lassen durfte.

„Ein schwieriger Kunde ist doch nichts Neues. Was macht Sie an diesem Essen so nervös?“

Zach zog eine Grimasse. „Eigentlich darf ich mir das nicht anmerken lassen.“

„Oh, keine Sorge. Sie sind mir ein Rätsel“, entgegnete sie trocken. Einerseits war er ein offenes Buch. Genauer gesagt, ein aufgeschlagenes Managermagazin. Andererseits benahm er sich wie ein Teenager vor dem ersten Date. „Warum freuen Sie sich nicht auf dieses Arbeitsessen?“

„Ich freue mich darauf“, widersprach er und straffte die Schultern. „Dies sollte mein zweites Treffen mit James und Riana Collins sein. Die renommierten Juweliere. James ist kürzlich nach Scottsdale gezogen und wollte sich zur Ruhe setzen. Aber jetzt hat er beschlossen, Filialen im Südwesten zu eröffnen und braucht jemanden, der sich um die Sicherheitsmaßnahmen kümmert. In Las Vegas und hier. Ich habe gute Chancen, den Auftrag für Knox an Land zu ziehen.“

„Klingt großartig. Wo ist der Haken?“

Er legte die Hände fester ums Lenkrad. „Riana hat eine Nachricht hinterlassen, dass James nicht kommt.“

„Aber Sie können sich doch mit ihr treffen.“

Er runzelte die Stirn. „Genau das ist das Problem.“

Plötzlich begriff sie. „Aha.“ Allison konnte gut nachfühlen, dass eine Frau Zach attraktiv fand, aber sie hatte kein Verständnis dafür, dass jemand seinen Ehepartner betrog. Die Ehe ihrer Eltern hatte ihr gezeigt, wie wichtig Liebe und Vertrauen waren, und daran hatte sie sich in der kurzen Beziehung mit Kevin stets gehalten. Auch wenn er es nicht verdient hatte.

Sie schob die Erinnerung an ihren Ex beiseite. „Ich bin sicher, Mrs. Collins …“

„Miss Collins. Riana ist James’ Tochter.“

„Oh.“ Aus dem betrogenen Ehemann wurde ein fürsorglicher Vater. Und aus einer Tigerin ein Kätzchen. „Trotzdem. Miss Collins dürfte kaum Ihre erste Verehrerin sein. Bestimmt haben Sie Übung darin, ein Mädchen auf die sanfte Tour abblitzen zu lassen.“

Oder etwa nicht? War Zach der Typ, der Blumen schickte? Mit einer Karte, auf der stand, dass es „nicht an dir, sondern an mir liegt“? Oder rief er einfach nicht mehr an? Egal. Sie hoffte nicht auf eine Beziehung mit ihm. Jedenfalls nicht ernsthaft.

„Das kann man nicht vergleichen. Ich habe Riana Collins nicht in einer Bar kennengelernt. Das hier ist rein geschäftlich.“ Er betonte das letzte Wort, als wäre es das Wichtigste auf der Welt. „Ich will sie nicht kränken. Ich darf es nicht. Es könnte mich den Auftrag kosten. Das will ich nicht.“

„Na ja …“ Allison tat, als würde sie überlegen. „Sie könnten mit ihr schlafen.“

„Auch das will ich nicht.“

Weil es langfristig riskanter war, mit der Tochter des Kunden zu schlafen? Geschäftlich und beruflich riskanter? Oder weil seine moralischen Maßstäbe es nicht zuließen, eine Frau auszunutzen? Allison wollte glauben, dass er ehrenwerte Gründe hatte. Dass sein Ehrgeiz nicht grenzenlos war. Aber sicher konnte sie nicht sein.

Sie wusste, warum sie das Gute in ihm sehen wollte. Nie wieder würde sie auf einen Mann wie Kevin Hodges hereinfallen. Und wenn Zach anders war als ihr gerissener, vom Ehrgeiz zerfressener Ex? Durfte sie ihn dann ohne schlechtes Gewissen attraktiv finden, sämtliche Warnsignale missachten und nur auf ihr Verlangen hören?

Wenn er wirklich anders war, konnte dieser Abend ihre Chance sein, ihn auf die Probe zu stellen.

„Sie trennen also Arbeit von Vergnügen“, stellte sie fest.

Und genau das sollte sie auch tun. Denn die warme Brise wehte ihr den Duft der Ledersitze und seines Aftershave in die Nase, und es wäre allzu leicht, sich vorzustellen, dass dies ein Date war. Dass Zach sie in ein romantisches Restaurant ausführte. Ihr Atem ging schneller, als sie sich ausmalte, wie er den Auftrag vergaß und sich stattdessen ganz auf sie konzentrierte … Das wäre einfach himmlisch …

„Ja.“

Zachs kurze Antwort verscheuchte den Tagtraum. „Wie bitte?“, fragte sie so beiläufig wie möglich.

Er warf ihr einen erstaunten Blick zu. „Ich habe Ihnen gerade zugestimmt. Strikte Trennung von Arbeit und Vergnügen.“

„Richtig. Natürlich. Rein professionell.“ So professionell, wie ihre geheimen Sehnsüchte es zuließen. „Und ich bin … was? Die Anstandsdame?“

„So ähnlich“, murmelte er.

Hatte er es sich anders vorgestellt? Und wenn schon. Sie hatte zugesagt, und es war nur ein einziger Abend … „Sie wissen ja, was man sagt: Drei sind einer zu viel.“

„Ja“, erwiderte er und zog das Wort in die Länge.

Allison lächelte. „Dann bin ich heute Abend die Dritte.“

Gleich bei ihrer ersten Begegnung hatte Zach gewusst, dass ihm Allison Warner Probleme machen würde. Dabei hatte er nicht mal geahnt, dass sie als Vertretung für die erkrankte Empfangssekretärin eingestellt worden war.

Woher hätte er das auch wissen sollen? Sie sah absolut nicht aus wie ein Ersatz für die mütterliche Martha Scanlon. Ihr Outfit – hellblauer Pullover, farblich darauf abgestimmter Rock – war ihm nicht aufgefallen. Aber dafür die Art, wie sie in der Tiefgarage augenzwinkernd und mit einem kurzen Winken an seinem Wagen vorbeischlenderte. Selbst im Halbdunkel war ihm ihr kurzes Haar aufgefallen. Mit sämtlichen Blondtönen unter der Sonne passte es zu dem gebräunten Teint und den fein geschnittenen Gesichtszügen.

Sie als süß oder sexy zu bezeichnen wäre zu einfach, denn etwas in ihrem Blick verriet Zach, dass sie ein Engel war, dem ein Teufel auf der Schulter saß.

Er parkte hastiger als sonst und redete sich ein, dass er heute besonders schnell ins Büro wollte. Er holte sie vor dem Fahrstuhl ein, und ihr Lächeln schien zu signalisieren, dass sie auf ihn gewartet hatte. „Nach oben?“, fragte sie, obwohl es nur eine Richtung gab.

Fasziniert starrte er auf das einzelne Grübchen an ihrer rechten Wange, wollte antworten, schaute erneut in ihr leicht spöttisches Lächeln, und fast verschlug es ihm die Sprache. „Ich … ja.“

Natürlich willst du nach oben. Du bist in einer Tiefgarage, du Idiot!

Ihre Augen funkelten. Amüsierte sie sich etwa über ihn?

Die Fahrstuhltür glitt auf, und Zach ließ der Frau den Vortritt – fest entschlossen, sich nicht länger verunsichern zu lassen. Seine Mutter Caroline forderte ihn dauernd auf, an sein Privatleben zu denken. Damit meinte sie, dass er endlich eine Familie gründen sollte. Das kam natürlich nicht infrage, aber er musste zugeben, dass er seine Arbeit viel zu wichtig nahm. Offenbar so wichtig, dass er verlernt hatte, wie man mit einer hübschen Frau plauderte.

Als er die Kabine betrat, stieg ihm ihr Duft in die Nase. Erdbeere? Dann beugte er sich vor, um auf den Knopf zu drücken. Da sie es gleichzeitig tat, berührten sich ihre Finger. Zach hätte schwören können, dass die Ziffer auf dem Knopf heller als sonst aufleuchtete und der Fahrstuhl schneller als gewöhnlich nach oben sauste.

Ihre Augen schienen aufzublitzen – hatte auch sie es wahrgenommen? Sofort war er versucht, mit dieser ungewöhnlich reizvollen Frau zu flirten und keinen Gedanken an das Duzend Projekte auf seinem Schreibtisch oder seine bevorstehende Beförderung zu verschwenden.

Doch dann registrierte er, auf welchen Knopf sie gedrückt hatte. Ein mulmiges Gefühl regte sich in Zach. Bildete er es sich nur ein, oder wurde der Fahrstuhl tatsächlich langsamer? „Sie wollen in den vierten Stock?“, fragte er. „Zu Knox Security?“

„Ja, heute ist mein erster Tag.“ Ihre grünen Augen leuchteten. „Heißt das etwa, wir sind Kollegen?“

Genau das hieß es. Schade. Zach hatte sich noch nie auf eine Beziehung am Arbeitsplatz eingelassen und würde es auch nie tun. Zu viele Fallstricke, zu viele Komplikationen und das Risiko, bei den Chefs unangenehm aufzufallen.

Aber seitdem ließ Zach der Gedanke an das erste Lächeln und die erste Berührung nicht mehr los.

Sie ist einfach absolut faszinierend, dachte er mit einem fast vorwurfsvollen Blick auf die Frau auf seinem Beifahrersitz.

Er brauchte nur ihr Lachen zu hören, schon musste er an die Begegnung im Fahrstuhl denken. Und jedes Mal, wenn sie ihn anlächelte, erinnerte das Grübchen ihn an seine Schwäche. Die Frau schaffte, was noch keiner gelungen war: Sie lenkte ihn von seiner Arbeit ab. Das durfte nicht passieren. Seine Kindheit hatte ihm gezeigt, was aus einem Mann wurde, der sich durch eine Frau, durch die Liebe vom Kurs abbringen ließ.

Warum um alles auf der Welt hatte er ausgerechnet Allison um Hilfe gebeten?

Weil sie die Einzige ist, der ich es zutraue. Und solange er dieses Abendessen als Teil seines Jobs ansah, würde er es vielleicht überstehen.

„Wann kommt Martha wieder?“, fragte Zach. Je früher Allison die Firma verließ, desto besser. Spätestens dann würde er sie vergessen können.

„Am Montag. Aber ich bleibe noch ein, zwei Tage, damit die Übergabe klappt.“

„Gut. Dass es ihr besser geht, meine ich.“

„Ja.“

Freute sie sich etwa nicht, den Job zu wechseln? Wäre sie lieber geblieben? „Haben Sie je daran gedacht, eine feste Stelle anzunehmen? Nicht bei Knox …“ Auf keinen Fall bei Knox! „sondern in irgendeiner anderen Firma, in der Sie sich nach oben arbeiten …?“

„Nein“, unterbrach Allison ihn scharf und lächelte verlegen. „Aufstiegsleitern sind nichts für mich. Ich habe Höhenangst. Und ich mag die Aushilfsjobs. Ich lerne immer wieder neue Menschen kennen … Auf die Weise langweile ich mich nie.“

Es klang plausibel, aber er glaubte ihr nicht. Wer verzichtete freiwillig auf eine Karriere? Auf beruflichen Erfolg? Für Zach war das alles die treibende Kraft in seinem Leben. Es motivierte ihn ungemein: Wie ein Sprinter auf der Bahn schaute er immer wieder über die Schulter, um nicht kurz vor dem Ziel noch überholt zu werden …

Diesmal würde er als Erster die Linie überqueren. Er stand kurz davor, das Geschäft mit Collins abzuschließen, wenn nicht heute, dann in wenigen Tagen. Der Auftrag würde ihm helfen, Bob Henderson im Kampf um die Position des Verkaufsdirektors auszustechen. Da war er ganz sicher, und ein Vamp wie Riana Collins würde ihn nicht davon abhalten.

Doch dann schlug Allison die Beine übereinander, und wie von selbst fiel sein Blick auf die Spitze am Rocksaum und die schlanken Waden darunter. Konnte es sein, dass seine auf den ersten Blick so geniale Lösung gefährlicher war als das Problem selbst?

„Sie sind hier verabredet?“, fragte Allison, als Zach auf den Parkplatz des Jazz Klubs einbog.

Er konnte ihr nicht verdenken, dass sie ungläubig klang. „Ja, seit feststeht, dass James nicht kommen kann.“

Später am Abend würde der Laden überfüllt sein mit Leuten, die Martinis tranken und dem Blues lauschten. Jetzt aber, gegen sechs, war er ziemlich leer und ideal für ein intimes Essen zu zweit.

Vielleicht schlug sein Herz deshalb schneller, als er ausstieg und um den Wagen ging, um die Beifahrertür zu öffnen. Allison wirkte überrascht, und er fluchte leise. Warum tat er das? Er hatte Allison mitgenommen, um Riana daran zu erinnern, dass ihre Beziehung rein geschäftlich war? Aber wer erinnerte ihn daran, dass das auch für ihn und Allison galt?

Das war doch gar nicht nötig. Diese Sache war höchstens ein einmaliger Ausrutscher, dachte er, noch während ihr Erdbeerduft ihn erneut in Versuchung führte, den Ball aus den Augen zu verlieren.

So hätte sein Vater es ausgedrückt. Nathan Wilder wusste, wie kostspielig ein einziger Ausrutscher sein konnte. Er war auf der Highschool Quarterback gewesen und hatte eine sportliche Karriere auf dem College vor sich gehabt, als er den Blick vom Ball nahm. Als er den Fehler beging, seine Freundin zu schwängern. Nathans verbitterte Worte hallten in Zachs Kopf wider.

Ich hätte alles haben können …

Nathan war kein besonders guter Vater gewesen, aber er hatte Zach eine unvergessliche Lektion erteilt. Sein Sohn würde keine Fehler begehen. Nichts und niemand würde ihn daran hindern, seine Ziele zu verwirklichen. Nicht Riana Collins’ unerwünschtes Interesse an ihm und auch nicht sein unerwünschtes Interesse an Allison Warner.

Um den peinlichen Moment zu überspielen, erzählte er ihr von Collins Jewellers und ihren High-End-Filialen in Chicago und New York. Den Prominenten, die den sündhaft teuren Schmuck auf den roten Teppichen aller Welt trugen. Das Prestige, das dieser Auftrag Knox Security einbringen würde.

Sein eigenes Motiv erwähnte er nicht. Dass er sich davon die erhoffte Beförderung versprach, brauchte sie nicht zu wissen. Erst als sie etwas erwiderte, das er nicht verstand, merkte er, dass er einen Schritt vor ihr war.

„Wie bitte?“ Er ging langsamer, bis sie ihn einholte.

„Bei Knox reden alle von diesem Auftrag …“ Sie zuckte mit den Schultern. „Deshalb habe ich im Internet recherchiert.“

Abrupt blieb er stehen. „So?“

Damit hatte er nicht gerechnet. Sie war eine Aushilfe, niemand erwartete von ihr Eigeninitiative. Ihr Job bestand darin, die Kunden mit einem Lächeln zu begrüßen, ans Telefon zu gehen, Anrufe weiterzuleiten und Kaffee zu servieren. Sie hatte selbst zugegeben, dass sie nicht ehrgeizig war. Wie kam sie dazu, Nachforschungen über potenzielle Kunden anzustellen?

„Ich habe James Collins’ Namen in ein paar Suchmaschinen eingegeben. Aber das hilft Ihnen heute Abend wohl nicht.“

„Nein. Ich gehe lieber unvoreingenommen in geschäftliche Gespräche.“

Sie zog die Augenbrauen hoch. „Und Sie haben mich auch nicht mitgenommen, weil ich so viel weiß, oder?“

Sie hatte recht. Er hatte sie nicht wegen ihres scharfen Verstands eingeladen. Er hatte gehofft, dass allein Allisons Anwesenheit Riana bremsen würde.

„Was genau soll ich tun?“, fragte sie.

Falls Riana so unverfroren war, trotzdem mit ihm zu flirten, würde er diskret andeuten, dass die Beziehung zwischen ihm und Allison nicht rein beruflich war. Und hoffen, dass die Juwelierstochter die Botschaft verstand. Vorhin hatte er den Plan noch gut gefunden, jetzt war er nicht mehr so sicher.

„Wie gesagt, ich brauche jemanden, der für eine professionelle Atmosphäre sorgt.“

„Okay, aber wer soll ich sein?“

„Seien Sie einfach nur Sie selbst, Allie.“ Sie lächelte, und er hätte sich treten können. Allison. Sie hieß Allison, nicht Allie. Sie bei ihrem Kosenamen zu nennen wirkte viel zu vertraulich. Vielleicht sollte er sie mit Miss Warner ansprechen. „Eine Kollegin, mehr nicht.“

Ihr Lächeln sagte mehr als tausend Worte, und er hätte schwören können, dass sie … „Sie genießen das hier, nicht wahr?“ Er trat zur Seite, um einem anderen Paar Platz zu machen. Die beiden trugen Kostüm und Anzug, hatten sich untergehakt. Der Kopf der Frau lag an der Schulter des Mannes. Kein Zweifel, sie trafen sich nach der Arbeit zu einem romantischen Rendezvous.

Allison blickte ihnen nach, mit dem verträumten Ausdruck, den Frauen bekamen, wenn eine Liebeskomödie über die Leinwand flimmerte. Als gäbe es im wahren Leben auch immer ein Happy End. Aber vielleicht bildete er es sich auch nur ein, denn als sie ihn ansah, kniff sie die Augen zusammen. Er fühlte sich ertappt …

„Was? Ihre Verlegenheit?“, entgegnete sie. „Ein bisschen vielleicht. Aber glauben Sie allen Ernstes, meine Anwesenheit beeindruckt jemanden wie Riana Collins? Solange sie glaubt, dass wir beide eine rein berufliche Beziehung haben?“

Zach lag richtig. Sie genoss die Situation mehr, als ihr lieb war. Und wenn schon, sagte Allison sich. Ihr blieben noch zwei, drei Tage bei Knox, dann würde sie zur nächsten Firma wechseln. Was konnte schon passieren?

Was machte es, wenn sie davon träumte, dass das hier ein Date mit Zach Wilder war?

Auf die Antwort brauchte sie nicht lange zu warten. Zachs Miene verfinsterte sich. „Stimmt. Riana ist nicht der Typ, der sich von einer subtilen Abfuhr beeindrucken lässt. Außerdem weiß sie, dass ich Arbeit und Vergnügen strikt trenne.“ Er senkte die Stimme so sehr, dass Allison unwillkürlich den Atem anhielt. „Aber seit Sie bei Knox sind, ertappte ich mich immer wieder dabei, wie ich die Ohren spitze, um Ihre Stimme zu hören. Ich suche nach einem Grund, an Ihrem Schreibtisch vorbeizugehen und Sie lächeln zu sehen. Ich weiß, es ist nur eine Frage der Zeit, bis ich nicht länger widerstehen kann …“

Er machte eine Pause. „Klingt das nach einer Geschichte, die Riana glauben würde?“

Allison schluckte. „Ja, das …“ Sie räusperte sich. „Das hört sich überzeugend an.“

Ob es Riana Collins überzeugen würde, wusste sie nicht, aber sie hatte ihm jedes Wort geglaubt. Sie war versucht, sich an ihn zu schmiegen, um nicht nur den erregenden Duft seines Aftershave einzuatmen, sondern die Wärme seiner Haut zu spüren. Der Puls dröhnte in ihren Ohren wie die Bässe aus einer Lautsprecherbox. Eigentlich hätte sie von Kopf bis Fuß vibrieren müssen. „Also … sollten wir beide uns überlegen, wie wir heute Abend auftreten.“

Zach starrte auf ihren Mund, und ohne zu überlegen strich sie mit der Zunge über ihre Unterlippe, als würde sie ihn dort schmecken. Sie zu küssen wäre ganz und gar nicht subtil. Im Gegenteil, es wäre verwegen, indiskret, unmissverständlich … Und unnötig, da Riana nirgendwo in Sicht war. Aber Allison bekam den Gedanken nicht mehr aus dem Kopf.

Was für ein Küsser mochte er sein? Zu seiner Persönlichkeit würde ein kurzer, flüchtiger Kuss passen. Einer, der seinen Zweck erfüllte. Aber irgendwie glaubte sie das nicht. Sie kannte den Mann nicht, aber ihr Herzklopfen verriet, dass sie genau wusste, wie er küsste.

„Allie …“

Seine raue Stimme war wie ein Streicheln. Mit angehaltenem Atem wartete sie darauf, dass er den Kopf senkte. Sie schwankte leicht und hob eine Hand, um sich an ihm festzuhalten.

„Zach?“

Allison erstarrte. War das ihre Stimme? Nein, sie hätte vor Anspannung kein Wort herausbekommen. Und so heiser hatte sie zuletzt geklungen, als ihre Stimmbänder entzündet waren.

Zach schaute über ihre Schultern und blinzelte. Nur weil sie so dicht vor ihm stand, hörte sie seinen verärgerten Seufzer. Dann legte er eine Hand auf ihre Schulter und drehte sie zu Riana Collins um.

Allisons Augen wurden groß. Sie hatte angenommen, dass die Frau nur deshalb kein Nein akzeptierte, weil sie die verwöhnte Erbin eines Juwelenimperiums war. Aber Riana war nicht nur das, sie sah auch noch absolut hinreißend aus.

In dem roten Kostüm, das ihre verführerische Figur betonte, wirkte sie wie ein exotisches Supermodel. Das dunkle Haar fiel ihr auf die Schultern und umspielte ein makelloses Gesicht mit hohen Wangenknochen, Schlafzimmerblick und vollen Lippen. Als sie näherkam, glitzerte ihr Schmuck an den Ohren und Handgelenken wie in den Werbespots für Collins Jewellers.

Das also war die Frau, der Zach widerstehen wollte.

Hätte Allison es nicht besser gewusst, hätte sie Zach für gefühlskalt gehalten. Für leidenschaftslos und berechnend. Aber gerade eben hatte sie in seinem Blick etwas anderes gelesen. Es war echtes Verlangen gewesen. Kein Zweifel, der Mann war kein Roboter, sondern aus Fleisch und Blut.

Davon war jedoch nichts zu erkennen, als er die atemberaubende Brünette begrüßte. „Riana.“ Seine Stimme klang sachlich, sein Gesichtsausdruck war höflich, aber distanziert. „Schön, dass Sie gekommen sind.“

„Das finde ich auch, Zach.“ Rianas Blick wurde eisig, als sie Allison ansah. „Mir war nicht klar, dass Sie jemanden mitbringen wollten.“

„Knox liegt sehr viel daran, mit Ihnen und Ihrem Vater ins Geschäft zu kommen.“ Zach legte eine Hand an Allisons Rücken und schob sie behutsam vor. „Daher bieten wir unser bestes Team auf.“

Allison konnte nur hoffen, dass Riana Collins nicht nachfragte, wie er das meinte. Sie bezweifelte, dass der Titel „Beste Aushilfssekretärin“ die Frau sonderlich beeindrucken würde. Mit einem freundlichen Lächeln streckte sie die Hand aus. „Ich bin Allison Warner. Schön, Sie kennenzulernen, Miss Collins.“

Riana Collins wirkte nicht gerade erfreut, und daran änderte sich auch nichts, als sie das Restaurant betraten und zu einem Tisch geführt wurden. Er stand ein wenig abseits und war eindeutig für zwei Personen gedacht. Dem dritten Gedeck war anzusehen, dass es in letzter Minute geordert worden war. Zach ließ Allison keine andere Wahl, als sich neben ihn zu setzen.

Und nicht nur das. Er sah Allison jedes Mal in die Augen, bevor er Riana einen Blick zuwarf, legte eine Hand auf ihre Rückenlehne und streifte auf dem Tisch ihre Finger, sobald sich die Gelegenheit dazu bot.

Zuerst nahm sie an, dass er subtil sein wollte, doch sie merkte schnell, wie sehr sie sich täuschte. Die Hand an ihrer Schulter hätte eine kollegiale Geste sein können – bis sie seinen Daumen an ihrem Halsansatz fühlte und die Reaktion ihres Körpers alles andere als subtil ausfiel.

Offenbar war es Riana nicht entgangen. Ihre dezent geschminkten Augen wurden schmal.

Nachdem sie ein wenig Small Talk gemacht und bestellt hatten, kam Zach sofort zur Sache und beschrieb, welche Sicherheitspakete Knox anbieten konnte. Riana nickte an den richtigen Stellen und stellte sogar ein paar interessierte Fragen.

Nach einer Weile musterte sie Allison neugierig. „Sie sind ja so still, Allison. Ich würde gern hören, wie Sie darüber denken.“

Allison spürte, wie Zach neben ihr erstarrte. Sie ahnte, was er dachte. Er befürchtete, dass sie jetzt alles verdarb. Sie wehrte sich gegen die Panik und konzentrierte sich auf die Namen, die sie beim Kopieren, Zusammenheften und Lochen gelesen hatte. Ein gutes Gedächtnis hatte sie immer gehabt. Und eine schnelle Auffassungsgabe. Die brauchte man, wenn man sich regelmäßig in einen neuen Job einarbeiten musste.

„Zu unseren Kunden zählen einige der renommiertesten Unternehmen in dieser Gegend“, begann sie und zählte die Namen auf, die sie erst kürzlich auf einer Liste gelesen hatte – unter anderem eine Edelboutique, eine Möbelkette und ein Bürokomplex ganz in der Nähe des Standorts, an dem Collins Jewellers die neue Filiale eröffnen wollte. „Sie werben in Ihrer aktuellen Kampagne zu Recht um anspruchsvolle Kunden. Und genau das tut Knox auch. Wer Wert auf ein zuverlässiges Sicherheitskonzept legt, ist bei uns bestens aufgehoben.“

Zum ersten Mal an diesem Abend registrierte sie, wie Zach sich neben ihr entspannte. Und als er ihr unauffällig, aber anerkennend zunickte, unterdrückte sie nur mit Mühe ein zufriedenes Lächeln.

2. KAPITEL

Als sie das Restaurant verließen, war es dunkel. „Ich bin Ihnen etwas schuldig“, sagte Zach kurz darauf und sah Rianas Jaguar nach, bevor er um eine Ecke verschwand.

„Nein, das sind Sie nicht“, widersprach Allison. „Es hat mir Spaß gemacht.“

Ihr Lächeln bewies, dass sie nicht log. Auf dem Weg zu seinem Wagen fragte er sich, wann er seine Arbeit zuletzt als Spaß empfunden hatte. Vermutlich war das noch nie der Fall gewesen.

Doch als Allison sich an der Beifahrertür zu ihm umdrehte, war er versucht, ihr Lächeln zu erwidern. Gegen seinen Willen gestand er sich ein, dass der Abend … angenehm gewesen war. Vielleicht sogar mehr als das.

Natürlich lag das auch daran, dass er sie immer wieder berührt hatte. Und jetzt wusste er nicht, wie er das Verlangen, das ihre Nähe in ihm auslöste, wieder eindämmen sollte. Aber vielleicht musste er das gar nicht.

Allison blieb nur noch zwei Tage bei Knox Security. Sie würde den nächsten Job antreten, und er … hatte zu viel zu tun, um an eine ernsthafte Beziehung zu denken.

Wer sagt denn, dass sie ernsthaft sein muss?

Zach verdrängte die Frage, öffnete ihr die Tür, stieg selbst ein und fuhr vom Parkplatz.

„Trotzdem bin ich Ihnen etwas schuldig. Woher wissen Sie, welche Kunden unser Unternehmen betreut?“

„Ich habe vor ein paar Tagen eine Liste kopiert.“

„Und sich alle gemerkt?“

„Ja“, antwortete sie nur.

Er schaute kurz zu ihr hinüber. Ihre Selbstsicherheit imponierte ihm. Sie prahlte nicht. Sie wusste einfach nur, was sie konnte. „Dass der Abend ein Erfolg war, ist vor allem Ihnen zu verdanken.“

„Was wäre ich für eine Freundin, wenn ich Ihnen nicht helfen würde?“

Ja, was wäre sie für eine Freundin? Würde sie es verstehen, wenn er bis zum späten Abend im Büro blieb? Wenn sein beruflicher Erfolg ihm manchmal wichtiger war als ihre Bedürfnisse? Oder würde sie mehr erwarten – mehr Zeit und Aufmerksamkeit, als er ihr geben konnte? Unwillkürlich packte er das Lenkrad fester. „Allie …“

„Entspannen Sie sich, Zach. Das war ein Scherz. Ich weiß, dass Sie keine Beziehung wollen.“

„Richtig.“

„Sie leben nur für Ihre Arbeit.“

„Ich bin …“

„Sie haben keine Zeit, sich zu amüsieren.“

„Na ja …“

„Und Sie wären ein schrecklicher Freund“, verkündete Allison, als er in die Tiefgarage einbog. Sekunden später hielt er neben ihrem Wagen, einem limonengrünen VW-Käfer, und stellte den Motor ab. Sie drehte sich zu ihm. Offenbar erwartete sie, dass er ihr zustimmte.

Und genau das würde ein kluger Mann jetzt tun, dachte Zach beim Aussteigen. Denn alles, was sie gesagt hatte, stimmte. Doch als er ihr aus dem Wagen half, hörte er sich etwas fragen, das er besser nicht fragen sollte. „Wie kommen Sie eigentlich darauf?“

Verwirrt sah sie ihn an. „Ich kenne Ihren Ruf.“

„Aber mich kennen Sie nicht.“ Was war los mit ihm? Was redete er da?

Allisons Augen wurden groß, als er einen Schritt auf sie zumachte. Plötzlich sah sie besorgt aus. „Ich …“

„Wir beiden hatten noch nie ein echtes Date.“

„Natürlich nicht.“

„Und wir haben uns nie geküsst.“

„Nein, aber …“

„Nie miteinander geschlafen.“

Ihre Wangen röteten sich ein wenig. „Ganz sicher nicht.“

Sie wich zurück und stieß gegen den Wagen.

„Und vielleicht wäre ich ein schlechter Freund, aber einige Dinge kann ich sehr gut.“

Er kam auf sie zu, aber Allison blieb, wo sie war. Er schien ihr Zeit lassen zu wollen und bewegte sich langsam.

Aber nicht langsam genug, um sich zu fragen, was er vorhatte. Er senkte den Kopf und starrte auf ihre geöffneten Lippen. Aber da war noch etwas …

Das Grübchen, das immer dann erschien, wenn sie lächelte. Jetzt tat sie es zwar nicht, aber er konnte trotzdem nicht widerstehen. Mit seinen Lippen streifte er die Stelle an ihrer Wange, als könnte er damit das Grübchen hervorzaubern.

Dann strich sein Atem über ihren Hals und die zarte Haut unter ihrem Kinn. Wie von selbst legte sich ihr Kopf in den Nacken. Sie flüsterte seinen Namen, und auch wenn Zach es nicht wollte, er hörte heraus, wie sehr sie sich nach dem Kuss sehnte. Er gab der Versuchung nach und tat es einfach, ohne an die Folgen zu denken.

Allison hob die Arme, schob eine Hand in sein Haar und griff mit der anderen nach seiner Krawatte …

Das Verlangen, das in ihm pulsierte, wurde übermächtig. Er ließ seine Hände von ihren Hüften in gefährlicheres Territorium gleiten und wusste nicht, wie weit er sich vorgetraut hätte, wenn sich nicht einige Reihen entfernt die Alarmanlage eines Wagens eingeschaltet hätte.

Zach empfand es wie das Schrillen eines Weckers. Er befand sich in einer Tiefgarage und war dabei, Allison Warner … Und zwar nicht in irgendeiner Tiefgarage, sondern in der, die zu Knox Security gehörte. Also an einem Ort, an dem jeden Moment ein Kollege auftauchen konnte. Oder schlimmer noch, sein Chef.

Zach hob den Kopf und atmete tief durch. „Allison …“

„Wir müssen aufhören“, erwiderte sie und tauchte unter seinem Arm hindurch, bevor er protestieren konnte. Ihr Gesicht war gerötet, die Lippen waren geschwollen, ihre Brust hob und senkte sich immer schneller, und Zach musste sich beherrschen, um sie nicht wieder an sich zu ziehen. „Das hier ist verrückt! Wir sind an unserem Arbeitsplatz! Ich habe nur noch ein paar Tage und …“

„Ein paar Tage“, wiederholte er, als sie verstummte.

„Ja. Donnerstag ist mein letzter.“

In ihren Augen las er, was sie nicht aussprach.

Nur noch wenige Tage, und sie wäre nicht mehr bei Knox beschäftigt. Keine Kollegin mehr. Die rote Ampel, vor der sein Verstand in letzter Sekunde gebremst hatte, wurde grün … „Allison, versteh mich nicht falsch, aber ich kann es kaum erwarten, dich gehen zu sehen.“

„Wie war das Treffen mit James Collins?“, fragte Daryl Evans.

„Er musste absagen“, erzählte Zach. „Aber Riana ist gekommen.“

„Aha.“

Die Antwort klang neutral, doch Zach hörte heraus, was sein Chef nicht sagte. Riana arrangierte die Treffen, aber ihr Vater traf die Entscheidungen. Ohne eine Besprechung mit dem Mann selbst würde es keinen Abschluss für Knox Security geben. Wie groß waren seine Chancen, befördert zu werden, wenn er vorher nicht den größten Auftrag seiner Karriere an Land zog?

„Heute Abend findet die Charity-Veranstaltung für die Krebsforschung statt. Riana sitzt im Festkomitee und hat mir versichert, dass ihr Vater daran teilnimmt.“ Zach hasste Anlässe, bei denen er einen Smoking tragen musste, und ein überfüllter Ballsaal war nicht der ideale Ort, um James Collins sein Sicherheitskonzept zu präsentieren. Aber wenigstens war es eine Chance, den Mann persönlich zu treffen.

Daryl nickte und sah sich im Büro um.

„Kann ich sonst noch etwas für Sie tun?“, fragte Zach nach einem Moment.

Warum interessierte sein Vorgesetzter sich plötzlich so für die Einrichtung des Büros? Seit Zach es vor fünf Jahren bezogen hatte, sah es so aus wie jetzt. Den größten Teil der Fläche nahm der Schreibtisch ein. Außerdem gab es einen Aktenschrank und eine hölzerne Säule, auf der eine Blattpflanze stand, die nur deshalb überlebte, weil das Reinigungspersonal sie einmal in der Woche goss. Keine Bilder, keine Erinnerungsstücke, keine Trophäen zierten die beigefarbenen Wände. Zach hielt sein Privatleben – jedenfalls das bisschen, das er hatte – strikt von der Arbeit getrennt.

Nur gestern Abend nicht, als er Allison in der Tiefgarage geküsst hatte. An ein Date mit ihr zu denken war verrückt, und doch hatte er es getan. Mehr noch, er hatte sich zu einer Bemerkung hinreißen lassen, die andeutete, dass er … etwas mit ihr anfangen wollte.

„Da ist noch etwas zum Collins-Projekt.“

Daryls Worte holten Zach abrupt in die Gegenwart zurück. „Riana hat erzählt, dass Knox in der engeren Auswahl ist. Aber den Auftrag bekommen wir nur, wenn unsere Präsentation besser ist als die der Konkurrenz.“

Sein Chef schwieg. Nicht gerade eine Ermutigung. Zach brauchte keine, aber befürchtete der Mann etwa, dass er diese Chance nicht nutzen würde? „Sie wissen, wie wichtig mir diese Präsentation ist.“

„Sie ist für die ganze Firma wichtig, Zach“, erwiderte Daryl und erinnerte Zach damit an die Vorwürfe, die er schon mal gehört hatte.

Kein Teamplayer … zu eigensinnig … arbeitet ungern mit anderen zusammen …

Völlig richtig! Er arbeitete hart und hatte keine Lust, sich von anderen bremsen zu lassen. Zach atmete tief durch. „Ich weiß. Aber machen Sie sich keine Sorgen. Ich habe den Auftrag so gut wie in der Tasche.“

„Ich glaube, diesmal brauchen Sie Hilfe.“

„Wie bitte?“ Zach stand so schnell auf, dass sein Stuhl nach hinten rollte und gegen die Wand prallte. „Das können Sie nicht …“ Er brach ab, als er den entschlossenen Blick seines Chefs sah, und unternahm einen neuen Versuch. „Hören Sie, Daryl“, begann er so gelassen wie möglich. „Das Collins-Projekt ist mein Baby. Ich habe es von Anfang betreut und viele Monate daran gearbeitet. Wenn jetzt ein anderer Verkäufer …“

„Ich habe nie gesagt, dass es ein anderer Verkäufer sein muss. Einer der Verkaufsassistenten kann Sie unterstützen.“

Zach unterdrückte ein verächtliches Schnauben. Die Assistenten waren intrigante Streber. Jeder einzelne von ihnen war scharf auf seinen Job und würde alles tun, um ihn zu verdrängen!

„Oder eine Sekretärin. Jemand, der Ihnen helfen kann, die Zahlen und Details für die Präsentation zusammenzustellen.“

Eine Sekretärin. Auch das gefiel Zach nicht. Er arbeitete allein – das hatte er immer getan. Aber sein Chef schien darauf zu bestehen. Und wenn ihm schon jemand über die Schulter schaute, dann wenigstens eine Mitarbeiterin, die danach nicht seine Lorbeeren ernten würde.

„Na gut“, gab er nach. „Wenn Sie meinen, dass es etwas bringt.“

„Wunderbar.“ Daryl strahlte, als hätte er Zach nicht gerade erpresst. „Und ich habe die ideale Kandidatin dafür. Allison Warner.“

„Allie … Allison?“, entfuhr es Zach. Zum Glück saß er noch nicht wieder, sonst wäre er aufgesprungen, als hätte ihn etwas in den Hintern gebissen. „Aber sie ist …“

„Sie ist was?“

Ein halbes Dutzend Beschreibungen lag Zach auf der Zunge, aber keine davon ging Daryl etwas an. „Sie ist eine Aushilfe und arbeitet nur noch zwei Tage hier. Danach ist sie …“

Verfügbar.

„… weg“, beendete er den Satz.

„Ich weiß. Genau das macht das Timing ja so perfekt. Wenn Martha wieder da ist, brauchen wir Allison nicht mehr am Empfang. Sie hat mir erzählt, dass sie noch keinen Anschlussjob hat, also bleibt sie bestimmt gern bei uns. Wenn Sie Glück hat, könnte dabei sogar eine Festanstellung herausspringen.“

Festanstellung. Bei der Vorstellung, Allison jeden Tag zu sehen, brach Zach der Schweiß aus. Die letzten zwei Monate waren schlimm genug gewesen – und das, bevor er sie geküsst hatte.

Wie sollte er mit ihr arbeiten, wenn er nur zu gut wusste, wie herrlich es war, sie in den Armen zu halten?

Ich schaffe es, dachte Zach grimmig. Er hatte noch nie Probleme gehabt, sich auf seinen Job zu konzentrieren. Und daran würde sich auch dann nichts ändern, wenn er mit Allison Warner zusammenarbeiten musste.

Ich kann es nicht erwarten, dich gehen zu sehen.

Das war nicht gerade der romantischste Satz, den Allison je gehört hatte. Aber jedes Mal, wenn sie daran dachte, erinnerte sie sich an seine sinnliche Stimme, das Verlangen in seinem Blick und seine zärtlichen Berührungen. In einer Hinsicht hatte sie sich nicht getäuscht: Zach Wilder wusste, wie man küsste.

Und sie sehnte sich nach mehr. Dabei wusste sie gar nicht, was er wollte. Eine Beziehung? Oder nur die Chance, zu beenden, was er in der Tiefgarage begonnen hatte?

Allison wusste nur, was sie auf keinen Fall wollte: eine Affäre am Arbeitsplatz. Daher betete sie, dass die nächsten Tage wie im Flug vergehen würden.

Als sie am Freitagmorgen ihre Handtasche im Schreibtisch verstaute, ertönte hinter ihr eine Männerstimme. „Hi, Allison. Daryl möchte Sie sehen.“

Erstaunt sah sie über die Schulter. „Warum das denn?“

Brett Michael, einer der Verkaufsassistenten, grinste. „Warum sollte jemand Sie nicht sehen wollen? Für mich sind Sie wie ein Sonnenstrahl.“

„Sagen Sie nicht, Martha fällt auf so etwas herein.“

„Natürlich nicht.“ Er fröstelte. „Und genau deshalb macht mir diese Frau Angst.“

„Weil sie die Einzige ist, die Ihrem billigen Charme widersteht.“

„Autsch. Das tat weh. Wie soll ich jemals Karriere machen, wenn mein Charme nicht ankommt?“ Er zwinkerte ihr zu und ging den Korridor entlang.

Allisons Lächeln verblasste. Warum sollte Daryl Evans sie sprechen wollen? An ihrem ersten Tag bei Knox hatte Martha sie dem Abteilungsleiter vorgestellt. Mit seiner Hornbrille und den grauen Schläfen erinnerte er sie an einen Professor am College. Er begrüßte sie stets freundlich, und wenn er Kaffee, Unterlagen oder Kopien brauchte, bat er höflich darum, anstatt sie von oben herab zu behandeln. Das war unter Vorgesetzten selten.

Aber abgesehen davon hatte Allison nur selten Kontakt mit Daryl. Erst recht keinen, der eine Besprechung in seinem Büro erforderte. Vielleicht wollte er sich nur verabschieden und ihr viel Glück im neuen Job wünschen.

Oder steckte doch etwas anderes dahinter? Ihr Herz schlug schneller, als sie sich seiner Tür näherte. Bisher hatte sie von ihren Arbeitgebern stets positive Beurteilungen bekommen, und bis jetzt hatte sie auch bei Knox damit gerechnet.

Sie hatte gute Arbeit geleistet und keine schlimmen Fehler begangen … bis gestern Abend. Hatte jemand sie und Zach in der Tiefgarage gesehen?

Mit angehaltenem Atem klopfte sie und ging hinein.

„Guten Morgen, Brett hat mir gesagt, Sie …“

Sie verstummte schlagartig. Vor Daryls Schreibtisch saß Zach. Seine Stirn lag in Falten. „Zach“, sagte sie leise.

Er nickte ihr zu. „Allison.“

Sie sah ihn an und versuchte, in seinem Gesicht zu lesen. Aber wonach sie auch suchte, in der kühlen, geschäftsmäßigen Miene war es nicht zu finden. Nichts erinnerte an den Mann, der sie so zärtlich geküsst hatte. Gegen ihren Willen war sie enttäuscht. Was absurd war. Sie kannte ihn doch kaum. Ihre Gefühle für ihn waren nichts als eine alberne Schwärmerei. Und sie war keine sechzehn mehr.

„Brett hat mir gesagt, dass Sie mich sprechen möchten.“

„Nehmen Sie doch Platz“, sagte Daryl lächelnd.

Sie tat es. Vor ihr musste Zach auf dem Besucherstuhl gesessen haben, denn das Polster war noch warm. Zusammen mit dem Duft seines Aftershave löste es etwas in ihr aus, mit dem sie nicht rechnete – ihre Lippen begannen zu kribbeln, die Bauchmuskeln zitterten, und obwohl sie nicht mehr stand, wurden die Knie weich.

Neben ihr verschränkte Zach die Arme. Zach Wilder, ehrgeizig, solide, willensstark, unnahbar …

Plötzlich musste Allison an eine andere Besprechung denken. Eine, zu der sie ebenso nichts ahnend und naiv gegangen war. Plötzlich fühlte sie sich wieder in die Enge getrieben, wie gefangen in ihrer eigenen Haut. Sie zwang sich, tief durchzuatmen und die Erinnerung an Kevin zu verdrängen. Erst danach konnte sie klar denken.

Lass los. Vergiss es. Vergiss alles.

Wenn sie während ihrer Zeit in New York eins gelernt hatte, dann war es die Fähigkeit, selbst in den kritischsten Situationen nicht die Fassung zu verlieren. Sie hob das Kinn, straffte die Schultern, setzte sich kerzengerade hin und machte sich auf etwas Unangenehmes gefasst.

Doch plötzlich schien ihr Sichtfeld eingeschränkt zu sein. Sie sah nur Zachs blaues Hemd, die gebräunten, muskulösen Arme unter den hochgekrempelten Ärmeln, den schwarzen Ledergürtel an der schmalen Taille, die perfekt gebügelte graue Hose.

Und den schmalen Mund, der seine Anspannung verriet.

„Dienstag ist Ihr letzter Tag bei Knox Security“, begann der Abteilungsleiter.

„Das stimmt“, bestätigte sie.

Er lehnte sich im Chefsessel zurück und musterte sie über die polierte Oberfläche des gewaltigen Schreibtischs hinweg. „Bestimmt freut es Sie, dass Knox Ihren Vertrag verlängert hat. Allerdings nicht als Empfangssekretärin. Sie werden befördert.“

Befördert. Woher sollte Daryl wissen, dass sie nur deshalb als Aushilfskraft arbeitete, weil sie genau das nicht wollte? Nie wieder wollte sie die Karriereleiter hinaufklettern. Denn je höher man stieg, desto tiefer fiel man. Das hatte sie auf die harte Tour gelernt. „Danke, Daryl. Aber …“

„Sie schaffen das“, versicherte er so väterlich, dass es ihr einen Stich versetzte.

Der Schmerz erinnerte sie daran, warum sie ablehnen musste. Sie hatte dem beruflichen Erfolg schon viel zu viel von ihrem Privatleben geopfert. „Ich kann nicht. Wirklich nicht.“

„Natürlich können Sie.“ Er schob einen Hefter in ihre Richtung. „Mit Ihrer Zeitarbeitsfirma ist alles geklärt. Sie schaffen das, Allison“, wiederholte er.

Seine Zuversicht bereitete ihr Unbehagen. Sie erledigte die Jobs, für die sie bezahlt wurde, und tat das auch gut.

Warum fühlte sie sich dann in diesem Moment wie ein Störenfried? Sie hatte nichts falsch gemacht. Aber vielleicht war das gar nicht das Problem. Vielleicht lag es nicht an dem, was sie getan hatte. Sondern an dem, was sie nicht getan hatte. Vielleicht machte sie zu wenig aus sich.

„Sie sind die ideale Assistentin“, fuhr Daryl mit einem Blick auf Zach fort.

Assistentin.

Erst jetzt begriff Allison, was Daryls Worte und Zachs Anwesenheit bedeuteten. Sie sollte mit Zach zusammenarbeiten. Wie sollte sie das tun, wenn ihr Herz zu klopfen begann, sobald er nur in ihre Nähe kam? Wenn sie an nichts anderes denken konnte als daran, ihn zu …?

„Meinen Sie nicht auch, Zach?“

Die Frage verriet ihr, dass Zach absolut nicht einverstanden war. Aber er ließ sich nichts anmerken. „Natürlich“, erwiderte er ohne jede Gefühlsregung. „Allison ist ideal. Ich freue mich auf eine professionelle Zusammenarbeit.“

Professionelle Zusammenarbeit.

Als Allison mit Zach das Büro des Abteilungsleiters verließ, tauchte vor ihrem inneren Auge immer wieder dieser Begriff auf, abwechselnd mit der Erinnerung an die Szene in der Tiefgarage …

Sie hätte es sich denken können. Dass Daryl ihren Vertrag verlängert hatte, war eine Überraschung, aber sie war lange genug bei Knox gewesen, um Zachs Ruf zu kennen. An erster Stelle stand der Job. Punkt.

Als eine Freundin mit ihm essen zu gehen war wie ein Märchen gewesen. Eines, das um Mitternacht endete. In ein paar Wochen würde sie Knox Security endgültig hinter sich lassen. Und Zach Wilder. Insgeheim hatte sie davon geträumt, dass er anders war als Kevin. Doch seine eisige Antwort auf Daryls Frage machte jede Hoffnung zunichte. Sie musste realistisch sein. Ab sofort.

„Allison, warte.“

Sie drehte sich nach seiner leisen Stimme um. Er war direkt hinter ihr. Sie machte einen hastigen Schritt zurück, um nicht mit ihm zusammenzustoßen, und stolperte. Sofort griff er nach ihr und legte die Hände um ihre Taille. Genau so, wie in der Tiefgarage. Bevor er sie geküsst hatte …

Allison wurde heiß. Offenbar fühlte auch er es, denn er ließ sie sofort wieder los.

„Allie …“ Er schüttelte den Kopf. „Allison.“

„Du kannst mich ruhig Miss Warner nennen“, flüsterte sie.

Er blinzelte. „Wie bitte?“

„Nichts.“

Das Schweigen zwischen ihnen war voller Anspannung. Bereute er bereits, dass er sie geküsst hatte? Würde er so tun, als wäre es nicht passiert?

Nach einem Moment seufzte er, und eine Sekunde lang spiegelte sich in seinen blauen Augen so etwas wie Bedauern. Doch dann straffte er sich, und sein Gesicht wurde wieder zur professionellen Maske. „Ich arbeite seit fünf Jahren als Verkäufer in dieser Firma, und Daryl hat kein einziges Mal gesagt, dass ich bei einem Kunden Hilfe benötige. Dass er jetzt darauf besteht …“

Wieder schüttelte Zach den Kopf, und die Falte zwischen den Augenbrauen vertiefte sich. „Jetzt fühle ich mich wie unter einem Mikroskop und kann nichts dagegen tun. Ich muss sachlich bleiben und mich auf meine Arbeit konzentrieren, sonst wird es mir als Schwäche ausgelegt.“

Warum machten seine Worte alles nur noch schlimmer? Weil sie bewiesen, dass er den Kuss bereute? Weil Zach gerade zugegeben hatte, dass er darin nichts als eine unverzeihliche Schwäche sah? Eine, zu der er sich nie wieder hinreißen lassen durfte?

„Was gestern Abend passiert ist, war ein Fehler“, fuhr er fort. „Wir beide tun am besten so, als wäre nichts gewesen.“

Allison spürte, wie ihre Wangen sich erhitzten. Zach erwartete, dass sie den Mund hielt und sich nichts anmerken ließ. Genau wie Kevin damals. Aber obwohl ihre langjährige Beziehung mit Kevin nicht mit Zachs einmaligem Kuss zu vergleichen war – und diese Abfuhr nicht mit Kevins Verrat –, wollte sie es ihm nicht so leicht machen.

„Wirklich schade“, sagte sie so unbeschwert wie möglich.

„Was?“

„Dass wir nicht früher von unserer Zusammenarbeit erfahren haben.“

„Das stimmt. Ich bin froh, dass du es auch so siehst“, erwiderte er mit ausdrucksloser Stimme.

Sie schüttelte den Kopf. „Nein, ich glaube nicht, dass ich es so sehe. Weißt du, wenn wir es gewusst hätten, hättest du mich niemals geküsst. Und jetzt musst du vergessen, dass du es getan hast.“

„Und was hättest du getan?“, fragte Zach und klang, als müsste er sich jedes Wort mühsam abringen. „Wenn du gewusst hättest, dass du meine Assistentin wirst?“

„Ich?“ Allison zuckte mit den Schultern. „Ich hätte dich trotzdem geküsst. Aber ich hätte dabei alles getan, damit du es nicht vergisst.“

Es war der perfekte Schlusssatz, und wäre das Leben ein Film mit Allison in der Hauptrolle, hätte sie ihn über die Schulter hinweg und auf dem Weg zum Fahrstuhl von sich gegeben.

Aber das Leben fand nicht auf der Leinwand stand, und ihr wurde klar, dass ihr Timing mal wieder miserabel war. Kein Regisseur rief „Schnitt“. Stattdessen hörte sie, wie eine Tür aufgerissen wurde.

Allison erstarrte. Genau wie Zach. Den Bruchteil einer Sekunde lang sahen sie sich in die Augen, bevor Allison sich umdrehte. Vor ihr stand der Abteilungsleiter.

„Gut, dass Sie beide noch hier sind“, sagte Daryl. Nichts an seinem Gesichtsausdruck verriet, ob er die Anspannung zwischen ihr und Zach spürte. Sie unterdrückte einen Seufzer der Erleichterung. Zu früh. „Zach, was diese Wohltätigkeitsgala betrifft – nehmen Sie Allison mit. Ihre Zusammenarbeit beginnt heute Abend.“

Es ist nur ein Abend.

Zach wiederholte den Satz wie ein Mantra, während er vor dem noblen Hotel in Scottsdale aus dem Wagen stieg und dem Pagen die Schlüssel gab.

Nur ein Abend. Er atmete tief durch und ging zur Beifahrertür. Ich schaffe es, sagte er sich. Ich werde diesen Abend überstehen, obwohl ich ihn mit Allison Warner verbringe, die seit gestern meine angebliche Freundin und seit heute auch noch meine völlig überflüssige Assistentin ist.

Er durfte sich nicht ablenken lassen. Es ging um den Collins-Auftrag und um seine Beförderung … Dies war eine einmalige Chance, und er hatte nicht vor, wie sein Vater zu werden.

Nathan Wilder war ein Träumer gewesen. Aber er hatte nicht von zukünftigen Erfolgen geträumt, sondern von den verpassten Gelegenheiten seiner Vergangenheit. Er war in der Highschool der umjubelte Quarterback gewesen, hatte ein Football-Stipendium bekommen und war im letzten Jahr auf dem Schulball zum Ballkönig gewählt worden.

Ich hätte studieren und Profi werden können …

Dann wäre ich berühmt gewesen und hätte ein Vermögen verdient.

Und selbst als Kind hatte Zach begriffen, warum Nathan Wilder es nicht geschafft hatte.

Ich hätte alles erreichen können … aber dann wurde deine Mutter mit dir schwanger …

Zach war der Grund dafür, dass sein Vater sich immer wie ein Versager gefühlt hatte. Noch immer wurde ihm fast übel, wenn er daran dachte. Er hatte die Videoaufzeichnung des Meisterschaftsspiels gesehen, in dem sein Vater das Team zum Sieg führte. Nathan Wilder schaute sie sich immer an, wenn er getrunken hatte. Als Junge hatte Zach Football gehasst, aber er musste zugeben, dass sein Vater ein großartiger Quarterback gewesen war.

Was wäre aus Nathan geworden, wenn er auf die Universität gegangen wäre? Wenn er Profi geworden wäre, anstatt sich mit einer Ehefrau zu belasten, die er nicht liebte? Und mit einem Kind, das er nicht wollte?

Das war ein Fehler, den Zach nicht machen würde.

Er würde Erfolg haben und niemals jemandem die Schuld daran geben, dass er gescheitert war – weil er nicht scheitern würde.

Und deshalb musste er sich auf sein Ziel konzentrieren und nach dem streben, was er wirklich wollte …

Die Beifahrertür ging auf, und Zachs Blick fiel auf die langen Beine, die ihm nicht mehr aus dem Kopf gegangen waren, seit er Allison zu Hause abgeholt hatte. Das Verlangen fuhr wie ein Blitz in ihn. Er hätte darauf vorbereitet sein müssen, aber er wurde das Gefühl nicht los, dass er mit dieser Frau immer neue Überraschungen erleben würde.

Ihre grünen Augen leuchteten, und das Grübchen an ihrer Wange war nicht zu übersehen, als sie ihm eine Hand entgegenstreckte. „Habe ich schon gesagt, wie sehr ich mich auf das hier freue?“

„Mehrfach“, erwiderte er trocken und musste schlucken, als er ihre seidige Haut an seiner fühlte. Er ging mit ihr in die Hotelhalle und starrte fasziniert auf ihr Kleid, als hätte er es nicht schon gesehen. Es betonte ihre hinreißende Figur, und das schimmernde Material erinnerte ihn an einen Sonnenuntergang in der Wüste. Die Farbe wechselte von Gold über Orange und Rosé zu tiefem Rot … Obwohl er wusste, dass es nur an den glitzernden Kronleuchtern über ihren Köpfen lag, stellte er sich vor, dass das Farbenspiel aus dem Feuer entstand, das in dieser Frau brannte.

Im Ballsaal hatte sich die feine Gesellschaft von Scottsdale versammelt. Die Frauen trugen ihre edelsten Designerroben und funkelnde Brillanten zur Schau, aber Allison überstrahlte sie alle.

„Streiten wir uns?“

Sie beugte sich zu ihm, und außer dem Erdbeerduft des Shampoos stieg ihm auch ihr Parfüm in die Nase. Die Kombination war natürlich und erotisch zugleich – wie sie selbst. Zach brauchte einen Moment, um zu antworten. „Streiten?“, wiederholte er erstaunt.

„Wir brauchen eine Erklärung für deine finstere Miene.“

Im Vorbeigehen lächelte sie einigen Männern an der Bar zu, und er vermutete, dass seine Miene dadurch noch finsterer wurde. Denn ihm entging nicht, wie interessiert sie seine Begleiterin musterten. Allison dagegen schien die aufdringlichen Blicke überhaupt nicht zu bemerken.

„Wir streiten uns nicht“, erwiderte er und wehrte sich mit aller Kraft gegen ein ungewohntes Gefühl. Dass er eifersüchtig war, wollte er sich nicht eingestehen.

Sie tätschelte seinen Arm. „Warum denn nicht? Wir könnten uns hinterher mit einem Kuss versöhnen.“

„Wir streiten uns nicht“, wiederholte Zach scharf. Und einen Kuss würde es nicht geben. Dieser Auftritt diente allein dazu, Riana etwas vorzuspielen und den Collins-Auftrag an Land zu ziehen. Ihr „Date“ erstreckte sich nur auf den Ballsaal, und was danach geschah, hatte ihn jetzt nicht zu interessieren.

Doch dann beging er den Fehler, ihr in die Augen zu schauen. Sofort malte er sich aus, wie er sie nach Hause brachte, zur Tür begleitete, zum Abschied küsste – und sie ihn leise und atemlos fragte, ob er noch mit hereinkommen wollte …

Aber dann rempelte ihn jemand von hinten an, murmelte eine hastige Entschuldigung, und der Moment war vorüber.

Blinzelnd schüttelte Allison den sinnlichen Zauber ab, in dessen Bann auch sie geraten war. „Dann solltest du wenigstens versuchen, so auszusehen, als würdest du diesen Abend genießen.“

„Offenbar genießt du ihn so sehr, dass es für uns beide reicht“, antwortete er und lächelte gequält.

Während der nächsten halben Stunde gab Allison sich alle Mühe, ihm zu beweisen, dass er mit seinem Verdacht richtig lag. Sie summte zur dezenten Hintergrundmusik und klopfte rhythmisch mit dem Fuß auf den Boden. Sie inspizierte sämtliche Gegenstände, die später zugunsten der Krebsforschung versteigert werden sollten, und legte dabei anmutig die Stirn in winzige Falten, als würde sie überlegen, wie viel sie wofür bieten sollte. Sie lauschte aufmerksam und nickte mitfühlend, als einige Ehrengäste der Gala ihre Krankheitsgeschichte erzählten.

Aber anders als Zachs Lächeln, anders als ihre „Beziehung“ war nichts von dem, was Allison sagte oder tat, nur gespielt.

„Was für ein schönes Paar Sie sind“, schwärmte eine weißhaarige Lady, mit der sie sich eine Weile unterhielten.

„Ja, das sage ich auch immer“, erwiderte Allison, als sie der Frau und ihrem Ehemann zum opulenten Büfett folgten. Dann warf sie Zach einen Blick zu, der bei ihm einen Hunger auslöste, der nichts mit den kulinarischen Köstlichkeiten vor ihm zu tun hatte. „Nicht wahr, Liebling?“

„Diese Nummer ziehen wir nur für Riana ab“, flüsterte er, als das Ehepaar außer Hörweite war.

Lächelnd nahm Allison sich eine mit Schokolade überzogene Erdbeere und hielt sie an die Lippen. „Das mag sein, aber ich muss in der Rolle bleiben, um überzeugend zu sein.“

Er starrte auf ihren Mund und wusste, dass er es nicht besser verdiente. Hatte er wirklich geglaubt, sie könnten den Kuss vergessen, nur weil er es so wollte? So etwas gab es nur im Märchen.

Die Realität sah anders aus: Er konnte nicht aufhören, daran zu denken. Die Realität hatte sie in eine Arbeitsbeziehung gedrängt, die in einer Katastrophe enden würde, wenn er nicht sehr vorsichtig war. Doch Allison berührte ihn immer wieder, beiläufig und wie zufällig, aber äußerst wirkungsvoll. Und ihr Lächeln ging ihm jedes Mal unter die Haut. Nein, nach Vorsicht war ihm ganz bestimmt nicht zumute.

Im Gegenteil. Er nahm ihre Hand mit der Erdbeere, von der sie gerade abgebissen hatte, und hob sie an seinen Mund. Ihr verblüffter Blick bereitete ihm mehr Vergnügen, als er sollte. „Du spielst mit dem Feuer“, flüsterte er.

Die Warnung galt auch ihm selbst, aber er ignorierte sie. Als er ihr buchstäblich aus den Fingern aß, raubte ihm das Verlangen fast die Beherrschung. Natürlich bildete er sich nur ein, dass er ihre Lippen an der Erdbeere fühlte und schmeckte. Aber was er sich nicht einbildete, war die leichte Röte an ihren Wangen. Und ihr erhöhter Puls, den er an seinen Fingerspitzen fühlte. Beides bewies ihm, dass Allison zwar eine Rolle spielte, ihre Emotionen aber echt waren.

Die Anziehung zwischen ihnen war mehr als echt … nämlich gefährlich, wenn er sie nicht wieder unter Kontrolle bekam.

Als eine Rückkoppelung für einen schrillen Misston aus den Lautsprechern sorgte, zuckte Allison zusammen und zog ihre Hand aus seiner. Eigentlich hätte Zach dafür dankbar sein müssen, doch das war er nicht.

Enttäuscht schaute er zur Bühne, wo Riana Collins ans Mikrofon trat. In einem tief ausgeschnittenen schwarzen Kleid, das dunkle Haar zu einem Pferdeschwanz gebunden, der ihre exotischen Gesichtszüge zur Geltung brachte, schien sie sich im Scheinwerferlicht wie ein Fisch im Wasser zu fühlen. Warum auch nicht? Lachend, angeregt plaudernd und Champagner trinkend, war sie die vollendete Gastgeberin gewesen und sonnte sich in den bewundernden Blicken der männlichen Gäste.

„Sie sieht hinreißend aus“, sagte Allison, als Riana sich bei den Mitgliedern ihres Komitees bedankte.

„Was soll ich dazu sagen?“, erwiderte Zach.

„Ach, komm schon, Zach. Du bist ein Mann. Und Riana Collins eine tolle Frau. Ich erwarte nicht, dass du …“ Sie brach ab. Vermutlich, weil dies kein echtes Date war und keiner vom anderen etwas erwarten durfte.

Dass sie sich damit abfand, störte ihn. „Heraus damit.“

Ein wenig verunsichert sah sie ihn an. „Vergiss es, okay?“

„Du denkst, ich wäre ein schlechter Freund. Und jetzt traust du mir auch noch zu, dass ich meine Freundin betrüge?“

„Das habe ich nicht gesagt. Außerdem habe ich gar nicht dich gemeint.“

„Wen dann? Wer war er? Der Typ, von dem du nicht erwartet hast, dass er die Augen von tollen Frauen lässt?“

„Jemand, der nicht mehr wichtig ist.“ Sie strich sich das blonde Haar aus der Stirn.

Ihre Augen blitzten. So langsam gewöhnte er sich daran. Es fing sogar an ihm zu gefallen. „Ich hoffe, du hast ihm den Laufpass gegeben.“

„Nicht früh genug.“

„Lass mich raten. Nicht bevor er seine Hände dort hatte, wo sein Blick nichts zu suchen hatte.“

Sie lachte. „So ungefähr. Aber ich sollte Kevin dankbar sein. Ohne ihn wäre ich jetzt nicht hier.“

Wenn das so war, sollte Zach dem guten alten Kevin vielleicht eine Karte schicken. Immer wieder hatte er die bewundernden Männerblicke, die Allison trafen, mit einem Stirnrunzeln quittiert. Natürlich hatte er kein Recht dazu. Das wusste er, aber es änderte nichts daran, dass er sich benahm, als wäre sie tatsächlich seine Freundin.

Für seinen Beruf hatte er alles gelernt, was er brauchte, um Karriere zu machen. Seine Kunden waren meistens wohlhabende Geschäftsleute, die entsprechend lebten. Also spielte Zach Golf, wusste eine gute Zigarre zu schätzen und konnte einen edlen Tropfen von einem schlechten unterscheiden.

Aber Designeranzüge, Champagner und Kaviar waren Welten vom Bier und den Burgern seiner Jugend entfernt, und noch immer kam er sich vor wie ein Hochstapler, wenn er einen Smoking trug. Dann fühlte er sich wie der Junge aus dem falschen Viertel, der befürchten musste, als Außenseiter enttarnt zu werden.

Doch an diesem Abend fiel er höchstens deshalb auf, weil er eine so attraktive Frau an seiner Seite hatte. Die neugierigen Blicke galten nicht ihm, sondern allein Allison. Und obwohl es nicht seine oder ihre Idee gewesen war, sie hierher mitzunehmen, war er froh darüber – und fast ein wenig stolz.

„Ich hoffe, Sie alle haben einen schönen Abend“, beendete Riana ihre kurze Ansprache. „Und vergessen Sie nicht, bei der Auktion kräftig mitzubieten.“

Allison schaute zu dem langen Tisch hinüber, um den die Gäste sich bereits drängten. „Sehen wir uns die Sachen noch mal an. Ich weiß noch nicht, was ich ersteigern möchte.“

Zach fragte sich, was sie reizen würde. Ein Besuch in dem unverschämt teuren Wellness- und Schönheitstempel? Er kannte viele Frau, die sich gern von Kopf bis Fuß verwöhnen ließen, aber ihm war sofort aufgefallen, dass Allison keinen Nagellack trug. Auch ihr Schmuck war schlicht – zwei kleine goldene Kreolen und ein unauffälliges Medaillon, das sie oft genug anlegte, um ihn ahnen zu lassen, dass es für keinen modischen, sondern einen sentimentalen Wert besaß. Die aufwendigen Stücke, die Riana für die Versteigerung gespendet hatte, passten nicht zu Allisons Stil.

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