Bianca Gold Band 67

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VERLIEBT, VERLOBT, VERHEIRATET? Von JO LEIGH
Wie konnte Dani sich nur in Alex Bradley verlieben? Sicher, er gilt als der „attraktivste Mann der Welt“, aber seine Vorstellungen davon, was seine Zukünftige zu tun hat, findet die hübsche Tierärztin entsetzlich. Wenn er sie allerdings heiß küsst, schwinden alle ihre Zweifel …

SCHRITT FÜR SCHRITT ZURÜCK INS GLÜCK von MINDY KLASKY
Herz, Fuß, Stolz – alles ist angeknackst, und die Ballerina Kat ist auf Hilfe angewiesen. Es scheint, als könne Rye Harmon nicht nur ihr altes Tanzstudio, sondern auch ihr Herz reparieren … Aber wird Kats zartes Vertrauen auch weiterhin bestehen, wenn sie Ryes großes Geheimnis erfährt?

GLÜCK KANN MAN NICHT KAUFEN von VIVIAN LEIBER
Clarissa weiß: Wenn sie Freds Heiratsantrag annimmt, wartet eine sorgenfreie Zukunft auf sie. Doch sie sagt Nein. Sie will nicht Freds Millionen, sondern Conor James‘ Liebe. Es gibt nur ein kleines Problem: Sie hat Conor noch nicht verraten, was sie für ihn empfindet!


  • Erscheinungstag 21.01.2022
  • Bandnummer 67
  • ISBN / Artikelnummer 9783751510646
  • Seitenanzahl 447
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Jo Leigh, Mindy Klasky, Vivian Leiber

BIANCA GOLD BAND 67

1. KAPITEL

„Und, möchte der attraktivste Mann der Welt noch ein Brötchen zu seinem Kaffee?“

„Hör endlich auf, Ted.“

„Aber der Titel passt so gut. Ich habe überlegt, ob ich ihn dir zu Weihnachten auf deine Handtücher sticken lasse.“

Alex Bradley knurrte verärgert, während er sich die Käsestange vom Tablett nahm. „Fahr zur Hölle, Ted. Und vergiss nicht, eine Karte zu schreiben.“

„Du hast überhaupt keinen Sinn für Humor.“

„Können wir jetzt wieder zur Sache kommen? Ich muss bald los.“

Ted Chesterton, Alex’ rechte Hand, setzte sich vor den Schreibtisch seines Chefs. Er wurde schlagartig ernst und zog besorgt die Stirn in Falten, was Alex jedes Mal begeisterte. Für ihn gehörte es zu den kleinen Freuden des Lebens, Ted in Hektik zu versetzen. Er war der beste Assistent, den Alex je gehabt hatte, aber manchmal führte er sich auf wie eine Glucke.

„Bist du ganz sicher, dass du fahren willst?“, fragte Ted.

„Ja. Nächste Frage.“

„Du kannst noch absagen. In New York gehen die Leute zu Fuß. Richtig zu Fuß. Nicht nur vom Fahrstuhl zum Wagen.“

„Du wirst es überleben.“

Ted hob die Hände. „Okay. Ich halte dich für verrückt, aber okay. Ich habe Petes Sachen in den Wagen gelegt. Seine Papiere sind im Handschuhfach. Die Zulassung und Straßenkarten auch.“

„Gut. Und jetzt zu dieser Geschichte in Toronto …“

Die nächsten zwanzig Minuten blieb das Gespräch rein geschäftlich, denn Alex wollte sicherstellen, dass in seiner Firma auch während seines Urlaubs alles so lief, wie er es sich vorstellte. Natürlich nahm er Handy und Laptop mit, denn Ted würde sich laufend bei ihm melden, aber er wollte sich wenigstens ein wenig der Illusion hingeben, dass er sich zwei Wochen lang einmal nicht um alles kümmern musste.

„Ich glaube, das war’s“, sagte Alex schließlich. „Noch etwas?“

Ted überflog seine Notizen. „Nein. Ich schätze, irgendwie werden wir es auch ohne dich schaffen.“

„Ich wusste, dass ich mich auf dich verlassen kann.“ Alex stand auf und klopfte Ted auf die Schulter. „Du bist ein guter Mann, Ted. Egal, was die anderen sagen.“

„Was?“ Ted drehte sich um, als Alex zur Tür ging. „Was sagen sie denn?“

Alex winkte ihm zu und verschwand in seinem Schlafzimmer. Dort starrte er auf den Koffer und sah, dass Ted oder Patsy sämtliche Sachen noch einmal neu zusammengelegt hatten, damit sie weniger Platz einnahmen. Alex schüttelte den Kopf. Mussten seine Mitarbeiter ihn wie einen Zehnjährigen behandeln, nur weil er mal etwas Außergewöhnliches tun wollte?

Er konnte es kaum erwarten aufzubrechen, mit dem Wagen von einer Küste zur anderen zu fahren. Diesmal würde er nicht fliegen, sondern tatsächlich etwas von seinem Land sehen. Er würde an sämtlichen Touristenfallen halten, mit den Einheimischen essen und in den kleinen Läden an der Landstraße einkaufen.

Er hatte einen Stapel Hörbücher von all den Titeln bestellt, die er immer schon mal lesen wollte. Wenn er New York erreichte, würde Ted das Penthouse eingerichtet haben, und sein neues Leben konnte beginnen. Diesmal an der Ostküste.

Vielleicht würden diese Reise und der Umzug das Wunder bewirken. Ihn aufwecken. Ihn aus der Trägheit reißen, die ihn schon so lange belastete. Er hoffte es jedenfalls.

Er betrachtete sich im Spiegel. Dass er die Stadt verließ, kurz nachdem die verdammte Zeitschrift erschienen war, konnte auch nicht schaden. Er war noch immer der Alte. Sicher, er hatte sein gutes Aussehen geerbt, aber der attraktivste Mann der Welt? Falls das stimmte, hatten die Frauen auf diesem Planeten ein echtes Problem. Der attraktivste Mann der Straße, das wäre möglich. Andererseits kannte er nicht alle seine Nachbarn.

Er stopfte Rasierer und Kamm in den Koffer und sah sich noch einmal kurz um. Alles war verstaut. Er war bereit. Sobald Pete im Wagen war, hieß es adios L. A., hallo Amerika. Alex Bradley machte sich auf den Weg quer durch die USA.

Fünf Tage später

Dani Jacobson versuchte, kühl und sachlich zu bleiben. Sie durfte nicht lachen. Dazu war die Sache zu ernst. Sie hob das Stethoskop und horchte dem Hasen die Brust ab.

„Wird er wieder gesund?“

Dani lauschte, hörte jedoch nichts. Nicht, dass sie etwas anderes erwartet hatte. Aber sie tat trotzdem so, als würde sie das Tier untersuchen. Schließlich sah sie die Besitzerin ihres Patienten an. „Ich glaube, er wird es schaffen.“

Tiffany Cox schluchzte. „Danke, Dr. Jacobson. Braucht er eine Spritze?“

Erneut hatte Dani Mühe, nicht zu lächeln. Sie nickte, denn sie wusste, dass die Achtjährige sich Sorgen um Boppy, ihren Plüschhasen machte.

Sie nahm eine Spritze aus dem Schrank. „Du brauchst nicht zuzusehen, wenn du nicht möchtest, Tiffany.“

„Schon gut. Ich will nicht, dass Boppy Angst hat.“

„Ich bin froh, dass du mitgekommen bist“, sagte Dani, während sie dem Hasen die Injektionsnadel ins Fell schob. „Seid ihr zwei bereit?“

Tiffany nickte. Boppy würdigte sie keines Blickes. Sie gab dem Hasen die Injektion. Tiffany verzog das Gesicht.

Nach einer Sekunde war alles vorüber. „So. Das hilft bestimmt. Aber du musst gut auf Boppy aufpassen, ja? Du darfst ihn nachts nicht draußen lassen.“

Das kleine blonde Mädchen nahm den Stoffhasen vom Untersuchungstisch und hielt ihn wie ein Baby. „Nein, Ma’am. Er darf bei mir schlafen, bis es ihm besser geht.“

„Ausgezeichnet“, erwiderte Dani. Sie hörte Tiffany noch einmal schluchzen, als das Kind ins Wartezimmer ging, wo fünf vierbeinige Patienten auf die Tierärztin warteten. Na ja, es hatte nur einen Moment gedauert. Bestimmt würde niemand es ihr übel nehmen.

Sie ging an den Empfangstresen und nahm die nächste Patientenkarte. „Wer ist der Nächste, Connie?“ Dani überflog die Karte. Ein älterer Hund mit Atembeschwerden, dessen Namen sie nicht kannte. Sie drehte die Karte um und sah, dass der Besitzer von außerhalb kam. Erst jetzt registrierte sie, dass Connie ihr nicht geantwortet hatte. „Connie?“

Connie, ihre neunzehnjährige Nichte und Sprechstundenhilfe, starrte ins Wartezimmer. Mit offenem Mund. Was mochte das für ein Hund sein?

Dani folgte Connies Blick. Der Hund war ein ganz normaler Vierbeiner. Dann sah sie, was ihrer Nichte die Sprache verschlagen hatte. Es war nicht der Hund. Es war der Besitzer. Der Mann sah aus, als wäre er gerade dem Titelblatt der GQ entstiegen. Nicht nur sein Aussehen war atemberaubend, nein, er besaß auch noch eine ungemein männliche Ausstrahlung voller Kraft und Testosteron.

Genau die Art von Mann, die Dani Jacobson nicht ausstehen konnte.

Sie schüttelte den Kopf. „Connie.“

Connie rührte sich nicht.

„Connie!“

Die Neunzehnjährige zuckte zusammen. „Ganz ruhig“, sagte sie zu sich selbst. „Meinst du, er ist Single?“

Dani fühlte einen alten, wohlvertrauten Zorn in sich aufsteigen. „Das spielt keine Rolle. Wenn man einen Mann wie ihn sieht, erlaubt man sich keine Gefühle. Man geht und blickt nicht zurück.“

Connies Augen wurden groß. „Ist das dein Ernst?“

„Absolut.“

„Warum?“

„Weil ein Mann, der so aussieht, auch weiß, dass er so aussieht.“

„Na und?“

„Honey, im Meer des Lebens sind Männer wie er die großen weißen Haie. Sie denken nicht viel, sie fressen einfach und paaren sich mit jedem verfügbaren Weibchen. Glaub mir, ich weiß es.“

Connie schüttelte den Kopf. „Manchmal machst du mir Angst, Dani.“

„Das kann sein, aber ich möchte nicht, dass du mit diesem Mann sprichst, hörst du? Er soll seinen Hund in Raum drei bringen, und wenn er geht, verlang Bargeld. Oder eine Kreditkarte. Keine Schecks. Und was immer du tust, sieh ihm nicht in die Augen.“

Ihre Nichte blinzelte mehrmals, bevor sie sich wieder dem gefährlichen Fremden zuwandte. „Mr. Bradley“, rief sie mit zittriger Stimme. „Sie können mit Pete in Raum drei gehen.“

Dani eilte ins Sprechzimmer. Mr. Bradley und Pete konnten ein paar Minuten warten. Ihr eigenes Herz klopfte ebenso heftig wie Connies. Das konnte nur daran liegen, dass Petes Besitzer so sehr wie Randy aussah. Oder so, wie Randy in einigen Jahren aussehen würde. Ein kurzer Blick auf den Mann, und sie hatte geglaubt, Mr. Bradley gut zu kennen, was natürlich unmöglich war. Aber er kam ihr vertraut vor. Allzu vertraut.

Ihr Atem und ihr Puls normalisierten sich wieder, und sie fühlte sich stark genug, dem Mann zu begegnen. Sie hatte sich im Griff, und außerdem brauchte der Hund ihre Hilfe.

Dani strich sich über das kurze blonde Haar und ging zu Raum drei. Sie trat ein und blieb erstaunt stehen.

Anders als sie erwartet hatte, saß Mr. Bradley nicht auf dem Stuhl, sondern auf dem Untersuchungstisch. Er hatte seinen großen Hund auf dem Schoß.

„Er hat ein wenig Angst“, erklärte er. „Pete mag Ärzte nicht besonders.“

„Ich verstehe“, sagte sie und hätte ihn am liebsten gebeten, sie mit dem Hund allein zu lassen. Aber das brachte sie nicht fertig. Nicht nach einem Blick in Petes traurige Augen.

„Ich bin Dr. Jacobson. Auf der Karte steht, dass Pete unter Atembeschwerden leidet.“

Der Mann strich dem Hund über den Kopf. Eine so zärtliche Geste hätte sie ihm gar nicht zugetraut. „Er ist alt“, sagte er. „Ich bin nicht sicher, wie alt er ist. Als ich ihn fand, war er mindestens zwei, und das ist über zehn Jahre her. Normalerweise reist er gern, aber diesmal …“ Er sah Dani an. „Ich mache mir Sorgen um ihn.“

Sie hätte den Blick nicht erwidern dürfen. Sie hätte sich die Hand vor Augen halten sollen. Alles wäre besser gewesen, als dieses überwältigende Mitgefühl zu sehen. Haie empfanden kein Mitgefühl, oder? Dani hatte Menschen immer danach beurteilt, wie sie mit Kindern und Tieren umgingen.

Dass ein Mann wie er überhaupt einen Hund besaß, hatte sie wirklich überrascht. Jetzt saß er da in seiner abgetragenen Jeans und einem akkurat gebügelten Seidenhemd, und es schien ihn nicht zu interessieren, dass der Hund sabberte – nicht auf die Jeans, sondern auf das edle Hemd. Dani wusste nicht mehr, was sie von ihm halten sollte.

Der Hund nieste und riss Dani aus ihren wirren Gedanken. Sie ging zum Tisch und achtete darauf, nur Pete anzusehen. Sie streckte die Hand aus, ließ den Hund daran schnuppern und betrachtete sein Fell, die Augen und die Zunge. „Wie geht es dir, Pete? Hm?“ Sie tätschelte seinen Kopf, und Pete gab ihr einen freundlichen Stups mit der Schnauze.

„Ich glaube, er ist jetzt ruhig, Mr. Bradley. Sie können ihn bei mir lassen. Sie können hierbleiben, wenn Sie möchten, aber ich muss Pete etwas gründlicher untersuchen“

„Ich bin Alex, Dr. Jacobson“, sagte der Mann und hob Petes Kopf, um ihm in die Augen zu schauen. „Sei brav. Ich gehe nicht weg, also hab keine Angst.“ Er streichelte den Hund noch einmal und stand dann auf.

Dani hielt den Blick auf Pete gerichtet, bis sie hörte, wie die Tür geöffnet wurde. Überrascht drehte sie sich um. Normalerweise meldete Connie sich über die Sprechanlage. Doch diesmal stand ihre Nichte so da, dass Mr. Bradley sie nicht sehen konnte. Und sie hielt eine Zeitschrift in der Hand.

Dani wollte etwas sagen, aber Connie machte eine abwehrende Bewegung und zeigte auf das Foto auf dem Titelblatt. Dani starrte es an, dann wandte sie sich langsam Mr. Bradley zu, der ganz ruhig auf dem Stuhl saß. Du meine Güte, deshalb kam er ihr so bekannt vor. Sie hatte den attraktivsten Mann der Welt in Untersuchungsraum drei!

Natürlich. Alex Bradley. Sündhaft reich und doppelt so attraktiv. Der Mann, der mit Cindy Crawford und auch mit Miss America ausgegangen war. Der Liebling der Medien. Der Typ, der mit einem silbernen Löffel im Mund geboren worden war. Und der sich jetzt schreckliche Sorgen um einen alten Hund machte.

Dani sah noch einmal zu Connie hinüber. Die junge Frau presste das Titelfoto an die Brust und lächelte versonnen. Dani ging hin und schloss die Tür. Nur weil der Hund Alex Bradley gehörte, konnte sie doch nicht vergessen, wer sie war und welchen Beruf sie hatte. Pete brauchte Hilfe, und die würde er bekommen. An ihren rasenden Puls konnte sie später denken. Im Moment war Pete wichtig. Nur Pete.

Alex beobachtete genau, was die Tierärztin tat. Er wollte sichergehen, dass sie alles richtig machte. Schließlich war dieser Ort nicht mehr als ein Fleck auf der Landkarte. Carlson’s Gap, New Mexico. Auf dem Schild war die Bevölkerung mit 18 000 angegeben, aber auf der Fahrt die Hauptstraße entlang waren ihm Zweifel gekommen. Die Kleinstadt sah eher nach 1800 aus. Aber es war egal. Die Tierärztin kümmerte sich jetzt um Pete. Und soweit Alex es beurteilen konnte, untersuchte sie ihn ziemlich gründlich.

Er ließ den Blick von Pete zur Tierärztin wandern. Sie war noch jung, vielleicht Ende zwanzig. Das kurze blonde Haar war ein wenig zerzaust, und sie schien kein Make-up zu tragen. Trotzdem oder vielleicht gerade deswegen fand er sie sehr attraktiv. Sie war keine Schönheit, aber sie strahlte eine Selbstsicherheit und Eigenständigkeit aus, die Alex reizte. Vermutlich, weil Selbstsicherheit und Eigenständigkeit auf seiner Verbotsliste standen. Auf der Liste, die sein Vater ihm seit seinem zehnten Lebensjahr eingehämmert hatte.

Sicherheit und Zuverlässigkeit waren Eigenschaften, die nicht passten. Jedenfalls nicht zu Alex. Er sollte jemanden finden, der ein wenig furchtsam und ein wenig blass war. Eine Frau, die auf seinen Partys die Gastgeberin spielen konnte, an seinem Arm gut aussah und sich ansonsten nicht einmischte. Das einzige Problem war, dass die Frauen, die ihn interessieren sollten, ihn überhaupt nicht interessierten. Stattdessen fühlte er sich von Frauen wie Dr. Dani Jacobson angezogen.

„Mr. Bradley?“

„Alex.“

Sie ignorierte seine Bitte, ihn beim Vornamen zu nennen, und studierte die Karte. „Pete hat eine Bronchitis. Seine Temperatur ist leicht erhöht, und sein Flüssigkeitshaushalt ist ein wenig durcheinander. Ich würde ihn gern eine Weile hierbehalten und ihm Antibiotika verabreichen, um das Fieber wegzubekommen.“

„Er wird doch wieder gesund, oder?“ Alex stand auf und ging zu seinem alten Freund.

„Wenn er behandelt wird.“

„Tun Sie alles, was getan werden muss“, erwiderte Alex. „Ich will den alten Burschen nicht verlieren. Noch nicht.“ Er ließ die Hand sinken, und Pete schob die Schnauze hinein. Alex fand die Stelle hinter dem Schlappohr und kraulte ihn dort.

„Ich habe ihm eine Spritze gegeben und werde ihn jetzt nach hinten legen, damit ich ihm eine Infusion geben kann. Kommen Sie doch mit, dann kann ich Ihnen zeigen, wo er sein wird.“

Alex nickte, hob Pete vom Tisch und setzte ihn auf den Boden. Zusammen folgten sie der Tierärztin aus dem Raum und den Korridor entlang, bis sie ein geräumiges Labor erreichten, in dem zahlreiche Käfige standen. Mehrere davon waren besetzt. Pete begann zu schnüffeln, und Alex war froh, dass alles sauber und hygienisch wirkte.

Die Assistentin kam herein, und irgendwas musste sie erschreckt haben, denn sie schrie leise auf.

„Connie, bitte hilf mir, eine Kochsalzinfusion für Pete vorzubereiten“, sagte ihre Chefin.

Connie antwortete mit einem neuerlichen Seufzen. Alex sah, wie sie errötete, und dann begriff er. Es war die verdammte Zeitschrift. Sein Geheimnis war aufgedeckt.

„Pete kann hierbleiben.“

Alex schaute dorthin, wo die Tierärztin stand. Der Korb war groß, und auf seinem Boden lag ein weiches Kissen. Es war besser, als er erwartet hatte.

„Wie lange wird er bleiben müssen?“ Alex dachte an Ted und daran, wie froh er sein würde, dass Alex nicht pünktlich in New York eintreffen würde.

„Drei Tage, wenn alles gut verläuft.“

„Ich verstehe. Na gut. Ich will nur, dass er gesund wird. Könnten Sie mir ein Hotel empfehlen?“

Endlich schaute Dani ihn an. Er fragte sich, wie sie wohl mit einem Lächeln aussah. Hübsch, da würde er wetten. Trotz des weißen Kittels wirkte sie schlank. Zart. Aber es gab auch Kurven. Sehr schöne, feste Kurven.

„Ich fürchte, wir haben in der Stadt kein Hotel. Das nächste liegt etwa hundert Meilen in östlicher Richtung.“

„Hundert Meilen?“, wiederholte Alex entsetzt. „So weit möchte ich nicht von Pete entfernt sein.“

„Dani hat ein Zimmer, das sie vermietet“, sagte die Assistentin. „Sie können bei ihr wohnen.“

„Connie!“

„Na ja, stimmt doch.“

„Bestimmt möchte Mr. Bradley lieber im Hotel wohnen.“

„Nein, schon gut. Ich möchte in Petes Nähe bleiben. Also wenn das Zimmer noch frei ist …“

„Ist es“, sagte Connie rasch und ignorierte die wütenden Blicke ihrer Tante.

Alex wandte sich wieder Dani zu. „Ich wäre Ihnen sehr dankbar und würde jeden Preis zahlen, den Sie für angemessen halten.“

„Es tut mir leid, aber ich glaube nicht …“

„Bitte“, unterbrach er sie. „Falls Pete etwas zustößt, und ich bin nicht hier, werde ich mir das nie verzeihen. Also, entweder geben Sie mir das Zimmer, oder ich schlafe im Wagen. Ich würde das Zimmer vorziehen.“

Er sah, wie sie mit sich rang. Es musste die dämliche Zeitschrift sein, die sie zögern ließ. Vermutlich glaubte sie, dass der attraktivste Mann der Welt nichts als Sex im Kopf hatte. „Keine Angst“, fügte er hinzu. „Ich bin stubenrein.“

Das wirkte. Die Andeutung eines Lächelns umspielte ihre Lippen, und er wusste, dass er es geschafft hatte. Und er hatte recht behalten. Mit einem Lächeln sah sie noch hübscher aus.

„Einverstanden“, sagte sie und schaute von Pete zu ihm. „Aber ich kann Sie jetzt nicht hinbringen. Wir werden warten müssen, bis ich letzten meiner Patienten versorgt habe.“

„Kann ich hier warten?“

Sie schüttelte den Kopf. „Gegenüber ist ein Diner. Es wird nicht lange dauern.“

Er widersprach nicht, denn er konnte die Zeit nutzen, um Ted zu informieren und seine E-Mails zu lesen. Solange er in Petes Nähe war, sollte ihm alles recht sein. Drei Tage in Carlson’s Gap. Na ja, er hatte sich Amerika ansehen wollen. Andererseits bedeutete der Aufenthalt auch zwei Nächte mit Dani Jacobson, sodass sich dieser kleine Abstecher durchaus lohnen konnte.

2. KAPITEL

Alex bestellte einen Hamburger, Pommes frites und ein Malzbier. Das schien ihm das Passende für diesen alten Diner zu sein. Es gab einen langen Tresen, kunststoffbezogene Sitznischen und eine winzige Musikbox für jeden Gast. Außerdem war er im Urlaub. Kein Baby-Brie, keine Artischockenpastete, nur gute alte amerikanische Hausmannskost. Vielleicht würde er sich zum Nachtisch sogar ein Stück Kuchen gönnen.

Er hatte sich in die hinterste Nische gesetzt. Sein Laptop stand aufgeklappt auf dem Tisch, der Aktenkoffer neben ihm auf der Bank, und er hatte gerade Ted auf dem Handy angerufen. Als es klingelte, hob er den Kopf und sah, dass die Kellnerin, eine dünne ältere Frau mit stahlgrauem Haar und dicken Brillengläsern, ihn anstarrte. Wenn ihn das nächste Mal jemand zum attraktivsten Mann der Welt ernennen wollte, würde er dankend ablehnen.

Das hätte er auch diesmal getan, wenn sie ihn vorher gefragt hätten. Aber World hatte im letzten Winter in irgendeinem Redaktionszimmer in New York über sein Schicksal bestimmt. Erst einen Monat, bevor die Ausgabe erschien, hatten sie ihn informiert.

Seit sein Foto an sämtlichen Kiosken hing, wusste er genau, wann ihn jemand erkannte. Große Augen, tiefe Blicke. Gerötete Wangen und feuchte Lippen. Einige zeigten sogar auf ihn. Manchmal bekam er auch etwas zu hören, meistens von Männern oder älteren Frauen. Außerdem verblüffend viele eindeutige Angebote von jüngeren Ladies. Nicht selten mit beigelegten Fotos. Und Schlüsseln. Und dann war da natürlich der denkwürdige Tag, an dem eine vollbusige Blondine ihn im Fitnessstudio gebeten hatte, sein Autogramm auf ihre linke Brust zu schreiben.

Er hatte das Gefühl, dass die Kellnerin ihn nicht um seine Unterschrift bitten würde und war dankbar dafür. Aber er wünschte, sie würde endlich aufhören, ihn anzustarren. Es war schwer sich zu konzentrieren, wenn man begafft wurde, und er wusste aus Erfahrung, dass es nicht lange dauern würde, bis sämtliche Gäste herüberschauten. Zum Glück waren außer den beiden Serviererinnen kaum Leute im Diner.

Ted meldete sich, und Alex berichtete ihm, was geschehen war. Wie erwartet, hatte Ted kein Verständnis für die Verspätung und wollte einen Privatjet schicken, um Alex und Pete nach New York zu fliegen. Aber Alex wollte den alten Hund nicht unnötig aufregen. Außerdem hatte er nicht vor, die Reise abzubrechen. Dann wollte Ted einen Tierarzt aus Los Angeles einfliegen lassen, aber auch das ließ Alex nicht zu. Er hatte ein gutes Gefühl bei Dani Jacobson und gelernt, seinem Instinkt zu vertrauen. Pete war in fähigen Händen.

Zehn Minuten später brachte die Kellnerin seinen Hamburger. Als Alex den Kopf hob, um ihr zu danken, sah er, dass weitere Tische besetzt waren und die Gäste sich am Tresen drängten. Doch dann sprach Ted Toronto an, und Alex konzentrierte sich auf das Problem. Allerdings aß er dabei. Und er behielt zum zweiten Mal an diesem Tag recht. Der Hamburger war hervorragend und die Pommes frites verdammt gut.

Nach dem Gespräch mit Ted rief Alex sofort seinen Mann in Kanada an und holte ein Arbeitsblatt auf den Bildschirm. Erst beim dritten Läuten fiel ihm auf, wie still es um ihn herum geworden war.

Der Diner war brechend voll. Jede Nische, jeder Stuhl, jeder Hocker am Tresen war besetzt. An der hinteren Wand standen etwa zwanzig Leute. Und jedes Augenpaar war auf ihn gerichtet.

Nur am Rande nahm er wahr, dass sich in Toronto jemand meldete. Hastig unterbrach er die Verbindung, damit er jederzeit den Notruf wählen konnte.

In was war er hier bloß geraten? Irgendwie musste er an den alten Film Die Vögel denken. Genauso sah es aus. Die Krähen und Sperlinge auf den Dächern und Telefonleitungen. Alex rechnete fest damit, dass jeden Moment Hitchcock selbst auftauchen würde. Niemand sprach. Niemand bewegte sich. Sie starrten ihn an, als wäre er ein Außerirdischer … oder ein Opfer.

Langsam, ganz langsam ließ er den Arm sinken. Die Blicke von hundert Einheimischen folgten dem Arm, bis er unter dem Tisch verschwand. Dann, wie auf Kommando, richteten sich alle wieder auf sein Gesicht. Er beugte sich nach rechts, zur Probe. Und tatsächlich, auch die anderen bewegten sich nach rechts, nur ein wenig, aber immerhin. Er richtete sich wieder auf. Sie richteten sich wieder auf. Plötzlich ging ihm die Titelmusik von Akte X durch den Kopf.

Wenn er jetzt aufstand und hinausging, würden sie ihm folgen? Oder würden sie ihn aufhalten? Warum blinzelte keiner von ihnen?

In diesem Moment ging die Eingangstür auf. Niemand schaute hin. Alle starrten nur ihn an. Aber er wagte es. Er schaute hinüber und sah, dass es Dani war. Die Erleichterung war riesengroß. Bis sie stehen blieb. Sich umdrehte und erstarrte. Eine Sekunde lang befürchtete er, sie würde sich mit einem lauten Schnappt ihn! auf ihn stürzen, gefolgt von der ganzen Meute. Doch dann …

„Oh nein“, sagte sie, und ihre Stimme schnitt wie eine Messer durch die Stille. „Habt ihr Leute nichts Besseres mit eurer Zeit anzufangen?“

Sie stemmte die Hände in die Seiten und sah in die Runde. „Stephanie, du gehst sofort wieder in die Schule. Francine, wer kümmert sich um den Laden? Terry, ich hätte dich für vernünftiger gehalten. Wahrscheinlich habt ihr dem armen Mann eine Todesangst eingejagt.“

Das wirkte. Jemand stand auf. Eine Frau lachte. Der Koch klingelte. Alex atmete wieder.

Dani scheuchte ein paar weitere Leute auf, dann kam sie zu ihm. Sie setzte sich ihm gegenüber hin und legte die Stirn in Falten, was ihr Gesicht noch hübscher machte. Noch nie im Leben war er so froh gewesen, jemanden zu sehen.

„Tut mir leid“, sagte sie.

„Ich hatte mich schon aufgegeben.“

„Sie meinen es nicht böse. Wir sehen hier nur nicht viele Berühmtheiten.“

„Also wissen Sie von der Zeitschrift?“

Sie nickte und senkte rasch den Blick. „Warum haben Sie es gemacht?“, fragte sie und starrte auf die restlichen Pommes frites auf seinem Teller.

Er nutzte die Gelegenheit, um ihre makellose Haut zu betrachten. Die langen Wimpern. Die vollen rosigen Lippen. „Was?“

„Sich für dieses dämliche Magazin fotografieren lassen?“

„Ich habe mich nicht gemeldet. Die sind zu mir gekommen.“

Sie hob kurz den Blick, aber die Pommes waren offenbar zu verlockend. Er schob den Teller über den Tisch. „Bedienen Sie sich.“

„Wie bitte?“

„Die Pommes. Ich bin fertig.“

Verwirrt sah sie ihn an. „Das freut mich für Sie.“

„Wollen Sie sie denn nicht?“

„Ihre Pommes?“

„Ja.“

„Nein.“

„Warum haben Sie sie dann so angestarrt?“

„Habe ich nicht.“

„Doch, haben Sie.“

„Ich würde es wissen, wenn ich Pommes frites anstarre.“

„Wenn Sie nicht die Pommes angestarrt haben, was dann?“

„Ich habe nichts angestarrt, ich wollte nur nicht Sie ansehen.“

„Oh“, erwiderte er. Dann sah er, wie sie errötete. „Oh“, wiederholte er, als er begriff, was mit ihr los war. Schon wieder die verdammte Zeitschrift. „Das ist alles nur Medienrummel, Dani. Lassen Sie sich davon nicht beeindrucken.“

„Was ist alles nur Medienrummel?“

„Lassen Sie uns nicht wieder davon anfangen, ja?“

„Wovon?“

Er lächelte. Das hätte er nicht tun sollen. Sie war vollkommen durcheinander. Ein Gentleman würde das Thema wechseln, damit sie sich beruhigte. Aber er war kein Gentleman. „Ich bin wirklich nicht der attraktivste Mann der Welt“, sagte er leise und beugte sich vor. „Ich bin einfach nur ein Mann. Ein ganz normaler Mann. Aber wenn Sie möchten, verspreche ich Ihnen, so sexy wie möglich zu sein, solange ich bei Ihnen wohne.“

Die Farbe ihrer Wangen wechselte von Pink zu einem aparten Rot. Doch dann sah er ihr in die Augen, und die Wangen waren vergessen. Die blauen Augen spiegelten ihre Nervosität, ihr Zögern und … ihre Erregung?

Sekunden vergingen. Er hielt ihren Blick mit seinem fest. Ihre Gefühle lagen bloß, und er sah, wie die Nervosität abebbte und die Erregung wuchs. Nicht viel, aber genug.

„Was?“, fragte sie leise.

„Ich sagte, ich werde mir Mühe geben, meinem Ruf gerecht zu werden.“

Der Koch betätigte die Klingel, und Dani riss den Blick von Alex, setzte sich gerade hin und verschränkte die Arme vor der Brust. „Nein“, sagte sie scharf. „Nicht, wenn Sie Gast in meinem Haus sind. Nicht einmal für eine Sekunde.“

Ihre Augen wurden schmal, und das Rosa, das jetzt ihre Wangen zierte, war kein Zeichen von Verlegenheit oder Erregung. Jedenfalls nicht der Erregung, auf die er gehofft hatte. Nein, Dr. Dani Jacobson war wütend, ganz einfach wütend. „Ich weiß, Sie glauben, Sie brauchten nur mit dem Finger zu schnippen, um jede Frau zu bekommen. Aber nicht hier, Sir. Ich kenne Typen wie Sie. Nur weil Sie reich sind und gut aussehen, bedeutet das noch lange nicht, dass Sie mit anderen Menschen spielen können. Menschen haben Gefühle. Sie können hier nicht einfach auftauchen, ein Chaos anrichten und wieder verschwinden.“ Sie stand auf. „Soll ich Ihnen jetzt Ihr Zimmer zeigen oder nicht?“

Alex blinzelte erstaunt. „Ja bitte.“

„Also?“

„Lassen Sie mich rasch bezahlen“, bat er und versuchte, Zeit zu gewinnen. Auf was zum Teufel ließ er sich hier ein? Diese Frau mochte eine fähige Tierärztin sein, aber sie war ohne Frage verrückt. Während er die Brieftasche herausholte, überlegte er, womit er sich Danis Zorn zugezogen hatte. Er hatte sie nicht gepackt oder so etwas. Okay, vielleicht hätte er nicht flirten dürfen. Aber ein Mann musste es doch wenigstens versuchen, oder?

Er hörte ein ungeduldiges Seufzen, hob den Blick und sah, dass sie es kaum abwarten konnte zu gehen. Er legte zwei Dollar auf den Tisch, nahm die Rechnung und stand auf. Dani reichte ihm gerade bis zum Kinn. Sie musste den Kopf in den Nacken legen, um ihn anzusehen. Als sie es tat, wollte er lächeln und die gespannte Atmosphäre etwas auflockern. Aber er ließ es, denn ihm war klar, dass ein Lächeln nicht die gewünschte Wirkung haben würde. Im Gegenteil.

„Ich warte draußen“, sagte sie und ging davon.

Alex sah ihr nach. Sie ging durch das Diner und riss die Tür heftiger als nötig auf. Er stand einfach nur da, während die Tür sich langsam wieder schloss, und fragte sich, was zum Teufel geschehen war.

„Machen Sie sich nichts draus, Honey.“

Er drehte sich um. Neben ihm stand die ältere Kellnerin.

„Sie ist ein gutes Mädchen. Aber manchmal hat sie so Anwandlungen.“

„Ich verstehe“, erwiderte Alex, obwohl er das keineswegs tat.

„Zerbrechen Sie sich nicht den Kopf darüber. Sie kommt darüber hinweg. Das tut sie immer.“

„Sie meinen, sie war schon einmal so?“

Die Frau nickte. „Ja. Aber so schlimm habe ich sie schon lange nicht mehr erlebt.“

„Ich habe das Gefühl, ich sollte mich entschuldigen. Aber ich weiß nicht, wofür.“

Die Kellnerin lachte. „Ja, genau. Machen Sie sich keine Sorgen. Sie ist einfach nur Dani. So war sie schon als Baby.“

„Sie kennen sie schon so lange?“

„Das hoffe ich. Ich bin ihre Mutter.“

„Ihre was?“, fragte er verblüfft.

„Ich bin Phyllis Jacobson. Mein Mann Dooley kocht dort hinten. Dies ist unser Laden.“

Er sah sie an. „Ich bin Alex Bradley. Mein Hund ist …“

„Ich weiß“, unterbrach sie ihn. „Ihr Hund ist krank, und Dani kümmert sich um ihn. Sie wohnen bei ihr.“

„Woher wissen Sie das alles?“

„Sie haben noch nie in einer Kleinstadt gelebt, was?“

Er schüttelte den Kopf.

„Honey, wenn hier draußen einer von uns niest, kriegen alle einen Schnupfen.“

„Sagen Sie es mir, Mrs. Jacobson. Was habe ich falsch gemacht?“

Sie lachte wieder, und er sah, woher Dani ihr Lächeln hatte. Selbst hinter den dicken Brillengläsern waren die Augen der Frau fast so blau wie die ihrer Tochter. Und sie blickten ebenso intelligent.

„Sie sind von Natur aus ein attraktiver Mann. Sie haben Erfolg. Sie sind reich. Daran ist nichts falsch.“

„Aha. Wenn ich also hässlich, arbeitslos und arm wäre, würde man mich hier mit offenen Armen willkommen heißen?“

Mrs. Jacobson zuckte mit den Schultern. „Kann schon sein. Aber jetzt gehen Sie. Lassen Sie Dani nicht warten. Das würde es nur noch schlimmer machen.“

„Noch schlimmer?“

„Das eben war nur ein Vorgeschmack.“

„Vielleicht sollte ich lieber im Wagen schlafen.“

Die Frau musterte ihn von Kopf bis Fuß. „Sie scheinen mir nicht der Typ Mann zu sein, der Ärger aus dem Weg geht.“

„Und sie bedeutet Ärger?“

„Allerdings. Aber sie ist ihn wert.“

Er zog eine Braue hoch. „So?“

Die Kellnerin nahm ihm den Geldschein aus der Hand. „Diesmal sind Sie eingeladen“, sagte sie und sah ihm ernst in die Augen. „Sie ist es wirklich wert, aber Sie werden nicht lange genug hier sein, um das zu begreifen. Also seien Sie nett, nehmen Sie es nicht persönlich, und alles wird gut.“

Er erwiderte ihren Blick, ohne mit der Wimper zu zucken. „Warum habe ich das Gefühl, gerade gewarnt worden zu sein?“

„Weil Sie klug sind. Tun Sie dem Mädchen weh, kriegen Sie es mit der ganzen Stadt zu tun.“

„Ich verstehe.“

„Nein, tun Sie nicht. Aber wenn Sie mit Dani herumspielen, werden Sie es verstehen.“

Die Heimfahrt hob Danis Stimmung nicht. Sie hatte laufen wollen, aber Alex hatte sie eingeladen, in seinem Auto mitzufahren. Als sie den schwarzen Mercedes sah, verfinsterte sich ihre Miene, und sie wurde noch finsterer, als sie die Innenausstattung sah. Sie sprach so wenig wie möglich, und er wollte sie nicht drängen.

Er hielt vor einem kleinen zweigeschossigen Haus im viktorianischen Stil, weiß mit blauen Querbalken. Der Garten war gepflegt, das Haus in gutem Zustand. Dani stieg aus, kaum dass die Räder zum Stillstand gekommen waren. Sie ging den schmalen Weg entlang und wartete am Ende auf ihn. Ungeduldig natürlich.

Er ließ sich Zeit. Ihm war nicht klar, warum ihr Verhalten ihn nicht wütend machte. Keine Frage, sie war unhöflich, feindselig und absolut unsachlich. Er hätte längst innerlich kochen müssen. Stattdessen war er neugierig. Und ein wenig erregt. Das beunruhigte ihn am meisten. Sicher, sie war auf ihre Art attraktiv, aber nicht so sehr, dass es seinen Zustand erklärte. Er war schöne Frauen gewohnt und war, ehrlich gesagt, schon mit hübscheren als Dani zusammen gewesen. Was war es also?

Er holte sein Gepäck aus dem Kofferraum und knallte die Klappe zu. Auf dem Weg zur Haustür musterte er seine Gastgeberin. Sie war ganz offensichtlich nicht sein Typ. Nichts an ihr verriet Zurückhaltung. Er konnte sich nicht vorstellen, wie sie auf einer Cocktailparty freundlich lächelte oder sich still zurückzog, wenn das Gespräch sich geschäftlichen Dingen zuwandte. Nein, sie besaß keine der Eigenschaften, die er an einer Frau schätzte. Sie war falsch, falsch, falsch.

Und er begehrte sie.

Es war einfach nicht zu bestreiten, dass er sie nur anzusehen brauchte, um erregt zu werden. Selbst dann, wenn sie wie jetzt wütend aussah.

Sie öffnete die Haustür und ging hinein, ohne auf ihn zu warten. Er folgte ihr. Das Erste, was er bemerkte, war das Kunstwerk. Fingermalerei. An der Wand. Ohne Leinwand. Es war gar nicht schlecht.

Dani bemerkte es auch. Sie holte tief Luft und schaute die Treppe hinauf. „Chloe Jacobson, komm sofort nach unten!“

Hinter ihm, im Wohnzimmer, bewegte sich etwas, und als er sich umdrehte, bemerkte er eine ältere Frau, die offenbar auf der Couch geschlafen hatte und gerade erwachte. Dann hörte er ein Trampeln und schaute wieder zur Treppe.

Ein auffallend hübsches kleines Mädchen kam heruntergestürmt. Ihrer Ausstrahlung konnte auch die grüne Farbe im Gesicht, im Haar und an den Händen nichts anhaben. Sie sah aus wie eine jüngere Ausgabe von Dani.

„Was ist das?“, fragte Dani und zeigte auf das Gemälde.

„Eine Landschaft“, sagte das Mädchen.

„Warum ist sie an der Wand?“

Chloe schüttelte langsam den Kopf. „Es ist ein Wandgemälde. Das gehört an die Wand.“

„Findest du nicht, dass du mich vorher hättest fragen sollen?“

„Du hättest Nein gesagt.“ Das Mädchen blieb unten stehen und starrte Alex an. Er hatte sie für jung gehalten. Sieben oder acht. Jetzt, nach dem Gespräch, änderte er seine Meinung. Vielleicht war sie nur etwas klein für ihr Alter.

„Wer sind Sie?“, fragte sie ihn.

„Ich bin Alex Bradley“, antwortete er. Ihr neugieriger Blick machte ihn ein wenig nervös. Er war an Kinder nicht gewöhnt.

„Er ist ein Gast“, erklärte Dani. „Er wird ein oder zwei Tage hierbleiben.“

„Warum?“, fragte Chloe.

„Weil ich mich um seinen Hund kümmere.“ Dani ging an die Wand und berührte die Farbe. „Es ist trocken.“

„Nicht ganz.“ Chloe ließ ihn stehen. „Also sei vorsichtig.“

„Es muss wieder weg“, verkündete Dani.

„Warum denn? Du ermutigst mich doch immer dazu, mich auszudrücken.“

„Chloe.“ Das Wort war lang gedehnt, mit einer leichten Betonung am Ende. Es signalisierte Ärger, und Alex war nicht der Einzige, der es merkte.

„Schon gut. Aber ehrlich, Mom, du kannst manchmal so engstirnig sein.“

Alex hörte ein Seufzen. Es kam aus dem Wohnzimmer. Die Frau, die auf der Couch gelegen hatte, stand jetzt auf und entdeckte das Wandgemälde. „Oh nein … Chloe, was hast du getan?“

„Ich habe versucht, ein wenig Kultur in unser Haus zu bringen“, erwiderte Chloe mit blitzenden Augen.

„Schon gut, Mimi“, sagte Dani. „Du kannst nach Hause gehen. Ralph wartet bestimmt schon auf sein Essen. Danke, dass du auf sie aufgepasst hast.“

„Aber …“

„Chloe wird alles wieder sauber machen. Nicht wahr, Chloe?“

Mit einem dramatischen Seufzen verschränkte diese die mit Farbspritzern übersäten Arme vor der Brust. Es war eine Geste, die Alex schon von Dani kannte. Mimi sammelte ihre Sachen zusammen, warf Alex noch einen langen Blick zu und verließ das Haus.

Dani wandte sich Chloe zu. „Und dich kannst du auch gleich sauber machen. Du siehst aus wie ein Clown.“

Alex hörte das kleine Mädchen schnauben, bevor es nach hinten verschwand.

Dani sah ihn an. „Das war meine Tochter.“

„Interessantes Kind“, sagte er.

„Sie haben ja keine Ahnung.“ Dani schüttelte den Kopf. „Sie ist acht. Acht. Ich freue mich schon darauf, wie sie als Teenager sein wird!“

„Sie wirkt ziemlich … gewitzt“, sagte er.

„So kann man es auch nennen. Chloe ist begabt. Außerdem ist sie schlau, gerissen, und was immer Sie tun, spielen Sie nie Karten mit ihr.“

„Nein?“

„Ihr letzter Gegner hat einhundertvierundvierzig Dollar verloren.“

„Wow.“

„Sie zählt die Karten.“

„Aha.“

„Und schummelt.“

„Oho.“

„Also seien Sie vorsichtig.“

„Okay.“

„Und hören Sie auf, mich so anzusehen.“

„Wie?“

„So! Mit diesen Augen.“

„Es sind die einzigen Augen, die ich habe.“

„Sie wissen, was ich meine.“

Fast hätte er es bestritten. Aber er wusste tatsächlich, was sie meinte. Was er nicht wusste, war, ob er damit aufhören konnte. Sie war so verdammt … was eigentlich?. Das war das Problem. Er wusste nicht, was sie war. Oder warum er in ihrer Nähe aus dem Gleichgewicht geriet. „Vielleicht sollte ich jetzt auf mein Zimmer gehen.“

Sie nickte. „Folgen Sie mir.“

Dani führte ihn zur Treppe und gönnte ihm auf dem Weg nach oben den Anblick ihrer äußerst reizvollen Rückseite. Obwohl sie zart und anmutig war, ging ihre schmale Taille in einen knackigen Po über. Für Alex hätte die Treppe ruhig länger sein können.

Im ersten Stock führte sie ihn an zwei Zimmern vorbei, offenbar Chloes Zimmer und ein Bad. Dann öffnete sie eine dritte Tür und ließ ihm den Vortritt.

Das Zimmer war klein, aber bequem eingerichtet. In der Mitte stand ein breites Bett, außerdem gab es eine Kommode, einen Nachttisch und einen Fernseher. Die in die rechte Wand eingelassenen Regale waren voller Bücher, und über dem Bett hing ein Chagall-Druck. Alles sah gepflegt und ordentlich aus. Und so gar nicht nach Dani.

„Im Bad finden Sie frische Handtücher“, sagte sie. „Falls Sie noch etwas brauchen, melden Sie sich.“

Er ging zum Bett und legte den Koffer darauf. Als er sich umdrehte, stand sie noch an der Tür. „Danke“, sagte er. „Ich weiß, ich bereite Ihnen Unannehmlichkeiten. Aber ich verspreche, ich werde Sie so wenig wie möglich stören.“

Sie starrte ihn an, dann seufzte sie. „Es tut mir leid. Ich hätte freundlicher sein sollen.“

„Das ist okay. So etwas kann passieren.“

„Nicht bei Ihnen“, erwiderte sie. „Ich bin in letzter Zeit etwas gereizt, das ist alles.“

Er ging auf sie zu und sah, wie sie den Türgriff umklammerte. „Es ist nett von Ihnen, mich hier aufzunehmen. Petes wegen, meine ich.“

„Er wird wieder gesund“, sagte sie.

Er machte noch einen Schritt. Sie wich nicht zurück.

„Sie können ihn morgen besuchen“, sagte sie, und ihre Stimme zitterte ein wenig.

Er stand jetzt dicht vor ihr. Dicht genug, um sie in die Arme nehmen zu können. Um sie zu küssen. Über ihren Rücken und den Po zu streichen. Doch das tat er nicht, denn ihm war klar, dass seine Gedanken vollkommen abwegig waren. Sie waren sich gerade erst begegnet. Sie mochte ihn nicht sonderlich. Er war in ihrem Haus zu Gast. Aber verdammt, er wollte diesen Mund schmecken. Den leicht geöffneten Mund. Die Lippen, die sie mit der Zungenspitze befeuchtete. Aber er tat es nicht. Er nicht.

Sie tat es.

3. KAPITEL

Dani beugte sich vor. Es geschah nicht bewusst. Irgendetwas zog sie nach vorn, drückte sie von hinten. Wenn sie sich nicht dagegen wehrte, würden ihre Lippen auf seinen landen.

Ihre Blicke trafen sich, und als sie immer näher kam, sah sie die Überraschung in seinen Augen und das sanfte Lächeln. Sie zwang sich innezuhalten, als es fast zu spät war, denn sie stand schon auf den Zehenspitzen. Er brauchte sich nur etwas vorzubeugen, und sie würden sich küssen.

Dann ließen die unsichtbaren Hände sie los. Ihr Verstand setzte wieder ein, während sie hastig zurückwich. Ihre Wangen brannten. Nein, ihr ganzes Gesicht, der Hals, selbst die Hände brannten. Es war erniedrigend.

„Ich packe jetzt besser aus“, sagte Alex Bradley mit leiser, heiserer Stimme.

„Ja“, erwiderte sie und war ihm unendlich dankbar, dass er nicht ansprach, was gerade geschehen war.

Sie ging hinaus, wollte die Tür schließen, wollte schleunigst fort von Alex Bradley und seinen Lippen.

„Aber ich möchte den Kuss“, sagte er. „Später.“

Sie warf die Tür ins Schloss und schlug die Hände vors Gesicht. Was zum Teufel hatte sie getan? War sie verrückt? Fast hätte sie einen Wildfremden geküsst. Einen reichen, mächtigen, attraktiven Fremden, der in ihrem Haus zu Gast war. Einen Mann, vor dem sie sich in Acht nehmen musste, von dem sie nur zu gut wusste, dass er ihr nichts als Probleme bringen würde. Sie durfte nicht zulassen, dass er dachte …

Abrupt drehte sie sich um und öffnete die Tür. Alex stand am Bett, in der einen Hand Boxershorts, in der anderen Socken.

„Ich werde es nicht tun“, sagte sie.

„Was?“

„Sie küssen.“

„Okay.“

Sie knallte die Tür wieder zu, und diesmal ging sie davon. Aber ihre Verwirrung nahm nicht ab. Was war nur über sie gekommen? Normalerweise ging die Fantasie nicht mit ihr durch. Sie neigte auch nicht zu spontanen Eingebungen. Nur ihrer vernünftigen, sachlichen Art hatte sie das zu verdanken, was sie erreicht hatte. Sie übte den Beruf aus, den sie wollte. Sie besaß ihr eigenes Haus. Und natürlich war da noch Chloe.

Hormone. Es konnte nur daran liegen, dass ihre Hormone Amok liefen. Er produzierte doch Pheromone, nicht wahr? Das musste es sein. Sie reagierte einfach nur auf irgendeinen primitiven Duftstoff. Es war nicht ihre Schuld. Schließlich konnte sie nichts dafür, wenn ein Teil ihres Gehirn beschloss, auf seinen Duft zu reagieren.

Dani lief die Treppe hinunter und auf direktem Weg in ihr Schlafzimmer. Auf ihrer Kommode standen mehrere Flaschen mit Parfüm. Sie war keine Frau, die sich in Düfte hüllte, aber dies war ein echter Notfall. Sie nahm den stärksten Duft, den sie hatte, und tupfte ihn hinter jedes Ohr, zur Vorsicht auch unter die Nase. Das Parfüm überlagerte fast alles andere, und sofort entspannte sie sich. Jetzt war sie gegen seine Pheromone gewappnet!

Sie ging in die Küche. Chloe saß am Tisch, die blassgrünen Hände gefaltet. Dani seufzte.

„Wer ist der Mann, Mommy?“

„Er ist nur ein Gast. Ich kümmere mich in der Praxis um seinen Hund.“

„Warum ist er hier? Ich dachte, du wolltest keine Gäste mehr aufnehmen? Dass du das jetzt nicht mehr musst, weil die Praxis Gewinn abwirft und du keine Angst haben willst, dass ein Fremder mit deinem Schmuck durchbrennt?“

Dani nahm das Hackfleisch aus dem Kühlschrank und legte es auf die Arbeitsplatte. „Hast du die Wand sauber gemacht?“

„Das meiste. Seit wann kennst du ihn?“

„Was heißt das, das meiste?“

„Manches geht schwer ab. Warum brichst du die Regeln?“

Dani holte eine Schüssel aus dem Schrank und schlug einige Eier hinein, so heftig, dass Schale mit hineingeriet und sie sie herausfischen musste. „Wechsel nicht das Thema, Chloe. Ich erwarte, dass die Wand wieder makellos wird. Du weißt, was makellos bedeutet?“

„Sauber“, erwiderte Chloe ungeduldig. „Du wechselst hier das Thema.“

Dani warf ihr einen ärgerlichen Blick zu. „Der Mann heißt Mr. Bradley. Er wird nur zwei Tage hierbleiben, bis sein Hund wieder auf den Beinen ist. Ich breche keine Regeln, und außerdem sind es meine Regeln. Wenn ich sie brechen will, darf ich das.“

Chloe runzelte die Stirn. „Muss ich nett zu ihm sein?“

„Natürlich.“

„Aber er wird doch nur zwei Tage hier sein, oder?“

„Selbst wenn er nur zehn Minuten hier wäre, müsstest du nett zu ihm sein.“

„Aber ich mag ihn nicht.“

„Warum nicht?“

„Deshalb nicht.“

„Das ist kein Grund.“

Chloe zog die rechte Braue hoch. „Das sagst du dauernd.“

Einmal mehr wurde Dani bewusst, dass es kein Kinderspiel war, eine Tochter mit einem IQ von 180 zu haben. Ihre hübsche grüne Tochter vergaß nichts. Kein Gespräch. Keinen Fehler. „Mütter dürfen das“, sagte sie.

„Aber das ist nicht fair.“

„Über Fairness haben wir bereits gesprochen, nicht wahr?“

Chloe stand auf, und Dani sah, dass sie zwar versucht hatte, sich die Hände zu waschen, dabei jedoch nur die Farbe auf ihr Kleid, die Oberarme und sogar die Beine verteilt hatte.

„Die Welt ist nun einmal nicht fair“, sagte Chloe und wiederholte wortwörtlich eine Unterhaltung, die vor zwei Jahren stattgefunden hatte. „Ich sollte mich wohl daran gewöhnen.“

„Richtig.“

„Trotzdem ist das Mist.“

„Chloe!“

„Was? Das ist kein schlimmes Wort.“

„Aber fast.“

Das kleine Mädchen bedachte sie mit einem Blick, der viel zu weise für ihr Alter war. „Ich wette, du hast ihn eingeladen, weil er wie ein Filmstar aussieht.“

„Was?“

„Er sieht aus wie der Typ, bei dem du immer ins Schwärmen gerätst. Harrison Ford.“

„Tut er nicht.“

„Doch, tut er.“

„Er … Egal“, sagte Dani und konzentrierte sich wieder auf das Hackfleisch. „Jetzt ab in die Wanne, und wirf das Kleid in die Wäsche.“

„Ich dachte, du wolltest die Wand makellos haben?“

„Chloe …“

„Mütter“, murmelte Chloe beim Hinausgehen. „Ich werde sie nie verstehen.“

Dani musste lächeln. So schwierig es mit Chloe auch war, sie würde ihr kleines Genie gegen kein anderes Kind der Welt eintauschen. Sie tauchte die Hände in die klebrige Mischung aus Hackfleisch, Ei und Paniermehl und dachte an Chloes Worte. Die Bemerkung über Harrison Ford. Sicher, Alex hatte dunkles Haar, er war groß und kräftig, und er besaß diese tollen Falten an den Mundwinkeln, die seinem ohnehin schon attraktiven Gesicht so viel Charakter verliehen. Aber Harrison Ford? Bitte. Na gut. Vielleicht in Stunde der Patrioten. Aber ganz sicher nicht in Der einzige Zeuge.

Sie knetete den Teig noch einige Minuten lang und dachte die ganze Zeit an den Kuss in Der einzige Zeuge. An den, der so verzweifelt, so leidenschaftlich war, dass er buchstäblich von der Leinwand sprang. Es war eine ihrer Lieblingsszenen, und jedes Mal rutschte sie unruhig auf ihrem Sitz hin und her. Was ein sehr guter Grund war, nicht daran zu senken. Erst recht nicht mit Mr. Alex Bradley unter ihrem Dach.

Vernünftig, wie sie war, hörte sie auf, an Küsse, Filmstars und den Mann im Gästezimmer zu denken, und konzentrierte sich ganz aufs Kochen. Na ja, nicht ganz.

Alex betrachtete das Zimmer mit kritischen Augen. Es war nicht ganz so groß wie sein Wandschrank daheim, aber es war mit allem Notwendigen ausgestattet. Er klappte seinen Laptop auf. Ob er seine Geschäfte vom Hotel oder von diesem Zimmer aus führte, war egal. Vorausgesetzt, er konnte sich darauf konzentrieren. Aber das war nicht so einfach. Die Geräusche waren anders als im Hotel, die Umgebung nicht so anonym. Und dann war da natürlich noch Dani selbst.

Sie kannte ihn nicht gut genug, um ihn wegen seines Charakters nicht zu mögen. Es musste also etwas Äußerliches sein, das ihre Abneigung ausgelöst hatte. Dies war nicht das erste Mal, dass eine Frau ihm eindeutig signalisierte, sie in Ruhe zu lassen. Aber irgendwie war es bei Dani anders. Sie hatte keine Angst vor ihm. Im Gegenteil. Der Beinahe-Kuss bewies, dass sie etwas an ihm reizvoll fand. Doch das änderte nichts daran, dass sie ihn nicht mochte. Nein, so war es nicht. Dass sie ihn nicht mögen wollte. Was sah sie nur in ihm?

Diese Frage ging ihm seit einer Stunde nicht mehr aus dem Kopf. Er musste eine Antwort darauf bekommen. Warum? Vielleicht langweilte er sich nur. Oder er war neugierig. Oder er wollte sie dazu bringen, ihre Meinung zu ändern.

Er setzte sich an die Kommode, die er in einen Schreibtisch umfunktioniert hatte. Es war nicht gerade bequem, denn er konnte die Beine nirgends unterbringen, aber es würde schon gehen. Er musste sich nur ins Netz einloggen und seine E-Mails abfragen.

Plötzlich klopfte es leise an der Tür. „Herein“, sagte er.

Die Tür öffnete sich langsam. Dani kam herein. Er stand auf, und ihr Blick fiel auf seinen improvisierten Schreibtisch.

„Ich hoffe, Sie haben nichts dagegen“, sagte er. „Kann ich Ihr WLAN nutzen?“

Sie zuckte mit den Schultern. „Kein Problem. Ich gebe Ihnen den Code.“

Er lächelte.

Sie lächelte zurück.

„Das Essen ist fertig“, verkündete sie. „Kommen Sie doch mit herunter.“

„Großartig.“

„Und ich habe in der Praxis angerufen. Pete geht es gut. Wenn Sie wollen, besuchen wir ihn nach dem Essen.“

„Sehr gern sogar.“

Endlich ruhte ihr Blick auf ihm. Er fragte sich, warum sie jetzt so anders war. Sie wirkte geradezu freundlich. Irgendetwas war geschehen. Aber was?

„Nun ja“, sagte sie, und eine leichte Röte zierte ihre Wangen. „Im Bad sind frische Handtücher, falls Sie sich waschen wollen.“

„Danke.“

„Ich hoffe, Sie mögen Hackbraten und Kartoffelpüree.“

„Ich liebe Hackbraten und Kartoffelpüree.“

„Gut. Okay. Also …“

„Ich bin gleich so weit.“

Sie musterte ihn noch ein paar Sekunden lang und wandte sich abrupt ab. „Lassen Sie sich Zeit“, sagte sie und schloss die Tür hinter sich.

Alex schüttelte den Kopf. Er begriff es einfach nicht. Er hatte noch nie Probleme gehabt, mit einer Frau zu reden. Jedenfalls nicht, seit er in die Pubertät gekommen war. Aber bei Dani kam es ihm vor, als würden zwei Gespräche gleichzeitig ablaufen. Das eine war belanglos und ein wenig steif. Das andere stumm und voller Anspannung. Es war das stumme Gespräch, das ihn interessierte. Was sah sie, wenn sie ihn so anschaute? Und warum zum Teufel war es ihm so wichtig?

Dani lief die Treppe hinunter. Dass allein die Anwesenheit eines Mannes ausreichte, sie so zu verwirren … Diese lästigen Hormone. Die Dinger waren wirklich verdammt hartnäckig. Selbst während dieser kurzen und absolut harmlosen Unterhaltung hatte sie ihren Puls gespürt. Die Hitze. Die Schmetterlinge im Bauch. Alles ganz natürliche Anzeichen sexueller Erregung, ein wenig lästig und peinlich, aber so normal und bedeutungsvoll wie ein Schluckauf.

Mit Alex hatte das alles nichts zu tun. Es hätte ihr auch bei jedem anderen Mann passieren können, mit dem sie gern schlafen würde.

Vor der Küche blieb sie stehen. Dass sie immerzu an Sex mit Alex denken musste, war rein biologisch bedingt. Es war gar nicht ihr Interesse an ihm, das ihre Hormone in Aufruhr versetzt hatte. Es war genau andersherum. Eine sehr wichtige Unterscheidung.

„Warum stehst du da?“

Chloes Stimme ließ sie zusammenzucken. Ihre Tochter stand nur wenige Schritte entfernt. Das lange blonde Haar war noch feucht vom Baden, aber ordentlich gebürstet. Statt des grünlichen Kleids trug sie ihr weißes Rüschennachthemd, das für besondere Gelegenheiten. An den Armen waren noch grüne Flecken, aber die würden nach dem nächsten Bad verschwunden sein.

„Ich dachte, das Essen ist fertig“, sagte Chloe. „Isst er mit uns? Du hast für drei gedeckt. Worüber sollen wir reden? Muss ich wirklich nett sein?“

Dani ging in die Küche. Wie erwartet folgte Chloe ihr.

„Bitte gieß Wasser ein, Chloe, und stell das Salatdressing auf den Tisch.“

„Aber …“

Dani drehte sich zu ihrer Tochter um, wie immer erstaunt, dass sie mit acht schon so groß war. Na ja, ihr Vater war eins neunzig gewesen. „Das Essen ist fertig. Mr. Bradley wird mit uns essen. Wir werden über alles reden, worüber er sprechen möchte, denn er ist unser Gast. Und ja, du musst wirklich nett sein.“

„Das mit dem nett weiß ich zu schätzen“, sagte Alex und bog um die Ecke. „Aber wir müssen nicht über das reden, was ich möchte. Allerdings würde ich gern mehr über das Wandgemälde erfahren.“

Chloe wirbelte herum, während Dani versuchte, ihr klopfendes Herz zu beruhigen. Er hatte sie überrascht, das war alles. Mehr nicht.

„Das Wandgemälde interessiert Sie doch gar nicht“, sagte Chloe. „Sie wollen nur nett sein, nicht wahr?“

„Hmm.“ Alex musterte das Mädchen, und Dani sah ihm an, dass er ein Lächeln unterdrückte. „Nein, daran habe ich gar nicht gedacht. Aber wenn du möchtest, bin ich es.“

Chloe verschränkte die Arme vor der Brust. „Das wird nicht nötig sein. Wir werden uns nicht lange genug kennen.“

Alex schaute Dani an. „Das wird nicht nötig sein?“, wiederholte er, erstaunt über die gestelzte Sprache.

Jetzt musste Dani lächeln.

„Ja, so heißt das richtig“, sagte Chloe.

„Richtig“, bestätigte Dani.

„Ich sehe schon, ich werde auf meine Ausdrucksweise achten müssen“, meinte Alex. „Trotzdem interessiert mich das Wandgemälde … ungeachtet der Dauer unserer Bekanntschaft.“

Chloe ließ die Arme sinken und ging an den Kühlschrank. „Ich dachte, ein Wandgemälde wäre schön. Mehr nicht.“ Sie nahm den Krug heraus und füllte die drei Gläser auf dem Tisch.

„Interessierst du dich für Kunst?“, fragte Alex.

Dani hörte nicht die leiseste Herablassung in seiner Stimme. Entweder war er ein sehr guter Schauspieler oder wirklich neugierig. „Setzen Sie sich doch, Mr. Bradley. Wir können essen.“

Chloe stellte das Wasser weg, holte drei Flaschen mit Dressing heraus und stellte sie mitten auf den Tisch. Dann nahm sie Platz. „Ja, ich interessiere mich für Kunst“, sagte sie.

„Ich auch“, erwiderte Alex. „Ich habe daheim eine kleine Sammlung von Originalen. Vielleicht kannst du sie dir irgendwann ansehen.“

„Wo wohnen Sie denn?“

„New York. Jedenfalls ab nächster Woche.“

Dani stellte den Hackbraten zwischen sie und füllte die Teller. Sie war froh, dass Chloe ihr das Reden abnahm.

„Was ist das für eine Sammlung?“, fragte ihre Tochter.

„Eine bunte Mischung. Ein kleiner Rubens und einige von Andy Warhols Suppendosen. Ein paar moderne Maler, aber vor allem die französischen Impressionisten.“

„Mom hat einen Monet-Druck in ihrem Schlafzimmer.“

Dani sah gerade noch rechtzeitig auf, um mitzubekommen, wie verblüfft Alex darüber war, dass eine Achtjährige sich mit den französischen Impressionisten auskannte.

„Aha“, sagte er, ohne sich sein Erstaunen anmerken zu lassen. „Und gefällt er dir?“

„Er ist okay. Der Hopper in der Praxis gefällt mir besser.“

„Hopper“, wiederholte er. „Nighthawks, richtig?“

Chloe lächelte. Ein echtes Lächeln. Ein anerkennendes Lächeln. „Sie kennen ihn?“

„Ja.“

„Mögen Sie ihn?“

„Ich habe zwei Lithografien von ihm.“

Chloe nickte und sah Dani an. „Wann können wir nach New York fahren?“

Lachend setzte Dani sich. „Nicht heute Abend. Du musst noch Hausaufgaben machen.“

„Das war kein Scherz, Mutter. Ich möchte seine Sammlung sehen. Er hat mich eingeladen.“ Sie drehte sich zu ihm. „Das haben Sie doch?“

Alex nickte. „Dich und deine Mutter. Ihr seid jederzeit willkommen.“

Chloe starrte Dani an. „Also?“

„Wir reden später darüber. Iss jetzt.“

„Es schmeckt sehr gut“, sagte Alex.

Dani sah, dass er nicht nur einen großen Teil des Hackbratens, sondern auch das Kartoffelpüree, die grünen Bohnen und den Salat gegessen hatte. Es war lange her, dass ein Mann bei ihr gegessen hatte. „Danke. Bedienen Sie sich, es ist genug da.“

„Ich bekomme nicht sehr oft Hackbraten“, sagte er.

„Sie kochen nicht selbst, was?“

Er schüttelte den Kopf. „Und das ist gut so. Ich bin in der Küche ein hoffnungsloser Fall.“

„Ich wette, Sie haben es nie versucht. Mussten es nie, richtig?“

„Nein, ich habe es nie versucht.“

Sie wusste, dass er sie ansah, ihren Blick auffangen wollte. Sie war nicht nett. Es war nicht seine Schuld, dass er mit einem silbernen Löffel im Mund geboren worden war. Aber verdammt, sie hatte kein Verständnis für Menschen, die unselbstständig waren.

Es läutete an der Tür, und Dani war froh, den Tisch verlassen zu können. „Entschuldigen Sie mich“, sagte sie, ging nach vorn und öffnete.

Vor ihr stand Caroline Tully, eine Frau, die sie kaum kannte. Die Besucherin trug ein enges rotes Kleid, hochhackige Schuhe und genug Make-up für mehrere Tage. Außerdem hielt sie eine Kasserolle in den Händen.

„Hi, Dani“, sagte Caroline und schaute über Danis Schulter.

„Hallo.“

Endlich sah Caroline ihr ins Gesicht. „Ist er hier?“, flüsterte sie.

„Wer?“

„Er. Alex Bradley. Ich habe es vorhin gehört und konnte es kaum glauben. Wo ist er?“ Ohne auf eine Einladung zu warten, trat Caroline ein und drängte sich an Dani vorbei. „Ich dachte nur … na ja, wo du in der Praxis zu tun hast und so …“

Dani schloss die Tür und folgte ihr zur Küche. Caroline blieb abrupt stehen, als sie ihre Beute erspähte.

„Ich dachte mir, ich bringe etwas zu essen vorbei. Nur für den Fall, dass du keine Zeit zum Kochen hast …“

„Danke“, sagte Dani und rang nach Fassung.

Caroline starrte Alex Bradley an und streckte ihren Busen vor.

Alex erhob sich lächelnd.

„Willst du uns nicht bekannt machen?“, wisperte Caroline in dem offensichtlichen Versuch, wie ...

Autor

Jo Leigh
<p>Seit Jo Leigh 1975 bei der großen Filmgesellschaft 20-Century-Fox als Lektorin in der Abteilung für Comedys einstieg, ist sie im Filmgeschäft zu Hause. Sie war für die Mediengesellschaften CBS, NBC und verschiedene andere große Produktionsfirmen tätig, wobei sie zunehmend Drehbücher konzeptionierte und bearbeitete. Kein Wunder, dass bei so viel Sachkenntnis...
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