Bianca Gold Band 69

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  • Erscheinungstag 20.05.2022
  • Bandnummer 69
  • ISBN / Artikelnummer 9783751510660
  • Seitenanzahl 447
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Connie Benett, Suzanne Carey, Sandra Field

BIANCA GOLD BAND 69

1. KAPITEL

„Himmel, der Mann sieht fantastisch aus!“

Kate Franklyn sah ihre zierliche blonde Freundin an. „Dee, fängst du schon wieder damit an?“, fragte sie mit gespielter Empörung.

„Diesmal lohnt es sich, wirklich! Dieser Mann hat volle zehn Punkte verdient!“

Kate war amüsiert. Überall, wo die Freundinnen hinkamen, sah Deanna Angstrom sich nach gut aussehenden Männern um, sehr zu Kates Leidwesen.

Heute allerdings konnte Kate ihr nicht verübeln, dass sie ihrem Lieblingshobby frönte. Sie standen in der überfüllten Ecke eines Theaterfoyers und warteten darauf, dass die Abendkasse öffnete, um ihre Karten in Empfang zu nehmen. Die Szenenfotos an der Wand hatten sie sich bereits angesehen. Über das Wetter und die üblichen Alltagsprobleme bei der Tageszeitung, für die sie beide arbeiteten, hatten sie auch schon gesprochen. Bis zu Beginn des Stückes gab es nichts weiter zu tun.

Normalerweise interessierte Kate sich nicht für Dees Entdeckungen. Andererseits geschah es selten, dass Dee einem Mann zehn Punkte zubilligte. Deshalb wurde Kate neugierig. Ehe sie jedoch nach dem sagenhaften Exemplar des anderen Geschlechts Ausschau halten konnte, hielt Dee sie zurück. „Nein, dreh dich jetzt nicht um. Er sieht gerade hierher.“

Kate widerstand der Versuchung, einen Blick zu riskieren. „Wer ist es denn?“, fragte sie und glaubte, Dee hätte einen Filmstar im Visier. „Da du so begeistert bist, muss es sich mindestens um Tom Selleck oder Mel Gibson handeln“, sagte sie, auch wenn sie sich nicht vorstellen konnte, was einer der beiden in diesem kleinen Theater in Los Angeles zu tun haben sollte.

„Viel besser.“

„Wer könnte Tom oder Mel noch übertreffen?“

„Wie wäre es mit einer Mischung von beiden?“

„Unmöglich.“ Kate schüttelte den Kopf. „Einen solchen Mann gibt es nicht.“

„O doch, und ich sehe ihn aus meinen Augenwinkeln.“

Ungeduldig drängte Kate. „Na, wer ist es denn? Ein Filmstar? Oder jemand vom Fernsehen?“

Dee verneinte. „Niemand Berühmtes – jedenfalls noch nicht. Er ist aber bestimmt Schauspieler.“

„Deanna, du meinst, jeder Mann, dem du begegnest, müsste Schauspieler sein“, tadelte Kate sie. Ihre Neugier hatte schon nachgelassen.

Im Gegensatz zu Deanna, die ihre Beobachtungen zu einer Vollzeitbeschäftigung ausgeweitet hatte, lebte Kate zurückgezogen, seit ihre feste Beziehung vor kurzem in die Brüche gegangen war. Vier Jahre war sie mit Superstar Dan McBride zusammen gewesen, und noch heute tat es ihr weh, wie diese Liebe herabgesetzt worden war. Von einem neuen Verhältnis wollte sie nichts wissen.

„Aber er sollte ein Star sein“, behauptete Deanna. „Sieh ihn dir nur an!“

„Wie denn? Du lässt mich ja nicht“, sagte Kate und lachte. „Ehrlich, Dee, du bist unverbesserlich. Wann hörst du mit deiner Männersuche auf?“

„Nicht eher, bis ich einen guten erwische. Jedenfalls, der da passt nicht zu mir. Er ist zu groß.“

„Für alle Frauen, die größer sind als ein Meter fünfundsiebzig, muss ich dich daran erinnern, dass kein Mann jemals zu groß ist.“

Dee beneidete die Freundin um ihre Größe. „Ich meinte, zu groß für mich, aber genau richtig für dich.“

„Du vergisst, ich bin zurzeit nicht zu haben. Ich soll mir das Stück ansehen, nicht nach einem Mann Ausschau halten, und selbst wenn ich das wollte, würde ich das nicht in einem Kellertheater tun.“

„Wie snobistisch!“

„Das nicht …“, korrigierte Kate sie belustigt, „bloß nicht interessiert.“

„Du solltest aber interessiert sein.“ Vergnügt gab Dee ihr eine verlockende Beschreibung. „Er hat schwarzes Haar, lustige Grübchen, wenn er lacht. Ausdrucksvolle Augen, die sicher blau sind, breite Schultern …“

„Was für ein Rasierwasser benutzt er?“

„Sei nicht albern, Kate. Du machst einen Luftsprung, wenn du ihn siehst.“

„Ja, schon gut.“ Kate seufzte resigniert und schaute auf die Uhr. Noch mehr als fünf Minuten. „Ist die Luft jetzt rein? Wann darf ich ihn endlich sehen?“

„Moment …“ Dee wartete, bis ihre Entdeckung sich abwandte, dann gab sie Kate rasch ein Zeichen. „Jetzt. Auf der anderen Seite in der gegenüberliegenden Ecke.“

Gleichmütig schaute Kate sich im Raum um. Es war nicht schwer, den Mann zu finden, den Deanna so bewundert hatte. Ihn als gut aussehend zu bezeichnen war eine Untertreibung. Selbst fantastisch traf es nicht ganz. Der Mann sah einfach besser aus, als man es mit Worten beschreiben konnte.

Da er fast einen Kopf größer war als alle anderen, fiel der dunkelhaarige Fremde sofort auf. Dee hatte ihn sehr genau beschrieben, aber nicht erwähnt, welch starkes Selbstvertrauen er ausstrahlte. Er wirkte ungezwungen und sorglos, lächelte zufrieden und zeigte sich interessiert an allem, was sich um ihn herum abspielte. Dabei schien er allein zu sein.

Vermutlich ist seine Begleiterin im Erfrischungsraum, überlegte Kate. Ein Mann wie er ging doch nicht ohne eine hübsche Frau an seiner Seite aus.

Wahrscheinlich weil Deanna diesem Adonis so viel Aufmerksamkeit geschenkt hatte, verstieß Kate gegen das oberste Gebot des Beobachtens, das ihre Freundin ihr beigebracht hatte. Nimm das Objekt niemals zu lange in Augenschein. Der große, gut aussehende Mann schien ihren prüfenden Blick zu spüren. Er sah zu ihr, und sie vermochte nicht wegzusehen. Ein Kribbeln und Prickeln, wie sie es noch nie erlebt hatte, breitete sich in ihrem Magen aus.

Kate stockte ganz kurz der Atem, und sie fühlte sich peinlich berührt, ertappt worden zu sein. Rasch bemühte sie sich, die Situation mit einem höflichen Lächeln zu überspielen. Er erwiderte ihr Lächeln, und Kate erkannte, dass Dee recht hatte. Seine Augen mussten blau sein … himmelblau wie die Augen von Paul Newman.

Amüsiert über ihre verrückten Gedanken, brach Kate den Augenkontakt ab und gab sich betont sachlich. „Du hast recht, er sieht fantastisch aus.“

„Wie romantisch!“ Dee seufzte schwärmerisch. „Er hat dich angelächelt! Und wie ihr beide gestrahlt habt – es hat förmlich in der Luft geknistert.“

Kate lachte, vielleicht etwas lauter, als auf Deannas Worte angebracht war, tadelte die Freundin aber: „Du hast zu viele Liebesromane gelesen. Schmachtende Blicke in überfüllten Räumen und Liebe auf den ersten Blick gibt es nicht.“

„Dein Herz rast nicht, und deine Lippen beben nicht vor Erwartung?“, erkundigte sich Deanna gespielt unschuldig.

„Mein Herz schlägt nicht schneller als sonst, und meine Lippen sind reglos.“

„Aha, deshalb strahlst du so wie schon lange nicht mehr. Glaub mir, Kleines, nicht mal bei dem alten Dandy Dan hast du so ausgesehen wie gerade eben.“

Kate lächelte. Immerhin konnte sie inzwischen Dans Namen hören, ohne dass sie es als einen Schlag in die Magengrube empfand. Seine Filme und Fotos konnte sie sich nicht ansehen, ohne von Bedauern und Reue überwältigt zu werden. Doch nach sechs Monaten durfte sein Name in ihrer Gegenwart ruhig ausgesprochen werden.

Bis zu einem gewissen Grad konnte sie sogar über ihn scherzen. „Wollen wir Dandy Dan aus dem Spiel lassen, ja? Hast du vergessen, dass jede Frau in Amerika mal mit ihm eine Nacht verbringen möchte?“

„Stimmt. Und soweit ich gehört habe, arbeitet er sich systematisch von Bett zu Bett durch.“

„Ja, meine Damen und Herren“, ahmte Kate die Stimme einer Radioansagerin nach, „wie wir erfahren haben, ist das der vierzehnte Grund, warum Kate Franklyn Dan McBride verlassen hat.“

Dee lächelte bewundernd. „Habe ich dir schon gesagt, dass ich stolz auf dich bin, Kleines? Du kannst endlich über diesen irischen Gigolo reden, ohne so schrecklich enttäuscht auszusehen.“

„Die Zeit heilt alle Wunden. Zumindest sagt man das.“

„Also, wenn du dich jetzt nur wieder verabreden …“

„Bitte nicht!“, flehte Kate. „Nicht das schon wieder! Es hätte mir gleich auffallen müssen, dass du bei deiner Schmeichelei einen Hintergedanken hattest.“

„Nein, Kate, aber den Wunsch, dich wieder unter Menschen zu sehen.“

„Bitte, können wir über etwas anderes sprechen? In ein paar Minuten fängt das Stück an.“

„Meinetwegen können wir später …“ Kates warnender Blick ließ Dee mitten im Satz innehalten, „oder vielleicht auch nicht.“

Kate lächelte. „Gute Entscheidung. Komm, wir holen uns die Karten.“ Sie ging auf die Abendkasse zu, konnte sich aber nicht zurückhalten, einen heimlichen Blick über die Schulter zu werfen in Richtung des Mannes. Er stand noch in der Ecke und schaute zu ihr hinüber.

Willenskraft war nie Matt Gallaghers Stärke gewesen. Deshalb machte er sich nicht die Mühe, dem Blick der schwarzhaarigen Schönen auszuweichen. Sie sah umwerfend aus. Matt fehlten die Worte. Aber das gefiel ihm. Es war lange her, dass er beim Anblick einer Frau sprachlos geworden war.

Seit Matt nach Los Angeles gezogen war, hatte er festgestellt, dass in dieser Stadt weitaus mehr schöne Frauen zu finden waren als sonst wo in der Welt. Aber diese hier übertraf alle anderen bei weitem.

Vom Gesicht und der Figur her passte sie auf das Titelbild einer Illustrierten oder auf die Leinwand. Stattdessen war sie hier im Players Theater und gab vor, Matt ebenso wenig zu bemerken wie er sie. Das deutete auf eine gewisse Schüchternheit hin, die er anziehend fand.

Er wollte sie kennen lernen. Er wollte ihren Namen wissen, besser noch, gleich ihre Telefonnummer.

Matt bemerkte den verstohlenen Blick, den sie ihm zuwarf, als sie mit ihrer blonden Freundin an die Abendkasse trat. Klar. Ihre Telefonnummer. Auf jeden Fall!

Er schaute auf die Uhr. Eigentlich wurde es Zeit, dass er seinen Sitz einnahm, aber ein bisschen Spielraum blieb ihm noch. Statt also die Schlange vor der Abendkasse zu umgehen, trat er näher. Wenn er nicht wenigstens die Farbe ihrer Augen erfahren konnte, würde er heute Nacht nicht ruhig schlafen.

Ehe er jedoch zwei Schritte nach vorn gemacht hatte, erklang eine dröhnende Stimme. Nicht nur er, sondern auch alle anderen im Foyer schauten sich sofort um.

„Signorina Franklyn! Mia bellissima Signorina!

Der übertriebene italienische Akzent klang falsch. Matt drehte sich um. Ein fülliger, eleganter Mann, umgeben von etlichen Begleiterinnen, stürmte auf Matts schwarzhaarige Schöne zu. Und die sah ihm entgegen, als wünschte sie sich, der Boden vor ihr möge sich öffnen. Mühsam setzte sie ein freundliches Lächeln auf, und zögernd reichte sie dem windigen Italiener die Hand, die er übertrieben galant küsste.

Matt zwängte sich näher heran, um die Unterhaltung mitzubekommen.

„Signor DeAngelo. Was für ein Vergnügen, Sie wiederzusehen“, sagte Matts Schöne in gedämpftem Ton.

Wenn sie allerdings gehofft hatte, der Italiener würde ihren Wink verstehen und seine Stimme angemessen senken, musste sie enttäuscht sein.

„Signorina Franklyn, das Vergnügen ist ganz meinerseits“, bellte er und bedeutete seinen Begleiterinnen, näher zu treten. „Meine Lieben, ich möchte euch eine wunderbare Frau vorstellen. Signorina Katerina Franklyn. Sie ist hier, um meine bescheidene Produktion für den mächtigen Los Angeles Sentinel zu rezensieren. Allein ihre Schönheit bringt unserem Theater den Glanz, den wir brauchen.“

Wie auf ein Stichwort applaudierten seine Begleiterinnen, und sämtliche Gäste im Foyer richteten ihre Blicke auf eine peinlich berührte Miss Franklyn. Sie nahm den schmetternden Beifall mit einem matten Lächeln und einem freundlichen Nicken entgegen.

„Danke, Signor, für Ihre wohlwollenden Worte, aber seien Sie lieber vorsichtig, sonst muss ich annehmen, dass Sie mich mit Ihren Schmeicheleien beeinflussen wollen.“

O weh, dachte Matt, und seine Stimmung sank. Von der Unterhaltung der beiden bekam er kaum mehr etwas mit. Jetzt, wo er wusste, wer da vor ihm stand, gingen ihm ganz andere Gedanken durch den Kopf.

Kate Franklyn war die Theaterkritikerin des Sentinel. Unter diesen Umständen ihre Telefonnummer ausfindig zu machen war schlicht witzlos. Ebenso wenig machte er sich große Hoffnungen, sie näher kennen zu lernen. Wenn sie erst einmal seinen Namen erfahren würde, hätte er sowieso keine Chance mehr bei ihr. Eine ähnliche Erfahrung hatte er bereits gemacht und wusste genau, womit er rechnen musste. Verdammt!

„O Signorina Franklyn, ich glaube nicht, dass Sie sich leicht beeinflussen lassen“, hörte er den Regisseur sagen. „Aber so aufrichtig, wie Sie sind, werden Sie sich meine Produktion mit offenen Augen ansehen.“

Ehe die Kritikerin darauf etwas erwidern konnte, zog eine der Frauen DeAngelo am Arm, und Kate flüsterte ihrer blonden Freundin zu: „Ich werde meine Augen offen halten, wenn er die Tür offen lässt.“

Matt hörte ihre Bemerkung, da er gerade hinter ihr herging. Er konnte sich ein Lachen nicht verbeißen. Natürlich bekam sie das mit, straffte sich schuldbewusst und wirbelte so rasch herum, dass sie aus dem Gleichgewicht geriet. Sie stieß gegen ihn, und er fasste nach ihrem Arm, um sie festzuhalten. Betroffen schaute sie ihn an. Ihre erstaunlich blauen Augen weiteten sich, als sie ihn erkannte. Gleich darauf errötete sie.

Echte Schamesröte! Das hatte Matt schon lange nicht mehr gesehen. Die Frische, die die Farbe ihrem Gesicht verlieh, machte sie noch anziehender. Matt fühlte sich überwältigt und von heftigem Verlangen erfasst. Dann begriff er, dass es keine Rolle spielte, wer Kate Franklyn war. Es war auch gleichgültig, wer er war. Er würde alles Erdenkliche unternehmen, nur um diese Frau kennen zu lernen.

Selbst wenn er ihr dafür eine oder auch zwei kleine Notlügen auftischen musste.

2. KAPITEL

Kate konnte kaum durchatmen, so nah war ihr der Fremde. Er lockerte den Griff um ihre Arme, ließ sie aber nicht ganz los. Er schaute sie offen an, und im ersten Moment fiel es ihr einfach schwer, Luft zu holen. Deannas Anspielung, dass ihr Herz rasen müsse, schien jetzt gar nicht mehr so weit hergeholt wie eben noch!

Er sah wirklich fantastisch aus. Seine Augen funkelten amüsiert, aber wohl nicht nur wegen Kates Witz über DeAngelo, sondern eher, als gäbe es ein Geheimnis, von dem nur sie beide wüssten. Er musste sich sichtlich bemühen, ein vergnügtes Lachen zu unterdrücken. An den kleinen Fältchen um seine Augen erkannte Kate jedoch, dass er gern und viel lachte.

Da Kate ziemlich groß war, musste sie im Allgemeinen nicht zu jemandem aufschauen. Anders jedoch bei ihm. Sie fühlte sich fast überwältigt von seiner Größe. Wie aufregend!

Als hätte er ihre Gedanken erraten, huschte ein Lächeln um seine Lippen. Doch im selben Moment brachte DeAngelos laute Stimme Kate in die Wirklichkeit zurück. Sie nahm sich zusammen und sagte leise: „Entschuldigen Sie bitte.“

Sichtlich widerstrebend wandte sich der Fremde von Kate ab und warf einen Blick zu dem Regisseur hinüber. Dann blinzelte er Kate zu. „Bis nachher, schöne Frau!“, flüsterte er verschwörerisch, gab sie frei und ging an ihr vorbei zur Abendkasse.

Er bewegte sich lässig, und Kate konnte nicht anders, als ihm nachzuschauen. Die Jacke straffte sich über seinem breiten Rücken, seine Hüften waren schmal und seine Beine lang und muskulös. Ihn von hinten zu sehen war fast ebenso ein Vergnügen wie von vorn.

Er war an der Abendkasse schnell fertig und eilte weiter zu den Saaltüren, wo er sich ein letztes Mal nach Kate umsah. Sie erkannte an seinem Gesichtsausdruck, wie sehr es ihm gefiel, dass sie ihm nachschaute.

Verwirrt über sich selbst, wandte Kate sich hastig ab – aber nicht, ohne sein hinreißendes Lächeln aufzufangen. Dieser atemlose Moment war in wenigen Sekunden vorüber. Doch Kate fühlte sich wie benommen.

Erst als DeAngelo sie noch einmal ansprach, fand Kate auf den Boden der Wirklichkeit zurück.

„Wie bitte, Signor?“ Es fiel ihr schwer, ihre Aufmerksamkeit auf den Regisseur zu richten.

„Ich sagte gerade, das Stück wird gleich anfangen. Ich will Sie nicht länger aufhalten.“

Das Foyer war jetzt vollkommen leer, bis auf DeAngelo und seine Begleiterinnen, die nun durch die breiten Doppeltüren entschwebten. Kate ging zur Abendkasse hinüber, und Deanna folgte ihr.

„Wahnsinn!“, raunte Dee der Freundin zu.

Kate nickte gedankenversunken und hoffte, dass ihre Röte allmählich nachgelassen hatte. „Er ist etwas seltsam. Es tut mir leid, dass ich dich mitgeschleppt habe.“

„Nein, ich meine nicht DeAngelo. Ich meine diesen Fremden. Aus der Nähe sieht er noch besser aus. Ich schwöre dir, Kate, als du zu ihm aufgeschaut hast, dachte ich, du würdest jeden Moment in Ohnmacht fallen.“

„Sei nicht albern“, tadelte Kate die Freundin. Sie stand vor der Abendkasse und sprach die Angestellte hinter der Scheibe an: „Franklyn vom Sentinel. Für mich müssten zwei Karten reserviert sein.“

Die junge Frau strich Kates Namen auf der Vorbestellungsliste durch. „Ja, Ma’am, einen Moment.“ Während sie den Sitzplan überflog, konnte Kate einen Blick auf die Liste werfen und fand heraus, dass vom Enterprise, der Konkurrenzzeitung, niemand zur Premiere gekommen war. Weiter unten auf dem Blatt entdeckte sie Al Rossners Namen. Doch der war durchgestrichen, und „abges.“ stand gleich daneben.

„Großartig.“

„Wie bitte?“, fragte die junge Frau und reichte ihr die Karten.

Kate lächelte. „O nichts. Danke.“

„Viel Spaß.“

„Rossner hat abgesagt“, berichtete Kate ihrer Freundin, während sie den Zuschauerraum betraten.

„Was, vom Enterprise ist niemand hier?“

„Richtig. Da ich morgen in der Ausgabe nicht mit Rossner konkurrieren muss, kann ich Griffith vielleicht überreden, meine Rezension für die Sonntagsausgabe festzuhalten“, sagte sie und nahm neben der Freundin Platz. Im selben Moment ging die Deckenbeleuchtung aus.

Das Stück war ein Albtraum. Nachdem der erste Akt beendet war, ertönte magerer Applaus – mehr aus Erleichterung als aus Begeisterung. Dann verließen alle, auch DeAngelo und seine Begleiterinnen, den Saal.

Als Kate und Dee ins Foyer gelangten, war es bereits fast leer. Die Leute vor ihnen bewegten sich auf den Hauptausgang zu. Kate konnte es ihnen nicht verübeln. Wäre es nicht ihr Job gewesen, hätte sie sich auch auf den Heimweg gemacht.

„Meine Güte, ich sehe furchtbar aus!“, stellte Deanna entsetzt fest, als sie sich flüchtig in der Glasscheibe vor einem der Szenenfotos sah.

„Du siehst gut aus“, versicherte Kate ihr. „Das ist der Vorteil einer Lockenfrisur. Wer sollte schon merken, ob das nicht Absicht ist?“

Dee musterte ihre Freundin missgünstig. „Du hast gut reden. So wie du aussiehst, brauchst du dir nie Sorgen zu machen. Aber ich … Ich muss jetzt erst mal in den Erfrischungsraum.“ Amüsiert blinzelte sie Kate zu. „Es sei denn, du brauchst mich als moralische Stütze.“

„Nein, geh ruhig. Niemand wird mich nach meiner Meinung zu dem Stück fragen.“

Deanna wandte sich zum Gehen, und Kate kehrte dem leeren Foyer den Rücken, um ganz sicher zu sein, dass niemand sie belästigen würde. Leider funktionierte ihr absichtlich unauffälliges Verhalten nicht. Denn schon ertönte hinter ihr die gefürchtete durchdringende Stimme mit dem italienischen Akzent.

Mia bellissima Signorina. Was stehen Sie hier so allein?“

Seufzend bemühte sich Kate um ein freundliches Lächeln, als sie sich dem kleinen Regisseur zuwenden wollte. Aber zu ihrer Verwunderung sah sie nur den Fremden vor sich. Er griff nach Kates Hand, küsste sie und hakte ihren Arm bei sich unter, als würde er sie schon jahrelang kennen. Kates Herz machte einen Satz.

Mia bellissima Signorina, fehlen Ihnen die Worte? Hat meine ausgezeichnete Produktion Ihnen die Sprache verschlagen?“

Kate war fasziniert, wie treffend der Fremde den Regisseur nachahmen konnte. Sie lachte laut auf. „Nichts hat mir bisher die Sprache verschlagen, Signor … mir haben höchstens schon mal die Worte gefehlt.“ Kate lehnte sich leicht zurück und musterte ihn eingehend von oben bis unten. „Ich hoffe, Sie halten mich nicht für zu vermessen, Signor, aber ich muss schon sagen, Sie sind sehr viel größer geworden.“

Er nickte ernst. „Das liegt an der Länge des ersten Akts. Man konnte dabei um einige Zentimeter wachsen.“

„Wie wahr“, pflichtete Kate ihm bei und musste sich das Lachen verbeißen. „Und wie haben Sie es hinbekommen, dass Ihr Haar in der Zeit so dunkel geworden ist?“

„Oh, das ist kein großes Geheimnis“, erklärte er mit einer arroganten Kopfbewegung. „Mein Friseur hat neben mir gesessen.“

„Es ist ihm wunderbar gelungen, Ihre grauen Haare zu verdecken.“

„Oh, finden Sie?“, erkundigte er sich eifrig, ließ Kates Arm los und betrachtete sich interessiert im Glasrahmen der Szenenfotos.

„Vorsicht, Signor, sonst glaube ich noch, dass Sie auf einmal eitel geworden sind.“

Mit gespielter Verlegenheit senkte er seine Stimme zu einem Flüsterton, der gar nicht zu seinen komischen Worten passte. „Verzeihen Sie mir, Signorina, ich möchte nicht, dass Sie schlecht von mir denken.“

Die plötzliche Intimität, die in seinem Blick lag, ernüchterte Kate, obwohl ihr Herz jagte. Nervös ging sie auf Distanz. „Wahrscheinlich sollten wir uns nicht über Mr. DeAngelo lustig machen. Er könnte jeden Moment hier vorbeikommen und hören, was wir reden. Das wäre mir nicht recht.“

Matt merkte sofort, dass er etwas falsch gemacht hatte. Aber sie war so schön, intelligent und schlagfertig, dass er ihre Nähe so lange wie möglich auskosten wollte. Er lächelte und antwortete in normalem Tonfall: „Sie haben recht. Es tut mir leid, Miss Franklyn, aber ich konnte nicht widerstehen. Sie standen so verlassen da, obwohl Sie sich bemüht haben, unauffällig zu wirken.“

Seine Stimme hatte sich um mehr als eine Oktave gesenkt und klang warm und volltönend. Kate ignorierte das Prickeln, das ihr über den Rücken lief, und musterte ihn argwöhnisch. „Woher wissen Sie eigentlich meinen Namen?“

„Soll das ein Witz sein? Dank DeAngelo weiß jeder im Theater, wer Sie sind und wo Sie arbeiten.“

Kate kam sich albern vor. „Natürlich.“

„Sie sind also Kritikerin?“, fragte er wie beiläufig und lehnte sich an die Wand.

„Ja, richtig.“

„Wollen Sie mir nicht einen Vorgeschmack auf Ihre Rezension geben?“

Kate schüttelte den Kopf. „Geht nicht. Sie müssen schon den Sentinel lesen.“

„Morgen?“

„Wahrscheinlich nicht. Wenn ich Glück habe, wird meine Rezension am Sonntag abgedruckt, aber man weiß ja nie.“

„Tatsächlich? Ich dachte, Sie wollten – wie heißt das noch? – die Konkurrenz ausstechen.“

„Der Kritiker vom Enterprise war nicht da, deshalb habe ich einen Tag länger Zeit, um die Rezension zu schreiben.“ Sie neigte den Kopf zur Seite. „Sie sind furchtbar neugierig auf meine Arbeit.“

„Nein, ich suche nur nach einer Ausrede, um mich hier mit Ihnen unterhalten zu können.“ Matt stieß sich von der Wand ab und trat näher. „Wenn Sie keine Lust haben, sich mit mir zu unterhalten, gebe ich mich auch damit zufrieden, Sie einfach nur anzusehen.“

Es fiel Kate schwer, seinem Blick standzuhalten. „Ich bin keine Imitatorin und kann auch keine Grimassen schneiden“, versuchte sie ihn abzuwehren.

„Macht nichts. Nachdem ich eine Stunde da drinnen verbracht habe, könnte ich es sowieso nicht ertragen, wenn Sie mich jetzt zum Lachen brächten.“

„Hat Ihnen das Stück etwa nicht gefallen?“, erkundigte sie sich ernst.

„Kommen Sie, Miss Franklyn, Ihnen hat es auch nicht gefallen, oder?“

„Sie wollen wirklich meine Meinung hören?“

„Aber ja.“

„Sie haben nichts mit der Theatergruppe zu tun, oder?“

Matt hob seine rechte Hand. „Die Schauspieler habe ich heute Abend zum ersten Mal gesehen, Ehrenwort“, schwor er und wählte seine Worte sorgsam, um sein Gewissen zu beruhigen. Eine Lüge war das nicht, nur hatte er die Wahrheit bis zum äußersten Ende gedehnt.

„Na gut. Dann kann ich es Ihnen ja sagen. Falls ich lebend aus dem Theater komme, betrachte ich das als Beweis für ein Leben nach dem Tod.“

Matt schmunzelte. „Das ist gut. Sicher werden Sie das in Ihrer Rezension verwenden. Für den, eh, wie heißt das … wissen Sie, der erste Satz in einem Artikel?“

„Die Einleitung.“

„Ja genau. Das wird eine wunderbare Einleitung. Sie passt jedenfalls zu dem Stück.“

Kate senkte bescheiden den Blick. „O danke. Ich werde ihn verwenden, um Ihnen einen Gefallen zu tun.“ Du lieber Himmel, auf was lasse ich mich da ein? dachte sie entsetzt.

„Nur meinetwegen? Dann werde ich auf jeden Fall nach Ihrer Rezension Ausschau halten. Wenn ich am Sonntag im Bett meine Zeitung lese, werde ich nur an Sie denken.“

„Soll ich jetzt etwa wie Butter in der Sonne dahinschmelzen?“, fragte sie.

„Ich dachte mehr an Wachs in meinen Händen“, erklärte er und lächelte betörend.

„Ach, Sie sind einer von denen – so ein Foyerlöwe, der sich auf Pausenromanzen spezialisiert hat.“

Er hob die Schultern. „Was soll ich dazu sagen? Mir gefällt es, so zwischendurch anzubändeln.“

Kate lachte laut auf. Sie konnte sich nicht erinnern, wann es ihr jemals so viel Spaß gemacht hatte, sich mit jemandem auf ein Wortgefecht einzulassen. Es war aufregend, belustigend … und was sollte schon gefährlich daran sein? Schließlich war es nicht mehr als ein unschuldiger Flirt. „Sie sind vollkommen unmöglich, wissen Sie das?“

„Sicher“, gab er unumwunden zu. „Aber irgendwie muss ich doch Ihre Aufmerksamkeit auf mich ziehen, sonst werde ich Sie nie wiedersehen.“

Irgendwie hörte Kate heraus, dass er jetzt nicht scherzte. Aber sie ignorierte seine Andeutung. „So ist das Leben, mein Freund.“

Er wurde plötzlich ernst. „Heißt das, Sie werden nach dem Stück keinen Kaffee mit mir trinken gehen?“

Verblüfft geriet Kate ins Stottern. „Ich … eh …“

„Ist das ein Ja oder ein Nein?“

„Das ist … eh, ein Nein. Tut mir leid. Ich kenne ja noch nicht mal Ihren Namen und …“

Ehe sie ausreden konnte, straffte er sich und verbeugte sich. „Matthew McKenna, zu Ihren Diensten.“ Damit hatte Matt die Wahrheit weit überspannt. Aber was sollte er tun? Wenn er ihr seinen vollen Namen sagte, würde sie ihm sofort die kalte Schulter zeigen.

Aber seine Notlüge war nicht so sicher, wie er geglaubt hatte. Denn Kate wurde blass. Im ersten Moment dachte Matt, er wäre ertappt, sie würde ihn tatsächlich kennen. Aber das war nicht der Fall.

„McKenna?“, wiederholte sie heiser. „Du lieber Himmel, noch ein Ire!“

Matt vergaß sein schlechtes Gewissen. „Was soll denn das heißen? Ire nicht erwünscht? Ich dachte, das Vorurteil wäre seit der Kartoffelknappheit besiegt.“

Kate hob entschuldigend beide Hände und wich vor ihm zurück, als würde eine gewisse Distanz sie vor ihm schützen. „Es tut mir leid, ich wollte Sie nicht beleidigen …“

„Ich bin nicht beleidigt“, erwiderte er. Sein mitfühlender Blick war entwaffnender als sein Lächeln. „Hat einer meiner Landsmänner Ihnen das Leben schwer gemacht?“

Nervös schaute Kate auf die Uhr. Wo blieb Deanna? „Das ist eine persönliche Angelegenheit, über die ich mit einem Fremden nicht sprechen will.“

„Oh, Entschuldigung.“ Er lachte plötzlich, und Kate musste sich rasch gegen seinen Charme wappnen. „Wenn ich meinen Namen ändere, würden Sie dann eine Tasse Kaffee mit mir trinken gehen?“

„Hören Sie …“

„Würden Sie mit einem vollkommen unbedrohlichen George Burns ausgehen? Oder wie wäre es mit George Bush?“

„Bitte …“

„Ach, tut mir leid. Wahrscheinlich sind Sie Demokratin. Wie wäre es mit Bill Clinton?“

„Würden Sie endlich aufhören!“

„Geraldine Ferraro? Das ist mein letztes Angebot. Entweder Sie nehmen es an oder lassen es bleiben.“

Gegen ihren Willen musste Kate lachen. „Bitte, bringen Sie mich nicht zum Lachen“, bat sie. „Ich will Sie nicht sympathisch finden.“

„Weil ich Ire bin?“, fragte er ungläubig.

„Weil ich verlobt bin.“

„Ach so.“

Er schwieg einen Moment. Da erst merkte Kate, dass sie soeben gelogen hatte. Hoffentlich fiel ihm das nicht auf. Eigentlich war es mehr ein Versprecher. Denn bis vor sechs Monaten hatte sie diese Ausrede benutzen können. Doch jetzt galt sie nicht mehr.

Matt musterte sie prüfend, ließ den Augenblick zu einer unangenehmen Stille anwachsen, ehe er schließlich fragte: „Verlobt mit wem?“

Kate bemühte sich, ernst zu bleiben, auch wenn es ihr nicht leicht fiel. „Mit einem netten jungen Mann.“

„So nett wie ich?“

„Ich kenne Sie nicht.“

„Trinken Sie eine Tasse Kaffee mit mir, und lernen Sie mich kennen. Haben Sie schon mal etwas von Vergleichen gehört?“

„Das Vergleichen habe ich bereits hinter mir!“, wehrte sich Kate. „Hören Sie, Mr. McKenna …“

„Nennen Sie mich Geraldine.“

Kate seufzte müde. „Können Sie denn gar nicht ernst sein?“

„Na gut, ich werde es versuchen.“ Sein Gesichtsausdruck veränderte sich, und plötzlich wünschte Kate sich, sie hätte ihn nicht darum gebeten. So durchdringend, wie er sie jetzt anschaute, fiel es ihr noch schwerer, sich gegen ihn zu wehren.

„Irgendwann kurz vor acht heute Abend stand ich da drüben in der Ecke“, sagte er, „als die schönste Frau, die mir je begegnet ist, in das Foyer stürmte. Ihr Haar war zerzaust, und sie lächelte so bezaubernd, dass mein Herz raste. Da habe ich gleich gewusst, diese Frau muss ich näher kennen lernen. Das ist mir gelungen, und was habe ich dabei entdeckt? Dass sie intelligent, witzig und faszinierend ist. Leider hat sie nur einen Fehler und wehrt sich gegen die Anziehungskraft, die ich für sie empfinde.“

Darauf vermochte Kate ihm nichts zu erwidern, selbst wenn sie gewollt hätte. Aber das brauchte sie auch nicht, denn Matt fuhr leise fort: „Ich weiß nicht, wie Sie denken, aber ich glaube nicht an die Liebe auf den ersten Blick. Lust auf den ersten Blick gibt es. Das kann ich sehr gut beurteilen, weil ich es gerade am eigenen Leib erlebe. Ehrlich, Sie sind charmant, auffallend hübsch und eine sehr nette Frau. Ich möchte Sie unbedingt näher kennen lernen.“

Endlich hielt Matt inne und wartete einen Moment, ehe er sich erkundigte: „Jetzt sagen Sie mir, Miss Franklyn, war das ernst genug?“

Das gibt es nicht! dachte Kate. Bei so viel Dreistigkeit und Schmeichelei verschlug es ihr die Sprache. Natürlich hätte sie ihm gern jedes Wort geglaubt. Schließlich machte er ein Gesicht, als würde er es wirklich ernst meinen. Doch vom Gefühl her wollte sie lieber davonlaufen.

Und ihr Gefühl war stärker. „Es tut mir leid, Mr. McKenna. Wirklich. Sie sind ein anziehender Mann, und ich fühle mich geschmeichelt. Aber ich bin tatsächlich verlobt. Ich hätte Sie nicht ermutigen dürfen. Dafür muss ich mich entschuldigen. Falls ich Sie in Verlegenheit gebracht haben sollte …“

„In Verlegenheit?“ Matt lachte und schüttelte den Kopf. „Warum sollte ich verlegen sein? Ich habe einer schönen Frau gesagt, dass sie schön ist. Sicher bin ich nicht der erste Mann, der den Wunsch verspürt, Sie einfach an sich zu reißen.“

„Nein, und Sie werden wahrscheinlich nicht der Letzte sein“, bemerkte sie und schmunzelte. Wie gelassen er ihre Ablehnung hinnahm. „Aber nicht vielen Männern gelingt es, so charmant und offen auszusprechen, was sie wollen.“

Sofort spitzte er die Ohren und neckte sie: „Aha, Sie finden mich charmant?“

„Sie sehen auch gut aus.“

„Hm …“ Er strich sich nachdenklich das Kinn. „Charmant und gut aussehend.“

„Außerdem besitzen Sie einen wunderbaren Humor.“ Du lieber Himmel, gerade habe ich ihn zurückgewiesen, und jetzt flirte ich schon wieder mit ihm. Was ist nur los mit mir?

Da sie so ehrlich gewesen war, hielt Matt es für besser, ihr die ganze Wahrheit zu sagen. Früher oder später würde sie sowieso erfahren, wer er war. Und wenn sie schon nicht miteinander flirten konnten, sollte sie die Wahrheit wenigstens von ihm erfahren.

Aber gerade als er sie aussprechen wollte, fiel sein Blick auf ihre linke Hand. Sie hatte schlanke, graziöse Finger … und trug keinen Ring.

Eine Verlobung ohne Ring? Das gab es natürlich. Aber wäre sie seine Verlobte, würde er ihr ein Schild mit der Aufschrift „Annähern verboten“ umhängen. Sollte ihr Verlobter nicht erkannt haben, welchen Schatz er besaß? Oder gab es keinen Verlobten, und Miss Franklyn hatte sich ebenso wie Matt hinter einer Ausrede versteckt?

Die Wahrheit herauszufinden war nicht allzu schwer. Doch bis dahin wollte Matt seine Notlüge lieber nicht aufdecken. Zu beglückend war die Hoffnung, die erneut in ihm aufflammte.

In diesem Moment signalisierten die Lichter den Beginn des zweiten Aktes. „Das ist unser Stichwort. Darf ich Sie wenigstens ins Theater geleiten?“

Kate fiel ein, dass sie mit Deanna hier war. „Ich warte auf meine Freundin.“

„Die hübsche Blonde?“

„Ja.“

„Sie ist schon vor fünf Minuten hineingegangen.“

„Diese Verräterin! Das ist wohl das letzte Mal, dass ich ihr Begleitungskarten besorge.“

„Nach dem Desaster ist sie wahrscheinlich froh darüber.“ Er bot Kate seinen Arm und führte sie ins Theater.

„Ich gehe wieder hinein, weil es mein Job verlangt. Aber wenn Ihnen das Stück so wenig gefallen hat, warum gehen Sie dann mit?“

Sie näherten sich den Doppeltüren, und Matt beugte sich so weit zu Kate hinüber, dass sein warmer Atem ihre Wange streifte. Sicher wusste er genau, wie erotisch seine unschuldige Geste war. „Wetten, dass Sie nach der Tortur sogar mit mir ausgehen wollen?“

„Das wird nicht passieren“, erklärte sie überzeugt.

Er hob die Schultern. „Da wäre ich nicht so sicher, Miss Franklyn. Wer weiß, was für Überraschungen der morgige Tag bringt.“

Ehe sie ihm darauf etwas erwidern konnte, war er im Theater verschwunden.

3. KAPITEL

Die Büros des Los Angeles Sentinel nahmen drei Etagen eines alten Hochhauses ein, das einmal der höchste Wolkenkratzer in der Stadt gewesen war. Jetzt stand es im Schatten anderer Gebäude, war jedoch noch bis auf einen unzuverlässigen Aufzug nutzbar.

Am Samstagnachmittag waren die Straßen und Gehwege weniger bevölkert als in der Woche, aber in der Unterhaltungsabteilung des Sentinel ging es so chaotisch zu wie immer. Schreibtische waren in dem großen offenen Raum so dicht aneinander geschoben, dass keiner Privatsphäre hatte, ja manchmal kein zusammenhängender Gedanke möglich war.

Der Abgabetermin für Artikel der Samstagsausgabe war natürlich längst vorbei, aber der für die Sonntagsausgabe rückte immer näher, und Kate stand bereits unter Zeitdruck.

Paul Griffith, ihr Chefredakteur, war ziemlich schlecht gelaunt gewesen, als Kate ihn gefragt hatte, ob er ihre Rezension für die Sonntagsausgabe aufheben könnte. Ihr witziger und bissiger Hetzartikel gegen das Theaterstück hatte einen Aufmerksamkeitswert, wie Griffith ihn für den Unterhaltungsteil gern sah. Doch er war so darauf erpicht, die Konkurrenz auszustechen, dass er ihre Rezension nicht in die Sonntagsausgabe nehmen wollte. Erst als Kate ihm versicherte, dass vom Enterprise niemand da gewesen sei, hatte er nachgegeben.

„Kate Franklyn?“

Kate wandte sich der fremden Stimme zu und entdeckte einen Blumenboten, der am Eingang stand.

„Hier!“, rief sie. „Ich bin Kate Franklyn.“

„Die ist für Sie, Ma’am. Tut mir leid, dass ich mich ein bisschen verspätet habe. Dies hätte genau um ein Uhr hier abgegeben werden sollen.“ Er lächelte entschuldigend und reichte ihr eine kleine Vase, die in grünes Papier eingeschlagen war.

„Danke.“ Verwirrt drehte Kate die Vase in ihren Händen und betrachtete sie von allen Seiten, bis Deanna, die sofort herbeigeeilt war, gereizt sagte: „Um Himmels willen, das ist nur grünes Papier. Es beißt nicht. Mach es ab und sieh nach, was darin ist. Und viel wichtiger, von wem es ist!“

„Ich verstehe nicht …“ Kate runzelte die Stirn, als eine kleine Kristallvase mit einer roten Rose, Ziergras und Farn zum Vorschein kam. „In all den Jahren hat mir niemand Blumen geschickt. Nicht mal Dan.“ Sie zog die Karte aus der Plastikklammer und musterte sie schweigend.

„Was steht drauf?“

„Ich verzeihe Ihnen, wenn Sie mir verzeihen.“

„Das ist alles?“

Kate nickte. Sie konnte sich nicht vorstellen, was das bedeuten sollte. „Sie ist nicht unterschrieben. Aber was …“

„Franklyynnnn!!“

Der ganze Raum schien zu erzittern, und jeder, der in Hörweite des ohrenbetäubenden Brüllens war, erstarrte, als müsse es jeden Moment ein Erdbeben geben.

„Eine Vier auf der Richterskala“, murmelte Dee vor sich hin.

„Mag sein, aber er hält das hier bestimmt nicht für den Sankt-Andreas-Graben“, erwiderte Kate und sah den hundertzwanzig Kilo schweren, wütenden Chefredakteur mit einer gefalteten Zeitung nahen. Alle wichen zur Seite und versammelten sich dann hinter ihm.

Paul Griffith, um die fünfzig, kahlköpfig und untersetzt, stürmte auf ihren Tisch zu und fuchtelte ihr mit der Zeitung vor der Nase herum. Er hielt einen Moment inne, um seinem Zorn Nachdruck zu verleihen, und schimpfte dann: „Hoffentlich haben Sie eine gute Erklärung parat, junge Dame, denn ich bin nahe daran …“, er schnipste mit den Fingern, „Sie zu feuern.“

„Warum soll ich diesmal gefeuert werden, Sir?“

„Verdammt, Franklyn, ich habe Ihnen vertraut! Sie waren immer ehrlich … haben mich nie an der Nase herumgeführt, damit Sie in die Sonntagsausgabe kommen. Aber das ist ein starkes Stück! Ich könnte Sie schon für wesentlich weniger entlassen.“

Griffith’ Launen nahm Kate sonst nicht ernst, aber heute redete er in einem anderen Ton mit ihr. Er war hörbar enttäuscht, was Kate tief traf, denn sein Respekt und Vertrauen auf ihre Ehrlichkeit bedeuteten ihr viel. „Mr. Griffith, ich weiß wirklich nicht, was los ist.“

„Das hier!“ Er hielt ihr die Zeitung hin. Es war die Morgenausgabe des Enterprise, die ab 12:30 im Verkauf war. „Sie haben gesagt, von der Konkurrenz wäre gestern Abend kein Kritiker da gewesen.“

„War auch nicht! Ich habe die Vorbestellungsliste gesehen. Al Rossners Name war durchgestrichen und mit dem Vermerk ‚abgesagt‘ versehen.“

„Rossner? Himmel, leben Sie hinterm Mond? Rossner hat vor zwei Wochen gekündigt! Er ist weg!“ Griffith knallte ihr die Zeitung auf den Tisch.

„O nein!“ Kate sank auf ihren Stuhl. Also war gestern Abend doch jemand vom Enterprise im Theater gewesen. Dank Matt McKenna war sie so beschäftigt gewesen, dass sie denjenigen nicht bemerkt hatte. Kate verließ der Mut. „Tut mir leid, Mr. Griffith. Das wusste ich wirklich nicht.“

„Offenbar!“ Er stützte sich auf den Schreibtisch und beugte sich drohend vor. „Sagen Sie mal, Kate, sind Sie nicht schon lange genug hier, um zu wissen, dass Sie Ihre Rezension für sich behalten, bis Sie sie mir eingereicht haben? Was zum Teufel haben Sie bloß gemacht, etwa im Foyer des Theaters eine Pressekonferenz gehalten, oder was?“

Vollkommen verwirrt starrte Kate ihn an. Rasch griff er nach der Zeitung und las laut vor: „Liebe Leser: Als Neuankömmling in der Theaterszene von L. A. hatte ich gehofft, Ihnen in meiner ersten Rezension einen durchschlagenden Erfolg präsentieren zu können. Leider ist das nicht der Fall. Stattdessen habe ich erfahren, dass es ein Leben nach dem Tod gibt. Ich bin mir da ganz sicher, denn irgendwie habe ich es geschafft, die Premiere von Howard DeAngelos hoffnungslos missratener Interpretation des Stückes Blithe Spirit zu überleben. Diese Aufführung hätte besser vorher beerdigt werden sollen.“

Griffith warf Kate einen finsteren Blick zu. „Soll ich weiterlesen?“

Entsetzt nahm sie die Zeitung an sich. „Das ist unmöglich! Ich habe nicht …“ Während sie das sagte, überflog sie die Seite und wusste, ohne den Artikel gefunden zu haben, Bescheid. Das Foto des Kritikers reichte aus.

Gleich unter der Überschrift „Ansichten und Rezensionen“, lachte Kate ein Gesicht mit spöttisch funkelnden Augen entgegen. Sie brauchte nicht die Zeile darunter zu lesen, um zu wissen, dass sie von einem Schurken, der sich Matt McKenna nannte, hereingelegt worden war.

„Wie ich sehe, kennen Sie den Kritiker, den der Enterprise vergangene Woche eingestellt hat“, bemerkte Griffith, etwas besänftigt von Kates entsetztem Gesicht. „Er kommt irgendwo von der Ostküste.“

„Den bringe ich um“, flüsterte sie vor sich hin.

„Tun Sie sich keinen Zwang an“, ermunterte sie der Chefredakteur. „Wir lassen jemanden über den Mord berichten. Damit könnten Sie noch in die Sonntagsausgabe kommen. So wie es jetzt aussieht, ist Ihre Rezension gestorben. Schreiben Sie eine neue und reichen Sie sie mir rechtzeitig für die Montagsausgabe ein.“

Kate hörte Griffith nur zum Teil zu, nickte aber wenigstens zustimmend, ehe der Chefredakteur davoneilte.

„Kate? Kate?“ Deannas Stimme drang wie aus weiter Ferne an ihr Ohr. „Es ist Matt McKenna, ja?“ riet Dee.

„Nein, Matt Gallagher.“ Kate knirschte innerlich mit den Zähnen. „Der Schuft hat sogar einen falschen Namen angegeben, verdammt!“ Sie warf Deanna die Zeitung zu. Eifrig griff die Freundin danach und las den Artikel.

„Nun, du musst zugeben, das ist ein gutes Bild. Im Allgemeinen sehen diese Fotos aus, als kämen sie aus einer Verbrecherkartei. Deshalb war ich immer froh, dass der Sentinel keine Fotos seiner Reporter …“

„Ach, sei still!“, schimpfte Kate erzürnt, griff nach einer neuen Diskette, kodierte sie und begann, ihre Rezension zu überarbeiten. „Ich fasse es nicht, dass ich tatsächlich auf den Mist reingefallen bin, den der Kerl mir erzählt hat!“

„Ach, so schlimm ist die Sache doch nicht. Du und Al, ihr habt zigmal versucht, euch gegenseitig auszustechen. Rivalitäten unter Kritikern und Reportern sind doch an der Tagesordnung.“

„Willst du Gallagher auch noch verteidigen?“

„Kate, das ist ein Scherz. Erkennst du das denn nicht? Er flirtet mit dir. Du hast ihn gestern Abend abgewiesen, und er will dir damit sagen, dass er nicht aufgegeben hat.“

Kate glaubte ihren Ohren nicht zu trauen. „Soll ich mich etwa geschmeichelt fühlen, weil er mir die Einleitung für die Rezension abgejagt hat?“

„Nein, aber mach nicht gleich einen Staatsakt daraus. Wir sprechen hier von einer Rezension über eine miserable Produktion. Es ging nicht um die L. A.-Premiere von Phantom der Oper. Du weißt das und Gallagher auch. Fass es als Streich auf.“

Dee hatte ja recht. Rivalitäten unter Kritikern gehörten zum Alltag. Kate hatte selbst den einen oder anderen Trick angewandt, um der Konkurrenz einen Haken zu schlagen. Aber in diesem Fall war sie zu wütend, um nachzugeben. Sie warf ihrer Freundin einen finsteren Blick zu. „Hast du nichts anderes zu tun? Ich bin mehr als beschäftigt.“

Nachdem Kate mit der Arbeit fertig war, begann sie halbherzig den Schreibtisch aufzuräumen. Plötzlich breitete sich Schweigen im Raum aus. Kate schaute auf, aber einige Reporter versperrten ihr die Sicht auf die Schwingtüren, die in den Flur führten. Sie stand auf, schlüpfte in ihre Jacke und reckte sich, um besser sehen zu können.

Auf der anderen Seite des Raumes wies die verblüffte Sekretärin einer großen dunkelhaarigen Gestalt in einem schwarzen Trenchcoat mit hochgeschlagenem Kragen den Weg. Eine dunkle Sonnenbrille und ein brauner, kurzkrempiger Hut verdeckten das Gesicht des Mannes. Trotz der albernen Verkleidung erkannte Kate Matt Gallagher sofort.

Mehrmals schaute er sich rasch nach allen Seiten um, als wolle er sich vergewissern, dass ihm niemand folgte. Obwohl Kate wütend war, hätte sie laut auflachen können.

Ein Blick jedoch auf Matts Foto reichte, um ihren Zorn erneut zu schüren. „Was wollen Sie hier?“ griff sie ihn bissig an.

Als hätte sie nichts gesagt, trat Matt näher und ließ seine Sonnenbrille etwas tiefer rutschen, damit sie ihn erkennen konnte. „Ich bin es … Matt. Ich glaube nicht, dass mir jemand gefolgt ist, aber man kann nie sicher sein. Verhalten Sie sich unauffällig.“

„Hören Sie auf, nehmen Sie die Brille und den albernen Hut ab.“

„Das kann ich nicht!“ erklärte er entsetzt. „Haben Sie eine Ahnung, in welche Gefahr ich mich begeben habe, indem ich hierhergekommen bin? Wenn mich jemand erkennt, werde ich zerrissen und gevierteilt, weil ich mich ins feindliche Lager geschmuggelt habe. Das werden Sie doch nicht wollen, oder?“

Kate lachte trocken. „Mir fallen da ein paar schlimmere Dinge ein, die ich Ihnen an den Hals wünschen würde.“

Matt griff sich an die Brust, als wäre er schwer verwundet. „Ist das die feine Art, mit mir zu sprechen, nach dem, was ich riskiert habe, um zu Ihnen zu kommen?“

„Gallagher, Ihr größtes Risiko ist, zu mir zu kommen!“

Er ließ sich auf Kates Schreibtisch sinken und seufzte entmutigt. „Sie haben wohl meinen Artikel gelesen.“

„Natürlich!“

„Hat er Ihnen gefallen?“ Er lächelte hoffnungsvoll und brachte Kate fast auf die Palme.

„Was?“, schrie sie ihn fast an. Eine solche Unverfrorenheit!

„Oh, ich dachte, er hätte ein paar gute Gesichtspunkte.“

„Von mir gestohlen!“

„Nörgel! Nörgel! Nörgel!“

„Sie sind unmöglich! Sie sind der gemeinste, abscheulichste Mensch, dem ich je begegnet bin.“

„Gestern Abend fanden Sie mich noch charmant“, erinnerte Matt sie gelassen.

„Gestern Abend wusste ich auch nicht, was für ein Lügner und Hochstapler Sie sind.“

„Eine Entschuldigung würde Sie nicht umstimmen, oder?“

„Kein bisschen.“

„Wollen Sie mich nicht wenigstens anhören?“

„Es gibt nichts mehr zu sagen, Gallagher. Dieser komische Auftritt oder Ihre Entschuldigungen interessieren mich nicht. Ich lehne Lügner ab.“

„Kate …“

„Auf Nimmerwiedersehen, Mr. Gallagher“, unterbrach sie ihn und schnappte sich ihre Handtasche. Sie lief um den Schreibtisch herum, aber als sie die Vase sah, die sie bekommen hatte, erstarrte sie. Die Rose hätte genau um ein Uhr abgegeben werden sollen – eine halbe Stunde nach Erscheinen des Enterprise!

„Sie!“ Kate packte die Vase. „Sie haben das hier geschickt!“

„Ich bekenne mich schuldig.“

Schon wollte sie die Blume samt Vase in den Mülleimer werfen, doch Matt streckte seine Hand aus und hielt sie zurück.

„Tun Sie das nicht!“, rief er entsetzt. „Haben Sie eine Ahnung, wie teuer ein Dutzend Rosen heutzutage sind?“

Verblüfft entzog Kate ihm den Arm. „Es ist kein Dutzend Rosen! Nehmen Sie Ihre Finger weg!“, wehrte sie sich, warf die Blume in den Mülleimer und stürmte um den Schreibtisch herum zum Ausgang.

„Halt, so warten Sie doch!“, rief Matt, als Kate davoneilte.

Aber Kate blieb nicht stehen. Sie betrat die leere Kabine des Aufzugs, der soeben angehalten hatte, und schaute Gallagher warnend an. „Wenn Sie auf den kleinen Knopf da draußen an der Wand drücken, kommt gleich schon der nächste Aufzug“, erklärte sie ihm. „Mir ist nicht danach, mit Lügnern in einer Kabine zu fahren.“

Heftig drückte sie auf die Taste „Erdgeschoss“ und hoffte inständig, dass der Aufzug sie nicht im Stich ließe.

„Entschuldigung“, sagte Matt und hechtete in den Aufzug, kurz bevor sich die Türen schlossen.

„Verdammt!“, schimpfte Kate. „Lassen Sie mich in Ruhe!“

„Entschuldigung, aber wir müssen unbedingt miteinander reden.“

„Nein.“ Kate schaute ihn an und wünschte sich im selben Moment, sie hätte das nicht getan. „Nehmen Sie endlich den blöden Hut und die Sonnenbrille ab. Und wenn Sie schon mal dabei sind, lassen Sie auch dieses dämliche Lächeln.“

„Mein Lächeln gefällt Ihnen, nicht wahr?“ Matt freute sich, und Kates dummes Herz machte einen Satz.

„Sie sind unmöglich!“ Hastig schaute sie zu den aufleuchtenden Zahlen über der Tür. Vierzehn Etagen bis zum Erdgeschoss. So lange wollte sie nicht warten. Aber ehe sie den Knopf für die dreizehnte Etage drücken konnte, hatte Gallagher ihre Absicht durchschaut und versperrte ihr die Bedienungstafel.

„Nein, nicht eher, bis wir miteinander gesprochen haben“, verlangte er.

„Gehen Sie mir aus dem Weg!“

„Nur wenn Sie versprechen, keinen Knopf anzurühren.“

Kate schaute auf die Leiste über der Tür. Sie hatten schon die zehnte Etage hinter sich. Bei dem Tempo würden sie in ein paar Sekunden im Erdgeschoss sein. Sie wich zurück. „Meinetwegen.“

Matt warf einen Blick auf die Zahlen. „Es dauert nicht mehr lang bis zum Erdgeschoss“, stellte er fest.

„Zum Glück.“

Betrübt schüttelte er den Kopf. „Bei neun Etagen habe ich nicht genug Zeit für meine Entschuldigung.“

„Selbst bei den Etagen des Empire State Building zusammen mit denen des World Trade Center hätten Sie nicht genug Zeit, um sich für das zu entschuldigen, was Sie getan haben.“

„Nun, dann bleibt mir wohl keine andere Wahl.“

Ehe Kate vorhersehen konnte, was Matt im Sinn hatte, griff er nach dem roten Stoppschalter.

„Nein, bloß nicht!“, rief Kate entsetzt.

Mit einem Ruck blieb der alte Aufzug zwischen der zweiten und dritten Etage quietschend stehen. Kate war mit dem unwiderstehlichsten Mann, dem sie je begegnet war, in der Kabine allein.

4. KAPITEL

Kate schnappte nach Luft. Ihre Stimme bebte vor Zorn. „Sie Idiot! Wissen Sie, was Sie da gemacht haben?“

„Wenn ich mich nicht irre, habe ich den Aufzug angehalten.“

„Sie haben den Aufzug angehalten, der hier im Haus als unzuverlässig gilt, weil die Fahrgäste oft stundenlang in ihm feststecken.“

„Soll das heißen, ich hätte einfach warten können, und der Aufzug hätte sowieso angehalten?“

„Bei meinem Glück, ja!“

Matt lehnte sich an die Wand und musterte sie amüsiert. „Sie sind noch schöner, wenn Sie wütend sind.“

Kate stöhnte. „Ich will wissen, wann Sie vorhaben, den Aufzug wieder einzuschalten.“

„Ich habe nicht vor, etwas zu unternehmen.“

„Ich aber.“ Ohne ihn weiter zu beachten, trat Kate an die Bedienungstafel und betätigte den Notschalter. Wie sie befürchtet hatte, rührte sich nichts. Erzürnt knipste sie den Schalter mehrmals an und aus. Nichts. Sie drückte die Taste fürs Erdgeschoss und gleich danach noch ein paar andere.

„Mit der Technik könnten Sie in einer Spieleshow eine Menge Geld verdienen.“

„Reden Sie nicht mit mir.“

Matt lächelte. „Nachdem ich mir solche Mühe gegeben habe, den Aufzug anzuhalten, damit wir uns unterhalten können, wäre es ausgesprochen dumm von mir, nicht wenigstens …“

Kate fand den Alarm, und Matt verzog das Gesicht bei dem schrillen Geräusch, das in der engen Kabine laut widerhallte. Als es schließlich verstummte, erklärte er: „Ich glaube, jetzt wissen alle Bescheid.“

„Wenn Sie nur auch endlich Bescheid wüssten!“ Sie wich auf ihre Seite der Kabine zurück.

„Kate …“ Ein lautes Schellen ließ ihn innehalten. „Durch die Alarmglocke ist mir wohl das Trommelfell geplatzt.“

„Das ist das Nottelefon, Sie Idiot.“ Sie trat erneut auf die Bedienungstafel zu, doch Matt war schneller.

„Ich erledige das schon.“ Er öffnete die Klappe über der Bedienungstafel und holte den Hörer heraus. „Marty’s Delikatessen. Wir liefern auch ins Haus“, erklärte er stolz mit einem überzeugenden New Yorker Akzent. „Was möchten Sie denn, bittschön?“

„Geben Sie mir den Hörer!“ Kate wollte schon danach greifen, aber Matt hielt sie auf Abstand. „Nein, tut mir leid. Sie müssen sich verwählt haben. Hier gibt es keinen Aufzug. Das ist ein einstöckiges Gebäude.“

Zufrieden hängte Matt den Hörer zurück und drückte die Klappe zu.

„Sie sind ja verrückt!“, schrie Kate. Viel zu spät wurde ihr bewusst, was sie da gesagt hatte. Angst befiel sie, und sie wich noch ein Stück von ihm weg. Eben noch war Matt Gallagher nur ein lästiger Lügner gewesen, aber jetzt, wo sie mit ihm allein war, vollkommen abgeschnitten vom Rest der Welt, wurde ihr klar, wie wenig sie über ihn wusste. Er konnte durchaus ein Massenmörder sein!

Sie zwang sich, Ruhe zu bewahren, veränderte den Griff um ihre Handtasche und war bereit, sie als Waffe zu benutzen. „Unten weiß man, dass wir hier drinnen sind“, sagte sie. „Das ist Ihnen klar, nicht wahr? Das Telefon ist nur mit dem Hausmeister verbunden. Sie glauben doch nicht etwa, Sie könnten hier irgendetwas anstellen und entkommen.“

Schlagartig veränderte sich Matts zufriedenes Gesicht. „Oh, großartig! Jetzt halten Sie mich auch noch für einen Axtmörder. Die Sache habe ich wohl gründlich verpfuscht, was?“ Er seufzte, nahm die Sonnenbrille ab und schob sie in seine Manteltasche. „Entschuldigen Sie.“ Er griff erneut nach dem Hörer des Telefons und drückte so lange auf den roten Knopf, bis jemand am anderen Ende abhob.

Kate atmete erleichtert auf und hörte ihm zu.

„Hallo, Sir … ja, wir sitzen im Fahrstuhl fest … Nein, Sir, tut mir leid, was ich eben gesagt habe. Ich habe mich von der verrückten Situation dazu hinreißen lassen.“

Matt blinzelte überrascht und hielt den Hörer etwas weiter vom Ohr weg. Die raue Antwort konnte Kate nicht ganz verstehen. „Das ist richtig, Sir“, gab er schließlich zu, als das Schreien verstummte. „Ich wollte nur einen Witz machen … Ja, ich kann mir vorstellen, dass Sie einen schweren Job haben … Danke, Sir, dafür wäre ich Ihnen dankbar. Ehe Sie auflegen, Sir, könnten Sie bitte Folgendes aufschreiben? Mein Name ist Matthew McKenna …“ Er warf Kate einen bedeutungsvollen Blick zu. „Gallagher. Ich arbeite für den Enterprise in Los Angeles und bin hier allein mit einer sehr nervösen Kate Franklyn. Wenn es Ihnen nichts ausmacht, würden Sie dann bitte noch mit ihr sprechen, damit Sie später bezeugen können, dass Miss Franklyn zur Zeit des Gesprächs lebte und unverletzt war?“

Matt hob seine Brauen und reichte Kate den Hörer. Das Kabel war kurz, und sie musste näher zu ihm kommen. Mit einer wohlwollenden Verbeugung überließ er ihr den Platz und wich zurück. Sie kam sich noch alberner vor.

„Hier Kate Franklyn.“

„Miss Franklyn? Hier ist George, der Hausmeister. Geht es Ihnen gut mit dem Verrückten da drinnen?“

„Ja, George. Sorgen Sie nur dafür, dass wir hier rauskommen.“

„Klar. Ich habe Sie im Nu da raus.“

„Prima, George. Wie lange dauert das?“, fragte sie trocken und ignorierte das Lachen hinter sich. George fand das jedoch nicht lustig. Kate konnte sich vorstellen, wie er die Stirn runzelte.

„Oh, das weiß ich nicht. Zehn, höchstens zwanzig Minuten. Billingsly hantiert schon am Schaltkasten. Halten Sie durch, und wenn der Verrückte vom Enterprise Ihnen Schwierigkeiten macht, drücken Sie den Alarmknopf. Ich rufe dann die Polizei.“

„Danke, George.“

Es klickte in der Leitung, und Kate legte den Hörer zurück.

„Na?“ wollte Matt wissen, als Kate auf ihre Seite der Kabine zurückkehrte. „Haben Sie erfahren können, wie lange es dauert?“

„Zehn bis zwanzig Minuten.“

Er zeigte sich erleichtert. „Wunderbar. Dann sind Sie in Sicherheit. Im Allgemeinen brauche ich mindestens dreißig Minuten, um mit meinem Opfer zu spielen, ehe ich mich zum Töten entschließen kann.“

Kate musterte ihn prüfend. „Etwa so, wie Sie gestern Abend mit mir gespielt haben?“

„Touché. Das hatte ich verdient.“ Er lehnte sich lässig gegen die Wand, und Kate wich seinem Blick aus. Ohne die dämliche Sonnenbrille sah er unwiderstehlich gut aus. Seine funkelnden blauen Augen zogen sie magisch an.

Schweigen breitete sich im Aufzug aus, bis Matt es schließlich brach: „Nun, sind Sie bereit, sich meine Entschuldigung anzuhören?“

Kate fuhr sich mit der Hand über die Stirn, um ihm nicht zu zeigen, dass sie sich ein Lächeln kaum verbeißen konnte. Auf keinen Fall wollte sie seinem Charme erliegen! „Mich interessiert nicht, was Sie sagen wollen, Gallagher.“

„Dann rede ich mit mir selbst, und Sie können die Nationalhymne dazu summen oder irgendetwas anderes.“ Er straffte sich. Ohne ihn anzusehen, konnte Kate sich lebhaft vorstellen, dass er genauso verwirrend ehrlich wirkte wie gestern Abend. „Hören Sie, Kate, es tut mir aufrichtig leid, was ich angestellt habe. Nachdem ich darüber nachdenken konnte, habe ich …“

„Mit meinen Augen habe ich den Ruhm der …“

„Sie machen es mir wirklich nicht leicht“, stellte Matt fest.

Ärgerlich wirbelte Kate herum. „Leicht? Sie wollen es leicht haben? Gestern Abend war leicht für Sie, oder nicht? Ein bisschen Lächeln, ein paar Witze, und schon hat Kate Franklyn den Käse fallen lassen!“

„Ist das der Eindruck, den Sie bekommen haben?“, fragte Matt ungläubig. „Ich habe nur gesehen, dass eine wunderschöne Frau mich abgelehnt hat.“

„Ach, und deshalb mussten Sie mir meine Rezension stehlen! Wie herrlich!“

„So war das nicht.“

Wütend deutete Kate auf ihn. „Sie haben mich belogen, Mann. Sie können sich so viel entschuldigen, wie Sie wollen. Daran ändert sich nichts.“

„Ich habe Sie nicht belogen.“

„Ach, ich bitte Sie! Sie haben nur vergessen, mir Ihren vollen Namen zu sagen und zu erwähnen, dass Sie der Kritiker der Konkurrenzzeitung sind.“

„Das sind Unterlassungen, aber keine Lügen“, erklärte er ihr. „Sie haben gelogen.“

„Ich? Wieso?“

„Sie haben gesagt, Sie wären verlobt, was ich ein wenig seltsam fand, da Sie keinen Ring trugen. Als ich mich heute Morgen erkundigt habe, hat man mir gesagt, Sie hätten sich erst vor kurzem von einem Filmstar getrennt. Also haben Sie mich gestern Abend belogen, und für mich ist eine Lüge schlimmer als eine Unterlassung.“

„So! Aber Sie haben etwas unterlassen zu erwähnen und gestohlen“, entgegnete Kate, zu wütend, um darüber nachzudenken, dass sie der Lüge überführt worden war. „Wo ich herkomme, sind eine Unterlassung und ein Diebstahl schlimmer als eine Lüge.“

„Na gut. Ich sehe Ihren Vorwurf ein, aber ich kann zwei Lügen dagegen halten.“

Kate schnappte nach Luft. „Zwei? Wieso?“

Matt schmunzelte. „Sie haben gelogen, dass Sie verlobt wären, und Sie haben gelogen, dass Sie nicht mit mir ausgehen wollten.“

Hitzig konterte Kate: „Ich habe nicht gesagt, ich will nicht, ich sagte nur, ich würde es nicht tun!“

„Aha, Sie geben also zu, dass Sie mit mir essen gehen möchten!“

„Nach dem, was Sie getan haben? Sie machen wohl Witze!“

Schließlich wurde beiden bewusst, wie absurd ihr hitziges Streitgespräch war, und als Matt obendrein anfing zu lachen, schwand Kates Zorn dahin. Ob sie wollte oder nicht, sie stimmte in sein Lachen ein.

„Können wir noch mal von vorn beginnen?“, fragte Matt und versuchte sich zu beherrschen.

„Nein. Ich bin immer noch wütend auf Sie. Warum zum Donnerwetter haben Sie meine Einleitung für Ihre Rezension benutzt? Und warum haben Sie mir gestern Abend nicht gesagt, wer Sie sind?“

„Die letzte Frage lässt sich leichter beantworten als die erste“, sagte er. „Meinen Namen habe ich Ihnen nur aus Furcht nicht gesagt. Wissen Sie, in New York habe ich schon als Kritiker gearbeitet. Dort herrschte eine gewaltige Rivalität unter den Leuten der großen Zeitungen. Ich habe nicht gescherzt, als ich sagte, ich wolle Sie näher kennen lernen, kaum dass ich Sie gesehen hatte. Ich stand da in der Ecke und habe mir überlegt, wie ich Sie möglichst hinreißend ansprechen könnte, als DeAngelo so lautstark auf Sie zukam. Ich wusste natürlich, wenn Sie erführen, dass ich für den Enterprise arbeite, hätte ich keine Chance bei Ihnen gehabt.“

„Deshalb haben Sie sich absichtlich dumm gestellt und mich über meine Rezension reden lassen.“

„Das war das Einzige, womit ich Sie zum Reden bringen konnte, und ich habe mich dumm gestellt, um Sie nicht misstrauisch zu machen. Ich hatte gehofft, Sie würden mich mögen und die schlechte Nachricht bei einer Tasse Kaffee nach dem Stück leichter hinnehmen.“

„Und als das nicht funktioniert hat, haben Sie mir meine Idee gestohlen, weil Sie dachten, dann würde ich Sie mögen, ja?“ Kate musterte ihn skeptisch.

„Nicht direkt. Nach der Vorstellung gestern Abend habe ich meine eigene Rezension geschrieben, aber als ich dann heute Morgen erfuhr, dass Sie nicht verlobt sind, habe ich ein paar Änderungen gemacht, um Ihnen das heimzuzahlen.“

„Nun, das ist typisch. Wenn Sie die Wahrheit dehnen, ist das in Ordnung, aber wehe, eine Frau ist nicht ganz ehrlich.“

Nun zeigte er sich reumütig. „Sehr chauvinistisch, he?“

„Das ist noch milde ausgedrückt.“

„Aber ich habe Ihre Aufmerksamkeit damit gewonnen, oder?“

Kate schüttelte müde den Kopf. „Ich weiß nicht, wie es drüben an der Ostküste zugeht, Gallagher, aber hier sind wir etwas offener. Ein Mann, der die Gunst einer Frau gewinnen will, schickt ihr im Allgemeinen Blumen oder so etwas.“

„Aber das habe ich doch getan“, protestierte er.

Sie warf ihm einen vernichtenden Blick zu. „Das war nach der Tat, nicht wahr?“

„Besser spät als nie.“

Kate stöhnte. „Gehen Ihnen denn nie die Sprüche aus?“

„Ich miete mir stündlich neue. Diesen muss ich um vier wieder abgeben.“

„Haben Sie auf alles eine spitzfindige Antwort?“

„Wie es scheint, ja. Nur leider fehlen mir die passenden Worte, um Sie zu überzeugen, dass Sie mir verzeihen. Ich würde alles dafür geben, wenn wir noch mal von vorn anfangen könnten – mit etwas mehr Ehrlichkeit auf beiden Seiten.“

Kate dachte darüber nach. „Es tut mir leid, dass ich gesagt habe, ich sei verlobt. Es ist mir so herausgerutscht. Aber nachdem ich es gesagt hatte, schien es leichter und besser, dabei zu bleiben, als Ihnen zu erklären, dass ich mit niemandem ausgehen will, weil ich mich erst vor kurzem von jemandem getrennt habe.“

„Von Dan McBride?“

„Ja, das stimmt. Gut recherchiert.“

Matt neigte den Kopf zur Seite. „Wieso erschien Ihnen die Lüge besser als die Wahrheit?“

„Die meisten Männer halten eine Frau in der Situation für leichte Beute.“

Er schüttelte den Kopf. „Nur ein gewissenloser Kerl würde so denken. Natürlich ist mir klar, dass Sie mich auch für einen halten.“

Kate seufzte. „Wahrscheinlich bin ich verrückt, aber trotz gegenteiligen Beweises habe ich das Gefühl, dass Sie sehr nett sind.“ Sein Grübchen vertiefte sich, und Kate fuhr hastig fort: „Aber das heißt nicht, dass ich mit Ihnen ausgehe. Dazu bin ich noch nicht bereit.“

„Oh, ich glaube, Sie sind mehr dazu bereit, als Sie sich eingestehen wollen.“

„Wie können Sie es wagen?“, wehrte sich Kate. „Sie kennen mich doch gar nicht. Sie wissen nicht, was ich empfinde oder was ich mit Dan McBride durchgemacht habe.“

Matt wurde ernst. „Sicher. Aber ich merke, dass Sie die Anziehungskraft zwischen uns genauso erregt wie mich. Das können Sie nicht leugnen.“

Kate wollte ihm widersprechen, doch das feine Prickeln, das sie verspürte, war zu stark, als dass sie ihn erneut hätte belügen können. Aber sie wollte nicht mit ihm ausgehen. Sie war nicht bereit, die Tür zu ihrem Herzen zu öffnen, und selbst wenn sie es gewesen wäre, hätte sie sich nicht Matt Gallagher ausgesucht. Er war zu schlagfertig. Zu charmant. Zu anziehend. Ein Mann wie er, der vor einer kleinen Lüge nicht zurückschreckte, nur um einer Frau zu imponieren, war sicher auch anderer, schlimmerer Täuschungen fähig. So wie Dan McBride.

„Tut mir leid, Gallagher, ich werde nicht mit Ihnen ausgehen – und damit hat sich’s.“

Er wurde nachdenklich und erkundigte sich dann: „Für immer, oder wie soll ich das verstehen?“

Kate weigerte sich zu lachen. „Für immer und ewig.“

„Na gut. Das haben Sie dann davon“, sagte er und seufzte betrübt.

„Wie, was habe ich davon?“ wollte Kate wissen. „Was soll das sein, eine Art Fluch?“

Er kehrte ihr den Rücken und musterte die Aufzugstüren. „Warten Sie es ab. Sie werden es schon sehen.“

„Ich will nichts sehen! Das ist es ja. Ich will in Ruhe gelassen werden.“

„Manchmal im Leben bekommen wir nicht alles, was wir wollen.“ Er warf ihr über die Schulter einen verschmitzten Blick zu. „Manchmal schon.“

„Verdammt, Gallagher …“ Verärgert und empört packte sie ihn am Arm und zog ihn zu sich herum. „Womit kann ich Sie überzeugen, dass Sie mich in Ruhe lassen sollen?“

Er überlegte kurz. „Mit Bargeld?“ schlug er hoffnungsvoll vor.

Kate biss sich auf die Unterlippe, um nicht lachen zu müssen. Wie sollte sie auf einen Mann wütend sein, der nur Scherze auf den Lippen hatte? „Wie viel denn?“, fragte sie und konnte nicht anders, als auf sein neckisches Tauziehen einzugehen.

Diesmal lachte Matt. „Wie viel haben Sie?“

„Wie viel wollen Sie?“

„Fünfzigtausend“, erklärte er.

Kate riss die Augen auf. „Mehr bin ich nicht wert? Nur lumpige Fünfzigtausend?“

„Na gut, sagen wir hundert.“

„Abgemacht“, erwiderte sie. „Können wir uns auf einen Abzahlungsplan einigen?“

„Natürlich, aber wenn Ihr Gehalt als Kritikerin so ähnlich ist wie meins, dann haben wir ganz schön lange miteinander zu tun.“ Er lachte. „Es wird billiger sein, wenn Sie mich einfach zum Essen einladen.“

„Jetzt soll ich Sie zum Essen einladen? Kommt nicht infrage!“

Er hob gleichmütig die Schultern. „Wie Sie wollen.“

Kate lehnte sich müde gegen die Wand. „Das ist das Problem, Gallagher. Seit ich Ihnen begegnet bin, ist nichts so gelaufen, wie ich es will. Können wir mal eine Minute lang ernst miteinander reden?“

„Lieber nicht. Sie haben keine Ahnung, wie schön Sie sind, wenn Sie sich so mit mir streiten.“

Kate holte empört Luft. „Schluss jetzt!“

„Womit? Soll ich nicht sagen, dass Sie schön sind? Sie sind es aber, wissen Sie?“

Sie musterte ihn kühl. „Das haben Sie gestern Abend auch gesagt – kurz bevor Sie mich dazu verleitet haben, über die Einleitung meiner Rezension zu reden.“

Sofort wurde Matt ernst. „Dafür habe ich mich entschuldigt, Kate.“

„Ich weiß. Und unter einer Bedingung nehme ich die Entschuldigung an.“

„Unter welcher?“

„Sie finden sich damit ab, dass uns nicht mehr verbindet als der gleiche Beruf. Wir werden uns zwangsläufig von Zeit zu Zeit begegnen und vielleicht sogar Freunde werden. Aber wir gehen nicht miteinander aus.“ Sie schaute ihn mahnend an. „Ich bin nicht bereit, ein Verhältnis einzugehen, und wenn Sie wirklich so ein netter Mensch sind, wie Sie mich glauben machen wollen, respektieren Sie das, ja?“

Matt musterte sie eingehend. Zu gern hätte er gewusst, was Dan McBride dieser hübschen Frau angetan hatte, dass sie sich dermaßen zurückzog. Er musste sie so sehr verletzt haben, dass sie Angst hatte, es könnte sich wiederholen. Matt konnte ihr das nicht verübeln. Doch andererseits konnte er sie auch nicht dazu zwingen, ihm zu glauben, dass sich etwas Besonderes zwischen ihnen abspielte. Ihm blieb wohl keine andere Wahl, als ihre Bedingung zu akzeptieren – zumindest im Augenblick.

Ohne ihrem Blick auszuweichen, hielt Matt ihr seine Hand hin. „Also gut, abgemacht.“

„In Ordnung.“ Kate bemühte sich, gelassen zu reagieren und schüttelte ihm die Hand. Die Kraft und Energie, die Gallagher besaß, spiegelte sich in seinem festen Griff wider. Eine Woge der Erregung durchflutete Kate bei der Berührung.

Matt fühlte das auch, aber für ihn kam es nicht so überraschend wie für Kate. Sofort versuchte sie, ihm ihre Hand zu entziehen, aber Matt ließ nicht los. „Sagen Sie, Kate, habe ich Sie jetzt wenigstens überzeugt, dass ich kein gefährlicher Massenmörder bin?“

Sein durchdringender Blick traf Kate unvorbereitet. „Ja.“

„Gut.“

„Wieso?“

„Weil …“ ein halber Schritt, und er stand dicht vor ihr, „… ich dich jetzt küssen möchte. Angst ist nicht das Gefühl, das ich bei dir wecken will.“

Er hatte die förmliche Anrede fallen lassen. Kate bemerkte es kaum. Ihr stockte der Atem, als er sich über sie beugte. Er nahm sie nicht in die Arme, sondern hielt nur ihre Hand. Sie hätte dem Kuss leicht ausweichen können. Aber sie tat es nicht. Gebannt wartete sie, bis seine Lippen ihre berührten.

Seltsamerweise schien ihr Verstand nicht mit dem Körper verbunden. Matt zeigte sich sanft und fordernd zugleich. Und irgendwie war es geschehen. Er hatte sie in die Arme genommen, drückte sie an sich, bis sie kaum noch Luft bekam und ihr Blut in den Ohren rauschen hörte. Wie konnte sie anders, als seinen zärtlichen Kuss zu erwidern?

Als er die Lippen öffnete und sacht mit der Zunge vorfühlte, gewährte sie ihm Einlass und schmiegte sich noch enger an ihn, um sich seinen Liebkosungen ganz hinzugeben. Ihre Zungen spielten miteinander. Verlangen keimte in ihr auf, und Kate stöhnte leise. Wie sehnte sie sich nach mehr!

Matt fasste unter ihre Jacke und streichelte ihren Rücken, dann tiefer ihre Hüfte. Bei dieser leichten Berührung wurde ihr heiß. Nie zuvor hatte ein einziger Kuss sie so heftig erregt, und als Matt sie freigab, fühlte sie sich wie benommen.

Ohne dass sie es wollte, schaute sie ihm in die Augen, die sich verdunkelt hatten. Er schien von der Macht, die sie erfasst hatte, ebenso überwältigt wie sie.

Es kostete sie große Mühe, aber schließlich gelang es Kate, sich zusammenzunehmen. Empörung empfand sie nicht. Hatte sie doch ebenso viel zu dem Kuss beigetragen wie er. „Ich dachte, wir hätten eine Abmachung“, sagte sie atemlos und entzog sich ihm.

Matt rang ebenfalls nach Luft. Obwohl er gespürt hatte, dass Kate eine leidenschaftliche Frau war, hatte er nicht erwartet, auf ein so heftiges Verlangen bei ihr zu stoßen. Gleichzeitig fühlte er, dass sie sich vor diesem Verlangen fürchtete. Nur wenn er ganz behutsam vorging, hatte er eine Chance, ihr näher zu kommen.

„Natürlich haben wir eine Abmachung“, versicherte er ihr lächelnd. Ob sie wohl merkte, dass seine Stimme heiser klang? „Mit dem Kuss haben wir nur unsere Abmachung besiegelt. Betrachte es als freundschaftliche Geste unter uns Kritikern.“

Kate traute seiner plötzlichen Freundlichkeit nicht mehr, als sie sich selbst im Moment traute. „Seltsam, das fühlte sich gar nicht freundschaftlich an.“

„Nein, tat es nicht, oder?“ Seine Stimme war wie ein sanftes Streicheln. Sie berührte Kate genauso fühlbar wie vorhin seine Umarmung.

Ehe sie ihm eine passende Antwort geben konnte, setzte sich der Fahrstuhl in Bewegung. Kate atmete fast erleichtert auf. Matt aber schaute verwundert drein, als hätte er ganz vergessen, wo sie waren.

Kate nahm sich zusammen, so gut sie konnte, und gab vor, dass der überwältigende Kuss nichts weiter als eine freundschaftliche Geste gewesen sei, so wie Matt behauptet hatte. Sie wandte sich den Türen zu, als der Aufzug hielt, und Matt tat es ihr gleich.

Weil sie vorhin sämtliche Knöpfe gedrückt hatte, hielt der Aufzug automatisch auf der nächsten Etage an. „Das ist die erste Etage“, erklärte sie und war froh, dass ihre Stimme fest klang. „Jetzt bin ich schon das zweite Mal diese Woche mit dem Aufzug stecken geblieben. Sicher hast du Verständnis dafür, wenn ich lieber die Treppe hinuntergehe.“

Matt begleitete sie in den hell erleuchteten Flur. „Ich gehe mit. Man kann nie wissen, ob im Treppenhaus Ganoven lauern.“

Inzwischen hatte sie sich so weit erholt, dass sie ihm einen herausfordernden Seitenblick zuwerfen konnte. „Und du willst mich vor ihnen beschützen? Ich weiß nicht recht. Dort wo ich herkomme, ist ein Ganove auf der Treppe besser als ein Axtmörder im Aufzug.“

Matt lachte. „Sehr witzig. Aber wenn man nicht über sich selbst lachen kann, sollte man sich lieber gleich in einem Loch verkriechen. Es gibt zu viel Leid auf der Welt, und Lachen ist eines der beiden Mittel, das dem modernen Menschen hilft.“

Sie hatten das Treppenhaus erreicht, und Kate beschleunigte ihren Schritt. Unten in der Eingangshalle konnte sie sich nicht zurückhalten, zu ihm aufzuschauen. Was sie in seinen Augen sah, verschlug ihr fast den Atem. Dennoch brachte sie ihre Frage über die Lippen. „Was ist das andere?“

„Die Liebe“, antwortete er leise und strich ihr sacht über die Braue, die hohen Wangenknochen und die Wange.

Kates Herz klopfte heftig. „Bist du tatsächlich so aufrichtig, Gallagher?“ stieß sie atemlos hervor. „Oder bist du auch so ein übereitler Ire?“

Matt war kein bisschen gekränkt. „Das musst du selbst entscheiden, Kate. Ich hoffe nur, du stufst mich gerecht ein.“ Er ließ die Hand sinken. „Bis dann, Kate.“

Er hatte schon die halbe Eingangshalle durchquert, ehe Kate klar wurde, dass er sich nicht einfach nur verabschiedet hatte. Seine Worte waren ein Versprechen.

5. KAPITEL

Der Freitagabendverkehr um das Music Center war fürchterlich. Über fast anderthalb Kilometer hatten Limousinen auf dem Hollywood Freeway geparkt, und auf den Zufahrtsstraßen sah es kaum anders aus. Obwohl Kate Abkürzungen benutzte, brauchte sie vierzig Minuten bis zum Parkhaus, wo sie nach einigem Suchen einen Platz für ihren sportlichen Mustang fand. Zum Glück hatte sie mit dem Gedränge gerechnet und sich genügend Zeit gelassen.

Die Premiere heute Abend war mit einem wohltätigen Zweck verbunden, daher ließ sich fast jeder Star in Hollywood hier sehen – samt Limousine. Außerdem rannten natürlich eine Menge Reporter, Fotografen und Fernsehleute auf dem Vorplatz herum.

Da Kate nicht durch die Menge der Reporter Spießruten laufen wollte, machte sie einen Bogen um das Gedränge und ging geradewegs auf die Abendkasse zu. Sie holte sich ihre vorbestellte Eintrittskarte und betrat das überfüllte Foyer, wo der Champagner bereits in Strömen floss und jeder versuchte, in die Nähe der Stars zu gelangen.

Daran hatte Kate kein Interesse. Sie war oft genug in ihrer Nähe gewesen, als sie mit Dan zusammengelebt hatte. An ihren Platz wollte sie sich allerdings auch noch nicht begeben. Erst in zwanzig Minuten würde der Vorhang aufgehen, und eine erwartungsvolle Spannung hatte sie erfasst. Sie versuchte, sie zu verdrängen, aber es wollte ihr nicht gelingen. Matt würde auch hier sein, um sich das Stück anzusehen.

Zwei Wochen hatte sie ihn nicht persönlich gesehen, aber dafür hatte er sie mit Geschenken umworben und überhäuft. Er versuchte, sie aus der Ferne zu erobern.

Zuerst erhielt sie zwei persönlich signierte Ausgaben von Andrea Mathers’ romantischem Liebesroman White Dove. Tags darauf begleitete sie ein Trio mit Hörnern vom Parkhaus bis ins Büro und spielte das Stück I’m sorry. Als nächstes Geschenk erhielt sie vier gläserne Wellensittiche in einem wunderschönen Vogelkäfig, der gleichzeitig eine Musikbox war. Am Freitag wurde ihr von einem Partyservice ein Buffet gebracht.

Irgendwie hatte Matt ihre Adresse herausbekommen, und so bekam sie am Wochenende und in der darauf folgenden Woche weitere Geschenke – jedes begleitet von einem netten Brief in dem für Matt typischen charmanten Plauderton.

Heute hatte Kate keins erhalten. Das machte sie nervös. So verrückt wie Gallagher war, traute sie ihm alles Mögliche zu. Aber sicher würde er sie nicht vor den Augen zahlreicher Hollywood-Aktivitäten und den Medien in Verlegenheit bringen. Oder?

Und die schwerer wiegende Frage war: Würde Kate das wirklich etwas ausmachen?

„Kate? Hierher!“

Sie wandte sich nach der bekannten Stimme um und entdeckte Rolf Lundon, den Kritiker des Drama Review, der ihr mit seinem Champagnerglas zuwinkte. Thomas Hampton, ein Kolumnist des Hollywood Weekly, war bei ihm. Kate mochte die beiden, aber es hatte nichts mit ihnen zu tun, dass sie leicht errötete. Dafür war Matt verantwortlich. Er stand gleich daneben und sah aus, als wollte er für Smokings werben.

Kate fühlte sich wie benommen, bemühte sich aber, ihre Haltung zu wahren, und trat zu den dreien. „Hallo Rolf, hallo Thomas. Was habt ihr zwei vor?“

Autor

Connie Bennett
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Suzanne Carey
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Sandra Field
Sandra Field hätte sich nicht träumen lassen, dass sie mal eine erfolgreiche Romance-Autorin sein würde, als sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin für Nahrungsmittelforschung tätig war. Es begann damit, dass Sandra Fields Mann als Pfarrer zur Army ging und die beiden deshalb insgesamt drei Mal innerhalb von 18 Monaten umzogen. Endlich wurden...
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