Bianca Gold Band 74

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EIN BABY FÜR MAGGIE von EMILY DALTON
Über Nacht ist Maggie plötzlich für ein Baby verantwortlich und bekommt einen Mann gleich dazu! Bis jetzt stand für die bekannte TV-Schauspielerin ihre Karriere im Mittelpunkt. Ist sie bereit für die Herausforderung, die man Liebe nennt?

ZUM GROSSEN GLÜCK FEHLST NUR NOCH DU von COLLEEN NORMAN
Um für die kleine Waise Katie so schnell wie möglich ein neues Zuhause zu finden, muss Sozialarbeiterin Rachel deren Onkel, den smarten Spence, überprüfen. Der hätte nichts dagegen, wenn auch Rachel bei ihm und Katie bleiben würde …

EMILYS BABY von GINNA GRAY
Bald wird Emily ihr Kind zur Welt bringen. Es wird keinen Daddy haben, denn der ist bei einem Unfall umgekommen. Umso dankbarer nimmt Emily die Hilfe ihres Schwagers Dillon an. Doch steht er ihr wirklich nur aus Mitleid zur Seite?


  • Erscheinungstag 17.03.2023
  • Bandnummer 74
  • ISBN / Artikelnummer 9783751516938
  • Seitenanzahl 447
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Emily Dalton, Colleen Norman, Ginna Gray

BIANCA GOLD BAND 74

1. KAPITEL

„War das da gerade eben der Arzt am Telefon, Darling? Was hat er gesagt? Gibt’s gute Neuigkeiten?“

Die Kamera nahm den Fürsten Alexander Tolstoi, gespielt von Soap-Star und Frauenliebling Greg Moran, ins Visier, ganz vornehme Eleganz in seinem schwarzseidenen Hausmantel und dem streng zurückgekämmten glänzend schwarzen Haar. Mit mühsam unterdrückter Erregung umfasste er Maggies Schultern und drehte sie sanft zu sich herum.

Als die Kamera auf sie schwenkte, um ihre Reaktion festzuhalten, widerstand Maggie dem dringenden Bedürfnis, sich die Nase zu kratzen, und setzte die für Monica Blake so charakteristische tragische Miene auf. Darin war sie längst Profi – bereitwillig füllten ihre Augen sich mit Tränen, und ihre Unterlippe bebte. In ihrem blassrosa Spitzennegligé und dem perfekten Make-up – ungeachtet der Tatsache, dass Monica Blake gerade eben erst dem Bett entstiegen war – verkörperte sie tragische Eleganz.

„Musst du da wirklich erst noch fragen, Alexander?“, hauchte Maggie mit gebrochener Stimme. „Die In-vitro hat nicht geklappt! Ich werde nie schwanger werden! Nie werde ich in der Lage sein, dir den Sohn zu schenken, den du dir so sehr wünschst! Ich weiß nicht, wie du mich überhaupt noch lieben kannst. Ich bin doch gar keine vollwertige Frau!“

Maggie machte Anstalten, sich dem Griff des Fürsten zu entwinden, woraufhin er in einer Mischung aus ungarischem Akzent und breitem Texas-Slang deklamierte: „Sag das nie wieder, Monica! Gott weiß, du bist mehr Frau als jede andere, die ich je gekannt habe. Mehr Frau als …“

Der Fürst brach ab und richtete den Blick auf den Teleprompter hinter ihr. Obwohl sie die Szene schon zwei Mal durchprobiert hatten, hatte Maggie Verständnis dafür, dass er ins Stottern kam. Verflixt noch mal, wozu nur immerzu alles wiederkäuen! Ehrlich gesagt fand Maggie, dass Monica Blake mehr Frau war, als jede Normalsterbliche sich bei klarem Verstand wünschen sollte!

Es hatte einfach zu viele Diamanten und Designerklamotten gegeben, zu viele Liebhaber und zu viele Ehemänner in zu kurzer Zeit. Ganz zu schweigen von den Komas, der Querschnittslähmung, der Erblindung, den Mordanschlägen, dem Drogenmissbrauch, Gedächtnisverlust und der multiplen Persönlichkeit …

Um die Szene zu retten, umfasste sie das Gesicht des Fürsten mit beiden Händen und zwang ihn, sie anzusehen, anstatt weiterhin auf den Teleprompter zu starren. „Du bist zu großherzig, Alexander. Aber ich weiß, wie viel es dir bedeutet, deinen Titel an einen Sohn weiterzuvererben. Und wer sollte wohl sonst das Schloss in Carsovia erben?“

Dankbar für die Rettung, setzte der Fürst seine charakteristische betroffene Miene auf. Er ließ seine Partnerin los und schritt mit düsterer Miene zum Fenster, den Kopf in tiefer Resignation gesenkt.

Die Kamera schwenkte auf Maggie zurück. Es war das Ende der Szene, und sie wusste, die Kamera würde sekundenlang auf ihr ruhen, bevor der Werbeblock eingeblendet würde. Ihre Nase juckte jetzt wirklich ganz unerträglich …

Während der gesamten zwölf Jahre, die Maggie jetzt schon in der Seifenoper Die Reichen und die Sorglosen mitspielte, war es für sie immer am schwierigsten gewesen, jene endlos erscheinenden Sekunden vor Einblendung des Werbeblocks hindurch den gleichen Gesichtsausdruck zu halten. Doch sie hatte gelernt, die Zeit produktiv zu nutzen … zum Beispiel, indem sie sich noch einmal alle missglückten Dates in Erinnerung rief oder sich süße, verlockende Möglichkeiten ausmalte, ihre Dauerdiät zu brechen. Sie wusste, im wirklichen Leben käme kein Mensch, der bei klarem Verstand war, auf die Idee, sekundenlang reglos und stumm auf demselben Fleck zu verharren. Doch Seifenopern hatten mit dem wirklichen Leben nicht viel gemeinsam … Gott sei Dank.

Doch das schien manchen Fans der Serie nicht ganz klar zu sein. Es passierte immer wieder, dass die ganz fanatischen unter ihnen Maggie mit ihrer Rolle identifizierten. Letzte Woche hatte eine wohlmeinende Frau ihr per Expresszustellung ein Marmeladenglas mit dem Sperma ihres Mannes zugeschickt. Andere Fans versorgten sie mit gut gemeinten Ratschlägen, wie man am besten schwanger wurde, und es gab sogar Frauen, die sich als Leihmutter für Monica und den Fürsten anboten.

Maggie marschierte schnurstracks in ihre Garderobe und wischte sich die dicken Lagen Make-up vom Gesicht. Sie schlüpfte in Jeans und Sweatshirt und tauschte die hochhackigen Schuhe, die zu Monicas Outfit gehörten, mit einem Paar bequemer Sportschuhe. Sie setzte ihre Sonnenbrille auf und stopfte ihr langes braunes Haar unter eine Baseballkappe. Nachdem sie ihren Kollegen zum Abschied noch einmal freundlich zugewinkt hatte, eilte sie durch die Hintertür des Studios und stieg geradewegs in die dort wartende Limousine.

„Nach Hause, Jeeves“, wies sie den Fahrer in gespielt herrischem Ton an.

Der Chauffeur, der in Wirklichkeit Chuck hieß, lächelte zurück. „Zu Ihrer neuen Adresse, Miss Stern?“

„Jawohl“, betonte Maggie enthusiastisch. „In meiner neuen Wohnung habe ich jede Menge Platz, ganz im Gegensatz zu der Sardinenbüchse, in der ich früher gewohnt habe. Ich kann’s gar nicht erwarten, all meine Sachen auszupacken.“

„Jede Menge Platz also, hm? Zwei Schlafzimmer?“

„Ja … und ein Studio.“

Wieder zeigte Chuck sein umwerfendes Lächeln, und seine weißen Zähne blitzten im Rückspiegel auf. Wenn der Knabe nicht erst süße neunzehn wäre, hätte Maggie seinem Charme schwerlich widerstehen können. Hoch gewachsen, blond und stets gut gelaunt, war er einfach der Traummann schlechthin.

„Das freut mich für Sie, Miss Stern. Sie haben’s verdient.“

„Danke, Chuck.“

„Jetzt lehnen Sie sich mal schön zurück und entspannen Sie sich. Bei diesem elenden Freitagabendverkehr dauert’s wohl noch ein Weilchen, bis ich Sie bei Ihrem neuen Zuhause abliefern kann.“

Dankbar folgte sie seinem Rat. Sie war inzwischen mehr als froh, dass sie auf Morty, ihren Produzenten, gehört hatte, sich mit der Limousine zum Studio und wieder zurück kutschieren zu lassen. Selbst in ihrem unauffälligsten Outfit konnte sie nicht sicher sein, in der U-Bahn nicht doch von ihren Fans erkannt zu werden. Das konnte mitunter ganz nett sein, mitunter aber auch nicht – das hing immer vom augenblicklichen Stand der Story ab.

Als Monica beispielsweise einmal eine Affäre mit dem besten Freund ihres Mannes hatte, hatten einige ältere Damen sie in der U-Bahn-Station aufgebracht angehalten und ihr einen Vortrag über die Verworfenheit ihres Tuns gehalten.

Und was die Beförderung per Taxi betraf, selbst Soap-Stars hatten Schwierigkeiten, während der Rush Hour dieses heiß begehrte Transportmittel aufzutreiben. Dennoch hatte sich Maggie bis vor einem Jahr standhaft geweigert, die Studiolimousine zu benutzen. Sie wehrte sich nämlich ganz bewusst dagegen, Starallüren zu entwickeln wie so viele ihrer erfolgreichen Kollegen.

Ihrer Meinung nach hatte sie es einfach nur ihrem Glück zu verdanken, dass sie direkt im Anschluss an die Schauspielschule die Rolle der Monica Blake bekommen hatte. Mit der Rolle hatte sie alle Höhen und Tiefen durchlaufen, die so typisch für einen Soap-Charakter waren. Der Lohn waren zwei Emmys gewesen.

Maggie war sehr stolz auf diese Emmys, denn sie hatte sich mit Leib und Seele ihrer Rolle gewidmet, besonders während der ersten Jahre. Doch in letzter Zeit fragte sie sich zunehmend häufig, ob sie nicht bloß noch von Szene zu Szene schlafwandelte. Ganz allmählich hatte sich eine vage Unzufriedenheit in ihr Leben eingeschlichen, ohne dass sie hätte sagen können, ob diese Unzufriedenheit ihr Privat- oder ihr Berufsleben betraf.

Unwillkürlich lachte sie leise auf. Privatleben? Was für ein Privatleben?

Als die Limousine vor dem schicken Apartmenthaus hielt, in dem Maggies neue Wohnung lag, konnte sie es kaum erwarten, auszusteigen. Sie winkte Chuck noch einmal flüchtig zu und lief die Stufen zu dem imposanten Eingang hinauf. Dennis, der Portier, verbeugte sich respektvoll und wünschte Miss Blake noch einen schönen Tag, während er ihr die Tür aufhielt. Seufzend registrierte sie, dass sie hier offenbar schon wieder jemand mit ihrer Fernsehrolle identifizierte, aber sie erwiderte nichts. Das passierte ihr so häufig, dass ihr gar nichts anderes übrig blieb, als es einfach zu ignorieren. Sie schenkte Dennis ein freundliches Lächeln, nahm die Sonnenbrille ab, ging zum Fahrstuhl und fuhr in den einundzwanzigsten Stock hinauf. Als Maggie forschen Schrittes aus dem Fahrstuhl trat, stieß sie prompt mit einem hoch gewachsenen Mann zusammen, der so in seine Lektüre vertieft war, dass er nichts um sich herum wahrzunehmen schien. Die Kollision bewirkte, dass er einen ganzen Stapel Papiere fallen ließ, die in wildem Chaos zu Boden rieselten. Einige der Papiere gerieten sogar zwischen die sich schließenden Türen des Aufzugs und wurden zerrissen, als der Fahrstuhl sich nach unten in Bewegung setzte.

„Ach, herrje.“ Maggie ging in die Hocke, um beim Aufsammeln zu helfen. „Das tut mir leid. Waren das wichtige Unterlagen?“

„Ich bin derjenige, der sich entschuldigen muss.“ Der Mann stellte seinen Aktenkoffer ab und ging ebenfalls in die Hocke, um seine Papiere zusammenzusammeln. „Ich habe nicht aufgepasst.“ Er lächelte schuldbewusst. „Die meisten Mieter wissen schon, wie zerstreut ich bin, und machen einen weiten Bogen um mich.“

„Tja, ich bin noch neu hier.“ Beide standen auf, und Maggie reichte ihm lächelnd den Stapel Papiere, den sie gerettet hatte. „Aber jetzt, wo ich gewarnt bin, werde ich in Zukunft besser aufpassen.“

Zögernd nahm ihr Gegenüber die Papiere an sich. Plötzlich starrte er sie an, als hätte er ein Gespenst gesehen … oder Schlimmeres gar.

Vermutlich kam sie ihm bekannt vor, und er wusste nicht recht, wo er sie einordnen sollte. Maggie wollte ihm schon auf die Sprünge helfen, fühlte sich aber selbst etwas aus der Bahn geworfen …

Er hat schöne blaue Augen, stellte Maggie fest. Sehr schöne blaue Augen. Sie wurden noch betont durch die schicke Brille, die er trug. Sein blondes Haar war voll und wellig. Er trug ein Hemd mit Oxford-Kragen, eine etwas rustikale Krawatte und ein Tweedjackett. Sein sportliches Outfit wurde vervollständigt durch eine lässig-elegante Baumwollhose und bequeme Schuhe mit Kreppsohlen. Seine Kleidung entsprach der des typischen Hochschulprofessors.

Doch irgendwie hatte sich Maggie Professoren immer als schmalschultrige, käsige und äußerst kurzsichtige Männchen vorgestellt. Hätte sie geahnt, dass es auch solche braun gebrannten, gut gebauten und attraktiven Exemplare gab wie das, was sie gerade vor sich sah, hätte sie glatt die Schauspielschule verlassen und wäre aufs College gewechselt! Ob es wohl schon zu spät war, sich für dieses Semester noch einzuschreiben?

„Sie sind also die neue Mieterin?“ Seine Miene drückte Erstaunen und – es ließ sich nicht leugnen – Missbilligung aus.

„Ja“, erwiderte Maggie verunsichert.

„In dieser Etage?“

„Ja, Apartment 2101.“

Sein Blick glitt über ihre zierliche Gestalt. „Sie sind Monica Blake?“

„Nein, ich bin nicht Monica Blake“, widersprach Maggie entschlossen. „Ich bin Maggie Stern, die Schauspielerin. Ich verkörpere Monica Blake nur in der Serie.“

„Ich gucke nie Seifenopern“, beeilte der Mann sich, ihr zu versichern.

Maggie reckte das Kinn vor. „Oh? Wie haben Sie mich dann erkannt?“

„Man hat mir gesagt, dass Sie hier einziehen.“ Schweigend musterte er sie mit grimmiger Miene.

„Vermutlich wissen Sie das von Mrs. Fernwalter, der Hausverwalterin.“ Maggie versuchte es immer noch mit Höflichkeit, obwohl der gut aussehende Fremde sich alles andere als höflich benahm. Er hatte ihr noch nicht mal seinen Namen verraten. „Ich wusste, dass sich diese Nachricht früher oder später verbreiten würde, aber so schnell … Es ist manchmal ziemlich unangenehm, berühmt zu sein.“

„Nun, so ein Berühmtheitsstatus hat doch sicher auch den einen oder anderen Vorteil, oder?“

Sein sarkastischer Unterton blieb Maggie nicht verborgen. „Ich bin nicht sicher, worauf Sie hinauswollen, aber … habe ich Sie durch irgendetwas verärgert?“

Der Mann griff nach seinem Aktenkoffer und drückte auf den Fahrstuhlknopf. „Ihr Apartment wird Ihnen gefallen, Miss Stern. Es ist das schönste im ganzen Haus und bietet den besten Blick über den Central Park. Vom Wohnzimmer geht sogar ein kleines Studio ab, das sicher den richtigen Rahmen für Ihr Rollenstudium abgibt. Ich hatte eigentlich vor, es als Arbeitszimmer zu nutzen. Weiß Gott, ich brauche eins.“

Die Fahrstuhltüren öffneten sich, und der Mann betrat die Kabine. Er wandte sich mit todernster Miene zu Maggie um. Bevor die Türen sich wieder schließen konnten, schob Maggie den Fuß in den Spalt. „Wollen Sie damit andeuten, dass Sie meine Wohnung mieten wollten?“, verlangte sie zu wissen.

Ihre Hartnäckigkeit schien ihn zu irritieren. „Schon vor vier Jahren hat Mrs. Fernwalter es mir versprochen. Ich habe den Mietvertrag für mein jetziges Apartment nur unterzeichnet, weil sie mir in die Hand versprochen hat, ich könne umziehen, sobald 2101 frei würde. Mrs. Fernwalters Versprechen taugen offenbar nicht viel, wenn es darum geht, einer Soap-Diva zu gefallen, die sich einbildet, ihr Status als Berühmtheit berechtige sie zu allem und jedem, ohne Rücksicht auf die Bedürfnisse anderer.“

„Aber ich …“

In ihrer Verwirrung zog Maggie den Fuß aus der Tür, und die Fahrstuhltüren glitten lautlos zu. Bevor sie noch Gelegenheit hatte, die Sache richtigzustellen, war der Mann verschwunden. Aber was hätte sie genau genommen auch richtigstellen können? Mrs. Fernwalter hatte ihr gegenüber kein Wort darüber verloren, dass es schon einen Interessenten mit älteren Rechten an der Wohnung gab. Im Gegenteil, sie hatte es nur allzu eilig, Maggie einen Fünfjahresvertrag unterzeichnen zu lassen.

Niedergeschlagen ging Maggie den Flur entlang, bis sie vor der Tür zu Apartment 2101 stand. Sie schloss auf und versuchte, den Dämpfer, den der Mann ihrer Freude auf die neue Wohnung versetzt hatte, zu vergessen. Sie konnte nichts daran ändern, was Mrs. Fernwalter getan hatte. Außerdem wären alle Bemühungen ohnehin zu spät gewesen, jetzt, da sie den Vertrag unterschrieben hatte. Ganz offensichtlich war der Mann fest davon überzeugt, sie hätte ihren Einfluss geltend gemacht, um ihn zu übervorteilen. Nun, vielleicht hatte sie ja eines Tages Gelegenheit, ihm die Sache zu erklären … falls er ihr je die Chance dazu gab. Andererseits war dies ja ein ziemlich großes Gebäude. Mit etwas Glück würden sich ihre Wege nicht mehr kreuzen, und die Sache wäre damit von selbst erledigt.

Jared Austin war noch immer damit beschäftigt, Papiere vom Boden der Fahrstuhlkabine aufzusammeln, als die Türen sich im Erdgeschoss öffneten. Wie der Zufall es wollte, spazierte gerade in dem Augenblick, wo er sich aufrichtete, Billie McKenzie herein, was ihm gezwungenermaßen den Genuss eines gründlichen Anblicks ihrer kurvenreichen Figur verschaffte.

„Hi, Doktor!“, flötete sie und warf die langen blonden Strähnen zurück. Sie lächelte verführerisch. Ihre langbewimperten blauen Augen sprachen eine deutliche Sprache, und er hätte schwören können, dass sie aufreizend mit der Schulter rollte, wie die typische Femme fatale aus einem der alten Filme. Wie gewöhnlich trug sie einen hautengen Pullover und Leggings.

„Sie kommen wohl gerade von der Probe, Billie?“, erkundigte Jared sich höflich. Billie war wirklich verdammt attraktiv, doch gleichzeitig war sie auch Tänzerin im Broadway-Hit Die Schöne und das Biest, was sie als eine Angehörige des Showgeschäfts klassifizierte, eine wie Monica Blake beziehungsweise Maggie Stern oder wie immer sie auch hieß. Oder wie Claire und ihre durchgedrehten Freunde.

„Stimmt genau“, erwiderte sie keck. „Aber ich bin nicht zu müde, um noch etwas zu unternehmen. Ich wollte eigentlich mal die neue Espresso-Bar unten an der Ecke ausprobieren. Sind Sie dabei?“

„Nicht heute, Billie.“ Er lächelte bedauernd. „Ich habe noch eine Besprechung. Vielleicht ein andermal.“

Billie bedachte ihn mit einem spöttischen Blick und schüttelte den Kopf. „Aber spannen Sie mich nicht allzu lange auf die Folter, okay?“ En mutwilliges Glitzern trat in ihre Augen. „Allerdings, falls ich in Ohnmacht falle, müssten Sie mich wiederbeleben, stimmt’s? Ihr Ärzte seid doch eurem Eid verpflichtet.“

„Ich kann immer noch einen Simulanten erkennen“, warnte er sie. „Sie würden eine ziemlich lächerliche Figur abgeben, lang hingegossen auf dem Boden der Fahrstuhlkabine.“

„Lächerlich und enttäuscht“, gab sie zu. Sie hielt die Fahrstuhltür mit einer Hand offen und fügte seufzend hinzu: „Wenn Sie jetzt wirklich einfach so weggehen können, scheint ja doch was dran zu sein an dem, was man über Sie sagt.“

Jared hob fragend die Brauen und schob sich an ihr vorbei, sorgfältig darauf bedacht, nur ja nicht ihre beachtliche Oberweite zu streifen. „Was sagt man denn so? Und wer ist man überhaupt?“

„Man sagt, Sie verabreden sich grundsätzlich nicht mit Frauen aus dem Showbusiness. Man sagt, Schauspielerinnen und Tänzerinnen sind absolut tabu für Sie. Stimmt das?“ Als er zögerte, drängte sie: „Mir können Sie’s ruhig sagen, Doc. Es spart uns beiden ’ne Menge Zeit, wenn Sie die Karten offen auf den Tisch legen.“

Man hatte absolut Recht. Nachdem er von Boston hierher nach New York übergesiedelt war, hatte er sich hoch und heilig geschworen, sich mit keiner Frau einzulassen, die auch nur dem Dunstkreis des Showgeschäfts entsprang. Er war seinem Vorsatz treu geblieben … mit Ausnahme jener zwei Verabredungen, in die er sich von Claire hatte verwickeln lassen und die er nur zu gern wieder ungeschehen machen würde. Doch achtete er stets darauf, seine vorurteilsbeladene Einstellung nicht publik zu machen. Schließlich betreute er als Kinderarzt in Manhattan eine Menge Sprösslinge von Leuten aus dem Showgeschäft.

Die Tatsache, dass Miss Stern sich sein Apartment angeeignet hatte, bestärkte ihn nur in seinen Vorstellungen über die Schönen und Erfolgreichen. Ihre sportlich saloppe Kleidung war in seinen Augen nichts weiter als eine Verkleidung, um ihre wahre Persönlichkeit zu verstecken. Es ließ sich nicht leugnen, welch umwerfende Frau hinter der unauffälligen Fassade steckte, und er hätte ein Jahresgehalt darauf verwettet, dass Miss Stern nicht nur über außergewöhnliche Schönheit verfügte, sondern auch über ein Ego so groß wie das Yankee-Stadion.

„Nun, Doc?“, riss Billie ihn aus seinen Grübeleien. Ihre Lippen verzogen sich zu einem neckischen Lächeln. „Stimmt das?“

„Billie, zurzeit bin ich nicht besonders scharf auf ein Rendezvous“, erwiderte er ausweichend. „Ich habe einfach zu viel zu tun. Bis später.“

Er wandte sich rasch um und entfernte sich. Das war nicht mal gelogen gewesen. Er verabredete sich nicht besonders oft, und das lag in erster Linie an seinem Job, der ihn voll und ganz in Anspruch nahm. Doch für ein ganz normales, nettes weibliches Wesen hätte er sich schon Zeit genommen. Das Problem war nur, wo fand man eine solche nette, normale Frau in Manhattan?

2. KAPITEL

Gegen elf Uhr an diesem Abend hatte Maggie zumindest Küche und Wohnzimmer eingerichtet und sauber gemacht. Jetzt stand sie erschöpft da, die Hände in die Hüften gestützt, und betrachtete zufrieden das Ergebnis. Vor dem Kamin hatte sie eine gemütliche Sitzecke arrangiert, und ihr antiker Esstisch mit den Biedermeierstühlen stand vor den großen Panoramafenstern, durch die man einen wundervollen Blick auf den Central Park hatte.

Maggie beschloss, dass sie für heute genug getan hatte. Morgen würde sie sich an das Schlafzimmer und das Studio machen.

Der Gedanke an das Studio erinnerte sie an den gut aussehenden Mann, mit dem sie in der Lobby zusammengestoßen war. Sofort bekam ihre gute Laune einen Knacks. Obwohl sie nicht die geringste Schuld daran traf, wie die Sache mit dem Apartment gelaufen war, brachte sie es dennoch fertig, sich schuldig zu fühlen.

Ihr missfiel die Vorstellung, dass der Mann enttäuscht war und sich hintergangen fühlte. Am schlimmsten war für sie, dass er sie dafür verantwortlich machte. Sie hatte nämlich das unbestimmte Gefühl, ansonsten ganz gern mit ihm befreundet gewesen zu sein. Bis er begriffen hatte, wer sie war, war er nämlich ganz charmant gewesen.

Abgesehen von ihm hatte sie inzwischen noch jemanden aus ihrer Nachbarschaft kennen gelernt. Gegen zehn hatte es bei ihr geklingelt, und vor der Tür hatte Billie gestanden, in den Händen einen Teller mit Marshmallows. Maggie fand die quirlige Billie auf Anhieb sympathisch, und die beiden Frauen hatten verabredet, am nächsten Tag zusammen zu Mittag zu essen. Billie war nicht lange geblieben, sie hatte sich mit der viel versprechenden Aussage verabschiedet, noch verabredet zu sein.

Sechs Marshmallows und ein heißes Bad später konnte Maggie es kaum erwarten, ins Bett zu schlüpfen. Sie war definitiv ein Fan von Flanellpyjamas, wenn die Temperatur draußen zu sinken begann, doch bis jetzt war sie nicht dazu gekommen, ihr Schlafzimmer herzurichten, und sie konnte sich nicht erinnern, in welchen Karton sie ihre Pyjamas gepackt hatte. Also nahm sie das erstbeste, was ihr in die Hände fiel: ein langes weißes Seidennachthemd mit passendem Negligee, ein Weihnachtsgeschenk von Morty. Das Oberteil war mit winzigen Glitzerperlen bestickt, und die Ärmelsäume des Negligés waren mit echtem Hermelin besetzt.

In ihrer Rolle als Monica hatte sie dieses Ensemble zwei Mal vor der Kamera getragen, womit es unbrauchbar geworden war. Morty hatte gedacht, es würde ihr vielleicht Spaß machen, es zu besitzen, und hatte es ihr geschenkt. Maggie hatte sich darüber gefreut, jedoch nicht im Ernst damit gerechnet, es je zu tragen. Warum sich für die Nacht in Schale werfen, wenn es doch niemanden zu beeindrucken gab?

Minuten später schlüpfte Maggie in weitaus besserer Laune, als sie vorher gehabt hatte, unter die Bettdecke. Sie war sich nicht sicher, woher dieses Gefühl der Zufriedenheit rührte: von der Zuckerorgie, der Dekadenz, in einem Seidenoutfit zu schlafen, oder Billies Besuch. Wie auch immer, sie schaffte es zumindest, die Augen zu schließen, ohne das beunruhigende Bild eines gut aussehenden Fremden mit missbilligend gerunzelter Stirn vor sich zu sehen … nun, zumindest fast.

Maggie schlief wie ein Stein und wachte am nächsten Morgen erst gegen neun auf. Sie schlüpfte in ihr Negligé und schlurfte schlaftrunken ins Badezimmer. Nachdem sie sich gewaschen und gekämmt hatte, schleppte sie sich in die Küche. Sie war ein richtiger Morgenmuffel und kam nur schwer in Gang.

Leider gab es keinen Kaffee, um ihre Lebensgeister zu wecken, also griff sie nach einem weiteren Marshmallow und goss sich ein Glas Wasser ein. Es wurde höchste Zeit, endlich mal ein paar vernünftige Lebensmittel einzukaufen. Um in Monicas Kleidergröße zu passen, musste Maggie ständig Diät halten und regelmäßig Sport treiben.

Nachdem sie sich am Vorabend sechs Marshmallows einverleibt hatte – ganz zu schweigen von den dreien, die sie zum Frühstück verspeist hatte –, sollte sie heute Morgen unbedingt ein paar Runden joggen. Auf dem Weg ins Schlafzimmer fiel ihr ein, dass sie die New York Times an ihre neue Adresse bestellt hatte. Gähnend machte sie kehrt und öffnete die Haustür. Auf der Türschwelle lag die zusammengerollte Zeitung, und daneben stand … eine Babytragetasche samt Wickeltasche.

Maggie bückte sich und starrte auf die Tragetasche. Zunächst registrierte sie nur die mit Bärchen, Luftballons und Entchen bedruckte Decke. Zu ihrem Entsetzen lugte ein kleines rosa Näschen aus dem Schutz der Decken, und sie entdeckte auch friedlich geschlossene Augen mit langen blassen Wimpern, die wie ein fedriger Fächer auf den Pfirsichwangen ruhten. Das Baby bot so einen friedlichen, engelsgleichen Anblick …

„Was soll das?“, stieß Maggie mit rauer Stimme hervor. Im wirklichen Leben passiert so etwas nicht, erinnerte sie sich und war bemüht, gegen die aufsteigende Panik anzukämpfen. Nur in Seifenopern stellen fremde Leute Babys auf deiner Türschwelle ab! Plötzlich überfiel sie die wahnwitzige Idee, die Pforte in eine andere Dimension überschritten zu haben, indem sie in Monicas Nachthemd geschlüpft war. Sie konnte sich nichts Grauenhafteres vorstellen, als tatsächlich Monica Blakes Seifenopern-Existenz zu leben!

„Mach dich nicht lächerlich“, rief Maggie sich streng zur Ordnung. Das ist weder die Realität noch eine Episode aus einer Mystery-Serie. Du träumst ganz einfach. Das ist alles. Der ganze Zucker in den Marshmallows hat deinen Adrenalinspiegel in die Höhe getrieben und du …

Plötzlich regte das Baby sich, und Maggie beobachtete fasziniert, wie ein kleiner rosa Mund und zwei winzige Fäustchen zum Vorschein kamen. Das kleine Wesen gähnte herzhaft, öffnete unvermittelt die dicht bewimperten Augen und starrte Maggie an.

Maggie starrte zurück. Als älteste von fünf Geschwistern hatte sie eine Menge Erfahrung mit Babys. Hauptsächlich deshalb war sie nie besonders scharf auf eigene Nachkommen gewesen … zumindest bis jetzt nicht. Oh, sie waren wirklich kleine Schätze, aber ach so fordernd, und Maggie glaubte nicht, dass sie die Mutterschaft erfolgreich mit ihrer Karriere vereinbaren könnte. Nicht etwa, dass sie sich darüber je besonders den Kopf zerbrochen hätte!

Maggie ließ den Blick rasch durch den Korridor schweifen. Sie musste das Baby so schnell wie möglich in ihr Apartment schaffen, bevor jemand sie so sah und die Presse verständigte. Was für ein Titelfoto! Maggie in Monicas luxuriösem Nachtgewand mit einem fremden Baby vor der Türschwelle!

„Okay, Traumbaby, du kannst reinkommen.“ Maggie hob Trage und Wickeltasche hoch. „Aber bleiben kannst du nicht. Bist du schon mal in einem Polizeiauto spazieren gefahren? Ich rufe jetzt die Cops an. Vermutlich hat sich hier jemand einen sehr schlechten Scherz erlaubt.“

Offensichtlich mochte das Baby Maggies Stimme nicht, oder es war nicht besonders angetan von der Vorstellung, sich mit den Cops einzulassen. Wie auch immer, es öffnete das Mündchen zu einem Geschrei, das Tote hätte wecken können. Und da die meisten von Maggies Nachbarn vermutlich alles andere als tot waren, wurden Türen aufgerissen und fragende Gesichter herausgestreckt.

Maggie wusste, dass sie sich jetzt einfach in ihr Apartment zurückziehen konnte, so als sei alles in bester Ordnung. Doch sie wusste auch, dass es nicht lange dauern würde, bis eine besorgte Mrs. Fernwalter an ihrer Tür klingeln würde, eine Erklärung verlangend. Schließlich waren in diesem Apartmenthaus weder Kinder noch Haustiere erlaubt. Am besten wäre es wahrscheinlich, das Baby in seiner Trage vor ihrer Türschwelle stehen zu lassen, wo sie es gefunden hatte. Das würde ihre Geschichte vermutlich wenigstens annähernd glaubwürdig erscheinen lassen.

Reglos stand Maggie da und registrierte, wie ihre Nachbarn einer nach dem anderen ihre Wohnungen verließen und näher kamen. Wenig später war sie umringt von einer aufgeregt durcheinander plappernden Menge. Wer nicht schon längst wusste, dass Maggie Stern alias Monica Blake hier eingezogen war, der wurde spätestens jetzt aufgeklärt. Welch fulminante Einführung in dieses Haus!

Maggies innigster Wunsch war es, von ihren Nachbarn als ganz normaler Mensch angesehen zu werden, der ein ruhiges, zurückgezogenes Leben führte. Doch jetzt, inmitten dieser gaffenden Menge, angetan mit einem verführerischen Negligé, ein schreiendes Baby zu ihren Füßen, zerplatzte dieser Traum wie eine Seifenblase.

„Nehmen Sie sie hoch.“

Maggies Blick schoss nach rechts, dann himmelwärts. Sie entdeckte die hünenhafte Gestalt des Mannes aus dem Fahrstuhl. Er hatte sich umgezogen und trug jetzt einen cremefarbenen Pullover und eine legere Hose … doch seine Stirn war immer noch missbilligend gerunzelt.

„Wie?“

„Nehmen Sie sie hoch. Sie sehnt sich nach Nähe und Geborgenheit. Oder sie braucht ein Fläschchen und frische Windeln. Vielleicht auch alles zusammen. Sie haben wohl keine große Ahnung von Babys?“

Endlich aus ihrer Erstarrung erwacht, wollte Maggie erwidern, dass sie eine ganze Menge Ahnung von Babys hatte. Doch dann beschloss sie, dass es besser sei, ihre Kompetenz zu demonstrieren. Sie bückte sich, um das Baby hochzunehmen, und barg es in ihrer Armbeuge. Vorsichtig lüpfte sie die Decke, die den Kopf des Babys umschmiegte, und ein Kranz feiner blonder Löckchen kam zum Vorschein. Sie bedachte das kleine Wesen in ihrem Arm mit einem liebevollen Lächeln, fest mit einer positiven Reaktion rechnend. Schließlich hatte sie immer einen guten Draht zu Kindern gehabt.

Nun, das Baby reagierte in der Tat. Nach einer kurzen Atempause nahm es Maggie aus tränenverschleierten Augen ins Visier und fing noch lauter an zu brüllen.

Plötzlich von einem Blitzlicht geblendet, zuckte Maggie zusammen. Mit geübtem Blick suchte sie die Menge nach einer Kamera ab und wurde auch sofort fündig.

„Bravo“, erklärte der Mann aus dem Fahrstuhl gedehnt. „Sie scheinen ja gerade so viel Mutterinstinkt zu haben, um einen Fingerhut zu füllen. Sie sind wohl auf einen guten Schnappschuss aus, was? Geben Sie sie mir.“

„Hören Sie, Mr. … wie immer Sie auch heißen“, konterte Maggie gereizt, „warum wohl sollte ich Ihnen das Baby überlassen? Sie achten nicht auf Ihren Weg und verstreuen überall Ihre Papiere. Wie könnte ich Ihnen etwas so Zerbrechliches wie ein Baby anvertrauen?“

„Vertrauen Sie mir ruhig“, durchschnitt seine energische Stimme das Babygeschrei. „Ich kann das garantiert besser als Sie.“

Damit nahm er Maggie kurzerhand das schreiende Bündel ab und wiegte es sanft hin und her. Und, oh Wunder, das Baby hörte auf der Stelle zu schreien auf.

Maggie starrte die beiden entgeistert an. Er lächelte, und das Baby lächelte zurück, die runden Bäckchen rosig und glänzend wie kleine Äpfelchen. „Warum haben Sie sie nicht mit reingenommen?“ wandte der Mann sich missbilligend an Maggie. „Dieser ganze Lärm und das Durcheinander sind Gift für so ein kleines Wesen.“

„Ich habe auf Mrs. Fernwalter gewartet“, verteidigte Maggie sich. „Wie kommen Sie überhaupt darauf, dass das Kleine ein Mädchen ist? Es trägt doch gar keine rosa Sachen.“

„Nennen Sie es Intuition. Ich habe meistens recht.“

Maggie hob erstaunt die Brauen. „Sie spazieren durch die Gegend und geben Vermutungen über das Geschlecht von Babys ab? Komische Beschäftigung.“

„Könnten wir jetzt bitte reingehen?“ versetzte der Mann ungehalten. „Oder wollen Sie noch die Paparazzi abwarten?“

Sie konnte sich nicht erklären, wieso der Mann sie für derart mediensüchtig hielt, doch seine Frage hatte ihr ins Bewusstsein gerufen, dass – sollten sie dieses Thema weiterhin hier auf dem Korridor erörtern – tatsächlich die Gefahr bestand, Schlagzeilen zu machen, auch wenn sie ganz und gar nicht scharf darauf war. „Na gut. Kommen Sie rein“, gab Maggie schließlich nach. Sie nahm Tragetasche und Wickeltasche und ging hinein. Der Mann folgte ihr und schloss mit einem kleinen Fußtritt die Tür hinter sich. Die plötzlich einsetzende Stille war Balsam für Maggies Nerven. Sie war sich nicht mehr ganz sicher, warum sie nicht schon früher hineingegangen war. Vermutlich hatte sie sich in einer Art Schockzustand befunden und deshalb nicht mehr klar denken können. Dazu kam noch, dass sie seit nunmehr fast vierundzwanzig Stunden keine richtige Nahrung mehr zu sich genommen hatte.

Ohne eine Einladung abzuwarten, ging der Mann schnurstracks ins Wohnzimmer und legte das Baby auf die Couch. Maggie wühlte eine Windel aus der Wickeltasche hervor. Sie sah zu, wie der Mann das Kleine aus den Decken schälte und den gelben Strampelanzug aufknöpfte. Der Blick des Babys war immer noch verzückt auf das Gesicht des Mannes geheftet, und es gab keinen Mucks von sich. Wäre es eine Katze, hätte es bestimmt geschnurrt.

„Geben Sie mir die Windel“, befahl der Mann.

Maggie gehorchte.

„Nun“, bohrte sie ungeduldig nach. „Ist es ein Mädchen?“

Der Mann wechselte fachkundig die Windel, zog den Strampler wieder hoch und bettete das Baby an seine Schulter. Endlich gönnte er Maggie einen stirnrunzelnden Blick. Maggie konnte nicht anders, sie bewunderte sein Geschick im Umgang mit dem Baby.

„Ja, es ist ein Mädchen. Lag kein Zettel oder Brief in der Tasche?“

Maggie schüttelte den Kopf. „Nein, ich habe keinen gefunden. Aber ich kann ja noch mal nachsehen.“ Sie durchforstete die Tasche, förderte aber nur ein Fläschchen und ein paar Lätzchen zutage. Sie spürte, wie der Blick des Mannes auf ihr ruhte. Sah er ihr einfach nur beim Suchen zu, oder hatte er etwas ganz anderes im Visier, nämlich ihren viel zu tiefen Ausschnitt? Bemüht beiläufig zog sie das Negligé über der Brust zusammen.

„Ich kann keine Nachricht finden“, erklärte sie schließlich. Sie war selbst überrascht, wie widerwillig sie seinem Blick begegnete. Seine offensichtliche Abneigung irritierte sie, zumal sie sich nicht veranlasst sah, ihn ebenfalls nicht zu mögen. Er war so lieb mit dem Baby, sanft und kompetent.

„Warum sollte Ihnen jemand sein Baby anvertrauen?“

„Warum sollte mir jemand sein Baby nicht anvertrauen?“ konterte sie.

Er seufzte. „Tut mir leid, wenn Sie mich für unhöflich halten, aber ich verstehe einfach nicht, was hier vor sich geht.“

„Dann sind wir ja schon zwei.“ Plötzlich kam ihr ein beängstigender Gedanke. „Es sei denn …“

„Es sei denn was?“

„Es besteht eine winzig kleine Möglichkeit, dass diejenige, die das Baby auf meiner Schwelle abgestellt hat, mich mit Monica Blake identifiziert, der Rolle, die ich in Die Reichen und die Sorglosen spiele“, stieß sie atemlos hervor.

„Warum sollte jemand sein Baby Monica Blake geben?“, fragte er irritiert. „Erzählen Sie mir nicht, dass sie ein Waisenhaus leitet.“

Maggie biss sich auf die Lippen und entgegnete zögernd: „Nun, die Story dreht sich nun schon seit Monaten um Monicas offensichtliche Unfruchtbarkeit. Vielleicht hat jemand sein Baby hier abgestellt, damit … damit Monica es wie ihr eigenes Kind aufzieht.“

„Das ist doch völlig verrückt. Monica Blake ist doch nur eine Figur aus einer Seifenoper.“

„Die meisten Fans von Seifenopern haben einen Hang zum Melodramatischen“, erklärte Maggie. „Doch manchmal kommt es vor, dass sich jemand zu sehr in die Geschichte hineinsteigert und Realität und Fiktion nicht mehr so recht auseinander halten kann. Die handelnden Charaktere sind für sie wie richtige Menschen mit echten Problemen.“

„Sie müssen die Polizei rufen“, erklärte Jared grimmig.

„Das hatte ich auch vor. Aber ich habe noch auf Mrs. Fernwalter gewartet.“

„Wozu? Das Baby braucht dringend professionelle Pflege. Wenn die Mutter schon verrückt genug ist, sie wegzugeben …“ Fast hätte er gesagt, sie jemandem wie Ihnen zu überlassen, konnte sich aber gerade noch rechtzeitig zurückhalten. Doch Maggie schien seine Gedanken erraten zu haben.

„Sie führen sich auf, als sei ich die böse Hexe aus Hänsel und Gretel“, erklärte sie anklagend. „Keine Angst, ich habe nicht vor, die Kleine in den Ofen zu schieben und sie zu verspeisen. Ich kann nämlich sehr gut mit Babys umgehen. Tatsächlich …“

„Rufen Sie erst mal die Polizei an, Miss Stern, dann können wir uns immer noch über Ihre Fähigkeiten in der Säuglingspflege unterhalten. Während wir auf die Cops warten, könnten Sie Ihre Kompetenz vielleicht dadurch unter Beweis stellen, indem Sie der Kleinen ein Fläschchen zubereiten. Sie versucht nämlich gerade, an meinem Ohrläppchen zu nuckeln, ein sicheres Zeichen, dass sie Hunger hat.“

Maggies Augen blitzten kampflustig. „Okay. Ich rufe die Polizei an, und dann füttere ich die Kleine. Sie werden schon sehen. Die Kleine und ich, wir kommen bestimmt prima miteinander aus.“

Sie erledigte den Anruf in der Küche und ging ins Wohnzimmer zurück, um den dem Fläschchen beigelegten Beutel mit der Milchfertigmischung zu holen.

„Erhitzen Sie das Fläschchen, bis es warm ist, nicht heiß“, ermahnte Jared sie.

Maggie hob die Brauen. „Sehe ich aus wie ein Idiot?“

Nachdem sie das Fläschchen unter fließend warmem Wasser erwärmt hatte, prüfte sie die Temperatur, indem sie ein paar Tropfen auf ihr Handgelenk gab. „Gerade richtig. Geben Sie mir jetzt das Baby.“

Beschwichtigt durch die Professionalität, mit der sie das Fläschchen zubereitet hatte, reichte Jared ihr die Kleine. Da er keinerlei Zweifel hegte, dass die Polizei das Baby mitnehmen und guten Händen übergeben würde, beunruhigte ihn diese eine Fütterung durch Monica Blake – das heißt Maggie Stern – nicht weiter. Außerdem war er ja da, um das arme Ding zu retten, sollte Miss Stern versagen.

Doch Maggie hatte gar keine Chance, zu versagen. Sobald er ihr das Baby übergeben hatte, fing die Kleine auf der Stelle an, sich die Seele aus dem Hals zu schreien.

„Halten Sie sie auch richtig?“, fragte Jared besorgt.

„Aber sicher doch! Ich weiß, wie man ein Baby hält.“

„Nun, da bin ich nicht so sicher …“

In diesem Moment klingelte es an der Tür, und Jared nutzte die Gelegenheit, ihr das Baby wieder zu entreißen.

Maggie bedachte ihn mit einem vernichtenden Blick und öffnete die Tür. Draußen standen nicht nur wie erwartet zwei Polizeibeamte, sondern auch Mrs. Fernwalter und ein Mann in mittlerem Alter in einem schreiend korallenroten Jackett und weißer Hose.

Jared kannte diesen Typ von Mann. „Oh Gott“, stöhnte er unterdrückt auf. „Noch einer von diesen Leuten aus dem Showgeschäft.“

3. KAPITEL

Jared sah zu, wie die Polizeibeamten, Mrs. Fernwalter und „Mr. Showbiz“ die Wohnung betraten und sogleich Maggie Stern zum Zentrum ihrer Aufmerksamkeit machten. Alle sprachen durcheinander, und keiner schien ihn – oder das Baby – zu bemerken.

Er beschloss, sich aus dem Zentrum des Geschehens zurückzuziehen, und setzte sich mit dem Baby auf einen Stuhl neben dem sonnigen Fenster. Es wurde höchste Zeit, dass die Kleine gefüttert wurde. „Du hast Hunger, nicht wahr?“, fragte er mit zärtlicher Stimme und bot ihr die Flasche.

Sobald der Sauger den kleinen Kirschmund berührte, fing das Baby gierig an zu saugen, den Blick aus den großen blauen Augen unverwandt auf Jared gerichtet.

„Anscheinend hat sogar ein ausgesetztes Kind keine Chance auf Aufmerksamkeit, wenn sich ein Filmstar im selben Zimmer aufhält, was? Nicht mal ein kleiner Sonnenschein wie du.“

Die Kleine steckte das Händchen aus und umklammerte seinen Daumen, aber sie hörte nicht auf zu saugen. Jared lächelte ihr zu und richtete den Blick auf die anderen Anwesenden. Offenbar hatte Miss Stern die Konversation an sich gerissen. Er schüttelte den Kopf. „Schau dir bloß diese geifernden Cops an“, flüsterte er der Kleinen ins Ohr. Die beiden Beamten schienen völlig fasziniert von Maggies Anblick in ihrem Negligé … besonders der Jüngere mit dem Stiernacken. Er mochte groß und stämmig sein, doch Miss Sterns strahlende Gegenwart reduzierte ihn zu einem sabbernden Welpen, der einen saftigen Knochen vor sich sah. Der ältere der beiden Beamten benahm sich auch nicht viel besser. Er hielt Papier und Bleistift gezückt, schrieb jedoch nicht ein einziges Wort nieder, obwohl Miss Stern ganz offensichtlich gerade ihre Geschichte vortrug.

Und dann war da auch noch Mrs. Fernwalter … die man offenbar völlig überraschend aus ihrer Wohnung geholt hatte, denn ihr Aufzug war alles andere als gesellschaftsfähig. Das Haar auf Lockenwickler gedreht, einen alten Pullover über ihrem schlichten Hauskleid, starrte sie Miss Stern an, als sei diese eine himmlische Botin. Wenn Jared an Mrs. Fernwalters Schilderung ihrer ersten Begegnung mit Miss Stern dachte, fand er das ziemlich irritierend.

Mrs. Fernwalter hatte nämlich berichtet, dass Miss Stern äußerst hartnäckig und rücksichtslos darauf bestanden hätte, ihr das Apartment 2101 zu überlassen, obwohl sie ihr versucht hatte klarzumachen, dass die Wohnung schon anderweitig versprochen war. Und obwohl Jared es Mrs. Fernwalter immer noch übel nahm, dass sie dem Druck nachgegeben hatte, hatte er doch in gewisser Weise Verständnis dafür, dass seine Vermieterin gegen so viel Selbstsucht machtlos gewesen war. Im Augenblick jedoch erweckte sie den Eindruck, als hätte sie Miss Stern alles vergeben und bewundere sie auch noch!

Was Mr. Showbiz in seinem Neonjackett betraf, so lauschte er emsig allem Gesagten … und zog eine dicke, fette Zigarre aus der Jackentasche! Das war das Signal für Jared, sich endlich bemerkbar zu machen.

„Stecken Sie sich die ja nicht hier drin an“, befahl er, indem er aufstand. „Passivrauchen ist sehr schädlich für Kleinkinder.“

Alles drehte sich um und starrte Jared an. Mrs. Fernwalter fuhr auf, als sie Jared entdeckte – vor lauter Schuldgefühlen vermutlich –, die anderen hingegen schienen lediglich überrascht, noch eine weitere Person im Raum vorzufinden.

„Das ist also das Baby, das Sie vor Ihrer Wohnungstür vorgefunden haben?“, wandte der jüngere Cop sich an Miss Stern.

Wie überaus scharfsinnig, dachte Jared ironisch.

„Ja“, erwiderte Miss Stern. „Und dieser Herr ist einer der anderen Mieter. Seinen Namen weiß ich nicht …“

Jared öffnete den Mund, um sich vorzustellen, doch die Cops schien das nicht zu interessieren. „Miss Stern“, richtete der Ältere das Wort an Maggie, indem er Jared den Rücken zuwandte. „Haben Sie eine Begleitnotiz gefunden?“

„Nein, aber ich könnte ja noch mal nachsehen.“ Sie durchquerte den Raum, um die Babytragetasche zu durchsuchen, wobei der seidige Stoff ihres Ensembles sie wie ein weißer Nebel umwehte und ihre Kurven umschmeichelte. Als er es endlich schaffte, den Blick von ihren wohl gerundeten Hüften abzuwenden, registrierte Jared die stumpfen Blicke der beiden Polizeibeamten.

„Vielleicht unter der Matratze …“ Sie ging in die Hocke und schob die Hand unter die Matratze, etwas, was die Cops schon längst hätten tun sollen, wenn sie nur ihr Gehirn gebraucht hätten. „Ja! Da ist tatsächlich was!“

Miss Stern stand auf und wedelte triumphierend mit einem weißen Umschlag.

„Nun, bitte lesen Sie laut vor!“, rief Mrs. Fernwalter aus, die Fäuste in fiebriger Erregung unter dem Kinn zusammengepresst. „Oh, das ist gerade so wie in einer Folge von Die Reichen und die Sorglosen!“

„Da bringen Sie mich auf eine Idee, Lady“, warf Mr. Showbiz mit einem viel sagenden Grinsen ein.

„Ja, lesen Sie bitte vor, Miss Stern“, forderte auch der jüngere der beiden Cops sie nun auf, offensichtlich begierig auf jede Silbe, die ihrem Mund entströmte.

Miss Stern nickte, riss rasch den Umschlag auf und zog einen pinkfarbenen Briefbogen heraus. „Liebe Monica“, begann sie zu lesen und hielt sofort inne, um Jared einen verlegenen Blick zuzuwerfen. Jared seinerseits bedachte sie mit einem Blick voll tiefster Missbilligung, der sie zu seinem Erstaunen heftig erröten ließ.

„Fahren Sie fort“, drängte Mrs. Fernwalter. „Bitte, fahren Sie fort.“

„Yeah, das scheint interessant zu werden“, murmelte Mr. Showbiz und rollte bedächtig seine Zigarre zwischen den Fingern.

Miss Stern fuhr fort.

Liebe Monica. Während der letzten Monate habe ich blutenden Herzens mit angesehen, wie Sie und der Fürst die Strapazen einer Kinderwunschbehandlung auf sich genommen haben, leider ohne Erfolg. Keiner verdient ein Kind mehr als Sie. Ihre gegenseitige Liebe hat schon so vielen schweren Prüfungen standgehalten. Weil ein Kind Ihr Leben erst komplett macht und weil der Fürst einen Erben für Carsovia braucht …

„Oh, aber der Erbe müsste wohl männlichen Geschlechts sein!“, unterbrach Mrs. Fernwalter aufgeregt. „Ist das Baby ein Junge?“

„Es gibt keinen Ort namens Carsovia, Mrs. Fernwalter“, erinnerte Miss Stern sie, „sodass die Frage nach dem Geschlecht mir nicht besonders wichtig erscheint.“ Sie fuhr fort zu lesen.

… überlasse ich Ihnen meine Nichte Sarah Jessica. Ihre Mutter … meine Schwester … starb vor fünf Monaten, als Sarah geboren wurde.

Miss Stern hielt inne und warf dem Baby einen so mitfühlenden Blick zu, dass Jared fast glaubte, sie hätte doch ein Herz. Doch wie sollte er da denn sicher sein? Schließlich war sie Schauspielerin und im Augenblick umringt von einem dankbaren Publikum.

Die Identität ihres Vaters ist unbekannt. Ich bin ledig und voll berufstätig und somit nicht in der Lage, dem Kind das Leben zu bieten, das es verdient. Ich wünsche mir, dass sie bei Ihnen wie eine Prinzessin aufwächst, Monica. Ich bin Sarahs offizieller Vormund und somit berechtigt, sie jedem anzuvertrauen, den ich für richtig halte. Und ich habe Sie gewählt, Monica. Ich weiß, Sie werden sie lieben und immer gut für sie sorgen. Hochachtungsvoll, C.

„C?“, wiederholte Jared.

Miss Sterns Blick blieb auf den Brief in ihren Händen geheftet. „Das ist alles. Gibt uns nicht gerade Aufschluss über die Identität der Schreiberin, was?“

„Wir haben unsere Mittel, die herauszufinden“, erklärte der junge Polizeibeamte wichtig und nahm Miss Stern den Brief aus der Hand. „Früher oder später finden wir heraus, wer Sarahs Tante ist.“

„Falls die Schreiberin wirklich die Tante der Kleinen ist“, gab Jared zu bedenken. „Vielleicht ist sie Sarahs Mutter. Die Kleine könnte sogar gekidnappt sein.“

„Das stimmt“, erklärte der ältere Beamte. „Wir müssen jede Möglichkeit überprüfen. In der Zwischenzeit …“

„In der Zwischenzeit wird man Sarah der Obhut eines staatlichen Säuglingspflegeheims übergeben, nicht wahr?“ warf Jared ein. „Früher oder später wird sie sicher von einem netten jungen Ehepaar adoptiert.“

„Aber wollen Sie sie denn nicht behalten?“, rief Mrs. Fernwalter mit einem entsetzten Blick auf Miss Stern aus. „Ich weiß, es ist nicht der Sohn, den Alexander sich immer gewünscht hat, aber …“

Miss Stern setzte zu einer Erwiderung an, aber Mr. Showbiz ließ sie nicht zu Wort kommen. „Natürlich wird sie sie behalten.“

„Was?“, fragte Miss Stern.

„Was?“, echote Jared.

„Du willst diesen kleinen Engel doch nicht etwa der Fürsorge in einem unpersönlichen Pflegeheim überlassen, Maggie?“ Mr. Showbiz deutete mit trauriger Miene auf die inzwischen eingeschlafene Sarah.

„Nun, ich …“

„Schließlich hat ihre Tante sie ausdrücklich in deine Obhut gegeben. Wenn sie erfährt, dass du sie in ein Pflegeheim abgeschoben hast, dreht sie womöglich durch und entführt das Kind. Sie war immerhin clever genug, deine Adresse herauszufinden, Maggie, und unbemerkt in dieses bewachte Gebäude einzudringen.“ Er tippte sich mit dem Finger an die Stirn. „Sie ist clever, aber ein bisschen verrückt … wenn du verstehst, was ich damit meine.“ Er wandte sich an die Cops. „Ich bin sicher, Sie kennen diesen Typ.“

Bevor einer der Beamten noch etwas erwidern konnte, fuhr Mr. Showbiz fort: „Außerdem habe ich als Produzent einer Serie, die sich mit ganz alltäglichen Dramen beschäftigt, eine ganze Reihe von Pflegeheimen besichtigt, und ich kann Ihnen versichern, dass darunter nur sehr wenige gute waren. Aber es gibt doch die gute alte Institution der Pflegeelternschaft. Könnte Miss Stern nicht vorübergehend als Pflegemutter für Sarah fungieren … nur solange, bis man ihre Tante gefunden hat oder gerichtlich entschieden ist, was aus dem Kind wird? Meiner Ansicht nach scheint das das Beste für das kleine Mädchen zu sein, meinen Sie nicht auch, Officers?“

„Meinen Sie nicht vielleicht eher das Beste für die Show?“, warf Jared grimmig ein. Jetzt, da er wusste, dass Mr. Showbiz der Produzent von die Die Reichen und die Sorglosen war, hatte er keinen Zweifel mehr an den Motiven des Mannes. Miss Stern nimmt ausgesetztes Kind auf. Diese Schlagzeile in Zusammenhang mit dem augenblicklichen Handlungsstrang, dem Thema Unfruchtbarkeit – das war ein Publicityhit.

„Nie im Leben würde ich die missliche Lage dieses Kindes für Publicity-Zwecke ausschlachten“, fuhr Miss Stern ihn hitzig an.

„Aber nein, Liebes, du nimmst sie auf, weil dir ihr Schicksal am Herzen liegt“, versuchte Mr. Showbiz sie zu beschwichtigen. „Jeder weiß doch, wie sehr du Kinder liebst.“

„Aus der Serie geht ganz klar hervor, dass Sie eine super Mom abgeben“, schwärmte Mrs. Fernwalter.

„Außerdem“, fuhr Mr. Showbiz fort, „fühlst du dich persönlich verantwortlich für das Schicksal dieses kleinen Engels, nicht wahr, Maggie, mein Mädchen? Sie in Pflege zu nehmen, bis die Behörden ein richtiges Zuhause für sie gefunden haben, ist das Mindeste, was du tun kannst … stimmt’s?“ Er wölbte die Schultern nach oben und streckte die Hände aus, als wolle er prüfen, ob es regnet. „Ich gebe dir so viel Zeit frei, wie du brauchst.“

„Das ließe sich einrichten, Miss Stern“, meldete der ältere Beamte sich zu Wort. „Falls Sie wirklich bereit sind, dieses Kind vorübergehend in Pflege zu nehmen, genügen ein paar Telefonate und der Besuch einer Sozialarbeiterin, um die Sache hinzubiegen. Soll ich die Telefonate in Angriff nehmen?“

Jared hatte es die Sprache verschlagen. Er konnte nicht glauben, was da passierte! Mr. Showbiz hatte sie alle wie Marionetten in der Hand und die Situation so hingebogen, dass sie seinen schmierigen Zwecken entgegenkam. Die beiden Polizeibeamten und Mrs. Fernwalter richteten den Blick bewundernd auf Miss Stern, während sie auf ihre Antwort warteten, offenbar keinen Augenblick daran zweifelnd, dass sie sich mit Enthusiasmus als Pflegemutter anbieten würde.

Auch Jared richtete seine Aufmerksamkeit auf sie. Seine missbilligend gerunzelte Stirn und die fest zusammengepressten Lippen machten nur zu deutlich, was er von dieser unbesonnenen Idee hielt. Er konnte nur beten, dass sie das einzig Richtige tat, nämlich die Pflege des Babys den Leuten zu überlassen, die dafür qualifiziert waren. Ihr musste doch bewusst sein, dass sie der letzte Mensch auf Erden war, der die Verantwortung für …

„Einverstanden, ich mache es“, erklärte Miss Stern und warf Jared einen herausfordernden Blick zu. „Ich werde mich um Sarah kümmern, bis man eine permanente Bleibe für sie gefunden hat. Morty hat recht. Ich liebe Kinder.“

„Aber in diesem Haus sind weder Kinder noch Haustiere erlaubt“, stieß Jared verzweifelt hervor. „Es verstößt gegen die Hausordnung, ein Kind in Ihrem Apartment aufzunehmen!“

„Von allen Regeln gibt es Ausnahmen“, erklärte Mrs. Fernwalter kurzerhand. „Außerdem bin ich es, die hier die Hausordnung interpretiert, und ich sage, die Sache geht in Ordnung. Schließlich handelt es sich ja nur um eine vorübergehende Situation.“

Angewidert reichte Jared Miss Stern das schlafende Baby und strebte ohne ein weiteres Wort dem Ausgang zu. Mit der Polizei und der Hausverwaltung auf ihrer Seite gab es nichts, was er gegen Miss Stern unternehmen konnte. Er konnte nur darauf vertrauen, dass die Diva morgen oder auch schon heute Abend Hilfe suchend bei der Polizei anrufen würde, weil die Anforderungen, die ein Baby an einen stellte, nicht mit ihrem glamourösen Lebensstil vereinbar waren.

Maggie schloss die Tür hinter ihrer Besucherschar und blickte auf Sarah herab. Ihr warmer kleiner Körper fühlte sich so gut an in ihren Armen. Sie lächelte. Vielleicht war gerade das die Abwechslung, die sie in ihrem Leben brauchte. Man hatte sie zwar zu diesem ausgedehnten Babysitten gedrängt, aber vielleicht war das gerade der richtige Gegenpol zu ihrem ansonsten so hektischen Leben.

Alles, was sie während der vergangenen zwölf Jahre gemacht hatte, war arbeiten, arbeiten, arbeiten. Jetzt konnte sie einige kostbare Tage damit verbringen, dieses süße Wesen zu wiegen, mit ihm zu spielen, es zu baden, sein seidiges Haar zu bürsten. Und das Schönste war, dass es keine Probleme mit dem Studio geben würde, das hatte Morty ihr versprochen.

Maggie ging zur Couch hinüber und setzte sich. Plötzlich klappte Sarah die mit seidigen Wimpern umkränzten Äuglein auf. Maggie lächelte. „Hallo, du Schlafmützchen. Hast du Hunger?“

Sarah blinzelte, den Blick aus ihren strahlend blauen Augen fest auf Maggie geheftet. Plötzlich verzog sie das Gesichtchen und setzte zu einem Gebrüll an, dass Maggie die Ohren klingelten.

Drei Stunden später schrie Sarah immer noch, und Maggie war völlig erschöpft. Das Baby gegen ihre Schulter gelehnt, ging Maggie wiegenden Schrittes in der Wohnung auf und ab. Wenn das so weiterging, hatte sie bestimmt bis zum Abend ein Loch in den Teppich gepflügt. Sie hatte alles versucht, um Sarah zu beruhigen, aber nichts hatte geholfen. Die Kleine wollte keine Flasche, ihre Windel war trocken, und sie zeigte nicht das geringste Interesse an der Rassel, die Maggie in Sarahs Wickeltasche gefunden hatte.

Maggie begann sich schon Sorgen zu machen, dass die Kleine krank sein könnte. Aber da sie kein Fieberthermometer im Haus hatte, konnte sie das schlecht überprüfen. Sie musste unbedingt einkaufen … Windeln, Babynahrung und ein Thermometer … aber wie? Außerdem brauchte auch sie selbst etwas Vernünftiges zu essen. Sie konnte sich schon gar nicht mehr erinnern, wann sie zuletzt eine anständige Mahlzeit zu sich genommen hatte. Aber alles, was sie im Haus hatte, waren die Marshmallows von Billie.

Ganz offensichtlich blieb ihr nur noch ein Ausweg: ihre Mutter anzurufen. Lorena Morgenstern in die Geschichte zu verwickeln, war das Letzte, was Maggie anstrebte. Sie liebte ihre Mutter über alles, aber die Frau war eine Wichtigtuerin erster Güte. Seit ihr Mann vor zehn Jahren einem Herzinfarkt erlegen war, hatte sie ihr Leben voll und ganz ihren fünf Töchtern gewidmet … und das bedeutete, dass sie sich in alles einmischte, angefangen bei der Lidschattenfarbe bis hin zum Intimleben ihrer Töchter. Wenn sie erst einmal von Maggies Findelkind erfahren hatte, würde sie vermutlich auf unbestimmte Zeit ihre Zelte in Maggies Wohnzimmer aufschlagen. Doch dieses Risiko musste sie wohl auf sich nehmen.

Als sie gerade die Nummer ihrer Mutter wählte, klingelte es an der Tür. „Gerettet“, murmelte Maggie und legte rasch den Hörer auf. Sie spähte durch den Türspion und entdeckte Billie. Herrje, warum war sie nicht darauf gekommen, Billie anzurufen? Mit einem erleichterten Seufzer öffnete Maggie die Tür.

„Warum hast du nicht angerufen? Ich dachte, wir wollen zusammen lunchen? Du bist ja noch nicht mal angezogen“, bemerkte Billie erstaunt. „Netter Fummel, den du da anhast. Schläfst du immer in Seide und Satin? He, was ist denn das für ein Baby?“

Maggie verspürte das hysterische Bedürfnis zu lachen, doch das hätte sie Energie gekostet, die sie nicht hatte. „Sie heißt Sarah“, erklärte Maggie, „und sie schreit schon seit geschlagenen drei Stunden.“

„Im Ernst?“ Billie ließ sich lässig in einen Sessel im Wohnzimmer sinken.

„Du wohnst nebenan und hast tatsächlich nicht gehört, wie sich die Kleine seit Stunden die Lunge aus dem Hals schreit? So dick können die Wände doch nicht sein.“

„Ich dachte, ich höre eine Katze“, erklärte Billie achselzuckend.

„Leider ist es keine Katze“, stöhnte Maggie. „Das wäre weitaus unkomplizierter.“

„Warum hast du dann nicht lieber eine Katze bekommen?“, lautete Billies geistreicher Kommentar.

„Ich habe nicht mal dieses Baby bekommen, Billie. Ich habe sie heute Morgen auf meiner Türschwelle gefunden. Hast du denn das Theater im Korridor nicht gehört?“

„Ich schlafe wie eine Tote.“ Aufmerksam geworden, beugte Billie sich eifrig vor. „Das hört sich nach einer spannenden Story an. Erzähl mir alles darüber, Maggie.“

Während sie mit Sarah auf dem Arm im Zimmer auf und ab ging – immer noch ohne Erfolg – setzte sie Billie über die Ereignisse des Tages in Kenntnis. Abschließend gab sie zu bedenken, ob Sarah womöglich krank sei.

„Sie muss unbedingt zum Arzt. Meinst du, du könntest mir helfen, sie zur Notaufnahme der Kinderklinik zu bringen? Du könntest sie halten, während ich mich rasch umziehe.“

Maggie wollte Billie das Baby geben, doch Billie verschränkte energisch die Arme. „Keine Chance, Maggie. Ich habe nicht den geringsten Schimmer, wie man ein Baby hält … besonders ein schreiendes Baby. Ich tue alles für dich, aber das nicht.“

„Aber ich bin völlig verzweifelt, Billie.“ Maggie war den Tränen nahe. „Was soll ich nur tun?“

Billie wiegte nachdenklich den Kopf. „Zu dumm, dass die Ärzte heutzutage keine Hausbesuche mehr machen …“ Plötzlich verzog sie den Mund zu einem breiten Lächeln. „Warum bin ich nicht eher darauf gekommen? Ich weiß genau, was zu tun ist. Hier im Haus wohnt ein Arzt, sogar ein Kinderarzt. Er hat die Wohnung dir gegenüber, Nummer 2102. Wenn er zu Hause ist, kommt er sicher rüber und schaut sich die Kleine mal an.“

Maggie seufzte erleichtert. „Oh, ich danke dir, Billie. Hoffentlich ist er zu Hause.“

„Das werde ich sogleich herausfinden.“ Billie sprang auf.

Drei Minuten später war sie wieder zurück, mit dem Arzt im Schlepptau. Als Maggie den Mann sah, traf sie fast der Schlag. Das war der Kerl aus dem Fahrstuhl!

„Worauf warten Sie noch, Dr. Austin?“, fragte Billie, als der Mann zögernd auf der Türschwelle verharrte. „Kommen Sie rein und lernen Sie meine Freundin kennen, Maggie Stern. Maggie, das ist dein Nachbar Jared Austin … der Kinderarzt.“

Dr. Austin verzog die Lippen zu einem ironischen Lächeln. „Ich freue mich, Sie kennen zu lernen, Miss Stern. Sie brauchen also meine Hilfe?“

4. KAPITEL

Jared wartete, bis Miss Maggie Stern den Schock verdaut hatte, ausgerechnet ihm gegenüberzustehen. Er konnte es kaum erwarten, ihr das Baby zu entreißen. Es hatte ihn rasend gemacht, das ununterbrochene Schreien des Kindes durch die dünnen Wände mit anhören zu müssen. Er war kurz davor gewesen, die Polizei zu rufen, um sie über ihren Irrtum zu informieren, ein hilfloses Baby einem Seifenopern-Star anzuvertrauen, da war Billie aufgetaucht.

„Ich hatte gehofft, ich täusche mich, was Ihre Kompetenz in der Säuglingspflege betrifft“, konnte sich Jared nicht verkneifen zu sagen.

„Das ist nicht fair“, ereiferte sich Miss Stern. „Ich bin kein Experte … wie Sie offensichtlich …, aber ich befürchte, dass Sarah krank ist.“

Stirnrunzelnd trat Jared näher und schloss die Tür hinter sich. „Wie kommen Sie darauf?“

„Ist das nicht offensichtlich? Sie schreit sich seit Stunden die Lunge aus dem Hals.“

Jareds Augen verengten sich. „Heute Vormittag sah sie noch aus wie das blühende Leben. Sind Sie sicher, dass sie nicht vielleicht hungrig oder nass ist?“ Er stellte sich vor, wie Sarah einsam auf der Couch lag, während die Diva ein Schaumbad nahm.

Miss Stern bedachte ihn mit einem wütenden Blick. „Ich habe ihr zwei Mal die Windeln gewechselt. Sie ist trocken. Vielleicht hat sie Hunger, aber sie wollte nicht trinken. Darüber hinaus habe ich sie stundenlang in der Wohnung hin und her getragen, sie gewiegt, ihr sogar etwas vorgesungen. Ich habe alles getan, aber sie hört nicht auf zu schreien.“

„Geben Sie mir Sarah“, befahl er kurz angebunden. „Ich werde sie untersuchen.“ Er reichte Billie seine Instrumententasche und streckte die Arme nach Sarah aus. Obwohl Miss Stern erleichtert schien, das schreiende Bündel loszuwerden, folgte sie ihm auf dem Fuß, als er Sarah zum Sofa trug. Er spekulierte schon über eine mögliche Ohrinfektion oder Kolik, als die Kleine zu brüllen aufhörte.

„He, das ist ein Trick, Doc“, staunte Billie. „Wie haben Sie das gemacht?“

Jared betrachtete aufmerksam Sarahs tränenüberströmtes Gesichtchen. „Ich habe keine Ahnung“, gab er zu. „Aber es sieht fast so aus, als würde sie gleich lächeln.“

„Sie machen wohl Witze.“ Miss Stern beugte sich stirnrunzelnd über Sarah.

„Ich wusste doch, du bist ein kleiner Sonnenschein“, neckte Jared die Kleine, als sich ein glückliches Lächeln auf ihrem Gesicht breit machte.

„Ich weiß nicht recht …“ Miss Stern blieb skeptisch. „Es muss doch einen Grund dafür geben, dass sie stundenlang geschrien hat. Sie sollten Sie vorsichtshalber doch lieber untersuchen … Doktor.“

„Das habe ich auch vor. Billie, meine Tasche bitte. Und Sie, Miss Stern, würden Sie Sarah bitte noch ein Fläschchen machen? Wenn sie seit heute Vormittag nichts mehr zu sich genommen hat, muss sie inzwischen völlig ausgehungert sein.“

„Ich habe ja versucht, sie zu füttern, aber sie hat keinen Tropfen getrunken“, erklärte Miss Stern kläglich.

„Kümmern Sie sich jetzt bitte um das Fläschchen, ja? Vielleicht trinkt Sarah ja, wenn ich sie füttere.“

Miss Stern verschwand in die Küche, und Jared überprüfte rasch, ob Sarahs Windel auch wirklich trocken war. Sie war es. Okay, in diesem Punkt hatte Miss Stern also recht gehabt. Im Moment waren auch Sarahs Äuglein absolut trocken. Vergnügt fuchtelte sie mit den Ärmchen in der Luft herum.

„Dass Sie das gewisse Etwas haben, war mir ja schon von Anfang an klar, Doc“, meinte Billie bewundernd, „aber dass Ihr Charme auch schon weibliche Wesen in diesem Alter umhaut, ist mir neu.“

„Ich bin Kinderarzt, Billie“, erklärte Jared bescheiden. „Babys sind mein täglich Brot.“ Insgeheim jedoch musste er zugeben, dass er mindestens ebenso erstaunt war über die überwältigende Zuneigung, die Sarah ihm schenkte. Erstaunt und geschmeichelt. In seiner Praxis hatte er es oft genug mit Schreihälsen zu tun, die absolut nichts von ihm wissen wollten. Sarah war etwas ganz Besonderes.

In diesem Moment kam Miss Stern mit der Flasche zurück und reichte sie ihm. „Ich habe die Temperatur geprüft. Sie ist okay.“

Autor

Emily Dalton
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Colleen Norman
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Ginna Gray
Ginna Gray wuchs in einer sehr fantasievollen und kreativen Familie in Texas auf. Erst mit zwölf Jahren erkannte sie, dass es nicht selbstverständlich war, wie leicht es ihr fiel, sich Geschichten auszudenken. Schon ihre Lehrer erkannten ihr Talent und Ginna war sich sehr früh sicher, dass sie Schriftstellerin werden wollte....
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