Bianca Weekend Band 25

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DER COWBOY UND DIE LADY von CATHLEEN GALITZ

Im Planwagen gen Westen mit einer Horde Teenager – mehr Albtraum als Traumurlaub. Bis Danielle dem Treckführer Cody näher kommt: Augen so blau wie der Himmel über der Prärie, Küsse, die nach Abenteuer schmecken, dazu ein Hauch von Geheimnis, der den Cowboy umgibt. Unwiderstehlich!

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  • Erscheinungstag 31.08.2024
  • Bandnummer 25
  • ISBN / Artikelnummer 9783751527620
  • Seitenanzahl 400
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Cathleen Galitz, Leigh Greenwood, Annette Broadrick

BIANCA WEEKEND BAND 25

1. KAPITEL

Worauf habe ich mich da eingelassen? fragte sich Danielle Herte wohl zum hundertsten Mal an jenem Tag.

Ihre aquamarinblauen Augen weiteten sich beim Anblick der Szene, die sie in die Zeit zurückbrachte, als sich der „Amerikanische Westen“ öffnete. Beinahe hundert Mädchen in langen Röcken waren mit unzähligen Aktivitäten beschäftigt. Einige kochten über offenem Feuer, andere quilteten oder flochten einander die Haare, und die beherzteren unter ihnen zielten mit Tomahawks auf Baumstümpfe, die zu diesem Zweck aufgereiht waren. Den Hintergrund am Horizont bildete eine Reihe Planwagen, vor denen sich Bettlaken zum Trocknen im Wind blähten.

Blinzelnd machte sich Danielle klar, dass sie sich in der Gegenwart und nicht in der Vergangenheit befand. Eine Tatsache, die ihr von dem harten, monotonen Rhythmus eines Rap Songs eingehämmert wurde, der unaufhörlich aus dem Lautsprecher im Heck ihres Vans dröhnte.

Bis vor ihrer Abreise von Denver vor vier Stunden hatte Danielle nicht gewusst, dass Mädchen im Alter ihrer Tochter, wenn sie als Gruppe auftraten, nur in höchster Lautstärke miteinander kommunizieren. Ein Glück, dass ich die meisten Liedertexte nicht verstehe, dachte sie und schluckte ihr letztes Aspirin, bevor ihr Wagen auf den kleinen Weg abbog, der als Muddy Gab in Wyoming bekannt war.

Sie fragte sich, wieso sich überhaupt jemand die Mühe gemacht hatte, diesem Ort einen Namen zu geben. Sie stellte den Motor ab und verkündete mit gespielter Freude: „Alles aussteigen. Wir sind da.“

Augenblicklich stürzten sich zehn ausgelassene junge Mädchen aus dem Van und liefen zu den Planwagen, die aus der Zeit von 1850 zu stammen schienen. Eine langbeinige Brünette mit Pagenfrisur und wunderschönen, jedoch unsicher blickenden Augen hielt ein altmodisches Häubchen in der Hand.

„Setz das auf, Mom“, drängte sie. „Bitte, bitte …“

Der höfliche Nachsatz war typisch für Danielles Tochter Lynn. Mit dreizehn erblühte ihr süßes kleines Mädchen zu einem Wesen voller Widersprüche. Einmal zeigte Lynn sich reifer, als es ihrem Alter entsprach, ein andermal war es ihr peinlich, von ihrer Mutter zu sehr behütet zu werden.

Sogar Danielles impulsiver Entschluss, das eigene Outfit aufzupolieren und sich im Kaufhaus eine Farbspülung zu kaufen, mit deren Hilfe sie sich jünger und sorgenfrei fühlen sollte, wurde von ihrer Tochter als böswilliger Akt verstanden, um deren noch nicht gefestigten Status in ihrem Freundeskreis zu sabotieren.

Dabei stellte dies nur einen symbolischen Befreiungsakt von Danielles altem Leben dar und die Hinwendung zu einem neuen. Ein Leben ohne dominierenden Ehemann, der Danielle länger als zehn Jahre völlig unter Kontrolle gehalten hatte. Scott hatte nicht nur ihr Heim und dessen gesamte Möblierung ausgesucht, sondern auch seiner Frau vorgeschrieben, sich extrem konservativ zu kleiden … wohl, damit sie unscheinbar wirken sollte.

Als Danielle das Haarpflegemittel aus dem Regal im Supermarkt gewählt hatte, hatte sie gemeint, ihre Haarfarbe würde nach der Behandlung dem sanften Farbton gleichen, den das entzückende Model auf der Verpackung trug. Stattdessen verwandelte die nach faulen Eiern riechende Lösung ihr natürlich schimmerndes rotbraunes Haar in ein schreiendes Feuerrot. Mit einem tapferen Lächeln musste sie später ihrer entsetzten Tochter erklären, dass sich die Farbe garantiert in weniger als einem Monat auswaschen würde.

Danielle nahm das Häubchen entgegen und verdeckte damit so viel wie möglich von ihrem Haar, ehe sie die Mädchen anwies, zusammenzubleiben und ihr zu folgen. Sie musste ihren langen Rock anheben, damit er nicht über den Boden schleifte, während sie nach dem Unterstand suchte, in dem die Teilnehmer registriert werden sollten.

„Hierher, hierher, Ma’am“, ertönte eine klare Stimme.

Den Treffpunkt kennzeichnete ein farbiges Banner mit den Worten „Romanze im Sturm“. Hinter einem Tisch stand das junge Mädchen, dem die Stimme gehörte. Ein blonder, lustiger Kobold mit Pferdeschwanz und leuchtend blauen Augen, die unter dem Rand eines Cowboyhutes aus Stroh hervorschauten.

„Hallo! Ich bin Mollie. Willkommen zur Teilnahme an ‚Romanze im Sturm‘, dem ersten Prärie-Pfadfindertreffen dieses Jahres in Wyoming zum Oregon-Treck, der durch die malerischen ‚Wind River Mountains‘ führen wird.“

Obgleich Mollie diese Worte im Laufe des Tages bereits unzählige Male wiederholt hatte, klang sie noch immer begeistert. „Sie sind die letzte Gruppe. Wir haben schon auf Sie gewartet. Ich hoffe, Sie hatten eine gute Anreise.“

Danielle machte sich nicht die Mühe zu erzählen, dass ihr schäbiger alter Van vor etwa hundert Kilometern gekocht hatte und die lange Reise dadurch zu einer schier endlosen Exkursion wurde. Sie zahlte ihre Anmeldegebühr … und damit war ihr Schicksal für die nächsten vierzehn Tage besiegelt.

Mollie verteilte Kopien der Lebensgeschichte einer echten Pionierfrau und informierte alle, dass vom nächsten Tag an jeder verpflichtet war, zehn Seiten täglich zu lesen, um abends am Lagerfeuer eine Zusammenfassung des Gelesenen geben zu können. Danach deutete sie auf einen der Planwagen und forderte die Nachzügler auf aufzuladen.

In genau diesem Moment entglitt Danielle die Kontrolle. Die Mädchen eilten zum Van, um ihre Sachen zu holen, und liefen danach in alle Richtungen auseinander. Bis Danielle ihr eigenes Gepäck zum Planwagen geschleppt hatte, blieb ihr von der gesamten Truppe Nummer 83 nur ein Riesenberg Gepäck am Boden zurück. Offensichtlich hatten die Mädchen Angst, sie könnten durch das späte Eintreffen von den Aktivitäten im Lager ausgeschlossen werden, und ließen deshalb ihre Ferienmutter allein zurück.

Nach kurzer Überlegung beschloss Danielle, den Wagen lieber ohne Hilfe zu beladen, statt zu versuchen, ihre Truppe in diesem Chaos zusammenzutrommeln. Also krempelte sie die Ärmel auf und machte sich an die Arbeit, wobei sie über eine schonungslose Strafpredigt nachgrübelte, die sie den Mädchen halten wollte. Sie hatte nicht die Absicht, die nächsten beiden Wochen den Fußabtreter einer Gruppe verwöhnter Teenager zu spielen.

Der Planwagen war so hoch, dass Danielle die Taschen nicht einfach hinaufwerfen konnte. Sie musste also jedes Mal mit einem Armvoll Gepäck in den Wagen hochklettern. Dabei bemerkte sie schon sehr bald, dass die Mädchen viel zu viel mitgenommen hatten. Ihre Taschen platzten beinahe vor unnötigen Kosmetik- und Toilettenartikeln, batteriebetriebenen Lockenwicklern, CD-Playern, verbotenen Süßigkeiten und Jugendzeitschriften. Nachdem sie schließlich den letzten Schlafsack verstaut hatte, war Danielle total erschöpft und riss sich das Häubchen vom Kopf.

Auf der anderen Seite des Treffpunkts rutschte Cody Walker nervös auf seinem Sattel hin und her und fiel vor Staunen beinahe vom Pferd. Er glaubte, seinen Augen nicht zu trauen. Kein Irrtum, da drüben stand ein verrücktes Punkmädchen und beförderte gerade eine Louis Vuitton-Einkaufstasche in den hinteren Teil eines Planwagens, der bereits eher einer vollgestopften Wurst ähnelte als einem brauchbaren Transportmittel. Ein zweiter Blick bestätigte Codys schlimmste Ahnungen.

„Himmel, wieso gerade ich?“ Ein Seufzer stieg zum wolkenlosen blauen Himmel von Wyoming. Nicht genug, dass seine Tochter Mollie ihn beschwatzt hatte, den Wächter für mehr als siebzig kichernde kleine Mädchen zu spielen, jetzt hatte er offenbar noch eine unreife Mutter am Hals, die mit ihrer Tochter zu konkurrieren versuchte, statt ihr ein ordentliches Vorbild zu sein.

Und dann dieses rote Haar! Die Frau glich eher einem Rock-’n’-Roll-Fan, die sich im Mittel vergriffen hatte, um ihre Jugend zu erhalten, als einer angemessene Hilfe für diese angesehene Organisation, wie es die Prärie-Pfadfinder waren.

Cody kannte diesen Typ. Solche auf Aufmerksamkeit erpichte Frauen hatten ihn in letzter Zeit geradezu verfolgt. Und er hatte jedes Mal die Flucht ergriffen wie ein Hase vor der Flinte. Auch jetzt warnten ihn seine Junggeselleninstinkte heftig und rieten ihm, sich so weit wie möglich gerade von dieser Mutter fernzuhalten. Eine Frau mit solchen Haaren konnte nur Probleme machen.

Nachdenklich fuhr sich Cody mit der Hand über den sauber rasierten Nacken. Er hoffte, mit dem Verzicht auf die lange Haarmähne und den Schnauzer sein Äußeres ausreichend verändert zu haben, um seine wahre Identität während der Dauer dieser Tour zu verbergen. Er hatte Mollie versprochen, diese Fahrt sollte etwas Besonderes sein, eine gemeinsame Zeit, fern von den Medien und Fotografen, die ihnen beiden so auf die Nerven gingen.

Nicht weniger wichtig war auch das Versprechen, das er sich selbst gegeben hatte. Er ärgerte sich über die Vorwürfe seiner Mutter, er habe sich auf dem Weg zu Reichtum und Ruhm für die falschen Werte entschieden und übersehen, was wichtig sei im Leben. Nun war er entschlossen, dieser selbstherrlichen alten Lady zu beweisen, dass sie im Unrecht war.

Dennoch, tief in seinem Innern wusste er, es war Zeit, seinem Leben einen neuen Sinn zu geben, zu seinen Wurzeln zurückzukehren. Er musste zugeben, er hatte sein gegenwärtiges Leben satt, war es leid, ständig über Monate hinweg unterwegs zu sein, der Presse ein lächelndes Gesicht zu zeigen und seinen Agenten mit dessen ausgeprägtem Talent, sich in Szene zu setzen, zu erdulden.

Es entsprach zwar nicht ganz seiner Vorstellung von Ferien und Entspannung, „Wagen Master“ für dieses verrückte Unternehmen zu sein, aber wenn Mollie sich einmal etwas in den Kopf setzte, konnte selbst der Teufel nichts dagegen ausrichten. Sie war genauso eigensinnig, wie ihre Mutter es gewesen war – und ebenso hübsch.

Der Gedanke an seine verstorbene Frau Rachael ließ sogleich wieder den Schmerz aufleben, der bereits zu einem Teil von ihm geworden war. Cody verdrängte die Schuldgefühle, die ihn jedes Mal überwältigten, sobald er sich ihr zauberhaftes Bildnis vor Augen rief. Angesichts des asketischen Lebens, das er seit Rachaels Tod führte, erschien es ihm wie ein grausamer Scherz, dass sich die seinem Herzen so nahegehenden Erinnerungen langsam abschwächten. Aber dieses rothaarige Terrorweib hier strahlte die gehörige Dosis von „sieh her, hier bin ich“ aus, die er benötigte, um sich an den ungeheuren Verlust zu erinnern, als ihn sein süßer, geliebter Engel verließ.

Seine Pflicht war, alle Planwagen zu überprüfen, bevor sich der Treck in Bewegung setzte. Also beschloss er, es rasch hinter sich zu bringen und sich sofort mit dieser ganz besonderen „Primadonna“ auseinanderzusetzen. Wahrscheinlich hatte sie gar nicht kapiert, dass nur der Pferdelenker während der Reise befugt war, auf dem Kutschbock zu sitzen.

Vor dem Komfort der Menschen stand – wie zu Zeiten der Pioniere – die Sorge im Vordergrund, die Pferde nicht unnötig zu belasten. Und Cody hatte die Absicht, diesen Wagenzug von Anfang an perfekt zu leiten. Teufel auch, mit etwas Glück würde sich diese rothaarige Mommy über seine Forderung, den Wagen noch einmal neu zu bepacken, so ärgern, dass sie ihre Mädchen einsammelte und Cody ein für alle Mal von der Last befreite, ihre Gruppe zu bewachen. Bei diesem Gedanken besserte sich seine Laune erheblich.

Mittlerweile war Danielle mit ihren Kräften am Ende. Sie legte ein Kissen auf den harten Sitz, der als Kutschbock diente, und wollte sich gerade zu einer wohlverdienten Pause darauf niederlassen, als eine tiefe Stimme zu ihr herauftönte.

„Machen Sie es sich nicht zu gemütlich, Rotschopf. Es sei denn, Sie haben die Absicht, den Wagen selbst zu lenken.“

Danielle fuhr herum und blickte in ein Paar Augen, die die Farbe des unendlichen Himmels von Wyoming widerspiegelten. Auf einem faszinierenden, schwarz-weißen Appaloosa saß ein langbeiniger Cowboy und musterte sie mit unverhohlenem Spott. So in seinem Sattel schätzte Danielle seine Größe auf mindestens ein Meter achtzig.

Auffallend was sein ansteckendes Lächeln. Er trug ein kariertes Hemd im Westernstil mit Perlmuttknöpfen und verwaschene Jeans, die seine schmalen Hüften sündhaft knapp umschlossen. In den Steigbügeln steckten ein Paar völlig abgewetzte und abgetragene Stiefel, die schon beinahe abstoßend wirkten. Obgleich sein Haar beinahe ganz von einem Strohhut bedeckt war, konnte Danielle silberne Streifen an den Schläfen in den sonst dunklen, melassefarbenen Haaren erkennen. Ein Blick genügte, um zu wissen, dass dieser Mann nicht nur bei einem Treffen der Prärie-Pfadfinder den Cowboy spielte. In dem gebräunten Gesicht hatten Sonne, Wind und das Leben selbst tiefe Spuren hinterlassen. Hier hatte sie es mit einem hundertprozentigen Cowboy zu tun, der ihr den Sitz unter dem Hintern streitig machen wollte.

„Ich bin eine der Ferienmütter“, stellte Danielle sich kurz angebunden vor.

Eigentlich eher eine Ersatzferienmutter, verbesserte sie sich insgeheim, als sie an Hildy Fustis gebrochenes Bein und deren Bitte dachte, für sie in letzter Minute einzuspringen, damit die Reise nicht ganz abgesagt werden musste. Hildy hatte versichert, Danielle habe nichts weiter zu tun, als einigermaßen komfortabel zu reisen und die Kinder zu beaufsichtigen.

Da das Lächeln des Mannes nach Danielles Erklärung nicht schwand, beeilte Danielle sich hinzuzufügen: „Als ich meine Hilfe schriftlich anbot, wurde mir zugesichert, dass ich fahren dürfe.“

Aber ihre Worte trugen nur dazu bei, dass sich zwei Grübchen in den Mundwinkeln bildeten. „Dann beabsichtigen Sie also, dieses Gespann zu lenken?“

Danielle schüttelte nachdrücklich den Kopf. Ein Pferdegespann zu lenken wäre für sie genauso unmöglich, wie Santa Claus’ Schlitten über den weiten Himmel zu führen. Allein der Gedanke verstärkte das Flattern ihrer Nerven, die von den erotischen Schwingungen, die von diesem mysteriösen Cowboy ausgingen, bereits angegriffen waren.

„In Ordnung, dann schlage ich vor, Sie kommen von da oben wieder runter“, sagte er freundlich, aber bestimmt.

Warum dieser Mann so beschränkt tat, ging über Danielles Verstand. Eigensinnig schob sie das Kinn vor. Nach dem anstrengenden Vormittag war sie nicht bereit, ihren Sitzplatz ohne Widerstand aufzugeben.

„Auf dem Kutschbock ist aber genügend Platz für zwei. Ich sehe keinen Grund, warum ich ihn nicht mit dem Fahrer teilen sollte.“

Mit zwei Fingern berührte der Mann den Rand seines Hutes und lächelte Danielle schief an. „In meinem Wagenzug ziehen die Pferde nicht mehr als absolut erforderlich. Außer im Falle einer Behinderung müssen Sie mit dem Rest Ihrer Gruppe zu Fuß gehen. Das heißt, falls Sie es sich vor dem Start nicht doch lieber noch einmal überlegen und auf die Reise verzichten.“

Was hatte er gemeint, als er von seinem Wagenzug sprach?

Danielles Lächeln schwand. Ich bin sicher, Sie täuschen sich. Wie ich schon zuvor erwähnte, hat man mir zugesichert, dass ich fahren dürfe.

„Dann hat man Sie, fürchte ich, falsch informiert.“

Nicht weniger überrascht als zuvor beim Anblick ihrer grellen Haarfarbe, verschlug es Cody jetzt völlig den Atem, als er das feurige Glitzern in Danielles Augen sah. Das Haar, das dieses herzförmige Gesicht umschmiegte, wirkte auf einmal gar nicht mehr übertrieben lächerlich, wenn er in diese zauberhaften Augen blickte. Die Frau war hübscher, als er gemeint hatte. Sie schien auch nicht viel jünger zu sein als er mit seinen vierunddreißig Jahren. Ihre schlanke Figur gab ihrem altmodischen Kleid sogar noch einen gewissen Reiz.

Danielle wurde es heiß unter den abschätzenden Blicken des Cowboys, und ihr Herz begann besorgniserregend zu hämmern.

Cody streckte Danielle die Hand entgegen. „Kommen Sie nun freiwillig herunter, oder muss ich da hinaufklettern und Sie selbst herunterholen, Ma’am?“

Als Danielle merkte, dass er das Lachen kaum zurückhalten konnte, packte sie wilder Zorn. Oh, sie hätte nicht übel Lust, ihn von seinem hohen Ross herunterzuholen.

Ihre feindseligen Blicke hielten sich. Trotzig schob Danielle das Kinn vor und umklammerte ihren Sitz.

„Das würden Sie nicht wagen“, gab sie mit würdevoller Wie-können-Sie-es-nur-wagen-Stimme zurück. „Und hören Sie auf, mich mit ‚Ma’am‘ anzureden. Das gibt mir das Gefühl, Ihre Mutter zu sein.“

„Nun denn“, meinte Cody, wobei er die Silben in die Länge zog. Mit einer Hand hielt er sich am Wagen fest und schwang sich geschmeidig aus dem Sattel auf den Sitz neben Danielle. „Sie sehen ihr allerdings absolut nicht ähnlich.“

Ein heißer Schauer überlief Danielle, und ihr war plötzlich ganz schwindelig. Sie ahnte, dass das weniger mit der brennenden Sonne als mit dem kraftvollen Mann zu tun hatte, dessen Bein soeben gänzlich unbeabsichtigt das ihre berührte.

Mit flammend roten Wangen und funkelnden Augen fragte sie: „Was glauben Sie eigentlich, wer Sie sind, wenn Sie mich auf diese Weise herumkommandieren?“

Cody beugte sich so nahe zu ihr herüber, dass sie seinen warmen Atem auf ihrem Gesicht spürte. Der aufreizende Geruch nach Salbei, Pferdeschweiß und purer Männlichkeit verwirrte sie. Sie war völlig unvorbereitet auf die plötzlich erwachenden Lustgefühle. Dieser Mann war viel zu sexy und auf eine beunruhigende Weise ihr viel zu nahe …

Mit einem Schwenken des Cowboyhuts stellte Cody sich vor. „Ich bin Cody Walker, Ma’am. Ihr Wagen Master.“

Wagen Master!

„Sie scherzen.“ Danielle lachte schallend auf. Diese Information überraschte sie vollkommen, sodass sie vergaß, ihm ihren Namen zu sagen. Argwohn blitzte in ihren Augen auf. Dieser Typ passte nicht in die Vorstellung von einem Mann, der die Aufgabe hatte, einen Planwagentreck zu leiten. Sie hatte jemanden erwartet, der älter und bestimmt nicht so offensichtlich männlich war. Einen eher großväterlichen Typ. Ihrer Meinung nach war dieser raue, typisch amerikanische Schönling viel zu eingebildet, um ihm eine Wagenladung voller Teenager anzuvertrauen.

Danielle musterte ihn bewusst herablassend. „Ist Ihnen klar, Mr. Walker …“ Ihr eisiger Ton machte deutlich, dass sie ihn für ein lebendes Relikt der Vergangenheit hielt. „… dass der Ausdruck Master schon lange vor der Jahrhundertwende aus unserem Sprachschatz verschwunden ist?“

„Das mag ja sein. Aber bedenken Sie, Rotschopf: Während der nächsten beiden Wochen leben wir im 18. Jahrhundert. Ob es Ihnen nun gefällt oder nicht, ich bin Ihr Wagen Master. Aber genug mit dem Unsinn. Ich habe noch anderes zu tun. Kommen Sie nun friedlich von Ihrem hohen Turm herunter, oder bin ich gezwungen, einen unerfreulichen Streit anzufangen?“

Die Sanftheit seiner Stimme täuschte. Sie drückte auch Entschlossenheit aus. Dies war ein Mann, dessen Befehle nicht missachtet werden durften.

Danielle biss sich auf die Unterlippe. Mit ihrer angeborenen Höflichkeit war sie Konfrontationen meist ausgewichen. Aber seit ihrer Scheidung hatte sie gelernt, sich besser zu behaupten. Allein die Erinnerung an Scotts jahrelange Demütigungen ließ sie vor Scham erröten.

Außerdem war sie todmüde. Der Gedanke, unter den glühenden Strahlen der Sommersonne in solch ungewohnter Bekleidung zu Fuß gehen zu müssen, weckte ihren Trotz. Sie umklammerte ihren Sitz mit aller Kraft und betonte: „Ein Mitfahrer mehr oder weniger macht gewiss keinen Unterschied.“

Cody war versucht, diesen Trotzkopf so weiterreden zu lassen und ihm dann den hübschen Hintern zu versohlen. Aber dann zog er es vor, von weiteren Diskussionen Abstand zu nehmen.

„Wenn Sie es so haben wollen“, sagte er und sah ihr in die Augen, als suche er in ihrer Tiefe einen kostbaren Schatz. Zart strich er ihr eine Locke aus der Stirn.

Völlig entnervt von dem Flattern in ihrem Bauch, löste Danielle ihre Hände vom Sitz und wollte nach Codys Hand schlagen. Aber Cody nutzte die Gelegenheit, legte ihr einen Arm um die Taille und warf sie sich wie einen Sack Mehl über die Schulter.

Die Berührung mit seinem Körper brannte wie Feuer. Als Danielle bewusst wurde, dass ihre Brüste gegen seinen muskulösen Rücken gepresst wurden, bearbeitete sie ihn mit ihren Fäusten.

Cody ließ sich davon nicht beirren und sprang mit ihr vom Wagen. Unsanft stellte er sie auf den Boden. Obgleich sie ihm nur knapp bis ans Kinn reichte, wirkte sie geradezu bedrohlich, als sie jetzt die Arme in die Hüften stemmte und Cody wütend anstarrte.

Cody trat einen Schritt zurück und verkündete munter: „Nachdem der Wagen vorn in Ordnung ist, schauen wir uns doch mal den hinteren Teil an.“

„Nach der Reise werde ich mich schriftlich bei Ihrem Vorgesetzten beschweren“, drohte Danielle.

„Tun Sie das“, sagte Cody ruhig und ging zum hinteren Teil des Wagens.

Einen Moment später explodierte eine Reihe Verwünschungen unter der schweren Plane. „Wohin, zum Teufel, glauben Sie eigentlich zu fahren, Lady? Ins Hilton?“

Danielle tat ihr Bestes, den ungläubigen Blick zu ignorieren, den ihr Wagen Master ihr zuwarf.

„Wer diesen Wagen bepackt hat, muss dümmer sein, als erlaubt ist.“

Danielle versteifte sich, als sie die wenig schmeichelhafte Bemerkung hörte. Hilflos sah sie zu, wie Cody das Gepäck aus dem hinteren Teil des Wagens wieder auf den Boden beförderte. Er deutete verächtlich auf die Hilfsgüter der modernen Zivilisation, die aus den Gepäckstücken hervorquollen. „Glauben Sie wirklich, es gibt Steckdosen auf dem Oregon-Treck?“ Glauben Sie, es schert die Kojoten, ob Sie Make-up tragen oder nicht? Wenn ja, schlage ich vor, Sie trommeln sofort die Beverly Hills-Gruppe zusammen und ersparen uns allen zwei lange, mühselige Wochen. Diese Reise ist nicht ungefährlich, und ich kann nicht das Kindermädchen für eine Wagenladung verwöhnter Gören spielen, die nicht in die freie Natur gehören.

Danielle starrte ihn so wütend an, als stünde der Teufel selber vor ihr. „Das letzte Mal, als ich mir Denver auf der Landkarte anschaute, lag es ein gutes Stück von Beverly Hills in Kalifornien entfernt. Und zu Ihrer Information: Ich würde Ihre Hilfe nicht annehmen, und wenn Sie eine rosa Schleife um Ihren blöden Cowboyhut trügen.“

Es störte Danielle wenig, dass sie vor zehn Minuten genau die gleichen Gedanken wie er beim Anblick des Gepäcks hatte. Aber in diesem Moment wollte sie ihrem Wagen Master nur noch dieses verdammte Grinsen austreiben.

Plötzlich merkte sie, dass Cody Walker sie in eine Falle gelockt hatte. Offensichtlich hoffte er, sie so zu erzürnen, dass sie ihre Gruppe wieder ins Auto packte und nach Hause fuhr. Okay, dieser abscheuliche Cowboy musste sich schon etwas anderes überlegen. Die Gruppe 83 wurde er nicht los, nur weil er die Last verringerte, die das Pferd zu ziehen hatte.

Da die meisten Mädchen aus begüterten Familien stammten, besaßen sie alles, was sich mit Geld kaufen ließ, aber wenig von den lebenswichtigen Gütern, die das Selbstwertgefühl eines Menschen fördern … die Zeit und die Beachtung ihrer Eltern.

Gelangweilt von Einkaufszentren und zu viel Freizeit, hatten sich die Mädchen seit Langem auf diese Exkursion gefreut. Sie bot ihnen die Chance, für eine Weile nur Kinder zu sein. Die Vorstellung, wie enttäuscht sie sein würden, festigte Danielles Entschluss, das zu beenden, was sie begonnen hatte.

„Fassen Sie das nicht an! Es gehört mir“, schrie sie Cody an, als sie ihren Koffer in seinen Händen sah.

Mit einem heftigen Ruck riss sie ihm das alte Stück aus der Hand. Dabei sprang der Verschluss auf, und eine Flut von Kleidungsstücken ergoss sich in alle Richtungen.

„Verdammt“, schrie Danielle verzweifelt, als Cody aus dem Wageninneren hinzusprang, um ihr zu helfen.

„Lassen Sie mich in Ruhe“, schalt sie und überlegte, was noch alles schiefgehen könnte.

Die Antwort auf diese Frage lag oben auf einem Kleiderstapel. Ein Paar schlichte baumwollene Unterhosen.

Cody richtete sich abrupt auf, als liege eine Schlange auf Danielles Sachen. Er riss die Augen auf und fragte sich, ob es wahr sein konnte, dass jemand mit Danielles Haarfarbe etwas dermaßen Keusches unter seiner Kleidung trug.

Als Danielle diesen raubeinigen Cowboy wie ein Schuljunge erröten sah, war ihr klar, dass er sich nicht über sie lustig machte. Aber mit seiner Verlegenheit wuchs auch ihre, und sie ärgerte sich über die Reaktion dieses Cowboys. Wütend sagte sie sich, dass sie viel zu praktisch veranlagt sei, die Wochen in sexy Höschen auf dem Oregon-Treck herumzulaufen.

Dann schnappte sie sich ihre Wäsche. „Wenn ich mich erst bei Ihren Vorgesetzten beschwert habe, können Sie froh sein, wenn Sie noch ‚Master‘ von irgendwelchen roten Handwagen in einer Kinderparade sein dürfen.“

Cody, der ihr nur helfen wollte, fand diese Drohung völlig unangemessen.

Er ärgerte sich, weil er meinte, sich verteidigen zu müssen, und umfasste Danielles Gesicht mit beiden Händen. Augen, deren Farbe sich im Zorn in metallisches Blau verwandelte, schossen herausfordernde Blitze, als er seinen Mund bis auf wenige Zentimeter dem ihren näherte.

Er wollte Danielle nur provozieren, hoffte jedoch, ihr mit dieser Herausforderung Angst zu machen und sie dazu zu bringen, mit ihrer überspannten Gruppe in die relative Sicherheit ihrer Großstadt zurückzueilen.

Seltsamerweise fühlte sich Cody jedoch von einer unverständlichen Sehnsucht getrieben, diese vollen schmollenden Lippen zu küssen.

Wenn er überlegte, dass diese Frau absolut nicht sein Typ war, musste ihn die Intensität seiner Zuneigung für diese Fremde total überraschen. So stark hatte er sich seit Rachaels Tod zu keiner anderen Frau hingezogen gefühlt, und er stellte besorgt fest, dass er plötzlich nicht mehr immun gegen das sexuelle Verlangen war.

Danielle blickte ihm entschlossen in die Augen. „Versuchen Sie’s nur“, forderte sie Cody drohend heraus, ohne an die Konsequenzen zu denken.

„Ihr Wunsch ist mir Befehl, Rotschopf.“

Schon hatte Cody eine Hand auf Danielles Hinterkopf gelegt. Ehe sie Zeit hatte zu protestieren, drückte er ihr einen heißen Kuss auf den Mund.

Sein Kuss war fest und fordernd. Danielles Knie wurden weich, während sie sich gegen seine Brust fallen ließ. Ihr Herz klopfte so laut, dass sie meinte, man könnte das wilde Stakkato meilenweit hören. Dabei erfasste sie ein Gefühl, als stecke sie mitten in einem Strudel, der sie unkontrolliert im Kreis wirbelte. Wie von alleine legten sich ihre Arme um Codys Nacken, und sie erwiderte Kuss für Kuss.

Wie lange war es her, seit sie jemanden so leidenschaftlich und voller Begehren geküsst hatte? Nur vage war sie sich des erschrockenen Blickes in Codys himmelblauen Augen bewusst, die ihre eigene heftige Reaktion so klar widerspiegelten. Aber schließlich schloss sie die schweren Lider und gab sich ganz dem berauschenden Kuss hin.

Cody war sich nicht sicher, was ihn an Danielle faszinierte. Das rote Haar der Frau schrie „Feuer“, aber ihre kühlen, wasserblauen Augen schrien „Eis“. Die Hitze, die sie ausstrahlte, schockte seinen Körper und weckte Gefühle in ihm, die er längst vergessen glaubte. Verlangen brannte in ihm. Das Gefühl, sich nach Liebe zu verzehren, war ihm neu, und er verglich sich in diesem Moment mit einem hungrigen Mann bei einem Bankett, der mehr wollte als einen kleinen Bissen …

Cody schob die Finger in die seidige Pracht ihrer Haare, während seine Zunge ihren Mund erforschte. Er schmeckte süß und verführerisch. Verführerisch genug, dass Cody davon zu träumen begann, dieses wilde, faszinierende Wesen in seinem Bett zu zähmen und sich damit zumindest zeitweilig von seiner Trauer zu befreien, die ihn noch immer gefangen hielt.

Schlagartig erwachte Danielle aus diesem Taumel, und sie fragte sich, wie sie diese Situation wohl ihrer Tochter erklären würde, falls diese plötzlich hier auftauchen sollte. Sie presste die Handflächen fest gegen Codys Brust und stieß ihn von sich.

Sie ermahnte sich, tief durchzuatmen. Sicher lag es an der Höhenluft hier draußen, wenn sie Probleme hatte, genügend Sauerstoff in ihre Lungen zu pumpen.

„Ihr Ego ist größer als Ihr fassgroßer Hut“, keuchte sie und wischte sich die feuchten Hände am Rock ab.

Sie war nicht sicher, ob das Zucken um seine Mundwinkel Ärger oder Belustigung ausdrückte, als er einen Schritt zurücktrat und die Position der Sonne am Himmel prüfte.

„Das kann schon sein“, erwiderte er schließlich und schwang sich in den Sattel. „Aber es wird Zeit, dass wir aufbrechen. Und falls Sie Ihre Haare nicht als Leuchtfeuer nutzen wollen, schlage ich vor, Sie rufen Ihre Gruppe zusammen und halten sich bereit.“

2. KAPITEL

Obgleich Danielle sich wiederholt vorhielt, sie gebe keinen Deut auf das, was Cody Walker von ihrem Äußeren hielt, band sie sich dennoch die Hutbänder unter dem Kinn fest.

Nie zuvor war ihr ein Mann begegnet, der sie mehr zur Raserei brachte, der beleidigender oder unverschämter war. Und wie überzeugt er von seiner sexuellen Ausstrahlung war! Wenn sie nur an den berauschenden Kuss dachte, den er ihr so unvermittelt gegeben hatte, begannen die Schmetterlinge in ihrem Bauch wie wild zu flattern. Mit dem Rest ihres Verstandes verurteilte sie das Zittern ihres Körpers, das sie nicht einmal mit all ihrer Willenskraft zu unterbinden vermochte. Was bildet Cody Walker sich eigentlich ein? dachte sie aufgebracht.

Ein rosa Hauch überzog ihr Gesicht, als sie sich vorstellte, wie Cody ihren Mangel an Selbstkontrolle genossen haben musste. Wahrscheinlich nahm er sich seit Jahren solche Unverschämtheiten heraus, wann immer ihm danach war. Irgendjemand musste diesem Don Juan aus dem Wilden Westen einmal erklären, dass er in Schwierigkeiten geraten würde, wenn er herumging und ahnungslose Frauen küsste.

Jedenfalls war Danielle entschlossen, ihre Reaktion auf Codys Kuss eher auf einen Sonnenstich zurückzuführen als auf gegenseitige Zuneigung. Sie war dankbar, über solchen pubertären Gefühlen zu stehen.

Außerdem waren da noch die anderen Ferienmütter. Offensichtlich konnten diese Ladys nicht böse auf einen Mann sein, der so galant den Cowboyhut schwenkte, ihnen so aufreizend lächelnd in die Augen schaute, dass sie meinten, er flirte mit ihnen. Die einzige Frau, die älter als dreizehn und immun gegen den Charme ihres Wagen Masters war, schien Danielle selbst zu sein.

Da sie vermutlich auch die Einzige war, die Cody sich wie eine Leibeigene über die Schulter geworfen hatte, konnte sie den anderen Frauen ihre Schwäche auch nicht verübeln. Sobald sie daran dachte, wie er ihre Taille umfasst hatte, erwachten heiße Gefühle in ihr und durchströmten ihren Körper in wunderbaren Wellen, sodass sie alles um sich vergaß.

Aber die kalte, harte Wirklichkeit war, dass Danielle mit einem ähnlichen Charmeur verheiratet gewesen war, der ständig darauf aus war, mit seinen weiblichen Kollegen mehr zu teilen als ein gewinnendes Lächeln.

Sie zog eine Grimasse. Was für ein Dummchen sie doch gewesen war! In ihrer Naivität hatte sie seine Geschichten über zu viel Arbeit akzeptiert. Aber wenn sie eines Abends nicht diese Idee gehabt hätte, Scott in seinem Büro mit einem Essen vom Chinesen zu erfreuen, hätte sie ihren Ehemann nie mit dem jungen eifrigen Lehrling in kompromittierender Position auf dem Schreibtisch erwischt. Und Scott würde sie noch immer zum Narren halten.

Nie wieder.

Bewusst stählte sie ihr Herz gegen den raubeinigen Cowboy, der ihren Wagenzug führen sollte, und rief sich in Erinnerung, dass im Moment kein Platz für einen Mann in ihrem Leben war.

Während sie in den ausgefahrenen Furchen des Oregon-Trecks in einem Paar hochgeschlossener Stiefel dahinstolperte, fand Danielle genügend Zeit, darüber nachzudenken, was sie überhaupt hierher gebracht hatte. Was zuvor wirklich Sinn gemacht hatte, erschien ihr jetzt unter der Mittagssonne völlig abwegig.

Im Gegensatz zu anderen Müttern, die hoch bezahlten Jobs nachgingen und soziale Aufgaben verrichteten, gab es für sie keine anderen Verpflichtungen als langweilige Aushilfsarbeiten. Und als Lynn eines Nachmittags von ihrem Pfadfindertreffen nach Hause kam und Hildy Fustis Bitte vorbrachte, die Gruppe auf dem Oregon-Treck zu beaufsichtigen, hatte sich Danielle dem nicht ganz so sanften Druck ihrer Tochter gebeugt. Statt den Sommer in einem kleinen Apartment ohne Klimaanlage mit einem launischen Teenager zu verbringen, war dies eine angenehmere Aussicht.

Lynn hatte sich bereits angewöhnt, zu vergleichen und im Kreise ihrer gleichaltrigen Freundinnen abfällig von ihren „beschränkten“ Verhältnissen zu sprechen. Scott hatte nie viel Zeit für Lynn gehabt, sodass sie ihn kaum vermisste. Sie vermisste nur das Geld ihres Daddys. Sie konnte einfach nicht verstehen, warum der Stolz ihrer Mutter es verbot, mehr als die niedrigste Unterstützung für ihr Kind von einem Mann anzunehmen, der es sich leisten konnte. Danielle hatte nicht das Herz, Lynn zu sagen, dass Scott sich für viel Geld den besten Anwalt engagiert habe, um keinen Pfennig zu viel zu bezahlen.

Danielle hoffte, auf dieser Reise in die Wind River Mountains von Wyoming die einstmals offene und liebevolle Beziehung zu ihrer Tochter wiederherzustellen und ihr einiges über die Werte beibringen zu können, die man sich mit Geld nicht kaufen konnte.

Was ihre Zukunft betraf, so wollte Danielle erst einmal ihre eigenen Fähigkeiten einschätzen. Der fehlende Collegeabschluss bedeutete einen größeren Stolperstein auf ihrem Weg zu einem guten Job. Vor Jahren, als sie das erste Mal den Wunsch vorgebracht hatte, einen besseren Abschluss zu erreichen, hatte Scott ihre Hoffnungen sogleich zerstört und versichert, er sei ja da und werde immer für sie sorgen. Sie solle nur fest an seine erfolgreiche Karriere glauben.

Danielle überlegte, welche Möglichkeiten ihr für einen Job blieben. Aber ihr fiel nichts anderes als ihre Kochkunst ein, die sie bis jetzt als Hobby gepflegt hatte. Dieses Talent ließe sich bestimmt zu etwas finanziell Bedeutsamerem ausweiten. Sie hatte schon daran gedacht, einen eigenen Partyservice zu gründen. Aber für ein eigenes Geschäft benötigte man Geld.

„Guck doch nur, wie gut ihm seine engen Jeans stehen.“ Seufzend unterbrach Lynn Danielles Gedanken.

Ray Anne Pettijohn, die an ihrer Seite einen Handkarren zog, gab Lynn recht. Dann kicherten beide Mädchen noch eine Weile darüber, wie faszinierend Cody Walkers Hintern in seinen Sattel passte. Teenager! Danielle seufzte.

„Ihr solltet einen Mann nach seinem Herzen beurteilen und weniger nach dem Schnitt seiner Jeans“, rief Danielle sie zur Ordnung.

Lynn rollte die Augen. „Du beurteilst sie auf deine Weise, Mom, und ich beurteile sie auf meine.“

Danielle biss sich auf die Lippen. Die Vernarrtheit ihrer Tochter in den überheblichen Mr. Walker beunruhigte sie nicht wenig, aber das Drücken ihrer neuen Stiefel machte ihr noch mehr Sorge. Ihr einziger Trost während der letzten Stunden war die Tatsache, dass ihnen als Fahrer ihres Planwagens niemand anderes als Mollie zugeteilt worden war. Die Kleine mit den lustigen Augen, die sie so herzlich willkommen geheißen hatte.

Als sie sich langsam dem Sweetwater River näherten, warf der Split Rock Berg bereits seinen langen Schatten über die Sagebrush Ebene. Schon nach diesem Marsch von wenigen Stunden durch den Staub begann Danielle zu begreifen, wieso dieses berühmte Gebiet das Land der Hoffnung war. Wie müde mussten die Pioniere vom Laufen gewesen sein, wie verzweifelt, einen Schluck Wasser zu ergattern, ihre Trinkflaschen zu füllen und den Staub abzuwaschen. Auch Danielle war froh, als Cody Walker den Wagenzug zum Mittagessen anhielt.

Wenig später kam er mit zwei großen Kartons zu ihrer Gruppe. „Wie läuft es denn so?“

Beim Klang seiner tiefen Stimme flatterten sogleich wieder die Schmetterlinge in Danielles Bauch. Glücklicherweise erübrigte sich ihre Antwort. Ein Dutzend jugendlicher Stimmen antwortete begeistert. Die Tatsache, dass Cody dafür gesorgt hatte, dass ihre Besitztümer sich auf ein normales Maß beschränkten, hatte der Vernarrtheit in ihren Wagen Master nichts anhaben können.

Zwei teuflische Grübchen bildeten sich in seinen Mundwinkeln. „Und wie geht es Ihnen, Rotschopf?“

„Auch gut“, log Danielle trotz ihrer Blasen an den Füßen. „Übrigens, ich heiße Danielle. Es wäre nett, wenn Sie mich so ansprechen würden.“

„Hübscher Name. Aber …“, fügte er mit einem gewinnenden Lächeln hinzu, „Rotschopf passt besser zu Ihnen – vom Temperament her.“

„Verziehen Sie sich“, stieß Danielle hervor und ballte die Hände zu Fäusten.

„Vorsicht, ich bringe Ihnen ein Geschenk.“

„Lassen Sie mich raten. Dynamit … um uns damit nach Beverly Hills zu schießen.“

Cody ignorierte Danielles Sarkasmus und stellte seine Last auf den Boden. Die Kartons enthielten Tüten mit Mehl, Zucker und Salz, getrocknetes Fleisch, Milchpulver, Melasse, Obst, Kartoffeln und einen duftenden Klumpen Sauerteig. Dazu eine riesige Menge Bohnen.

Verblüfft schaute Danielle auf den Inhalt und dann in diese unendlich blauen Augen.

„Hatten Sie gedacht, wir würden uns das Essen aus dem Restaurant holen?“, fragte er belustigt.

Sein verdammtes Grinsen brachte Danielle zur Weißglut. „Kaum.“ Aber bei dem Hinweis auf Essen aus dem Restaurant knurrte ihr der Magen.

Da sie zu erschöpft war, etwas Herzhaftes vorzubereiten, teilte sie Obst und in Streifen geschnittenes Fleisch an die Mädchen aus und versprach ihnen ein sättigenderes Gericht für den Abend.

Prompt verglich Cody Danielles lässige Haltung mit der rührenden Besorgnis seiner verstorbenen Frau, die jeden Tag drei nahrhafte Mahlzeiten für ihre Familie zubereitet hatte. Hier stand offensichtlich wieder eine der modernen Frauen vor ihm, die ihre eigenen Wünsche vor die ihrer Kinder stellten. Er wunderte sich, warum er sich zu ihr hingezogen fühlte, die so gar nicht seinen idealen Vorstellungen entsprach.

Als er sich gerade in den Sattel schwingen wollte, hielt ihn eine kleine Hand am Knie zurück. „Entschuldigen Sie, Sir“, sagte Sheila Pooly, das wohl zimperlichste Mädchen der Gruppe, und schaute zu Cody hinauf, als wäre er der liebe Gott in Person.

Sheila stellte ihre Frage so umständlich wie möglich. „Wo kann ich … äh … aufs Töpfchen …?“

Wie Donner erschallte das Lachen ihres Wagen Masters über die Prärie.

Mollie, die Sheilas Worte mitgehört hatte, brach auch in Lachen aus, und bald lachte jeder in Hörweite über das kleine Mädchen aus der Großstadt.

„Da drüben.“ Die Örtlichkeit, auf die Cody zeigte, war leicht von allen Seiten einzusehen. Als Sheila tief errötete, schossen Danielles Augen Blitze.

Beim Anblick von Sheilas verwundetem Blick fühlte sich Cody plötzlich schuldig. Vielleicht hatte er sich der Gruppe aus der Großstadt gegenüber doch im Ton vergriffen. Ihm fiel ein, wie unreif er in seiner Jugend gewesen war. Wie oft hatte er sich lächerlich gemacht und unfreiwillig den Bauerntölpel gespielt, als er allein in der großen Stadt wohnte und versuchte, mit seinen ersten, bescheidenen Songs anzukommen? Damals hatte er sich vorgenommen, niemals zu den eingebildeten Karrieretypen zu gehören, die über jede Freundlichkeit und Höflichkeit sich erhaben zeigten.

Rasch bemühte er sich, Sheilas Demütigung wiedergutzumachen.

Er lächelte das Mädchen freundlich an und sagte augenzwinkernd: „Ich sag dir was. Hinter dem nächsten Hügel befindet sich ein alter Rastplatz mit Toiletten. Wenn du willst, kannst du hinten auf den alten Champ aufspringen, und ich bringe dich hin.“

Mit diesem Augenzwinkern hatte er Sheila gewonnen. Sie nickte dankbar. Voller Freude winkte das Mädchen ihren Freundinnen zu, als sie hinter Cody über den Hügel galoppierte.

Danielle ließ sich jedoch von Codys Verhalten nicht beeindrucken. Sie fand, ihr Wagen Master sei grob und unsensibel. Mag sein, dass Sheila sich ein wenig naiv ausgedrückt hatte, dennoch konnte Danielle nicht verstehen, wie ein erwachsener Mann ein kleines Mädchen zum Opfer seiner Scherze machen konnte. Und es störte sie, dass er auch seine Vorurteile gegen Stadtmenschen nicht zu verbergen vermochte. Ihr war aufgefallen, dass einige der Pfadfinder bereits offen von der Beverly Hills-Gruppe sprachen.

Wie welkende Blumen begannen die Mädchen unter der heißen Sonne die Köpfe hängen zu lassen. Was ihnen zu Beginn romantisch und abenteuerlich erschienen war, bewies sich nun als harte Arbeit. Ihr mageres Mittagessen war längst verdaut, und ihre kleinlichen Streitereien zeigten, dass sie müde wurden.

„Reißt euch zusammen“, befahl Danielle. Sie war entschlossen, solche Unstimmigkeiten im Keim zu ersticken. „Die Zeit vergeht beim Streiten nicht schneller. Wir haben noch einen weiten Weg vor uns. In zwei Wochen können wir beweisen, dass wir Frau genug sind, mit allen Herausforderungen dieses Trecks fertigzuwerden.“

Danielle hasste es, so hart zu sein, aber dies war schließlich auch für sie kein Picknick. Schon lange hatte sie ihren Körper nicht mehr so hart beansprucht. Bis zum Erreichen des Tagesziels würden sie fast vierzehn Kilometer gelaufen sein, und Danielle war überzeugt, die Blasen an ihren Füßen würden sich mit denen der Mädchen messen lassen.

Danielle straffte die Schultern und machte sich gegen Abend an die Arbeit. Wenn sie in der Lage war, ein appetitliches Dinner aus einfachsten Zutaten zuzubereiten, konnte sie es vielleicht wagen, sich nach ihrer Rückkehr in Denver beim Existenzgründungsbüro um eine Anleihe zu bemühen.

„Psssst!“

Danielle zuckte zusammen. Ihr Wagen Master hatte es ernst gemeint mit seinen Anweisungen. „Haltet Augen und Ohren offen, ob nicht irgendwo Gefahr droht“, hatte er allen Teilnehmern des Trecks geraten. „Man muss immer gewappnet sein.“

„Psssst!“

Danielle hoffte inständig, das Geräusch möge nicht von einer Klapperschlange stammen, und bewaffnete sich mit einer eisernen Bratpfanne.

„Hier bin ich“, rief eine junge Stimme hinter dem Wagen. Sie gehörte Mollie, und Danielle atmete erleichtert auf. „Ich habe etwas für Sie.“

Mollie hielt eine Süßigkeit in der Hand … eine Handvoll zuckersüßer, mit Erdnüssen belegter Kalorien.

Danielle lief das Wasser im Mund zusammen. Süßigkeiten waren Schmuggelware. Alles sollte so authentisch wie möglich sein, und da die Pioniere ohne künstliche Gewürze und Konservierungsmittel auskommen mussten, erwartete man von den Pfadfindern dasselbe.

Nach einem Blick über die Schultern nahm Danielle die Süßigkeit an. „Wir teilen“, bot sie ihrem kindlichen Verbündeten an.

„Nicht nötig.“ Mollie lächelte verschmitzt. „Ich habe einen geheimen Schatz. Ich kann Sie während der ganzen Reise damit versorgen.“

„Auf dem schwarzen Markt könntest du damit ein Vermögen machen, nicht wahr?“, nuschelte Danielle, während sie auf dem himmlisch schmeckenden, klebrigen Zeug kaute. „Lass das lieber nicht unseren glorreichen Wagen Master sehen.“

Mollie wollte sich ausschütten vor Lachen. „Daddy hat Ihnen ordentlich Angst eingejagt, nicht?“

„D… daddy?“, stotterte Danielle.

Unmöglich. Dieser süße kleine Wildfang konnte kaum des Teufels Balg sein.

„Keine Sorge. Der lässt sich um den Finger wickeln. Harte Schale, weicher Kern.“

Erst nach genauerem Hinschauen erkannte Danielle, dass das Kind sie aus seinen Augen anschaute.

Faszinierend! Seinen fröhlichen Charakter hatte das Kind bestimmt von seiner Mutter geerbt, vermutete Danielle. Sie wurde nachdenklich. Wo war die Ärmste überhaupt? Wenn die Frau nur ein bisschen Verstand besaß, sollte sie das Flirten ihres Mannes ernst nehmen. Hätte Danielle gewusst, dass Cody Walker verheiratet war, würde sie ihm niemals erlaubt haben, sie zu küssen …

„Deine arme Mutter.“

„Wie bitte?“ Mollie krauste die Stirn.

Danielle beeilte sich, ihre Bemerkung zu erklären. „Ich überlegte gerade, welche der Ferienmütter deine Mutter sein könnte.“

„Meine Mutter ist tot.“

Sofort bereute Danielle ihr fehlendes Taktgefühl. Ihre Augen wurden feucht bei dem Gedanken, dass das arme Kind ohne Mutterliebe aufwachsen musste. Damit sah sie Cody selbstverständlich in einem ganz anderen Licht. Noch vor Kurzem hätte sie gewettet, ihr Wagen Master wäre ein eingefleischter Junggeselle, dessen Sinn für Verantwortung nicht größer war als seine Libido. Als alleinerziehende Mutter wusste sie, wie schwer es war, ein Kind allein aufzuziehen, und sie nahm sich vor, in Zukunft freundlicher zu Cody zu sein. Und wenn es nur Mollie zuliebe war.

„Brauchen Sie Hilfe beim Kochen?“ Vor Eifer leuchteten Mollies Augen.

Danielle lächelte. Wie oft kritisierte sie Lynn, weil sie solch kleine Liebesbeweise verweigerte. Lynn pflegte dann stets mit eisigem Schweigen zu antworten, als handle es sich um längst überholte, unfaire Forderungen. Vielleicht konnte Mollie mit ihrem handfesten Charakter ihre Großstadttochter ja ein wenig beeinflussen …

Nach dem mageren Mittagessen und dem ermüdenden Marsch waren die Mädchen so hungrig, dass sie sogar gekochte Schuhsolen gegessen hätten. Danielles Eintopf aus Schweinefleisch und Bohnen wurde mit herzhaftem Appetit verspeist.

Danielle schnitt gerade ihren duftenden Apfelkuchen auf, als jemand schnuppernd wie ein verirrter junger Hund zu ihrem Lagerplatz kam. Cody Walker! Er hielt den Hut bescheiden in der Hand. Sein dunkles Haar glänzte feucht, und als Danielle einen Hauch seines männlichen Geruchs wahrnahm, klopfte ihr Herz bis zum Hals hinauf.

„Irgendetwas duftet hier köstlich“, freute er sich.

Eifrig stolperten die Mädchen übereinander, um ihrem Wagen Master Platz zu machen.

Danielle war von dieser Idee weniger begeistert.

„Schadet es nicht Ihrem Ruf, wenn man Sie beobachtet, wie Sie mit den feinen Pinkeln aus der Großstadt, der Beverly-Hills-Gruppe, zu Abend essen?“, fragte sie spitz.

„Ehrlich gesagt, ich habe die Absicht, alle Mahlzeiten mit meiner Tochter einzunehmen. Haben Sie ein Problem damit?“

Danielle hatte angenommen, ihr arroganter Wagen Master würde reihum bei den Ferienmüttern speisen, um sich bei jedem Mahl entsprechend bewundern zu lassen. Dass er die Mahlzeiten mit seiner Tochter einnehmen wollte, gefiel ihr.

„Du bringst mich richtig in Verlegenheit, Mom“, stieß Lynn leise hervor.

Mollie warf mit einem spitzbübischen Augenzwinkern ein: „Daddy könnte sich sein Essen damit verdienen, dass er uns etwas vorsingt, einverstanden?“

Danielle akzeptierte dankbar diese Lösung, womit die Machtprobe ein Ende hatte. Sie lächelte ihren ungeladenen Gast zögernd an. „Das scheint mir eine angemessene Bezahlung zu sein.“

Cody war wütend. Mollie wusste verdammt gut, dass er keine Lust hatte, ein Risiko einzugehen und erkannt zu werden. Schließlich hatte sie vorgeschlagen, während der Exkursion seinen ursprünglichen Namen zu benutzen statt des Bühnennamens Cameron. Wahrscheinlich meinte sie, das Risiko sei jetzt, nachdem sie unterwegs waren, nicht mehr so groß. Hauptsache, sie waren meilenweit von allen Journalisten entfernt, die es ihnen unmöglich machten, ein normales Leben zu führen. Vielleicht sollte er es nicht so ernst nehmen, wenn Mollie stolz auf ihn war und ein bisschen mit ihm angeben wollte. Aber es störte ihn doch ein wenig.

Ein Grund, warum er bereit war, diese Exkursion zu leiten, war seine große Erschöpfung. Er fühlte sich völlig ausgelaugt von dem unbarmherzigen Gebaren in seinem Geschäft. Sein Agent bewertete den Erfolg eines Künstlers nur nach dem letzten Stand seines Kontos.

Cody brauchte Zeit für sich. Das Musikgeschäft war aufreibend. Außerdem fand er es nett, zur Abwechslung auch mal wie jedermann behandelt zu werden. Im Gegensatz zu den Frauen, die sich um seine Gunst bemühten, wirkte Danielle, die seinem Charme temperamentvoll widerstand, richtig erfrischend. Es war lange her, seit eine Frau sein Blut in Wallung gebracht hatte wie dieser widerborstige Rotschopf.

Als er sie geküsst hatte, hatte er einen Moment das Verlangen in ihren Augen gesehen. Seine eigene impulsive Reaktion hatte ihn beinahe ebenso geschockt wie ihr eifriges Bemühen, sich gleich wieder von ihm zu lösen. Für ihn war es etwas völlig Neues und Faszinierendes, dass eine Frau seinem Kuss ein Ende bereitete. Hätte sie ebenso gehandelt, wenn sie wüsste, dass er berühmt war?

Ruhm hatte seine Vorteile. Aber auch seine Nachteile. Wenn Danielle ihn als den sähe, der er in Wahrheit war, würde sie einen anderen Ton anschlagen. Er war überzeugt, dass Rachaels angeborene Güte dazu geführt hatte, dass er sich nicht mehr in andere Frauen verlieben konnte.

Aufgrund seiner heftigen Reaktion auf Danielle fragte sich Cody, ob nicht doch mehr dahintersteckte, als er zugeben mochte. Die Trauer um Rachael hatte ihn vollkommen verzehrt. Erst über Jahre war der Schmerz erträglicher geworden, gab ihm jedoch weiterhin das Gefühl, leer und empfindungslos zu sein. Trotz quälender Einsamkeit verspürte er nicht den Wunsch, sich wieder zu verheiraten. Liebe tat zu weh, wenn „bis dass der Tod euch scheidet“ Realität wurde. Freiwillig würde er sich dem niemals wieder ausliefern.

Er versuchte, sich aus dem Handel, den seine Tochter vorgeschlagen hatte, herauszuwinden. „Ich möchte niemandem mit meinem Katzenjammer auf die Nerven gehen.“

Sogleich fürchteten die Mädchen, dass ihr attraktiver Wagen Master sie verlassen könnte, und flehten ihn einstimmig an zu bleiben.

Besorgnis ergriff Danielle, als sie sah, wie sich bei Cody Walkers Lächeln die Gesichter ihrer Mädchen aufhellten. Wie sollte sie ihrer Tochter beibringen, sich vor solch oberflächlichem Charme zu hüten, wenn ihre eigenen Schutzbarrieren so mühelos zu durchbrechen waren?

Sie war selbst nur ein paar Jahre älter gewesen als Lynn heute, als sie sich von Scotts aalglattem Charme zum Narren hatte halten lassen. Allein durch diese Erfahrung sollte sie immun gegen das schiefe Lächeln und die Küsse dieses Cowboys sein.

Schließlich gab Cody jedoch den Bitten der Mädchen nach, blickte Danielle noch einmal fragend an und verließ den Lagerplatz, um wenig später mit seiner Gitarre zurückzukehren, die schon bessere Tage gesehen hatte.

Während Danielle sorgfältig jeden Augenkontakt mit Cody mied, teilte sie Riesenportionen aus. Cody verschlang den dampfenden Eintopf, als hätte er seit Tagen nichts mehr gegessen. Sein Appetit schmeichelte Danielle, die seinen Teller gleich zweimal nachfüllte.

„Danke, Rotschopf. Ich kann mich nicht erinnern, etwas gegessen zu haben, das unterwegs besser schmecken könnte.“

Danielle zuckte die Schultern. Sein Kompliment freute sie zwar sehr, aber das wollte sie ihm nicht zeigen. „Dann könnten Sie Ihre Freude ja vielleicht ausdrücken, indem Sie mich bei meinem richtigen Namen nennen.“

„Ja, Ma’am.“

Danielle wurde zornig. Musste sie den Mann dafür bezahlen, damit er sie mit ihrem Namen ansprach?

Nachdem Cody gesättigt war, begann er seine Gitarre zu stimmen. Und während er zärtlich über das zerkratzte Holz strich, fragte sich Danielle, was ihn dazu gebracht haben mochte, diese Art von Leben zu führen. Deutlich fühlte sie die unglaubliche Anziehungskraft dieses Mannes. Kaum zu glauben, dass er nur ein Cowboy ohne festen Platz sein sollte.

Das Licht des Lagerfeuers erhellte seine markanten Züge, weithin erschallte seine klare Stimme über die Prärie. Kein Zweifel, er war gut. Richtig gut. Von den zärtlichsten Balladen bis zu den frechsten Songs faszinierte er die Mädchen, die ganz ungehemmt ausflippten.

Codys ernsthafte Haltung schockte Danielle. Sie erkannte, dass diese Songs nicht nur Worte für ihn waren. Er drückte damit einen Lebensstil aus, der ihm zusagte. Tränen traten ihr in die Augen. Wieso gehen mir diese schlichten Melodien so nahe? fragte sie sich.

Mollie strahlte vor unverhohlener Liebe zu ihrem Vater. Danielle fand es bewundernswert, dass Cody Walker den Mut besaß, sich mit seiner Tochter unter dem weiten Himmel von Wyoming recht und schlecht durchs Leben zu schlagen. Er schien seine Arbeit zu lieben. Wenn er tatsächlich dem von der Saison abhängigen Job eines Cowboys nachging, hieß das, er musste Mollie von Ort zu Ort mitschleppen. Trotz der Schwierigkeiten, die ihnen das Schicksal beschert hatte, schienen sie ein durch die Liebe gefestigtes Team zu sein.

Lynn würde ihrem Vater nie so verbunden sein. Das bedrückte Danielle. Aber Scott war viel zu sehr damit beschäftigt, dem allmächtigen Dollar und dem kürzesten Rock hinterherzujagen. Trotz Geld und Titel würde Scott Herte in Danielles Augen immer ein Versager bleiben, denn er war unfähig, ein guter Vater oder Ehemann zu sein.

Die Begeisterung der Mädchen über Codys Art von Musik überraschte Danielle. Seine Countrysongs waren etwas ganz anderes als der Rap, den Danielle den ganzen Weg von Denver ertragen musste. Irgendwie schien Cody Walkers alte Gitarre alle zu verändern – nicht zuletzt auch ihn selbst. Mit jedem Akkord schien seine Schroffheit von ihm abzufallen.

Erleichtert seufzte Cody auf, als die letzten Melodien seines Songs verklangen. Er musste selber lachen. Hier brauchte er sich keine Sorgen zu machen, dass ihn jemand erkannte. Dennoch fand er es ein wenig demütigend, dass niemand aus der Gruppe etwas von seiner aufsteigenden Karriere wusste.

Mama hat doch recht, dachte er. Sein Erfolg während der letzten Tournee war ihm offensichtlich ein wenig zu Kopfe gestiegen.

Hatte seine Mutter jemals unrecht gehabt? Einmal dem Licht der Scheinwerfer den Rücken zu kehren und zu seinen Wurzeln zurückzukehren, war genau das, was er brauchte. Mollie wirkte glücklicher als je, und die Spannung in seinem Körper, die ihn ständig quälte, begann sich allmählich zu lösen.

Ja, es war okay, dass ihn niemand kannte, und er wollte Mollie bitten, seine Identität bis zum Schluss der Reise geheim zu halten.

Vielleicht hatte er Glück, und er konnte auf diese Weise den Dämon vertreiben, der ihn hinderte, neue Songs zu komponieren. Obwohl es Arnie Fullerton Mengen, seinen Agenten, nur Magengeschwüre bescheren würde, bedauerte Cody nicht, ihm entwischt zu sein. Er musste lachen bei der Vorstellung, wie seine Mutter in aller Ruhe Arnies stürmischen Fragen widerstand und sich weigerte, ihm Codys Aufenthaltsort zu verraten.

Danielles innere Spannung löste sich beim Klang von Codys sanft schmeichelnder Stimme.

„Die Zeit des Alten Westens mag vorbei sein, aber sein Geist lebt noch immer …“ Codys seidenweiche Stimme trug die gesungenen Verse in die kristallklare Nacht. Plötzlich begriff Danielle, wie weit sie alle in diesem Moment von der ihnen vertrauten Zivilisation entfernt waren. Ein Frösteln ergriff sie, und sie zog ihren Schal fest um die Schultern.

Während die Mädchen ihre Schlafsäcke auf dem harten Boden ausrollten, löschte Cody die übrig gebliebenen Scheite im Feuer mit einem Eimer Wasser. Dann ging er zu seiner Tochter und sagte ihr Gute Nacht. Zufällig hörte Danielle die liebevollen Worte, die er seinem Kind zuflüsterte. Als sie sah, wie er ihr noch einen Kuss auf die Stirn gab, tat Danielle das Herz weh. Vor langer Zeit hatte ihre Tochter solchem „Babykram“ abgeschworen, und Danielle vermisste die Nähe, die in dieser Vater-Tochter-Beziehung so selbstverständlich schien.

„Gute Nacht, Mom“, erklang Lynns Stimme über eine Reihe von Schlafsäcken.

„Gute Nacht, Liebes“, flüsterte Danielle dankbar aus ihrem eigenen Schlafsack.

Die Stille der Nacht war überwältigend. Nie zuvor hatte Danielle einen Nachthimmel wie diesen gesehen. Weder Smog noch elektrisches Licht minderten den Schein der Sterne, die wie Diamanten den Himmel erstrahlen ließen.

Lynns Flüstern unterbrach die Stille. „Er kann wirklich singen, nicht wahr, Mom?“

Danielle war froh, dass das Kind sein Herz nicht vor ihr verschloss.

„Hmm“, antwortete sie unverbindlich.

„Findest du nicht, dass er traumhaft aussieht?“

„Kann schon sein.“

Danielle fragte sich, wie Lynn wohl reagieren würde, wenn sie wüsste, dass der Mann, den sie so „traumhaft“ fand, ihre Mutter geküsst hatte und dass ihre Mutter ziemliche Probleme hatte, die Leidenschaft zu unterdrücken, die er in ihrem Innern entfacht hatte …

3. KAPITEL

Jemand, der offensichtlich den Verstand verloren hatte, übernahm mithilfe einer alten Essensglocke die Rolle des Weckers. Zögernd öffnete Danielle die Augen. Am Horizont ging in den fantastischsten Farben die Sonne auf.

Aufstöhnend warf Danielle einen Blick auf ihre Armbanduhr. Es war ein Viertel vor sechs. Um Himmels willen, da schliefen ja sogar noch die Hühner.

„Guten Morgen, guten Morgen, guten Morgen! Zeit zum Aufstehen und Fröhlichsein!“ Wie ein Hahn den neuen Tag mit seinem Krähen begrüßte, so erschallte Mollies Stimme über das Lager.

Danielles Knochen schmerzten noch in der Kälte der Morgendämmerung. Da der kalte Boden weniger Komfort als ein Nagelbett bot und ihr gleichzeitig eine Gänsehaut über den Rücken lief, fand sie es weiser, sich einfach wieder in ihren warmen Schlafsack zu verkriechen, bis die Sonne höher am Himmel stand.

Danielles Gruppe nahm das Verhalten ihrer erschöpften Ferienmutter als Zeichen. Die Mädchen ignorierten Mollies Weckversuche und krochen noch tiefer in ihre Schlafsäcke. Die allgemeine Überzeugung war, den Rest des Zuges später einzuholen – nachdem sie ihren Schönheitsschlaf genossen hatten.

Danielle wachte auf, als sich ein Eimer voll Wasser mitten auf ihr Gesicht ergoss. Nach Luft schnappend richtete sie sich ruckartig auf, wobei sie wie eine alte Maschine keuchte.

„Was zum T…?“, brachte sie hervor.

Zu beiden Seiten ihres Schlafsacks stand je ein Pfadfindermädchen ihrer Nachbargruppe. Sie hielten die leeren Eimer in der Hand und grinsten voller Genugtuung.

Danielles Mädchen waren außer sich. Lynn hopste auf dem kalten Boden von einem Fuß auf den anderen, Ray Anne heulte sich die Lunge aus dem Leib, Kim Tyler stieß Flüche aus, und Inez Quest packte den Eimer einer ihrer Peinigerinnen mit der deutlichen Absicht, ihr das Ding um die Ohren zu schlagen. Der Rest der Gruppe 83 war zu geschockt, um mehr zu tun, als ungläubig vor sich hinzustarren.

Es stand auf der Kippe zur Rauferei, als sich eine mächtige Stimme in das Chaos mischte: „Was zum Teufel geht hier vor?“

Trotz finsterer Miene sah Danielle ein Lächeln in Cody Walkers Augen, als jetzt alle auf einmal zu sprechen begannen.

„Sie wollten uns ertränken“, beklagte sich entrüstet Sheila Pooly.

„Reißt euch zusammen, ihr Wickelbabys.“

„Ich wollte sie nur wecken, Daddy“, erklärte Mollie. „Aber June nahm es selbst in die Hand …“

Ray Anne deutete mit dem Finger auf das Mädchen, das sie mit Wasser überschüttet hatte, und drohte. „Ich hau dir eine runter.“

„Nur eine auf einmal“, befahl Cody in einem Ton, der keine Diskussion erlaubte.

In der Haltung eines erfahrenen Anwalts trat June Matson vor. „Wir wollten Gruppe Beverly Hills nur helfen, aus dem Bett zu kommen. Sie sind sich wohl zu fein, um mit den Übrigen aufzustehen.“

Danielle war außer sich. Sie mochte keine verkniffenen Mädchen, die herumliefen und anderen Leute sagten, was sie „nur zu ihrem Besten“ zu tun hatten.

„Ich erwarte, dass ihr meine Gruppe nie mehr Beverly-Hills-Gruppe nennt.“ Danielles intensiv blaue Augen unterstrichen perfekt den eisigen Ton ihrer Stimme. Sie wusste genau, wo die Mädchen diese Bezeichnung aufgeschnappt hatten, und sie hatte nicht wenig Lust, dem Urheber einmal kräftig in das attraktive Hinterteil zu treten.

Codys Aufmerksamkeit wandte sich von Rotschopfs zornig funkelnden Augen dem klatschnassen übergroßen T-Shirt zu, das ihr als Schlafanzug diente. Wie Rosenknospen hoben sich ihre zarten Brustspitzen unter dem Baumwollstoff ab.

Aufgebracht kreuzte Danielle die Arme über der Brust und starrte ihm entrüstet in die Augen. Cody senkte verlegen den Blick.

„Und merkt euch“, sagte sie in eisigem Ton, der ihre weichen Knie Lügen strafte, „Gruppe 83 braucht keine Hilfe mehr, um aus dem Bett zu kommen.“

„Okay. Dann sehen wir mal, dass die Kleinen ihr Frühstück erhalten und wieder auf den Weg kommen. Es ist bereits heller Tag“, schaltete sich Cody ein.

Der unerwartete Anblick von Danielles weichen, weiblichen Kurven ließ seine Körpertemperatur bis zur Gefahrenzone hin ansteigen. Wenn er nicht aufpasste, würde er mit seinen heißen Fantasien ein Präriefeuer entzünden.

Himmel, ein Mann musste ein Heiliger sein, wenn er nicht sah, wie traumhaft sie in diesem nassen T-Shirt aussah.

Streng machte sich Cody bewusst, dass er im Moment absolut keine riskante Affäre mit einem rothaarigen Dynamitweib samt ihrem Knallfrosch von Tochter gebrauchen konnte. Er glaubte fest daran, niemals wieder den Wunsch zu verspüren, sich irgendwo niederzulassen. Vor allem nicht mit einer so außerordentlichen Frau wie Danielle Herte.

Auch wenn sie möglicherweise die Fähigkeit besaß, mit einem einzigen Blick aus diesen unglaublichen Augen sein Blut in Wallung zu bringen, war es Cody klar, dass es keinen Sinn hatte, eine Beziehung zu beginnen, solange sein Herz an Mollies Mutter gebunden war.

Das Frühstück wurde zu einer trostlosen Angelegenheit für die Gruppe 83. Danielles Mädchen strolchten in Decken eingewickelt ums Lagerfeuer und leckten ihre Wunden. Wilde Diskussionen im Flüsterton deuteten auf Rache. Da die aufgehende Sonne die Unzufriedenheit der Campbewohner nicht mildern konnte, versuchte Danielle, die Laune der Mädchen mit einem kräftigen Frühstück aus Pancakes und geräuchert...

Autor

Cathleen Galitz
Cathleen Galitz hat als Autorin schon viele Preise gewonnen und unterrichtet an einer kleinen Schule im ländlichen Wyoming Englisch. Ihr Ehemann und sie haben zwei Söhne, die ihre Eltern mit ihren vielen unterschiedlichen Aktivitäten ganz schön auf Trab und damit auch jung halten. Cathleen liest sehr gerne, geht oft Golf...
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