Big Apple Bachelors - New Yorks Männer küssen am heißesten (3-teilige Serie)

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DER MANN, DER SIE BERÜHRTE
Ein wichtiger Auftrag steht Journalistin Trudy bevor, da will sie der machohafte Polizist Truman Steele davon abbringen, ihn zu begleiten. Zu gefährlich wäre der Einsatz für eine zarte Frau wie sie, behauptet er. Doch Trudy setzt sich durch und beweist, dass sie unabkömmlich ist: Auch als Truman verletzt wird, bleibt sie bei ihm. Insgeheim muss sie sich aber eingestehen, dass sie all das nicht nur tut, um eine gute Story zu bekommen. Truman hat es ihr irgendwie doch angetan …

DER MANN, DER SIE VERFÜHRTE
Normalerweise ist Pansy eine vernünftige Geschäftsfrau. Seit sie aber diesen atemberaubenden schwarzhaarigen Fremden am Strand gesehen hat, ist nichts mehr normal und jede Vernunft vergessen. Voller Leidenschaft gibt sie sich ihm Nacht für Nacht hin. Dabei erinnert sie der Mann, der sich als Ned Nelson ausgibt, an jemanden, den sie aus New York kennt. Zu gut kennt …

DER MANN, DER SIE BESCHÜTZTE
Judys Revier-Kollege Sully Steele hat sich vorgenommen, die Unschuld seines vermeintlich korrupten Vaters zu beweisen. Und so umwerfend und überzeugend Sully auch ist, Judith glaubt fest an das Gegenteil seiner Theorie. Wie kann sie für Recht und Ordnung eintreten, ohne dabei ihrem Partner zu schaden? Ihre Situation wird noch verfahrener, als sie mit dem unwiderstehlichen Sully im Bett landet …


  • Erscheinungstag 07.09.2023
  • ISBN / Artikelnummer 9783751518079
  • Seitenanzahl 361
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

IMPRESSUM

Der Mann, der sie berührte erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

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Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0
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Geschäftsführung: Thomas Beckmann
Redaktionsleitung: Claudia Wuttke (v. i. S. d. P.)
Produktion: Jennifer Galka
Grafik: Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn,
Marina Grothues (Foto)

© by Julianne Moore
Originaltitel: „The Hotshot”
erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe TIFFANY
Band 1042 - 2003 by CORA Verlag GmbH, Hamburg
Übersetzung: Christian Trautmann

Umschlagsmotive: Ablestock.com / Thinkstock

Veröffentlicht im ePub Format in 02/2017 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH , Pößneck

ISBN 9783733776015

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

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BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, MYSTERY, TIFFANY

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1. KAPITEL

„Ma hat in der Lotterie gewonnen?“ Truman Steele konnte es noch immer nicht fassen. Der Jackpot war über Wochen angewachsen, und die Leute an den Straßenecken, in den U-Bahn-Stationen und an den Wasserspendern in den Büros hatten sich mit Spekulationen über den glücklichen Gewinner amüsiert. Jeden Tag zeigten die TV-Nachrichten Menschenschlangen vor Kiosken, wo die Leute Lose kaufen konnten, und die „New York News“ befragte die Menschen auf den Straßen, was sie mit einem solchen Riesengewinn machen würden.

Truman hatte sich ausgemalt, dass er sich ein Boot zum Fischen, einen Urlaub in Las Vegas und ein paar gute Aktien gönnen würde. Aber jetzt, wo er möglicherweise tatsächlich ein Drittel des Geldes bekommen würde, war er sich nicht mehr so sicher. Die Hand auf dem Holster, marschierte er in seiner marineblauen Polizistenuniform im ehemaligen Zimmer seines ältesten Bruders auf und ab. Schon immer hatten sich die drei Brüder in Sullivans Zimmer zurückgezogen, um über Familienkrisen zu grübeln.

Nicht, dass der Gewinn von fünfzehn Millionen Dollar an sich eine Krise bedeutete. Jedenfalls noch nicht, dachte Truman und stieß einen Pfiff aus. „Ich habe bestimmt dreißig Lose gekauft.“

„Ich auch“, gestand Rex, der seine dreckigen Turnschuhe ausgezogen hatte, damit er auf dem ordentlich gemachten Bett liegen konnte. Rex war der Einzige der Brüder, der als verdeckter Ermittler arbeitete, und daher ein Meister der Verkleidung. Er kam gerade von einer Observierung und sah wie ein Obdachloser aus, mit seinem ungepflegten schwarzen Bart, der sackartigen, ölfleckigen Jeans und dem bedenklich riechenden Trenchcoat, den er zum Glück draußen gelassen hatte.

„Hast du dir Lose gekauft, Sully?“, wollte Rex wissen.

Sullivan schüttelte den Kopf. „Geldverschwendung“, erwiderte der Älteste und schob die Hände in die Taschen seiner grauen Anzughose. „Das habe ich zumindest bisher gedacht.“

„Was wolltest du machen, wenn du gewinnst, Rex?“, fragte Truman.

Verschwinden und ein ganz neues Leben beginnen, dachte Rex und sah sich in einer weißen, hochgekrempelten Hose am Strand Muscheln suchen. Seine Kehle war wie zugeschnürt, als er den Blick abwandte. Im Gegensatz zu seinen Brüdern hatte er nie Polizist werden wollen. Ihn verfolgte noch immer die Angst aus seiner Kindheit, als ihr Vater sich seine Pistole umschnallte und zur Arbeit ging. Ständig hatte er auf den Abend gewartet, an dem Augustus Steele nicht zum Abendessen nach Hause kommen würde. Und weil er einem Kind solche Ängste ersparen wollte, hatte er vor langer Zeit entschieden, dass eine Familie und die Arbeit für das NYPD, das New York Police Department, nicht zusammenpassten. Schließlich zuckte er die Schultern. „Ich weiß nicht. Fünfzehn Millionen sind ein Haufen Geld, Bruderherz.“

„Allerdings“, stimmte Truman ihm zu und sah aus dem Fenster in den Garten, der ein beeindruckender Dschungel aus Laubbäumen, Büschen und Farnen war.

Bevor Sheila Steele mit einem der größten Lotteriegewinne in der Geschichte New Yorks gesegnet wurde, war sie die Besitzerin eines grünen Daumens und eines Sandsteinhauses gewesen. Sheila hatte das Haus in der Bank Street, in dem die Steeles wohnten, von ihrer Familie geerbt, aber wegen der hohen Unterhaltungskosten in Manhattan waren die oberen zwei Stockwerke vermietet. Von vorn wirkte das Haus trotz der freundlichen grünen Fensterläden ein wenig düster, ein massives Gebäude aus braunem Sandstein in einer grauen Straße, umgeben von grauen Gehsteigen und ebenso grauen Parkuhren. Touristen würden nie das helle, gemütliche Innere vermuten oder die wuchernden Pflanzen und Blumen, die Sheila im Garten zum Gedeihen brachte.

„Fünfzehn Millionen“, wiederholte Truman. „Macht fünf für jeden.“

Sully schüttelte den Kopf mit jener misstrauischen Wachsamkeit im Blick, die ihn mit sechsunddreißig zum jüngsten Captain bei der New Yorker Polizei gemacht hatte. „Wenn Ma uns den Brief nicht gezeigt hätte, hätte ich ihr nicht geglaubt.“

Rex lachte. „Sei nicht so misstrauisch, Sully. Wir reden hier über Ma, nicht über einen Kriminellen.“

„Da bin ich anderer Ansicht“, konterte Truman. „Korrigiert mich, falls ich mich irre, aber sagte Ma nicht gerade, sie erwartet von uns, dass wir Ehefrauen finden? Und dass, falls wir das nicht tun, sie das ganze Geld einer Stiftung zur Rettung von Riesenschildkröten zukommen lässt?“

„Die Stiftung kümmert sich außerdem um die Rettung des Meeresleguans“, erinnerte Rex ihn.

„Und vergiss nicht den flugunfähigen Kormoran“, fügte Sully trocken hinzu.

„Ach ja“, flüsterte Truman. „Der flugunfähige Kormoran.“

Die drei Brüder starrten einander entsetzt an. Rex Schultern begannen vor unterdrücktem Lachen zu beben. Sullivan grinste, und Truman sagte: „Was, zum Teufel, ist ein flugunfähiger Kormoran?“

„Ein Vogel, glaube ich“, sagte Sully.

Aber das wurde nicht bestätigt, da plötzlich keiner mehr den Atem zum Reden hatte. Sully schnappte nach Luft und klopfte Rex freundschaftlich auf die Schulter, und Truman krümmte sich und schlug sich auf die Knie. Jeder von ihnen dachte über die lebensverändernde letzte halbe Stunde nach.

Als ihre Mutter sie zum Mittagessen nach Hause eingeladen hatte, hatten sie sich natürlich nichts dabei gedacht. Sullivan und Truman lebten in Mietwohnungen in der Nähe und kamen regelmäßig zum Essen, und obwohl Rex in Brooklyn wohnte, schaute auch er oft vorbei. Nein, die Einladung war nichts Besonderes gewesen. Aber nach dem Essen hatte Sheila ihnen einen Beleg der Lotteriegesellschaft gezeigt. Sheila hatte das Geld, das sie gewonnen hatte, bereits auf ein spezielles Konto überwiesen, aber da Sullivan, Rex und Truman die wahrscheinlichen Nutznießer sein würden, brauchte die Lotteriegesellschaft einige Unterschriften von ihnen.

„Das Geld gehört euch, Jungs“, hatte Sheila strahlend verkündet. Truman hatte sie in benommenem Schweigen angeschaut, als sie hinzufügte: „Aber nur, wenn ihr innerhalb der nächsten drei Monate heiratet.“

Sie hatte weiter strahlend gelächelt, als hätte sie gerade das Vernünftigste in der Welt von sich gegeben, und Truman hatte den Kopf geschüttelt. Seine Brüder und er liebten seine Mutter, doch sie war ziemlich unkonventionell. Es schien kaum vorstellbar, dass sie einen biederen Polizisten geheiratet hatte und dass ihre drei Söhne alle Polizisten geworden waren. Sheila war das, was manche Leute humorvoll als „Erdmutter“ bezeichneten. Sie war meistens so beschäftigt, dass sie ihr langes graues Haar nur zu einem schlichten Knoten frisierte. Sie bevorzugte knöchellange Röcke, Westen und Sandalen, die sie mit Socken trug. Sie hatte ein freundliches Lächeln und ein Herz aus Gold, das es ihr erlaubte, nicht nur die eigenen Söhne zu bemuttern, sondern oft auch die Männer in den Polizeirevieren, in denen sie arbeiteten. Ihre selbst gemachten Donuts mit blau-goldenem Zuckerguss waren legendär.

„Ma kann manchmal wirklich verrückt sein“, räumte Rex ein, nachdem er sich vom Lachen beruhigt hatte. „Aber es ist eine nette Art von Verrücktheit.“

Truman hatte da seine Zweifel. Während des Essens war das Erste, was er sagte: „Wie kommst du bloß auf so etwas, Ma?“

„Oh, ich lese ständig von solchen Sachen“, hatte sie ihm versichert und auf den Roman gedeutet, der aufgeschlagen auf dem Sofa lag.

„In Büchern“, hatte Truman mit Nachdruck erwidert. „In Romanen.“ Da er halbwegs befürchtete, seine Mutter hätte nicht verstanden, fügte er hinzu: „Da wird einem doch was vorgemacht, was es gar nicht gibt.“

„Nicht mehr, mein Sohn.“ Lachend hatte Sheila zur Warnung den Finger erhoben. „Und damit wir uns richtig verstehen: Ich akzeptiere keine Scheinehen. Ihr müsst verliebt sein. Ihr könnt nicht so tun, als ob und euch später wieder scheiden lassen. Ebenso wenig dürft ihr euren zukünftigen Ehefrauen verraten, dass ihr bei Heirat Millionär werdet.“

„Damit ist ein überzeugendes Argument schon weg“, murrte Truman, der absolut nicht die Absicht hatte zu heiraten. Zumindest nicht aus Liebe. Für Geld, sicher. Einmal hätte er beinah aus Liebe geheiratet – nie wieder!

Mit ernster Miene hatte Sheila hinzugefügt: „Und bevor ihr nicht alle eine Frau gefunden und innerhalb von drei Monaten geheiratet habt, bekommt niemand Geld.“

„Wir müssen alle drei heiraten?“, fragte Truman.

Sie nickte. „Ja. Und damit eure zukünftigen Ehefrauen nichts von dem Geld erfahren, müssen wir es geheim halten. Falls irgendjemand herausfindet, dass ich gewonnen habe, spende ich das Geld umgehend der Forschungsstiftung der Galapagosinseln.“

„Die Galapagosinseln?“, hatte Sully ungläubig wiederholt.

Ihr Vater war genau wie Sully ein absoluter Vernunftmensch. Er würde diesem albernen Plan ein Ende bereiten. „Wo ist Dad?“, wollte Truman wissen.

Einen Moment lang wirkte ihre Mutter distanziert. „Zur Arbeit“, antwortete sie leise. „Er macht viele Überstunden in letzter Zeit. Ich glaube, die Auflösung eines großen Falles steht bevor, und ich hatte vor, mit euch darüber zu reden. Ich bin mir nicht sicher, aber ich halte es für möglich, dass euer Vater in Schwierigkeiten steckt …“

„Hast du mit ihm darüber gesprochen?“, unterbrach Rex sie, denn es war nicht das erste Mal, dass Augustus Steele in Schwierigkeiten steckte oder zu hart arbeitete.

„Nein“, hatte Sheila entgegnet, „ich habe nicht mit ihm gesprochen, und jetzt, wo du es erwähnst, stelle ich besser noch eine Bedingung. Wenn ihr eurem Vater davon erzählt, könnt ihr die Sache vergessen, und das Geld geht auf die Galapagosinseln.“

Gewöhnlich war Sullys Miene nicht zu deuten, doch diesmal stand ihm das Erstaunen ins Gesicht geschrieben. „Du erzählst Pop nicht, dass du in der Lotterie gewonnen hast?“

„Nein“, bestätigte Sheila und drehte das Lederarmband, um auf ihre Uhr zu schauen, die mehr technische Spielereien besaß als ein Ferrari. „Und ihr auch nicht. So, Jungs, und jetzt habe ich nur noch ein paar Minuten bis zu meinem Treffen mit C.L.A.S.P.“

Truman starrte sie an. Wie konnte sie denn jetzt gehen? „C.L.A.S.P.?“

„City and Local Activists for Street People – eine Bürgerinitiative für Obdachlose“, erklärte sie und schürzte missbilligend die Lippen. „Der Bürgermeister hat schon wieder den Etat gekürzt. Heute Morgen haben drei weitere psychiatrische Einrichtungen zugemacht. Hunderte von Menschen wurden entlassen, die nicht wissen, wohin. Wir eröffnen ein neues Frauenhaus im Fleischgroßhandelsdistrikt. Diese Woche werde ich Flugblätter in euren Revieren verteilen und um Kleiderspenden bitten. Ich verteile die Flugblätter schon seit Monaten in der ganzen Stadt. Alle müssen ihren Beitrag leisten.“

Sie machte eine Pause und schüttelte angewidert den Kopf. „Selbst Ed Koch und David Dinkins waren besser“, sagte sie in Anspielung auf die früheren Bürgermeister der Stadt. „Wie dem auch sei, bevor ich gehe, solltet ihr euch in Sullivans Zimmer zurückziehen und über meinen Vorschlag nachdenken. Anschließend könnt ihr mich wissen lassen, ob ihr die Herausforderung annehmt.“

Sie hatte nicht im Mindesten fassungslos über den erstaunlichen Gewinn gewirkt, und Truman vermutete, dass es hauptsächlich daran lag, dass sie die Mutter dreier Polizisten war. So leicht brachte sie nichts aus der Ruhe. „Ich kann es kaum erwarten, zu sehen, wer es als Erster über die Ziellinie schafft – ihr Jungs mit euren Bräuten oder meine armen Riesenschildkröten auf den Galapagosinseln.“

„Riesenschildkröten“, flüsterte Truman jetzt.

„Was sonst?“, meinte Sullivan.

„Versteht mich nicht falsch“, wandte sich Truman an seine Brüder. „Ich habe nichts gegen Riesenschildkröten.“

Sully lachte. „Ich auch nicht.“ Er ließ einen Moment verstreichen und fügte ironisch hinzu: „Es sind die Meeresleguane, die mir auf die Nerven gehen.“

„Ach, ich weiß nicht“, scherzte Rex. „Pinguine können auch ganz schöne Nervensägen sein.“ Seufzend fügte er hinzu: „Was auf den Inseln geschieht, ist ziemlich übel. Ma hat recht. Man versucht dort noch immer die Folgen der letzten Ölpest zu beseitigen. Vor ein paar Tagen ist ein Schiff, ich glaube es hieß …“

„Eliza“, half Sullivan ihm.

„Die Eliza“, bestätigte Rex. „Genau. Sie lief nahe eines Brutgebietes für Seelöwen auf Grund.“

„Ma ist es jedenfalls ernst damit“, meinte Truman. „Machen wir es oder nicht?“

„Wir können in drei Monaten keine Seelenverwandte finden“, protestierte Rex.

„Sie sprach von Ehefrauen, nicht von Seelenverwandten“, stellte Truman klar.

„Für mich müsste eine Ehefrau aber eine Seelenverwandte sein“, konterte Rex.

„Oh, bitte“, murmelte Truman. Als Einziger der Brüder, der es je mit der wahren Liebe ausprobiert hatte, wusste er es besser.

„Ma sagt, wir müssen verliebt sein“, meldete sich Sully zu Wort.

„Für fünf Millionen Dollar kann ich, glaube ich, lügen“, erklärte Truman.

Sully versuchte schockiert auszusehen. „Du könntest deine eigene Mutter belügen?“

„Als wenn ich nicht schon genug um die Ohren hätte …“ Truman fuhr sich durch das hellbraune Haar, dessen längste Strähnen seine markanten Wangenknochen berührten.

Rex hob eine Braue. „Wieso? Was ist denn passiert?“

„Coombs will, dass mich in den nächsten zwei Wochen ein Reporter von der ‚New York News auf Streife begleitet.“ Coombs war Trumans oberster Boss im Polizeirevier Manhattan South.

„Schlauer Zug. Du bist der attraktivste Cop in der Stadt“, stellte Sully ohne jeden Neid fest. „Du hast eine gute Verhaftungsquote und weckst das Interesse der Öffentlichkeit, kleiner Bruder.“

Truman bezähmte seine Wut. Es war Touristensaison, was bedeutete, dass der Bürgermeister, die „New York News“ und die Polizei nach Möglichkeiten suchten, die Kriminalitätshysterie zu dämpfen, die in jedem Sommer so unausweichlich kam wie die Hitzewellen. Sie wollten den Leuten klarmachen, dass New York City der perfekte Ort war, um dort mit seinen Kindern die Ferien zu verbringen.

Truman war an einem werbewirksamen Artikel nicht interessiert. Er war entschlossen, den jüngsten spektakulären Fall in der Stadt zu lösen, der von der „New York News“ der Glasschuh-Fall genannt wurde. Der Fall war ihm übertragen worden, aber wenn ihn in den nächsten zwei Wochen ein Reporter auf Streife begleitete, würde ihm keine Zeit mehr bleiben, daran zu arbeiten. Dazu lagen noch zu viele andere ungelöste Fälle auf seinem Schreibtisch. Doch der Glasschuh-Fall war etwas Besonderes, da Film- und Rockstars darin verwickelt waren. Ihn zu lösen würde Truman endlich die Beförderung zum Detective bescheren. Er liebte seine Arbeit, hasste langweilige Fälle und hatte es satt, viel langsamer als seine Brüder die Karriereleiter hinaufzuklettern.

„Und jetzt soll ich mir auch noch eine Frau suchen?“, murmelte er.

„Da wir gerade von Frauen und deinem Streifenwagen sprechen“, meinte Rex und zog ein Stück Papier aus der Hosentasche. „Irgendeine Frau hat das unter deinen Scheibenwischer geklemmt. Ich habe es mitgenommen. Vielleicht kannst du sie heiraten.“

Truman betrachtete die mit Lippenstift geschriebene Nachricht.

Officer Steele, ich habe Ihren Wagen gesehen. Es hat mich gefreut, Sie gestern kennenzulernen. Ich würde mich gern zum Essen mit Ihnen treffen. Rufen Sie mich an. Candy.

Truman hatte es auch gefreut, sie kennenzulernen. Unglücklicherweise hatte er sie wegen Trunkenheit und Erregung öffentlichen Ärgernisses verhaften müssen. Vorsichtig steckte er die Nachricht ein, für den Fall, dass er bei seiner Suche nach einer Braut darauf zurückgreifen musste. Dann lehnte er sich in den Türrahmen und wandte sich ab von Sullys Zimmer und den Modellflugzeugen und Schiffen. Stattdessen schaute er in Rex Zimmer, das voller Bücher war, und dann in seines, das mit Sporttrophäen und Schulwimpeln geschmückt war.

„Candy ist süß, wie?“, erkundigte sich Rex.

„Trunkenheit und Erregung öffentlichen Ärgernisses“, korrigierte Truman ihn und ging in Sullys Zimmer.

„Es wird noch andere geben“, tröstete Sully ihn, was Truman zum Lächeln brachte. Er schlug seine älteren Brüder in fast nichts, aber Sully hatte recht. Truman zog die meisten Frauen an. Und er war gern mit ihnen zusammen. Er wollte bloß keine eigene Familie gründen. Bisher jedenfalls nicht. Woher wollte seine Mutter wissen, ob er seine Braut wirklich liebte oder nicht? Das kann sie nicht, dachte er, während er sich ein neues Ziel steckte. Er würde nicht nur den Glasschuh-Fall aufklären, sondern er würde auch der Erste der Steele-Brüder sein, der heiratete – wenn auch selbstverständlich nicht aus Liebe.

„Sobald ich meinen letzten Fall gelöst habe, wollte ich eigentlich Urlaub machen“, erklärte Rex. „Ich habe vier Wochen Überstunden angesammelt.“

Sully runzelte die Stirn. „Wohin willst du?“

„Wohin der Wind mich trägt“, antwortete Rex auf seine typische Art.

„Dann sollte es besser ein Ort mit Frauen sein“, ermahnte Truman ihn. „Schließlich bleiben uns zum Heiraten nur drei Monate.“

„Ist das zu fassen?“, meinte Sully, aber es war eine rein rhetorische Frage. So wie er es sah, konnten sie getrost das Geld gleich für die Schildkröten spenden. Seiner letzten Beziehung hatte die Leidenschaft gefehlt, ohne die er nicht leben konnte. Und wenn er Leidenschaft gefunden hatte, war die gleiche geistige Wellenlänge nicht vorhanden gewesen.

Gedankenverloren griff Sully ins Regal und nahm eines der Modelle heraus, die er als Kind gebastelt hatte – ein Flaschenschiff. Obwohl er nicht zu sonderbarem Verhalten neigte – das war Rex’ Domäne –, stellte er sich vor, eine Flaschenpost in den Hudson River zu werfen, in der er auflistete, was er von einer Frau erwartete. Sein ganzes Leben lang hatte er das Bewährte und Erwartete getan –Essenseinladungen, Pralinen, Blumensträuße. Und trotzdem war er noch immer Single. Seit Jahren wollte er eine Beziehung, wie seine Eltern sie hatten. Wieso es also nicht mit einer Flaschenpost versuchen?

„Entweder wir oder die Schildkröten“, drängte Truman.

„Na ja“, meinte Sully und drehte nachdenklich die Flasche in den Händen. „Vielleicht ist der Reporter von den ‚New York News‘ eine Frau, und du kannst sie heiraten.“

„Na klar.“ Truman grinste schief. „Die ‚New York News‘ schickt immer einen Mann mit uns auf Streife.“

„Sie schicken mich auf Streife? Zwei volle Wochen?“ Trudy Busey versuchte gar nicht erst, ihre Enttäuschung zu verbergen. Sie sagte sich, dass sie ein erfahrener Profi war und beweisen musste, dass sie sich nicht provozieren ließ. Doch als sie ihre Kollegen am Tisch betrachtete, unter ihnen Scott Smith-Sanker, der wie immer alle interessanten Aufträge bekam, entschied sie, dass es nur einen Weg gab, sich in einer Redaktion zu behaupten – sie musste kämpfen.

Der übergewichtige Chefredakteur der „New York News“ Dimitri Slovinsky, kurz Dimi genannt, hob eine buschige Braue. Er war über fünfzig, und der wachsame Ausdruck in seinen Augen verriet eine hohe Intelligenz. „Haben Sie ein Problem, Busey?“

Sie wünschte, Dimi würde ihr wichtigere Storys zutrauen. Scott wollte, dass sie bei der „New York News“ aufhörte. Und ihr Vater, dem der „Milton Herald“ in West Virginia gehörte, nahm ihre Träume nicht ernst. Gestern hatte Terrence Busey doch tatsächlich den Nerv besessen, die „New York News“ als Klatschblatt zu bezeichnen.

Ausgerechnet der Mann, der den „Milton Herald“ vor seinem Rückzug in den Teilruhestand an ihre Brüder Bob und Ed übergeben hatte. Die Auflage war um fünfzig Abonnenten gesunken und erreichte mittlerweile nur noch dreihundert Haushalte. Nichts von alldem wäre passiert, wenn ihr Vater sie zu seiner Nachfolgerin bestimmt hätte. Sein mangelnder Glaube an sie schmerzte sie zutiefst. Wieso sah er nicht, dass sie eine gute Reporterin war? Wieso sah Dimi es nicht?

Trotz ihrer Loyalität zum „Milton Herald“ liebte Trudy alles an der „New York News“, die 1803 als „New York Evening News“ angefangen hatte. Inzwischen war sie die am längsten kontinuierlich bestehende Tageszeitung der USA. Sie liebte es, dass ihr jeden Morgen der Geruch von Druckerschwärze in die Nase stieg, wenn sie mit einem Kaffee von „Starbucks“ zur Tür hereinkam. Sie liebte es, von Kollegen begrüßt zu werden, die die ganze Nacht an Schreibtischen mit überquellenden Aschenbechern, Aktenbergen und Pappbechern verbracht hatten.

Ohne hinzuschauen konnte Trudy sagen, welche Vergrößerungen früherer Schlagzeilen an den Wänden hingen: das Kennedy-Attentat, die Entführung des Lindbergh-Babys, der Börsenkrach von 1929, der Mord am Mafiaboss Paul Castellano …

Die „New York News“ hatte einen erstklassigen Ruf. Ihre Reporter hatten beinah vierzig Pulitzerpreise gewonnen, und jedes Mal, wenn Trudy die Redaktion betrat, fühlte sie den Puls Amerikas.

„Dimi“, begann Trudy, gegen ihre Frustration ankämpfend und entschlossen, ihre Position zu verteidigen. „Es gibt so viele großartige Storys, die danach schreien, geschrieben zu werden. Mit der Streifenbegleitung ist meine Zeit nicht am sinnvollsten genutzt.“

Das war eine Untertreibung. Die Streifenbegleitung war purer Unsinn. Kostenlose Werbung für die Stadt, die die „New York News“ jedes Jahr vor Beginn der Touristensaison machte, um dem Bürgermeister einen Gefallen zu tun.

Dimi musterte sie. „Was schwebt Ihnen denn vor?“

„Die Glasschuh-Story.“

„Damit befasst Scott sich.“

Natürlich. Die bloße Erwähnung von Scott Smith-Sankers Namen brachte sie auf die Palme. Wenn er sie noch ein einziges Mal um eine Story brachte, die ihr zustand, würde sie durchdrehen. „Und was ist mit der Lotterie?“, schlug sie vor. „Der Gewinner des 15-Millionen-Dollar-Jackpots will anonym bleiben. Wir müssen herausfinden, wer es war. Nach all dem Wirbel, den wir um den Jackpot veranstaltet haben, brennt die Öffentlichkeit darauf, den Namen des Gewinners zu erfahren.“ Die Geschichte war mindestens so bedeutsam wie der Glasschuh-Fall.

„Ben geht der Lotteriegeschichte nach.“

Es fiel ihr nicht leicht, ihre Wut im Zaum zu halten. „Vor zwanzig Minuten fand ein Mord auf der East Side statt. Was ist damit?“

„Keith ist bereits auf dem Weg dorthin.“

„Na schön“, sagte sie geduldig. „Es ist zwar keine Geschichte, die mit unserem Ressort zusammenhängt, aber wir müssen der Sache mit der ‚Eliza nachgehen.“ Sie sah zu einer Titelseite der „New York News“, die einen Öltanker zeigte, der nahe den Galapagosinseln auf Grund gelaufen war.

„Einer unserer Auslandskorrespondenten kümmert sich darum.“

Um die Lage durch eine Szene nicht noch schlimmer zu machen, wartete Trudy, bis die Konferenz vorbei war und die anderen gegangen waren, ehe sie sich an ihren Boss wandte. „Wenn das die Art von Arbeit ist, die Sie von mir erwarten, wieso haben Sie mich dann überhaupt erst eingestellt?“

„Ihr Auftrag ist gut, Trudy.“

„Er ist arbeitsintensiv“, konterte sie.

„Und anspruchsvoll. Sie werden den Kontakt mit dem Bürgermeister aufrechterhalten.“

Vielleicht. Aber es war nicht ihre Bestimmung, diese Art von Reporter zu sein. Sie hatte solche Unterhaltungen jahrelang mit ihrem Vater und ihren Brüdern geführt, wenn sie ihr langweilige Arbeit auftrugen, in der Hoffnung, sie dadurch von ihrer Tätigkeit für den „Milton Herald“ zu entmutigen. Und es hatte funktioniert. Sie hatte die Zeitung wütend verlassen. Aber die „New York News“ würde sie nicht verlassen, und sie hatte die Absicht, gute Storys zu bekommen.

„Der Glasschuh“, erinnerte sie ihren Boss. „So wollte ich es nennen. Der Name machte Auflage, Dimi. Die Anspielung auf Aschenbrödel weckte die Fantasie unserer Leser.“

Der Fall hatte vor zwei Monaten begonnen, als eine reiche New Yorkerin über den bizarren Diebstahl teurer maßgefertigter Schuhe berichtete. Zu diesem Zeitpunkt waren bereits über hundert Paare aus über hundert Apartments verschwunden. Die Polizei, der das Motiv ebenso ein Rätsel war wie die Tatsache, wie der Dieb sich Zugang zu so vielen gut bewachten Wohnungen verschaffen konnte, wollte die Verbrechen dringend aufklären.

Trudy hatte die erste Schlagzeile über diesen Fall in der „New York News“ geschrieben: „Können diese Aschenbrödel ihre Glasschuhe wiederfinden?“ Ihre nächste Schlagzeile lautete: „Wer ist der Märchenprinz?“ Seither hatte diese Story die Fantasie der nachrichtenhungrigen New Yorker beflügelt. Die Zeitungsauflage war sprunghaft angestiegen. Mit der Lotteriegeschichte sah es ähnlich aus.

„Die Auflage ist nach oben gegangen“, fuhr Trudy fort. „Auch unsere Internetseite verzeichnet mehr Besucher.“

„Dein Beitrag wird zur Kenntnis genommen“, räumte Dimi ein. „Und schon bald werden wir einen heißen Tipp haben, der …“

„Genau richtig für mich ist?“ Eigentlich war es nicht ihre Gewohnheit, ihren Boss zu unterbrechen, aber allmählich war sie mit ihrem Latein am Ende. „Ich bin jetzt seit zwei Jahren hier. Ich war geduldig. Ich habe den Laufburschen gespielt, Kaffee gekocht, Lunch geholt und im Eiltempo gearbeitet. Was muss ich noch alles machen, um endlich einen Fuß in die Tür zu Ihrem Kumpelklub zu bekommen?“

„Sie meinen, hier herrscht ein frauenfeindliches Klima?“, fragte Dimi. „Fühlen Sie sich diskriminiert?“

„Wie sollte ich mich nicht diskriminiert fühlen?“, entgegnete sie.

Dimi betrachtete sie, während er sich eine Magentablette in den Mund steckte, wobei er die ganze Zeit daran dachte, nachzugeben und das zu tun, was die Ärzte ihm rieten: abzunehmen. Aber die Ärzte kannten den Druck nicht, dem ein Chefredakteur in einer Großstadtzeitung ausgesetzt war, ebenso wenig wie den Stress, mit Leuten wie Trudy fertig zu werden. Sie wollte die Glasschuh- und Lotterie-Story? Nun, das Schmerzliche daran war, dass sie sie verdiente.

„Wieso haben Sie mich überhaupt eingestellt?“, fragte sie.

Weil Sie zwei der wichtigsten Voraussetzungen für den Job besitzen, dachte Dimi. Trudy Busey war ehrgeizig und aggressiv. Bei ihrem Vorstellungsgespräch war sie sehr entschlossen und selbstbewusst aufgetreten. Neben ihren Artikeln aus der Collegezeitung hatte sie ihrer Bewerbung auch Reportagen beigefügt, die sie für die Zeitung ihres Vaters geschrieben hatte. Dimi hatte leicht zwischen den Zeilen lesen können. Ihr Vater wollte sie nicht im Zeitungsgeschäft, doch sie war versessen darauf, es zu schaffen, ganz zu schweigen vom Neid auf ihre beiden weniger talentierten Brüder, denen der „Milton Herald“ auf einem Tablett serviert worden war.

Dimi hatte ihr eine Chance geben wollen. Das Problem bestand nur darin, dass ein Blick auf Trudy genügte, damit Dimi sich wünschte, er wäre dreißig Jahre jünger, fünfzig Pfund leichter und ein viel netterer Kerl. Sie war seit Jahren der erste Mensch, der seine weiche Seite entdeckt hatte. Nachdem er ihr den Job gegeben hatte, konnte er es nicht ertragen, sie den Gefahren der Stadt auszusetzen.

Sie war zierlich. Ein Meter fünfundsechzig groß, mit glatter Haut und gepflegtem gelb-blondem Haar, das ihr gerade bis auf die Schultern reichte. Jedes Mal, wenn er sie ansah, dachte er, dass er ihren Vater in gewisser Weise verstehen konnte. Trudy hatte etwas Reines, ja fast Naives an sich, was sich darin zeigte, mit welcher Leichtigkeit es Scott Smith-Sanker gelang, ihr Storys abzujagen. Dimi fürchtete außerdem, ihr West-Virginia-Akzent würde sie zu einer Zielscheibe des Spottes machen. Er scheute davor zurück, sie auf den Anblick vorzubereiten, der sich am Tatort eines Verbrechens bot. Oder sie auf eine Story anzusetzen, bei der sie von wütenden Cops und Kriminellen bedrängt wurde. Das überließ er lieber den Scott Smith-Sankers dieser Welt. Leute wie Scott waren für die hässlichen Seiten des Lebens geschaffen.

„Bitte“, sagte Trudy, obwohl sie es hasste zu betteln. „Geben Sie mir wenigstens die Lotterie-Story. Oder die Galapagos-Ölpest.“

Dimi schüttelte mit schuldbewusster Miene den Kopf. „Sie begleiten einen Polizisten namens Truman Steele aus Manhattan South auf Streife. Und jetzt machen Sie sich besser auf den Weg.“

Ich habe einen Vorzeigepolizisten am Hals, dachte sie, während Dimi ihr die nötigen Informationen gab. Truman Steele stammte aus einer Familie von Polizisten, mit einem Vater im Büro des Polizeichefs im Police Plaza und zwei Brüdern in Innenstadtrevieren. Sie war in Gedanken noch immer bei den Galapagosinseln, der Lotterie und der Glasschuhgeschichte, als Dimi sagte: „Manhattan South ist …“

Trudy richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf ihn. „Ich weiß, wo das Revier liegt“, unterbrach sie ihn gereizt, worauf Dimi ihr den Ordner in die Hand drückte.

Bevor sie sich den Ordner unter den Arm klemmte, fiel ihr Blick auf ein Foto des attraktivsten Mannes, den sie je gesehen hatte. Ihr Herz schlug schneller. Truman Steele saß mit nacktem Oberkörper in einem Streifenwagen mit offener Tür. Trudy erkannte, dass dies eines der hübschen Fotos war, die die PR-Abteilung der New Yorker Polizei letztes Jahr überall in der Stadt verteilt hatte. Es waren Fotos, die Cops ohne Uniform zeigten, um sie als Menschen wie du und ich zu präsentieren.

Sie betrachtete die glatte, muskulöse Brust des Mannes und registrierte unweigerlich, dass seine Brustwarzen ein wenig aufgerichtet waren, so als sei das Foto an einem kalten Tag aufgenommen worden. Seine Züge waren ungewöhnlich faszinierend. Ein paar Strähnen seines hellbraunen Haars, das länger war, als die Dienstvorschriften erlaubten, wehten ihm ins markante Gesicht. Die dunklen Augen, die fast mandelförmig waren, gaben ihm etwas Asiatisches, obwohl er ganz eindeutig ein Weißer war.

„Ich erinnere mich daran, als das NYPD diese Pressefotos aufnahm“, sagte Trudy und redete sich ein, dass das Bild keine Wirkung auf sie hatte.

„Tatsächlich?“ Dimi schien ein wenig amüsiert zu sein.

„Ja“, erwiderte sie knapp.

Noch immer lächelnd fügte Dimi hinzu: „Vergessen Sie nicht, dass Sie Arbeit zu erledigen haben, Busey.“

„Das werde ich nicht“, versprach sie. Trudy hatte es sich zur Regel gemacht, Männer auf Abstand zu halten. Die Kämpfe mit ihrem Vater und ihren Brüdern, ganz zu schweigen von denen mit Dimi und Scott Smith-Sanker, machten es ihr schwer genug, ihre ehrgeizigen Ziele zu erreichen.

Das Letzte, was sie brauchte, war ein weiterer Mann, der ihr zusetzte. In welcher Form auch immer.

2. KAPITEL

„Ich soll mit ihr arbeiten?“ Truman sah von Coombs verglastem Büro zu seinem eigenen Büro, wo Trudy Busey auf einem grauen Metallklappstuhl saß. Sie hatte der Glasscheibe und dem Chaos im Revier – einem Durcheinander aus klingelnden Telefonen, lauten Computerdruckern, aufgebrachten Opfern, die Aussagen machten, und gegen ihre Verhaftung protestierenden Tätern – den Rücken zugekehrt.

Coombs, ein abgebrühter fünfzigjähriger Cop mit stark gelichtetem Haar, sah Truman aus seinen kühlen grünen Augen an. Er hatte einen durchtrainierten Körper und trug einen dunkelblauen Anzug von der Stange, der so sehr der Polizeiuniform ähnelte, dass Truman sich fragte, wieso er überhaupt Zivil trug.

„Miss Busey scheint nett zu sein“, sagte Coombs. „Was ist Ihr Problem?“

„Was mein Problem ist?“ Truman betrachtete Trudys Rücken. Ihr glattes blondes Haar fiel ihr auf die Schultern. Sie trug einen blaugrauen Blazer, und Truman konnte sich den dazu passenden Rock und die Pumps vorstellen, die er jetzt nicht sah. Normalerweise freute er sich, Frauen ihres Typs zu treffen, aber nicht heute.

„Vermutlich ist sie irgendeine Praktikantin, die von einer Eliteuniversität kommt und einen Sommerjob bei der ‚New York News ergattert hat?“ Er hob eine Hand. „Nein, verraten Sie es mir nicht. Sie geht aufs Vassar College. Sie bekommt nicht einmal Geld für das Praktikum, das ihr Vater ihr besorgt hat.“

„Wie kommen Sie darauf?“

„Ihrer Kleidung nach zu urteilen, glaubt sie, dass sie zu einer Teeparty geht statt auf Streife.“

„Wie ich bereits erklärt habe, sind Sie von Ihrer üblichen Arbeit befreit, also geht Miss Busey praktisch tatsächlich auf eine Teeparty. Solange Sie mit Ihnen zusammen ist, will ich, dass diese Stadt so sauber wie eine Badewanne aussieht. Nein“, verbesserte er sich, „für Miss Busey soll es ein Champagner-Springbrunnen sein.“

„Was ist mit dem Glasschuh-Fall?“

„Den habe ich Capote und Dern übertragen.“

Truman starrte ihn in stummem Protest an. Die beiden Kollegen waren völlig unfähig. „Sie werden den Fall nicht lösen.“

„Nein, aber ich lasse sie lieber an Schuhdiebstählen bei den Reichen herumpfuschen als an einem Mord auf der Upper East Side. Denn das war meine Alternative heute Morgen.“ Seufzend fügte Coombs hinzu: „Ich bin auf Ihrer Seite, Steele, aber diese PR-Aktionen sind wichtig.“

Truman schluckte das nur schwer. „Ich bin nicht besonders glücklich darüber, Chief“, erklärte er, was eine Untertreibung war.

„Rom wurde nicht an einem Tag erbaut, aber Sie haben zwei Wochen mit dieser Frau“, entgegnete Coombs. „Das bedeutet, was ich Capote und Dern an Fällen nicht übertrage, bearbeiten Sie in Ihrer Freizeit. Und jetzt seien Sie schön nett zu Miss Busey. Sie sieht wie ein Schatz aus. Im Übrigen brauchen Sie einen Haarschnitt. Tut mir leid, aber so sind nun mal die Vorschriften.“

„Seien Sie nett“, murmelte Truman auf dem Weg zu seinem Schreibtisch, den Blick auf Trudy gerichtet. Da es um pure Werbung für die Stadt und die Polizei ging, hatte er geglaubt, die „New York News“ würde einen erfahrenen Reporter schicken. Man würde ein paar Runden Billard zusammen spielen, im Streifenwagen sitzen und Espresso trinken, während man die Sache besprach. Dazu wäre vielleicht ein Nachmittag nötig gewesen, und anschließend hätte er wieder seine übliche Runde gedreht.

Und jetzt das! Truman ging in sein Büro und setzte sich an seinen grauen Metallschreibtisch. Dann schob er einen riesigen Stapel kaffeefleckiger Akten beiseite und drehte den Computermonitor in seine Richtung. Nachdem er es sich bequem gemacht hatte, hob er langsam den Blick – und sah in blaue Augen, die so faszinierend waren, dass er froh war, bereits zu sitzen.

„Also, Sie sind Mr Steele?“, sagte sie etwas schroff.

Truman fragte sich, was eine so attraktive Frau so verärgert haben konnte.

Das fängt ja gut an, dachte er. „Und Sie müssen die Reporterin sein.“

Sie nickte knapp. „Na gut, dann bin ich hier richtig.“

Er wünschte, er würde sich nicht so seltsam elektrisiert fühlen. „Sieht ganz so aus.“

Sie nahm den Ordner, den sie sich unter den Arm geklemmt hatte, und schlug ihn auf, sodass sein Bild zu sehen war. „Es freut mich auch, Sie kennenzulernen“, meinte sie ironisch und fragte, als könne sie seine Gedanken lesen: „Ich hoffe, es macht Ihnen nichts aus, wenn ich mich danach erkundige, aber wieso sind Sie so gereizt?“ Sie tippte auf das Foto. „Haben Sie etwa einen schlechten Tag, Mr Steele?“

Er hätte sich denken können, dass die PR-Abteilung diese Mappe an die „New York News“ schicken würde. Auf dem Foto posierte er mit nacktem Oberkörper und enger Jeans in einem Streifenwagen mit offener Tür wie ein Playgirl-Model. „Die Polizei von Los Angeles bekam viel schlechte Publicity, und unsere PR-Abteilung fürchtete, das könnte hier auch passieren, wenn man nicht gegensteuerte“, verteidigte er sich.

Unter dem Foto standen ein paar Angaben, die sie laut vorlas. „Truman Steele. Größe: eins zweiundachtzig. Gewicht: achtzig Kilo. Wohnort: Greenwich Village. Hobbys: Sporttauchen, Squash, Skifahren …“

Als sie fertig war, sagte er: „Und Sie sind Trudy Busey. Ihrem Akzent entnehme ich, dass Sie nicht von hier stammen.“

„Wie sind Sie bloß zu dieser erstaunlichen Schlussfolgerung gekommen? Haben Sie vielleicht Berge von forensischen Beweisen durchforstet?“

Das fing ja wirklich gut an. Aber sie kannte ihn noch nicht lange genug, um ihn zu hassen. „Nur für den Fall, dass man Ihnen das auf Ihrer Eliteuniversität nicht beibringt – wir Cops haben nicht überall ein Wort mitzureden. Und dazu gehört, ob wir fotografiert werden oder nicht.“

„Für mich sieht es so aus, als hätten Sie das Posieren genossen.“

„Sie sagen das, als hielten Sie mich für ziemlich beschränkt, was meine geistigen Fähigkeiten angeht.“

„Sind Sie es?“

„Sie haben zwei Wochen, um es herauszufinden.“ Truman empfand eine vage Enttäuschung und erkannte, dass er gehofft hatte, ihr ein echtes Lächeln zu entlocken. Aber sie war nicht der Typ für Scherze. Er beugte sich über den unordentlichen Schreibtisch und suchte ihren Blick. Sein Lächeln schwebte zwischen milder Belustigung und Verärgerung. Er hielt eine Akte hoch. „Wissen Sie, was das ist, Miss Busey?“

„Ist das ein Test?“ Sie kniff theatralisch die Augen zusammen. „Ein Aktenordner?“

Er grinste. „Bravo! Es sieht aus wie eine Akte. In Wirklichkeit ist es jedoch einer der zwanzig ungeklärten Morde auf meinem Schreibtisch. Morde, die nicht geklärt werden wegen so einer PR-Aktion. Dies ist Manhattan. Wir haben vier Morde täglich.“

Er bekam kaum mit, dass Trudy ihren Notizblock aufschlug und anfing zu schreiben. „Das heißt also, Sie arbeiten an zwanzig Fällen?“

Seufzend begriff er, dass sie wahrscheinlich eine tolle Reporterin war. „Ja“, bestätigte er, nicht besonders glücklich darüber, die nächsten beiden Wochen an diesen Fällen in seiner Freizeit arbeiten zu müssen.

„Mit oder ohne Partner?“

„Normalerweise mit. Meiner hat gerade gekündigt.“

Ihre Lippen zuckten. „Lassen Sie mich raten. Sie kamen nicht mit ihm zurecht?“

„Sie wurde zum Police Plaza versetzt.“

Trudy war überrascht. „Ihr Partner war eine Frau?“

Seine Fähigkeit, mit dem anderen Geschlecht zusammenzuarbeiten, war vermutlich der Grund dafür, weshalb er jetzt Trudy auf dem Hals hatte. „Das ist sie noch immer. Und wir verstanden uns gut. Normalerweise verlaufen meine Begegnungen mit Frauen nicht feindselig.“

Trudy lächelte. „Möglicherweise habe auch ich heute wichtigere Dinge zu tun, Officer Steele, als Sie zu begleiten. Haben Sie daran schon einmal gedacht?“

Das war es also. Sie dachte, er hätte sich bei Coombs beklagt. Und nein, Truman hatte angenommen, sie sei begeistert, mit einem Cop durch die Gegend zu fahren. Den meisten Frauen gefiel das. „Wichtigere Dinge?“, rutschte es ihm heraus. „Wie Lunch im Plaza? Oder vielleicht eine heiße Story über ein Museum? Oder über den Panda-Nachwuchs im Zoo?“

Das brachte sie nicht auf die Palme. „Die Pandas sind in San Diego, nicht in New York. In dieser Woche hat der Bürgermeister die Etats gekürzt, und ich wollte heute Morgen dabei sein, wenn eine psychiatrische Einrichtung geschlossen wird. Deshalb bin ich so angezogen. Und um das klarzustellen – ich habe nicht darum gebeten, hier zu sein.“

„Na ja, da Sie nun mal hier sind, bin ich froh, dass Sie dieses Kostüm tragen. Wir müssen uns nämlich in den nächsten zwei Wochen auf der vornehmen Upper East Side herumtreiben und reichen Damen mit Pudeln Strafzettel schreiben, weil sie vergessen, die Hundehaufen zu beseitigen.“ Truman lächelte. „Falls es wirklich hektisch wird, erleben Sie vielleicht, wie ich mir einen unachtsamen Fußgänger vornehme.“

„Ich hoffe auf jemanden, der vergessen hat, eine zusätzliche Münze in die Parkuhr zu werfen“, entgegnete Trudy ruhig.

„Nur wenn ich nicht zu sehr damit beschäftigt bin, Strafzettel für unangeleinte Hunde auszustellen.“

„Hören Sie“, sagte Trudy jetzt ernst. „Geben Sie nicht mir die Schuld. Wenn Ihre PR-Leute endlich aufhören mit solchen Aufträgen …“

„Die ‚New York News ist das Problem“, unterbrach er sie. „Ihr Boss lässt die Stadt mal wieder wie Kansas aussehen, damit der Bürgermeister ihm einen Gefallen schuldet.“

„Kansas kann ganz schön schlimm sein.“

Er seufzte. „Wie lange arbeiten Sie schon bei Ihrer Zeitung?“

„Lange genug.“

„Oh, Sie sind schlau und ehrgeizig, aber die Jungs lassen Sie nicht weiterkommen?“

Offenbar hatte er einen Nerv getroffen. „Zwei Jahre“, murmelte sie.

Plötzlich tat sie ihm leid. Schon jetzt konnte er sehen, dass sie intelligenter war als die meisten Reporter, die er kennengelernt hatte. Als er merkte, dass er sie anstarrte, wandte er rasch den Blick ab, und die Akte, die er hielt, rutschte ihm aus der Hand. Fluchend versuchte er die grässlichen Farbfotos einzusammeln, die sich auf seinem Schreibtisch verteilten. Sie stammten von einer tödlichen Schießerei in einem Crack-Haus. „Entschuldigen Sie.“

Ihre Stimme war kühl, ihr Kugelschreiber bereit. „Wieso habt ihr Jungs keine Aktenschränke? Haben Sie Budgetprobleme? Möchten Sie dazu etwas sagen?“

Natürlich gab es Budgetprobleme, und ja, er würde gern etwas dazu sagen, nur beunruhigte sie ihn. Erstens wollte sie aus ihrer Geschichte für die Öffentlichkeitsarbeit etwas Tiefschürfenderes machen, was sowohl ihren als auch seinen Chef in Rage bringen würde. Außerdem hatten die grässlichen Fotos sie nicht einmal aus der Fassung gebracht. „Wie kommt ein nettes Mädchen wie Sie zu einem solchen Pokerface?“

„Ich bin kein Kind.“

Offenbar fühlte sie sich schnell von oben herab behandelt. „Wer behandelt Sie denn wie ein Kind?“

„Ich bin hier nicht diejenige, die interviewt wird, sondern Sie.“

„Tja, jetzt wissen Sie wenigstens, was das für ein Gefühl ist.“

„Tut mir leid, aber wie ich schon sagte, ich habe nicht darum gebeten, hier zu sein.“

Nein, und es fing an, ihn zu ärgern. „Die meisten Leute mögen Cops. Wir sind die Guten. Die Helden.“

Trudy lachte leise. „Es sei denn, Sie lassen sich bestechen.“

„Sie hören wohl nie auf, oder?“

„Hartnäckigkeit ist eine gute Eigenschaft für Reporter“, erwiderte sie.

Er zielte wieder auf ihren wunden Punkt. „Vielleicht nicht so gut für Frauen.“

Sie stand unvermittelt auf. Jetzt, wo sie vor ihm stand, registrierte Truman verlockende Einzelheiten an ihrer konservativen Kleidung: ein am Kragen zusätzlich offener Knopf, ein durch die Bluse schimmernder Spitzen-BH, ein enger Rock, der ihre Hüften wie eine zweite Haut umgab. Er würde jeden Dollar seiner zukünftigen fünf Millionen darauf verwetten, dass ihre Beine, die er nicht sehen konnte, so wohlgeformt waren, dass sie für Strumpfhosen Werbung machen konnte.

Erst als ihre zu Fäusten geballten Hände auf seinem Schreibtisch landeten, bemerkte er den Diamantring. Für einen Moment sank sein Mut, dann erkannte er jedoch, dass der Ring an der falschen Hand saß. Bevor seine Mutter seinen Brüdern und ihm das Heiratsultimatum gestellt hatte, wären ihm Eheringe ganz sicher nicht aufgefallen. „Kommen Sie“, versuchte er sie zu beruhigen und bemerkte, dass er sich mit ihr zusammen erhoben hatte. „Wieso setzen Sie sich nicht wieder?“

„Weil Sie mich angreifen. Und weil ich lieber an Berichten über die Schließung von psychiatrischen Einrichtungen, die Lotterie oder die Ölpest bei den Galapagosinseln arbeiten würde.“

Truman wollte lieber nicht an die Galapagosinseln oder die Lotterie denken und musterte Trudy noch einmal. Sie war zäher, als sie aussah, und ihm gefiel ihre Engagiertheit.

„Wieso starren Sie mich an?“, verlangte sie zu wissen.

Weil er sie gerade von seiner Liste der potenziellen Ehefrauen strich. Trudy Busey war viel zu faszinierend, und er suchte eine Frau, die ihn in der Gewissheit einer baldigen Scheidung heiraten würde. Er dachte über die fünf Millionen Dollar nach und rechnete bereits den Unterhalt ab. „Weil ich darüber nachdenke, wie wir weitermachen“, sagte er. „Sie werden doch dafür sorgen, dass dieser Bezirk und die Straßen von New York gut aussehen, oder?“

„Sie sagen das, als sei ich gekauft“, meinte sie empört. „Als brauchte ein Reporter diese Geschichte gar nicht erst zu schreiben.“

Sein Ton wurde milder. „Da ist was dran.“

„Lassen Sie uns eines klarstellen“, konterte sie. „Dieser Auftrag ist meine Vorstellung von einer Hölle.“

Ehe er etwas entgegnen konnte, entdeckte er seine Mutter, die mit einem Stapel Flugblätter das Polizeirevier betrat. Vermutlich wollte sie um Kleiderspenden für die Obdachlosen bitten. Sosehr Truman seine Mutter auch liebte – sie besaß das Talent, in den unpassendsten Momenten aufzutauchen. Er konnte sie beinah sagen hören: „Ah, du hast also schon deine Braut gefunden!“

Was bedeutete, dass ihm ungefähr drei Minuten blieben, Trudy loszuwerden. Möglicherweise fünf, da seine Mutter gerade stehen geblieben war, um mit Capote und Dern zu reden.

„Bevor wir gehen“, erklärte er, „habe ich hier noch ein paar Dinge zu erledigen.“ Er klappte den Ordner mit seinem Foto zu und schob ihn über den Schreibtisch zu Trudy. „Mein Streifenwagen steht unten in der Garage. Macht es Ihnen etwas aus, dort zu warten? Ich bin in zwanzig Minuten da.“

„Kein Problem.“ Sie nickte kurz. Dann nahm sie den Ordner, drückte ihn an die Brust und drehte sich um. Truman pfiff leise, als er ihr nachsah. Er hatte recht gehabt, was ihre Beine anging. Sie waren lang und wohlgeformt und von einer schimmernden Sommerstrumpfhose umschmiegt. Die sanften Rundungen ihres Pos machten ihn ganz benommen.

Er hatte zwar nichts mehr zu erledigen, aber nach der Begegnung mit Trudy brauchte er einen Augenblick zum Nachdenken. Er brauchte eine Strategie für seinen Umgang mit ihr. Die Wahrheit lautete, dass sie entschlossen und starrsinnig war und ihn an Sue erinnerte, die Frau, die er fast geheiratet hätte. Nichts konnte einem so das Herz brechen wie junge Liebe. Und kaum etwas war schwerer zu überwinden wie der Verlust eines ungeborenen Kindes.

Truman schüttelte diese Gedanken ab und ging zu seiner Mutter. Nachdem sie fort war, trank er einen Becher Kaffee und schaute schließlich auf seine Uhr. Dreißig Minuten. Das war lange genug, um Trudy zu signalisieren, dass er ein viel beschäftigter Mann war.

Er kehrte in sein Büro zurück, wo sein Blick auf die Akten fiel. „Da fehlen welche!“, flüsterte er. So unordentlich es auch aussah, ging er doch äußerst methodisch vor. Capote und Dern hatten die Akten des Glasschuh-Falls noch nicht abgeholt, also müssten sie noch auf seinem Schreibtisch liegen. Sie hatten gleich neben den PR-Unterlagen gelegen, die Trudy Busey …

„Oh, sie ist gut“, murmelte er, als ihm klar wurde, dass sie sie gestohlen hatte. Dann eilte er in die Parkgarage des Polizeireviers.

Trudy hatte nicht vor, weiter über ihre Begegnung mit Truman Steele nachzudenken, daher machte sie es sich in seinem Streifenwagen bequem und vertiefte sich in seine Akten. Sie betrachtete gründlich die Fotos der wunderbarsten Schuhe, die sie je gesehen hatte. Steele war ein guter Polizist, wie sie zugeben musste, während sie sich Notizen zu den Aussagen der Diebstahlopfer machte, die allesamt bekannte Frauen aus der Medien- und Modebranche und der Politik waren.

„Diese Schuhe sind unglaublich“, flüsterte sie und blätterte die fast hundert Fotos durch, auf denen die Frauen sie getragen hatten. Da war ein Model auf dem Laufsteg, eine Schauspielerin auf dem roten Teppich bei der Oscarverleihung, eine ehemalige First Lady bei einer Festrede.

Aus rein beruflichem Interesse, wie Trudy sich versicherte, überlegte sie, wie Truman so reiche, kultivierte und schöne Frauen befragt hatte. Sie erschauerte und versuchte nicht daran zu denken, wie jede seiner Bewegungen seine natürliche erotische Ausstrahlung zum Ausdruck brachte. Es war kaum zu fassen, aber allein die Art, wie er sie angesehen hatte, hatte sie erregt. Seine dunkelbraunen Augen waren so sinnlich und verheißungsvoll …

Fast war sie erleichtert darüber, dass die Tür, gegen die sie sich lehnte, aufgerissen wurde. Reflexartig suchte sie Halt am Armaturenbrett und stützte sich mit einem Bein auf dem Boden ab. Sie kletterte aus dem Wagen und bereitete sich darauf vor, sich zu verteidigen, als sich erstaunlich warme, starke Hände auf ihre Schultern legten.

Plötzlich fiel ihr das Atmen schwer. „Officer Steele?“ Verdammt, sie hatte den Notausgang im Auge behalten wollen, um rasch die Akten unter den Sitz schieben zu können, sobald er auftauchte.

Er zog sie an sich. „Haben Sie jemand anderes erwartet?“

Sie schluckte hart, als er die Wagentür zuschlug. „Ich dachte, wir wollten los.“

„Noch nicht.“

Jetzt wirkte er nicht mehr wie der hübsche Junge, sondern war ganz der wachsame Cop. Trudy spürte seine Körperwärme durch sein Uniformhemd hindurch, und als sie registrierte, dass ihre Brüste nur wenige Zentimeter von seinem Oberkörper entfernt waren, bekam sie weiche Knie. Oh ja, dies war absolut der falsche Zeitpunkt, um sich daran zu erinnern, wie seine Brust auf dem Foto ausgesehen hatte – nackt und glatt, genauso wie Trudy es mochte, mit ausgeprägten Muskeln und aufgerichteten Brustwarzen. Er sah ihr in die Augen und hob mit dem Zeigefinger ihr Kinn. „Sehen Sie mich an.“

„Hören Sie auf, mich anzufassen, dann tue ich es.“

Er schien sie zu durchschauen. „Stört es Sie, dass ich Sie anfasse?“

„Natürlich.“

Er ließ die Hände sinken, doch Trudys Brustknospen hatten sich bereits aufgerichtet. Allerdings konnte er das nicht sehen. Trotzdem errötete sie und wünschte, sie wären wieder oben unter all den anderen Polizisten statt allein in dieser verlassenen Tiefgarage.

„Sie haben meine Akten gestohlen.“

Noch immer stand sie mit dem Rücken an die Wagentür gedrückt. „Können Sie mir ein wenig Luft zum Atmen geben?“

„Was ist in Sie gefahren?“

Sie hob eine Braue. „Was in mich gefahren ist? Das muss ein Dämon gewesen sein.“

„Langsam fange ich an zu glauben, dass Sie einfach so sind.“

„Keine Sorge“, erwiderte sie trocken, froh darüber, dass ihre Stimme normal klang. „Ich habe nichts gelesen, wofür ich zu zartbesaitet wäre.“ Die Tatortfotos oben hatten ihr mehr zu schaffen gemacht, als sie sich hatte anmerken lassen, und obwohl es sie normalerweise ärgerte, wenn Männer sie beschützen wollten, rührte es sie, dass Truman ihr die Fotos hatte ersparen wollen.

„Sind Sie wirklich so knallhart?“

„Selbstverständlich nicht.“ Jedenfalls gewöhnlich nicht. Aber sie war nicht vorbereitet gewesen auf das, was Trumans Foto nicht zeigte – seine Energie und seine männliche Ausstrahlung. „Aber ich bin hier, um meine Arbeit zu tun.“

„Wie unredlich die auch sein mag?“

„Ich bin Reporterin.“ Und sie hatte nicht die Absicht, zum „Milton Herald“ zurückzukehren, wo ihre Artikel weitaus öder waren als ihr gegenwärtiger Job und sich um ausgebrochene Kühe, verstopfte Abwasserkanäle und die gelegentliche Geburt von Zwillingen drehten. „Unredlich ist es, eine Reporterin in der Tiefgarage warten zu lassen und so zu tun, als seien Sie beschäftigt. Geben Sie es zu, Sie haben bloß noch einen Donut gegessen. Mit Schokoladen- oder Vanillefüllung?“

„Schokolade“, antwortete er ohne Zögern.

„Sie haben mich absichtlich warten lassen.“

„Sie haben diese Akten gestohlen.“

Sie deutete auf eine Serviette auf dem Armaturenbrett. „Jemand war so nett, mir auch einen Donut zu bringen.“ Sie lächelte. „Und die Akten lasen sich gut.“ Das zornige Funkeln in seinen Augen signalisierte ihr, dass sie zu weit gegangen war, daher versuchte sie ihn durch Schmeichelei zu besänftigen. „Mein Kompliment. Ihre Befragungsmethoden sind sehr gründlich.“

„Es ist illegal, Polizeiakten zu stehlen. Ich könnte Sie deswegen belangen.“

„Das stimmt. Allerdings könnte Captain Coombs dann von meinem Artikel enttäuscht sein.“

„Erpresserin“, zischte Truman. „Das würden Sie nicht tun.“

Sie zuckte mit den Schultern. „Ich bin an der Glasschuh-Story interessiert. Ich hoffe, Sie werden mit mir reden. Inoffiziell, falls nötig.“

Sein Blick, der viel zu lange auf den Ausschnitt ihrer Bluse gerichtet war, verriet plötzlich Respekt, und als er sich vorbeugte, als wolle er sie genauer betrachten, schien sein Mund ihrem viel zu nah. „Ich soll über meinen Fall reden? Wenn ich Sie nicht durch die Stadt chauffieren müsste, würde ich ihn lösen.“

Sie runzelte die Stirn. „Jemand anders hat den Fall bekommen?“

„Capote und Dern.“

Sie hatte von ihnen gehört. „Die sind nicht besonders helle.“

Er wirkte zufrieden. „Das stimmt.“

„Haben sie alle Ihre Fälle bekommen?“

Er schüttelte den Kopf. „Nur einige. Den Glasschuh-Opfern gefällt das Gefühl nicht, keine verfügbare Kontaktperson zu haben. Und?“, fuhr er in düsterem Ton fort, „haben Sie alle meine Akten gelesen?“

„Lunch im Plaza“, erwiderte sie und wünschte, dieser Mann wäre nicht schlichtweg atemberaubend. „Haben Sie nicht gesagt, dafür sei ich genau richtig gekleidet? Vielleicht ist mein Interesse an den Schuhen ja rein modisch motiviert. Haben Sie daran schon einmal gedacht?“

Truman fluchte. „Sie haben jedes verdammte Wort gelesen.“

„Steele“, sagte sie, und ihr gefiel der Klang seines Nachnamens, „um ganz ehrlich zu sein, Ihr Timing war ausgezeichnet. Gerade als Sie die Garage betraten, wurde ich mit den letzten Sätzen fertig.“

„Steigen Sie ein, Trudy“, knurrte er. „Haben Sie etwas dagegen, wenn ich Sie Trudy nenne?“

„Nicht, solange wir uns nicht die Hände schütteln müssen.“ Körperkontakt mit Truman Steele wäre möglicherweise zu viel für sie gewesen. Seine Hände gefielen ihr nämlich sehr. Groß, mit langen Fingern und gepflegten Nägeln. Sie versuchte nicht daran zu denken, wie sie sich auf ihrer nackten Haut anfühlen würden.

Nachdem sie beide in den Wagen gestiegen waren, präsentierte Trudy ihm die Nachricht, die sie unter dem Scheibenwischer gefunden hatte. Sie beugte sich zu Truman herüber und schob sie ihm säuberlich gefaltet in die Brusttasche seiner Uniform.

„Officer Steele“, zitierte sie aus dem Gedächtnis. „Ich weiß, Sie haben mich wegen Trunkenheit und Erregung öffentlichen Ärgernisses verhaftet, aber ich muss mit Ihnen reden. Lassen Sie uns bald zusammen essen gehen. Mit besten Wünschen, Candy.“

Trumans Miene war grimmig. „Halten Sie sich aus meinem Privatleben heraus.“

„Privatleben?“, wiederholte Trudy spöttisch. „Gehen Sie öfter mit Frauen aus, die Sie verhaftet haben?“

Er machte ein Gesicht, als hätte er größte Lust, sie zu verhaften. „Nie.“

Trudy verkniff sich ein Lachen. Sie war sich nicht sicher, ob sie Truman Steele mochte. Aber ihr gefiel das Geplänkel mit ihm. Allerdings hatte sie nicht vor, die langweilige Story abzuliefern, die ihr Boss erwartete. Wie jeder Mensch, hatte auch Truman etwas zu verbergen. Und was immer es war, Trudy beabsichtigte, es herauszufinden.

3. KAPITEL

Vor Tagen, als Trudy begonnen hatte, sich in Trumans Privatleben zu vertiefen, um ihren Artikel interessanter zu gestalten, hatte sie damit gerechnet, auf Geheimnisse zu stoßen. Jedoch nicht auf solche. Sie hockte geduckt hinter einem Busch im Bryant Park und beobachtete, wie er den siebenten Sexshop an diesem Abend verließ und auf ein Pornokino zuging. Die meisten Geschäfte in der Straße boten relativ harmlose Reizwäsche und Bücher an, doch eines widmete sich finsteren Masken mit Reißv...

Autor

Jule Mc Bride
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