Black Jack - Spiel mit der Liebe

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Wer ist der sexy Fremde, dem die junge Autorin Madison in Texas begegnet? Er sieht aus wie der Geheimagent Black Jack Brogan, Held ihrer erfolgreichen Romane. Und er entführt sie in ein Abenteuer, das bald aufregender und sinnlicher als jedes Glücksspiel ist …


  • Erscheinungstag 08.03.2015
  • ISBN / Artikelnummer 9783733788148
  • Seitenanzahl 128
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Alle Welt glaubte, er hätte ins Gras gebissen. Aber das war nicht der Fall. Er hatte noch lange nicht vor, bei St. Petrus anzuklopfen. Vorher musste er noch eine Rechnung mit dem schießwütigen Kerl begleichen, der ihn den Kojoten und Komantschen überlassen hatte, weil er ihn für tot hielt.

Ein grimmiges Lächeln glitt über Black Jacks Gesicht. Wenn der den Mann hatte, würde der Kampf beginnen.

Black Jack Brogan, Band 12

„Jack wieder im Sattel“

Black Jack Brogan lebte. Gesund und munter saß er in Godforsaken, Texas, und trank Tequila.

Nein, das gab es doch nicht! Sprachlos blieb Madison Talley am Eingang der schäbigen kleinen Kneipe stehen, starrte den Fremden an, blinzelte und starrte.

Er war immer noch da. In voller Lebensgröße.

Madison brach der Schweiß aus, und sie hatte plötzlich weiche Knie. Black Jack hatte immer diese Wirkung auf sie.

Sie riss sich zusammen, setzte sich an einen der Tische und bestellte ebenfalls Tequila. Der Schnaps würde ihr hoffentlich helfen, einen klaren Kopf zu bekommen und unter den kräftig trinkenden Gästen in diesem heruntergekommenen Saloon weniger aufzufallen. Gleichzeitig konnte sie sich so den Betrüger aus der Nähe ansehen. Denn ein Betrüger war er ohne Zweifel. Sie wusste, musste es schließlich wissen, dass es Black Jack nicht gab.

„Black Jack Brogan ist eine Fantasiegestalt“, murmelte Madison. „Ich habe ihn mir selbst ausgedacht.“

Zu dumm aber auch, dass der Mann keineswegs wie eine erfundene Gestalt aussah. Im Gegenteil, er wirkte wie der Traum einer jeden Frau. Sie verdrängte den Gedanken, trank den Schnaps, verschluckte sich prompt und hustete, als sie das Brennen in der Kehle spürte.

Aber nicht mal der Tequila half ihr, das Problem zu lösen. Der Doppelgänger ihres Romanhelden war noch da. Da ihr der scharfe Schnaps die Tränen in die Augen trieb, sah sie alles leicht verschwommen, doch sie fand den Fremden jetzt sogar noch attraktiver als vorhin.

Unmöglich, dachte sie und musterte ihn finster. Er legte seine Karten verdeckt auf den kleinen, zerkratzten Tisch und blies den Rauch seiner Zigarre aus.

Madison war besonders umsichtig vorgegangen, als sie Black Jack geschaffen hatte. Ganz bewusst hatte sie ihm lauter Eigenschaften gegeben, die sich gut verkaufen lassen würden. Damals hatte sie verzweifelt Arbeit gesucht und gehofft, mit einer interessanten männlichen Hauptfigur den Einstieg in eine Romanserie zu finden.

Aber schon bald hatte ihr Held ein Eigenleben entwickelt. Er drängte sie zum Weiterschreiben und verlangte, dass sie ihr Bestes gab. Sie machte sich keine Gedanken mehr darum, ob Jacks Abenteuer dem Geschmack des Verlages entsprachen, sondern verließ sich völlig auf ihre spontanen Eingebungen. So war Black Jack der Held ihrer siebzehn Bestseller geworden, die alle im Wilden Westen spielten.

Sicher, zurzeit fiel ihr für ihr achtzehntes Buch absolut nichts ein, aber das war wohl kaum Black Jacks Schuld. Nein, er war schon großartig. Eigensinnig, arrogant und verdammt sexy …

Sie hatte ihn während des Bürgerkriegs in „Union Jack“ als Spion eingesetzt, ihn in „Jacks wilde Zeit“ in Dodge City spielen und schießen lassen und ihn sogar in ihrem Lieblingsbuch „Jack, sei flink, Jack, sei schnell“ eine der weniger tugendhaften Töchter Queen Victorias verführen lassen, um Staatsgeheimnisse zu schützen. Wenn etwas ungesetzlich, finanziell lohnenswert und sehr, sehr gefährlich war, dann steckte ihr Black Jack bis über beide Ohren darin.

Was zum Teufel machte er dann an einem der schmutzigen Tische in dieser Kneipe? Wozu rauchte er eine Zigarre, spielte mit einer Gruppe übel riechender Männer Poker? Ihr Held würde sich nie zu etwas Derartigem herablassen. Das Lokal war zu verkommen für Black Jack Brogan.

Vorsichtig schlich sie an den Nebentisch und suchte sich einen Platz aus, auf dem sie ihm den Rücken zukehrte. „Jack“ schien sich ganz auf das Pokerspiel zu konzentrieren und achtete nicht darauf, dass sie sich hinsetzte und umdrehte, bis sie ihn gut im Blickfeld hatte, ohne ihn allzu offensichtlich anzustarren.

Es war geradezu unheimlich.

Von den abgetragenen Stiefeln bis hin zu dem schwarzen Schatten seines Dreitagebarts war es Jack, wie sie ihn kannte. Der Fremde hatte die gleichen grauen Augen unter geschwungenen schwarzen Brauen, die gleichen schmalen, sexy Lippen und sogar die gleiche Kerbe am Kinn. Er besaß auch diese überwältigende männliche Ausstrahlung, die sie für einen Mythos gehalten hatte, als sie Black Jack diese Eigenschaft verliehen hatte.

Sie wusste nicht, was sie tun sollte. Es war leicht, mit ihrem Helden auf Papier zurechtzukommen. Es war jedoch eine vollkommen andere Sache, ihn in Fleisch und Blut vor sich zu sehen. Sie glaubte, jeden Moment in Ohnmacht fallen zu müssen, und hätte sich zur Stärkung gern noch einen Tequila bestellt. Aber die aufgetakelte Kellnerin mit dem blond gefärbten Haar hatte sich einem der Pokerspieler an den Hals gehängt und war zu sehr damit beschäftigt, die blaue Tätowierung auf seinem Unterarm zu betrachten, um Gäste bedienen zu können. Also musste Madison sich damit abfinden, dass sie nicht mal ein Glas Wasser bekommen würde.

Gehen wollte sie auch nicht. Dazu war es hier viel zu interessant. Madison setzte ihre heimliche Beobachtung fort und vermutete, dass Jack gewinnen würde. Er hatte den größten Stapel Geld vor sich und fügte nach jeder Runde mehr hinzu. Ebenso war ihr aufgefallen, dass die üblen Kerle an seinem Tisch unleidlich wurden, während ihr Held vollkommen gelassen blieb.

Es würde bestimmt bald Ärger geben. Entweder konnte Jack gut bluffen oder er hatte erstaunliches Glück. Sie lächelte triumphierend. Natürlich hatte er Glück. Schrieb sie das nicht immer?

Das Gemurmel am Nebentisch klang ziemlich Unheil verkündend, Madison machte sich allmählich Sorgen. Sie wischte sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn und wünschte sich, sie säße nicht so dicht neben ihnen.

Die anderen drei Männer, ebenfalls tätowiert und lederbekleidet, stanken nach Schweiß und Staub. Es war jedoch nicht der Geruch, den Madison so überwältigend fand. Sie saß da, spürte, wie ihr der Schweiß zwischen den Brüsten über die Haut lief, erstickte fast in der Hitze, atmete Staub und Schnapsdunst ein und bemühte sich, das, was ihr so zu schaffen machte, nicht zu beachten. Aber sie war machtlos dagegen. Eine eigenartige Energie ging von Jack aus, ein nur mühsam unterdrückter Zorn. Diese Strömung nahm sie wahr und zog sie magisch an.

Irgendwie wusste sie sofort, dass er hier genauso fremd war wie sie. Die anderen mochten regelmäßig herkommen, aber nicht er. Das erkannte sie an seiner Haltung, an der Art, wie seine Mitspieler ihn behandelten und an den neugierigen Blicken der Kellnerin.

Das Gemurmel wurde lauter. Schließlich warf einer der Männer die Karten auf den Tisch und sprang wütend auf.

„Sie haben verdammt viel Glück, Mann“, stieß er hervor. „Sie haben mir mein ganzes Geld abgenommen. Ich habe darauf gewartet, dass ich Sie bei einem faulen Trick erwische, aber ich habe nichts bemerkt.“

Es folgten eine Reihe Flüche, die Madison noch nie gehört hatte und hoffte, sie nie wieder zu hören. Der wütende Spieler warf seinen Stuhl um und verließ das Lokal. Für einen kurzen Augenblick fiel Sonnenschein in den dunklen Raum. Madison blinzelte in dem gleißenden Licht. Doch sie hielt ihre Aufmerksamkeit auf das Geschehen hinter sich gerichtet.

Es wurde still. Sie hörte nur das Geräusch ihres eigenen Atems. Dann raschelte Papier. Jack legte ein paar Scheine auf den Stapel Geld in der Mitte des Tisches und erhöhte den Einsatz.

„Gehen Sie mit, oder geben Sie auf?“, fragte er leise.

Madisons Herz tat einen Sprung. Selbst seine Stimme klang so, wie sie es sich vorgestellt hatte. Tief und klar; weich, aber bestimmt. Der Mann ihrer Träume war Wirklichkeit geworden. Sie wusste nicht, ob sie vor Begeisterung außer sich sein oder einfach vor Schreck erstarren sollte.

„Sie haben schon mein ganzes Bargeld“, erwiderte der Muskelprotz mit der Kellnerin auf dem Schoß. Er hatte eine krächzende, hohe Stimme, die gar nicht zu seinem Äußeren passte. „Ich habe nicht mehr, Mann.“

„Sie müssen sich aber entscheiden, ob Sie mitgehen oder aussteigen wollen.“

„Wie wäre es damit?“ Madison sah, wie der krächzende Kerl eine Hand zur Faust ballte und Jack unter die Nase schob. „Mit meinem Ring“, fügte er hinzu und grinste breit. Madison atmete erleichtert auf. Wenigstens wollte er nicht Jacks markantes Gesicht vor ihren Augen verschandeln.

„Ich will keinen Schmuck“, erklärte Jack.

„Was wollen Sie dann?“

Es entstand eine Pause. Jeder in der Bar schien gespannt auf die Antwort zu warten. „Sie“, sagte Jack, lehnte sich auf dem Stuhl zurück und ließ seinen Blick über die nur spärlich verhüllten Kurven der Kellnerin gleiten.

Madison wäre beinahe aufgesprungen und hätte ihn eigenhändig erdrosselt. Was fand Black Jack nur an dieser widerlichen Person? Na gut, die Frau hatte üppige Brüste und war bestimmt nicht wählerisch, wenn es um Männer ging. Aber Jack stellte doch höhere Ansprüche!

Sie warf ihm einen finsteren Blick zu. „Schuft!“, hätte sie ihn am liebsten angefahren.

„Prima“, erwiderte der Mann mit der krächzenden Stimme und schob die Frau von seinem Schoß. „Ich gehe mit.“

Madison konnte ihr Interesse nicht mehr verbergen. Sie schaute Jack offen an. Er zog für die Kellnerin einen Stuhl an den Tisch und deckte dann seine Karten auf. Er hatte drei Zweier. Das war alles? Sie erinnerte sich, dass sie sich für ihr Buch „Einäugiger Jack“ übers Pokerspiel informiert hatte, aber sie konnte sich nicht mehr erinnern, was wie viel zählte. Dennoch hielt sie drei Zweier nicht für besonders beeindruckend. Sie lächelte zufrieden. Zweifellos würde Jack sein Geld verlieren und nichts von den Reizen der Kellnerin zu sehen bekommen.

Madison spähte ihm über die Schulter und sah, wie der krächzende Muskelprotz seine Karten aufdeckte. Zwei Könige und zwei Damen. Ein Raunen ging durch den Raum.

Der Mann hatte gewonnen, nahm Madison an. Seine Könige und Damen sahen auf jeden Fall gut aus. Und falls der Riesengroße ihn übers Ohr gehauen haben sollte, hatte Jack es nicht anders verdient. Doch Jack schmunzelte. Aus dem Schmunzeln wurde ein Lächeln und schließlich ein schiefes Grinsen.

„Sieht so aus, als würde ich die Lady mit nach Hause nehmen“, bemerkte er gelassen. Dann beugte er sich vor und sammelte den Stapel Scheine ein.

Lady? So eine Frechheit! dachte Madison empört. Wo hatte ihr Held nur seinen Verstand gelassen?

Irgendwie fühlte sie sich schrecklich betrogen. Wie konnten drei kleine Zweier die Karten mit den hübschen Gesichtern schlagen? Leider schien niemand anders das für seltsam zu halten. Es hielt auch niemand Jack davon ab, sich mit der Kellnerin zu vergnügen, nachdem er sein Geld eingesteckt hatte.

Jack lächelte die aufgedonnerte Blondine an. Sie neigte sich über ihn, bis sie mit ihren üppigen Brüsten seinen Arm berührte und ihm fast auf dem Schoß saß. Alle Blicke im Raum wanderten erwartungsvoll zu dem Tisch hinüber. Wie würde der Mann mit der blauen Tätowierung reagieren? Würde es zu einer handfesten Auseinandersetzung kommen, gleich hier in der Kneipe?

Der Barbesitzer zog vorsichtig ein Gewehr unter der Theke hervor und hielt es griffbereit.

Madison stockte der Atem. In diesem Moment wurde ihr erst richtig bewusst, in was für ein übles Lokal sie ahnungslos hineinspaziert war.

Der Krächzer saß da, starrte Jack finster an, und Jack sog kräftig an seiner Zigarre. Er zeigte keinerlei Unsicherheit und erwiderte vollkommen gelassen den Blick seines Gegenübers. Er nahm auch nicht den Arm von der Taille der Blondine. Starke Spannung lag zwischen ihm und dem tätowierten Mann in der Luft. Schließlich stand der Muskelprotz auf und schlurfte zur Theke hinüber.

Ein Raunen der Enttäuschung ging durch die Reihen der Zuschauer. Die Auseinandersetzung hatte sich ohne den kleinsten Schlagabtausch aufgelöst. Offensichtlich hatten alle gehofft, wenigstens etwas Blut und ein paar gebrochene Knochen zu sehen.

„Schnaps her!“, befahl der Kerl mit der jämmerlich krächzenden Stimme. Er hing über der Theke und kippte den Tequila wie Wasser herunter, einen nach dem anderen.

Madison schluckte. Sie war unglaublich erleichtert, dass es keine Schlägerei geben würde. Doch ihre Erleichterung währte nicht lange. Betroffen schaute sie sich um. War sie so sehr mit Jack beschäftigt gewesen, dass ihr die lüsternen Blicke der Männer nicht aufgefallen waren? Hoffentlich bekam sie keinen Ärger.

Dennoch wollte sie nicht gehen. Eigensinnig hielt sie an dem Glauben fest, dass sie aufhören würden, sie anzustarren und rüde Bemerkungen zu machen, wenn sie die Typen beharrlich ignorierte. Schließlich musste sie wissen, was Jack vorhatte. Er konnte unmöglich ernsthaft an der Kellnerin interessiert sein. Jedenfalls nicht auf die Art und Weise, wie es nach außen hin schien. Nein, er musste ein anderes, hintergründiges Motiv haben, warum er sie in dem Pokerspiel hatte gewinnen wollen.

Was mag ihn dazu bewogen haben? überlegte Madison und beobachtete ihn mit unverhohlener Neugier. Alle anderen starrten auch zu ihm hinüber. Warum sollte sie es ihnen nicht gleichtun? Außerdem konnte sie sich so davon ablenken, dass drei der Motorradfahrer sie von oben bis unten musterten. Was konnte ein Mann wie Jack von einer solchen Person wie der Kellnerin wollen?

Nur eine Meisterautorin wie Madison Talley konnte sich so etwas ausdenken. Sie hatte Black Jack schon in weitaus schlimmere Situationen hineinmanövriert. Sie hatte ihn immer irgendeine Frau umwerben lassen. Manchmal aus echtem Interesse, aber wesentlich öfter, um irgendwelche Geheimnisse zu lüften, die die Handlung vorantrieben.

„Information“, entfuhr es ihr unwillkürlich. „Natürlich.“ Das trug ihr ein paar fragende Blicke ein, und sie presste rasch die Lippen aufeinander. Also hatte er sich die Blondine geangelt, um sich irgendwelche Informationen zu beschaffen, die er für irgendeinen Fall brauchte, an dem er arbeitete. Madison war stolz auf sich. Ja, das passte ausgezeichnet. Black Jack Brogan ging wie gewöhnlich seinen Geschäften nach. Er traf sich mit zwielichtigen Charakteren, nicht weil er es wollte, sondern weil die Umstände es erforderten.

Kaum hatte sie sich das eingeredet, da sah sie, wie Jack die Blondine fester an sich zog und ihr etwas ins Ohr flüsterte.

Er machte seine Sache wirklich gut, das musste Madison ihm lassen. Die Blondine stand auf, zog an ihrem Minirock, der eben gerade ihren Po verdeckte, fuhr sich in schlechter Marilyn-Monroe-Nachahmung durchs Haar und rief dem Barbesitzer heiser zu: „Also ich geh jetzt, Mo.“

„Du bist öfter weg, als du hier bist, Kandy“, brummte er und schüttelte den Kopf.

„Meckere nicht, Mo. Ich hab noch was vor.“ Sie deutete mit dem Daumen auf Jack. Madison hätte sich biegen können vor Lachen. Tatsächlich, sie hatte „was vor“.

Der Barbesitzer gab nach. „Dann verschwinde.“

„Bis morgen“, erwiderte die Frau dreist und tänzelte Arm in Arm mit Jack an der Theke vorbei.

Natürlich sagte Jack nichts. Das brauchte er auch nicht. Seine Körpersprache warnte jedermann deutlich, weder ihm noch seiner Gespielin zu nahe zu kommen.

Die beiden sahen aus, als wollten sie so schnell wie möglich irgendwo hingehen und … Also, es war einfach zu widerlich, um darüber nachzudenken.

In dem Moment fasste Madison einen Entschluss. Sie hätte nicht genau sagen können, warum, aber sie wusste, was sie zu tun hatte. Sie würde dem Fremden folgen und dafür sorgen, dass er nicht Haut und Haar riskierte, nur weil er sich mit dieser Frau einließ.

Kaum ging hinter den beiden die Tür zu, sprang Madison auf und eilte ihnen nach. Sie beachtete weder die Zurufe der anderen Gäste noch die Hände, die nach ihr ausgestreckt wurden. Sie biss die Zähne zusammen und hoffte, heil nach draußen zu gelangen. Endlich konnte sie aufatmen, schob die schwere Tür auf und fühlte sich von der hellen Nachmittagssonne geblendet.

Die schmutzige kleine Stadt Godforsaken glühte in Orangerot, obwohl die Sonne hoch am Himmel stand. Es war noch heißer als vorhin, wo Madison in die Kneipe geschlüpft war.

Sie wünschte sich, sie hätte so ein Halstuch, wie die Männer es in Cowboyfilmen trugen. Dann hätte sie sich wenigstens den Schweiß aus dem Nacken wischen können. Stattdessen fuhr sie mit den Fingern durch ihre kurzen Locken, um sich etwas Kühlung zu verschaffen. Aber es wehte kein Lüftchen. Es war einfach zu heiß, unerträglich heiß.

Dennoch hielt sie an ihrem Entschluss fest. Sie wollte den Mann nicht aus den Augen lassen. Also schlenderte sie ihm nach, blieb hier und da stehen, um sich hinter irgendeiner Ecke oder Tür zu verbergen, damit sie nicht gesehen wurde.

Er und Kandy waren etwa einen Häuserblock vor ihr und wirbelten mit den Füßen Staub auf, als sie in eine Seitengasse bogen. Madison folgt ihnen vorsichtig und spähte um die Ecke, um sich zu vergewissern, dass die beiden sich nicht nach ihr umdrehten. Erst dann schlich sie zwischen der Apotheke und einem geschlossenen Andenkenladen durch die schmale Straße.

Kein Wunder, dass der Laden geschlossen hatte, dachte sie. Wer wollte schon ein Andenken von einem solchen Nest wie Godforsaken? Es waren ja nicht mal Touristen da. Gut, sie war eine Touristin und hatte in Godforsaken Station gemacht. Aber schuld daran war ein Irrtum der Reiseagentur. Eigentlich hatte sie ihren Urlaub auf irgendeiner Insel am Palmenstrand verbringen wollen. Wo es etwas Besseres zu tun gab, als einen Mann zu beschatten, der nicht sein konnte, was er zu sein schien.

Einige Meter vor ihr begann Kandy laut zu singen. Jack stimmte nicht mit ein. Er schob sie vor sich her, während sie so tat, als ziere sie sich. Bei der Kleidung, die sie trug, würde ihr das auch jeder glatt abnehmen!

Ein Außenstehender hätte sofort gesehen, dass Jack nur eines im Sinn hatte. Madison wehrte sich jedoch, das zu glauben. Aber was sollte sie machen, wenn es tatsächlich stimmte? Besaß sie den Mut, ihn unter irgendeinem Vorwand anzusprechen, nur um ihn aus den Fängen dieser Frau zu retten?

Das ungleiche Paar blieb in einer schäbigen Gasse auf einem zertretenen Grasfleck vor einem heruntergekommenen Haus stehen. Kandy schlang Jack die Arme um den Hals, schmiegte sich kichernd an ihn und deutete auf das kleine Haus.

Wessen Haus war es? Ihres? Oder seins? Spielte das wirklich eine Rolle? Madison wartete einen halben Häuserblock von ihnen entfernt hinter einem kleinen Baum geduldig ab, was passieren würde.

Dabei ruhte ihr Blick auf Jack. Sie konnte sich nicht sattsehen an ihm. Er sah einfach großartig aus. Das lag an der Art, wie er dastand, groß und schlank, in lässiger Haltung, so, als wäre er zu allem bereit. Es lag an der Art, wie ihm das Haar in die Stirn fiel, an der klaren Kinnlinie, an der sinnlichen Unterlippe und den schwarzen Brauen.

Was mache ich nur, wenn sie reingehen? überlegte Madison. Die Antwort auf diese Frage blieb ihr erspart. Während sie ihnen zusah, löste sich Jack aus der Umarmung der Blondine, brachte sie zum Haus, schob sie hinein und machte die Tür fest hinter ihr zu.

Sie ist reingegangen. Und er nicht, stellte Madison ungläubig fest. Natürlich, das war das, was sie die ganze Zeit erwartet hatte, aber trotzdem … Was für eine Überraschung, es auch so ablaufen zu sehen.

Fast hätte sie Jack aus den Augen verloren, als er die Straße in die andere Richtung hinunterschritt. Er war wesentlich schneller als vorhin, und Madison musste sich beeilen, um ihn einzuholen. Da sah sie ihn. Schon verschwand er um die nächste Ecke. Madison begann zu laufen und war überrascht, welche Energiereserve sie noch besaß.

Sie behielt ihn im Blickfeld, bis er nach rechts in eine schmale Gasse abbog, die wie eine Einfahrt aussah und zwischen einem schmutzigen Lebensmittelladen und dem Hinterhof einer ebenso verkommenen Tankstelle entlangführte.

Wo war er? Sie hätte schwören können, dass er hier hineingehuscht war, aber als sie den Weg hinunterspähte, konnte sie ihn nirgends entdecken. Aber es fiel ihr ohnehin schwer, im Halbdunkel, das hier herrschte, etwas richtig zu erkennen.

Vorsichtig schob sie sich vor, überzeugt, sie würde seine Spur auf der anderen Seite wiederfinden. Langsam tastete sie sich den Weg entlang, wo der Schatten ihr die Sicht nahm. Doch in geduckter Haltung kam sie sich albern vor. Deshalb straffte sie sich, reckte das Kinn und schritt voran, wie ein mutiger erwachsener Mensch es tun sollte.

Und dann packte sie jemand.

Ehe sie schreien oder sonst etwas machen konnte, was nützlich gewesen wäre, wurde sie herumgewirbelt und gegen die Hausmauer gestoßen. Jemand hielt ihr die Hände zu beiden Seiten des Kopfes fest.

Den Rücken gegen die Wand gepresst, starrte sie in die zornig funkelnden Augen Black Jack Brogans. In leibhaftiger Größe stand er vor ihr, ganz, ganz nah.

Madison holte erschrocken Luft. Aber als er sich gegen sie drängte, um sie besser festhalten zu können, spürte sie einen starken, schlanken Körper, und der Atem stockte ihr.

„Wer zum Teufel sind Sie, und warum folgen Sie mir?“, fragte er unwirsch.

2. KAPITEL

Jack hatte schon schlimmer in der Patsche gesessen als diesmal, aber er war nie einer gemeineren Frau begegnet. Lola war so verrückt wie ein hungriger Kojote, der den Mond anheult. Sie hatte ihn betrunken gemacht und gefesselt. Jetzt stand sie ganz dicht vor ihm und verspottete ihn.

„Ich bekomme immer, was ich will, Black Jack“, kam es im Flüsterton über ihre vollen roten Lippen. Dann zückte sie ein Messer.

Langsam, fast liebevoll, strich sie mit der gefährlichen Klinge an seinem Hosenschlitz entlang, schnitt die Knöpfe ab und riss den Stoff auf.

„Gibst du mir nun, was ich will, Black Jack?“

Er schaute an sich herunter und ließ seinen Blick über Lolas üppige Kurven schweifen. „Ich denke, das lässt sich machen.“

„Wusste ich es doch.“ Sie lächelte. „Ich bekomme immer, was ich will.“

Black Jack Brogan, Band 17

„Jack in der Zwickmühle“

Diese verdammte Frau.

Jack umfasste Madisons Handgelenke fester, neigte sich vor und musterte sie mit drohendem Blick. Er war bereit, sie bis zum Jüngsten Tag gegen die Wand zu pressen – zumindest aber so lange, bis sie mit der Wahrheit herausrückte.

Sie hatte ihm schon genug Scherereien gemacht. Indem sie ihm über die Schulter gespäht und versucht hatte, die Unterhaltung zu belauschen, hatte sie ihn so sehr abgelenkt, dass er das Pokerspiel beinahe geschmissen hätte. Dann hatte sie ihm nachspioniert und sich hinter einem Baum versteckt, der nicht einmal groß genug gewesen war, dass sich ein Kind dahinter hätte verbergen können. So hatte sie ihm jegliche Chancen bei Kandy verdorben. Jetzt hatte er sie hier festgenagelt, und sie schien sich kein bisschen vor ihm zu fürchten.

Sie war klein, schlank und biegsam, hatte kurz geschnittenes schwarzes Haar und helle, weiche Haut. Ihre dunkelgrünen Augen funkelten vor Aufregung, und um ihre Lippen glitt ein übermütiges Lächeln, das ihm gar nicht gefiel.

Sie lächelte! Wie unverschämt. Eigentlich hätte sie zu Tode erschrocken sein müssen. Er konnte sich mit einem finsteren Blick in einer Bar voll rauflustiger Kerle den Weg frei machen. Doch er schaffte es nicht, dieser schmächtigen unvernünftigen Frau, die nicht mal so viel Verstand besaß, aus der Sonne zu gehen, auch nur annähernd etwas Angst einzujagen.

Er musterte sie genauer. Vielleicht hatte sie ganz einfach zu viel Sonne abbekommen?

„Wer sind Sie?“, wiederholte er etwas langsamer und sprach die Worte diesmal deutlicher aus. „Warum sind Sie mir gefolgt und haben mir die Tour vermasselt?“

„Vermasselt?“

Sie wurde böse. Ihr Lächeln verschwand. Sie versuchte, sich seinem Griff zu entwinden, aber er ließ sie nicht los. Ihr bloßes Knie streifte seinen Schenkel, ihre Brust stieß gegen die Innenseite seines Arms. Wie herrlich sich das anfühlte!

Unter seinen Fingern spürte er, wie sich ihr Puls beschleunigte und an seinen rasenden Herzschlag anpasste. Er bemühte sich, das nicht zu beachten, aber ihre Bewegungen waren weitaus erotisierender als alles, was Kandy mit ihm angestellt hatte, die nun wirklich sehr viel Erfahrung besaß.

Wenn diese grünäugige Fremde ihn dermaßen erregte, war es vielleicht besser, er ließ sie laufen, statt sie zur Rede zu stellen. Falls die ersten beiden Minuten, die er in ihrer Nähe verbracht hatte, ein Vorzeichen waren, hatte er es mit einer besonders schwierigen Frau zu tun.

Er wich einen Schritt zurück. Weit genug, damit ihr Knie nicht mehr seinen Schenkel streifte. Doch er spürte noch die Hitze, die von ihr ausging, sah den Schweiß von ihrem Hals in den Ausschnitt ihres knappen T-Shirts zwischen ihre leicht gerundeten Brüste rinnen. Er brauchte sich nur ein paar Zentimeter vorzubeugen, dann konnte er der Spur des salzigen Tropfens mit der Zunge folgen, ihr das überflüssige Top ausziehen und ihre nackte Haut liebkosen.

Verdammt! Er machte die Augen zu. Er war ihr viel zu nah und viel zu erregt.

Zum Glück schien sie zu aufgebracht, um das zu bemerken. „Es war verkehrt, dass ich Ihnen gefolgt bin“, behauptete sie und wehrte sich gegen seinen Griff. „Ich habe Sie erwischt, oder?“

„Ich habe Sie erwischt“, entgegnete er. „Weil Sie mir aufgefallen sind wie ein Gorilla auf einem Debütantinnenball.“

„Stimmt nicht!“

„Hören Sie, junge Frau, im Augenblick habe ich Sie in der Hand, und ich bin kein bisschen gnädig gestimmt. Also lassen Sie den Unsinn und sagen Sie mir zum Donnerwetter noch mal, wer Sie sind.“ Er hielt inne und versuchte, sie mit seinem durchdringendsten Blick einzuschüchtern. „Auf der Stelle.“

„Ich bin Madison Talley“, sagte sie rasch und holte tief Luft, ehe sie hinzufügte: „Mr Brogan.“

Er hob eine Braue. „Soll ich etwa wissen, was das bedeutet?“

„Black Jack Brogan“, antwortete sie geduldig. „Das sind Sie.“

„Ich?“

„Genau.“

Sie schien ihre Erklärung für vollkommen eindeutig zu halten, obwohl er nicht ein Wort davon verstand. Abrupt ließ er ihre Handgelenke los. Sie rutschte von ihren Zehenspitzen auf die Fersen hinunter. Er stemmte sich jedoch zu beiden Seiten von ihr an der Wand ab, sodass er sie mit den Armen gefangen hielt.

Sie duftete nach Blumen. Bei vierzig Grad im Schatten, nach einem Aufenthalt in einer verrauchten, verkommenen Bar und einem Marsch durch die Hitze roch sie noch nach Blumen. Er wandte den Kopf ab, um nicht bei jedem Atemzug ihren Parfümduft einatmen zu müssen. Wütend über sie, aber noch mehr über sich selbst, knurrte er: „Erklären Sie mir das. Aber flott. Mir reißt allmählich die Geduld.“

Wieder lächelte sie – so strahlend, als wolle sie für Zahnpasta werben. „Sie sind Black Jack so ähnlich, dass es direkt unheimlich ist. Er begegnet dieser Mata-Hari-Figur in ‚Jack in der Zwickmühle‘, und was er da sagt, klingt genauso wie Ihre Worte eben. Natürlich habe ich keinerlei Ähnlichkeit mit Mata Hari, aber trotzdem ist es erstaunlich, wie gleich Sie sich anhören.“

„‚Jack in der Zwickmühle‘? Mata Hari? Wovon zum Teufel sprechen Sie?“

„Also natürlich können Sie das nicht wissen. Es ist mein neuestes und noch nicht erschienen. Wird erst zu Weihnachten kommen.“

„Ihr neuestes was?“

„Buch“, antwortete sie, diesmal ein wenig gereizt.

„Buch?“

„Ich habe Ihnen doch meinen Namen genannt. Haben Sie mir denn nicht zugehört?“

„Ich habe gehört, was Sie gesagt haben. Heißt das, Sie schreiben Bücher?“

Autor

Julie Kistler
<p>Julie Kistler kommt bei Komödien, alten Filmen, Musicals, Katzen und großen, dunkelhaarigen und gut aussehenden Männer wie ihrem eigenen Ehemann, mit dem sie seit 20 Jahren verheiratet ist, ins Schwärmen. Früher war sie Rechtsanwältin, hat sich dann aber für eine Karriere als Romance-Autorin entschieden und sich durch ihre humorvollen Liebesromane...
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