Bleib bei mir, Greg

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Sie sind die Frau, die ich suche! In eisiger Kälte steht ein amerikanischer Detektiv vor Fionas Cottage, hoch fiebernd und erschöpft. Sie nimmt ihn auf, pflegt ihn liebevoll und spürt: Greg könnte der Mann ihrer Träume sein! Aber warum kam er den weiten Weg zu ihr?


  • Erscheinungstag 21.09.2014
  • ISBN / Artikelnummer 9783733786571
  • Seitenanzahl 160
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

PROLOG

28. November 1978

„Ich weiß, ich weiß. Die Wehen werden jetzt stärker und damit auch schmerzhafter“, sagte Dr. James MacDonald zu der jungen Frau, die in einem seiner Untersuchungsräume lag. „Aber Sie machen das großartig. Ganz großartig.“

Durchgefroren von dem kalten Wind, der draußen wehte, war die Hochschwangere gegen Abend in seiner Praxis erschienen. Er hatte sie noch nie zuvor gesehen, doch da sie Wehen hatte, hatte er sie auch trotz der späten Stunde nicht fortschicken können.

Seine Frau Margaret stand neben dem jungen Mädchen und wischte ihm den Schweiß von der Stirn. „Es wird alles gut werden“, versprach Margaret, aber ihr Gesichtsausdruck verriet, dass sie sich Sorgen machte.

Die junge Frau hatte hohes Fieber. Dr. MacDonald hatte getan, was er konnte, doch bei der Auswahl der Medikamente hatte er auf die Babys Rücksicht nehmen müssen, die in Kürze auf die Welt kommen würden. Eigentlich hätte die Patientin dringend in ein Krankenhaus eingeliefert werden sollen, aber das konnte erst geschehen, wenn sie ihre Kinder geboren hatte.

Es würden Drillinge sein, so hatte sie ihm gesagt.

In einer Pause zwischen den Wehen blickte der Arzt sie mitfühlend an. „Wie heißen Sie eigentlich, meine Liebe?“, fragte er freundlich.

„Moira“, antwortete sie.

„Ah, Moira. Und wo ist Ihr Ehemann in dieser ungemütlichen Nacht?“

Moira schüttelte den Kopf und begann zu weinen. „Er ist tot“, schluchzte sie. „Ich sah, wie sein Bruder ihn getötet hat. Ich musste fliehen, um nicht auch umgebracht zu werden.“

„Schon gut, schon gut, Sie brauchen keine Angst zu haben, Moira. Sie sind bei Meggie und mir in Sicherheit.“ Nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: „Wie war doch gleich der Name Ihres Mannes?“

„Douglas, aber versprechen Sie mir, dass Sie keinesfalls seinen Namen auf den Geburtsschein setzen. Wenn Sie das tun, wird sein Bruder uns finden.“

„Machen Sie sich keine Sorgen. Bei uns sind Sie sicher. Entspannen Sie sich, so gut es geht. Ich glaube, dass Ihre Babys es gar nicht erwarten können, auf die Welt zu kommen.“

„Sie sind ein wenig zu früh dran“, erklärte Moira schwach. „Mein Arzt sagte mir, dass er mich zwei Wochen vor der Geburt ins Krankenhaus einweisen würde. Und das hätte in der nächsten Woche sein sollen.“ Sie stöhnte leise auf, als eine neue Wehe einsetzte.

James MacDonald praktizierte seit inzwischen dreißig Jahren in seiner Heimatstadt, hier im schottischen Hochland, und war mit vielen schwierigen Situationen konfrontiert gewesen. Doch dieser Abend hatte ihm einen besonders komplizierten Fall beschert. Seine junge Patientin – er bezweifelte, dass sie älter als achtzehn war – hatte nicht nur eine ernst zu nehmende Lungenentzündung, sondern musste in diesem Zustand auch noch Drillinge gebären.

Nachdem Moira zwei weitere Stunden in den Wehen gelegen hatte, erblickten schließlich drei winzige, aber gesunde Mädchen kurz hintereinander das Licht der Welt. Jedes einzelne von ihnen besaß ein kräftiges Stimmchen und hatte auch keine Hemmungen, es zu gebrauchen. Margaret säuberte und wog die Neugeborenen und wickelte sie dann in warme Tücher. Zum Schluss legte sie die Säuglinge in einen großen Korb.

„Sie haben wunderbare Töchter geboren, Moira“, lobte James die junge Frau. Er war unendlich erleichtert, dass die Geburt ohne weitere Komplikationen verlaufen war. „Es sind richtige Schönheiten, genau wie ihre Mutter.“

Der Anflug eines Lächelns huschte über Moiras Gesicht, bevor sie erschöpft die Augen schloss. Ihre Arbeit war getan, sie hatte ihre Kinder auf die Welt gebracht. James trug sie in eines der oben gelegenen Schlafzimmer, damit sie sich ausschlafen und von der Geburt erholen konnte, während Margaret sich weiter um die Babys kümmerte.

Bevor der Arzt gehen konnte, umfasste Moira James’ Handgelenk. „Lassen Sie es nicht zu, dass er meine Töchter findet.“ Ihre Augen waren vom Fieber glasig, und ihre Stimme klang matt und rau von der Anstrengung der Geburt. „Er darf sie nicht finden. Er wird sie töten. Bitte, tun Sie alles, damit er sie nicht findet.“

„Sie und Ihre Babys sind hier in Sicherheit, Moira. Ruhen Sie sich jetzt aus. Ihnen wird es schon bald wieder besser gehen.“

Moira sah ihn an. Trauer und Schmerz spiegelten sich in ihrem Blick wider. „Ich habe Douglas so sehr geliebt. Ich will nicht ohne ihn weiterleben“, stieß sie leise hervor.

„Sie haben drei wundervolle Töchter, für die Sie sorgen müssen, Moira“, erwiderte James ermutigend. „Die Kleinen brauchen Sie.“

„Bitte, finden Sie ein gutes Zuhause für meine Lieblinge. Versprechen Sie mir das“, flüsterte sie. „Versprechen Sie mir, dass Sie meine Töchter beschützen werden.“

James sah sie alarmiert an. „Sie sind die Mutter. Sie selbst müssen Ihre Kinder beschützen. Geben Sie sich ein wenig Zeit. Sie werden schon bald wieder …“ Er hielt inne, als er bemerkte, dass sie das Bewusstsein verloren hatte.

Die junge Frau kam nicht wieder zu sich. Sie hauchte mit einem letzten Atemzug ihr Leben aus.

Moira hatte getan, was sie konnte, um ihren Kindern eine Chance zum Leben zu geben. Jetzt war es an James und Margaret zu entscheiden, was sie mit den Töchtern der jungen Frau tun sollten, dabei kannten sie noch nicht mal den Nachnamen der Babys.

1. KAPITEL

16. Oktober 2003

Greg Dumas blickte mit einer Mischung aus Ärger und Enttäuschung durch die beschlagene Windschutzscheibe seines Mietwagens. Nur mit Mühe konnte er das Ende der Motorhaube erkennen. Er lehnte sich vor, um besser sehen zu können, während die Scheibenwischer vergebens gegen den strömenden Regen ankämpften.

Nach einigen Wochen Schottland hatte er das Gefühl, in einer Welt aus ewigem Regen und Nebel gefangen zu sein.

Greg wusste, dass es besser gewesen wäre, in Craigmor zu bleiben, statt im Dunkeln nach einem abgelegenen Dorf zu suchen. Auf der Landkarte hatte es so ausgesehen, als ob der Ort nicht sehr weit von Craigmor entfernt wäre, aber er hatte nicht bedacht, dass dieser Ort in den Bergen lag.

Außerdem war er erschöpft. Der Husten, der ihn bereits seit Wochen quälte, war inzwischen noch schlimmer geworden war. Vor einem Monat war er in Glasgow angekommen und seitdem ständig unterwegs gewesen. Er hatte sich einen Wagen gemietet und war in dem Glauben nach Edinburgh gefahren, bestimmt drei Tage später schon nach New York zurückfliegen zu können. Stattdessen war Edinburgh nur die erste Station auf seiner Suche geworden. Seitdem folgte er einer Spur nach der anderen und fuhr kreuz und quer durch das schottische Hochland.

Greg wusste, dass sein Husten sich gar nicht gut anhörte. Außerdem hatte er das Gefühl, sein Kopf wäre in Watte gepackt, und er musste ständig niesen. Und als ob das alles nicht schon schlimm genug wäre, hatte er sich auch noch mitten in der Nacht verirrt. Er war überzeugt gewesen, der Landkarte zu folgen, auf der er die Strecke markiert hatte, aber irgendwie war es ihm gelungen, auf eine Straße zu geraten, die offensichtlich ins Nichts führte.

Er konnte sich nicht erinnern, wann er die letzten Lichter gesehen hatte. Allerdings hätte er bei diesem Nebel wahrscheinlich durch eine Kleinstadt fahren können, ohne sie auch nur zu bemerken.

„Da lobe man sich Manhattan“, murmelte er.

Ich hätte diesen Auftrag niemals annehmen sollen, dachte er weiter. Es war inzwischen drei Jahre her, dass er sich als Privatdetektiv selbstständig gemacht hatte. Was als Einmann­unternehmen begann, hatte sich mittlerweile zu einer Firma mit mehreren Privatdetektiven – alle ehemalige Polizisten wie er – und etlichen Angestellten entwickelt.

Warum hatte er sich also doch entschlossen, diesen Job anzunehmen? Es war nicht das Geld gewesen, obwohl sein Auftraggeber ihm das Doppelte der normalen Bezahlung angeboten hatte, wenn er den Fall persönlich übernehmen würde.

Zuerst hatte er den Auftrag ablehnen wollen. Er hatte seine Tochter Tina nie länger als eine Nacht allein gelassen, und der Gedanke, ohne sie zu verreisen, hatte ihm nicht behagt. Doch Tinas Großmutter hatte ihn gedrängt, den Fall anzunehmen. Sie meinte, er hätte eine Abwechslung von seiner Routine verdient. Als sie ihn auch noch davon überzeugt hatte, dass Tina bei den Großeltern bestens aufgehoben wäre, hatte er schließlich den Auftrag angenommen. In New York war er allerdings auch noch der Ansicht gewesen, dass er in Schottland sehr rasch die Informationen finden würde, nach denen er suchen sollte.

Bisher war jedoch fast jede Spur im Sande verlaufen, und langsam bereute er es, auf Helen gehört zu haben. Dabei hatte das, was Helen sagte, normalerweise Hand und Fuß. Er wusste nicht, was er getan hätte, wenn seine Schwiegermutter ihm nach dem Tod von Jill nicht beigestanden und ihm geholfen hätte, seine Tochter aufzuziehen. Helen äußerte nur selten ihre Meinung, aber wenn sie es tat, hörte er normalerweise auf sie.

Sollte sich aber diese letzte Spur ebenfalls als Sackgasse erweisen, dann würde er aufgeben und nach New York zurückkehren. Weit und breit hatte sich kein anderer Anhaltspunkt mehr aufgetan.

Im Augenblick hätte er am liebsten auf der Stelle ein Flugzeug bestiegen und wäre in die Staaten zurückgekehrt, aber das war nicht möglich. Stattdessen irrte er im Westen der nebligen, regnerischen Highlands herum.

Greg wusste, dass er bereits zu lange unterwegs und zu viele Stunden gefahren war. Er musste unbedingt einen Platz zum Schlafen finden – und zwar bald. Besser gesagt, er brauchte ein Zimmer, in dem er die Nacht verbringen konnte. Die Feuchtigkeit und die kalte Luft taten ihm nicht gut. Er hatte das unangenehme Gefühl, dass er bald Schüttelfrost bekommen würde.

Er war in Richtung Westen gefahren, um eine Frau mittleren Alters aufzusuchen, die sich in die Einsamkeit des schottischen Hochlands zurückgezogen hatte. Bislang war es ihm jedoch nicht gelungen, diese Frau zu finden. Wie er aus Gesprächen mit mehreren Einwohnern von Craigmor erfahren hatte, war diese Frau die einzige Hoffnung, eine Antwort auf seine Fragen zu erhalten.

Als er in Schottland ankam, hatte er damit gerechnet, Kontakt mit dem Anwalt aufnehmen zu können, der die Adoption seiner Klientin abgewickelt hatte, und ebenso mit dem Arzt, der seinerzeit der Geburtshelfer gewesen war. Doch ein Arzt mit dem Namen MacDonald war in ganz Edinburgh nicht zu finden. Die Adoption war außerdem vor bereits fünfundzwanzig Jahren erfolgt, und der Anwalt, Calvin McCloskey, hatte sich inzwischen zur Ruhe gesetzt. Einer seiner Nachfolger hatte Greg versichert, dass der gute Calvin immer noch lebte, und ihm dann die Privatadresse des Anwalts gegeben.

Allerdings hatte Greg das fürs Erste auch nicht weitergeholfen. McCloskey war nämlich zum Fischen gefahren, und da selbst seine Haushälterin nicht wusste, wo er sich aufhielt, war Greg nichts anderes übrig geblieben, als zu warten.

Da er nichts Besseres zu tun hatte, besichtigte er die Sehenswürdigkeiten der Stadt und der Umgebung. Er war überrascht, wie gut erhalten die Burgen in und um Edinburgh waren. Zudem stellte sich die Geschichte dieser Stadt als wirklich faszinierend heraus.

Am Ende der folgenden Woche hinterließ Mr McCloskey dann eine Nachricht im Hotel, dass er Greg am nächsten Tag zur Verfügung stehen würde.

Sie hatten sich im Haus des Anwalts getroffen. Der Mann war zwar höflich, aber äußerst reserviert gewesen. Er erklärte Greg, er könnte ihm in dieser Sache leider nicht helfen, und entschuldigte sich damit, dass er seine alten Akten auswärts gelagert und keine Ahnung hätte, wo sich ausgerechnet diese Akte befinden würde.

Greg konnte verstehen, dass es nach fünfundzwanzig Jahren nicht so einfach war, eine bestimmte Akte wiederzufinden. Er wunderte sich allerdings darüber, dass der Anwalt am Schicksal seiner Klientin interessiert zu sein schien, denn er stellte mehrere Fragen über ihre momentane Situation.

Nachdem Greg dem Mann erklärt hatte, er könne keine Auskünfte zur Person seines Auftraggebers geben, zeigte der Anwalt ihm zumindest den Geburtsschein und die Adoptionspapiere seiner Klientin. Greg wies den Anwalt darauf hin, dass der Name der leiblichen Eltern nicht darauf stand. Er fand das sehr ungewöhnlich und bat den Anwalt, Licht in diese mysteriöse Angelegenheit zu bringen.

Calvin seufzte und lehnte sich in den Sessel zurück. Dann strich er sich über das Kinn und schaute nachdenklich aus dem Fenster. Schließlich wandte er sich wieder Greg zu.

„Ihre Suche wird nichts Gutes bringen. Warum fliegen Sie nicht nach New York zurück? Sagen Sie Ihrer Klientin, dass Sie keine Spur gefunden hätten, die zu ihren leiblichen Eltern führt. Erklären Sie ihr, dass das letztendlich auch keine Rolle spielt, da es schließlich ihre Adoptiveltern waren, die ihr ein liebevolles Zuhause geschenkt hätten.“

Greg lehnte sich vor. „Sie reden, als ob Sie die Adoptiveltern gekannt hätten.“

„Das habe ich, junger Mann, ja, das habe ich. Es waren großartige Menschen.“

„Wenn das so ist, müssen Sie auch die leiblichen Eltern gekannt haben. Warum sollte man sonst ausgerechnet Sie als Anwalt für die Adoption ausgesucht haben.“

Mr McCloskey faltete die Hände und schüttelte den Kopf. „Ich wurde von dem Arzt, der Ihre … nun, Ihre Klientin zur Welt brachte, gebeten, mich der Sache anzunehmen“, murmelte er.

„Dr. MacDonald“, stellte Greg fest. „Wissen Sie, wie ich den Arzt erreichen kann?“

„Gar nicht mehr. Er und seine Frau liegen auf dem Friedhof von Craigmor.“

Greg war zutiefst enttäuscht. „Dr. MacDonald ist tot?“

„Leider. Er und seine Frau sind bei einem Fährenunglück ertrunken, weil sie anderen das Leben gerettet haben. Das einzig Gute an dieser schrecklichen Tragödie ist die Tatsache, dass sie zusammen gestorben sind. Ich glaube nicht, dass einer lange ohne den anderen gelebt hätte.“

Greg sah ihn aufmerksam an. „Ich habe den Eindruck, Dr. MacDonald hätte gewollt, dass ein Mädchen erfährt, wer seine leiblichen Eltern sind. Sagen Sie mir, hat dieser Arzt hier in Edinburgh praktiziert?“

„Nein. Er war nach dem Studium in seine Heimatstadt Craigmor zurückgekehrt. Er war der einzige Arzt in der Gegend.“

Craigmor. Das könnte eine Spur sein. Nicht viel, aber vielleicht erinnerte sich dort noch jemand an das, was vor fünfundzwanzig Jahren passiert war.

Greg hatte sich gerade damit abgefunden, dass er von dem Anwalt nichts mehr erfahren würde, da begann Mr McCloskey plötzlich zu reden, als würde er mit einer unsichtbaren Person in seiner Nähe sprechen. „Es sind jetzt fast fünfundzwanzig Jahre vergangen, Jamie. Haben wir die Babys nicht lange genug geschützt? Vielleicht ist es an der Zeit, dass sie sich endlich finden.“

Greg glaubte, den Mann falsch verstanden zu haben. Hatte er „Babys“ gesagt?

„Es gab mehr als ein Baby?“, fragte er erstaunt und spürte, wie sein Herz schneller zu schlagen begann. Der Fall schien eine unerwartete Wende zu nehmen.

Mr McCloskey nickte, nahm dann seine Brille ab und polierte die Gläser mit einem blütenweißen Taschentuch. Er nahm sich Zeit, bevor er das Taschentuch wieder faltete und in seine Tasche steckte.

„Es waren Drillinge“, erzählte er schließlich. „Es war furchtbar. Wir hatten eine unserer schwierigsten Entscheidungen zu treffen. Wir wussten, dass wir für die Mädchen gute Eltern finden mussten, und das so schnell wie möglich.“

„Sie haben die Drillinge getrennt?“, vermutete Greg.

Calvin nickte. „Ja, und zwar zu ihrem Schutz. Es sollte ihnen nichts zustoßen.“

„Warum hätte ihnen denn etwas zustoßen sollen?“, fragte Greg, dessen Neugierde augenblicklich geweckt worden war.

„Man hat mir gesagt, dass der Vater der Drillinge in der Nacht vor der Geburt von seinem Bruder ermordet worden wäre und dass die werdende Mutter dann geflüchtet ist. Als sie in Craigmor eintraf, stand sie nicht nur unter Schock, sondern hatte auch eine schwere Lungenentzündung. Sie starb kurz nach der Entbindung. Offenbar hatte sie entsetzliche Angst, dass der Bruder ihres Mannes die Säuglinge finden und sie ebenfalls umbringen könnte. Sie bat die MacDonalds, ihre Töchter zu beschützen.“

Greg dankte dem Himmel für Mr McCloskeys Bereitschaft, ihm diese Information letztendlich doch noch zu geben. „Haben Sie die Namen der leiblichen Eltern erfahren?“

„Nein. Die Mutter, Moira war ihr Name, hatte ihren Nachnamen nicht genannt und auch nur den Vornamen ihres Mannes erwähnt. Douglas soll er geheißen haben. Die MacDonalds wussten weder, wie die junge Frau mit Nachnamen hieß, noch, woher sie gekommen war. Und sie haben es auch nie herausbekommen. Aus Angst, Interesse bei den falschen Leuten zu erwecken, haben sie natürlich nicht allzu viele Fragen gestellt.“

Greg machte sich Notizen und überlegte, wie er diese Neuigkeit seiner Klientin beibringen sollte. Sie war eine von drei Schwestern. Das würde eine schöne Überraschung sein!

„Jamie und Meggie haben viele Mühen und Anstrengungen auf sich genommen, um die Mädchen vor ihrem Onkel zu schützen.“

Greg erhob sich und streckte dem Mann die Hand entgegen. „Danke, dass Sie so offen zu mir waren, Sir. Ich muss zwar zugeben, dass ich jetzt noch mehr Fragen habe als vorher, aber zumindest haben Sie mich auf eine Spur geführt.“

Mr McCloskey erhob sich ebenfalls und schüttelte Gregs Hand. „Und die wäre?“, fragte er stirnrunzelnd.

„Ich würde gern irgendwelche Verwandten der MacDonalds finden, vielleicht kann sich noch jemand an damals erinnern.“ Er warf einen Blick auf seine Notizen. „Sie haben den Ort Craigmor genannt. Ich werde dort mit meiner Suche fortfahren.“

Mr McCloskey rückte seine Brille zurecht. „Ich bezweifle, dass Sie dort Antworten finden werden.“ Er hörte sich leicht irritiert an, so als ob er gehofft hätte, Greg würde es aufgeben, nach weiteren Informationen zu suchen.

„Wahrscheinlich nicht, aber ich werde so lange in Schottland bleiben, bis auch die letzte Spur im Sande verlaufen ist“, hatte Greg dem Anwalt an jenem Tag geantwortet.

„Der Anwalt hat wahrscheinlich recht gehabt“, dachte Greg jetzt, während er angestrengt durch den strömenden Regen auf die Straße schaute. Greg hatte noch nie zuvor so verschlossene Menschen getroffen wie hier im schottischen Hochland. Jeder, dem er begegnet war, hatte behauptet, dass niemals Drillinge in dieser Gegend geboren worden wären.

Schließlich hatte einer der Leute erwähnt, dass die MacDonalds eine Tochter hätten, und Greg hatte sich entschlossen, diese Frau aufzusuchen. Jetzt wünschte er, er hätte es sich anders überlegt und wäre stattdessen nach Hause geflogen. Er hätte seiner Klientin sagen können, dass es keine Chance gab, die Tochter der MacDonalds ausfindig zu machen. Und dass damit auch die Hoffnung erloschen wäre, jemals ihre Eltern zu finden.

Doch Greg konnte nicht gegen sein Gewissen handeln. Solange es auch nur die geringste Chance gab, würde er seine Suche weiterführen.

Vielleicht würde Fiona MacDonald, die Tochter des Arztes, sich an etwas erinnern, das ihm weiterhelfen könnte. Bis er nicht mit ihr gesprochen hatte, wollte er nicht aufgeben.

Er musste erneut husten und war gezwungen, noch langsamer zu fahren. Zumindest brauchte er sich keine Sorgen zu machen, dass jemand bei diesem Nebel auf ihn auffuhr. Kein normaler Mensch würde sich in einer Nacht wie dieser freiwillig auf die Straße begeben.

Einige Zeit später sah er vor sich ein seltsames Phänomen. Vor ihm schien eine Nebelschwade die Form eines Pfeils anzunehmen, der nach rechts zeigte. Er schüttelte leicht den Kopf. Wahrscheinlich hatte er inzwischen Fieber. Dennoch schaute er während der Weiterfahrt nach rechts und entdeckte eine schmale Landstraße.

Trotz der schlechten Sichtverhältnisse konnte Greg erkennen, dass diese Straße auf einen Hügel hinaufführte. Nirgendwo stand ein Schild, das ihm hätte verraten können, wohin dieser Weg ging, doch irgendetwas drängte ihn, hier einzubiegen. Vielleicht fand er dort ein Farmhaus, wo er nach dem Weg in die nächste Stadt fragen konnte.

Ohne lange nachzudenken, folgte er seiner Intuition und bog in die schmale Landstraße ein.

2. KAPITEL

Fiona MacDonald hatte es sich mit dem neuesten Roman ihres Lieblingsautors vor dem Kamin ihres Cottage gemütlich gemacht. Vertieft in die anregende Lektüre, hatte sie Raum und Zeit vergessen. Auf der warmen Decke, die sie sich über ihre Knie gebreitet hatte, schlief Tiger, ihr hellbraun gestreifter Kater.

Neben ihrem Sessel genoss McTavish, eine Bulldogge, die Wärme des Kaminfeuers.

Fiona war Heilerin. Die Menschen dieser Gegend vertrauten Fionas selbst gezogenen Kräutern, selbst gefertigten Salben und Tinkturen, und sie hatte den ganzen Tag mit Hausbesuchen verbracht. Als sie endlich wieder in ihrem Cottage war, fühlte sie sich zwar körperlich erschöpft, war aber trotzdem noch zu wach, um schon schlafen zu gehen. Also entschloss sie sich, eine Weile ihrer Lieblingsbeschäftigung nachzugehen und zu lesen.

Obwohl Fiona nur das Prasseln des Kaminfeuers und das leise Schnarchen des Katers hörte, hob McTavish plötzlich den Kopf und schaute zum Vorderfenster hinüber. Fiona legte ihr Buch in den Schoß und lauschte. Sie hörte immer noch nichts, aber sie wusste, dass Hunde ein sehr viel feineres Gehör haben als Menschen, und blickte deshalb aufmerksam zum Fenster hinaus.

Schließlich sah sie durch den dicken Nebel ein schwaches Licht näher kommen, und Fiona wurde klar, dass jemand den Weg zu ihrem Haus hinauffuhr. Sie seufzte, setzte Tiger widerwillig auf den Boden und warf einen Blick auf die Uhr. Es war bereits nach Mitternacht. Handelte es sich vielleicht um einen Notfall? Aber warum hatte man sie nicht angerufen, statt bei solch einem Wetter und zu dieser nächtlichen Stunde hier herauszufahren?

Glücklicherweise trug sie noch kein Nachthemd, sondern immer noch ihren dicken Pullover und eine Jeans. Rasch schlüpfte sie in ihre Schuhe und lief zur Tür, McTavish brav an ihrer Seite. Dann nahm sie eine warme Jacke von der Garderobe, zog sie an, setzte sich die Kapuze auf und öffnete die Tür. Erst jetzt sah sie, dass der Regen in Schneeregen übergegangen war.

Sie und McTavish warteten im Schutz der Veranda auf den Wagen, der sich langsam ihrem Haus näherte. Bis jetzt hatte McTavish noch nicht gebellt, doch seine Haltung verriet, dass er sofort angreifen würde, wenn er Gefahr für seine Herrin witterte.

Der Wagen fuhr in den Hof und blieb vor der Garage stehen. In der Hoffnung, ihren Besucher zu erkennen, schaltete Fiona das Hoflicht ein.

Sie sah jedoch, wie ein fremder Mann in einer Lederjacke aus dem Wagen stieg. Er blieb vor der geöffneten Wagentür stehen, schlug den Kragen hoch und schaute sich um. McTavish knurrte, rührte sich jedoch nicht. Gerade hatte sie die Hand auf den Kopf des Hundes gelegt, um ihn zu beruhigen, als der Mann sie auf der Veranda entdeckte.

„Es tut mir leid, dass ich Sie so spät störe“, begann er mit rauer Stimme. Er hatte einen unverkennbar amerikanischen Akzent. Dann begann er zu husten. Es war ein Husten, der nicht Gutes verriet. „Ich habe gehofft, jemanden zu finden, der mir sagen kann, wie ich ins nächste Dorf gelange. Ich suche einen Platz, wo ich übernachten kann.“

Fiona begriff sofort, dass ihr Besucher – wer immer er sein mochte – krank war. Und es war ihr unmöglich, sich von einem Menschen abzuwenden, der Hilfe brauchte.

Also trat sie vor, damit er sie besser sehen konnte. „Kommen Sie bitte herein. Ihr Husten hört sich gar nicht gut an.“

Er schüttelte den Kopf. „Danke, aber mir geht es gut. Ich hätte nur gern die Richtung gewusst, in die ich fahren muss, um in eine Ortschaft zu kommen.“

Das Licht der Hoflampe fiel auf sein volles, dunkles Haar und betonte seine hohen Wangenknochen. Das markante Kinn verriet die gleiche Eigenwilligkeit, die bereits in seiner Stimme gelegen hatte.

Während Fiona den Mann schweigend betrachtete, hatte sie die verschiedensten Empfindungen. Als Heilerin war sie es gewohnt, die Ausstrahlung von Patienten wahrzunehmen, und so spürte sie, dass dieser Mann nicht nur unter körperlichem, sondern auch unter seelischem Schmerz litt. Eine tiefe, lange bestehende Trauer schien ihn zu quälen. Wichtig war im Moment jedoch vor allem, dass der Fremde kurz vor einer Lungenentzündung stand.

Zumindest hatte er sich den richtigen Ort ausgesucht, um sich zu kurieren. Wahrscheinlich wusste er gar nicht, welch ein Segen es war, in seinem Zustand ausgerechnet bei einer Heilerin nach dem Weg gefragt zu haben.

Nun, er hat Glück im Unglück, dachte sie.

Und laut sagte sie: „Bitte, kommen Sie doch herein, damit wir in Ruhe über alles sprechen können.“

Der Fremde sah sich um, als ob er den Schneeregen jetzt erst bemerkt hätte, schloss dann mit einem resignierten Schulterzucken die Wagentür und ging auf Fiona zu. Sobald er die Veranda betreten hatte, öffnete Fiona die Tür und bat ihn, in das Haus einzutreten.

Jetzt, da sie ihn aus der Nähe sah, wusste Fiona, dass ihr erster Eindruck richtig gewesen war. Ihrem unerwarteten Besuch ging es gar nicht gut. Er stand kurz vor einer Lungenentzündung, und sie war sicher, dass er Fieber hatte.

McTavish folgte dem Mann ins Haus und ließ ihn keine Sekunde aus den Augen. Fiona lächelte, als sie bemerkte, wie ernst ihr Hund die Rolle des Beschützers nahm, wann immer ein Fremder auftauchte. Nur selten hatte sie Besucher, die sie nicht kannte, aber sie musste zugeben, dass dieser Mann sie irgendwie faszinierte. Allerdings war sie sich noch nicht darüber im Klaren, ob er mehr die Heilerin in ihr ansprach oder die Frau. Schließlich war er trotz seines Zustands ausgesprochen attraktiv. Nun, das würde sie auch noch herausfinden. Sie schloss die Tür hinter sich und lächelte ihn freundlich an.

Autor

Annette Broadrick
<p>Bis Annette Broadrick mit sechzehn Jahren eine kleine Schwester bekam, wuchs sie als Einzelkind auf. Wahrscheinlich war deshalb das Lesen immer ihre liebste Freizeitbeschäftigung. Mit 18 Jahren, direkt nach ihrem Abschluss an der Highschool, heiratete sie. Zwölf Monate später wurde ihr erster Sohn geboren, und schließlich wurde sie in sieben...
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