Blitzhochzeit in der Toskana

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Er ist mein Feind! Plötzlich weiß Eve: Sie hasst Talos Xenakis. Weiß wieder, was sie in dunklen Tagen ohne Erinnerungen verdrängt hatte. Doch es gibt kein Entkommen: Die Trauung ist vorbei, sie die Frau des Milliardärs, und die Hochzeitsnacht beginnt …


  • Erscheinungstag 28.05.2022
  • ISBN / Artikelnummer 9783751514521
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Talos Xenakis hatte in seinem Leben schon viele Lügen gehört, besonders hinsichtlich seiner wunderschönen, skrupellosen Ex-Geliebten. Aber diese schlug dem Fass den Boden aus!

„Das kann nicht stimmen“, sagte er und blickte den Arzt wütend an. „Sie lügt!“

„Ich versichere Ihnen, Mr. Xenakis, es liegt kein Irrtum vor“, entgegnete Dr. Bartlett mit Grabesstimme. „Sie kann sich an nichts mehr erinnern. Nicht an Sie, nicht an mich, und auch nicht an den gestrigen Unfall. Trotzdem liegen keine erkennbaren Verletzungen vor.“

„Weil sie lügt!“

„Glücklicherweise war sie angeschnallt, als der Airbag aufging“, fuhr Dr. Bartlett unbeeindruckt fort. „Deshalb hat sie keine Gehirnerschütterung.“

Mit finsterer Miene blickte Talos den Arzt an, dessen Reputation ohne jeden Makel war und dessen professionelle Fähigkeiten berühmt waren. Außerdem hatte sich dieser Mann eine goldene Nase an seinen steinreichen, adeligen Patienten verdient und war schon aus diesem Grunde nachweislich nicht bestechlich. Ein Familienmensch, der seiner fünfzigjährigen Ehefrau noch immer in Liebe treu ergeben war; drei Kinder, acht Enkelkinder – also hatte er sich sicherlich nicht verführen lassen. Offenbar glaubte er tatsächlich, dass Eve Craig an einer Amnesie litt.

Talos verzog verächtlich den Mund. Vor elf Wochen, nachdem sie ihn so schamlos hintergangen hatte, verließ Eve Craig Athen wie ein lautloser Geist. Seine Männer hatten auf der ganzen Welt nach ihr gesucht – bis sie vor zwei Tagen erfolgreich waren. Eve tauchte plötzlich in London zur Beerdigung ihres Stiefvaters auf.

Um schnellstmöglich mit dem Privatjet nach England reisen zu können, ließ Talos sogar in diesem Augenblick einen Millionendeal in Sydney platzen. Kefalas und Leonidas hatten Eve bis zu dem gestrigen Nachmittag observiert, als sie die Privatklinik in der Harley Street verließ und anschließend in ihrem silbernen Aston Martin direkt in einen Briefkasten auf dem Bürgersteig raste.

„Es war seltsam, Boss“, hatte Kefalas später erklärt. „Bei der Beerdigung schien es ihr noch gut zu gehen. Aber nachdem sie beim Arzt war, fuhr sie plötzlich wie eine Betrunkene. Sie hat uns nicht einmal wiedererkannt, als wir ihr nach dem Unfall zurück in die Klinik halfen.“

Dr. Bartlett kratzte sich ratlos am ergrauten Hinterkopf. „Ich werde sie zur Beobachtung über Nacht hierbehalten. Auch wenn ich keinerlei äußere Verletzungen feststellen konnte“, fügte er noch einmal nachdenklich hinzu.

Frustriert wiederholte Talos seinen Vorwurf. „Weil sie keine Amnesie hat! Sie hält uns zum Narren!“

Der ältere Arzt richtete sich kerzengerade auf. „Ich glaube nicht, dass Miss Craig lügt, Mr. Xenakis. Immerhin kenne ich sie seit ihrem vierzehnten Lebensjahr, nachdem sie mit ihrer Mutter aus Amerika hierhergekommen ist.“ Er schüttelte leicht den Kopf. „Alle Tests waren negativ. Die Amnesie stellt das einzige deutliche Symptom dar. Dieser Umstand deutet darauf hin, dass der Autounfall lediglich als Auslöser fungierte, das eigentliche Trauma allerdings emotionaler Natur ist.“

„Sie ist also selbst daran schuld?“

„So würde ich das nicht formulieren. Aber das ist ohnehin nicht mein Fachbereich, deshalb habe ich meinen Kollegen Dr. Green konsultiert.“

„Einen Psychiater?“

„Ja.“

Talos räusperte sich. „Wenn körperlich alles mit ihr stimmt, kann sie das Krankenhaus doch verlassen, oder?“

Der Arzt zögerte. „Stark genug ist sie schon. Allerdings fehlt ihr jegliche persönliche Erinnerung, daher wäre es ratsam, wenn ein Familienmitglied …“

„Sie hat keine Familie“, unterbrach Talos. „Ihr Stiefvater war der einzige noch lebende Verwandte, und er starb vor drei Tagen.“

„Ich habe von Mr. Craig gehört, und es tut mir sehr leid. Aber ich hoffte, Eve hätte zumindest einen Onkel oder eine Tante, die sich ihrer annehmen könnten. Vielleicht eine Cousine in Boston?“

„Gibt es nicht“, antwortete Talos schlicht, obwohl er es gar nicht genau wusste. Aber nichts würde ihn heute daran hindern, Eve mit zu sich nach Hause zu nehmen. „Ich bin ihr …“ Ja, was eigentlich? Ex-Lover mit Rachegelüsten? „Lebensgefährte“, schloss er. „Und ich werde mich um sie kümmern.“

„Das haben Ihre Mitarbeiter mir gestern auch schon gesagt.“ Dr. Bartlett betrachtete Talos, als würde ihm nicht recht gefallen, was er sah. „Allerdings klingt es nicht gerade so, als würden Sie akzeptieren, dass Eve besonderer Pflege und Fürsorge bedarf.“

„Solange Sie behaupten, sie hätte eine Amnesie, bleibt mir doch gar nichts anderes übrig, als das zu glauben.“

„Sie haben Eve als Lügnerin bezeichnet.“

Kurzerhand schenkte Talos dem Arzt ein entwaffnendes Lächeln. „Kreative Unwahrheiten sind eben Teil ihrer charmanten Persönlichkeit.“

„Sie stehen sich also sehr nahe?“, vermutete Dr. Bartlett und kniff die Augen leicht zusammen. „Haben Sie vor, Eve zu heiraten?“

Natürlich wusste Talos, welche Antwort er darauf geben musste, um Eve problemlos mitnehmen zu können. Also sagte er die Wahrheit. „Sie bedeutet mir alles. Einfach alles!“

Nachdenklich strich der Arzt sich über den Bart, und nach einer Weile nickte er kurz. Offenbar hatte er einen Entschluss gefasst. „Nun gut. Ich entlasse sie in Ihre Obhut, Mr. Xenakis. Passen Sie gut auf Eve auf!“

In sein Zuhause nach Mithridos wollte Talos Eve auf gar keinen Fall bringen, höchstens nach Athen. Dort konnte er sie dann einsperren und dafür sorgen, dass sie ihren üblen Verrat bereute. „Dann werden Sie Eve heute entlassen?“

Der Arzt nickte. „Ja. Und bitte geben Sie ihr das unbedingte Gefühl, angenommen zu werden. Sie braucht jetzt sehr viel Unterstützung und Hilfestellung.“

„Zuneigung und Sicherheit“, vermerkte Talos, und seine Stimme klang betont trocken.

Dr. Bartlett nickte. „Sie können sich sicherlich vorstellen, Mr. Xenakis, was die vergangenen vierundzwanzig Stunden für Eve bedeutet haben. Sie hat nichts mehr, an dem sie sich festhalten kann – keinerlei Erinnerung an Freunde oder Familie. Kein Zuhause oder auch nur eine Vorstellung davon, wo sie hingehört. Sie kannte nicht einmal mehr ihren Namen, bevor ich ihn ihr verraten habe.“

„Keine Sorge“, beruhigte Talos den Arzt grimmig. „Ich werde mich schon gut um sie kümmern.“ Er wollte sich schon abwenden, aber der Arzt hielt ihn zurück.

„Eines sollten Sie noch wissen! Normalerweise würde ich diese Information gar nicht weitergeben, aber in diesem besonderen Fall …“

„Worum geht es?“, unterbrach Talos ungeduldig.

„Eve ist schwanger.“

Talos wollte etwas antworten, öffnete aber zunächst nur wortlos den Mund. „Schwanger?“, wiederholte er erstickt. „Seit wann?“

„Dem Ultraschall nach zu urteilen, den wir gestern gemacht haben, kann ich die Empfängnis auf Mitte Juni festlegen.“

Juni.

Den gesamten Monat lang war Talos ihr praktisch nicht von der Seite gewichen. Widerwillig hatte er sich seinen wichtigsten Geschäftsterminen gewidmet und jeden einzelnen Moment bereut, den er nicht mit ihr im Bett verbringen konnte. Ihre gemeinsame Affäre hatte ihn fest im Griff gehabt: seine Lust, seinen Willen und seine Selbstkontrolle.

„Ich gebe mir selbst die Schuld“, murmelte Dr. Bartlett betroffen. „Wenn ich geahnt hätte, wie sehr Eve die Nachricht von ihrer Schwangerschaft durcheinanderbringt, wäre ich doch niemals damit einverstanden gewesen, sie hier allein aus dem Krankenhaus gehen zu lassen. Aber keine Sorge“, fügte er hastig hinzu. „Ihrem Baby geht es blendend.“ Der Arzt lachte nervös. „Herzlichen Glückwunsch, Mr. Xenakis! Sie werden Vater!“

Um sie herum nahm Eve gedämpfte Stimmen und das leise Surren einer Maschine wahr. Irgendjemand, vielleicht eine Krankenschwester, tupfte Eves Stirn mit einem kühlen, feuchten Tuch ab. Der Stoff fühlte sich schwer an und roch nach Regen und Baumwolle. Trotzdem wollte sie die Augen noch nicht aufschlagen. Der weiche, dunkle Schlaf, der sie umfing, war einfach zu verlockend.

Eve wollte nicht zu dem Nichts ihrer Existenz zurückkehren, denn dort hatte sie keine Identität, konnte sich an keine Details ihres Lebens erinnern und fand keinerlei Halt. Diese Leere war weitaus schlimmer als jeder körperliche Schmerz. Und vor drei Stunden hatte man ihr auch noch mitgeteilt, dass sie schwanger war.

Ich kann mich nicht einmal daran erinnern, wie ich dieses Kind empfangen habe, dachte Eve traurig. Wie sieht das Gesicht des Vaters aus? In welcher Beziehung stehe ich zu ihm?

Heute würde sie ihm begegnen – er konnte jede Minute den Raum betreten.

Mit beiden Händen presste Eve sich ein kleines Kissen auf ihr Gesicht und kniff die Augen fest zusammen. Langsam zerrte es an ihren Nerven, den gnädigen Schlummer abzuschütteln und sich dafür dem Treffen mit dem Vater ihres Kindes zu stellen.

Was er wohl für ein Mann sein mochte?

Sie hörte, wie die Tür geöffnet und wieder geschlossen wurde, und hielt den Atem an. Dann setzte sich jemand neben sie auf die Matratze, und Eve lehnte sich gezwungenermaßen leicht gegen den anderen Körper. Ein kräftiger Arm legte sich sanft um sie, und der maskuline Geruch nach Rasierwasser, Holz und Abenteuer wurde von Sekunde zu Sekunde intensiver.

„Eve, ich bin hier.“ Die Männerstimme klang tief und rau mit einem leichten fremdländischen Akzent, den Eve nicht gleich einzuordnen wusste. „Ich möchte dich abholen.“

Ein Schauer durchfuhr sie, als sie entschlossen das Kissen zur Seite schob. Zuerst nahm Eve nur markante Gesichtszüge wahr. Gebräunte Haut und den leichten Schatten eines dunklen Barts. Dann sah sie das ganze Gesicht, und ihre Augen weiteten sich.

Dieser Kerl ist ja unverschämt attraktiv! schoss es ihr durch den Kopf.

Wie konnte ein Mann bloß so wunderschön aussehen? Sein lockiges schwarzes Haar kringelte sich leicht über seine Ohren, und sein Gesicht war eine Mischung aus Engel und Krieger. Der geschwungene Mund wirkte sehr sinnlich und einladend, und die markante Nase war mit Sicherheit wenigstens einmal gebrochen worden, was die Züge nicht zu lieblich aussehen ließ.

Dunkle, funkelnde Augen waren fest auf Eve gerichtet, und in der Tiefe des Blicks glaubte sie so etwas wie lodernden Hass zu erkennen. Ein gruseliger Anblick, der so gar nicht zum freundlichen Lächeln dieses Mannes passte.

Habe ich mir das eben nur eingebildet? dachte sie nur einen Sekundenbruchteil später. Es wäre kaum ein Wunder, nachdem sie sich bei ihrem Unfall, an den Eve sich ebenfalls nicht erinnern konnte, hart den Kopf angeschlagen hatte.

„Eve“, flüsterte er. „Ich dachte schon, ich würde dich nie finden.“

Mit warmen Fingerspitzen strich er über ihre Wange, und diese Berührung weckte ein vertrautes Gefühl in Eves Herz. Aber in ihrer Magengegend kribbelte es, und sie konnte kaum glauben, was nun offensichtlich wurde. War dieser Mann etwa ihr Liebhaber? So hatte sie ihn sich überhaupt nicht vorgestellt!

Als Dr. Bartlett ihr erzählte, ihr Freund würde aus Australien anreisen, hatte sie sich im Geiste einen freundlich aussehenden Mann mit herzlicher Ausstrahlung und einem offensichtlichen Sinn für Humor ausgemalt. Ein Lebensgefährte, mit dem man am Ende eines Tages gemeinsam das Geschirr abwusch und die alltäglichen Sorgen teilte. Sie wünschte sich einen liebevollen Partner, einen ebenbürtigen Gleichgesinnten.

Nicht in ihren wildesten Träumen hatte sie einen dunklen Schönling mit harter Ausstrahlung erwartet – subtile Grausamkeit gepaart mit unheimlich anziehendem Sex-Appeal. Ohne Zweifel konnte dieses Prachtexemplar ein Frauenherz mit einem einzigen Blick in zwei Hälften schneiden.

„Freust du dich denn gar nicht, mich zu sehen?“, fragte er mit tiefer Stimme.

Stumm betrachtete sie sein Gesicht, doch in ihrem Kopf ließ sich keine einzige persönliche Erinnerung an diesen Mann abrufen. Nicht an die Intimitäten, die sie geteilt haben mussten, nicht an die Emotionen. Nichts!

Behutsam half er Eve, sich aufzusetzen. Dabei ließ er seine Hand etwas länger auf ihrem Rücken liegen, und Eve befeuchtete nervös ihre trockenen Lippen.

„Sie müssen … du bist dann wohl Talos Xenakis?“, begann sie unsicher und wartete darauf, dass er diese Vermutung abstreiten würde. Beinahe hoffte sie, er würde sich als jemand anderer vorstellen. Und dann könnte ihr liebevoller, warmherziger Lebensgefährte mit einem tröstenden Lächeln auf dem Gesicht das Krankenzimmer betreten …

„Also erkennst du mich doch?“

Sie schüttelte den Kopf. „Nein. Deine zwei Angestellten, auch der Arzt, haben mir deinen Namen verraten. Sie sagten, du wärst unterwegs hierher.“

Eindringlich betrachtete er sie.

„Dr. Bartlett sprach von einer Amnesie, aber ich kann das kaum glauben. Doch es stimmt, oder? Du kannst dich wirklich nicht mehr an mich erinnern?“

Eve konnte sich vorstellen, wie sehr ihn das verletzen musste. „Es tut mir so leid“, entschuldigte sie sich und rieb sich die Stirn. „Ich versuche es ja, aber das Erste, woran ich mich wieder erinnern kann, ist die Tatsache, dass dein Angestellter Kefalas mich aus dem Wagen gezogen hat. Zum Glück waren die beiden zum Unfallzeitpunkt genau hinter mir.“

Sein Mund verzog sich unmerklich. „Ja. Das war wirklich Glück.“ Talos richtete sich auf. „Du wirst heute entlassen.“

Ihr stockte der Atem. „Heute schon?“

„Um genau zu sein: jetzt.“

„Aber …“ Zuerst biss sie sich auf die Lippe, dann sprach sie doch weiter. „Aber ich erinnere mich doch an nichts. Eigentlich habe ich gehofft, dass dein Besuch bei mir …“

„Ich sollte deine Erinnerung wecken?“

Eve nickte kleinlaut. Es hatte natürlich keinen Sinn, jetzt enttäuscht zu sein, das wusste sie genau. Außerdem wollte sie Talos nicht noch mehr verunsichern, als sie es ohnehin schon tat.

Allerdings wurde sie den dicken Kloß in ihrem Hals einfach nicht los. Es schien ihr so plausibel zu sein, dass ihr Herz reagieren würde, wenn sie den Mann erblickte, den sie liebte. Es sei denn, sie liebten sich gar nicht!

Dieser plötzliche Gedanke erschreckte Eve. War sie etwa schwanger von einem besseren One-Night-Stand?

„Mir ist klar, dass dich diese Situation ziemlich belasten muss“, begann sie und schob ihre eigene Angst beiseite. „Ich habe keine Ahnung, wie schrecklich sich das anfühlen muss, wenn man jemanden liebt, und dieser jemand erinnert sich nicht an dich.“

Liebst du mich denn? fragte sie im Stillen und versuchte, in seinem Gesicht zu lesen. Liebe ich dich?

„Scht! Schon gut“, beruhigte er sie und küsste sie auf die Stirn. Seine wärmende Nähe fühlte sich an wie die Sonne an einem Wintertag. Dann hob er sein Kinn, und der Blick aus seinen Augen wurde distanzierter. „Mach dir keine Gedanken, Eve! Ganz bald wirst du dich wieder an alles erinnern.“

Dankbar nickte Eve und fand, dass ihr erster Eindruck von ihm sie wohl getäuscht hatte. Talos war nicht der grausame Typ, für den sie ihn zuerst hielt, sondern sein Äußeres verlieh ihm einfach eine etwas grobe Aura. Wahrscheinlich versteckte sich dahinter ein sehr geduldiger und sanfter Mensch. Warum hätte sie sich sonst in ihn verlieben sollen?

Tapfer atmete sie durch und schob ihre Bettdecke beiseite. „Dann werde ich mich mal anziehen.“

Er hielt sie zurück. „Warte! Da gibt es noch etwas, über das wir sprechen müssen.“

Eve wusste sofort, worauf er anspielte. Und in ihrem papierdünnen Nachthemd fühlte sie sich viel zu verletzlich für ein derartiges Gespräch. Deshalb hüllte sie sich eilig wieder in ihre Decke ein und zog sie bis zum Hals hoch.

„Er hat es dir also erzählt?“, fragte sie leise.

Sein Tonfall war beinahe grimmig, als er ihr antwortete. „Ja.“

„Und? Freust du dich?“ Ihre Stimme zitterte. „Über die Neuigkeiten?“

Sie hielt den Atem an, während Talos sie schweigend ansah. Als er endlich antwortete, konnte sie nicht ausmachen, was für Gedanken ihm wirklich durch den Kopf gingen. „Ich war überrascht.“

„Demnach war dieses Baby von uns nicht geplant?“

Seine Hände verkrampften sich auf ihrer Bettdecke. Zuerst blickte er auf seine Fäuste hinunter, dann in Eves Gesicht.

„Ich habe dich noch nie so gesehen“, sagte er schließlich leise. Mit einem Finger strich er ihr ein paar Locken aus dem Gesicht. „So ganz ohne Make-up, ganz pur.“

Vergeblich versuchte sie, ihm auszuweichen. „Ich sehe bestimmt furchtbar aus.“

Talos zog Eve zu sich heran. Seine Augen wirkten noch eine Nuance dunkler und jagten ihr erneut Schauer über den Rücken.

„Freust du dich denn nun über das Baby?“, hakte sie nach.

Er legte die Arme um sie. „Ich werde gut für dich sorgen.“

Warum wich er einer Antwort aus? Eve schluckte und zwang sich dann zu einem halbherzigen Lächeln. „Schon gut, ich bin keine Invalidin. In wenigen Tagen wird die Amnesie vorüber sein. Dr. Bartlett sagte etwas von einem Spezialisten …“

Seine Umarmung wurde etwas fester, als er Eve an seine harte Brust drückte. „Du brauchst keinen weiteren Arzt“, widersprach er. „Jetzt musst du nur mit mir nach Hause kommen.“

Durch das dünne Nachthemd spürte Eve sogar die Knöpfe von Talos’ Hemd, und der männliche Duft des Rasierwassers wurde beinahe unerträglich in seiner Anziehungskraft. Gegen ihren Willen schloss sie die Augen und ließ sich ein Stück weit fallen. Tief atmete sie Talos’ erotischen Duft ein und ließ sich von der betäubenden Wirkung gefangen nehmen.

Alles andere war für den Moment ausgeblendet. Das private Krankenzimmer, die Ärzte und Schwestern, die diskret vor der Tür warteten, das Rauschen der Überwachungsmonitore, der antiseptische Geruch … Alles entglitt in ein Nirvana.

Es gab nur noch diesen Moment. Nur noch ihn.

In seinen starken Armen fühlte Eve sich zum ersten Mal seit ihrem Unfall geborgen und unangreifbar. Geliebt. Endlich hatte sie einen Platz in dieser Welt. Bei ihm.

Zärtlich drückte er ihr einen Kuss auf die Haare. Sie spürte Talos’ heißen Atem, und in ihr wuchs … Ja, was eigentlich? Angst? Sehnsucht? Liebte er sie?

Mutig hob sie eine Hand und strich über sein stoppeliges Kinn. Vermutlich hatte er keine Zeit gehabt, sich während des langen Fluges zu rasieren. Immerhin kam er gerade aus Australien. War das ein Zeichen für seine Liebe?

„Warum warst du nicht mit mir zusammen in London bei der Beerdigung meines Stiefvaters?“, fragte Eve.

Talos schien seine Worte mit Bedacht zu wählen. „Ich hatte in Sydney zu tun, um eine neue Firma aufzubauen. Glaube mir“, fügte er hinzu, „ich wollte nicht so lange von dir getrennt sein.“

Eve gewann den Eindruck, dass er ihr etwas verschwieg. Oder spielte ihre eigene Verwirrung ihr einen Streich? In dieser merkwürdig nebligen, leeren Welt konnte sie keinem ihrer Gefühle wirklich vertrauen.

„Du bist so hübsch, Eve“, fuhr Talos fort und umfasste ihr Gesicht. Dann stieß er einen Seufzer aus. „Ich hatte schon befürchtet, dich nie wiederzusehen.“

„Du meinst, nachdem du von dem Unfall erfahren hast?“, hakte sie nach. Als er ihr eine Antwort schuldig blieb, befeuchtete sie hastig ihre Lippen und kam mit der Frage heraus, die sie eigentlich beschäftigte. „Weil wir uns wirklich lieben, oder?“

An seiner Wange zuckte ein Muskel. „Du warst noch jungfräulich, als wir miteinander intim wurden“, begann er umständlich. „Vor drei Monaten sind wir zum ersten Mal miteinander im Bett gelandet.“

Ich war eine Jungfrau? dachte sie und fühlte sich unendlich erleichtert. Wenigstens war so ausgeschlossen, dass ein anderer als Vater für ihr Kind infrage kam. Es war schon schlimm genug, dass sie sich nicht auf ihren Lebensgefährten besinnen konnte.

Warum sind wir eigentlich nicht verheiratet? wunderte sich Eve. Aber wenn ich mit fünfundzwanzig noch Jungfrau bin und nur einen Liebhaber hatte, sagt das doch schon eine Menge über meinen Charakter aus. Aber was ist mit der Liebe?

In Talos’ düsteren Augen lag etwas, das Eve nicht einordnen konnte. Etwas versteckte sich zwischen den Zeilen, wenn er sprach, und sie wüsste nur zu gern, worum es sich bei diesem Geheimnis handelte.

„Mach dich jetzt fertig, damit wir fahren können“, bat er sie und gab ihr noch einen Kuss auf die Schläfe. Mit beiden Händen strich er über Eves nackte Arme. „Ich möchte dich endlich nach Hause bringen.“

Ihr Atem wurde flacher, und ihre erhitzte Haut kribbelte unerträglich stark unter Talos’ zärtlicher Liebkosung. Die feinen Härchen in ihrem Nacken vibrierten und kitzelten dabei leicht die empfindsame Rückseite ihrer Ohrläppchen. Eve hatte den Eindruck, dass ihre Brüste etwas fester und voller waren als noch vor wenigen Momenten, aber das konnte auch an dem extrem dünnen Stoff des Nachthemds liegen.

„In Ordnung“, antwortete sie leise und ließ sich von Talos aus dem Bett helfen. Erst jetzt fiel ihr auf, wie groß und breit gebaut er im Gegensatz zu Eve war. Fasziniert sah sie zu ihm hoch und bewunderte die ausgeprägten Muskeln unter seinem Hemd.

„Entschuldige, dass ich so lange gebraucht habe, um zu dir zu kommen“, sagte er und legte beide Arme um sie. „Aber jetzt bin ich hier, und ich werde dich nie wieder aus den Augen lassen.“ Er besiegelte sein Versprechen mit einem Kuss auf ihre Stirn.

Autor

Jennie Lucas
<p>Jennie Lucas wuchs umringt von Büchern auf! Ihre Eltern betrieben einen kleinen Buchladen und so war es nicht weiter verwunderlich, dass auch Jennie bald deren Leidenschaft zum Lesen teilte. Am liebsten studierte sie Reiseführer und träumte davon, ferne Länder zu erkunden: Mit 17 buchte sie ihre erste Europarundreise, beendete die...
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