Brenda Jackson Edition Band 13

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ENTFLAMMT VON DEINEM KUSS von BRENDA JACKSON

Sheila hat sich geschworen, nie wieder mit dem Feuer der Liebe zu spielen. Doch für Zeke, der im Fall eines von ihr betreuten Findelkinds ermittelt, hegt sie eine gefährliche Schwäche! Ihre Beziehung muss rein beruflich bleiben, findet Sheila. Doch dann steht Zeke vor ihrer Tür …

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  • Erscheinungstag 28.12.2024
  • Bandnummer 13
  • ISBN / Artikelnummer 9783751523622
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Brenda Jackson

1. KAPITEL

An manchen Tagen sollte man lieber gar nicht erst aufstehen.

Es sei denn, ein ungeheuer aufregender nackter Mann würde auf mich in der Küche warten, um mir Kaffee einzuschenken und mich dann auf seinen Schoß zu ziehen, dachte Sheila Hopkins, während sie die Augen zusammenkniff, um im Gegenlicht die Straße vor sich erkennen zu können. Die Novembersonne stand tief und reflektierte auf der Windschutzscheibe. Unwillkürlich musste sie lächeln.

Doch dann wurde sie wieder ernst. Ein Anruf ihrer Schwester hatte ihre ursprünglich gute Laune gründlich ins Gegenteil verkehrt. Dass sie nicht in Atlanta willkommen war, um die Schwester und ihre Familie zu besuchen, hatte Sheila schwer getroffen, obgleich sie sich so etwas hätte denken können.

Lois war die einzige Tochter aus der ersten Ehe ihres Vaters und hatte die kleine Halbschwester immer gehasst. Warum sollte sie also nach siebenundzwanzig Jahren plötzlich so etwas wie eine schwesterliche Liebe für Sheila entwickelt haben? Und dennoch hatte Sheila darauf gehofft.

Die Schwester führte ein glückliches Familienleben mit Mann und zwei Kindern, das dritte war unterwegs. Auch finanziell sah alles gut aus, denn ihr Mann besaß seine eigene Fernsehstation in Atlanta. Aber all das schien Lois nicht milder gestimmt zu haben. Sie hatte kalt, ja geradezu herzlos am Telefon geklungen.

Doch damit nicht genug. Kurz danach hatte das Krankenhaus angerufen und Sheila an ihrem freien Tag angefordert. Sie seien zu knapp besetzt. Und da Sheila ihren Beruf ernst nahm, hatte sie zugestimmt. Eigentlich hatte sie im Garten arbeiten wollen. Aber das war nicht so wichtig. Sie lebte allein und hatte weiter nichts vor. Also konnte sie auch Dienst machen.

Als sie an der Ampel halten musste, bemerkte sie aus dem Augenwinkel einen kleinen Sportwagen links neben sich und hob den Blick, um zu sehen, wer den schicken Flitzer fuhr. Sie sah den Mann nur im Profil, aber auch das war beeindruckend.

Als spüre er, dass sie ihn ansah, wandte der Mann sich ihr zu, und Sheila stockte der Atem. Donnerwetter, was für ein Kerl! Er hatte markante Gesichtszüge mit einem energischen Kinn, einem sensiblen Mund und großen dunkelbraunen Augen. Sofort musste Sheila an ihre Fantasie von heute Morgen denken, an den nackten Mann in ihrer Küche – dieser Kopf hier würde gut zu ihm passen …

Jetzt nickte er ihr zu, und ohne dass es ihr so recht bewusst war, grüßte sie zurück. Als er sie daraufhin anlächelte, zwang sie sich, schnell wieder auf die Straße zu sehen. Sowie die Ampel auf Grün sprang, gab Sheila Gas. Auf keinen Fall sollte der Fremde glauben, sie wolle mit ihm flirten, auch wenn er noch so gut aussah. Dass eine attraktive Verpackung nicht immer das enthielt, was gut für sie war, das hatte Sheila bereits erfahren müssen. Crawford war dafür ein gutes Beispiel gewesen.

Als sie bei der nächsten Ausfahrt rausfuhr, wunderte sie sich immer noch, dass ihr dieser Mann bisher nicht aufgefallen war. Nicht dass sie alle Männer kannte, die in dieser texanischen Stadt lebten. Aber Royal war klein, und jemanden wie den Fremden in dem Sportwagen hätte sie bestimmt nicht übersehen. Wer weiß, vielleicht würde sie ihm noch einmal begegnen.

Und dann? Was sollte schon sein? Nichts.

Sie hatte weder Zeit noch Lust, sich auf einen Mann einzulassen. Damit hatte sie schlechte Erfahrungen gemacht, und das war auch der Grund, weshalb sie von Dallas nach Royal gezogen war. Sie wollte noch einmal ganz neu anfangen. Allerdings wusste sie auch, dass es nicht genügte, den Wohnsitz zu wechseln. Sie selbst musste sich ändern, wenn sie nicht immer wieder in Schwierigkeiten geraten wollte.

Ezekiel Travers lachte leise, als er sah, wie die hübsche Frau im Wagen neben ihm Gas gab und davonraste, als habe sie etwas Wichtiges vor. Da ist sie nicht die Einzige, dachte er und beobachtete, wie sie die nächste Ausfahrt nahm. Irgendjemand hatte vor, den Ruf seines besten Freundes Bradford Price zu ruinieren, und das ging entschieden zu weit.

Brad hatte ihn entnervt angerufen und ihm erzählt, dass jemand ihn erpressen wollte. Vor dem Eingang des Texas Cattleman’s Club, kurz TCC genannt, war ein Baby gefunden worden, das laut der beiliegenden Notiz das Kind von Brad sein sollte.

Sein Handy klingelte, und er wusste sofort, wer dran war. „Ja, Brad?“

„Zeke, wo bist du?“

„Ich bin in ein paar Minuten da. Keine Sorge, ich kriege raus, wer dahintersteckt.“

„Ich habe keine Ahnung, wer sich diesen üblen Scherz mit mir erlaubt. Aber ich schwöre dir, es ist nicht mein Baby!“

„Natürlich nicht. Was durch einen Vaterschaftstest ganz einfach bewiesen werden kann. Also beruhige dich.“

Zeke hatte keinen Grund, seinem besten Freund nicht zu glauben. Sie kannten sich, seit sie auf dem Campus der University of Texas gemeinsam ein Zimmer bewohnt hatten. Nach dem Studium war Brad nach Royal zurückgekehrt und in die Bank seiner Familie eingestiegen. Später hatte er dann auch seinen Freund Zeke überredet, nach Royal zu kommen. Das war nicht schwer gewesen, denn Zeke hatte immer gesagt, dass er am liebsten aus Austin wegziehen und sich in einer Kleinstadt niederlassen würde.

Da Zeke als Sicherheitsfachmann und Privatdetektiv nicht nur ein kleines Vermögen verdient, sondern sich auch einen guten Ruf erworben hatte, konnte er überall in Texas leben. Längst brauchte er nicht mehr jeden Fall anzunehmen. Deshalb hatte er zugesagt, als Brad ihm vorgeschlagen hatte, Partner von Darius Franklins Detektei zu werden. Zeke war nach Royal geflogen und hatte sich sofort in die kleine Stadt verliebt. Allerdings hatte er nicht damit gerechnet, dass sein erster Fall mit seinem besten Freund zu tun haben würde.

„Ich wette, dass Abigail dahintersteckt“, stieß Brad wütend hervor. Abigail Langley war seine schärfste Rivalin um die Präsidentschaft des TCC.

„Dafür hast du keine Beweise. Und bisher habe ich auch noch keine Verbindung zwischen Ms Langley und den Erpresserbriefen feststellen können. Aber sollte sie etwas damit zu tun haben, dann kriege ich das heraus, darauf kannst du Gift nehmen. Bleib, wo du bist, ich bin gleich bei dir.“

Leise seufzend steckte er das Telefon wieder weg. Seit fünf Monaten erhielt sein Freund diese Briefe, und dass er bisher in dem Fall nicht weitergekommen war, ärgerte Zeke. Hätte er die Sache schon vor ein paar Monaten gelöst, wäre es vielleicht gar nicht dazu gekommen, dass auch noch ein unschuldiger Säugling mit hineingezogen wurde.

Was es bedeutete, als Kind ausgesetzt zu werden, konnte er gut nachempfinden. Auch mit dreiunddreißig. Seine Mutter hatte ihn zwar nicht irgendjemandem vor die Tür gelegt, aber sie hatte ihn bei ihrer Schwester abgegeben und war erst vierzehn Jahre später wiederaufgetaucht. Auch dann war sie nur kurze Zeit geblieben.

Zeke schüttelte den Kopf. Es hatte keinen Sinn, sich mit der traurigen Vergangenheit zu beschäftigen. Jetzt ging es um Brad. Wenn die Sache mit dem Kind und der Notiz, Brad sei, der Vater, ein Witz sein sollte, dann war er nicht besonders komisch. Zeke war entschlossen, herauszufinden, wer dahintersteckte.

Sowie Sheila auf ihrer Station war, begriff sie, weshalb man sie angerufen hatte. Mehrere Schwestern hatten sich krankgemeldet, und die Notaufnahme war überfüllt.

„Dann musstest du tatsächlich an deinem freien Tag kommen?“

Sheila sah sich um und lächelte. Es war ihre Kollegin Jill Lanier, die sie an ihrem ersten Tag im Royal Memorial Hospital unter ihre Fittiche genommen hatte und mit der sie inzwischen gut befreundet war. Als sie nach Royal gezogen war, hatte sie keine Seele gekannt und war Jill deshalb dankbar gewesen.

Sie wollte Jill gerade antworten, als sie ein Baby weinen hörte. Verblüfft sah sie die Freundin an. „Was ist das denn?“

Zwei Polizisten kamen auf sie zu, der eine hielt ein schreiendes Baby in den Armen. Sheila wies auf das Kind. „Was ist denn passiert?“

Der junge Beamte sah sie mit milder Verzweiflung an. „Ich weiß auch nicht, warum die Kleine schreit“, sagte er hilflos. „Jemand hat sie dem TCC vor die Tür gelegt. Und man hat uns gesagt, wir sollten sie hierher bringen.“

Sheila hatte von dem Klub schon gehört. Die meisten Mitglieder hatten viel Geld und verstanden sich als die wahren Texaner. Das einzig Positive an dem Klub war sein Engagement bei sozialen Aufgaben. So hätte die neue Krebsabteilung des Krankenhauses nicht ohne die kräftige Finanzspritze des TCC gebaut werden können.

Als Jill dem Mann das Kind abnahm, atmete er erleichtert auf. Das Baby jedoch fing noch kräftiger an zu schreien. „Ausgerechnet dem TCC? Warum das denn?“

„Keine Ahnung, warum jemand überhaupt sein Kind aussetzt“, sagte der andere Polizist. Auch er schien froh zu sein, dass sie das Baby los waren.

Die Kleine, die etwa fünf Monate sein musste, war inzwischen hochrot angelaufen und konnte sich gar nicht wieder beruhigen. Jill sah die Freundin verzweifelt an, während sie das Baby unbeholfen in den Armen wiegte. Sie war ein paar Jahre jünger als Sheila und hatte keinerlei Erfahrung mit Säuglingen.

Der junge Beamte räusperte sich. „Man hat eine Notiz bei dem Kind gefunden, die besagt, Brad Price sei der Vater.“

„So?“ Sheila kannte Brad Price nicht persönlich, aber sie hatte natürlich von ihm gehört. Seine Familie war in Royal tonangebend und hatte eine Menge Geld im Bankgewerbe verdient. „Wissen Sie, ob jemand vom Sozialamt auf dem Weg hierher ist?“

„Ja, sie wollten jemanden schicken. Price behauptet, es sei nicht sein Kind. Man wird einen Vaterschaftstest machen.“

„Gut.“ Sheila nickte. Das Ergebnis würde wahrscheinlich erst in einer Woche feststehen.

„Und was sollen wir solange mit ihr tun?“ Jill sah die Polizisten fragend an, während sie immer noch versuchte, das Baby zu beruhigen. Umsonst, die Kleine schrie wie am Spieß.

„Behalten Sie sie erst einmal hier.“ Der junge Beamte hatte sich bereits halb abgewandt, als könne er es gar nicht erwarten, von hier wegzukommen. „Die Frau vom Sozialamt wird Ihnen dann sagen, wie es weitergehen soll. Die Kleine hat bisher noch keinen Namen, zumindest stand nichts auf dem Zettel.“

Auch der andere Polizist hatte es auf einmal eilig. „Wir müssen jetzt leider gehen, meine Damen.“ Er blickte leicht angeekelt auf seinen rechten Ärmel. „Sie hat gespuckt, und ich muss noch schnell zu Hause vorbeifahren, um mich umzuziehen. Viel Glück!“

„Die haben wirklich Nerven“, sagte Jill empört und sah den beiden hinterher. „Was sollen wir denn bloß mit ihr anfangen? Eins ist sicher, das Kind hat kräftige Lungen.“

„Vielleicht sollte sie mal von jemandem untersucht werden“, meinte Sheila. „Möglicherweise gibt es einen Grund für ihr Gebrüll. Lass uns Dr. Phillips anpiepen.“

„Das kann ich ja machen.“ Jill drückte Sheila schnell das Kind in den Arm. „Du kannst sie auch mal nehmen.“

„Was? Na, hör mal …“ Lächelnd beugte sich Sheila zu der Kleinen hinunter und versuchte, sie zu beruhigen. „So schlimm ist das doch alles gar nicht“, flüsterte sie. Auch sie hatte kaum Erfahrung mit Kindern. Ihren kleinen Neffen und ihre Nichte hatte sie bisher nur zweimal gesehen.

Lois war mit der zweiten Ehe des Vaters nie einverstanden gewesen und ließ ihren Zorn an Sheila aus, die vier Jahre jünger war. Immer noch hoffte Sheila, dass die Schwester irgendwann ihre Haltung ändern würde, aber bisher war in dieser Hinsicht nichts geschehen.

Doch das war jetzt zweitrangig, jetzt ging es um dieses kleine Wesen, das ihr in den Armen lag. Sheila lächelte die Kleine an, die sie aus ihren großen haselnussbraunen Augen ansah – und plötzlich aufhörte zu schreien. Stattdessen zeichneten sich entzückende Grübchen auf den runden Wangen ab.

„So? Du kannst also auch lächeln?“ Sheila war begeistert. „Du bist ja eine süße kleine Maus, der reinste Sonnenschein. Ich glaube, ich nenne dich erst einmal Sunnie, bis wir wissen, wie du wirklich heißt.“

„Dr. Phillips ist auf dem Weg hierher, und ich muss dringend in den dritten Stock.“ Jill wandte sich bereits zum Gehen. „Aber sag, wie hast du es denn geschafft, dass die Kleine aufgehört hat zu schreien?“

„Keine Ahnung. Vielleicht mag sie mich.“

„Sieht ganz so aus“, sagte eine tiefe männliche Stimme hinter ihr.

Hastig drehte Sheila sich um – und blickte in die schönsten dunkelbraunen Augen, die sie je bei einem Mann gesehen hatte. Der samtene Blick ließ sie sofort an Schlafzimmer, weiße Seidenlaken und glühende Leidenschaft denken. Irgendwo hatte sie den Mann schon einmal gesehen. Aber wo? Das Gesicht kam ihr bekannt vor … Richtig, das war der Sportwagenfahrer, der an der Ampel neben ihr gestanden und versucht hatte, mit ihr zu flirten. Daraufhin hatte sie Gas gegeben, um ihm zu entkommen.

Das war ihr wohl nicht gelungen. Denn hier stand er, direkt vor ihr, in all seiner beeindruckenden Männlichkeit.

2. KAPITEL

Diese Frau sehe ich heute schon zum zweiten Mal, ging Zeke durch den Kopf. Und wieder sah sie gut aus, selbst in diesem Schwesternkittel. Das schulterlange schwarze Haar, die hellbraune Haut und die großen Augen waren eindrucksvoll genug.

Sie war also Krankenschwester. Von ihm aus konnte sie ihm gern Fieber messen, wann und wo sie wollte. Vielleicht am besten gleich, denn er hatte durchaus das Gefühl, dass ihr bloßer Anblick seine Temperatur in die Höhe trieb.

„Kann ich Ihnen helfen?“

Er schrak leicht zusammen. „Äh, ja … Das Baby da in Ihrem Arm …“

Wie um es zu schützen, drückte Sheila das Kind an sich. „Was ist damit?“

„Ich will wissen, was mit ihm los ist.“

Fragend hob sie eine Augenbraue. „Und Sie sind …?“

Er bot all seinen Charme auf und lächelte. „Zeke Travers. Privatdetektiv.“

Bevor Sheila antworten konnte, kam ihr eine männliche Stimme zuvor. „Zeke Travers! Donnerwetter! Ist das nicht der berühmte Footballspieler, der mit dem Team der Universität die nationale Meisterschaft gewonnen hat? Ich weiß nicht mehr genau, wann das war. Aber du warst damals zusammen mit Brad Price und Chris Richards nicht zu schlagen. Irgendjemand hat mir erzählt, dass du nach Royal gezogen bist.“

Verblüfft sah Sheila zu, wie Dr. Warren Phillips diesen Zeke herzhaft umarmte. Offenbar kannten die beiden sich. Gespannt hörte sie zu.

„Ja, ich bin vor einem halben Jahr hergezogen“, sagte Zeke. „Austin wurde mir zu groß. Ich wollte mal ausprobieren, wie es sich in einer kleinen Stadt lebt. Brad meinte, ich solle unbedingt nach Royal kommen. Glücklicherweise konnte ich Darius Franklin überzeugen, dass er einen Partner braucht.“

„Global Securities?“

„Ja, und bisher klappt alles bestens. Mit Darius komme ich gut aus, und die Stadt gefällt mir. Eigentlich jeden Tag ein bisschen besser.“ Dabei warf er Sheila einen vielsagenden Blick zu.

Nur schwer konnte sie sich von seinem Anblick lösen. Erst als Dr. Phillips sich räusperte, wandte sie sich ab.

„Und weshalb bist du hier zu uns gekommen?“ Belustigt sah Dr. Phillips zwischen Sheila und Zeke hin und her.

„Wegen des Babys da.“ Zeke wies auf die Kleine. „Es ist heute Morgen auf der Türschwelle des TCC zurückgelassen worden. Ein Zettel lag dabei mit dem angeblichen Namen des Vaters. Brad Price. Und ich möchte beweisen, dass Brad nicht der Vater ist.“

„Wenn das so ist“, meinte Dr. Phillips lächelnd, „dann sollten wir das Kind wohl mal gründlich untersuchen.“

Kurze Zeit später ließ Dr. Phillips sein Stethoskop in die Kitteltasche gleiten und lehnte sich lächelnd gegen den Untersuchungstisch. „Also, diese junge Dame ist kerngesund.“ Er nickte Sheila zu. „Und sie fühlt sich offenbar nur bei Ihnen wohl, Schwester Sheila. Wenn Sie nicht hier gewesen wären, hätte sie sich wohl kaum von mir untersuchen lassen.“

Sheila lachte leise und sah die Kleine zärtlich an. „Sie ist entzückend. Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass jemand sie loswerden wollte.“

„Tja, aber es sieht so aus“, meinte Zeke kopfschüttelnd.

Als sie seine tiefe Stimme hörte, überlief es sie heiß. Sie hatte ganz vergessen, dass er mit in den Untersuchungsraum gekommen war. Warum eigentlich? Wollte er das Baby nicht aus den Augen lassen? „Weshalb sind Sie so sicher, Mr Travers, dass es nicht Brad Prices Kind ist? Ich bin ihm zwar nur ein- oder zweimal begegnet, aber er hat auch diese haselnussbraunen Augen.“

„Wie Millionen andere Menschen auch.“

Offenbar war ihm die Fragerei unbequem. So wandte sie sich an Dr. Phillips. „War das die Frau vom Sozialamt, die vorhin durch die Tür guckte, als Sie Sunnie untersuchten? Hat sie gesagt, was mit dem Kind weiter geschehen soll?“

„Sunnie?“ Dr. Phillips sah sie überrascht an.

„Ja.“ Sheila nickte lächelnd. „Als ich sie ansah, strahlte sie mich an wie ein Sonnenschein. Und da keiner ihren Namen kennt, habe ich sie Sunnie genannt.“

„Nichts dagegen.“ Dr. Phillips schmunzelte. „Ja, Ms Talbert kommt tatsächlich vom Sozialamt, hat aber auch keine Ahnung, zu wem die Kleine gehören könnte. Zumal Brad behauptet, es sei nicht sein Kind.“

„Und das stimmt“, mischte sich Zeke wieder ein. „Seit fünf Monaten bekommt er jetzt diese Erpresserbriefe, die ihm so etwas wie dies hier androhen.“ Verlegen rieb er sich den Nacken. „Ich habe ihm versprochen, mich darum zu kümmern, und ihm geraten, die Briefe vorläufig zu ignorieren. Ehrlich gesagt habe ich das Ganze für eine leere Drohung gehalten, aber offenbar habe ich mich getäuscht.“

Und das ärgerte ihn selbst am meisten. Er hätte die Sache ernster nehmen und nicht warten sollen, bis etwas passiert. Nachdenklich blickte er das Kind an. Was diese Sheila gesagt hatte, stimmte. Die Kleine hatte haselnussbraune Augen – und nicht nur das. Ihre Augen schimmerten in dem gleichen goldbraunen Ton wie die Brads. Und wenn es doch Brads Kind war? Schließlich war Brad Price als Playboy bekannt.

Dennoch, was Brad ihm erzählt hatte, war glaubhaft. Er hatte geschworen, seit achtzehn Monaten nicht mehr mit einer Frau geschlafen zu haben. Und wenn das Baby fünf Monate alt war, konnte Brad unmöglich der Vater sein.

„Übrigens, Zeke“, Dr. Phillips sah den Freund kurz an, „dies ist Sheila Hopkins, eine unserer besten Schwestern.“ Dann wandte er sich wieder Sheila zu. „Aber ich habe Ihre Frage noch nicht beantwortet. Ms Talbert möchte das Ergebnis des Vaterschaftstests abwarten. Ich habe ihr zugesagt, dass wir uns solange um das Baby kümmern.“

„Wo? Hier?“

„Ja. Es sollte nicht zu lange dauern, es sei denn, Brad weigert sich, den Test machen zu lassen.“ Dr. Phillips sah Zeke fragend an.

„Nein, er weiß, dass das nur zu seinem Besten ist“, versicherte Zeke.

„Das heißt, Sunnie muss hier im Krankenhaus bleiben? Obwohl sie vollkommen gesund ist? Bis die Ergebnisse da sind, können zwei Wochen vergehen.“ Sheila warf einen kurzen Blick auf Zeke. „Ob Ihr Klient nun der Vater ist oder nicht, bestimmt ist es doch auch in seinem Sinn, dass das Kind sich wohlfühlt, bis man weiß, wo es hingehört.“

Zeke seufzte genervt. „Und was schlagen Sie vor, Ms Hopkins? Vielleicht ist es für das Kind nicht ideal, hier im Krankenhaus zu bleiben. Aber die Alternative wäre, es dem Sozialamt zu übergeben. Das bedeutet, die Kleine würde von Pflegeeltern zu Pflegeeltern wandern, wenn sich herausstellt, dass Brad nicht der Vater ist.“

Was sollte sie dazu sagen? Traurig sah Sheila die Kleine an, die zufrieden in ihren Armen eingeschlafen war. Aus welchen Gründen auch immer, Sunnies Mutter hatte das Kind nicht haben wollen, und nun musste Sunnie darunter leiden. Wie ungerecht. Nur zu genau konnte Sheila sich daran erinnern, wie sehr sie darunter gelitten hatte, nicht erwünscht gewesen zu sein.

„Vielleicht gibt es noch eine andere Möglichkeit, Schwester Sheila“, fing Dr. Phillips langsam an. „Das heißt, wenn Sie damit einverstanden sind. Und auch Ms Talbert müsste zustimmen.“

„Und die wäre?“

„Vor einigen Jahren war Winona, die spätere Frau meines Kollegen Dr. Webb, in einer ähnlichen Situation. Jemand hatte ein Kind vor ihrer Tür ausgesetzt. Und da Winona selbst bei verschiedenen Pflegeeltern aufgewachsen war, wollte sie das Kind vor diesem Schicksal bewahren. Kurz gesagt, sie nahm das Kind auf, und nachdem Dr. Webb und sie geheiratet hatten, adoptierten sie das Kind.“

„Und was hat das mit mir zu tun?“

Dr. Phillips lächelte. „Nun, Sie könnten doch die Pflegemutter für Sunnie sein, bis sich herausstellt, wohin sie gehört. Ich bin sicher, dass Ms Talbert damit einverstanden ist.“

Schockiert sah Sheila ihn an. „Ich eine Pflegemutter? Ich habe doch keine Ahnung, wie man mit einem Baby umgeht.“

„Das glaube ich Ihnen nicht, Ms Hopkins“, schaltete sich Zeke ein. „Nur Sie haben das Kind beruhigen können, nur bei Ihnen scheint es sich wohlzufühlen. Und als Schwester sind Sie doch gewohnt, andere Menschen zu pflegen.“

Ganz sicher war das auch in Brads Sinn, der zwar schwor, mit dem Kind nichts zu tun zu haben, es aber sicher in guter Obhut sehen wollte. Außerdem, hing diese Sheila Hopkins nicht schon irgendwie an der Kleinen?

„Und noch eins“, fuhr er fort. „Falls Sie sich Sorgen machen, wie Sie das Ganze mit Ihrem Beruf vereinen können. Ich bin sicher, dass das Krankenhaus Ihnen für die Zeit unbezahlten Urlaub gibt. Und Mr Price wird Ihnen gern Ihr Gehalt weiterzahlen.“

„Das ist eine fabelhafte Idee.“ Dr. Phillips strahlte. „Ich denke, es wird kein Problem sein, das hier im Haus durchzusetzen. Sunnies Wohlbefinden sollte für alle an erster Stelle stehen.“

Das ist ja alles ganz schön und gut, dachte Sheila. Aber sie eine Pflegemutter? „Wie lange, meinen Sie, werde ich mich um die Kleine kümmern müssen?“ Unsicher blickte sie auf das Kind herunter. Es strahlte sie jetzt an.

„Zwei, drei Wochen, wenn überhaupt“, meinte Zeke. „Bis dahin sollten die Ergebnisse das Vaterschaftstests da sein.“

Die Kleine quiekte vor Vergnügen, als sie eine von Sheilas Haarsträhnen zu fassen kriegte, und unwillkürlich sah Sheila sie wieder an. Was für ein süßes Kind. Und diese Augen … Plötzlich wusste sie, sie würde es tun. Sunnie brauchte vorübergehend ein Zuhause, und das konnte sie ihr geben. Zum ersten Mal hatte sie das Gefühl, gebraucht zu werden.

Langsam hob sie den Kopf und sah in die gespannten Gesichter der beiden Männer. „In Ordnung, ich werde Sunnie für diese Zeit aufnehmen.“

Zeke zog die Jacke aus, warf sie nach hinten und glitt hinter das Lenkrad. Doch er fuhr nicht gleich los, sondern lehnte sich zurück und betrachtete nachdenklich den Eingang des Krankenhauses. Dass Sheila Hopkins sich bereit erklärt hatte, das Baby aufzunehmen, beruhigte ihn. Bestimmt war das Kind bei ihr gut aufgehoben, und er konnte sich auf die Suche nach Brads Erpresser konzentrieren.

Jeder noch so kleinen Spur würde er nachgehen, bis er den Fall geklärt hatte, und er würde sich dabei von nichts und niemandem ablenken lassen. Auch nicht von Sheila Hopkins – was nicht ganz einfach war. Mit ihr in einem Raum zu sein, selbst als Warren Phillips dabei war, war die reine Folter gewesen. Sie war so attraktiv und schien sich dessen gar nicht bewusst zu sein. Seltsam. Sie war nicht verheiratet oder verlobt, zumindest trug sie keinen Ring.

Als er versucht hatte, Warren auszuhorchen, hatte der Freund sie in den höchsten Tönen gepriesen. Sie sei eine vorbildliche Schwester, sehr zuverlässig und intelligent. Außerdem hatte Warren ihm erzählt, dass Sheila im letzten Jahr von Dallas nach Royal gezogen war.

Dennoch konnte es nicht schaden, genauere Informationen über sie einzuholen. Denn für eine gute Summe mit der Story an die Presse zu gehen, war für viele eine Versuchung. Er musste sich vergewissern, dass Ms Hopkins nicht zu diesem Typ Mensch gehörte. Er hatte Brad versprochen, den Fall, der dem Freund Albträume verursachte, ohne Aufsehen zu lösen.

Gerade als er den Motor starten wollte, sah er Sheila Hopkins aus der Tür kommen. Sie rannte über den Parkplatz, als sei der Teufel hinter ihr her. Warum wohl? Schnell stieg Zeke aus und stellte sich ihr in den Weg.

„Was soll das?“, fuhr sie ihn an. „Sie haben mich zu Tode erschreckt.“

„Entschuldigen Sie, aber ich hatte den Eindruck, Sie hätten Probleme. Warum haben Sie es denn so eilig?“

Sheila atmete tief durch und sah zu ihm hoch. Wieder fing ihr Herz an, wie verrückt zu schlagen. Schon vorhin in dem Untersuchungszimmer hatte sie Zeke Travers heimlich immer wieder ansehen müssen. „Sunnie muss heute Nacht noch im Krankenhaus bleiben, weil ich erst einmal besorgen muss, was ein Säugling so braucht. Babybett, Windeln, Kleidung und das alles. Ich hole sie morgen früh ab.“ Sie sah kurz zu Boden. „Es fällt mir schwer, sie allein zu lassen. Sie fing sofort wieder an zu weinen.“

Dass Sheila die Kleine ungern zurückließ, gefiel Zeke. Wahrscheinlich, weil seine Mutter in dem Punkt keine Skrupel gehabt hatte. Dann dachte er an die Kosten für eine solche Babyausstattung. „Lassen Sie mich mit Ihnen kommen und Ihnen tragen helfen. Außerdem möchte ich für die Sachen bezahlen.“

Verblüfft sah sie ihn mit ihren großen Augen an. „Aber warum denn?“

„Auch wenn Brad nicht der Vater ist, möchte er für das bezahlen, was an Kosten anfällt.“ Das hatte er zwar noch nicht mit Brad besprochen, aber er war sicher, der Freund hatte nichts dagegen. Denn dem Kind sollte es an nichts fehlen, das hatte Brad ihm mehrfach versichert. Schließlich war es an der Situation unschuldig.

Sheila musterte ihn aus leicht zusammengekniffenen Augen, als versuche sie herauszufinden, ob ihm zu trauen sei. „Sind Sie sicher?“, fragte sie dann langsam. „Ich habe genug Geld auf dem Sparkonto und kann leicht …“

Doch Zeke unterbrach sie schnell. „Nein, nein, das ist wirklich nicht nötig. Brad möchte unbedingt dafür aufkommen, und ich komme sehr gern mit Ihnen mit.“

Das hatte ihr gerade noch gefehlt. Schon jetzt wurde ihr heiß und kalt zugleich, wenn sie ihn nur ansah. „Nein, danke, das ist sehr nett, aber ich kann es leicht allein schaffen.“

„Das ist doch nicht nötig. Warum sträuben Sie sich? Ich kann Ihnen tragen helfen. Schließlich habe ich zwei kräftige Arme.“

Und nicht nur das … Ihr waren sofort seine breiten Schultern aufgefallen und auch die muskulösen Oberschenkel in der engen Jeans.

„Wir könnten Ihr Auto hierlassen“, fuhr er schnell fort, „denn Sie wollen doch sicher nachher noch mal nach der Kleinen sehen. Mein Wagen steht auch hier.“

„Aber Sie haben doch nur einen Zweisitzer“, warf sie ein.

„Stimmt. Aber ich habe auch einen Pick-up. Und den brauchen Sie sowieso, um ein Babybett zu transportieren. Außerdem müssen wir noch einen Kindersitz besorgen, und der nimmt auch viel Platz weg.“

Er hatte recht. Daran hatte Sheila nicht gedacht. Sie musste sich unbedingt aufschreiben, was alles zu bedenken war. Und natürlich würde sie noch einmal nach Sunnie sehen wollen. Wieder überkam sie ein schlechtes Gewissen, als sie an das herzzerreißende Weinen der Kleinen dachte. „Okay, Mr Travers, einverstanden. Ich nehme Ihre Großzügigkeit an. Aber nur, wenn es Ihnen nicht zu viel ausmacht.“

„Es macht mir überhaupt nichts aus“, versicherte er ihr lächelnd. „Brad möchte, dass alles für das Kind getan wird, obgleich es nicht sein eigenes ist.“

Sheila sah ihn fragend an. „Davon sind Sie wohl überzeugt.“

„Ja, absolut. Wenn das Baby gut untergebracht ist, werde ich alles daransetzen, herauszufinden, wer Brad so etwas anhängen und seinen Namen in den Dreck ziehen will. Apropos Name“, er blickte auf sie herunter, „wollen Sie mich nicht Zeke nennen?“

Sie sah lächelnd zu ihm hoch. „Warum nicht?“

„Und Sie haben hoffentlich nichts dagegen, wenn ich Sheila zu Ihnen sage?“

„Nein.“

„Gut. Kommen Sie, Sheila, mein Wagen steht dahinten.“

Sheila … Wie er das sagte … Ihr wurden die Knie weich, und sie hatte Mühe, mit ihm Schritt zu halten. Auf alle Fälle musste sie einen klaren Kopf behalten. So vieles war ungeklärt. Warum wollte er sie begleiten? Weil sie vorübergehend Sunnies Pflegemutter sein würde? Bradford Price war sein Klient, dessen Namen er wieder reinwaschen wollte. Doch wenn Bradford Price nicht der Vater war, wer war es dann? Und wer war die Mutter? Wer wollte Price dieses Kind unterschieben? Und warum?

Fragen über Fragen. Und der Mann, der hier neben ihr ging, wollte möglichst bald Antworten auf diese Fragen finden. Das würde ihm bestimmt gelingen, denn sie hatte das Gefühl, dass er zu den Menschen gehörte, die das erreichten, was sie sich vorgenommen hatten. Vorher würde er nicht aufgeben.

Im Wesentlichen ging es ihm um den Freund. Aber ihr ging es um Sunnie. Was würde mit der Kleinen geschehen, wenn sich herausstellte, dass Bradford Price nicht der Vater war? War es dann mit seiner finanziellen Unterstützung vorbei? Würde es ihm etwas ausmachen, dass Sunnie dann nur noch ein statistischer Posten bei den Sozialausgaben war?

Wahrscheinlich nicht. Aber sie würde sich nie damit abfinden. Und in diesem Augenblick schwor Sheila Hopkins sich, dass sie alles, was in ihrer Macht stand, für die Kleine tun würde.

3. KAPITEL

Auf dem Weg zu dem großen Babyausstatter rief Sheila das Krankenhaus an. Nach einem kurzen Gespräch klappte sie das Telefon zu und seufzte erleichtert auf. „Gott sei Dank, Sunnie ist endlich eingeschlafen. Sie hat sich offensichtlich in den Schlaf geweint.“

Wie oft hatte sie sich als Kind in den Schlaf geweint, weil ihre Mutter, immer auf der Jagd nach dem nächsten reichen Ehemann, keine Zeit für sie hatte. Ihr Vater hatte längst das Haus verlassen. Sowie er begriffen hatte, dass Cassie Hopkins nur hinter seinem Geld her war, war er mit Lois abgereist und hatte seine andere Tochter zurückgelassen.

„Gut, dass sie jetzt schläft, Sheila.“

Wieder kribbelte es ihr im Magen, als er mit seiner weichen tiefen Stimme ihren Namen aussprach.

„Wie lange wohnen Sie schon hier in Royal?“, fragte er.

„Ein Jahr.“

„Und gefällt es Ihnen?“

„Bisher sehr gut. Die Menschen sind freundlich. Aber da ich fast die ganze Zeit im Krankenhaus bin, kenne ich noch nicht viele Leute. Nur meine unmittelbaren Nachbarn.“ Sie sah aus dem Fenster auf die vorbeiziehenden Häuser. Dass sie selten ihre Wohnung verließ, es sei denn, sie ging arbeiten oder einkaufen, ging ihn nichts an.

Die Kollegen im Krankenhaus waren ihr wie eine Familie. Zwei Wochen hatte sie jetzt frei, das war noch nie vorgekommen. Aber langweilen würde sie sich nicht, sie musste für Sunnie sorgen, und darauf freute sie sich.

„Sie lächeln ja.“

Überrascht warf sie ihm einen Blick zu. Merkte dieser Mann denn alles? „Warum nicht? Ist das ein Verbrechen?“

Er lachte leise. „Oh, nein.“

Bei diesem dunklen rauen Lachen wurde ihr erneut heiß. Ohne den Blick von der Straße zu nehmen, verzog er die Lippen zu einem breiten Lächeln. „Jetzt sind Sie es, der lächelt“, stieß sie leise hervor.

„Ist das ein Verbrechen?“

„Nein, natürlich nicht.“

„Denn wenn ich dafür verhaftet würde, müsste man auch Sie festsetzen. Und dann würde ich darauf dringen, dass man uns in eine Zelle sperrt.“

Kurz stockte ihr der Atem. Er flirtete mit ihr! Und wenn schon. Sie war es gewohnt, dass Männer mit ihr flirteten, Ärzte und Patienten im Krankenhaus, aber auch die Polizisten auf der Straße. Auch Zeke würde bald herausfinden, dass das reine Zeitverschwendung war. Denn sie hatte Männer abgeschrieben. Dass sie hier bei Zeke Travers im Auto saß, hatte nur mit Sunnie zu tun.

Als er von der Schnellstraße abbog und durch ein bewachtes Tor in eine großzügige Wohnanlage fuhr, riss sie die Augen auf. Es waren riesige Grundstücke mit Häusern im Ranchhausstil. Das war also das berühmte Cascades, wo die Reichen wohnten. Dann musste Zeke Travers als Privatdetektiv gut verdienen. „Wohnen Sie hier?“

„Ja. Als ich aus Austin kam, habe ich mich erst nach einem Apartment umgesehen. Aber dann habe ich mich doch entschieden, mir hier ein Haus zu kaufen. Ich wollte immer viel Land haben, auch um Pferde zu halten. Außerdem ist das hier eine sichere Geldanlage.“

Das konnte Sheila sich gut vorstellen, vor allem bei der Größe des Hauses, dessen Einfahrt sie jetzt hinauffuhren. Es lag ungefähr zweihundert Meter von der Straße entfernt und war groß genug für eine zwölfköpfige Familie. Und da wohnte er ganz allein? „Wie groß ist das Grundstück?“

„Etwa 150 000 Quadratmeter. So viel brauche ich für die Pferde.“

„Wie viele Pferde haben Sie denn?“

„Bisher zwölf. Aber ich werde noch dazukaufen. Ich habe auch schon einige Rancharbeiter, die sich um alles kümmern. Sooft ich kann, reite ich aus. Wie ist das mit Ihnen? Reiten Sie auch?“

Dank dem zweiten und dritten Ehemann ihrer Mutter, die sie zu Reitstunden gezwungen hatten, konnte sie reiten. „Ja.“

Als er vor dem Eingang hielt, blickte er auf die Uhr. „Ich hole eben den Schlüssel für das andere Auto. Wenn Sie wollen, können Sie gern hereinkommen und sich umsehen.“

„Nein, danke. Ich warte lieber hier draußen.“

Er stieg aus, drehte sich zu Sheila um und grinste. „Ich beiße nicht.“

Sie lachte. „Glauben Sie mir, Zeke, wenn ich daran auch nur den geringsten Zweifel hätte, wäre ich nicht hier.“

„Dann halten Sie mich also für harmlos?“

„Sagen wir, für berechenbar. Ich bin überzeugt, dass Sie alles daransetzen herauszufinden, wer Ihrem Freund etwas anhängen will. Da haben Sie für anderes gar keine Zeit.“

Immer noch lächelnd zwinkerte er ihr zu. „Da wäre ich nicht so sicher.“ Er warf die Fahrertür zu, und Sheila sah ihm hinterher, wie er zur Eingangstür ging. Zeke Travers war unverschämt sexy.

Zeke stieß die Tür auf und war kaum eingetreten, als das Telefon klingelte. Schnell nahm er sein Handy aus der Tasche. „Brad? Was gibt’s?“

„Du wolltest mich doch anrufen. Wie geht es dem Baby?“

„Gut, aber die Kleine schreit ziemlich viel. Inzwischen hat Warren Phillips sie untersucht. Sie ist vollkommen gesund, will aber offenbar noch jeden davon überzeugen, was für kräftige Lungen sie hat.“

„Ich bin froh, dass alles in Ordnung ist. Hatte mir schon Sorgen gemacht.“

Unwillkürlich runzelte Zeke die Stirn. „So? Ist da noch irgendetwas, das du mir sagen willst? Mir ist aufgefallen, dass das Kind deine Augen hat.“

„Sei nicht albern, Zeke. Es ist nicht mein Kind. Trotzdem kann ich mir doch Gedanken um das Baby machen.“

„Klar, Mann, ich weiß doch, dass du nicht der Vater bist. Habe nur Spaß gemacht. Außerdem kann ich dich beruhigen. Sheila Hopkins, eine Schwester im Royal Memorial Hospital, wird sich um die Kleine kümmern. Sie ist die Einzige, die einen guten Einfluss auf das Kind hat. In ihren Armen hört die Kleine auf zu schreien und lächelt sogar.“

„Tatsächlich?“

„Ja, ich habe es selbst gesehen. Deshalb hat Warren vorgeschlagen, dass Sunnie vorübergehend bei Sheila bleibt.“

„Sunnie?“, fragte Brad erstaunt.

„Ja, so nennt Sheila sie. Sunnie wird bei ihr bleiben, bis die Ergebnisse des Vaterschaftstests da sind. Dann werden wir weitersehen. Also, je eher du den Test machen kannst, desto besser.“

„Ich habe morgen einen Termin.“ Brad schwieg kurz und meinte dann: „Sollte ich nicht eine Nanny anstellen, die sich um das Kind kümmert? Diese Sheila hat doch wahrscheinlich nicht viel Erfahrung mit Kindern.“

„Um Himmels willen, nein! Auf keinen Fall! Dann glaubt jeder, dass du dich um das Kind sorgst, weil du ein schlechtes Gewissen hast. Und sofort wird man daraus schließen, dass du doch der Vater bist. Nein, bei Sheila ist das Kind gut aufgehoben. Sie lebt allein, wie Warren mir sagte, arbeitet seit einem Jahr im Krankenhaus und ist eine ausgezeichnete Schwester. Auf alle Fälle jedoch habe ich Roy gebeten, mehr über sie herauszubekommen. So werden wir bald wissen, wer Sheila Hopkins wirklich ist. Und ob wir ihr vertrauen können.“

Bei seinen letzten Worten hörte Zeke plötzlich ein Geräusch hinter sich und drehte sich um. Sheila stand in der Tür und hatte die Arme vor der Brust verschränkt. Sie war wütend, das war nicht zu übersehen. Offensichtlich hatte sie seine letzten Sätze gehört. „Brad, ich muss jetzt aufhören.“ Hastig klappte er das Telefon zu.

Doch bevor er etwas sagen konnte, machte Sheila einen Schritt auf ihn zu. „Fahren Sie mich bitte sofort zum Krankenhaus zurück, damit ich meinen Wagen holen kann. Mit einem Mann, der kein Vertrauen zu mir hat, will ich nichts zu tun haben.“

Dann drehte sie sich um, verließ die Halle und knallte die Tür hinter sich zu.

Auf der Hälfte der Einfahrt hatte Zeke sie eingeholt und griff nach ihrem Arm.

„Lassen Sie mich los!“ Wütend schüttelte sie seine Hand ab.

„Wir müssen miteinander sprechen, und das würde ich lieber im Haus tun.“

Empört drehte sie sich zu ihm um. „Warum? Ich habe Ihnen nichts zu sagen. Wie können Sie es wagen, Nachforschungen über mich anstellen zu lassen, als sei ich eine Kriminelle?“

„Das habe ich nie behauptet.“

„Aber warum dann diese Nachforschungen, Zeke?“

„Bitte verstehen Sie mich. Ich bin Privatdetektiv. Nachforschungen anzustellen ist mein Beruf. In diesem Fall ist es geradezu meine Pflicht. Denn Sunnie wird in der nächsten Zeit bei Ihnen leben. Und da ich Sie nicht persönlich kenne, muss ich mich vergewissern, dass das Kind in guten Händen ist, das heißt von jemandem versorgt wird, zu dem Brad und ich Vertrauen haben. Würden Sie denn nicht auch Näheres über die Person wissen wollen, in deren Obhut die Kleine gegeben wird?“

Ja, selbstverständlich. Sheila seufzte leise. „Aber ich würde doch nie etwas tun, was ihr schaden könnte.“

„Das glaube ich Ihnen. Aber Glauben ist nicht Wissen. Ich muss sicher sein. Kommen Sie mit ins Haus. Drinnen können wir in Ruhe über alles sprechen.“

Ja, wahrscheinlich war das wirklich am besten. „Okay“, sagte Sheila und ging an Zeke vorbei ins Haus.

Wenig später trat er hinter ihr durch die Tür. Mit energischen Schritten ging Sheila in der großen Eingangshalle auf und ab. Offenbar war sie immer noch wütend. Leise schloss Zeke die Tür hinter sich, lehnte sich dann dagegen und beobachtete Sheila.

Wieder fiel ihm auf, wie schön sie war. Sie gefiel ihm jetzt sogar noch besser. Wahrscheinlich, weil ihre Augen vor Zorn blitzten, die Wangen gerötet waren und ihre Absätze hart auf den Fliesen aufschlugen, sodass die Brüste leicht bebten. Sie bewegte sich wie auf einer Bühne, und er war der einzige Zuschauer.

Doch dann blieb sie stehen, drehte sich zu ihm um und starrte ihn an. Obgleich sie mehr als einen Kopf kleiner war als er, fühlte er sich unter ihrem Blick klein und schuldbewusst. Verdammt. Er hatte nicht damit gerechnet, dass sie sein Telefongespräch mit Brad hören konnte. Hatte sie nicht gesagt, sie wolle nicht ins Haus kommen? „Sie wollten doch draußen bleiben.“ Eine lahme Entschuldigung, das war ihm selbst klar.

„Ach, und das gab Ihnen das Recht, über mich zu sprechen?“

Mann, sich mit einer aufgebrachten Frau auseinanderzusetzen, dazu hatte er jetzt wirklich keine Lust! „Wie ich schon sagte, Sheila, als Privatdetektiv ist es meine Aufgabe, möglichst viel über Menschen herauszubekommen. Überraschungen mag ich ganz und gar nicht. Deswegen werde ich jeden überprüfen, der mit dem Baby für eine gewisse Zeit in Kontakt kommt.“

Er sah ihr in die Augen. „Verstehen Sie doch. Es ist reine Routine und bedeutet nicht, dass ich Ihnen ernsthaft misstraue. Ich will damit nur meinen Klienten beruhigen. Ihm ist es wichtig, dass das Kind, das ihm zugeschrieben wird, gut aufgehoben ist, bis das Ergebnis des Vaterschaftstests da ist. Es geht also nicht um Sie, es geht um Sunnie. Auch wenn Sie die Schwiegermutter des Präsidenten wären, hätte ich Nachforschungen angestellt. Mein Klient ist sehr wohlhabend, und es ist mein Job, ihn zu schützen. Deshalb muss ich herausfinden, wer hinter der ganzen Sache steckt.“ Er lächelte kurz. „Sie wollen doch auch nur das Beste für Sunnie, oder?“

„Ja, selbstverständlich.“

„So wie ich und Brad. Das Baby ist ausgesetzt worden. Wir können nichts anderes für es tun, als ihm für die wenigen Wochen, die es in unserer Obhut ist, ein gutes Zuhause zu verschaffen. Was danach passiert, wissen wir alle nicht.“

Allmählich legte sich Sheilas Ärger. Auch wenn es ihr schwerfiel, es zuzugeben, Zeke hatte recht. Es ging hier nicht um sie, sondern um Sunnie. Diese Art von Nachforschungen waren üblich. Bei jeder anderen Nanny für Sunnie hätte sie das auch befürwortet. Und Zeke kannte sie genauso wenig wie sie ihn. Jemand mit seinem Beruf würde immer auf Nummer sicher gehen.

„Na gut“, sagte sie knapp. „Sie haben getan, was Sie tun mussten. Jetzt bringen Sie mich bitte zum Krankenhaus zurück, damit ich meinen Wagen holen kann.“

„Nein, wir werden die Einkäufe machen, wie wir es vorhatten. Und dazu brauchen Sie meinen Pick-up. Also lassen Sie Ihre Gefühle mal beiseite, und tun Sie das, was getan werden muss.“

„Gefühle? Was für Gefühle?“ Nach wenigen Schritten stand sie vor ihm und sah ihn empört an.

„Ja, Gefühle“, sagte er leise und neigte den Kopf. „Hat dir schon mal jemand gesagt, wie sexy du aussiehst, wenn du wütend bist?“

Sie riss die Augen auf und wollte etwas erwidern. Doch dann küsste er sie.

Warum waren ihre Lippen nur so weich? Warum fühlte sie sich nur so verdammt gut an? Warum stieß sie ihn nicht zurück?

Diese Fragen schwirrten Zeke durch den Kopf, während er ihr den Mund auf die Lippen presste, die sie bereitwillig öffnete. Das Herz hämmerte ihm in der Brust, als er tiefer vordrang, obgleich er wusste, dass er genau das nicht tun sollte. Aber er achtete nicht auf diese Warnung, sondern umarmte Sheila und drückte sie fest an sich.

Nicht nur er war erregt, das fühlte er deutlich, als Sheila die Brüste gegen ihn presste, spürte er die harten Spitzen. Sie schien keine große Erfahrung im Küssen zu haben und unsicher zu sein, wie sie mit ihren Gefühlen umgehen sollte. Als sie leise stöhnte, strich er ihr sanft über den Rücken. Was für ein wunderbares Gefühl, sie in den Armen zu halten.

Er hätte sie ewig weiterküssen können, Tage, Wochen, Monate … Doch halt, das ging zu weit. Langsam löste er sich von ihr. Tage, Wochen, Monate – das bedeutete, sich wirklich auf eine Frau einzulassen, eine feste Beziehung einzugehen. Und daran war er nicht interessiert. Vorübergehende Affären, das ja. Und Beruf und Privatleben hatte er immer strikt getrennt.

Sheila hatte Mühe, wieder zu Atem zu kommen. Noch nie war sie so geküsst worden. Selbst in ihren wildesten Träumen hatte sie sich einen solchen Kuss nicht vorstellen können. Bis in die Zehenspitzen pulsierte ihr Körper vor Erregung, und die Muskeln versagten fast ihren Dienst.

Wieder atmete sie tief durch, dann fluchte sie innerlich. Warum hatte sie zugelassen, dass er sie küsste? Auch wenn sie es genossen hatte … Langsam hob sie den Blick und sah Zeke an. Seine dunklen Augen glitzerten gefährlich, und es sah so aus, als wolle er sie gleich noch einmal küssen. Hastig räusperte sie sich. „Warum hast du mich geküsst?“

Ja, warum hatte er sie geküsst? Er wusste es selbst nicht, aber er verspürte noch immer dieses drängende Verlangen, sie wieder an sich zu ziehen und zu küssen. Schnell trat er einen Schritt zurück. „Um deinen Redestrom zu unterbrechen.“ Wie geistreich!

„Aber ich habe doch gar nichts gesagt.“

Nein? Überrascht zog er die Brauen hoch. Hatte sie ihm nicht Vorwürfe gemacht? Das war wohl früher gewesen. Nachlässig zuckte er mit den Schultern. „Ist ja auch egal. Aber ich hatte den Eindruck, du wolltest etwas sagen, was du hinterher wahrscheinlich bereut hättest. Und davor wollte ich dich bewahren.“

„Wie edel.“ Nur mit Mühe konnte sie ernst bleiben. „Ich rate dir, das nie wieder zu tun.“

„Tatsächlich?“ Sein breites sinnliches Lächeln machte klar, dass er genau das vorhatte, aber er sagte nichts dazu. Stattdessen verschränkte er die Arme vor der Brust. „Und weshalb bist du nun ins Haus gekommen? Du wolltest doch draußen warten.“

Aha, er wollte das Thema wechseln. „Dein Auto fing plötzlich an, laut zu piepen, als würde es jeden Moment in die Luft gehen.“

„Das ist mein Faxgerät. Es ist so eingebaut, dass man es nicht sehen kann.“

„Donnerwetter, klingt fast nach James Bond.“

Er lachte. „Nein, James Bond ist Geheimagent. Ich bin Privatdetektiv. Aber von mir aus können wir jetzt los. Mein Pick-up steht hinterm Haus.“

„Aber was ist mit dem Fax?“

„Im Pick-up habe ich auch ein Gerät. Ich kann das Fax da abrufen.“

Sheila folgte ihm durch ein großes Esszimmer und eine edel eingerichtete Küche. „Du hast ein schönes Haus.“

Zeke wandte sich zu ihr um. „Danke. Aber ich muss gestehen, dass ich es nicht selbst eingerichtet habe. Es war ein Musterhaus. Ich sah es, es gefiel mir, ich habe es genommen.“

Er sah es, es gefiel ihm, und er nahm es. Ging er so mit allen Herausforderungen des Lebens um?

„Wo soll ich diese Kartons hintun?“ Zeke sah Sheila fragend an. In dem einen Karton war ein Autokindersitz, in dem anderen eine Babybadewanne. Erstaunlich, was sie alles gekauft hatte. Er hatte nichts dazu gesagt, weil es ihr offenbar so viel Freude machte. Aber sie schien vergessen zu haben, dass das Kind sich bei ihr nur wenige Wochen aufhalten würde.

„Egal. Irgendwohin. Ich räume das dann alles weg.“

Er setzte die Kartons in einer Zimmerecke ab und sah sich um. Das kleine Stadthaus war nicht groß, passte aber zu ihr. Noch war alles tipptopp aufgeräumt, aber wenn erst die Babysachen überall herumlagen …

„Ich rufe noch mal das Krankenhaus an, um zu sehen, wie es Sunnie geht.“

Schon wieder? Erst vor einer knappen Stunde hatte sie angerufen. Doch er verkniff sich eine Bemerkung. Während Sheila telefonierte, ging Zeke wieder nach draußen, um den Pick-up weiter zu entladen.

Glücklicherweise wohnte sie in einer einigermaßen sicheren Gegend. Außerdem hatte sie ein Alarmsystem. Dennoch würde er sich die Schlösser noch einmal genauer ansehen. Auf keinen Fall wollte er ein Risiko eingehen, solange derjenige nicht gefasst war, der Brad erpresste. Wer weiß, vielleicht würde er das Baby noch einmal entführen?

Als Sheila endlich den Hörer auflegte, hatte Zeke bereits alles ins Haus getragen. Er blickte sie fragend an. „Irgendwas passiert?“

„Nein, nein. Sunnie war nur inzwischen mal aufgewacht, ist aber wieder eingeschlafen.“

„Gut. Das Auto ist entladen. Was kann ich jetzt tun?“

Am besten gehen … Schweigend sah Sheila ihn an. Er beunruhigte sie, machte sie nervös, schon während der Einkäufe. Immer wenn sie sich auf den Gängen zwischen den Regalen zufällig berührt hatten, hatte es sie durchzuckt wie ein elektrischer Schlag. Auch er hatte hastig einen Schritt zur Seite gemacht, als habe er sich verbrannt. Und er roch so gut, nach Mann – nicht nach Desinfektionsmitteln wie die Männer im Krankenhaus. Außerdem küsste er gut … Unwillkürlich fiel ihr Blick auf seine Lippen. Wie sollte sie da den Kuss vergessen können.

„Du kannst mich jetzt zu meinem Auto bringen.“ Hastig wandte sie sich um, um ihn nicht mehr ansehen zu müssen. Doch seine Gegenwart war trotzdem spürbar.

„Und das Babybett?“

Das Babybett … Sie hatte ganz vergessen, dass man es noch zusammenbauen musste. Wenn diese Anleitungen nur nicht immer so unverständlich wären. „Das baue ich später zusammen.“

Er hob lächelnd eine Augenbraue. „So? Gut, denn das Baby braucht das Bett ja morgen.“

Morgen, von wegen … Sie hatte ihm noch nicht gesagt, dass sie vorhatte, das Baby noch heute Nacht zu holen. Die Schwestern waren von Sunnies Geschrei jetzt schon genervt. Ihre Schlafphasen waren einfach zu kurz, und sie weckte alle anderen Babys auf. Sheila hatte bereits mit der Stationsschwester gesprochen.

Zeke warf Sheila einen forschenden Blick zu. Irgendwie hatte er den Eindruck, dass sie etwas vor ihm verbarg. Sie sah ihn nicht an, hatte die Arme um sich geschlungen und biss sich nervös auf die Unterlippe. Diese Lippen hatte er vor wenigen Stunden geküsst … Irgendwie konnte er den Kuss nicht vergessen, obgleich er es wollte. Es hatte sich so gut angefühlt, sie in den Armen zu halten. „Gibt es irgendetwas, das du mir sagen willst?“

Erschöpft ließ sie die Schultern hängen. „Mit ihrem Geschrei weckt Sunnie alle anderen Babys auf.“

„Aber sie schläft doch jetzt, oder?“

„Momentan schon, aber sie schläft sicher nicht durch. Die wenigsten Kinder ihres Alters tun das. Denn sie schlafen tagsüber schon ziemlich viel und sind deshalb nachts häufiger wach.“

„Kannst du dich darauf einstellen?“

„Ich werde es wohl müssen.“

Erst jetzt wurde ihm bewusst, welche Opfer sie würde bringen müssen. Er war so sehr auf das Kind konzentriert gewesen, dass er nicht daran gedacht hatte, was das Ganze für Sheila bedeutete. Bevor er die letzten Kartons abgeladen hatte, hatte er sich das Fax angesehen, die Ergebnisse der Nachforschungen, die Sheila betrafen. Auf einer Seite hatte ihr ganzes Leben Platz.

Sie war siebenundzwanzig und hatte nach ihrer Ausbildung immer als Krankenschwester gearbeitet. Ihre Zeugnisse waren exzellent. Sie hatte nie gegen das Gesetz verstoßen, hatte noch nicht einmal ein Ticket wegen Geschwindigkeitsübertretung bekommen. Vor einiger Zeit hatte man ihr einen Tapferkeitsorden verliehen, weil sie einen alten Mann aus einem brennenden Haus geholt und medizinisch versorgt hatte, bis der Rettungswagen kam. Das war damals durch die Presse gegangen. Zeke erinnerte sich daran.

Sie hatte eine vier Jahre ältere Halbschwester aus der ersten Ehe ihres Vaters, die sie nur selten sah. Sie hatte eine Mutter, die sie ein- oder zweimal im Jahr besuchte. Die Mutter war von ihrem fünften Ehemann geschieden. Sheilas Vater war vor fünf Jahren gestorben. Sie entstammte seiner zweiten Ehe.

„Kann ich nicht noch irgendetwas für dich tun?“

Sie seufzte tief auf und sah ihn offen an. „Ich möchte Sunnie heute Nacht noch abholen und warte nur auf die Genehmigung von Dr. Phillips. Aber unabhängig davon brauche ich das Bett, wenn nicht heute, dann morgen. Baust du es mir bitte auf?“

„Aber klar.“ Er rollte sich die Ärmel hoch und sah Sheila lächelnd an. „Du hast nicht zufällig ein Bier im Kühlschrank, oder?“

„Oh, doch! Ich hol dir eins.“

Während er ihr hinterhersah, musste er wieder an den Kuss denken.

„Wie gut, dass du da bist!“ Die Schwester auf der Kinderstation atmete auf. „Wir haben sie schon fertig gemacht, du kannst sie gleich mitnehmen.“

„Dann hat sie sich wohl lautstark bemerkbar gemacht, was?“ Zeke grinste.

Sheila drehte sich zu ihm um. Warum war er eigentlich mitgekommen? Das Bettchen hatte er im Nu zusammengebaut. Dann hatte er ihr noch mit den anderen Sachen geholfen, sodass das kleine Zimmer wirklich wie ein Kinderzimmer aussah. Sheila freute sich schon, es Sunnie zu zeigen.

Sie hatte damit gerechnet, dass Zeke sie vorm Krankenhaus absetzen und dann weiterfahren würde. Schließlich hatte sie den Kindersitz fürs Auto mitgenommen, konnte also gut mit Sunnie allein nach Hause fahren. Was wollte er noch hier?

Die ganze Situation machte sie sowieso schon nervös. Zwar war sie die Einzige gewesen, die das Kind hatte beruhigen können. Aber das bedeutete nicht, dass das so bleiben musste. Vielleicht reagierte Sunnie jetzt ganz anders auf sie und fing an zu schreien, wenn sie sie sah? „Wo ist sie denn?“, fragte sie die Schwester.

„In dem Raum am Ende des Flurs. Du wirst sie früh genug hören. Wir alle hier haben uns schon Watte in die Ohren gesteckt.“

Das war natürlich ein Scherz, und Sheila wusste es. Aber sie konnte nicht darüber lachen. So schnell wie möglich wollte sie Sunnie hier heraus und nach Hause bringen. Nach Hause. Bisher hatte sie ihr kleines Haus lediglich als einen Ort betrachtet, an dem sie sich aufhielt, wenn sie keinen Dienst hatte. Mit Sunnie wurde es plötzlich zu einem Zuhause …

Die Schwester hatte nicht gelogen. Kaum hatten sie und Zeke den Wartebereich durchquert und waren in den Flur eingebogen, hörten sie Sunnies Geschrei. Vor Schreck blieb Sheila stehen, und Zeke legte ihr die Hand auf den Arm. „Was ist? Warum bist du so nervös?“

Sie stöhnte leise auf. „Ich war jetzt über acht Stunden nicht hier. Wenn Sunnie mich nun nicht mehr wiedererkennt? Wenn sie jetzt zu mir kein Zutrauen mehr hat und ich sie nicht mehr beruhigen kann?“

Verwirrt sah Zeke sie an. Was war mit ihr los? Warum quälte sie sich mit einer solchen Frage? Das spielte doch alles keine Rolle. Sie nahm das Kind mit nach Hause, basta. Andererseits … vielleicht war es doch verständlich, dass Sheila nicht zurückgewiesen werden wollte. Schließlich sollte die Kleine sich bei ihr wohlfühlen.

Kopfschüttelnd nahm er Sheilas eiskalte Hand und streichelte sie vorsichtig. „Keine Sorge, sie wird sich an dich erinnern. Dazu war die spontane Bindung an dich zu stark. Ich habe doch selbst gesehen, wie sie sich an dich geklammert hast, als wisse sie genau, dass du ihre Rettung bist.“

Sie blickte zweifelnd zu ihm hoch. „Glaubst du wirklich?“

„Ja, selbstverständlich“, behauptete er, obwohl er sich dessen selbst nicht so sicher war.

„Danke.“ Sie lächelte vorsichtig. „Hoffentlich hast du recht.“

Als sie vor der Tür ankamen, richtete sich Sheila kurz und entschlossen auf und öffnete sie dann. Zeke folgte ihr.

Und das Wunder geschah. Das Baby lag in seinem Bettchen auf der Seite und schrie aus Leibeskräften. Doch sowie es Sheila sah, ebbte das Schreien ab, wurde ein leises Wimmern und verstummte schließlich ganz. Zeke glaubte, Augen und Ohren nicht trauen zu können.

Das kleine verlassene Wesen, das Sheila Sunnie getauft hatte, lächelte und streckte die runden Ärmchen nach ihr aus.

4. KAPITEL

Der Wecker klingelte, und Zeke war sofort hellwach. Er drehte sich auf den Rücken und starrte an die Decke, während er an das dachte, was gestern geschehen war. Das Wichtigste: Sunnie war jetzt bei Sheila.

Er hatte sie zu ihrem Wagen begleitet, hatte ihr geholfen, den Kindersitz zu befestigen und das Kind anzuschnallen. Während dieser Prozedur hatte die Kleine keinen Mucks gemacht, hatte aber Sheila nicht aus den Augen gelassen. Zeke war dann dem Wagen gefolgt, um sicherzugehen, dass sie heil nach Hause kamen. Dann hatte er im Auto gewartet, bis die beiden im Haus verschwunden waren.

Mehr als einmal hatte er überlegt, zu klingeln und Sheila zu fragen, ob er ihr noch irgendwie helfen könne. Aber dann war er schließlich doch gefahren. Er hatte sich ihr schon lange genug aufgedrängt. Immerhin hatte er sie geküsst. Und was für ein Kuss das gewesen war. Immer wieder musste er daran denken. Kein Wunder, dass er sich die ganze Nacht von einer Seite auf die andere gewälzt hatte.

Heute hatte er ein volles Programm, denn Brad war nicht nur sein Freund, sondern auch sein Klient, der seine Hilfe brauchte. Deshalb würde er alles daransetzen, den Fall möglichst schnell zu lösen. Das wäre gut für seinen Ruf und ein passendes Einstandsgeschenk für seinen neuen Partner Darius. Kaum hatte er die Decke zurückgeschlagen, als sein Handy klingelte. „Hallo?“

„Oh, hallo, Zeke! Ich wollte nur wissen, wie es dem Baby geht.“

Das war Summer, Darius’ Frau. Darius selbst war in Washington zu irgendeinem Antiterror-Seminar. „Guten Morgen, Summer“, sagte er lächelnd. „Der Kleinen geht es gut. Die Schwester, bei der die Kleine die nächsten zwei Wochen bleiben wird, hat sie noch gestern Nacht mit nach Hause genommen.“

„Wie heißt denn die Schwester?“

„Sheila Hopkins.“

„Die kenne ich.“

„Tatsächlich?“

„Ja. Vor sechs Monaten habe ich mit ihr zusammengearbeitet. Es ging um einen Missbrauchsfall. Die Frau war von ihrem Mann geprügelt worden und hatte es gerade noch ins Krankenhaus geschafft. Sheila machte damals Dienst in der Notaufnahme. Man hatte mich angerufen, weil die Frau eine Bleibe suchte.“ Summer leitete das Frauenhaus Helping Hands im Nachbarort Twin City.

„Ich hoffe, alles ist gutgegangen.“

„Ja. Dank Sheila. Sie ist wirklich fantastisch.“

Stimmt. Außerdem war sie so feminin. Während er das Bettchen zusammengebaut hatte, hatte sie geduscht und sich umgezogen. Und als sie in einer engen Jeans und einem anliegenden Top zurückkam, hatte er sich darüber gewundert, wie viele verführerische Kurven eine Frau haben konnte.

„Zeke? Bist du noch da?“

„Äh … ja, entschuldige, Summer, ich war eben mit meinen Gedanken ganz woanders. Danke, dass du angerufen hast. Wiedersehen.“

Er legte das Telefon auf den Nachttisch und atmete tief durch. Schluss jetzt mit den Gedanken an die kurvenreiche Sheila. Er musste sich auf seinen Fall konzentrieren. Zuerst sollte er die Videokameras kontrollieren, die rings um das Klubhaus installiert waren. Vielleicht hatte eine etwas aufgenommen, was ihn weiterbringen konnte. Dann wollte er mit den Gärtnern sprechen, die für die ganze Anlage verantwortlich waren. Es war möglich, dass einer von ihnen in der fraglichen Zeit etwas gehört oder gesehen hatte.

Auch mit Brad wollte er sich treffen, schon um sicher zu sein, dass der Freund den Vaterschaftstest gemacht hatte. Je eher sie dadurch beweisen konnten, dass Brad nicht Sunnies Vater war, desto besser.

Wie es dem Baby wohl geht? fragte er sich auf dem Weg ins Bad. Vor allem aber, wie...

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