Brenda Jackson Edition Band 2

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LOCKRUF DER VERSUCHUNG von BRENDA JACKSON
Stone Westmoreland genießt unverfängliche Abenteuer und heiße One-Night-Stands. Bis sich die verführerische Madison auf dem Flug nach Montana ängstlich an ihn klammert. Sie weckt Gefühle in ihm, die er sich strikt verboten hat. Er wird sich doch nicht etwa verlieben?

VERFÜHREN VERBOTEN! von BRENDA JACKSON
Der sexy Feuerwehrmann Storm Westmoreland liebt seine Freiheit – und die Frauen lieben ihn. Nur eine ist tabu: Jayla, die begehrenswerte Tochter seines Ex-Bosses. Als sie sich jedoch beim Tanzen verlangend an ihn schmiegt, vergisst Storm alle Regeln...

EIN EROTISCHER GEFALLEN von BRENDA JACKSON
„Ich bin Ihnen etwas schuldig.“ Das meint Dana ganz aufrichtig. Aber als der attraktive Rechtsanwalt Jared Westmoreland sie kurz darauf bittet, seine Verlobte zu spielen, fragt sie sich, wohin sie dieser Gefallen bringt … etwa in sein Bett?


  • Erscheinungstag 24.02.2023
  • Bandnummer 2
  • ISBN / Artikelnummer 9783751517010
  • Seitenanzahl 400
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Brenda Jackson

BRENDA JACKSON EDITION BAND 2

1. KAPITEL

Langsam ließ Stone Westmoreland den Blick über die Frau neben sich gleiten. Sie hatte ihre Hand auf seinen Oberschenkel gelegt und klammerte sich nun mit geschlossenen Augen an ihn. Offensichtlich litt sie unter Flugangst. Sie fürchtete wohl, das Flugzeug würde jeden Moment abstürzen.

Ihr Atem ging keuchend. Als erlebte sie soeben den besten Orgasmus ihres Lebens. Schon der Gedanke erregte ihn … Und die Berührung löste ein sehnsüchtiges Ziehen in ihm aus, das von Sekunde zu Sekunde intensiver wurde.

Leise seufzend lehnte Stone sich zurück und schloss die Augen, während das Flugzeug Atlanta hinter sich ließ und Kurs auf Montana nahm. Als Bestsellerautor, gefangen zwischen seinen Geschichten und den Abgabeterminen der Verlage, war es lange her, dass er sich auf eine Frau eingelassen hatte. Nun genügte eine unbewusste Berührung, um heftiges Verlangen in ihm zu entfachen.

Er atmete tief durch. Es würde ihm guttun, den nächsten Monat auf der Ranch seines Cousins zu verbringen. Er musste den Kopf freibekommen und sein neues Buch planen. Durango und er, beide dreiunddreißig Jahre alt, hatten sich immer sehr nahegestanden. Außerdem war da noch sein Onkel Corey, der nicht weit von Durango entfernt in den Bergen lebte, und sich im Alter von vierundfünfzig Jahren von seiner Arbeit als Ranger zurückgezogen hatte.

Stone erinnerte sich an wunderbare Sommer, die er mit seinen Geschwistern und Cousins bei Onkel Corey verbracht hatte. Der Ranger hatte nie geheiratet. Keine Frau, die nicht zur Familie gehörte, hatte jemals seine Ranch auf dem Berg betreten. Corey behauptete von sich selbst, ein Eigenbrötler zu sein, dessen Lebensstil sich nicht mit der Ehe vereinbaren ließ.

Jetzt wanderten Stones Gedanken zu seinen Brüdern. Die beiden älteren hatten inzwischen geheiratet, und nun wartet die ganze Familie darauf, dass Stone auch endlich vor den Traualtar trat.

Nein. Eher würde die Hölle zufrieren.

Das Junggesellendasein gefiel ihm. Sicher, seine Schwägerinnen waren alle tolle Frauen, doch genau wie Onkel Corey hatte er schon vor langer Zeit beschlossen, dass die Ehe nichts für ihn war. Stone scheute sich davor, Verantwortung zu übernehmen. Jedenfalls diese Art von Verantwortung, die mit Frau und Kindern einherging. Lieber genoss er die Freiheit, zu tun und zu lassen, was immer er wollte.

Sein Status als gefeierter Autor von Action-Thrillern ermöglichte ihm diesen Luxus. Er reiste um die Welt, recherchierte für seine Bücher, war vollkommen ungebunden. Frauen betrachtete er als reizvollen Zeitvertreib, und meistens war es nicht schwierig, jemanden für eine kurze Affäre zu finden. Doch immer bestimmte Stone die Regeln.

Er musste an Mark denken, einen guten Autorenfreund. Der hatte sich nach seiner Heirat vollkommen verändert. Schreiben war plötzlich nicht mehr der Mittelpunkt seines Lebens. Es war fast, als hätte Mark durch die Ehe seine Identität eingebüßt.

Allein bei der Vorstellung, dass eine Beziehung auch seine Leidenschaft fürs Schreiben dämpfen könnte, bekam Stone Beklemmungen. Seit er mit dreiundzwanzig sein erstes Buch veröffentlicht hatte, war Schreiben sein Lebensinhalt. Und er hatte nicht vor, das jemals zu ändern.

Dennoch beschloss Stone, die Frau neben sich genauer unter die Lupe zu nehmen. Sie war wirklich hinreißend. Sie hatte schulterlanges, tiefbraunes Haar, ihre Haut hatte die Farbe von dunklem Kaffee und war auffallend makellos. Die hohen Wangenknochen, die fein geschnittene Nase und die vollen Lippen ließen sie sehr apart aussehen. Das dezente Make-up unterstrich ihre natürliche Schönheit.

Stone blickte auf ihre Hände. Sie trug keinen Ring.

In diesem Moment geriet das Flugzeug in leichte Turbulenzen, und die Frau umklammerte sein Bein fester. Stone presste die Lippen aufeinander und atmete tief durch. Nur wenige Zentimeter trennten ihre Finger vom intimsten Teil seines Körpers. Okay, sie wollte ihn ganz sicher nicht absichtlich dort berühren, trotzdem …

Vorsichtig beugte Stone sich zu ihr hinüber. Er nahm den zarten Duft ihres Parfüms wahr, fühlte sich einen Moment versucht, seine Lippen auf die samtige Haut ihres Halses zu drücken.

Stone riss sich zusammen. Seit wann machte ihn allein der Anblick von nackter Haut scharf? Er war nie verrückt danach gewesen, eine Frau ausgiebig zu spüren, sie zu kosten und mit den Lippen jeden Zentimeter ihrer Haut zu erforschen!

Bis jetzt.

Hastig verdrängte er den Gedanken. Dann beugte er sich noch ein Stück näher zu der jungen Frau hinüber und flüsterte: „Die Turbulenzen sind vorbei. Sie können mich jetzt loslassen.“

Überrascht öffnete sie die Augen, wandte den Kopf und sah ihn an. In diesem Augenblick wünschte sich Stone, er hätte sie niemals angesprochen. Sie hatte die schönsten braunen Augen, die er sich vorstellen konnte. Heftiges Verlangen durchströmte seinen Körper und raubte ihm den Atem.

Ihr Blick wanderte zu ihrer linken Hand, die noch immer auf seinem Oberschenkel ruhte. Hastig zog sie sie zurück. „Oh, das tut mir leid! Ich wollte Sie nicht – ich dachte, meine Hand läge auf der Lehne. Verzeihen Sie bitte!“

Ihr war deutlich anzumerken, wie peinlich ihr die Situation war. Stone unterdrückte ein Lächeln. Er mochte ihren Tonfall, der so ganz anderes klang als sein Südstaatenslang. Sie stammte sicher aus dem Norden.

Lässig winkte er ab. „Es ist ja nichts passiert. Ich heiße übrigens Stone Westmoreland“, sagte er und streckte ihr die Hand entgegen.

Noch immer lag ein Hauch von Verlegenheit auf ihrem hübschen Gesicht, doch sie erwiderte seinen Händedruck überraschend fest. „Und ich bin Madison Winters“, stellte sie sich vor.

Er schenkte ihr ein warmherziges Lächeln. „Freut mich, Sie kennenzulernen, Madison. Ist das hier Ihr erster Flug?“

Sie schüttelte den Kopf und ließ seine Hand los. „Nein, ich habe nur entsetzliche Flugangst. Wann immer möglich, meide ich Flugzeuge. In diesem Fall ging es leider nicht anders.“

Stone nickte verständnisvoll. „Und woher kommen Sie?“ Er konnte sich die Frage nicht verkneifen. Ihre weiche Stimme mit dem wunderschönen Akzent hatte ihn so verzaubert, dass er sich einfach nur wünschte, sie möge immer weitersprechen.

„Ich lebe in Boston.“

Wieder nickte er. „Ich stamme aus der Gegend um Atlanta“, erzählte er, um das Gespräch im Gang zu halten. Warum er das wollte, hätte er nicht mit Bestimmtheit sagen können. Eins stand jedenfalls fest, diese Frau war definitiv interessant.

„Ich mag Atlanta“, erwiderte sie bereitwillig. „Ich war einmal mit meiner Klasse dort.“

Er hob fragend die Brauen. „Ihre Klasse?“

Als sie lächelte, machte sein Herz einen Sprung.

„Ja, ich bin Musiklehrerin.“

Stone war überrascht. Für eine Künstlerin hatte er sie nicht gehalten. „Sicher ein interessanter Job.“

Ihr Lächeln wurde noch strahlender. „Stimmt, das ist es. Ich liebe meine Arbeit.“

Leise lachte er auf. „Ja, heutzutage ist es eher eine Seltenheit, wenn jemand in seinem Job glücklich ist.“

Sie musterte ihn forschend. „Und Sie? Was machen Sie beruflich?“

Er zögerte kurz. Als Bestsellerautor benutzte er ein Pseudonym, um seine Privatsphäre zu wahren. Doch aus unerfindlichen Gründen hatte er das Gefühl, ihr gegenüber ehrlich sein zu wollen. „Ich bin Schriftsteller.“

Das schien ihr offenbar zu gefallen. „Oh, wie wundervoll. Schade, ich kann mich nicht erinnern, ein Buch von Ihnen gelesen zu haben. Worüber schreiben Sie?“

Stone schmunzelte. „Ich schreibe Action-Thriller. Vielleicht sagt Ihnen mein Pseudonym etwas. Rock Mason.“

Sie blinzelte, zog scharf den Atem ein. „Sie sind Rock Mason? Der Rock Mason?“

Jetzt grinste er verschmitzt. „Ja, genau der.“

„Wirklich? Meine Mutter hat jedes ihrer Bücher verschlungen! Sie ist ein Riesenfan von Ihnen.“

„Und Sie? Haben Sie meine Bücher gelesen?“

Sie senkte den Blick. „Nein, tut mir leid. Ich habe einfach keine Zeit für so etwas. Aber Sie sollen ein begnadeter Schriftsteller sein.“

„Vielen Dank.“

„Sie haben eine Menge Bewunderer in Boston. Waren Sie jemals dort?“

„Ja, vor einigen Jahren hatte ich eine Signierstunde in einem Buchladen. Boston ist eine sehr schöne Stadt.“

Madisons Gesicht leuchtete auf. „Ja, das stimmt. Ich kann mir nicht vorstellen, irgendwo anders zu leben. Zwar hatte ich die Wahl zwischen verschiedenen Universitäten, aber ich wollte nicht weg von Zuhause.“

In diesem Moment servierte die Stewardess ihnen Getränke und Snacks.

Kaum war sie weitergegangen, setzte Stone das Gespräch fort. „Und jetzt fliegen Sie also nach Montana. Geschäftlich?“, erkundigte er sich, während er fasziniert zusah, wie sie ein Stück von ihrem Kuchen abbiss. Erneut durchfuhr Stone heißes Begehren.

Und wie sie ihren Kaffee trank, genüsslich, mit geschlossenen Augen, als wäre es das Beste, das sie jemals gekostet hatte …

Madisons Miene umwölkte sich. „Nein“, sagte sie zögernd, „meine Reise ist privat.“ Sie musterte ihn kurz prüfend. „Ich fliege nach Montana, um meine Mutter zu suchen.“

Stone horchte überrascht auf. „Ihre Mutter ist verschwunden?“

Seufzend lehnte Madison sich in ihrem Sitz zurück. „Ja. Vor zwei Wochen ist sie mit einer Frauenreisegruppe von Boston nach Montana geflogen. Sie wollten eine Tour durch den Yellowstone Nationalpark machen.“ Mit gesenktem Kopf, den Blick gedankenverloren auf ihren Kaffeebecher geheftet, fügte sie hinzu: „Alle Frauen sind zurückgekommen – bis auf meine Mutter.“

Ihre Stimme spiegelte deutlich wider, wie beunruhigt sie war. Kein Wunder! „Haben Sie inzwischen was von ihr gehört?“

„Ja. Sie hat mir auf den Anrufbeantworter gesprochen und gesagt, dass sie ihren Urlaub um zwei Woche verlängern möchte.“

Madison wunderte sich selbst, dass sie Stone all diese privaten Informationen anvertraute. Schließlich war er ein völlig Fremder für sie. Doch sie brauchte jemanden zum Reden. Und Stone Westmoreland schien ein guter Zuhörer zu sein.

„Sie hat einfach nur ihren Urlaub verlängert, und Sie fliegen jetzt hin, um das zu überprüfen? Verstehe ich Sie richtig?“

Madison erkannte an seinem Tonfall, dass er eben nicht verstand, worum es ging. „Na ja“, erwiderte sie leise. „Wie es aussieht, ist ein Mann im Spiel.“

Er nickte. „Oh. Jetzt hab ich’s begriffen.“

Nein, hatte er nicht. Madison fuhr fort: „Wahrscheinlich denken Sie, ich übertreibe, dass es keinen Grund gibt, beunruhigt zu sein, Mr. Westmoreland. Aber …“

„Nennen Sie mich einfach Stone. Bitte.“

„Ok.“ Ein zaghaftes Lächeln legte sich um ihre Lippen, und sie atmete tief durch. „Meine Zweifel sind leider begründet, Stone. Noch nie in ihrem Leben hat meine Mutter sich so verhalten.“

Nachdenklich rieb er sich das Kinn. „Und Sie fürchten jetzt, irgendwas an der Sache ist faul?“

Sie schüttelte den Kopf. „Nein, ich glaube eher, sie macht eine Art Midlife-Crisis durch. Vor ein paar Monaten ist sie fünfzig geworden. Bis dahin war eigentlich alles in Ordnung.“

Stone nahm einen Schluck Kaffee. Er erinnerte sich an die Zeit, als seine Mutter fünfzig geworden war. Sie hatte beschlossen, eine Weiterbildung zu machen, und einen Job angenommen. Sein Vater hatte sich mit dieser Entscheidung schwergetan. Doch nichts hatte sie stoppen können.

Das Verhalten von Madisons Mutter erschien ihm vollkommen normal. Wenn es sie glücklich machte, mit einem Mann in der Wildnis unterzutauchen, dann sollte sie das tun. Aber nach Madisons besorgtem Gesichtsausdruck zu urteilen, war die junge Frau da anderer Meinung.

„Angenommen, Sie finden sie“, wollte Stone wissen. „Was haben Sie dann vor?“

„Ich werde ein ernstes Wörtchen mit ihr reden.“ Madison presste die Lippen zusammen. „Wissen Sie, mein Vater starb schon vor zehn Jahren an einem Herzinfarkt. Seitdem ist meine Mutter alleinstehend. Eigentlich ist sie der vernünftigste Mensch, den Sie sich vorstellen können. Dass sie einfach so mit einem Mann durchbrennt, den sie gerade erst kennengelernt hat, passt einfach nicht zu ihr.“

In Stone erwachte der Actionthriller-Autor. „Sind Sie sicher, dass sie freiwillig mit ihm gegangen ist?“

Madison trank einen weiteren Schluck von ihrem Kaffee. „Ja, es gibt Zeugen. Unter anderem die Frauen aus der Reisegruppe. Sie sagten, meine Mutter hätte einfach eines Morgens ihre Sachen gepackt und ihnen mitgeteilt, dass sie den Rest des Urlaubs mit diesem Mann verbringen würde. Ich habe das natürlich nicht geglaubt.“

Inzwischen hatte sie sich richtig in Rage geredet. „Wahrscheinlich hätte ich das FBI eingeschaltet, wenn ich nicht ihre Nachricht auf dem Anrufbeantworter gehört hätte. Dummerweise war ich zu der Zeit nicht zu Hause, also konnten wir nicht miteinander sprechen. Sie klang gut gelaunt und beruhigte mich, dass ich mir keine Sorgen zu machen bräuchte. Aber natürlich mache ich mir Sorgen!“

Daran zweifelte Stone keine Sekunde. „Kann Ihre Mutter denn einfach so länger von ihrer Arbeit fernbleiben?“, erkundigte er sich verblüfft.

„Ja, sie leitet eine ambulante Pflegestation für Senioren. Es ist ihre eigene Firma, und sie hat jede Menge kompetenter Mitarbeiter. Sie muss nicht unbedingt dort sein. Im Grunde verbringt sie ohnehin die meiste Zeit mit der Organisation von Spendenveranstaltungen.“

„Wissen Sie denn überhaupt, wo Sie suchen wollen? Montana ist riesig, das ist Ihnen klar, oder?“

„Ich habe mir ein Zimmer auf der Silver Arrow Ranch reserviert, einem Touristenressort in der Nähe von Bozeman. Kennen Sie es?“

Stone lächelte in sich hinein. Ja, er kannte die Silver Arrow Ranch. Sie lag nicht weit von Durangos Ranch entfernt. Was bedeutete, dass Madison und er noch eine Weile miteinander zu tun haben würden. Eine erfreuliche Vorstellung.

Yep, kenne ich. Ich wohne nämlich ganz in der Nähe der Ranch. Wir beide werden also für eine Weile Nachbarn sein.“

Ihre Miene leuchtete auf, als würde diese Nachricht sie freuen.

„Ich werde eine Tour in die Berge machen“, informierte sie ihn.

Stone zog die Stirn kraus. „In die Berge? Warum?“

„Dorthin hat der Mann meine Mutter mitgenommen. Er lebt da anscheinend.“

„Tatsächlich? In den Bergen?“, hakte er nach kurzem Schweigen nach.

Er hatte immer gedacht, sein Onkel Corey wäre der Einzige in der Gegend, der genug Mumm besaß, so weit abseits jeglicher Zivilisation zu leben.

„Ja. Alles, was ich weiß, ist, dass er irgendwo auf diesem riesigen Berg wohnt. Früher war er wohl Ranger im Nationalpark. Ich kenne seinen vollen Namen nicht, aber er scheint sehr bekannt in der Gegend zu sein. Irgendwas mit Carl, Cole oder so.“

Stone verschluckte sich an seinem Kaffee und hustete heftig.

„Alles in Ordnung?“, fragte Madison besorgt.

Er war sich nicht sicher. Die Beschreibung des Mannes, mit dem Madisons Mutter ihren zweiten Frühling genoss, klang ganz nach seinem Onkel Corey. Unmöglich, das konnte nicht sein. Corey nahm keine Frau mit auf seinen Berg!

Stone räusperte sich. Er suchte Madisons Blick, in der Hoffnung, sich verhört zu haben. „Habe ich Sie richtig verstanden? Dieser Mann in den Bergen, der früher Ranger war … das ist der Mann, mit dem Ihre Mutter durchgebrannt ist?“

Madison tupfte sich den Mund mit einer Papierserviette ab. „Ja, klingt absurd, oder? Können Sie sich das vorstellen?“

Nein, das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, dachte Stone. Ganz sicher meinten sie nicht dieselbe Person. Das war vollkommen ausgeschlossen. Oder?

Er bedachte Madison mit einem nachsichtigen Lächeln. „Nein, das übersteigt wirklich meine Fantasie.“

2. KAPITEL

Ich muss ihn zu Tode gelangweilt haben, dachte Madison, während sie Stone unauffällig von der Seite musterte. Ihr Gespräch war irgendwann im Sande verlaufen. Jetzt hatte er die Augen geschlossen und sich in seinem Sitz zurückgelehnt. Sie konnte nicht erkennen, ob er schlief oder einfach nur tief in Gedanken versunken war. Doch sie nutzte die Gelegenheit, ihn genauer zu mustern.

Wenn man einen Mann als anziehend bezeichnen konnte, dann traf diese Beschreibung auf ihn zu. Obwohl er saß, erkannte sie seine breiten Schultern und die schmalen Hüften. Doch am meisten faszinierten Madison seine mandelförmigen Augen. Die Farbe wie dunkler Samt und sein Blick, der bis auf den Grund ihrer Seele vorzudringen schien, hatten sich ihr tief eingeprägt.

Madison ertappte sich dabei, wie sie wünschte, er würde sie noch einmal ansehen, damit sie in diesen dunklen Tiefen versinken konnte.

Sein Gesicht mit den hohen Wangenknochen wurde von kurz geschnittenen schwarzen Locken umrahmt. Beim Anblick seiner sinnlichen Lippen hatte Madison das Gefühl, förmlich dahinzuschmelzen. Wie es sich wohl anfühlen würde, mit den Fingerspitzen ganz sachte über seine glatte kastanienbraune Haut zu streichen?

Zum ersten Mal in ihrem Leben saß Madison in einem Flugzeug, ohne dass die Angst vor einem Absturz sie lähmte. Und das hatte sie Stone zu verdanken, der ihre gesamte Aufmerksamkeit gefangennahm.

Normalerweise war sie nicht der Typ für einen Flirt. Nicht nach dem, was Cedric ihr angetan hatte. Herauszufinden, dass der Mann, den man heiraten wollte, eine Affäre hatte, war hart gewesen. Seitdem war Madison fest entschlossen, niemanden mehr an sich heranzulassen. Manche Menschen waren einfach dazu bestimmt, allein zu bleiben. Mit dieser Vorstellung hatte sie sich notgedrungen arrangiert.

Gedankenverloren ließ sie sich in den Sitz zurücksinken. War ihre Mutter einfach zu lange allein gewesen? Lag es vielleicht daran, dass sie mit irgendeinem Kerl durchgebrannt war, den sie kaum kannte?

Madison wusste, die Ehe ihrer Eltern war nicht besonders glücklich verlaufen. Doch auch nach dem Tod ihres Mannes vor zehn Jahren hatte Abby Winters sich nicht für andere Männer interessiert. Was also hatte dieser eine Mann jetzt an sich, dass sie ihm sogar in die Berge folgte?

Madison unterdrückte ein Seufzen. Die Midlife-Crisis, ganz eindeutig. Nachdem sie diese Diagnose gestellt hatte, überlegte Madison, was sie ihrer Mutter sagen würde, sobald sie ihr gegenüberstand.

Auf diese Frage fand sie nicht wirklich eine Antwort. Doch eins war klar: Erwachsene Frauen, die mitten im Leben standen, liefen nicht einfach so mit dem Erstbesten davon!

Sie selbst war fünfundzwanzig. Und sie würde niemals etwas mit einem Mann anfangen, den sie nicht kannte. Nicht einmal, wenn er so umwerfend gut aussah wie Stone. Madison musterte den Mann neben sich aus dem Augenwinkel. Widerstrebend musste sie sich eingestehen, dass die Vorstellung, mit ihm durchzubrennen, durchaus verlockend war.

Sehr verlockend sogar.

Rasch schob sie den Gedanken zur Seite. Eine übergeschnappte Frau in der Familie war mehr als genug.

Und wenn sie wirklich Onkel Corey gemeint hat?

Wieder und wieder grübelte Stone über diese Möglichkeit nach. Er gab vor, zu schlafen, damit Madison seine Unruhe nicht bemerkte. Ob er Durango anrufen sollte? Sein Cousin, der inzwischen ebenfalls als Park Ranger arbeitete, wusste sicher mehr.

Hm, solange Madison neben ihm saß, war das nicht möglich. Sie würde jedes Wort mithören. Also musste er bis nach der Landung warten. Und er hoffte inständig, dass es nicht nur einen ehemaligen Ranger in den Bergen gab, dessen Name mit C begann …

Stone atmete tief durch. Da roch er es wieder. Einen Hauch von Madisons Parfüm. Wenn er sich selbst gegenüber ehrlich war, musste er zugeben, dass sie seinen Puls vom ersten Moment an zum Rasen gebracht hatte. Noch vor dem Start des Flugzeugs. Er hatte versucht, sich abzulenken, nicht auf die attraktive junge Frau neben sich zu achten. Und dann hatte sie ihn versehentlich berührt.

Ihn elektrisiert.

Dieser Flug würde ihm definitiv in Erinnerung bleiben.

Stone öffnete die Augen und blickte zu Madison hinüber. Sie schien zu schlafen. Ihr Atem ging tief und gleichmäßig. Es sah aus, als hätte sie ihre Flugangst überwunden. Ein wehmütiges Lächeln legte sich um seine Lippen. Ein wenig erinnerte sie ihn an seine kleine Schwester Delaney.

Mit fünf älteren Brüdern und sechs älteren Cousins war Delaney sehr behütet aufgewachsen. Nach ihrem Abschluss an der medizinischen Fakultät hatte sie überraschend einen arabischen Scheich kennengelernt. Die beiden hatten sich ineinander verliebt, und jetzt lebte Delaney als Prinzessin im Mittleren Osten. Gelegentlich besuchte sie ihre Familie in den Staaten und arbeitete in einem Krankenhaus in Kentucky, um ihre medizinische Ausbildung abzuschließen.

Stone versuchte, sich in dem engen Sitz so gut wie möglich auszustrecken. Gerne hätte er seine verspannten Muskeln ein wenig gelockert, doch er fürchtete, Madison aufzuwecken. Fasziniert ließ er den Blick über ihre harmonischen Züge gleiten. Sie war wirklich die schönste Frau, die ihm jemals begegnet war.

Und nein, bevor er keine konkreten Informationen von Durango hatte, wollte er lieber nicht weiter über ihre Mutter und den ominösen Ranger nachdenken.

Die Landung verlief ohne Probleme. Madison atmete auf, als sie endlich wieder festen Boden unter den Füßen hatten. Sie löste gerade den Anschnallgurt, als sie Stone fragen hörte:

„Brauchen Sie Hilfe?“

Rasch wandte sie den Kopf und begegnete seinem Blick. Ihr Herz hüpfte vor Freude.

„Nein, vielen Dank. Wenn es Ihnen nichts ausmacht, warte ich lieber, bis der erste Ansturm vorbei ist. Aber ich lasse Sie gerne vorbei.“

„Ich habe es nicht eilig. Mein Cousin ist wahrscheinlich sowieso noch nicht da. Er ist nie pünktlich.“

Sein Lächeln ließ Schmetterlinge in ihrem Bauch tanzen. Schnell blickte Madison zur Seite und beobachtete, wie die Passagiere das Flugzeug verließen. Sie sollte sich ein Beispiel an ihnen nehmen. Je eher sie sich von Stone Westmoreland verabschiedete, desto besser für ihren Seelenfrieden. Dieser Mann wirbelte ihre Gedanken durcheinander. Das konnte sie jetzt gar nicht gebrauchen, musste sich einzig und allein darauf konzentrieren, ihre Mutter zu finden.

„Wissen Sie schon, wie Sie zur Silver Arrow Ranch kommen?“

Wieder begegneten sich ihre Blicke. „Ja. Jemand wird mich abholen.“

Stone nickte. „Wie schade. Wir hätten sie mitnehmen können. Ich bin sicher, Durango hätte nichts dagegen, und die Ranch liegt auf dem Weg.“

„Durango?“, fragte Madison nach.

Stone lächelte. „Ja, mein Cousin. Er ist Ranger im Yellowstone Nationalpark.“

Überrascht schnappte Madison nach Luft. „Er ist Ranger? Dann kennt er vielleicht den Mann, mit dem meine Mutter auf und davon ist!“, meinte sie aufgeregt.

Ja, wahrscheinlich sogar besser, als du dir vorstellen kannst …

Den Gedanken behielt Stone wohlweislich für sich. „Möglicherweise“, erwiderte er schließlich einsilbig.

„Wenn es Ihnen nichts ausmacht, würde ich ihn gerne fragen.“

„Natürlich, kein Problem.“ Stone hoffte nur, dass er vorher Gelegenheit hatte, unter vier Augen mit Durango zu sprechen.

Madison öffnete die Gepäckklappe über den Sitzen und nahm eine Tasche heraus. „Dann lassen Sie uns gehen.“

Stones Blick blieb an der Tasche hängen. Eine Nobelmarke, wenn ihn nicht alles täuschte. Er lächelte in sich hinein. Erinnerte sich daran, wie Delaney einmal behauptet hatte, man könne die Klasse einer Frau an ihrer Tasche erkennen. Wenn das stimmte, war Madison Winters ein Juwel.

Der schmale Gang zwischen den Sitzreihen bis in den vorderen Teil der Maschine schien kein Ende zu nehmen. Als Madison das Gedränge vor der Flugzeugtür erreichte, stoppte sie abrupt. Sofort legte Stone stützend seine Hände um ihre Taille.

Sie warf ihm einen Blick über die Schulter zu. „Dankeschön.“

„Es ist mir eine Freude.“

Madison erschauerte leise. Es fühlte sich gut an. Seine starke, muskulöse Brust so dicht an ihrem Rücken. Die Berührung seiner Hände, die Wärme und Sicherheit versprach. Sie war überrascht, wie hochgewachsen er war, das war ihr im Sitzen gar nicht aufgefallen. Der eindringliche Blick aus seinen dunklen Augen raubte ihr förmlich den Atem.

Reiß dich zusammen, Madison! Sicher, er trug keinen Ehering. Aber es schien mehr als unwahrscheinlich, dass ein so attraktiver Mann ungebunden war. Wahrscheinlich wartete draußen nicht nur sein Cousin, sondern auch eine Frau auf ihn.

Nebeneinander gingen sie in Richtung Ankunftshalle.

„Also, wie lange bleiben Sie in Montana?“, erkundigte sich Stone.

Madison hätte schwören können, dass er seine Schritte ihrem Tempo angepasst hatte. Sie streifte ihn mit einem raschen Seitenblick und ignorierte das nervöse Flattern der Schmetterlinge in ihrem Bauch.

„Bis ich meine Mutter gefunden und mit ihr gesprochen habe. Ich hoffe, es dauert nicht allzu lange. Das Schwierigste wird wahrscheinlich sein, bis in die Berge hinaufzukommen. Mr. Jamison von der Silver Arrow Ranch will das für mich organisieren. Einen Teil der Strecke kann man anscheinend gut mit dem Auto fahren. Und dann muss man reiten.“

Stone hob fragend die Augenbrauen. „Haben Sie das schon mal gemacht?“

Sie gab sich Mühe, selbstbewusst zu klingen, obwohl sie sich gar nicht so fühlte. „Ja. Als Mädchen hatte ich regelmäßig Reitunterricht. Es wird eine Herausforderung, aber ich werde das hinkriegen.“

Stone war sich da nicht so sicher. Sie wirkte so zierlich, beinahe zerbrechlich. Nicht wie jemand, der auf dem Pferderücken die Berge erobern konnte.

„Wissen Sie, genau das verstehe ich nicht.“

Ihre Worte rissen ihn aus seinen Gedanken. „Was meinen Sie?“

„Ich frage mich, wie meine Mutter das geschafft hat. Na ja, ich kann mich nicht erinnern, dass sie jemals geritten ist.“

Er überlegte. „Vielleicht saßen sie zu zweit auf einem Pferd. Das ist nicht einfach, aber möglich.“ Stone konnte sich zum Beispiel sehr gut vorstellen, wie Madison hinter ihm auf dem Pferd saß. Sie würde ihm die Arme um die Hüften schlingen, ihre Beine würden sich an seine schmiegen … Durch den Stoff der Kleidung würde er die Rundung ihrer festen Brüste an seinem Rücken spüren … Der erregende Duft ihres Parfüms würde sie beide einhüllen …

Diese gefährlichen Gedanken musste er sich schnellstens aus dem Kopf schlagen. Er war in Montana, um für sein neues Buch zu recherchieren, nicht, um eine unverbindliche Affäre anzufangen. Oder gar noch weiter zu gehen … ein Terrain zu betreten, das er selbst als Tabuzone erklärt hatte.

Nachdem sie ihre Koffer geholt hatten, ließ Stone den Blick über die wartenden Menschen in der Ankunftshalle schweifen. Keine Spur von Durango. Natürlich nicht. Mist!

Madison entschädigte ihn mit einem bezaubernden Lächeln. „Vielen Dank für die nette Gesellschaft. Mit Ihrer Hilfe habe ich meine Flugangst fast vergessen.“

„Ich habe zu danken“, entgegnete Stone. „Wissen Sie, wer Sie abholt?“

„Nein. Vielleicht sollte ich anrufen. Entschuldigen Sie mich bitte kurz?“

„Selbstverständlich.“

Stone folgte Madison mit dem Blick, während sie die große Halle bis zu einem öffentlichen Telefon durchquerte. Er bewunderte den reizvollen, aber nicht aufreizenden Schwung ihrer Hüften und die Art, wie ihre dunklen Haare bei jedem Schritt elegant über ihre Schultern fielen.

In dem maßgeschneiderten Hosenanzug, der ihre umwerfende Figur perfekt zur Geltung brachte, wirkte sie hier in Montana wie eine Erscheinung aus einer fremden Welt. Alle anderen Frauen trugen Jeans und T-Shirts. Sie hingegen sah aus, als wäre sie auf dem Weg zu einem wichtigen Geschäftsessen.

„Stone, man kann dich wirklich keine Sekunde allein lassen“, ertönte unvermittelt eine Stimme hinter ihm. „Du fängst sofort an, Frauen abzuchecken. Sogar die hippen Citygirls.“

Stone wirbelte herum. Hinter ihm stand Durango, ein breites Grinsen im Gesicht.

„Ich saß im Flugzeug neben ihr. Sie ist wirklich sehr nett.“

Durango lachte auf. „Natürlich. Wie alle Frauen.“

Amüsiert grinsend schüttelte Stone den Kopf. Durango war ein unverbesserlicher Frauenheld. Und genau wie sein Onkel dachte er nicht im Traum daran, sich dauerhaft zu binden.

Apropos Corey …

„Sag mal, wann hast du Onkel Corey eigentlich zum letzten Mal gesehen?“

Das Lachen verschwand in Sekundenschnelle von Durangos Gesicht.

„Merkwürdig, dass du fragst“, erklärte er düster. „Ich habe ihn bestimmt eine Woche nicht mehr getroffen. Und, ob du es glaubst oder nicht, es ist eine Frau bei ihm, so viel weiß ich.“

Stone schluckte. Das war es nicht, was er hatte hören wollen. „Bist du sicher?“

„Absolut. Ich habe sie selbst gesehen, als sie nach oben geritten sind. Eine wirklich hübsche Frau, Ende vierzig vielleicht, aus dem Norden. Seit einer Woche geht Corey nicht mehr ans Telefon. Ich frage mich langsam, was da oben los ist. Er hat doch noch nie eine Frau mit zu sich genommen.“

Stones schlimmste Befürchtungen schienen sich zu bestätigen. Seine Gedanken überschlugen sich, während Durango weitersprach.

„Er wirkt wie ausgewechselt. Offenbar ist es etwas Ernstes.“

Aufseufzend rieb Stone sich die Augen. „Und du hast keine Ahnung, wer sie ist?“

Durango schüttelte nachdenklich den Kopf. „Nein, ich habe sie nie vorher gesehen. Er hat sie Abby genannt. Und offensichtlich hat diese Abby unseren Onkel mächtig beeindruckt.“

Die Menschenmenge hinter Durango lichtete sich. In diesem Moment bemerkte Stone, wie Madison sich zu ihnen stellte. Hatte sie Durangos Worte mitbekommen?

Verdammt, hoffentlich nicht!

Durango drehte sich um, und ein anerkennendes Lächeln glitt über sein Gesicht, als er Madison entdeckte.

Es wunderte ihn nicht, dass sein Cousin so beeindruckt von ihr war. Sie war definitiv ein Hingucker. Schade, dass Stone ihr zuerst über den Weg gelaufen war.

Da der anscheinend plötzlich die Sprache verloren hatte, beschloss Durango, sich selbst vorzustellen. Doch etwas an ihrer Mimik hielt ihn zurück. Er hatte genug Erfahrung mit Frauen, um zu erkennen, wenn etwas nicht stimmte. Und diese Frau war eindeutig verärgert.

Als sie zu sprechen begann, wurde auch sehr schnell klar, warum.

„Ich glaube, in dieser Unterhaltung geht es gerade um meine Mutter.“

Kein Zweifel, die beiden sind verwandt, fuhr es Madison durch den Kopf, während sie Stone und Durango musterte. Beide waren groß gewachsen und extrem gut aussehend, die Ähnlichkeit ihrer Gesichtszüge war unverkennbar. Sie hatten die gleichen dichten schwarzen Locken, eine kastanienbraune Hautfarbe und fast schwarze Augen mit intensivem Blick.

Sogar ihre lässige Eleganz, Jeans und ein einfaches T-Shirt hipp wirken zu lassen, war schlichtweg umwerfend.

Madison musste sich eingestehen, dass, wenn sie Durango zuerst begegnet wäre, dieser sie vielleicht ebenso angezogen hätte, wie Stone es tat. Doch es lag eine charmante und sanfte Zugewandtheit in Stones Blick, die sie bei seinem Cousin nicht entdecken konnte.

Und ebendiese Augen verrieten ihr jetzt, dass er gewusst – oder zumindest geahnt – haben musste, um wen es sich bei dem geheimnisvollen Mann aus den Bergen handelte.

Enttäuscht verzog sie das Gesicht. Sie war ihm gegenüber offen und ehrlich gewesen, hatte ihm vertraut. Warum hatte er seine Vermutung für sich behalten?

Stone neigte leicht den Kopf zur Seite, als er Madisons fragenden Blick bemerkte. „Bitte glauben Sie mir, ich hatte keine Ahnung. Zumindest war ich mir nicht hundertprozentig sicher“, erklärte er ruhig. „Und ich wollte Sie nicht durch wilde Spekulationen beunruhigen.“

Seine Erklärung machte Sinn. Madison seufzte. „In Ordnung“, sagte sie schließlich. „Und was tun wir jetzt?“

Durango blickte irritiert zwischen Madison und Stone hin und her. „Warum sollten wir etwas tun? Irgendwann werden sie schon wieder von ihrem Berg herunterkommen.“

Als er Madisons verärgerte Miene bemerkte, musste Stone sich ein Grinsen verkneifen. Sein Cousin, der Frauenheld, hatte mit Sicherheit nicht den Hauch einer Chance bei ihr.

Madison erschien ihm nicht der Typ Frau, der leicht ärgerlich wurde, aber Durango hatte es mit einem einzigen Satz geschafft, sie auf die Palme zu bringen. Was vielleicht an seiner direkten Art lag. Durango war nicht gerade das, was man einen zartfühlenden Gentleman nennen würde. Trotzdem standen die Frauen auf ihn.

„Madison, darf ich vorstellen: Das ist mein Cousin Durango Westmoreland“, sagte Stone, um das lastende Schweigen zu durchbrechen. „Ich bin sicher, wenn er noch einmal darüber nachdenkt, wird er verstehen, weshalb Sie sich Sorgen um Ihre Mutter machen. Durango und ich würden unsere Hand für unseren Onkel ins Feuer legen. Andererseits können wir natürlich nachvollziehen, dass Sie sich selbst überzeugen möchten, ob es ihr gut geht.“

Stone registrierte aus den Augenwinkeln, wie ein verstohlenes Lächeln über Durangos Gesicht huschte. Er hatte die Botschaft verstanden. Ab sofort würde er sich rücksichtsvoller verhalten.

„Es tut mir leid, wenn ich Sie verärgert habe, Madison.“ Durango reichte ihr versöhnlich die Hand. „Mir war nicht klar, wie beunruhigt Sie sind. Trotzdem herzlich willkommen in Montana.“

Genervt verdrehte Stone die Augen. Durango verstand es, sich in Sekundenschnelle aus einem richtigen Ekelpaket in einen unwiderstehlichen Charmeur zu verwandeln.

Der seine Wirkung auch auf Madison nicht verfehlte, wie ihr Lächeln Stone signalisierte. Und obwohl dieses Lächeln nicht für ihn bestimmt war, löste es wie aus dem Nichts eine unerwartete Flut an Emotionen in ihm aus.

Er räusperte sich. „Gut. Dann hätten wir das geklärt. Durango, du bist Madisons Mutter also begegnet?“

„Ja, ich habe sogar kurz mit ihr geredet, bevor sie mit Corey auf den Berg geritten ist. Eine wirklich beeindruckende Frau“, erwiderte der.

Madison nickte versonnen. Ja, ihre Mutter war definitiv beeindruckend. Auch wenn sie sich im Moment seltsam verhielt. „Ich würde jetzt gerne zur Silver Arrow Ranch fahren, auspacken und mich ein wenig frisch machen. Und Ihnen dann so schnell wie möglich ein paar Fragen stellen, wenn ich darf.“

Durango warf Stone einen warnenden Blick zu. Offensichtlich gab es Dinge, die Madison besser nicht erfuhr.

Stone nickte schweigend, und Durango wandte sich wieder an Madison. „Natürlich, kein Problem. Werden Sie abholt, oder darf ich Sie zur Silver Arrow mitnehmen?“

„Ich möchte Ihnen keine Umstände machen, Mr. Westmoreland.“

„Nennen Sie mich einfach Durango“, meinte er mit einem einnehmenden Lächeln. „Und es bereitet mir überhaupt keine Umstände. Die Silver Arrow Ranch liegt auf unserem Weg.“

Madisons Miene leuchtete auf. „Danke, in dem Fall nehme ich Ihr Angebot mit Vergnügen an. Eben am Telefon hat man mich informiert, dass der Fahrer, der mich abholen sollte, krank geworden ist. Sie versuchen, einen Ersatz aufzutreiben.“

Durango nahm ihr mit einer eleganten Bewegung das Gepäck ab. „Dann herzlich willkommen beim besten Fahrservice Montanas.“

Während der Fahrt in Durangos Geländewagen vergaß Madison schnell die düsteren Gedanken. Bequem zurückgelehnt, ließ sie vom Rücksitz aus die atemberaubende Landschaft der Rocky Mountains an sich vorbeiziehen. Jetzt im Juni standen die üppigen Wiesen in voller Blüte, und sie konnte sich nicht sattsehen an der Farbenpracht, die sie umgab.

Madison hatte schon oft von der Schönheit Montanas gehört, doch diese jetzt selbst zu erleben, machte sie sprachlos. Sie wusste, der Yellowstone Nationalpark lag nur einen Katzensprung entfernt, und sie hoffte sehr, eine Tour dorthin unternehmen zu können, bevor sie nach Boston zurückkehren musste.

So unangenehm der Grund ihrer Reise auch war, in diesem Moment genoss Madison einfach nur die Schönheit der Umgebung.

Stone drehte sich zu ihr um. „Verraten Sie mir, wie lange Sie in Montana bleiben werden, nachdem Sie mit Ihrer Mutter gesprochen haben?“ Anerkennend registrierte er, wie sehr die Gegend sie zu beeindrucken schien.

Stone wusste, dass Montana niemanden mehr richtig losließ, der es einmal erlebt hatte. Und er musste zugeben, dass es ihm mit Madison gerade ähnlich ging. Plötzlich überkam ihn der dringende Wunsch, ihr auf der Suche nach ihrer Mutter zu helfen.

Widerstrebend löste sie den Blick von der vorbeifliegenden Landschaft, um sich Stone zuzuwenden. „Ich weiß, was ich vorhin gesagt habe, aber jetzt bin ich nicht mehr sicher. Ich wollte so schnell wie möglich wieder zurück nach Boston. Vielleicht sollte ich doch lieber eine Weile bleiben. Es ist wunderschön hier. Außerdem sind Sommerferien.“

Sie seufzte leise. „Ich wünschte nur, ich hätte die Reise planen können, anstatt Hals über Kopf herfliegen zu müssen.“

Stone war es egal, warum sie hier war, Hauptsache, sie war überhaupt da. Er empfand ihre Gegenwart als äußerst anregend und freute sich schon darauf, sie besser kennenzulernen. Eines hatte er ja bereits über sie erfahren: Offenbar war Madison es gewohnt, alles genau durchzuplanen. Das schien ihr wichtig.

Er lächelte in sich hinein. Für den Fall, dass er recht hatte, würde seine ungewöhnliche Familie eine Herausforderung für sie werden.

„Wenn Sie länger bleiben, dann zeige ich Ihnen gerne die Gegend. Als Kind war ich oft hier zu Besuch. Ich kenne das Land wie meine Westentasche.“

Madison bedachte ihn mit einem charmanten Lächeln. „Dankeschön. Vielleicht komme ich darauf zurück.“ Ernst fuhr sie fort: „Wie ist Ihr Onkel Corey denn so? Ich möchte gerne verstehen, wieso meine Mutter wegen ihm alles stehen und liegen lässt.“

Stone bemerkte, wie Durango ein Grinsen unterdrückte. Er war froh, dass sein Cousin im richtigen Moment schweigen konnte. Corey eilte der Ruf voraus, jede Frau für sich einnehmen zu können. Doch das musste Madison nicht unbedingt erfahren. Noch nicht.

Was sollte er ihr in Hinblick auf ihre Mutter sagen? Stone fand das alles ebenso merkwürdig wie Madison. Er konnte es kaum erwarten, die ganze Geschichte von Durango zu hören.

„Ich glaube, dass man nicht alles mit Logik erklären kann. Genau das lässt sich wohl auf Ihre Mutter und unseren Onkel anwenden. Denn glauben Sie mir, Madison, nicht nur sie verhält sich ungewöhnlich. Er tut es auch. Ich kenne ihn ja nun schon mein ganzes Leben lang. Er war immer ein Einzelgänger mit eisernen Vorsätzen.“

„Was für Vorsätze?“, hakte Madison nach.

Stone lächelte verschmitzt. „Zum Beispiel, dass kein Frau –außer, sie gehört zur Familie – jemals sein Haus auf dem Berg betreten darf. Irgendetwas an Ihrer Mutter muss ihn also sehr beeindruckt haben.“

Ein Gedanke schoss ihm durch den Kopf. „Halten Sie es für möglich, dass die beiden sich schon vorher kannten?“

Madison furchte nachdenklich die Stirn. Diese Idee war ihr auch schon gekommen. „Alles ist möglich. Auf jeden Fall würde es einiges erklären, denke ich. Aber woher sollten sie sich kennen? Selbst wenn Ihr Onkel mal in Boston gewesen ist, meine Eltern waren seit vielen Jahren verheiratet.“ Sie beschloss, die unglückliche Ehe ihrer Eltern vorerst unerwähnt zu lassen.

„Dann muss ihr seltsames Verhalten einen anderen Grund haben“, erwiderte Stone mit sanfter Stimme.

Er spürte Madisons Blick auf sich ruhen.

„Was meinen Sie?“, fragte sie.

„Ich meine Liebe auf den ersten Blick.“

Madison öffnete den Mund, um zu widersprechen, überlegte es sich dann aber anders. Sie wusste, dass es dieses Phänomen gab. Ihr war es im Flugzeug schließlich nicht anders gegangen. Sie wäre sich lächerlich vorgekommen, das jetzt zu leugnen.

Nach kurzem Schweigen hatte sie sich wieder gefasst. „Ganz sicher gibt es die viel beschworene Liebe auf den ersten Blick“, erklärte sie betont nüchtern. „Doch bringt sie vernünftige Menschen dazu, vollkommen kopflos zu handeln?“

„Glauben Sie mir, das tut sie.“ Stone musste schmunzeln.

Irgendwann würde er ihr erzählen, wie es seinen beiden Brüdern ergangen war. Beide waren alles andere als heiratswillig gewesen. Das schien einfach in der Familie zu liegen. Allerdings hatte die Begegnung mit ihren späteren Frauen alles verändert.

„Ich kann mir trotzdem nicht vorstellen, dass meiner Mutter so etwas passiert sein soll“, sagte Madison schließlich und riss Stone damit aus seinen Gedanken. „Hat Ihr Onkel einen Telefonanschluss?“

„Ja, den hat er“, bestätigte Stone.

„Dann geben Sie mir bitte die Nummer. Ich möchte meine Mutter anrufen, um sie vorzuwarnen, dass ich auf dem Weg bin.“

Durango, der bisher nur zugehört und geschwiegen hatte, lachte leise auf. „Ich schätze, das wird schwierig. Ich versuche seit Tagen, Onkel Corey zu erreichen. Er geht einfach nicht ran.“

Madison wirkte erschrocken. „Was, wenn etwas passiert ist? Vielleicht sind sie nicht in der Lage, ans Telefon zu gehen? Was, wenn …“

„Was, wenn die beiden einfach nicht gestört werden wollen?“, warf Stone ein. Er konnte regelrecht sehen, wie Madison fieberhaft nach einer Erklärung für das merkwürdige Verhalten ihrer Mutter suchte, in ihrer Fantasie alle möglichen Szenarien durchspielte. Irgendwann würde sie notgedrungen einsehen müssen, dass diese ihren Urlaub einfach um zwei Wochen verlängert hatte, weil sie es so wollte. Und nicht, weil irgendjemand sie dazu gezwungen hatte.

Nachdenklich blickte Madison schweigend aus dem Fenster.

Stone atmete tief durch und lehnte sich in seinem Sitz zurück. Vielleicht hatte seine Bemerkung sie zum Nachdenken gebracht. Und wahrscheinlich war dies das Beste, was momentan passieren konnte.

3. KAPITEL

Und wenn er recht hat? Wenn Mum wirklich nicht gestört werden möchte?

Madison wurde diese Gedanken nicht mehr los. Unaufhörlich kreisten sie in ihrem Kopf, während die faszinierende Landschaft Montanas weiter an ihr vorbeizog.

Madison konnte einfach nicht fassen, was mit ihrer Mutter geschehen war. Sie beide standen sich so nah! Aber anscheinend gab es Dinge, über die eine Mutter eben nicht mit ihrer Tochter reden wollte …

Stones Kommentare hatten bewirkt, dass Madison die Situation allmählich in einem anderen Licht sah. Dennoch fiel es ihr schwer, sich ihre Mutter als sexuell aktive Frau vorzustellen. Furchtbar schwer sogar.

Madison unterdrückte ein Seufzen. Durango und Stone waren zu höflich gewesen, um die Dinge beim Namen zu nennen. Na ja, wie es schien, hatten ihre Mutter und Corey Westmoreland eine heiße Affäre. Doch Madison war fest entschlossen, herausfinden, mit welchen Tricks dieser Mann ihre Mutter herumgekriegt hatte. Und wenn es das Letzte war, was sie in ihrem Leben tat!

Sie fuhr sich mit der Zungenspitze über die plötzlich trockenen Lippen. Madison musste daran denken, wie Stone sich über das Phänomen der Liebe auf den ersten Blick geäußert hatte. So, als wüsste er genau, worum es ging.

Und wenn sie sich selbst gegenüber ehrlich war, wusste sie es natürlich ebenfalls. Diese spezielle Anziehung zwischen ihnen beiden hatte sie von Anfang an gespürt. Ein Blick in seine samtschwarzen Augen hatte genügt, und sie hatte sich unwiderstehlich zu ihm hingezogen gefühlt.

Der Klang seiner Stimme übte eine beinahe hypnotische Wirkung auf sie aus. Noch nie hatte ein Mann sie derart fasziniert! Und das Gefühl hielt an. Jedes Mal, wenn Stones Blick sie streifte, durchlief sie ein erregendes Prickeln. Es begann in der Brust, strömte bis hinunter in ihren Bauch und löste ein sehnsüchtiges Ziehen zwischen ihren Schenkeln aus. Auch wenn sie sich nach Kräften bemühte, Madison konnte es nicht ignorieren.

Stone irritierte sie. Allein die Erinnerung daran, wie sie ihn unbewusst im Flugzeug berührt hatte, beschleunigte ihren Atem.

Dabei hatte sie nun wirklich ganz andere Sorgen. Sie musste so schnell wie möglich zur Silver Arrow Ranch, sich in ihr Zimmer zurückziehen und den Kopf freibekommen. Es gab wichtige Dinge zu klären, da hatte diese beunruhigende Schwärmerei für einen Fremden keinen Platz. Sie musste sich zusammenreißen. Ihre Mutter hatte Vorrang.

Auch wenn der Gedanke an einen Flirt mit Stone sehr verlockend war …

„Vielen Dank, das wäre nicht nötig gewesen“, wandte Madison sich an Stone, als er ihr letztes Gepäckstück neben das Bett stellte. Er und Durango hatten sich nach der Ankunft auf der Silver Arrow Ranch regelrecht überschlagen, um ihr behilflich zu sein.

Durango winkte ihr zum Abschied zu, bevor er zum Auto zurückging.

Anerkennend ließ Madison den Blick durch den geschmackvoll eingerichteten Raum wandern. Ihr Zimmer lag in einem der Gästehäuser, ein Stück vom Haupthaus entfernt. Neben einem Schrank und einem Tisch stand hier das riesigste Bett, das sie jemals gesehen hatte.

Unauffällig musterte sie Stone. Wie gut er aussah … Und wie lässig er sich bewegte …

„Hätten Sie Lust, später mit mir und Durango zu Abend zu essen?“

Der warme Klang seiner Stimme ließ sie erschauern. Madison sah auf, begegnete dem Blick seiner dunklen Augen. Sofort spürte sie, wie ihr Herzschlag sich beschleunigte. Die Atmosphäre im Raum war durch die erotische Anziehung zwischen ihnen regelrecht wie aufgeladen.

Sollte sie zusagen? Es war ja nur ein Abendessen. Und sie würden nicht alleine sein. Durango würde ihnen Gesellschaft leisten.

Und wenn der in letzter Sekunde absagte?

Madison atmete tief durch und beschloss, ehrlich zu Stone zu sein. So ehrlich, wie es ihr gerade noch möglich war.

„Ich bin wegen meiner Mutter hergekommen, Stone“, erklärte sie offen. „Nur wegen ihr. Wenn alles geklärt ist, denke ich vielleicht darüber nach, ob ich diese Reise noch genießen möchte. Vielleicht kehre ich aber auch so schnell wie möglich nach Boston zurück.“

Stone nickte bedächtig. „In Ordnung“, sagte er und verringerte mit langsamen Schritten die Distanz zwischen ihnen. „Falls das heißt, dass Sie Zeit brauchen, um sich über einige Dinge klarzuwerden, dann ist das kein Problem. Wir haben alle Zeit der Welt.“

Ehrlicherweise musste er sich eingestehen, dass es ihm nicht anders erging. Er musste wieder einen klaren Kopf bekommen. Dringend. Warum fühlte er sich dermaßen heftig zu Madison hingezogen?

Schon die Vorstellung, sie zu berühren, den Duft ihrer Haut in sich einzusaugen, jeden Millimeter ihres Körpers mit den Lippen zu kosten, brachte ihn fast um den Verstand. Genau das war es, was ihn beunruhigte.

Bis jetzt war immer das Schreiben Mittelpunkt seines Lebens gewesen. Stone hatte mit den fiktiven Figuren gelebt, die er als Schriftsteller aufs Papier brachte. Er kannte ihre Ängste und Begierden, ihre Sorgen und ihre Wünsche. Und jedes neue Romanabenteuer forderte seine volle Aufmerksamkeit.

Da war kein Platz für unwichtige Nebensächlichkeiten. Er wollte seine Leser begeistern. Und bisher war es ihm immer gelungen. Das Letzte, was er während der Arbeit an seinem neuen Buch brauchen konnte, war eine Liaison, die seine Zeit und Aufmerksamkeit in Anspruch nahm.

Trotzdem wurde er das Verlangen, Madison Winters für sich zu gewinnen, einfach nicht los. Sosehr er es auch zu ignorieren versuchte. Er wollte sie.

So einfach war das.

„Darf ich Ihnen noch etwas hierlassen? Etwas, worüber Sie dann in Ruhe nachdenken können, wenn Sie möchten?“, fragte er ruhig. Das sanfte Licht des Spätsommernachmittags fiel durch die Fensterscheiben und tauchte Madisons schlanke Gestalt in ein goldenes Licht. Stone schluckte schwer und straffte sich.

Madison fing seinen Blick auf, erwiderte ihn mit derselben Intensität. Gespannt fragte sie sich, was er ihr zu sagen hatte. Spürte vielleicht auch er dieses Prickeln zwischen ihnen? Madison versuchte den Gedanken zu verdrängen, während sie gleichzeitig wünschte, dass es so wäre.

Dennoch. Es war keine gute Idee, die Dinge zu beschleunigen. Immerhin hatten sie sich gerade erst kennengelernt. Doch sofort wurde Madison klar, dass sie schon im Flugzeug eine unsichtbare Grenze überschritten hatte. Nicht bewusst, sicher. Trotzdem war sie Stone nahegekommen, hatte ihn berührt. Und diese Berührung hatte sie beide verändert.

Madison war sich selbst gegenüber aufrichtig genug, um sich einzugestehen, dass Stone sie faszinierte. Er hatte diese charmante Höflichkeit und Wertschätzung an sich, die man nur noch selten bei Männern fand.

Ein stiller, zurückhaltender Typ, der trotzdem unbeschreiblich sexy wirkte. Einen Mann wie ihn hatte Madison bis jetzt nie getroffen. Aus einem unerklärlichen Grund hatte sie auch das Gefühl, ihm trauen zu können. Und das, obwohl genau dieses blinde Vertrauen einem Mann gegenüber ihr zwei Jahre zuvor das Herz gebrochen hatte. Bei Stone fühlte sie sich sicher.

Also nahm sie all ihren Mut zusammen.

„Worüber sollte ich denn nachdenken?“, fragte sie sanft, innerlich auf alles gefasst.

Schweigend machte er einen Schritt auf sie zu, hob die Hand und strich mit den Fingerspitzen sanft über ihr Kinn. Seine bedächtigen Bewegungen bedeuteten ihr, dass er ihr die Möglichkeit gab, sich jederzeit zurückzuziehen. Es würde nichts passieren, was sie nicht ebenfalls wollte.

Madison rührte sich nicht. Ihr Atem beschleunigte sich, während er ihren Blick mit einer Intensität erwiderte, der ihr durch und durch ging. Sanft senkte er seine Lippen auf ihre.

Dieser Kuss löste sinnliche, kleine Schauer aus, die ihren Körper in heißen Wellen überrieselten. Madison spürte, wie Stone sie eng an sich zog und in seine starken Arme schloss. Und als er seine Hände auf ihre Hüften legte, prickelte ihre Haut vor sehnsüchtigem Verlangen.

Beinahe wie von selbst teilten sich ihre Lippen, während Stone den Kuss intensivierte. Noch nie hatte ein Mann sie mit solcher Hingabe geküsst, wie Stone es in diesem Moment tat. Es war ein zärtlicher Kuss, einfühlsam und sanft. Zugleich barg er eine hungrige Sehnsucht, die Madisons Herz zum Rasen brachte.

Mit beeindruckender Könnerschaft erforschte Stone das Innere ihres Mundes, umspielte ihre Zungenspitze mit seiner. Madison schmolz buchstäblich dahin vor Lust, während er sie fest in seinen Armen hielt. Nie geahnte Gefühle durchströmten sie, und sie bekam eine Ahnung davon, wie gut Sex sein konnte, wenn man ihn mit dem richtigen Mann erlebte.

Als er die Lippen schließlich von ihren löste, atmete Madison tief durch und suchte seinen Blick. In seinen Augen las sie Verlangen und große Zärtlichkeit und noch etwas, was sie nicht wirklich definieren konnte … Und doch ahnte sie, dass das, was gerade zwischen ihnen passierte, mehr war als ein rein lustbetonter Austausch von Zärtlichkeiten. Es war ein Eingeständnis. Ein tiefes gegenseitiges Verstehen.

War es das, was ihrer Mutter und Corey Westmoreland widerfahren war?

Liebe auf den ersten Blick.

Diese besondere Art von Anziehung, die zwei Menschen vom ersten Augenblick an erfasste und ihnen keine Wahl ließ.

Madison schmeckte noch die heiße Süße seiner Lippen auf ihren, spürte, wie heftiges Verlangen sie fast überwältigte. Hastig trat sie einen Schritt zurück.

Stone Westmoreland war gefährlich. Gefährlich für ihre innere Ruhe. Unter diesen Umständen konnte sie unmöglich heute mit ihm und Durango ausgehen. Sie brauchte Zeit, um sich wieder zu fassen und ihre Ausgeglichenheit zurückzugewinnen.

Alles, woran Madison gerade denken konnte, war Stone. Seine Berührungen, der Kuss, die Anziehung zwischen ihnen. In wenigen Stunden hatte er ihre Welt vollkommen auf den Kopf gestellt. Und das machte ihr Angst.

„Ich denke, wir sollten heute nicht gemeinsam zu Abend essen“, sagte sie schließlich. Ihre Stimme zitterte leicht. „Ich möchte erst einmal ankommen. Die Reise war wirklich anstrengend, und ich muss über einiges nachdenken. Können wir uns morgen Vormittag treffen? Ich würde auch gerne versuchen, meine Mutter zu erreichen. Sie weiß ja noch gar nicht, dass ich hier bin.“

Stone versuchte nicht, sie zu überreden. „Natürlich, kein Problem. Sagen Sie der Rezeptionistin am Empfang einfach, sie möchte Durango anrufen, wenn Sie so weit sind. Wir holen Sie dann ab, versprochen.“

„In Ordnung, danke.“ Ihr wurde bewusst, dass Stone am förmlichen „Sie“ festhielt, trotz des heißen Kusses. Madison konnte nicht recht entschieden, ob sie erleichtert darüber sein sollte oder nicht.

Einen Augenblick lang stand er reglos da, den Blick fest auf sie gerichtet. Dann drehte er sich um und verließ ohne ein weiteres Wort das Zimmer.

„Ich schwöre dir, es hat mich echt aus den Socken gehauen, als ich das gesehen habe“, sagte Durango später am Abend, während er und Stone in der Küche den Abwasch erledigten. „Onkel Corey, verliebt wie ein Teenager. Vor Madison wollte ich das nicht erwähnen, aber ihrer Mutter scheint es nicht anders zu gehen. Sie wirkte genauso verliebt wie Corey.“

Ungläubig schüttelte Stone den Kopf. „Wie auch immer, Madison will unbedingt Antworten auf ihre Fragen. Ich schätze, sie akzeptiert langsam, dass die beiden eine Affäre haben, aber sie versteht einfach nicht, wie das passieren konnte.“

Durango lehnte sich gegen den Tisch. „Was gibt’s denn da zu verstehen? Sie sind scharf aufeinander. So was soll vorkommen.“

Stone verdrehte die Augen. Durango war wirklich ein Meister der klaren Worte. „Weißt du, Madisons Mutter scheint eine stilvolle Lady zu sein. Eine Dame, wenn man so will. Und ihre Tochter kann sich nur sehr schwer vorstellen, dass auch diese Frau Sex hat.“

Durango grinste amüsiert. „Dann scheinst du exakt der Richtige zu sein, um ihr das schonend beizubringen. Wenn du allerdings Hilfe benötigst …“

„Denk nicht mal dran!“ Stones Stimme klang warnend.

Wovon Durango sich wenig beeindruckt zeigte. „Das war doch nur ein Witz. Außerdem weißt du, was ich von diesen Karrierefrauen aus der Stadt halte.“ Obwohl er es mit einem Lachen zu kaschieren versuchte, schwang bittere Enttäuschung in seinen Worten mit.

Stone nickte stumm. Er wusste, wie sein Cousin sich fühlte. Höchste Zeit für einen Themenwechsel. „Soll ich dir auch helfen, die Küche aufzuräumen?“

„Nein, danke. Wenn du willst, können wir noch einmal bei Corey anrufen. Aber ich wette, wir haben kein Glück. Ganz sicher haben er und seine Klasse-Lady das Telefon abgestellt. Die beiden wollen nicht gestört werden.“

Trotzdem versuchte Stone es. Vergeblich, niemand ging ans Telefon. Kopfschüttelnd blickte er Durango an. „Madisons Mutter hätte wenigstens versuchen können, ihrer Tochter zu erklären, was los ist, damit sie sich nicht solche Sorgen macht.“

Durango zuckte die Achseln. „Sie hat doch eine Nachricht hinterlassen, dass es ihr gut geht und sie den Urlaub um zwei Wochen verlängert, oder?“

„Ja, aber nur auf dem Anrufbeantworter. Ein persönliches Gespräch hätte Madison eine Menge Ängste und Sorgen erspart.“

„Ich finde – und wahrscheinlich sieht Madisons Mutter das genauso –, dass eine erwachsene Frau sich nicht für eine Urlaubsverlängerung rechtfertigen muss, egal, aus welchem Grund“, erklärte Durango ungeduldig. „Vor allem, wenn sie ihre Tochter hat wissen lassen, dass alles okay ist!“

Er schnappte sich einen Apfel aus einem gut gefüllten Obstkorb auf dem Tisch und biss herzhaft hinein. „Weißt du, was ich denke?“, meinte er kauend.

„Nein, Durango, das weiß ich nicht. Sag’s mir“, meinte Stone gedehnt.

„Ich glaube, Madison schnüffelt nur so hartnäckig im Liebesleben ihrer Mutter herum, weil sie selbst keins hat.“

Ein leises Lächeln umspielte Stones Mundwinkel. „Tatsächlich, ja? Das glaubst du also?“

„Absolut. Und das ist genau der Punkt, an dem du ins Spiel kommst.“

Als Stone Durangos Blick auffing, verschränkte er die Arme vor der Brust. „Um was zu tun?“

Durango lächelte liebenswürdig. „Um ihr zu zeigen, wie wunderschön die Liebe sein kann. Sex nicht zu vergessen.“

Jetzt musste Stone wirklich lachen. Typisch Durango, mit so einem Vorschlag rauszurücken. Auch wenn Stone nicht vorhatte, jemals zu heiraten, so glaubte er trotzdem an die Liebe. Seine Eltern waren das beste Beispiel für ein glückliches Leben zu zweit. Und seine Geschwister hatten es ebenfalls nicht bereut. Im Leben ging es nicht ausschließlich nur um Sex.

„Wenn es dir nichts ausmacht, vergesse ich einfach, was du gerade gesagt hast, und nehme jetzt ein heißes Bad“, sagte Stone schließlich.

„Fühl dich wie zu Hause.“

Zwanzig Minuten später streckte Stone sich genüsslich in Durangos Whirlpool auf der Dachterrasse aus. Zu der Ranch gehörten einige heiße Quellen, was Durango sich zunutze gemacht hatte. Die angenehme Wärme des Wassers lockerte Stones angespannte Muskeln, und er schloss gelassen die Augen.

Sofort wanderten seine Gedanken zu Madison. Vielleicht hatte Durango recht und ihre Reaktion war vollkommen übertrieben. Doch Stone vermutete eher, dass Madison sich einfach nur sehr um die Menschen kümmerte, die ihr etwas bedeuteten. Sie machte sich Sorgen.

Und vielleicht lag Durango auch mit seiner zweiten Vermutung nicht falsch. Möglicherweise wurde es Zeit für Madison, endlich ihr eigenes Leben mehr in den Mittelpunkt zu stellen.

Stone atmete tief durch. Wahrscheinlich gab es schon längst einen Mann in ihrem Leben. Zu Hause in Boston. Andererseits … Madison Winters war nicht der Typ Frau, die eine feste Beziehung führte und trotzdem einen anderen Mann küsste. Und sie hatte ihn geküsst. Meine Güte, wie sie ihn geküsst hatte! Noch immer meinte er ihre zarten Lippen wie einen sanften, verführerischen Hauch auf seinen zu spüren. So unfassbar süß und verlockend …

Durangos Stimme riss ihn aus seinen Tagträumen. „Hey, Stone. Gerade kam ein Anruf für dich!“

Überrascht blinzelnd öffnete er die Augen. Sein Cousin stand nur wenige Schritte vom Whirlpool entfernt. Ein mutwilliges Grinsen lag auf seinem Gesicht.

„Wer war es denn?“

„Deine Lady aus der Stadt.“

„Hat sie gesagt, was sie will?“

Durangos Grinsen wurde breiter. „Nein, hat sie nicht. Aber mein sicheres Gespür verrät mir, sie will dich.“

4. KAPITEL

Unruhig ging Madison in ihrem Zimmer auf und ab, während sie auf Stones Rückruf wartete. Schließlich ließ sie sich resigniert in einen Sessel fallen. Sie konnte einfach nicht glauben, was Frank, ein Privatdetektiv und guter Freund aus Boston, ihr am Telefon mitgeteilt hatte.

Als es plötzlich an der Tür klopfte, zuckte sie zusammen. Wer konnte das sein? Es war spät, und sie erwartete niemanden. Die meisten anderen Gäste schliefen sicher schon. Einmal mehr wurde ihr bewusst, dass sie nicht mehr in Boston war, sondern mitten in der Wildnis. Hier lief alles anders.

Vorsichtig näherte sie sich der Tür. „Wer ist da?“

„Ich bin’s, Stone.“

Beim vertrauten Klang seiner Stimme seufzte sie erleichtert auf. Schnell drehte sie den Schlüssel im Schloss herum und öffnete die Tür.

„Hi, ich hatte eigentlich Ihren Anruf erwartet. Nett, dass Sie sich die Mühe machen, persönlich vorbeizuschauen.“ Sie trat einen Schritt zurück, um ihn vorbeizulassen. Insgeheim war sie froh, dass sie nach dem Duschen in einen langen Kaftan aus weichem Stoff geschlüpft war, der ihre Figur vorteilhaft umschmeichelte und jeder Situation angemessen war.

Nachdem Stone hereingekommen war, schloss er die Tür hinter sich. „Durango sagte, Sie hätten am Telefon sehr aufgeregt geklungen. Da dachte ich, ich sehe lieber mal nach dem Rechten. Was ist denn passiert?“

Madison fuhr sich nervös mit der Hand durchs Haar. „Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll.“

Er schwieg einen Moment, dann huschte ein aufmunterndes Lächeln über sein Gesicht. „Fangen Sie an, wo immer Sie wollen. Setzen wir uns?“

Sichtlich nervös hockte sie sich auf die Bettkante, während Stone es sich in einem Sessel bequem machte.

„Also, schießen Sie los!“, forderte er sie ruhig auf.

Madison sah auf, begegnete seinem Blick. Wie bereits einige Stunden zuvor, spürte sie auch jetzt die Verbindung zwischen ihnen beiden. Wie hypnotisiert ließ sie sich in die samtdunklen Tiefen seiner Augen fallen. Spürte er es ebenfalls?

Rasch schob sie den Gedanken beiseite und begann zu sprechen. „Ich habe vorhin bei mir zu Hause angerufen, um die Nachrichten auf meinem Anrufbeantworter abzuhören. Meine Mutter hat sich noch einmal gemeldet!“

Stone hob eine Augenbraue. „Wirklich? Was hat sie gesagt?“

„Sie sagte, dass es ihr leidtut, weil wir uns schon wieder verpassen, und dass es ihr gut geht“, berichtete Madison ein wenig atemlos. „Und …“

Er nickte ihr aufmunternd zu. „Und?“

„Und dass sie ihren Urlaub um weitere zwei Wochen verlängern wird“, schloss Madison seufzend.

Einen Moment lang erfüllte Schweigen den Raum. Nachdenklich rieb Stone sich das Kinn, ohne den Blick von Madison abzuwenden. Er konnte sich gut vorstellen, dass diese Neuigkeit die junge Frau aus der Fassung gebracht hatte. „Na ja, immerhin wissen wir jetzt, dass alles okay mit ihr ist.“

Madison schüttelte heftig den Kopf. „Ehrlich gesagt mache ich mir jetzt noch mehr Sorgen. Übrigens, es gibt da etwas, was ich Ihnen sagen muss.“

Oh, nun wurde es interessant … „Und das wäre?“

Nervös sprang sie auf und begann, ruhelos im Zimmer hin und her zu laufen. Schließlich blieb sie dicht vor Stone stehen.

„Ich weiß, dass Durango und Sie mich beruhigen wollen, indem sie behaupten, Ihr Onkel wäre der zuverlässigste, rücksichtsvollste und ehrenhafteste Mann auf diesem Planeten. Aber ich wollte sichergehen. Ich musste einfach so viel wie möglich über ihn herausfinden, um zu verstehen, weshalb meine Mutter sich so untypisch verhält. Ein Freund von mir ist Privatdetektiv. Vorhin habe ich bei ihm angerufen und ihn gebeten, über Corey Westmoreland zu recherchieren.“

Stone lehnte sich im Sessel zurück. Seine Miene verschloss sich. „Ja, und?“

Madison schluckte schwer. „Frank hat den Namen Ihres Onkels in eine Datenbank eingegeben. Wobei sich herausstellte, dass eine andere Detektei aus Texas ebenfalls nach ihm sucht. Anscheinend bin ich nicht die Einzige, die Informationen über Ihren Onkel haben möchte.“

Stone runzelte die Stirn und straffte sich. Leiser Ärger regte sich in ihm. Bei allem Verständnis für Madison, was brachte sie dazu, seiner Familie hinterherzuspionieren? „Wollen Sie damit etwa andeuten, mein Onkel wäre in irgendwelche krummen Geschäfte verwickelt?“

„Nein. Frank hat mir versichert, dass Ihr Onkel eine lupenreine Weste hat. Trotzdem finde ich es merkwürdig, dass noch jemand anders Erkundigungen über ihn einzieht. Und ich dachte, Sie sollten es wissen.“

Für einen Moment richtete Stone den Blick fest auf Madison. Dann stand er auf. „Ich habe keine Ahnung, warum irgendeine Detektei in Texas sich für meinen Onkel interessiert. Es muss sich um ein Versehen handeln. Corey ist einer der ehrlichsten und zuverlässigsten Männer, die ich kenne. Ich gebe zu, er ist ein wenig speziell und ganz sicher manchmal ein seltsamer Kauz. Aber ich würde meine Hand für ihn ins Feuer legen.“

Obwohl er sich bemühte, seine Verärgerung zu verbergen, registrierte Madison, wie verstimmt er war. Abwehrend verschränkte sie die Arme vor der Brust. „Ich habe damit auch nicht sagen wollen, dass er …“

„Was?“, unterbrach Stone sie. „Madison, möchten Sie wissen, was ich wirklich denke? Solange Sie nicht mit Ihrer Mutter gesprochen und sich davon überzeugt haben, dass sie nicht mit einem Psychopathen auf diesem Berg ist, werden Sie keine ruhige Minute haben.“

Er hob die Hand und strich Madison sanft eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Ihre hübschen Züge waren angespannt, ihr Mund, der sich nur wenige Stunden zuvor so weich und zart unter seinem angefühlt hatte, wirkte hart und bitter. „Ich möchte Ihnen gerne dabei helfen, Frieden zu finden. Und deshalb werde ich Sie auf den Berg bringen. Höchstpersönlich.“

Madison ließ die Arme sinken. Ihr Herz begann wie wild zu pochen. „Das würden Sie für mich tun?“

„Selbstverständlich. Am liebsten würde ich gleich morgen früh aufbrechen, aber das wäre fahrlässig. Wir müssen erst alles besorgen, was wir für die Reise benötigen, dann können wir übermorgen in der Morgendämmerung los. Mit dem Geländewagen kommen wir bis zur Ranch von Martin Quinn. Für den Rest des Weges werden wir Pferde brauchen.“

Madison bemühte sich, ihre Erleichterung nicht zu zeigen. Auch wenn sie es nur ungern zugab, Stone hatte recht. Sie würde keine Ruhe finden, bevor sie sich nicht selbst davon überzeugt hatte, dass alles in Ordnung war. „Ich packe ein, was ich brauche.“

„Wunderbar. Also, ich hole Sie nach dem Frühstück ab. Dann fahren wir in die Stadt, um zu besorgen, was wir brauchen.“

Madison nickte stumm. Plötzlich fühlte sie sich seltsam befangen. Wie sollte sie auf Stones Angebot reagieren? Schließlich sagte sie das Erstbeste, was ihr in den Sinn kam. „Dankeschön, Stone.“

Als seine Miene unbewegt blieb, spürte Madison einen Stich der Enttäuschung. Er war wohl noch immer verärgert, weil sie heimlich Erkundigungen über seinen Onkel eingeholt hatte.

„Keine Ursache. Wir sehen uns morgen früh.“ Damit drehte er sich um, durchquerte entschlossen das Zimmer und ließ sie mit ihren Sorgen allein zurück.

Stone saß im Sessel in Madisons Zimmer und beobachtete, wie sie die Sachen für die Reise packte. In erster Linie ging es ihm darum, zu überwachen, dass nicht doch noch irgendwelche nutzlosen Fummel in die Tasche geschmuggelt würden. Das würde er Madison nämlich glatt zutrauen, wie er sich amüsiert eingestand.

Der morgendliche Einkauf in der Stadt hatte viel länger gedauert als erwartet. Stone war nicht überrascht gewesen, dass Madison keine passende Kleidung für die Wildnis im Gepäck hatte.

Doch Designerstücke würden auf einem Pferderücken wenig bringen. Deshalb hatten sie ein Paar Jeans, T-Shirts und Pullover besorgt, eine warme Jacke und, was am wichtigsten war, robuste Stiefel und einen Hut.

Auch um die anderen Dinge hatte Stone sich gekümmert: Schlafsäcke, Nahrungsmittel und Wasser. Außerdem hatte er einen Geländewagen organisiert, mit dem sie es bis zu Quinns Ranch schaffen würden.

Ein Lächeln huschte über Stones Gesicht, während er Madison zusah. Sie war einfach hinreißend. Doch damit nicht genug. Er musste sich eingestehen, dass er fasziniert von ihr war. Der Art, wie sie sich bewegte. Ihre Blicke. Ihr Wesen.

Gerade in diesem Moment betrachtete sie sich im Spiegel und runzelte die Stirn, als könnte sie sich nicht an die Jeans, das Baumwollhemd und die Stiefel gewöhnen. Dabei hatte Stone noch nie eine Frau erlebt, die in Jeans so umwerfend aussah.

Madison weckte den Poeten in Stone. Als eine seiner Romanfiguren wäre sie die Augenweide der Sommerhitze und eine unwiderstehliche Verlockung des sanften Herbstes. Eine atemberaubende Schönheit, die alles und jeden in ihren Bann zog, eine der seltensten und edelsten Blumen unter Montanas weitem Himmel …

„Meinst du, ich habe genug eingepackt?“

Ihre Stimme riss Stone aus seinen Tagträumen. Vormittags, während der Fahrt in die Stadt, hatte er ihr das Du angeboten. In Anbetracht der gemeinsamen Reise war sie darauf eingegangen.

Er blickte zu ihr hinüber, musste unwillkürlich schmunzeln. Höflich ausgedrückt, hatte sie ein klein wenig zu viel eingepackt. Aber war das bei einer Frau nicht einfach normal? Wahrscheinlich würden sie einiges auf Quinns Ranch zurücklassen müssen. Das musste er Madison ja nicht gleich auf die Nase binden.

„Klar, ich denke schon.“ Stone stand aus dem Sessel auf. „Ich habe vorhin mit Martin Quinn telefoniert. Er erwartet uns morgen Mittag. Wir bleiben für eine Nacht bei ihm auf der Ranch und starten dann gleich am nächsten Morgen nach dem Frühstück. Wenn alles gut geht, müssen wir nur eine Nacht im Freien verbringen.“

Madison sah ihn erstaunt an. „Man braucht zwei Tage, um zur Ranch deines Onkels zu kommen?“

„Ja. In den Mittagsstunden ist es zu heiß, um weiterzureiten. Außerdem brauchen die Pferde regelmäßige Pausen. Der Aufstieg ist anstrengend.“

Sie nickte stumm. Dann räusperte sie sich. „Stone, ich möchte dir dafür danken, dass du …“

„Du hast dich bereits bedankt“, unterbrach er sie und nahm seinen Cowboyhut vom Tisch.

„Ich weiß. Trotzdem, ich kann es gar nicht oft genug wiederholen. Du bist eigentlich hier, um zu schreiben. Nur weil du dich jetzt um mich und meine Probleme kümmerst und mich nun auch noch zu deinem Onkel bringst, verlierst du wertvolle Zeit für dein Buch. Deshalb – danke!“

Ihre Blicke trafen sich und sehnsüchtiges Verlangen durchströmte Stone, als er den feinen Duft ihres Parfüms wahrnahm. Was stellte sie da nur mit ihm und seinem Gefühlsleben an? Seit er Madison zum ersten Mal begegnet war, war er nicht mehr derselbe. Irgendetwas hatte sich grundlegend verändert.

„Keine Sorge, du stiehlst mir nicht die Zeit“, meinte er beschwichtigend. „Ich wollte Corey ohnehin besuchen.“

„Oh, ich verstehe.“

Stone bezweifelte, dass sie wirklich verstand, was in ihm vorging. Denn dann würde sie bemerken, wie heftig er sie begehrte. Die Vorstellung, die nächsten Tage mit Madison allein in der Wildnis Montanas zu verbringen, übte einen unwiderstehlichen Reiz auf ihn aus. Selbst wenn er nicht vorgehabt hätte, Corey zu besuchen, hätte er für Madison seine Pläne sofort geändert.

War seit ihrer Begegnung im Flugzeug tatsächlich nur ein einziger Tag vergangen? Unfassbar. Gestern hatte er zum ersten Mal in ihre faszinierenden Augen geblickt. Und sofort hatte sie ihm den Atem geraubt. Seitdem empfand Stone das elektrisierende Prickeln zwischen ihnen wie einen mitreißenden Sog. Niemals hatte er die Nähe einer Frau so deutlich und mit allen Sinnen wahrgenommen.

„Gut, dann haben wir für heute wohl alles erledigt.“

Ihre Worte drängten sich in seine Gedanken, holten ihn in die Wirklichkeit zurück. Erst jetzt merkte Stone, dass er sich keinen Zentimeter von der Stelle gerührt hatte. „Ja, stimmt. Bis auf eine Sache. Deine Einstellung.“

Überrascht blickte sie ihn an. „Was meinst du damit?“

Er fand sie unglaublich süß, wenn sie irritiert war wie in diesem Augenblick. Sie wirkte dann noch schöner. Und unbeschreiblich sexy.

„Ich meine“, sagte er langsam, „dass wir noch einiges klären sollten, bevor wir zu Corey und deiner Mutter aufbrechen. Du musst dir überlegen, wie du reagierst, wenn wir oben auf dem Berg ankommen. Egal, was uns erwartet.“

Madison wich seinem Blick aus, ein deutliches Indiz dafür, dass sie genau wusste, worauf er anspielte. Mit leicht zur Seite geneigtem Kopf blickte sie ihn an. „Ich bin nicht sicher, ob ich darauf eine Antwort weiß“, bekannte sie leise. „Sie ist meine Mutter, Stone.“

Ruhig hielt er ihrem Blick stand. „Ja, sie ist deine Mutter. Aber sie ist auch eine erwachsene Frau, die ihre eigenen Entscheidungen treffen kann.“

Madison seufzte. Er konnte regelrecht spüren, wie hin und her gerissen sie sich fühlte. „Das alles ist so schrecklich verwirrend für mich. So etwas Verrücktes hat sie noch nie angestellt. Sie war immer so zuverlässig. So vernünftig.“

„Es gibt für alles ein erstes Mal.“

Stone wusste, wovon er sprach … Bis gestern hatte keine Frau ihn je so in ihren Bann gezogen, wie Madison Winters es tat. Er war nicht sicher, ob er darüber glücklich oder eher bestürzt sein sollte. Zumindest war er erwachsen genug, um die Tatsache zu akzeptieren, dass so etwas zwischen einem Mann und einer Frau passieren konnte.

Ja, es stimmte, Madison brachte ihn förmlich um den Verstand. Sie war anbetungswürdig, sexy, faszinierend. Eine Beziehung mit ihr wäre gleichbedeutend damit, Funken und Kerosin zusammenzubringen und ein loderndes, alles verschlingendes Feuer zu entfachen.

Stone war wild entschlossen, dieser Verlockung zu widerstehen. Denn was Madison betraf, kamen ihm seine Grundsätze in die Quere. Egal, wie heiß er sich eine Affäre mit ihr vorstellte, er war einfach kein Mann für eine feste Beziehung.

Die Unentschlossenheit, die Madisons Gesicht widerspiegelte, zeigte ihm, dass sie noch weit davon entfernt war, ihre Mutter und seinen Onkel als Paar zu akzeptieren. Stone hingegen hatte sich inzwischen mit dem Gedanken angefreundet. Wahrscheinlich würde auch Madison früher oder später nichts anderes übrig bleiben.

„Ich wünsche dir eine gute und erholsame Nacht.“ Damit wandte Stone sich um und ging zur Tür. Er wollte das Zimmer verlassen, ohne noch einmal zurückzublicken.

Doch er konnte es nicht.

Stattdessen drehte er sich um, schloss Madison in die Arme und zog sie fest an sich. Als ihr Kopf an seiner breiten Brust ruhte, spürte er, dass er das Richtige getan hatte. Sie brauchte jemanden, der sie festhielt. Jemanden, auf den sie sich in dieser schwierigen Zeit verlassen konnte. Und genauso deutlich ahnte er, dass sie sich nach seinen Küssen sehnte.

Ein kaum noch bezähmbares Verlangen überfiel ihn und ließ sein Herz rasen. Er merkte, wie jeder einzelne Muskel seines Körpers sich anspannte. Auch Madison musste es gespürt haben, denn sie hob den Kopf und sah ihn fragend an. Als ihre Blicke sich trafen, erübrigte sich jedes weitere Wort. Das elektrisierende Prickeln zwischen ihnen genügte.

Autor

Brenda Jackson
<p>Brenda ist eine eingefleischte Romantikerin, die vor 30 Jahren ihre Sandkastenliebe geheiratet hat und immer noch stolz den Ring trägt, den ihr Freund ihr ansteckte, als sie 15 Jahre alt war. Weil sie sehr früh begann, an die Kraft von Liebe und Romantik zu glauben, verwendet sie ihre ganze Energie...
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