Brennende Sehnsucht in der Villa am Meer

– oder –

Im Abonnement bestellen
 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

Er soll sich um seine verwaiste Nichte kümmern? Unmöglich, findet Multimilliardär Raj Belanger. Mit Familienleben hat er nichts im Sinn. Wunderbar also, dass die unkonventionelle Künstlerin Sunny, die Tante der Kleinen, das übernimmt. Doch als Raj die liebevolle Sunny erlebt, ergreift ihn ein unbestimmtes Verlangen. Was ist das nur? Er muss diesem Gefühl auf den Grund gehen – und lädt Sunny samt Baby in seine Villa an der malerischen Amalfiküste ein. Mit heißen Folgen für sein kühles Herz …


  • Erscheinungstag 17.09.2024
  • Bandnummer 2666
  • ISBN / Artikelnummer 9783751524988
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Raj Belanger, der reichste Mann der Welt, landete mit seinem Helikopter auf dem Dach des Diamond Clubs in London.

Er war guter Stimmung, als er dort ankam. Der exklusive Club war ein Rückzugsort für ihn und andere extrem reiche Geschäftsleute. Er hatte ihn selbst gegründet. Lazlo, der Manager, begrüßte ihn an der Tür und lotste ihn nach drinnen in die wohltuende Stille. Das klassische Dekor – Marmorsäulen, hohe Decken, gedeckte Farben – hatte die übliche beruhigende Wirkung auf Raj. Er konnte sicher sein, dass hier keine Paparazzi auf ihn lauerten. Das Personal wurde gründlichst durchleuchtet und geschult. Jedes Mitglied hatte eine eigene private Suite, und der Cateringservice und die Konferenzräume entsprachen den allerhöchsten Standards. Er besaß zwar mittlerweile auch ein exklusives Anwesen an der Themse, aber zu geschäftlichen Unterredungen kam er gern in den Diamond Club.

Lazlos Assistentin musterte ihn neugierig. Raj schaute weg. Er war daran gewöhnt, dass sein Äußeres Aufsehen erregte, ob es ihm gefiel oder nicht. Er war über eins neunzig, breitschultrig und durchtrainiert – seiner Gesundheit zuliebe, nicht aus Eitelkeit. Ihm selbst lag nicht viel an äußerer Schönheit. Sie war vergänglich. Intelligenz war es, die blieb und durch die man Bleibendes schuf. Als Selfmademilliardär, der durch Talent und Hartnäckigkeit zu einer lebenden Legende geworden war, hatte Raj ein ausgeprägtes Selbstbewusstsein. Wenige Menschen wagten es, ihm zu widersprechen.

In seiner Suite wartete sein britischer Anwalt Marcus Bateman auf ihn. Ein kleiner, grauhaariger Mann mit untrüglichem Geschäftssinn. Während das Personal ihnen Frühstück brachte, machte Raj Smalltalk – in Gegenwart Außenstehender sprach er nie über Geschäftliches – und kam erst, als sie allein waren, auf den Anlass ihrer Unterredung zu sprechen.

Seine Nichte. Phoenix Petronella Pansy Belanger.

Vor vier Monaten hatte Raj seinen einzigen lebenden Verwandten, seinen Bruder Ethan, durch einen Autounfall verloren. Ethan war mit seiner Frau Christabel unterwegs gewesen – spätnachts und unter Drogen. Beide waren ums Leben gekommen, als der Wagen von der Fahrbahn abgekommen war. Die Nanny, die sich um ihr zehn Monate altes Baby gekümmert hatte, hatte sofort das Jugendamt verständigt. Phoenix war in Obhut genommen worden.

„Haben Sie Ihre Meinung geändert? Möchten Sie vielleicht doch das Sorgerecht beantragen?“, fragte Bateman.

„Nein. Solange Christabels Halbschwester eine verantwortungsbewusste Mutter abgibt, habe ich keine Einwände“, sagte Raj gleichmütig. „Als Junggeselle wäre ich der falsche Vormund für ein kleines Mädchen. Das Leben, das ich führe, verträgt sich nicht mit der Elternrolle. Und ich wüsste nicht einmal, wo ich anfangen sollte.“

Bateman wusste, unter welchen Umständen Raj aufgewachsen war und dass diese Umstände nichts mit einer normalen Kindheit gemein gehabt hatten. Raj stammte aus wohlhabendem Elternhaus, war behütet worden und hatte Privatunterricht und jede nur erdenkliche zusätzliche Förderung bekommen, aber keine Zuneigung. Er hatte keine Freunde gehabt. Für seine Eltern waren nur seine Leistung und die Schulung seiner außerordentlichen Intelligenz wichtig gewesen.

Seine Mutter hatte seinen Vater schließlich verlassen, als sie mit Ethan schwanger gewesen war. Aber obwohl Ethan, geschützt vor dem Einfluss seines Vaters, alles bekommen hatte, was Raj verwehrt geblieben war – Liebe und Anerkennung und oft unverdientes Lob –, war aus ihm kein verantwortungsbewusster Mensch geworden.

Hatten sie ihn zu sehr verwöhnt? Hatte Rajs früh erworbener Wohlstand ein zu bequemes Polster abgegeben? Hatte Rajs beruflicher Erfolg Ethans Entwicklung irgendwie gehemmt?

Raj hatte alles getan, um seinen Bruder zu unterstützen, auch nach dem Tod ihrer Mutter. Aber Ethan war undiszipliniert, faul und unehrlich gewesen. Und hatte eine noch undiszipliniertere, faulere und unehrlichere Frau geheiratet. Seine Nichte hatte Raj nur einmal zu sehen bekommen, bei der Taufe, rot im Gesicht und schreiend. Es war zu keinen weiteren Begegnungen gekommen, weil Christabel und Ethan es vorgezogen hatten, ihre Tochter daheim bei ihrer Nanny zu lassen.

„Miss Barker, die Schwester Ihrer verstorbenen Schwägerin, hat einem Besuch übrigens zugestimmt“, sagte Bateman. „Ich habe mir die Freiheit genommen, direkt einen Termin auszumachen, natürlich in Abstimmung mit Ihrem Assistenten. Er ist nächste Woche.“

Raj schob seinen Frühstücksteller zurück. „Danke. Stimmt es, dass sie immer noch kein Geld annehmen will?“

„Sie ist entschlossen, das Kind ohne finanzielle Unterstützung großzuziehen“, sagte Bateman. „Das finde ich bewundernswert.“

„Es ist irrational“, sagte Raj ungeduldig. „Ich werde darauf zu sprechen kommen, wenn ich sie nächste Woche besuche.“

„Aber denken Sie bitte daran, Miss Barker braucht das Geld nicht. Sie ist für eine Künstlerin recht erfolgreich. Eine Auseinandersetzung könnte zu unnötigen Ressentiments führen. Das könnte es schwerer machen, den Kontakt mit Ihrer Nichte aufrechtzuerhalten“, warnte Bateman. „Vor allem, wenn in ein paar Monaten die Adoption bewilligt wird.“

Raj presste die Lippen zusammen. Er rechnete nicht damit, dass Sunshine Barker Schwierigkeiten machen würde. Wenn es Anlass zu der Befürchtung gäbe, sie hätte auch nur die geringste Ähnlichkeit mit ihrer Schwester Christabel, würde er sich der Adoption mit allen Mitteln in den Weg stellen. Aber er hatte Nachforschungen anstellen lassen, und Sunshine war der genaue Gegensatz zu ihrer skrupellosen, habgierigen Schwester. Sie war in ihrer Heimat verwurzelt und pflegte einen alternativen Lebensstil auf dem Land. Eine gebildete, kreative Blondine in weiten Kleidern und Jesuslatschen, die Tiere zur Pflege bei sich aufnahm und im Wald Pflanzen sammelte. Ein geschätztes Mitglied der Dorfgemeinde. Und als wäre das noch nicht genug, ging sie auch noch regelmäßig in die Kirche.

Raj konnte sich nicht vorstellen, dass der Umgang mit ihr eine große Herausforderung darstellen würde.

Sunny war eine Kontaktlinse heruntergefallen. Sie tastete auf dem Boden und unter dem Regal. Dort fand sie eine alte Haarbürste und eine Brosche, die sie schon vor geraumer Zeit verloren hatte, aber nicht die Linse, die sie suchte. Frustriert schaute sie auf dem Nachttisch nach ihrer Brille, aber die hatte sie anscheinend wieder einmal verlegt. Das war ungünstig. Ohne Sehhilfe war sie blind wie eine Fledermaus. Früher oder später tauchte alles wieder auf, tröstete sie sich, gähnte und bürstete ihre blonde Mähne mit der gerade wiedergefundenen und flüchtig entstaubten Bürste.

Sie war müde. Kein Wunder. Gestern war Pansy dauerhaft bei ihr eingezogen. Aber es war erst die zweite Nacht gewesen, die sie hier verbracht hatte, und sie hatte unruhig geschlafen. Der Adoptionsprozess war noch nicht abgeschlossen. Sunny stand eine weitere Putzorgie bevor. Ein paar Krümel oder Spinnweben hinter dem Schrank kümmerten das Jugendamt nicht, aber einen halbwegs guten Eindruck sollte ihr Haushalt schon machen.

Es war unglücklich, dass sie noch keine Zeit gehabt hatte, das alte Cottage ihrer verstorbenen Großmutter komplett zu renovieren. Das Bad und die Küche waren neu gemacht, aber die Wände in den Wohn- und Schlafzimmern waren noch mit Chintz tapeziert. Ihr eigenes Chaos mischte sich zwischen die Hinterlassenschaften ihrer Mutter und Großmutter. Sie freute sich schon auf einfarbige, frisch gestrichene Wände. Der ursprüngliche Dielenboden war allerdings ein bisschen kalt und hart für ein Baby, das gerade erst anfing zu laufen, und sie hatte überall dicke Läufer verteilt, die farblich nicht unbedingt zueinander passten.

Nach und nach würde sie das Haus schon in den Griff bekommen, hoffte sie. Erst mal hatten Pansys Bedürfnisse Priorität.

Und ausgerechnet heute kam dieser Versicherungsmensch, der den Sturmschaden am Stallgebäude begutachten sollte. Sunny unterdrückte ein Seufzen. Wenigstens schlief Pansy gerade, und sie hatte sich Mühe gegeben, halbwegs respektabel auszusehen. Ja, der Rock war ein bisschen knapp. Zu viele Bacon-Sandwiches. Und zu viele Schokocroissants zwischendurch auf den vielen Fahrten nach London zu Pansys Pflegestelle, wo sie sich unter Aufsicht nach und nach mit ihrer Nichte bekannt gemacht hatte. Auch das langärmlige Top saß ein bisschen zu eng über ihren üppigen Brüsten. Sunny trug sonst lieber lockere Kleider in bunten, weichen Farben, die sie an ihre geliebten Pflanzen erinnerten.

Es läutete. Dreimal in Folge.

Dreimal? Gut zu wissen, dass sie es offenbar mit einem ungeduldigen Menschen zu tun hatte, den es nicht kümmerte, ob im Haushalt Tiere und ein Baby lebten. Bear, ihr Hund – ein Mischling aus Dänischer Dogge und Wolfshund –, stieß prompt ein lautes Heulen aus.

Zum Glück hatte sie keine unmittelbaren Nachbarn.

Barfuß eilte Sunny zur Tür. Hoffentlich nahm ihr der Versicherungsvertreter nicht übel, dass sie nicht sofort parat stand …

Sie öffnete. Vor ihr ragte ein Riese auf, von dem sie im ersten Moment nur wenig mehr als einen Hemdknopf zwischen den Aufschlägen eines dunklen Anzugs und eine Krawatte sah. „Hallo, ähm, Sie sind … Warten Sie, einen kurzen Moment, ich ziehe mir eben Schuhe an und begleite Sie nach drüben in den Stall.“

Die Schuhe, die sie eigentlich anziehen wollte, waren noch im Schlafzimmer, aber ihre bewährten Gummistiefel standen neben der Tür. Sie schlüpfte hinein. „So geht es.“ Sie lächelte breit und schaute zu ihm hoch … und noch höher. „Du lieber Himmel. Sie sind wirklich groß!“

„Und Sie sind … sehr zierlich.“ Raj versuchte, taktvoll zu sein. Dabei fragte er sich, warum sie mit ihm in den Stall wollte.

Die Schwester seiner Schwägerin war ein Desaster. Ihr Rock hing schief; der oberste Knopf stand offen. Unter ihrem Oberteil wölbte sich die Art von weiblicher Fülle, die er sonst höchstens in seiner Fantasie sah. Das hässliche orangefarbene Top sah aus wie im Secondhandshop gekauft, und der Rock war mit Tierhaaren bedeckt. Ihm schauderte. Dann sah er ihr strahlendes Lächeln, das ihr ganzes Gesicht erhellte, und ihm wurde bewusst, wie umwerfend sie war.

Zu klein, zu kurvig. Aber umwerfend, es ließ sich nicht leugnen. Sie hatte eine wunderbar üppige goldene Haarmähne und veilchenblaue Augen. Trug sie gefärbte Kontaktlinsen? Nein, dafür war sie nicht der Typ.

„Haben Sie irgendeine Art von Ausweis?“, fragte sie ihn, eine Frage, die man ihm sonst ausgesprochen selten stellte.

Erkannte sie ihn nicht? Raj starrte sie an. Sie war nicht auf der Hochzeit oder bei der Taufe gewesen. Auf der Beerdigung wohl schon, aber es waren so viele Leute gekommen, dass er sie vermutlich übersehen hatte. Zu solchen Anlässen scharten sich immer jede Menge Menschen um ihn, die seine Aufmerksamkeit wollten. Er hätte dafür sorgen sollen, dass sie sich kennenlernten. Nur hatte er von Christabels Trauergästen lieber Abstand gehalten. Einige von ihnen hatten sogar Selfies gemacht und sich aufgeführt, als wollten sie damit die nächste Sensation auf TikTok werden.

Er unterdrückte ein Seufzen, zog seinen Pass aus der Tasche und reichte ihn ihr. Sie hatte winzige Hände. Amüsiert sah er zu, wie sie auf seinen Pass starrte und blinzelte. Sie war wirklich ein Original. Und bedurfte dringend einer besseren Selbstorganisation. Einen Kontrollfreak wie ihn würde sie binnen kürzester Zeit in den Wahnsinn treiben.

Sunny schaute auf den Pass. Leider sah sie auch hier nicht mehr, als dass dieser Riese von einem Mann dunkle Haare hatte. Warum ein Reisepass? Gab seine Versicherungsgesellschaft keine Karten aus? Offenbar nicht. Na gut, das war nicht seine Schuld.

Wieder sah sie zu ihm hoch. Groß. Breitschultrig. Einschüchternd, wenn man zu dem Typ Frau gehörte, der sich von großen Männern einschüchtern ließ. Was sie nicht tat. Trotzdem war sie froh, dass sie ihn nicht in ihr Haus lassen musste.

„Ihr Stall?“, fragte er.

„Kommen Sie“, sagte Sunny und zwängte sich an ihm vorbei. Es war nicht einfach, weil er so viel Raum einnahm. Sie führte ihn um das Haus herum in den Hof.

Bear sprang voraus, machte dabei aber einen Bogen um ihren Besucher. Bert schaute unter einem Busch hervor, an dem sie vorbeikamen, und knurrte Bear böse an. Bear wich zurück. Bert nahm das als Ermutigung, ihm zähnefletschend nachzusetzen.

„Hör auf damit!“, tadelte ihn Sunny. „Sei nicht so gemein.“

Ungläubig starrte Raj auf den winzigsten Hund, den er je außerhalb einer Handtasche gesehen hatte, und die Art und Weise, wie er seinen riesigen Artgenossen einschüchterte. Das alles hier war ein bisschen surreal. Warum zeigte ihm Sunshine den Stall? Er wollte doch sehr hoffen, dass seine Nichte nicht dort untergebracht war.

Und sie hatte ihn nicht einmal erkannt. Das war ihm noch nie passiert. Hatte Sunshine Barker so wenig Interesse an der Heirat ihrer Schwester gehabt, dass ihr seine Identität verborgen geblieben war? Sie konnte unmöglich so hinter dem Mond leben, oder?

„Hier ist es. Wie Sie sehen können, ist ein Ast eingeschlagen und hat das Dach an dieser Stelle ein bisschen beschädigt.“

„Mehr als ein bisschen“, sagte Raj und betrachtete das baufällige Gebäude. Wenn sie erst mit der Versicherungsgesellschaft verhandelte, die für diesen Schaden aufkommen sollte, täte sie besser daran, nicht so zu untertreiben. Aber bevor er dazu kam, ihr diesen wohlmeinenden Ratschlag zu erteilen, lenkte ihn ein überdimensionierter Pferdekopf ab, der sich neugierig in seine Richtung wandte. „Wer ist das?“

„Muffy. Sie genießt bei mir das Gnadenbrot.“

„Sie ist ja gigantisch!“

„Sie ist ein Clydesdale“, sagte Sunshine, von seinem Interesse offenbar ermutigt. „Eine Zugpferderasse mit sehr gutmütigem Wesen. Muffy mag es aber gar nicht gern, im Regen zu stehen.“

Raj starrte die Stute an, deren Name eher für ein kleines Pony geeignet schien. Sie wirkte nicht so, als wäre sie sonderlich unglücklich. „Mir kommt sie ganz zufrieden vor.“

„Sie ist wirklich sehr umgänglich. Aber eine alte Dame.“ Bei diesen Worten senkte Sunshine verschwörerisch die Stimme, als wollte sie nicht, dass die Stute sie hörte. „Sie braucht einen trockenen und gemütlichen Stall.“

„Das mag ja sein, aber ich verstehe nicht ganz, warum Sie mich hergebracht haben“, sagte Raj und sah zu, wie sie sich streckte und der Stute den Hals tätschelte, eine Bewegung, bei der ihr Top sich noch enger an ihre Brüste schmiegte.

Er sollte nicht hinsehen, wirklich nicht.

Himmel, er war doch kein unerfahrener Teenager mehr, sondern ein weltgewandter, erfahrener Mann, der sein Liebesleben genauso effizient organisierte wie alles andere in seinem Leben. Er hatte Geliebte in vier Städten, die mit ihm schliefen, ohne mehr von ihm zu erwarten.

Aber dieser Gedanke half ihm nicht dabei, wegzusehen, während Sunshine Barker sich über den Rand der Box beugte, um einen Halm Stroh aus der Tränke zu entfernen, und dabei nicht nur ihre Oberweite, sondern auch ihren knackigen, runden Po ausgesprochen vorteilhaft präsentierte. Aus dieser Position schaute sie aus ihren wunderschönen violetten Augen zu ihm auf. „Was ist das für eine Frage? Es ist doch Ihr Job, den Schaden zu protokollieren.“

Langsam ging ihm auf, was hier falsch lief. „Nein, ist es nicht. Ich bin Raj Belanger, und Ihre Nichte ist auch meine Nichte. Ich bin hier, um sie wie vereinbart zu besuchen.“

„Der Termin ist nächste Woche“, sagte Sunshine entschieden. „Am gleichen Tag, zum gleichen Zeitpunkt, aber erst nächste Woche!“

„Meinem Büro unterlaufen solche Fehler nur sehr selten“, sagte Raj gelassen.

In genau diesem Moment beschloss der Chihuahua, den großen Mischling erneut unvermittelt anzubellen. Der machte prompt einen erschrockenen Satz – in Rajs Richtung. Raj war darauf nicht vorbereitet und wich unwillkürlich einen Schritt zurück, geriet dabei auf matschigen Untergrund und hatte auf einmal keinen Halt mehr unter seinen glatten Sohlen. Er verlor das Gleichgewicht und landete unrühmlich auf dem Hosenboden. Hastig erhob er sich und starrte auf seine schmutzigen Hände.

„Oh, das tut mir leid“, sagte Sunny. Sie griff ihren Besucher beim Ellbogen. Große Leute fielen tiefer. Aber sie hatte noch nie jemanden gesehen, der wegen einem kleinen bisschen Dreck so entsetzt wirkte. „Kommen Sie, Sie können sich drinnen waschen.“

War das hier wirklich Pansys Onkel? Der Mann, der regelmäßig die Liste der reichsten Männer der Welt anführte? Krösus war nichts dagegen. Und was für einen Empfang hatte sie ihm da bereitet? Sicher hatte er sich gewundert, warum sie über ihren Stall redete, und war nur zu höflich gewesen, um es zu sagen.

Jetzt hatte er sein Telefon in den schmutzigen Fingern und gab irgendwelche Anweisungen in einer fremden Sprache. Er ist herrisch und hat keine Geduld, schloss Sunny, während sie ihn ins Haus führte und ihm zeigte, wo das Bad war. „Sie können sich … äh … frischmachen. Ich bringe Ihnen ein Handtuch.“ Pansy war wach geworden und begann zu schreien.

Sunny zog eilig ein paar saubere Handtücher aus dem Korb neben der Mangel und hängte sie über die Türklinke. Er war in eine Pfütze gefallen, stellte sie beim Anblick seiner Hosenbeine fest. Der arme Mann; all sein Geld half ihm nicht gegen die Schwerkraft. Sie schämte sich beinahe für die vielen unfreundlichen Gedanken der letzten Wochen. Es hatte sie erbost, dass er offenbar meinte, er müsse sie bezahlen, damit sie sich um seine Nichte kümmerte. Er begriff nicht, dass sie für Pansy einfach eine Mutter sein wollte. Und dass daran kein Preisschild hing.

Wieder klopfte es an der Tür. Eigentlich war sie auf dem Weg zu Pansy, aber sie eilte trotzdem kurz hinüber und öffnete. Wieder ein Mann im Anzug. Er reichte ihr einen Kleiderbügel, auf dem in einer Kleiderhülle ein Anzug hing. „Für Mr. Belanger“, sagte er und verschwand wieder.

Sunny fragte sich, woher er so schnell gekommen war, aber ihr blieb keine Zeit für Nachforschungen. Auf dem Weg ins Kinderzimmer kam sie am Bad vorbei, in dem ihr Besucher sich gerade aus dem Jackett schälte, und hängte ihm die Kleidertasche an die Tür.

Pansy stand in ihrem Bettchen und hüpfte auf und ab. Mit ihrem blonden Lockenschopf und den großen blauen Augen sah sie mehr als bezaubernd aus. Sie streckte die Arme nach Sunny aus.

„Guten Morgen, meine Süße“, sagte Sunny und hob sie auf die Arme. „Deine Tante ist zu spät dran. Wie wäre es mit Frühstück?“

Raj sah sich mit einer gewissen Erleichterung im Badezimmer um. Der Raum war modern und sauber. Auf dem Weg hierher hatte er in die anderen Räume gespäht, in denen ein beunruhigendes Durcheinander geblümter und gemusterter Stoffe und Tapeten herrschte und jede Oberfläche überquoll. Das Cottage wirkte, als gehörte es einem Messie. Und auch das Badezimmer war nicht völlig verschont geblieben: Auf der Fensterbank stand eine mittelgroße Armee getöpferter Blumen, auf denen glitzernde Feen wohnten.

Raj mochte Ordnung, Vernunft und Disziplin. In seiner Welt hatte alles einen Nutzen.

Er stieg unter die Dusche. Das heiße Wasser war vertraut und beruhigend; die seltsame Konsistenz der Seife war es nicht. Aber er war in Sunshines Haus, und die Unterschiede waren zu erwarten.

Sie war anders.

Ganz anders.

Nachdem er sich abgetrocknet hatte, zog er den frischen Anzug an und stopfte den schmutzigen in die Kleiderhülle. Nach einem Moment des Zögerns hob er die benutzten Handtücher auf und legte sie über den Wäschekorb. Normalerweise räumten andere für ihn auf, aber zum ersten Mal seit Jahren gab er sich Mühe, höflich zu sein.

„Mr. Belanger?“, rief Sunshine, als sie hörte, wie sich die Tür öffnete. „Wir sind in der Küche.“

Raj atmete tief durch, wappnete sich und betrat die Küche, in der zu Bündeln gebundene Pflanzen von der Decke hingen. Sein Blick fand Sunshine, die ihn anlächelte, und wanderte dann weiter zu dem Kind im Hochstuhl. Einem hübschen kleinen Mädchen, das seinen Toast in seine Richtung schwenkte und dann geräuschvoll aus einer Schnabeltasse trank.

„Setzen Sie sich“, sagte Sunshine. „Ich weiß, Sie hatten bisher nicht viel Kontakt mit Pansy …“

„Pansy?“, unterbrach er sie überrascht. „Ich dachte, sie heißt Phoenix? In allen offiziellen Dokumenten wird sie so genannt.“

„Anscheinend hat Ihr Bruder sie am liebsten Pansy genannt und auch die Nanny gebeten, diesen Namen zu verwenden“, sagte Sunshine. „Die Sozialarbeiterin des Jugendamts hat gesagt, es wäre das Beste, damit weiterzumachen, weil sie schon darauf hört. Die anderen beiden Namen sind ein bisschen … ausgefallen.“

„Interessant“, sagte Raj. Er hatte zu der Namenswahl seiner Schwägerin diplomatisch geschwiegen, auch wenn er sie insgeheim als recht exotisch empfunden hatte.

„Kaffee oder Tee? Ich habe einen sehr beruhigenden Kräutertee.“

Raj wollte nichts Beruhigendes. „Kaffee, bitte. Schwarz und ohne Zucker, danke. Und wir können uns ruhig beim Vornamen nennen. In gewisser Weise sind wir Verwandtschaft. Ich bin Raj.“

Sunshine nickte. „Sunny“, sagte sie, was deutlich besser klang als die lange Variante ihres ebenfalls recht ausgefallenen Vornamens. Wer nannte sein Kind Sonnenschein? Allerdings, irgendwie passte der Name zu ihr.

Sie schenkte ihm Kaffee ein und stellte die Tasse vor ihm ab, zusammen mit einem Teller Kekse. „Bitte sehr.“

Raj betrachtete die Kekse, die so aussahen, als ob sie mit echten Blumen verziert waren. Sie waren sehr hübsch. Er atmete tief ein und nahm sich einen.

Sunny legte ein Messer auf seinen Teller. „Die Blumen sind alle essbar, aber wenn sie dir nicht schmecken, kannst du sie gern von der Oberfläche abkratzen“, sagte sie.

Raj ignorierte das Messer und aß den Keks, der erstaunlich gut schmeckte. Er sah zu, wie Sunny seine Nichte aus dem Stuhl hob, ihr das Gesicht und die Hände abwischte und mit ihr schäkerte.

„Meine kleine Maus“, sagte sie zu Pansy, die juchzte, während Sunny sie mit einem Gesichtsausdruck durch die Luft schwang, in dem sich Liebe, Wärme und Glück zeigten.

Das war genau das, was Raj zu sehen gehofft hatte. Es war eine Erleichterung, Pansy in guten Händen zu wissen.

„Warum hast du dich entschieden, sie zu adoptieren?“, hörte er sich fragen.

„Ich werde selbst keine Kinder bekommen können“, sagte Sunny zu ihm und klang dabei ein bisschen bedrückt. „Pansy war ganz allein, und sie ist meine Nichte. Da musste ich nicht lange überlegen. Ich wünschte nur, Christabel hätte zugelassen, dass ich sie öfter besuche. Dann wäre ich keine Fremde für sie gewesen. So mussten wir uns erst kennenlernen.“

„Warum hat deine Schwester das nicht gewollt?“, fragte er.

„Wir beide haben uns nicht sehr nahegestanden. Wir waren acht Jahre auseinander und haben uns sehr unterschiedlich entwickelt.“

„Stimmt. Christabel hat erwähnt, dass ihre Mutter früh gestorben ist und ihr Vater neu geheiratet hat.“

„Letztes Jahr ist dann meine Großmutter gestorben und hat mir dieses Haus hinterlassen, weil ich hier aufgewachsen bin“, sagte Sunny. „Christabel ist vor Gericht gezogen, um ihren Anteil einzuklagen. Sie war sehr wütend, weil der Fall zu meinen Gunsten ausgegangen ist. Leider waren die Anwaltskosten enorm …“

Raj runzelte die Stirn. Er hatte davon in dem Bericht des Ermittlers gelesen. Es war erstaunlich, wie habgierig Christabel gewesen war. Immerhin hatte sie durch ihre Ehe mit Ethan wirklich genug Geld gehabt.

„Darf ich fragen, warum du Pansy nicht adoptieren willst?“, fragte Sunny.

„Ich glaube, du hast ihr mehr zu bieten“, sagte er schlicht. „Ich habe keine Partnerin und will auch keine Kinder. Ich wüsste nicht einmal, wie ich das anstellen sollte, ein Baby großzuziehen. Und ich möchte sie nicht einer Nanny überlassen. Kurz gesagt, mein Lebensstil wäre einfach nicht passend für ein kleines Kind.“

„Du weißt sicher am besten, wozu du fähig bist und was du möchtest“, sagte Sunny. „Was mich angeht, bin ich froh, dass wir nicht in Konkurrenz zueinander stehen.“

„Wenn ich zu irgendeinem Zeitpunkt den Eindruck gewinnen würde, du wärst als Vormund nicht geeignet, dann würde ich um das Sorgerecht streiten. Das sollte ich vielleicht dazusagen.“

Bei diesen arroganten Worten regte sich Sunnys Temperament. Er wollte selbst keine Verantwortung für seine Nichte übernehmen, hielt sich aber für qualifiziert, über ihre Tauglichkeit zu urteilen? Mühsam unterdrückte sie ihre Irritation. Mit einem so mächtigen Mann wie ihm legte man sich besser nicht an. „Ich freue mich, dass du genug Interesse an Pansy hast, um sie zu besuchen. Sie wird keinen Vater haben, aber hoffentlich einen Lieblingsonkel.“

„Das ist großzügig von dir, aber es wird wohl bei gelegentlichen Besuchen bleiben.“

In diesem Moment sah Sunny im Sonnenschein etwas auf der Fensterbank glitzern. Ihre Brille! Sie sprang auf. „Ich habe überall danach gesucht!“, rief sie, eilte zum Fenster und setzte die Brille auf. „Ich verliere sie dauernd. Deshalb habe ich drei davon …“

„Draußen auf der Kommode neben dem Eingang liegt noch eine. Und auf der Fensterbank im Badezimmer auch“, sagte Raj.

Sunny war überrascht, dass ihm das aufgefallen war. Aber was sie noch weitaus mehr überraschte, war sein Anblick. Zum ersten Mal konnte sie ihn richtig erkennen, und ihr fiel beinahe der Unterkiefer herunter. Sie hatte sein Bild in der Zeitung gesehen und ihn gutaussehend gefunden, aber auch ein bisschen grimmig und nichtssagend. In Wirklichkeit war er das ganz und gar nicht, und seine Wirkung auf sie war deutlich stärker, als sie gedacht hatte. Er hatte ein symmetrisches Gesicht mit hohen Wangenknochen, einer aristokratischen Nase und einem breiten, vollen Mund. Seine Augen waren dunkel, aber es lag ein Hauch von Gold darin. 

Autor

Lynne Graham
Lynne Graham ist eine populäre Autorin aus Nord-Irland. Seit 1987 hat sie über 60 Romances geschrieben, die auf vielen Bestseller-Listen stehen.

Bereits im Alter von 15 Jahren schrieb sie ihren ersten Liebesroman, leider wurde er abgelehnt. Nachdem sie wegen ihres Babys zu Hause blieb, begann sie erneut mit dem...
Mehr erfahren