Callahan's Clan - Zwischen Freiheit, Leidenschaft und Luxus (4-teilige Serie)

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Leidenschaftliche Familiensaga über den Callahan-Clan aus Texas.

UNWIDERSTEHLICH UND VERBOTEN
Es ist Verlangen auf den ersten Blick. Dabei weiß die hübsche Innenarchitektin Sierra, dass sie und Blake Callahan komplett unterschiedlich denken: Sie glaubt unerschütterlich an das Gute im Menschen. Der milliardenschwere Mogul dagegen wird von knallhartem Kalkül geleitet. Als Sierra in einer heißen Nacht trotzdem schwach wird, schwört sie sich: Sobald sie den neuen Anbau seiner Luxus-Ranch fertig eingerichtet hat, wird sie abreisen. Aber sie hat nicht mit den süßen Folgen gerechnet, die sie beide für immer verbinden …

DIR KANN ICH NIEMALS WIDERSTEHEN
Rancher Cade Callahan muss sich nach dem plötzlichen Tod seines Bruders um dessen kleine Tochter kümmern. Er braucht schnellstens eine Nanny! Die kleine Schwester seines besten Freundes soll einspringen. Doch Cade erlebt eine Überraschung: Erin hat sich vom schüchternen Mädchen in eine schöne junge Frau verwandelt. Sie zieht zu ihm auf die Ranch, und schon bald prickelt es gewaltig zwischen dem Millionär und der rothaarigen Schönheit. Hätte Cade ihrem Bruder bloß nicht versprochen, die Finger von Erin zu lassen …

LIEBE IST EIN RISKANTES SPIEL
Gabe Callahan liebt die Gefahr! Er fliegt seine Maschine durch jeden Sturm, rast auf dem Motorrad durch Texas. Megan findet das schrecklich riskant. Trotzdem ist der millionenschwere Bad Boy ihr allerbester Freund. Und er ist zur Stelle, als ihre Familie sie zu einer Heirat zwingen will. Eine Scheinverlobung mit Gabe löst Megans Problem - und beschert ihr prompt ein neues. Denn als Gabe sie heiß küsst, wünscht sie sich, seine Leidenschaft wäre echt. Megan möchte mehr für ihn sein als ein weiteres prickelnd gefährliches Spiel!

WENN HEIßE LEIDENSCHAFT ERWACHT
Marc Medina braucht dringend eine Ehefrau auf Zeit. Eigentlich trauert er immer noch um seine verstorbene Frau. Aber nur wenn er wieder heiratet, erbt der texanische Ölmilliardär die Ranch, auf der er eine glückliche Jugend verbracht hat. Seine Assistentin Lara Seymour ist die perfekte Kandidatin für eine Scheinehe: schön, zuverlässig und in Geldnot! Doch kaum ist die Hochzeit vorbei, lodert heiße Leidenschaft zwischen ihnen. Wie soll Marc das Jahr bis zur Scheidung überstehen, wenn Lara ihn so sehnsüchtig anschaut?


  • Erscheinungstag 11.04.2019
  • ISBN / Artikelnummer 9783733739898
  • Seitenanzahl 576
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Cover

Sara Orwig

Callahan's Clan - Zwischen Freiheit, Leidenschaft und Luxus (4-teilige Serie)

IMPRESSUM

BACCARA erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Cora-Logo Redaktion und Verlag:
Postfach 301161, 20304 Hamburg
Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0
Fax: +49(0) 711/72 52-399
E-Mail: kundenservice@cora.de

© 2016 by Sara Orwig
Originaltitel: „Expecting the Rancher’s Child“
erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto
in der Reihe: DESIRE
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BACCARA
Band 2027 - 2018 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg
Übersetzung: Peter Müller

Abbildungen: g-stockstudio / Getty Images, alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 04/2018 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733720711

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:
BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, MYSTERY, TIFFANY

 

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1. KAPITEL

Sierra Benson war nervös. In Kürze würde Blake Callahan in ihrem Büro eintreffen.

Vor rund zwei Jahren hatte sie als Innenarchitektin in seinem Auftrag gearbeitet, ohne ihn jedoch persönlich kennenzulernen. Immerhin hatte sie anschließend ein Dankschreiben von ihm bekommen. Seitdem hatte sie den Beruf gewechselt und war inzwischen die Leiterin der Wohltätigkeitsorganisation Brigmore Charities in Kansas City.

Sie wusste nicht, warum er um diese Zusammenkunft gebeten hatte. Natürlich hoffte sie, dass er eine größere Summe spenden wollte. Sie hatte einiges über ihn gelesen. Er war vierunddreißig Jahre alt, also sechs Jahre älter als sie, ein Multi –$3millionär aus Texas, Rancher, Immobilieninvestor und Besitzer einer Hotelkette. Er verfügte jedenfalls über die Mittel, um ihre Wohltätigkeitsorganisation zu unterstützen.

Ihre Sekretärin Nan Waverley öffnete die Tür einen Spaltbreit. „Dein Besuch ist da, Sierra.“

„Sehr gut. Danke, Nan. Ich bin bereit für ihn.“

Blake Callahan trat ein – und einen Augenblick lang verschlug es Sierra den Atem.

Sie hatte in der Zeitung und im Internet Fotos von ihm gesehen. Aber jetzt, in natura, wirkte er doch ganz anders. Überlebensgroß, überwältigend. Seine Ausstrahlung, seine Energie waren fast mit Händen greifbar. Das hätte ein Foto nie wiedergeben können.

Sierra sah ein Blitzen in seinen Augen und meinte zu erkennen, dass auch sie Eindruck auf ihn machte. Konnte das sein?

Sie riss sich zusammen und beendete den Augenkontakt. Schnell erhob sie sich von ihrem Schreibtisch, ging auf ihn zu und streckte zur Begrüßung die Hand aus.

„Schön, dass Sie gekommen sind, Mr. Callahan. Ich bin  –$3Sierra Benson. Ich freue mich, Sie endlich persönlich kennenzulernen.“

Es sollte ein ganz normaler Begrüßungshandschlag sein – doch in dieser eigentlich unverfänglichen Berührung steckte die reine Magie. Wie vom Donner gerührt stand Sierra da. Und es entging ihr nicht, dass Blake Callahan ebenso verzaubert schien.

Eine Ewigkeit schien zu vergehen, bis sie schließlich ihre Hand von seiner löste.

„Sagen Sie doch einfach Blake zu mir“, schlug er freundlich lächelnd vor. „Und ich hoffe, ich darf dann Sierra sagen.“

„Aber ja, gerne. Bitte setzen Sie sich doch. Leider haben wir uns ja damals nicht kennengelernt, als ich mich um die Inneneinrichtung Ihres Hotels gekümmert habe. Zur feierlichen Eröffnung konnte ich wegen einer Familienangelegenheit leider nicht kommen. Aber das Projekt hat mir viel Spaß gemacht.“

Blake wirkte in seinem teuren Anzug wie einem Katalog entsprungen. Er sah einfach perfekt aus. Doch im Gegensatz zu einem Männermodel strahlte er Körperlichkeit aus; er schien harte Arbeit gewohnt zu sein, seine Muskeln stammten nicht aus dem Fitnessstudio. Seine Bewegungen verrieten Gewandtheit und Eleganz.

Fast schämte sie sich ein wenig für ihr Büro. Er war so schick, so gut gekleidet – und hier war alles alt, abgenutzt, heruntergekommen. Die Schreibtischoberfläche wies unzählige Kratzer auf, die Stühle quietschten.

„Sie haben in dem Hotel wirklich Wunder gewirkt“, lobte Blake. „Ich würde sagen, Sie waren die beste Innenarchitektin, die wir je beschäftigt haben.“

„Oh, vielen Dank“, sagte sie leise und schlug verlegen die Augen nieder. Bestimmt wurde sie jetzt rot.

„Deshalb war ich sehr überrascht, dass Sie Ihren Beruf an den Nagel gehängt haben. In der Innenarchitektur schienen Sie Ihre Bestimmung gefunden zu haben.“

„Danke, das haben Sie wirklich schön gesagt. Aber meine größte Leidenschaft – meine Bestimmung, wenn Sie so wollen – ist es, anderen Menschen zu helfen. So sehe ich das  –$3jedenfalls. Deshalb bin ich liebend gerne Geschäftsführerin bei Brigmore Charities geworden. Die Organisation hat schon so vielen Menschen geholfen. Ich erzähle Ihnen gern mehr darüber – ich nehme an, dass Sie deswegen hier sind?“

Schweigend schüttelte er den Kopf.

Enttäuscht sah sie ihn an. „Nein? Das ist wirklich zu schade. Wir hatten gehofft, dass Sie uns mit einer Spende unterstützen möchten. Warum sind Sie dann hier, Mr. Callahan?“

„Blake“, korrigierte er sie. „Wir waren doch schon beim Vornamen, Sierra.“ Er lächelte so charmant, dass sie fast ihre Enttäuschung vergaß.

Er räusperte sich. „Ich will mein Ranchhaus in Texas um einen Anbau erweitern. Und weil ich von Ihrer Arbeit für mein Hotel so begeistert war, wollte ich Sie als Innenarchitektin engagieren.“

„Ihr Angebot ist wirklich sehr schmeichelhaft, Blake, aber ich muss leider ablehnen. Mit meinem Job als Geschäftsführerin bin ich voll ausgelastet. Tut mir leid, dass Sie sich umsonst hierherbemüht haben. Natürlich könnte ich Ihnen noch etwas über unsere Organisation erzählen, die mit den Spendengeldern, die wir erhalten, wirklich viel Gutes tut …“

„Ich muss gestehen, ich bin ein wenig enttäuscht“, sagte er und musterte sie eindringlich. Sein Blick machte sie nervös. „Ich würde Sie wirklich sehr, sehr gerne als Innenarchitektin engagieren. Aber vielleicht können wir ja Ihre und meine Interessen verbinden. Sie helfen mir beim Anbau der Ranch, und ich unterstütze Ihre Wohltätigkeitsarbeit.“

Er klang freundlich, geradezu harmlos – aber die Botschaft war klar. Er würde nur etwas spenden, wenn sie sich seinem Willen beugte.

„Wie gesagt, Ihr Angebot schmeichelt mir, aber ich kann meine Arbeit hier nicht im Stich lassen. Dafür bedeutet sie mir zu viel. Schon mein Großvater hat die Arbeit für Brigmore Charities geliebt, und ich habe ihm vor seinem Tod versprochen, dass ich sein Werk fortführen werde.“

„Dieser Job als Innenarchitektin wäre zeitlich begrenzt. Und ich würde Sie wirklich sehr, sehr gut bezahlen.“

Sie lächelte. Offenbar war dieser Mann es nicht gewohnt, eine Absage zu erhalten.

„Meine Interessen liegen jetzt bei der Wohltätigkeitsarbeit“, betonte sie. „Es gibt viele gute Innenarchitekten. Ich bin mir sicher, dass Sie jemanden finden werden, der Ihren Vorstellungen entspricht.“ Das war deutlich. Jetzt musste er es doch wohl kapiert haben!

Einen Augenblick lang saß er schweigend da. Dann griff er in seine Jackentasche, zog sein Scheckbuch hervor und begann zu schreiben. Aha, dachte sie. Jetzt will er mich mit einem  –$3hohen Honorar beeindrucken. Offensichtlich bekam er sonst immer, was er wollte. Aber er würde sich wundern. Sie war nicht käuflich.

Sie beobachtete, wie er noch einen zweiten Scheck ausstellte.

Er legte beide auf ihren Schreibtisch. „Der eine Scheck ist für Ihre Arbeit als Innenarchitektin. Sie müssten für die Zeit Ihrer Tätigkeit auf meiner Ranch wohnen, aber es dürfte nicht länger als ein paar Wochen dauern. Der andere Scheck ist eine Spende für Ihre Organisation. Wenn alles zu meiner Zufriedenheit erledigt wird, spende ich noch einmal den gleichen Betrag, und zwar drei Mal im Abstand von jeweils einem Jahr.“

Auf jedem der beiden Schecks war eine halbe Million Dollar eingetragen. Einen Augenblick lang war sie sprachlos. So viel Geld! Sollte das ein Scherz sein?

„Warum sollten Sie mir eine so unvernünftig hohe Summe anbieten? Es gibt genug hervorragende Innenarchitekten auf dem Markt.“

„Deren Arbeit kenne ich nicht. Ihre schon, wegen des  –$3Hotels, das Sie für mich ausgestattet haben. Außerdem – jetzt, da wir uns endlich persönlich getroffen haben, würde ich Sie gerne näher kennenlernen.“

Zwischen ihnen beiden knisterte es, das konnte sie nicht leugnen. Trotzdem, sein Wunsch, sie näher kennenzulernen, schreckte sie eher ab. Sie war ein gebranntes Kind: In ihrem letzten Job als Angestellte hatte ihr Chef mit allen Mitteln versucht, sie ins Bett zu kriegen.

Andererseits: Sie konnte Blake Callahan nicht einfach böse Absichten unterstellen, sie kannte ihn schließlich nicht. Und die in Aussicht gestellte Spende war wirklich verlockend. Wie viel Gutes man mit einer halben Million Dollar tun konnte! Und er hatte sogar gesagt, er würde noch mehr spenden. Auf dem üblichen Wege, über Fünf- oder Zehn-Dollar-Spenden, dauerte es etliche Jahre, solche Summen zusammenzubekommen.

„Das … das würden Sie wirklich tun?“, fragte sie leise. „Nur damit ich Ihren neuen Ranch-Anbau einrichte?“

Er nickte. „So ist es. Und wie gesagt, wenn alles zu meiner Zufriedenheit erledigt wird, spende ich noch mehr.“

Sie musste das Angebot annehmen, das war sie Brigmore Charities einfach schuldig, schließlich waren sie ein gemeinnütziges Unternehmen. Sie würden so vielen Menschen helfen können! So unauffällig wie möglich musterte sie ihr Gegenüber. Was sie über Blake Callahan wusste, hatte sie aus den Medien. Er tauchte häufiger bei Partys und Events auf, und dabei war er fast immer in Begleitung irgendeiner wunderschönen Frau.

„Sie leben und arbeiten meistens in Dallas, nicht wahr?“, fragte sie.

„Ich versuche, jeden Monat möglichst eine Woche in Dallas zu verbringen“, antwortete er, „sofern nicht etwas besonders Wichtiges dazwischenkommt. Ich halte mich nun mal am liebsten auf der Ranch auf.“

Wenn sie den Job annahm, würde sie vermutlich häufig mit ihm zu tun haben. Aber sie würde schon darauf achten, dass der Kontakt geschäftsmäßig blieb. Außerdem ging es ihm bestimmt nur um ihre Leistung als Innenarchitektin. Sicher konnte er die schönsten, glamourösesten Frauen haben – was würde er mit ihr wollen?

Nein, das Angebot war zu verlockend, sie musste es einfach annehmen. Und sie wusste genau, dass er das auch wusste.

„Okay, Blake, Sie haben gewonnen. Ich nehme Ihr Angebot an. Diese Spende ist derart großzügig …“

„Es ist nicht nur eine Spende, sondern auch Teil Ihrer Bezahlung“, stellte er lächelnd klar. Wenn er so lächelte, wirkte er verdammt verführerisch. Noch einmal blitzte in ihr der Gedanke auf, dass angesichts der Riesensumme doch etwas Anzügliches bei seinem Angebot mitschwingen könnte, aber sie verwarf ihn schnell wieder. Nein, dieser Mann konnte jede Frau haben. Sie entsprach garantiert nicht seinem Beuteschema.

„Ich würde zwei Mitarbeiter anstellen, die mir assistieren. Natürlich würde ich sie aus eigener Tasche bezahlen, beziehungsweise von Ihrem Honorar für mich.“

„Das ist nicht nötig. Ich bezahle sie. Reichen Sie einfach die Rechnung bei mir ein.“

„Und wann soll ich anfangen?“

„So schnell wie möglich. Nächste Woche, dachte ich. Ich möchte den Anbau fertiggestellt haben, so schnell es geht.“

Sie blätterte in ihrem Terminkalender, obwohl sie genau wusste, dass sie am Montag anfangen konnte. Auch ihr war daran gelegen, den Auftrag so bald wie möglich abzuschließen. Umso schneller konnte sie sich wieder Brigmore Charities widmen – und dann mit einem Riesenhaufen Geld im Rücken. Die Wohltätigkeitsorganisation würde einen Riesenaufschwung nehmen.

Brigmore Charities war vor vielen Jahren von Clyde Brigmore, einem Freund ihres Großvaters, ins Leben gerufen worden. Nach einem schwierigen Start hatte ihr Großvater sich immer mehr engagiert und das gemeinnützige Unternehmen zur Blüte gebracht. Angefangen hatte alles mit einer kleinen Obdachlosenunterkunft, später war ein Kinderheim dazugekommen. Und seit dem vergangenen Jahr gehörte auch noch eine Tierschutzorganisation dazu. Spenden gab es von Kirchengemeinden in Kansas City und von Privatpersonen.  –$3Sierras Aufgabe war es vor allem, Gelder für die Organisation heranzuschaffen und zu verwalten. Sie ging voll in ihrer Arbeit auf und fühlte sich dabei ihrem verstorbenen Groß –$3vater sehr nahe.

Plötzlich wurde ihr bewusst, dass sie in Gedanken abgeschweift war. Sie hatte Blake Callahan gar nicht mehr zugehört.

„Wäre das in Ordnung für Sie?“, fragte er.

„Entschuldigung, mir schwirrt immer noch der Kopf wegen Ihrer Riesenspende. Was haben Sie gesagt?“

Er lächelte amüsiert. „Freut mich, dass meine Spende Sie so beeindruckt. Ich hatte Ihnen gerade angeboten, Sie mit meinem Privatjet nach Dallas fliegen zu lassen. Dort würde eine Limousine Sie abholen und zur Ranch bringen.“

„Oh ja, das käme mir sehr entgegen. Wenn ich Montag schon anfangen soll, ist es sicher das Beste, wenn ich am Sonntag eintreffe, um mich einzugewöhnen.“

„Ja, wunderbar. Ich werde auch auf der Ranch sein und kann Ihnen dann alles zeigen.“

Sie nickte. Immer wieder musste sie auf die beiden Schecks blicken.

„Dann sind wir also im Geschäft?“, fragte er.

Sie blickte auf und sah ihm direkt in die Augen. „Ja, wir sind im Geschäft.“

Worauf habe ich mich da nur eingelassen? fragte sie sich im Stillen. Auf seiner Ranch wohnen, immer mit ihm in Kontakt sein …

Ihr Herz schlug schneller. Na, so schlimm würde es schon nicht werden. Er war ein vielbeschäftigter Mann und würde ihre Arbeit sicher von einem Angestellten überwachen lassen.

Er erhob sich. „Rufen Sie mich jederzeit an, wenn Sie Fragen haben. Hier ist meine Visitenkarte und außerdem noch meine Privatnummer. Sobald Sie wissen, wann Sie aufbrechen wollen, lasse ich Ihnen weitere Infos zu Ihrem Flug zukommen.“

„Das kann ich Ihnen jetzt schon sagen. Ab zwölf Uhr mittags am Sonntag bin ich abflugbereit.“

„Gut, ich gebe Ihnen Bescheid. Wie kann ich Sie erreichen?“

Sie gab ihm ihre Visitenkarte. „Unter meiner Handynummer können Sie mich jederzeit anrufen.“ Leicht streifte ihre Hand die seine, und ein Gefühl der Erregung durchflutete Sierra.

Für sie war es ungewöhnlich, dass sie so stark auf einen Mann reagierte. Aber sie war fest entschlossen, dieser Erregung keine Beachtung zu schenken. Sie war gewissermaßen mit ihrem Beruf verheiratet, mit ihrer Berufung – und die Verbindung zu Blake Callahan sollte eine rein geschäftliche bleiben.

Für den Moment war alles besprochen, und Sierra geleitete ihren Besucher zur Tür. „Vielen Dank für alles“, sagte sie. „Für Ihre großzügige Spende – und für Ihr Vertrauen in meine Arbeit.“

„Gern. Ich kenne Ihre Arbeit ja schon. Und ich schätze sie wirklich sehr.“

Nachdem Blake Callahan gegangen war, wandte Sierra sich an Nan. „Ich werde mir einige Zeit freinehmen müssen. Mr. Callahan hat mich engagiert, um den Anbau seiner Ranch auszustatten.“

„Von dem hätte ich mich auch engagieren lassen“, erwiderte Nan schwärmerisch. „Egal wofür. Das war der bestaussehende Mann, der je durch diese Tür gekommen ist. Oh, erzähl Bert nicht, dass ich das gesagt habe.“

„Keine Sorge, das bleibt unter uns.“ Sierra dachte an Bert Hollingsworth, ihren Stellvertreter, und musste lächeln. Er war sechs Jahre älter als sie, mit blonden widerspenstigen Haaren und einem ständig besorgten Blick. Sie hatten sich von Anfang an verstanden, waren gute Freunde, aber ihre Beziehung war rein platonisch. Eine Wirkung wie Blake Callahan hatte er nie auf sie ausgeübt.

„Rufst du Bert an und bittest ihn, gleich herzukommen? Ich möchte etwas mit euch beiden besprechen.“

Sierra begab sich wieder in ihr Büro. Wie hypnotisiert starrte sie die beiden Schecks an. So viel Geld! Noch immer schwirrte ihr der Kopf. Schade, dass ihr Großvater das nicht mehr erleben durfte. Er hatte sie den Glauben an das Gute im Menschen gelehrt, und fast täglich fand sie seine Überzeugung bestätigt. Menschen, die etwas spendeten, die ehrenamtlich ihre Hilfe anboten …

Blake Callahan hatte nicht verstanden, warum sie ihre Karriere als Innenarchitektin aufgegeben hatte. Aber sie war hundertprozentig davon überzeugt, das Richtige getan zu haben. Nur in der Wohltätigkeitsarbeit fand sie ihre wahre Erfüllung. Menschen zu helfen, ihnen Hilfe zur Selbsthilfe zu geben – das war es, was sie glücklich machte.

Wenig später traf Bert ein, und er und Nan betraten Sierras Büro. „Na, wie war der Termin mit diesem Callahan?“, fragte Bert.

„Darüber wollte ich mit euch beiden reden“, sagte Sierra. „Er hat mich für ein Projekt auf seiner Ranch als Innenarchitektin angeheuert, deshalb muss ich mir hier eine Zeit lang freinehmen.“

„Ich dachte, den Job als Innenarchitektin hättest du endgültig an den Nagel gehängt“, bemerkte Bert stirnrunzelnd.

„Blake Callahan hat mich überredet. Mit Geld.“ Sie lachte auf. „Hier, seht euch diese Schecks an. Jeder über fünfhunderttausend Dollar. Der eine ist mein Honorar, der andere eine Spende für Brigmore Charities.“

Bert und Nan waren fassungslos.

Kopfschüttelnd sagte Bert: „Ich wusste ja, dass dieser Blake Callahan reich ist – aber mit so einer Spende hätte ich nie gerechnet.“

„Und deinen Honorarscheck brauchst du ja nicht mal mit deiner alten Firma zu teilen“, sagte Nan. „Du bist ja nicht mehr angestellt.“

„Nein, aber ich werde Brigmore Charities etwas davon abgeben. Und auch mein Dad und seine Kirchengemeinde bekommen etwas. Wie viel Gutes man mit so viel Geld tun kann!“

„Ich kann das Ganze noch gar nicht glauben“, sagte Bert. „Für mich ergibt es keinen Sinn. Du magst ja eine hervorragende Innenarchitektin sein – aber so viel Geld?“

Sierra zuckte mit den Schultern. „Er war mit meiner Inneneinrichtung für sein Hotel damals superzufrieden. Deshalb wollte er mich für seinen Ranch-Anbau. Zuerst habe ich abgelehnt – das hat ihn wahrscheinlich angestachelt. Er ist offenbar ein Mann, der immer bekommt, was er will, koste es, was es wolle. Und er möchte uns sogar noch mehr spenden, drei Jahre lang.“

Wieder schüttelte Bert ungläubig den Kopf.

„Ist er Single?“, fragte Nan.

Sierra verkniff sich ein Lächeln. „Oh ja, das ist er. Nach allem, was man liest, geht er zwar gelegentlich mit schönen Frauen aus, hat aber keine feste Beziehung.“

„Du solltest einen kleinen Teil deines neuen Reichtums investieren, um Nachforschungen über ihn anstellen zu lassen“, riet Bert ihr. „Irgendwie kommt mir die Sache komisch vor. Er will dich ein bisschen zu sehr.“

Lächelnd schüttelte Sierra den Kopf. „Nein, das wird nicht nötig sein. Eine Million ist für ihn einfach nicht besonders viel Geld, das wirst du sehen, wenn du ihn googelst. Sein Vater ist Milliardär, und er selbst hat durch seine Geschäfte auch genug Vermögen. Schöne Frauen umschwirren ihn wie die Motten das Licht. Da braucht er mich nicht. Außer als Innenarchitektin.“

„Soll ich dich nicht lieber auf seine Ranch begleiten?“, fragte Bert stirnrunzelnd.

„Nicht nötig. Aber danke für das Angebot.“

„Wenn du mich doch brauchen solltest, ruf mich an. Egal wann. Ich komme sofort.“

„Ja, ist gut, danke. Aber davon abgesehen werde ich sowieso nicht oft alleine mit ihm sein. Ich heuere zwei Assistenten an. Die werden voraussichtlich auch mit auf der Ranch wohnen.“

„Das beruhigt mich“, meinte Bert.

„Falls du eine Sekretärin brauchst, denk an mich“, sagte Nan lächelnd.

Die nächste halbe Stunde verbrachten die drei mit Planungen angesichts der neuen finanziellen Situation. Schließlich ging Nan zurück ins Vorzimmer, Bert blieb in Sierras Büro und schloss die Tür. „Ich möchte noch unter vier Augen mit dir reden.“

„Leg los.“

„Ich finde, du solltest den Auftrag nicht annehmen. Und auch den Scheck nicht.“

„Machst du Witze? Warum denn nicht, um Himmels willen?“

„Dieser Mensch hat irgendetwas vor. Bei diesen Riesensummen, die im Spiel sind …“

Sie lachte. „Für uns ist eine Million Dollar unvorstellbar viel Geld. Für ihn ist es nur ein Griff in die Portokasse.“

„Warum hat er sich nicht an die Agentur in New York gewandt, für die du damals gearbeitet hast?“

„Vielleicht hat er das ja, und die haben ihm gesagt, dass ich nicht mehr für sie tätig bin. Auf jeden Fall will er für die Inneneinrichtung nur mich und niemand anderen. Und offensichtlich ist er daran gewöhnt zu bekommen, was er will. Er lässt mich sogar in seinem Privatjet zur Ranch bringen. Und jetzt mach dir keinen Kopf mehr. Denk lieber darüber nach, wie wir das viele Geld am besten investieren.“

„Na schön. Aber gib mir die Adresse dieser Ranch. Und sobald dir etwas verdächtig vorkommt, rufst du mich an.“

„Versprochen, aber dazu wird es nicht kommen“, erwiderte sie lächelnd. Sie kannte das schon von Bert. Ständig sah er schwarz und machte sich ohne Grund Sorgen.

„Wenn alles glattliefe, das wäre wirklich fantastisch. Mehrere unserer Heime haben eine Renovierung dringend nötig.“

„Vielleicht können wir sogar anbauen.“

„Ich schaue mir mal an, was am dringlichsten ist. Bis später.“

„Bis später.“

Als Bert gegangen war, seufzte Sierra. Ach, Bert. Immer war er in Sorge um sie. Dabei war sie sich hundertprozentig sicher, dass Blake Callahan nichts Böses im Schilde führte. Allerdings ging eine andere Art von Gefahr von ihm aus, wenn man es so nennen wollte. Zwischen ihm und ihr hatte es von der ersten Sekunde an eine schier unglaubliche Anziehungskraft gegeben. Das, und nur das, konnte gefährlich werden. Zumal sie sich geschworen hatte, sich nie auf einen Vorgesetzten oder Auftraggeber einzulassen …

Am späten Freitagnachmittag flog Blake nach Dallas, wo ein kleines Privatflugzeug auf ihn wartete, das ihn auf den winzigen Flugplatz von Downly brachte. Dort bestieg er das für ihn bereitstehende Auto und fuhr westwärts zu seiner Ranch.

Während der Fahrt musste er ständig an Sierra Benson denken. Er hatte sie engagieren wollen, weil ihm ihre Arbeit so gut gefallen hatte, aber als er sie dann persönlich kennengelernt hatte – da hatte es ihn wie ein Blitz getroffen. Er war nicht gerade unerfahren, aber so hatte ihn noch nie eine Frau fasziniert. Er war wie verzaubert gewesen. Und dass er ihr diese Riesensumme geboten hatte – das war ganz spontan geschehen, ohne Überlegung. Mit insgesamt einer Million Dollar war er natürlich weit übers Ziel hinausgeschossen. Verrückt eigentlich. Sonst war er doch ein vernünftiger, planvoller Mensch.

Auf jeden Fall würde ihr Aufenthalt auf seiner Ranch interessant werden. Im Stillen träumte er davon, ihr näherzukommen, sie zu küssen …

Aber das würde wahrscheinlich nie geschehen. Sie war auf dem Weltrettungstrip, und diese Art von Frauen suchte, wenn überhaupt, eine ernsthafte feste Beziehung. Am besten mit Trauschein. Unwillkürlich schüttelte er sich.

Nein, sie beide waren zu verschieden. Sierra Bensons Lebensziel war es, anderen zu helfen, was ja sehr lobenswert war, aber seiner Ansicht nach früher oder später unweigerlich in Enttäuschung enden musste. Irgendwann würde sie die wahre Natur der Menschen erkennen und desillusioniert aufgeben. Aber noch war sie nicht so weit. Wenn er nur daran dachte, dass sie ihr Talent als Innenarchitektin einfach so verkümmern ließ! Hätte sie eine eigene Firma aufgemacht, hätte sie garantiert Riesenerfolg. Aber nein, die Wohltätigkeitsarbeit war ihr wichtiger. Sie sah alles durch die rosarote Brille und glaubte an das Gute im Menschen.

Ihm hingegen war diese Sichtweise schon früh ausgetrieben worden. Sein Vater hatte ihn und seine Mutter verlassen, als Blake noch klein gewesen war. Das hatte eine tiefe seelische Wunde bei ihm hinterlassen. Wie konnte ein Vater nur so etwas Grausames tun? Nach außen hin hatte er den Menschenfreund gespielt, doch in seinem Inneren hatte es anders ausgesehen.

Auch Sierra, die gutgläubige Idealistin würde irgendwann enttäuscht werden. Und daraus ihre Lehren ziehen. Dann wäre sie wie alle anderen – selbstsüchtig und auf den eigenen Vorteil bedacht.

Eigentlich entsprach sie so gar nicht seinem Beuteschema. Wäre da nicht diese unerklärliche Anziehung gewesen. Nun, er würde einige Zeit mit ihr verbringen – für die folgende Woche hatte er ohnehin seinen monatlichen Ranchaufenthalt eingeplant –, dann würde er ja sehen, ob der Zauber beim ersten Treffen nur ein Strohfeuer gewesen war oder etwas Ernsteres.

Am Sonntagnachmittag bestieg Sierra den luxuriösen Privatjet, der sie nach Dallas bringen sollte. Sie fühlte sich wie eine Königin.

Im Ledersessel fläzend, ein Glas Wein neben sich, ließ sie die vergangenen Tage Revue passieren. Zu ihrer Unterstützung hatte sie zwei Innenarchitekten angeheuert, die sie noch von früher kannte und die ein paar Tage nach ihr auf der Ranch eintreffen sollten.

Die beiden hatten in New York ihre eigene Agentur für  –$3Innenausstattung. Eli Thompkins war ein ruhiger, erfahrener Innenarchitekt, dessen Arbeit Sierra schon bewundert hatte, bevor sie ihren Abschluss gemacht und in der Branche angefangen hatte. Es würde ein Traum sein, mit ihm zu arbeiten.

Lucinda Wells hatte zur gleichen Zeit wie Sierra angefangen, eine hochtalentierte junge Frau, die sich auf Gegenwartskunst spezialisiert hatte. Eli und Lucinda sollten nach passenden Gemälden und Skulpturen Ausschau halten; Sierra hatte ihnen bereits einige Vorschläge gemacht.

Mit Bert hatte sie beratschlagt, welche Investitionen Brigmore Charities mit Blakes Spende als Erstes tätigen sollte. Doch darauf konnte sie sich im Moment nicht konzentrieren. Sie war gespannt darauf, Blake wiederzusehen. Würde es genauso knistern wie bei ihrem ersten Treffen?

Hoffentlich nicht! Das würde ihren Job nur unnötig verkomplizieren. Für ihren Geschmack war Blake viel zu zynisch; und seine Geringschätzung für ihre Wohltätigkeitsarbeit war unübersehbar. Es war, als hätte er keinen Blick für das Gute im Menschen. Nein, sie konnte seine Weltsicht nicht teilen, sie verstand ihn nicht einmal – genauso wenig, wie er sie verstand. Am besten sollte sie gar nicht an ihn denken.

Das war allerdings leichter gesagt als getan. Sie hatte sogar von ihm geträumt. Bei ihrem Treffen hatte er diese rätselhafte Anziehungskraft auch gespürt – oder hatte sie sich das nur eingebildet?

Nun, bald würde sie mehr wissen.

Als der Privatjet gelandet war, bedankte sie sich bei dem  –$3Piloten. Eine weiße Limousine wartete schon auf sie. Der Wagen bot einen Luxus, der dem des Privatflugzeugs in nichts nachstand.

Nach längerer Fahrt bog die Limousine schließlich auf einen Feldweg ein, und einige Zeit später passierten sie einen schmiedeeisernen Torbogen, auf dem ein Schild mit der Inschrift BC Ranch prangte.

Schließlich kam Blakes Ranchhaus in Sicht. Ein zweistöckiges Gebäude, das ein Vermögen gekostet haben musste. Der Anbau erstrahlte frisch; er musste gerade erst fertiggestellt worden sein, der Rasen davor sah noch aus wie eine Baustelle.

Als der Wagen vor dem Haupteingang hielt, trat Blake aus dem Haus. Er trug Jeans und ein kariertes Hemd und wirkte wie der erfolgreiche Rancher, der er war.

Freundlich lächelte er sie an, und Sierra verlor sich in seinen braunen Augen. Da war sie wieder, diese unerklärliche Anziehungskraft. Kein bisschen schwächer als beim ersten Mal. Wie sollte sie sich nur auf ihre Arbeit konzentrieren, wenn dieser Traummann in ihrer Nähe war?

2. KAPITEL

Immer wieder hatte Blake Ausschau gehalten und auf Sierras Ankunft gewartet. Jetzt war sie endlich da. Er streckte ihr die Hand entgegen, gespannt darauf, ob es wieder zwischen ihnen knistern würde. Sie ergriff seine Hand, und es geschah. Er war wie elektrisiert. Und sie spürte es auch, das sah er in ihren  –$3Augen.

Eigentlich hatte er es sich zum Prinzip gemacht, nie etwas mit einer Person anzufangen, mit der er zusammenarbeitete oder ein Geschäftsverhältnis unterhielt. Außerdem war sie nicht die Art von Frau, mit der normalerweise etwas anfangen würde. Dennoch faszinierte sie ihn. Wie es wohl wäre, sie zu küssen?

Er wischte den verführerischen Gedanken beiseite. Wahrscheinlich war sie ohnehin vergeben, unsterblich verliebt in einen Mann, der ganz anders war als er. Und in diesem Fall wäre sie natürlich erst recht tabu für ihn.

„Willkommen auf meiner Ranch“, sagte er und lächelte. „Kommen Sie rein, ich zeige Ihnen alles. Jemand vom Personal kümmert sich um Ihr Gepäck.“

„Danke.“ Sie folgte ihm ins Haus. „Ihr Zuhause ist wirklich wunderschön. Und so riesig – schon ohne den Anbau.“

„Stimmt schon, aber das Haus ist nun mal mein Ein und  –$3Alles. Mein sicherer Hafen, in den ich immer wieder gern zurückkehre, um meine Batterien aufzuladen. Und irgendwie wollte ich gerne ein paar neue Zimmer – ein Freizeitzimmer, einen Fitnessraum, ein neues, modern eingerichtetes Schlafzimmer und so weiter. Das habe ich jetzt alles im Anbau.“

„Eigentlich fast zu groß für einen einzigen Menschen.“

Er lächelte. „Ich habe mehrere Hausangestellte, die sich um alles kümmern. Außerdem habe ich eine große Verwandtschaft aus dem Familienzweig meiner Mutter. Sie wohnen übers ganze Land verstreut, aber meine Mutter lädt sie liebend gerne alle ein, zum Beispiel über die Weihnachtsfeiertage. Dann ist das komplette Haus schneller belegt, als Sie denken. Dazu habe ich väterlicherseits drei Halbbrüder. Einer von ihnen, Nate, ist verheiratet und hat eine kleine Tochter. Was Cade und Gabe angeht – weiß der Himmel, ob die jemals heiraten werden. Außerdem habe ich viele Freunde, die oft zu Besuch kommen, um angeln zu gehen oder zu jagen oder auch, um einfach Party zu machen. Falls das Ihre Sorge war – einsam fühle ich mich hier bestimmt nicht. Haben Sie auch eine große Familie?“

„Oh ja, ich habe fünf Geschwister. Bei uns zu Hause war immer viel los, weil meine Geschwister und ich ständig Freunde zum Übernachten mitbrachten. Bei uns haben sich immer alle wohlgefühlt.“

Er ging die Treppe hinauf, und sie folgte ihm. „Im ersten Stock ist ein Büro, das zu Ihrer Verfügung steht. Es ist direkt neben Ihrem Wohnbereich.“

Sie gingen den großen Flur entlang, an einem Schlafzimmer vorbei und dann in einen Wohnbereich. „Das ist Ihre Suite. Wenn Sie etwas brauchen, sagen Sie mir Bescheid.“

Sie lachte.

„Habe ich irgendetwas Witziges gesagt?“, fragte er verwirrt.

Sie lächelte, und ihr Lächeln verzauberte ihn. „Mich hat nur die Vorstellung amüsiert, dass ich hier noch irgendetwas brauchen könnte“, erklärte sie amüsiert. „Das hier ist doch schon der pure Luxus. Sie haben ja mein Büro gesehen.“

„Ja, es war etwas … schlicht. Die Innenausstattung stammt offensichtlich nicht von Ihnen.“

Wieder lachte sie. „Nein, ich habe beim Einzug alles so gelassen, wie es war. Aus Kostengründen. Immerhin habe ich zwei neue Eimer gekauft, die wir bei Regen aufstellen, wenn es durchs Dach tropft.“

„Dank meiner Spende sollten Sie jetzt ja genug Geld haben, um es reparieren zu lassen.“

„Falls es nichts Vordringlicheres gibt. Unsere Heime sind nicht gerade in bestem Zustand.“

Überrascht sah er sie an. Nein, einen Menschen wie sie hatte er noch nie kennengelernt. Niemand aus seiner Familie oder seinem Freundeskreis hätte das Wohl anderer einer dringend nötigen Reparatur am Dach des eigenen Büros vorgezogen. Mit Sicherheit würde sie irgendwann ihre Illusionen verlieren, aber bis dahin faszinierte und verwirrte ihn ihre gutherzige Weltsicht.

Aber auch wenn es zwischen ihnen knisterte, so waren sie doch wie Tag und Nacht. Er war fest davon überzeugt, dass sie nie zusammenfinden würden. Also hätte er auch allmählich aufhören können, an ihre verlockenden Lippen zu denken.

„Neben dem Wohnbereich haben wir ein Schlafzimmer und ein Bad, und daran anschließend ist Ihr Büro.“

„Vielleicht will ich gar nicht mehr weg hier, wenn ich fertig bin“, scherzte sie.

„Wenn Sie sich da mal nicht täuschen“, erwiderte er. „Ich hatte schon oft Städter hier zu Besuch, und viele hatten schon nach ein paar Tagen die Nase voll. Die Ranch ist ihnen zu einsam und abgelegen. Apropos, bitte tragen Sie Stiefel und seien Sie vorsichtig, wenn Sie draußen einen Spaziergang machen – es gibt hier Klapperschlangen.“

Sie verzog den Mund. „Damit hätte ich nicht gerechnet. Aber gut zu wissen.“

„Ihr Büro ist mit allem ausgestattet. Vier Computer mit extra großen Monitoren, ein Fotokopierer, ein Scanner, ein Fax, ein Laptop, ein iPad, ein Reißbrett. Falls Sie sonst noch etwas brauchen, sagen Sie Bescheid.“

„Danke, aber das sollte genügen. Ich habe mein eigenes Tablet mitgebracht. Falls Sie einverstanden sind, möchte ich mir zuerst einmal die Räumlichkeiten anschauen, um mir ein Bild zu machen. Ich habe wie angekündigt zwei talentierte Kollegen zu meiner Unterstützung angeheuert. Ich gebe Ihnen nachher, wenn ich ausgepackt habe, weitere Infos über sie sowie ihre Kontaktdaten. Sie werden mir erst von New York aus zuarbeiten und dann in der späteren Phase zu uns stoßen. Sie bräuchten dann auch Übernachtungsmöglichkeiten.“

„Kein Problem, hier ist genug Platz. Außerdem habe ich auch noch zwei Gästehäuser. Wenn Ihnen zwischendurch einfällt, dass Sie doch noch etwas brauchen, wenden Sie sich an mich oder an Wendell.“

Genau in diesem Moment klopfte ein Mann an die halb –$3geöffnete Tür und trat ein. Er trug ein schwarzes Hemd, Jeans und Westernstiefel und brachte Sierras Gepäck mit.

„Wenn man vom Teufel spricht“, sagte Blake. „Sierra, das ist Wendell Strong. Er sorgt dafür, dass hier im Haus alles rundläuft. Wendell, das ist Miss Benson, die Innenarchitektin, die den Anbau einrichtet.“

Die beiden begrüßten sich kurz, und Blake fügte hinzu: „Wendell hat das gesamte Hauspersonal unter sich, mit Ausnahme der Köchin. Etta ist nämlich seine Frau. Wo wir gerade beim Thema Essen sind – kommen Sie doch so gegen sechs he –$3runter, dann können wir einen Drink nehmen und anschließend essen. Und dann zeige ich Ihnen noch den Anbau.“

„Ja, gerne. Ach so, eines noch – kommenden Samstag haben wir zu Hause ein großes Picknick. Ich würde dann am Freitagnachmittag zurück nach Kansas City fliegen.“

„Kein Problem, das kriegen wir hin. Ich organisiere Ihnen den Flug. Bis später.“ Er verließ das Zimmer, ohne sich noch einmal umzudrehen.

Sierra packte ihre Sachen aus. Noch immer wurde sie aus Blake Callahan nicht recht schlau. Eigentlich schien er ein netter, umgänglicher Typ zu sein, andererseits erschien ihr seine Weltsicht zweifelhaft. Er schien zu glauben, dass man mit Geld alles kaufen konnte. Und er hatte die Riesensumme nicht aus der Güte seines Herzens heraus gespendet, sondern nur, um sein Ziel zu erreichen.

So oder so, sie fühlte sich zu ihm hingezogen wie noch zu keinem Mann vor ihm. Und auch sie schien ihm zu gefallen, das spürte sie. Was sie neben seinem männlichen Aussehen beeindruckte, war sein ungeheures Selbstvertrauen. Es zeigte sich in der Art, wie er redete, in seinem Gang und in seinen Bewegungen, überhaupt in seinem gesamten Gebaren. Sobald er einen Raum betrat, füllte er ihn aus.

Es beruhigte sie, dass er so neutral und geschäftsmäßig zu ihr gewesen war. Sie konnte nur hoffen, dass es auch so blieb. Nein, sie wollte nicht, dass er mit ihr flirtete, und sie hoffte, dass es auch ihr gelang, sich ihm gegenüber neutral zu verhalten.

Na schön, sie hatte seine Einladung zum Abendessen angenommen, aber das war unter den gegebenen Umständen ja normal. In ein Restaurant essen gehen konnte sie schließlich nicht; außer der Ranch gab es hier in der näheren Umgebung nichts. Außerdem gab es noch jede Menge organisatorische Dinge zu besprechen, und warum sollte das nicht beim Abendessen geschehen? Aber davon abgesehen wollte sie so wenig Kontakt wie möglich mit ihm haben.

Bert hatte ja irgendwie recht: Es war schon irgendwie merkwürdig, dass Blake Callahan eine so ungeheure Summe für ihre Dienste geboten hatte. Steckte doch etwas anderes dahinter?

Sie musste an die schlechten Erfahrungen mit ihrem ehemaligen Chef zurückdenken. Er hatte ihr den Posten als seine Stellvertreterin angeboten – aber nur unter der Bedingung, dass sie seine Geliebte wurde. Natürlich hatte sie empört abgelehnt. Aber seitdem war sie Männern gegenüber eher misstrauisch.

Sie ging duschen und zog sich um: einen Rock, eine dazu passende rote Seidenbluse, dazu hochhackige Pumps. Um sechs verließ sie ihren Raum und ging die Treppe hinunter.

Blake strahlte, als er sie empfang. „Pünktlich auf die Minute. Und Sie sehen so frisch aus. Man sieht Ihnen die Strapazen der Reise gar nicht an.“

„Ich bin schon strapaziöser gereist“, erwiderte sie lachend. „Privatjet, Limousine – die Reise war die reinste Erholung.“

„Spitzenkräfte haben auch eine gute Behandlung verdient“, kommentierte er schmunzelnd. „Soll ich Ihnen jetzt schon etwas vom Haus zeigen? Oder lieber später?“

„Ach, am besten gleich jetzt. So weiß ich, wo was ist und in welchem Stil hier alles eingerichtet ist.“

„Gut, dann gehen wir am besten zuerst in den Raum, der großen Empfängen vorbehalten ist. Er wird nicht oft benutzt, aber manchmal braucht man ihn halt doch. Und meine Mutter würde ihn sicher vermissen, wenn wir ihn nicht hätten.“

„Sie veranstaltet gelegentlich Empfänge?“

„Nicht für sich selbst, sie hat dann eher für mich die Gastgeberin gespielt. Aber auch das ist schon einige Zeit her. Hier, schauen Sie.“ Sie betraten den Raum durch eine große Flügeltür, und Sierra hielt den Atem an. Der Raum besaß fast die Größe eines Tanzsaals und war mit exquisiten alten Möbeln ausgestattet. An den Wänden hingen echte Ölgemälde.

„Das ist wirklich wunderschön, Blake.“

„Freut mich, dass es Ihnen gefällt. Direkt an diesen Raum schließt sich das große Esszimmer an, das ebenfalls besonderen Anlässen vorbehalten ist. Kommen Sie.“

Sie folgte ihm. Auch dieser Raum war beeindruckend. An dem großen Esstisch, der sich unter einem edlen Kristalllüster befand, fanden gut und gerne zwei Dutzend Gäste Platz. „Dieses Esszimmer wird schon öfter mal benutzt“, berichtete er. „Aber für viele Anlässe ist es mir immer noch eine Spur zu feierlich. Ich mag am liebsten entspannte Dinnerpartys.“

Die Führung ging weiter in eine große Bibliothek. „Ich muss gestehen, die meisten Bücher habe ich nicht gelesen“, sagte er. „Vielleicht später mal, wenn ich die Zeit dafür finde.“ Er lachte.

Als Nächstes zeigte er ihr ein Schlafzimmer, das ganz im alten Stil mit wertvollen Holzmöbeln und einem Himmelbett eingerichtet war. Anschließend sagte er: „So, ich glaube, jetzt ist es erst mal Zeit für einen Drink. Später kann ich Ihnen noch den Rest zeigen. Kommen Sie, wir gehen am besten in das kleine Wohnzimmer nach hinten raus. Da haben wir eine kleine Hausbar und können gemütlich sitzen.“

Sie folgte ihm in das Zimmer. Durch die großen Fenster hatte man einen Blick auf eine breite Terrasse, den Garten und einen Swimmingpool.

„Ein ganz schöner Unterschied zum Stadtleben“, kommentierte sie.

„Oh ja. Ich lebe ja auch zeitweilig in der Großstadt, in  –$3Dallas, aber ich brauche auch immer wieder das Landleben. Hier kann ich wunderbar meine Batterien aufladen. Und Sie? Damals, als Sie das Hotel für mich ausgestattet haben, wohnten Sie in New York. Und jetzt leben Sie in Kansas City. Das sind zwar beides Städte, aber es ist trotzdem ein Unterschied.“

„Oh ja, Kansas City ist auf jeden Fall ruhiger, und außerdem liebe ich meinen Job dort viel mehr.“

„Sehen Sie, und genau das verstehe ich nicht. Bei Ihrem Talent könnten Sie längst Ihre eigene florierende Firma für Innenausstattung haben. Stattdessen verschwenden Sie all Ihre Energie an Leute, die Ihren Einsatz gar nicht zu schätzen wissen. Dank für Ihre Aufopferung dürfen Sie nicht erwarten, das werden Sie schon noch sehen. So sind die Menschen: Gibt man ihnen den kleinen Finger, wollen sie die ganze Hand. Die Leute werden immer mehr Hilfe beanspruchen, bis Sie irgendwann ausgepowert zusammenbrechen.“ Er machte eine ausladende Armbewegung. „Hier, auf meiner Ranch, haben Sie ein ganz anderes Betätigungsfeld. Sie können sich selbst verwirklichen und etwas Bleibendes schaffen, das anerkannt wird. Außerdem werden Sie fürstlich dafür bezahlt. Sie scheinen immer noch an das Gute im Menschen zu glauben. Es tut mir in der Seele weh, aber Sie werden in diesem Glauben noch bitter enttäuscht werden. Früher oder später.“

„Oh, Blake, woher kommen nur diese Bitterkeit und dieser Zynismus? Sie müssen an das Gute im Menschen glauben. Wenn Sie daran glauben, werden Sie es auch finden.“

Mitleidig lächelnd sah er sie an.

„Ich habe das Gefühl“, fuhr sie fort, „Sie würden mir am liebsten wie einem kleinen Kind über den Kopf streichen und mich über die große, böse Welt aufklären.“

„Sie werden lachen, das hatte ich gerade vor.“ Schmunzelnd füllte er zwei Gläser mit Weißwein.

Sie betrachtete seine Hände. Sie waren elegant, aber kräftig, zum Zupacken gemacht, Rancherhände. Vielleicht zog er sich so gerne hier in die Einsamkeit zurück, weil er die Menschheit – oder immerhin die meisten Menschen – so verabscheute.

Als er ihr das Glas reichte, streifte ihre Hand kurz die seine, und wieder war es, als springe ein Funke zwischen ihnen über. Beide sahen sich in die Augen. „Danke“, sagte sie und wandte den Blick ab. Sie ging zum Fenster und sah nach draußen, zum Swimmingpool. Doch sie nahm ihn kaum wahr, weil ihre Gedanken nur um eine Frage kreisten: Warum reagierte sie so heftig auf Blake Callahan? Und warum reagierte er genauso auf sie?

„Weichen Sie mir aus?“, fragte er und gesellte sich zu ihr ans Fenster.

Sie blickte ihn an. „Blake, wir haben eine Geschäftsbeziehung, und dabei sollten wir es auch belassen. Alles andere ist tabu.“

„Alles andere?“, fragte er mit Unschuldsmiene.

„Sie wissen genau, was ich meine“, entfuhr es ihr. „Sie spüren es doch auch, das habe ich gemerkt. Zwischen uns herrscht eine enorme Anziehungskraft. Ich habe keine Ahnung, woher sie kommt, aber wir müssen sie ignorieren. Wir müssen hoffen, dass sie von selbst wieder verschwindet. Ich bin mir sicher, Sie wollen sie ebenso wenig wie ich.“

„Das enttäuscht mich jetzt etwas“, neckte er sie mit gespielter Traurigkeit. „Offenbar finden Sie mich so furchtbar, dass Sie privat nichts mit mir zu tun haben möchten.“

„Sehen Sie, solche Sprüche gehen genau in die verkehrte Richtung“, fuhr sie ihn an. Sie ärgerte sich über sich selbst, weil sie so heftig auf ihn reagierte.

Er lachte leise. „Ruhig Blut, Sierra, ruhig Blut. Wir haben eine Geschäftsbeziehung, ich weiß. Aber solange wir schon mal hier sind, muss ja nicht alles rein geschäftlich bleiben.“

Er schien die Situation nicht ernst zu nehmen. Oder? „Blake, mit dem Riesenscheck haben Sie meine Dienste als Innenarchitektin gekauft, mehr nicht. Wenn Sie glauben, Sie hätten wegen der großen Summe noch Anrecht auf etwas anderes – dann ist unser Geschäft geplatzt.“

Augenblicklich wurde seine Miene ernst. „Um Himmels willen, Sierra, es geht ums Geschäft und um nichts anderes. Ich wollte Sie doch nur ein bisschen auf den Arm nehmen.“

Sie wusste, dass sie überreagiert hatte. Die Geschichte mit ihrem Chef, der sie verführen wollte, steckte ihr immer noch in den Knochen. Versöhnlich lächelte sie Blake an. „Wir kennen uns ja noch gar nicht richtig“, sagte sie leise. „Deshalb war ich ein bisschen misstrauisch. Ich möchte doch nur, dass wir uns richtig verstehen.“

„Schon in Ordnung. Gleich gibt es Essen, dann beruhigen sich die Gemüter. Etta ist eine fantastische Köchin, Sie werden begeistert sein. Ich freue mich jedes Mal auf ihr Essen, wenn ich nach Hause komme.“

„Sie sehen also die Ranch als ihr eigentliches Zuhause an? Obwohl Sie mehrere Wohnsitze haben?“

„Oh ja, absolut. In dieser Umgebung kann ich manchmal sogar glauben, dass die Welt ein friedlicher Ort ist. Was sie natürlich nicht ist.“

„Sie können sich glücklich schätzen, all das hier zu haben. Die Menschen, mit denen ich tagtäglich zu tun habe, können sich keinen Rückzugsort leisten. Trotzdem bin ich immer wieder überrascht, dass viele von ihnen trotz eines schweren Schicksals ihren inneren Frieden gefunden haben.“

„Sie gehen wirklich in Ihrer Wohltätigkeitsarbeit auf, nicht wahr?“, fragte er. Es klang nicht hämisch, sondern eher verwundert.

„Ja, völlig. Es gibt doch nichts Schöneres, als anderen zu helfen. Darin finde ich meine Erfüllung.“

„Das ist lobenswert, das will ich gar nicht bestreiten, aber ich fürchte, am Ende des Tages wird es fruchtlos sein. Nach meiner Erfahrung ändern die Menschen sich nicht. Sie hätten als Innenarchitektin wirklich eine tolle Karriere hinlegen und ein eigenes Unternehmen aufbauen können. Stattdessen opfern Sie sich auf für Obdachlosenasyle, Suppenküchen oder was Sie sonst noch so betreiben. Für Leute, die Sie am Ende doch nur ausnutzen und enttäuschen werden.“

„Sie haben wirklich eine zynische Weltsicht, Blake. Aber ich finde, Sie haben unrecht. Die meisten Menschen sind gut. Man muss nur nach dem Guten in ihnen Ausschau halten und daran glauben.“

Er lachte laut auf. „Sie kennen doch sicher den Spruch: Undank ist der Welten Lohn.“

„Ich weiß nicht, was Sie erlebt haben, dass Sie so verbittert sind. Meine Lebenserfahrung ist eine andere. Ich glaube, dass die Menschen im Kern gut sind. Und dass sie alle – manchmal mit ein bisschen Hilfestellung – etwas Gutes zu leisten imstande sind. Ein jeder kann etwas schaffen, ein jeder kann über sich selbst hinauswachsen.“ Sie dachte einen Moment nach, dann fuhr sie fort: „Ich meine, nehmen wir doch Sie zum Beispiel. Sie haben mit Sicherheit genug Geld, und dennoch stecken Sie sehr viel Energie und Leidenschaft in Ihre Hotelkette.“

Plötzlich wirkte er angespannt. Sein Unterkiefer mahlte. Krampfhaft blickte er in die Ferne. Sie fragte sich, womit sie ihn so aus der Fassung gebracht hatte. Hatte sie unbewusst einen wunden Punkt bei ihm getroffen?

„Vielleicht will ich mir etwas beweisen“, sagte er zögernd. „Dass ich in der Geschäftswelt ebenso erfolgreich sein kann wie als Rancher. Wir setzen uns eben alle unsere Ziele.“

Wendell erschien. „Das Essen ist jetzt fertig, Mr. Callahan.“

„Danke, Wendell. Kommen Sie, Sierra.“

Im Speisezimmer trafen sie auf Etta. „Sierra, das ist meine Köchin Etta Strong. Etta, das ist Miss Benson, die den neuen Anbau ausstatten wird.“

Die beiden Frauen begrüßten sich, und Blake fragte: „Was haben Sie uns denn Schönes gezaubert, Etta?“

„Gemischten Salat mit Hummerstückchen, dazu Avocado –$3streifen und French Dressing. Als Hauptgericht gibt es Rostbraten mit Spargel in Sauce hollandaise und Kartoffelbrei. Zum Nachtisch serviere ich hausgemachtes Pfirsicheis.“

„Hm, das hört sich wirklich lecker an“, kommentierte Sierra.

Wendell servierte Rotwein, und Blake und Sierra ließen es sich schmecken. „Ihre Köchin ist wirklich fantastisch“, lobte Sierra.

„Warten Sie, bis Sie ihr hausgemachtes Pfirsicheis probiert haben“, erwiderte Blake lächelnd. „Das ist einfach umwerfend.“

„Noch ein Grund mehr, dass Sie sich auf der Ranch so wohlfühlen.“

Er lächelte. „Es gibt so viele Gründe. Die Natur, die Tiere – haben Sie sich übrigens schon mal ein Rodeo angeschaut?“

„Nein, noch nie.“

„Eines der besten Rodeos findet in New York City statt“, erklärte er. „Das Professional Bull Riders im Madison Square Garden.“

„Machen Sie auch bei Rodeos mit?“

„Manchmal, aber nicht mehr so oft wie früher. Ein paarmal war ich beim Bullenreiten dabei, aber ohne ernsthaft eine Karriere daraus machen zu wollen. Für meinen Geschmack geht es da doch ein bisschen zu ruppig zu.“

„Man könnte sich alle Knochen brechen.“

„Das zu verhindern – das ist ja der Reiz daran.“

Das Gespräch verlief außerordentlich angenehm. Blake war charmant, bewahrte aber eine freundliche Distanz und wurde keinesfalls zu vertraulich. Mit jeder Minute fühlte sie sich mehr zu ihm hingezogen.

Als Wendell den Tisch abräumte, sagte Sierra zu ihm: „Das war wirklich ein fantastisches Essen, eines der besten, das ich je genießen durfte. Kompliment an den Küchenchef. Beziehungsweise an Ihre Köchin.“

„Vielen Dank“, erwiderte Wendell lächelnd. „Ich werde es ausrichten.“ Dann verschwand er mit den Tellern.

Sierra blickte Blake an. „Ich habe das ganz ernst gemeint. Die Köchin ist wirklich Weltklasse.“

Blake nickte. „Ich tue auch alles Menschenmögliche, um Wendell und sie zu halten. Etta hat einen hervorragenden Ruf in der Kochszene. Wenn Sie mich einmal verlassen würde, könnte sie sich vor Angeboten kaum retten.“

„Sie ist so gut, sie sollte ein Restaurant aufmachen.“

„Setzen Sie ihr bloß keinen Floh ins Ohr“, scherzte er.

„Ist sie schon lange bei Ihnen? Hat sie vorher schon für Ihre Eltern gekocht?“

Schlagartig wurde er ernst. Hatte sie mit dieser Frage in ein Wespennest gestochen? „Nein, hat sie nicht“, sagte er. „Die Familie, für die sie vorher tätig war, hat ihre Ranch verkauft und ist nach Südtexas gezogen. Ich bin mit Ettas Sohn zur Schule gegangen und war mit ihm befreundet. Ein guter Typ. Nach der Highschool ist er zur Air Force Academy gegangen und fliegt jetzt Kampfjets. Er ist in Europa stationiert. Etta und Wendell haben noch vier weitere Kinder, die in alle Winde verstreut sind – von ihrer ältesten Tochter abgesehen, die verheiratet ist und vier Kinder hat. Sie wohnt in Dallas, und ihre Kinder besuchen ihre Großeltern oft hier auf der Ranch. Sie haben alle ihr eigenes Pferd hier, bis auf das jüngste, das einfach noch zu klein ist.“

„Das ist schön. Sind Sie hier in Dallas aufgewachsen?“

Wieder verfinsterte sich seine Miene. Offenbar hatte sie das Talent, ständig die falschen Fragen zu stellen.

„Ja“, antwortete er einsilbig und schien es dabei belassen zu wollen. Doch nach kurzem Nachdenken erläuterte er dann: „Mein Vater hat sich von meiner Mutter scheiden lassen, noch bevor ich ein Jahr alt war. Er hat die Verbindung komplett abgebrochen, also habe ich ihn nie wirklich kennengelernt. Er war kein Teil meines Lebens. Falls er überhaupt je ein Wort zu mir gesagt hat, dann zu einer Zeit, an die ich mich nicht zurückerinnern kann. Ich weiß nicht warum, aber meine Mutter hat nie wieder geheiratet.“

„Das tut mir leid“, sagte sie betroffen und senkte den Blick. Sie konnte sich vorstellen, wie schwer dieses Schicksal für ihn war. Wenn sie ihren Vater nicht gehabt hätte, diesen groß –$3herzigen, liebevollen Mann – nicht auszudenken!

„Sierra, spielen Sie bloß nie Poker“, sagte Blake plötzlich amüsiert. „Man kann in Ihnen lesen wie in einem offenen Buch. Gerade jetzt sehen Sie aus, als würden Sie jeden Augenblick aus Mitleid in Tränen ausbrechen. Natürlich, wenn Ihnen danach ist, mich tröstend in den Arm zu nehmen, möchte ich Sie nicht davon abhalten.“ Er schmunzelte.

„Das vergessen Sie mal ganz schnell“, meinte sie lachend. „Aus Ihnen ist ja trotz allem etwas geworden.“

„Mein Vater hat noch andere Söhne. Meine Halbbrüder. Mit dem ältesten von ihnen bin ich zur Schule gegangen. Er ist ein wenig jünger als ich, aber wir haben in der Highschool zusammen Football gespielt. Aber genug davon. Woher stammen Sie ursprünglich? Aus New York?“

Sie schüttelte den Kopf. „Nein, ich stamme aus Kansas. Deshalb bin ich zum Arbeiten auch zurück nach Kansas City gezogen. Mein Vater ist Pastor, und ich habe eine große Familie in der Gegend. Meine Mutter ist Lehrerin, aber schon im Ruhestand, und der Großteil meiner Verwandtschaft ist auf die eine oder andere Weise bei meinen Wohltätigkeitsprojekten dabei. Mom und zwei meiner Schwestern helfen im Tierheim aus. Dad kümmert sich seelsorgerisch um die Leute aus dem Obdachlosenasyl. Er bietet in seiner Kirchengemeinde auch ein kostenloses Frühstück für Bedürftige an. Und so weiter und so weiter, ich könnte noch viel mehr erzählen. Meine Eltern haben insgesamt sechs Kinder. Dazu kommen inzwischen schon vierzehn Enkel und dazu noch ein Pflege-Enkelkind, das demnächst adoptiert werden soll. Ich bin der einzige Sprössling, der keine eigenen Kinder hat.“

„Donnerwetter, das nenne ich eine große Familie. So etwas bin ich überhaupt nicht gewohnt. Bei uns gab es nur zwei Personen – meine Mom und mich.“

„Wir Kinder haben immer noch Schulfreunde mitgebracht. Bei uns war viel los. Ein Haus mit nur zwei Personen – das kann ich mir überhaupt nicht vorstellen.“

„Jetzt schauen Sie mich schon wieder so mitleidig an“, sagte er lächelnd. „Aber vergessen Sie nicht: Ich bin keiner Ihrer bedürftigen Schützlinge. Obwohl das sicher ganz reizvoll wäre.“

Auch sie lächelte. „Nein, ich schätze, mein Mitleid brauchen Sie nicht. Ich bin sicher, Ihre Mutter hat Sie mit Liebe förmlich überschüttet, und Sie hatten bestimmt jede Menge Freunde.“

„Kann man so sagen“, antwortete er leichthin. „Wollen wir schon mal aufstehen? Dann können Etta und Wendell aufräumen und nach Hause gehen. Ich wollte Ihnen ja sowieso noch den Anbau zeigen.“

„Ja, gerne. Ich bin bereit.“

„Gut, dann kommen Sie. Morgen gebe ich Ihnen auch noch die Grundrisse. Die Handwerker sind noch nicht ganz fertig, aber es kann sich nur noch um wenige Tage handeln. Wenn Sie Ihre Planung abgeschlossen haben und mit der Einrichtung beginnen, sind sie weg.“

Sierra folgte ihm, und sie betraten den Anbau.

„Ich habe auch einen Fahrstuhl einbauen lassen, weil meine Großmutter öfter mal zu Besuch kommt, und mit Treppen hat sie es nicht mehr so. Das Alter, Sie verstehen. Meine Mom hat ihr eigenes einstöckiges Haus hier auf dem Grundstück, aber sie ist nur selten da. Im Moment bereist sie gerade mit Freunden Patagonien, sonst hätte sie heute Abend mit uns gegessen. So, unsere Führung beginnt hier im Flur. Wenn Sie Fragen zu den einzelnen Räumen haben, schießen Sie einfach los.“

Es roch nach Holz und Sägespänen, und ihre Schritte hallten an den leeren Wänden wider. Sierra hatte große Mühe, sich auf den Anbau zu konzentrieren. Zu stark war Blakes erotisierende Wirkung auf sie. Zum Glück würde sie ja während ihrer Zeit hier nicht täglich mit ihm zu tun haben. Nicht auszudenken, was sonst passieren könnte.

„Sie haben ja die Einrichtung im alten Teil des Gebäudes gesehen“, sagte Blake. „Sie ist sehr stilvoll, aber Antiquitäten sind nun mal … na ja … alt.“ Er lachte. „Die Einrichtung ist mehr meiner Mutter geschuldet; sie mag diese alten Möbel.“

„Ich finde sie auch wunderschön.“

„Ja, ich mag sie auch, aber hier im Anbau hätte ich gerne etwas anderes. Moderne, zeitgemäße Möbel, klare Linien, schlichtes Design. Und Freiräume. Bloß nicht alles so vollstellen.“

„Verstehe. Mir schwebt da schon etwas vor. Es gibt mehrere Möbeldesigner, deren Produkte infrage kämen. Ich lege Ihnen eine Auswahl vor, aus der Sie dann aussuchen können.“

„Halt, halt, das will ich ja gar nicht“, protestierte er. „Sierra, ich habe Ihnen die grobe Linie vorgegeben, den Rest lege ich in Ihre Hände. Sie sind schließlich die Expertin, und ich vertraue Ihnen voll und ganz. Sie haben jetzt das Ruder in der Hand. Schalten und walten Sie, wie Sie wollen, und zeigen Sie mir am Schluss das Endergebnis. Mit dem Detailkram will ich nichts zu tun haben.“

„Aber wenn es Ihnen dann am Ende nicht gefällt“, meinte sie zögernd. „Ich habe früher immer für jeden Schritt mit meinen Auftraggebern Rücksprache gehalten. Als ich damals Ihr Hotel eingerichtet habe, haben Ihre leitenden Angestellten auch …“

„Damals kannten wir Ihre Arbeit ja auch noch nicht“, unterbrach er sie. „Jetzt schon. Aber machen wir es so: Sie treffen die Vorauswahl, gemäß meiner groben Linie, aber ansonsten nach Ihren Vorstellungen und Ihrem Geschmack. Dann, wenn Sie zufrieden sind, zeigen Sie mir Ihre Skizzen, wie es fertig aussehen wird. Das nicke ich dann ab.“ Er grinste. „Oder auch nicht. Aber es wird mir schon gefallen.“

„Dann … vielen Dank für Ihr Vertrauen.“

„Kein Problem. Ich glaube, Sie wissen ziemlich gut, was ich will.“

Sie sah seinen forschenden Blick und bekam das Gefühl, dass er in diesem Moment nicht von Möbeln redete.

„Ich … ich werde alles tun, um Sie voll und ganz zufriedenzustellen“, stotterte sie verunsichert.

Als sie weiter durch die Räume gingen, hatte sie immer wieder das Gefühl, dass er sie voller Begierde musterte, wenn er gerade nicht in ihrem Blickfeld war. Oder bildete sie sich das nur ein? Auf jeden Fall war sie froh, dass er nicht die ganze Zeit über auf der Ranch sein würde.

„Von innen wirkt der Anbau fast noch größer als von außen“, sagte sie. „Er ist geräumiger als so manches Einzelhaus in der Stadt. Sogar meine große Familie würde hier Platz finden.“

Er lächelte. „Ich hab’s gerne geräumig. Außerdem beherberge ich gerne Gäste. Dank Cade und meiner anderen Halbbrüder habe ich ja eine ziemlich große Verwandtschaft. Wenn die mich besuchen kommen, müssen sie ja auch irgendwo übernachten. Nate ist zwei Jahre jünger als Cade und verheiratet. Er hat eine wunderhübsche Frau und ein süßes kleines Töchterchen, das jetzt gerade einmal acht Wochen alt ist. Die drei besuchen im Moment gerade die Eltern meiner Schwägerin.“

„Cade ist Ihnen altersmäßig am nächsten?“

„Ja, und er ist auch der Callahan, den ich am besten kenne. Er ist der älteste meiner drei Halbbrüder. Gabe ist der Jüngste.“

Während er erzählte, sah er ihr tief in die Augen. Es gefiel ihr, verunsicherte sie aber gleichzeitig auch. Sie wandte den Blick ab und ging zum großen Fenster. „Ich glaube, dann habe ich alles gesehen.“

„Ja, hier sind wir durch“, sagte er. „Aber eigentlich ist es noch viel zu früh, um schlafen zu gehen. Nehmen Sie doch noch einen Drink mit mir, und wir unterhalten uns noch ein bisschen. Sie werden eine Weile hier leben und arbeiten, da sollten wir uns auch ein wenig kennenlernen.“

Sie wusste, es wäre das Klügste, abzulehnen, aber seine Anziehungskraft war so stark, dass sie es einfach nicht konnte. „Na gut, für ein halbes Stündchen vielleicht“, murmelte sie.

Sie begaben sich ins Wohnzimmer im Erdgeschoss des Hauptgebäudes, und er ging zur Hausbar hinüber. „Was möchten Sie trinken?“

„Nur ein Mineralwasser bitte.“

Er selbst nahm sich ein Bier und setzte sich zu ihr. „Wie lange möchten Sie diese Wohltätigkeitsarbeit noch machen?“, fragte er. „Irgendwann wollen Sie doch sicher gerne wieder Vollzeit als Innenarchitektin arbeiten!“

„Nein, nein, ich will bei der Wohltätigkeit bleiben. Dafür habe ich sogar noch weitergehende Pläne. Ich habe schon immer daran gedacht, eine Art Vermittlung von Pflegeeltern für Straßenkinder aufzuziehen, mit staatlicher Billigung natürlich. Dank Ihrer großzügigen Spende könnte ich das jetzt in Angriff nehmen.“ Sie hielt einen Augenblick inne, dann fügte sie schmunzelnd hinzu: „Sie haben so viel Platz, da könnten Sie auch leicht so ein Kind aufnehmen.“

Einen Moment lang sah er sie schockiert an, dann schmunzelte auch er. „Ja, sicher, der Platz wäre vorhanden. Aber ein Kind passt im Moment nicht so gut zu meiner Art der Lebensführung.“

„Wo ist das Problem? Sie hätten doch genug Geld, ein paar Nannys anzuheuern, einen Privatlehrer, was auch immer.“

Er sah sie strafend an. „Wenn ich schon die Verantwortung für ein Kind übernehmen würde, würde ich es doch nicht ans Personal abschieben.“

„Das ehrt Sie“, lobte sie. Damit hatte sie nicht gerechnet; er wirkte auf sie nicht wie ein Mensch, der an Kindererziehung interessiert war. „Mein Bruder und meine Schwägerin haben gerade ein zweijähriges Pflegekind. Sie möchten es gerne adoptieren; das Verfahren läuft schon. Ein ganz, ganz süßes Kind.“

Sie musterte ihn eingehend; irgendwie wurde sie immer noch nicht recht schlau aus ihm. So nett er sich auch gab – sein  –$3Zynismus schreckte sie ab. Vermutlich resultierte seine Verbitterung, seine negative Weltsicht aus dem Geschehen in seiner frühen Kindheit. Vom Vater verstoßen, das musste ja Spuren hinterlassen. Sie war sich ziemlich sicher, dass sie seine Weltsicht nicht würde ändern können. Deshalb wollte sie sich auch lieber nicht auf ihn einlassen – egal wie anziehend sie ihn körperlich auch fand.

„Wäre es das erste Kind für Ihren Bruder?“

Sie musste erst einen Augenblick nachdenken; zu sehr war sie in ihren eigenen Gedanken gefangen gewesen. „Ach so, nein. Mein Bruder und seine Frau haben schon vier eigene Kinder. Drei Mädchen und einen Jungen.“

„Donnerwetter. Eine große Familie.“

„Sie lieben eben Kinder. Die beiden haben so viel Liebe zu vergeben, die reicht auch noch für ein Adoptivkind.“ Sie hielt einen Augenblick inne. „Blake, Sie sagten, ein Kind passt nicht zu Ihrer momentanen Lebensführung. Dann planen Sie für die nächste Zeit wahrscheinlich auch keine Heirat.“

„Nein, ganz sicher nicht. Ich bin momentan beruflich voll eingespannt.“ Er dachte einen Moment nach, dann fügte er hinzu: „Im Augenblick wünsche ich mir nicht mal eine feste Beziehung. Ich würde es mir sehr genau überlegen, bevor ich mich auf so etwas einlasse. Ich habe das Gefühl, bei Ihnen sieht es ähnlich aus?“

Sie nickte. „Stimmt, und aus den gleichen Gründen wie bei Ihnen. Mein Beruf fordert mich voll. Und weil ich Single bin, kann ich ihm hundert Prozent meiner Zeit geben. Dank Ihrer großen Spende können wir jetzt richtig durchstarten.“ Sie zögerte einen Moment, dann fügte sie verschmitzt lächelnd hinzu: „Sie glauben gar nicht, welche Befriedigung es einem gibt, anderen Menschen zu helfen. Vielleicht sollten Sie meinen Job auch mal ausprobieren.“

Natürlich, mit seinem Geld hatte er schon viel geholfen, aber sie hatte das Gefühl, es war noch mehr drin, auf persönlicher Ebene, mit persönlichem Einsatz. Vielleicht würde dann selbst er, der verbitterte Zyniker, das Glücksgefühl erkennen, das Hilfsbereitschaft mit sich brachte. „Ihre Ranch ist so groß, man könnte hier ein Ferienprojekt für Straßenkinder aufziehen, damit sie mal aus der Großstadt rauskommen. Es würde auch reichen, wenn Sie den Platz zur Verfügung stellen. Sie selbst bräuchten sich nicht besonders viel beteiligen.“

Er verzog den Mund. „Sierra, Sierra. Wollen Sie mich dazu überreden, die Welt zu retten? Das ist nicht so mein Ding, wirklich. Außerdem tue ich ja schon was. Ich spende.“

„Ja, aber wie viel geben Sie von sich selbst? Versuchen Sie es doch mal, bringen Sie sich selber ein, wenigstens ein bisschen. Wie heißt es doch so schön: Mach anderen eine Freude, dann hast du selber Spaß. Vielleicht würden Sie die Menschen dann auch ein bisschen weniger negativ sehen.“

Er zog eine Augenbraue in die Höhe. „Was soll ich machen, mit den Straßenkindern Ringelreihen tanzen? Nein, nein, mein Geld hilft viel mehr, als ich persönlich es je könnte.“

„Himmel, Blake, Sie sind unglaublich zynisch.“

„Ich bin nicht zynisch. Ich bin realistisch.“

Versonnen musterte sie seine Lippen. Wie es wohl wäre, ihn zu küssen? Sie sah, dass auch er sie schweigend betrachtete. Ob er ähnliche Gedanken hatte?

Plötzlich schlug die alte Standuhr. „Oh je, es ist ja schon Mitternacht“, stieß Sierra hervor. Hatten sie wirklich so lange geplaudert? „Ich glaube, ich gehe jetzt lieber schlafen.“

„Wie Sie wollen“, sagte er lächelnd und erhob sich. „Sie können sich Ihren Arbeitstag selbstverständlich frei einteilen. Ich muss morgen sehr früh aus dem Haus. Wenn ich zurück bin, checke ich kurz bei Ihnen, ob Sie irgendwelche Fragen haben.“

„Nochmals vielen Dank für Ihr Vertrauen.“

Während sie in den ersten Stock gingen, unterhielten sie sich noch ein wenig über den Anbau. Schließlich hatten sie Sierras Wohnbereich erreicht. Sie standen vor ihrer Tür und blickten sich schweigend an. Die Atmosphäre zwischen ihnen knisterte.

Sierra vergaß alles um sich herum, die späte Stunde, ihre gegensätzliche Weltsicht. Sie sah nur diesen Mann, diesen unglaublich attraktiven Mann, dessen Blick ihr Herz schneller schlagen ließ.

Sie versank förmlich in seinen Augen. Er kam ihr näher. Langsam näherten sich seine Lippen ihrem Mund.

Ihr Puls raste. Eigentlich sollte sie einen Schritt zurücktreten, ihn abwehren, was auch immer. Aber auf keinen Fall zulassen, dass er sie küsste. Doch sie war zu keiner Bewegung fähig.

Noch war nichts geschehen. Er hatte innegehalten. „Ich weiß nicht, wo diese ungeheure Anziehungskraft zwischen uns herkommt“, sagte er leise. „Aber sie ist da, sie lässt sich nicht wegdiskutieren. Und wir werden ihr auf Dauer nicht wider –$3stehen können. Ich jedenfalls nicht. Früher oder später werde ich Sie küssen. Und ich glaube, früher ist besser als später.“ Er legte ihr einen Arm um die Hüfte.

Jetzt, ja, spätestens jetzt war es an der Zeit, ihn in die Schranken zu weisen. Zu reagieren, sich aus seinem Griff zu lösen.

Doch sie konnte es nicht.

Sie wollte diesen Kuss auch, unbedingt! Ob es klug war oder nicht, ob es gegen ihre Prinzipien verstieß oder nicht. Sie spürte sie ständig, diese ungeheure Anziehungskraft, und schon oft hatte sie sich gefragt, wie es wohl wäre, ihn zu küssen.

Doch theoretisch ließ sich diese Frage nicht beantworten.

3. KAPITEL

Sierra legte ihre Hand leicht auf seinen Unterarm, spürte seine kräftigen Muskeln. Nur von harter körperlicher Arbeit bekam man solche Muskeln. Auch wenn Blake ein Büro in Dallas unterhielt – ein Büromensch war er eindeutig nicht.

Wieder beugte er sich zu ihr herunter. Zaghaft versuchte sie zu protestieren. „Wir sollten wirklich nicht …“

Leicht wie eine Feder und nur für den Bruchteil einer Sekunde berührten seine Lippen ihre, und es durchfuhr sie wie ein Blitz, weckte in ihr das Verlangen nach mehr, nach viel mehr. Ihr wurde heiß.

„Nein, vielleicht sollten wir es nicht“, flüsterte er, „aber wir tun es trotzdem.“ Und dann küsste er sie, bevor sie noch ein Wort des Widerspruchs über die Lippen bringen konnte.

Eine Sekunde lang stand sie wie erstarrt da, doch dann schlang sie ihre Arme um seinen Hals und erwiderte mit ungeahnter Leidenschaft seinen Kuss. Fest zog er sie an sich, presste seine stahlharten Muskeln an ihren zarten Körper.

All ihre Zweifel, ihr Zögern, ihre Bedenken waren verflogen. Sie wichen einer Erregung, wie Sierra sie noch nie gespürt hatte. Sie wollte mehr von ihm. Sie wollte ihn berühren, sich fallenlassen, ihn lieben. Aus welchen dunklen Abgründen menschlichen Verlangens kam nur dieses heiße Begehren, das sie förmlich überwältigte?

Noch nie hatte sie einen Mann wie Blake getroffen, noch nie hatte sie einen Mann so sehr gewollt. Egal was nun geschehen würde, dieser Kuss hatte eine Verbindung zwischen ihnen entstehen lassen, die sie nie vergessen würde.

Wie lange dieser Kuss andauerte – im Nachhinein konnte sie es nicht sagen. Sekunden, Minuten … Schwer atmend trat sie irgendwann einen Schritt zurück. Auch Blake atmete heftig, verschlang sie mit seinem Blick, als ob er sie noch nie zuvor gesehen hätte. Ihr wurde angst vor ihren eigenen Gefühlen. Sie hatte die Büchse der Pandora geöffnet, und niemand konnte voraussehen, was nun geschehen würde.

„Wir … wir müssen vergessen, dass das eben passiert ist“, flüsterte sie verwirrt.

„Diesen Kuss werde ich mein Leben lang nicht vergessen.“

„Du musst ihn vergessen“, erwiderte sie zaghaft. „Wir arbeiten zusammen, du bist mein Auftraggeber.“ Sie blickte verlegen zu Boden. „Danke für das Abendessen. Und jetzt gute Nacht, Blake.“ Schnell betrat sie ihren Wohnbereich und schloss die Tür hinter sich.

Ihr Herz pochte wie verrückt. Wie sollte sie nun vernünftig mit ihm zusammenarbeiten? Wie konnte sie verhindern, sich in ihn zu verlieben? Sie hatte ihren letzten Angestelltenjob vor Jahren nicht nur gekündigt, um ihren Traum von der Wohltätigkeitsarbeit zu verwirklichen, sondern auch, um ihrem Chef zu entkommen, der ihr nachgestellt hatte. Jetzt hatte sie einen Job angenommen, in dem sie ein noch viel größeres Problem mit ihrem Auftraggeber hatte – weil sie ihn nämlich auch wollte.

Kündigen – nein, das ging nicht. Dafür waren viel zu hohe Summen im Spiel.

Nein, sie würde einfach vorsichtig sein und sich so weit wie möglich von ihm fernhalten. Vielleicht würde das schon genügen. Schließlich war er ein vielbeschäftigter Mann, der sich um seine Unternehmen kümmern musste. Das würde ihn ablenken. Außerdem hatte er sicher einen großen Freundes- und Bekanntenkreis, und darunter waren mit Sicherheit auch Frauen, die viel attraktiver, viel verführerischer als sie waren.

Unruhig ging sie in ihrem Wohnbereich auf und ab. An Schlaf war nicht zu denken. Der Kuss war so aufregend gewesen! Einfach überwältigend! Ob Blake wohl schlafen konnte? Oder verzehrte er sich genauso nach ihr wie sie sich nach ihm?

Doch mit ihnen beiden konnte es nichts werden, das war klar. Sie waren einfach zu unterschiedlich. So charmant er sich auch gab – seine Weltsicht war das komplette Gegenteil von ihrer. Er war verbittert, hart, zynisch und glaubte nicht an das Gute im Menschen. Sierras Sichtweise konnte er nicht einmal ansatzweise verstehen. Deshalb musste sie das Ganze im Keim ersticken. Es konnte ihrem Seelenfrieden nur schaden.

Sie musste an den Vorfall mit ihrem damaligen Arbeitgeber zurückdenken. Sie hatte Alex Deagens eigentlich ganz nett gefunden, aber nur auf rein freundschaftlicher Basis. Und dann, eines Abends, war es passiert.

Sie hatten Überstunden gemacht; nur noch er und sie waren im Büro gewesen. Dann hatte Alex sie plötzlich geküsst. Erschrocken war sie zurückgewichen. Und dann hatte er ihr Versprechungen gemacht: Er würde ihr ein größeres, schöneres Apartment besorgen, er würde sie zu seiner Stellvertreterin machen. Dafür bräuchte sie nur mit ihm zu schlafen. Schockiert und angewidert hatte sie ihn zurückgewiesen und blitzartig das Büro verlassen.

Nach einer schlaflosen Nacht reichte sie am nächsten Morgen im Büro sofort die Kündigung ein. Sie wurde auch umgehend akzeptiert. Über einen Mitarbeiter der Personalabteilung richtete man ihr aus, dass sie sofort gehen könne. Sie solle am besten gleich ihre Sachen packen.

Dieses schlimme Erlebnis mit Alex hatte ihren Glauben an die Männer erschüttert. Fortan hielt sie sich vom anderen Geschlecht fern, lehnte Einladungen zu Dates ab. Die Enttäuschung hielt sie jedoch nicht davon ab, weiterhin an das Gute im Menschen zu glauben, davon auszugehen, dass jeder sich zum Besseren ändern konnte. Und ihre Kündigung hatte ja auch etwas Gutes gehabt: Sie konnte zurück nach Kansas City ziehen, wo ihre Familie wohnte. Und die Wohltätigkeitsarbeit war viel befriedigender als alles, was sie bisher getan hatte.

Ja, ihre Welt war in Ordnung gewesen – bis Blake Callahan in ihr Leben getreten war. Eine Beziehung mit ihm, das konnte nicht gutgehen. Sie würde professionell bleiben, ihren Auftrag erledigen und dann so schnell wie möglich verschwinden.

Den überwältigenden Kuss würde sie verdrängen, vergessen. Sie konnte nur hoffen, dass Blake ihn schon vergessen hatte.

Blake sprang in den Indoorswimmingpool in seinem großen Fitnessraum. Er schwamm etliche Runden in der Hoffnung, das kühle Wasser und die späte Stunde würden Sierra aus seinen Gedanken vertreiben.

Wenn der Kuss ein Indikator war, musste der Sex mit ihr eine Offenbarung sein. Aber würde es je dazu kommen?

Er hatte ja schon etliche Frauen gekannt, aber sie war eigentlich die unwahrscheinlichste Kandidatin, um ein solches Begehren in ihm zu wecken. Sie war die Tochter eines Pastors, um Himmels willen! Ein guter Mensch, uneigennützig und naiv. Ihre Ziele im Leben waren ihm völlig unverständlich. Wie konnte sie eine vielversprechende Karriere hinwerfen, um sich hauptberuflich wohltätig zu engagieren? Ihr Job als Leiterin von Brigmore Charities war mit Sicherheit mies bezahlt, ein Bruchteil dessen, was sie als erfolgreiche Innenarchitektin hätte verdienen können. Warum brachte sie so ein Opfer?

Dankbarkeit konnte sie sicher nur in den seltensten Fällen erwarten. Wie er ihr ja auch schon vorgehalten hatte: Undank war der Welt Lohn! Nein, Blake sah die Dinge anders. Er vertraute nur einer Sache im Leben: seinem Kontoauszug. Geld war etwas Solides. Es verlieh ihm Macht, es war ein Bollwerk gegen Enttäuschungen. Enttäuschungen, die daraus resultierten, dass man den falschen Leuten vertraut hatte.

Eine gemeinsame Zukunft mit Sierra war für ihn bei diesen gewaltigen Gegensätzen unvorstellbar. Aber Sex mit ihr – das war etwas anderes, das wollte er, er wollte es sogar sehr! Er wollte sie verführen, sie lieben, Stunde um Stunde …

Trotz des beinahe kalten Wassers war er erregt. Runde um Runde schwamm er, um sich auszupowern, aber das quälende Verlangen blieb.

Ja, Sex mit Sierra wäre das Größte! Aber klüger wäre es, sich von ihr fernzuhalten. Sie ihre Arbeit machen und sie anschließend ziehen zu lassen, damit sie sich wieder der Wohltätigkeit widmen konnte. Denn sie war mit Sicherheit auf eine lang –$3fristige Beziehung aus. Und das wiederum war nicht sein Ding.

Er drehte im Pool seine Runden, bis er erschöpft war. Anschließend lief er sicherheitshalber noch einige Kilometer auf dem Laufband. Er hoffte, sich so sehr verausgabt zu haben, dass er nur noch ins Bett fallen und tief und traumlos schlafen würde.

Tatsächlich fand er wenigstens ein paar Stunden Ruhe. Doch schon vor Sonnenaufgang war er wieder wach. Er zog sich an, aß in der Küche einen Happen und verließ das Haus. Vielleicht würden die frische Luft und die freie Natur ihn ablenken.

Der Mond stand noch am Himmel, während er über sein Land marschierte. Ob Sierra wohl schlafen konnte? War sie überhaupt imstande, sich auf ihre Arbeit zu konzentrieren?

Bei diesem Gedanken musste er über sich selbst lachen. Wer sagte denn, dass der Kuss sie ebenso aufgewühlt hatte wie ihn? Vielleicht schlief sie tief und fest. Vielleicht bildete er sich zu viel auf sein Talent im Küssen ein.

Die ganze Sache war dumm gelaufen, von Anfang an. Was war nur in ihn gefahren, ihr derartige Summen zu bieten? Und dann noch weitere Spenden zu versprechen? Sein Buchhalter würde ihm Vorwürfe machen. Zu Recht!

Ja, warum hatte er so bereitwillig sein Scheckbuch gezückt? War er geistig umnachtet gewesen? Eigentlich nur, weil er Kontakt zu ihr gesucht hatte, weil er sie hatte wiedersehen wollen. Eine andere Erklärung gab es nicht. Wenn er jetzt weiter hinter ihr her war – welche Fehler würde er noch begehen?

Blake fluchte leise vor sich hin. Irgendwie hatte diese Frau ihn um den Verstand gebracht. Das war noch keiner gelungen. Und es war ihm völlig unverständlich. Sicher, sie sah gut aus, sie war nett – aber das traf auch auf viele andere Frauen aus seinem Bekanntenkreis zu. Und von diesen Eigenschaften abgesehen war sie eigentlich so gar nicht sein Typ.

Aber wenn sie nicht sein Typ war – warum musste er dann ständig an sie denken?

Gegen neun Uhr morgens suchte er Sierra in ihrem Wohn –$3bereich auf, um mit ihr gemeinsam die Baupläne durchzu –$3gehen.

Sie saß bereits in ihrem Arbeitszimmer. „Guten Morgen“, sagte sie. Es klang freundlich. Aber auch nicht mehr. Offensichtlich bemühte sie sich um ein neutrales Verhältnis.

Am liebsten hätte er sie in die Arme genommen und stürmisch geküsst. Aber er riss sich zusammen. „So früh schon fleißig?“, fragte er. „Hast du überhaupt schon gefrühstückt?“

„Oh ja, habe ich. Etta war in der Küche und hat mir was Leckeres gezaubert – mit Eiern und Orangensaft und allem, was das Herz begehrt. Du warst wahrscheinlich schon draußen und hast gearbeitet?“

„Stimmt. Wie kommst du voran?“

„Ich sammle noch Inspirationen. Am besten sehen wir uns gemeinsam auf dem Computer noch mal den Grundriss jedes Zimmers an und brainstormen.“ Sie zog einen Stuhl heran und bedeutete ihm, sich zu setzen, damit sie beide auf den gleichen Monitor schauen konnten.

Eigentlich hatte er ihr ja die Entscheidungen überlassen wollen, aber das war die einzige sich bietende Gelegenheit, ihr nahe zu sein. Also setzte er sich. Wie verführerisch sie duftete! Und wie einladend die Wärme war, die sie ausstrahlte.

Verbissen blickte er auf den Monitor und versuchte sich auf die Grundrisse zu konzentrieren. Sie blieb so sachlich, da musste es ihm doch wohl auch gelingen!

Nur einmal verriet ihm ein leises, kaum vernehmbares Aufseufzen von ihr, dass ihr seine Nähe nicht gleichgültig war. Er wusste: Sehr viel gemeinsame Zeit würde ihnen nicht bleiben, die meiste Arbeit hier auf der Ranch würde sie ohne ihn ausführen und dann würde sie nach Kansas City zurückkehren. Danach würde er sie wahrscheinlich nie wiedersehen.

Er wandte sich ihr zu. „Wenn du schon mal in Texas bist, solltest du eigentlich auch ein bisschen von Land und Leuten kennenlernen. Magst du Barbecue?“

Sie nickte lächelnd. „Oh ja, sehr. Auch darin ist Etta bestimmt eine Meisterin.“

„Ja, ist sie, aber das meinte ich nicht. In einem Städtchen hier in der Nähe gibt es ein gemütliches Barbecue-Restaurant. Ich würde dich gerne einladen. Wie wär’s am Donnerstagabend? Freitag wolltest du ja wieder nach Hause fliegen.“

Er spürte ihre Unsicherheit, sah, wie sie nachdachte. Doch dann nickte sie. „Das hört sich gut an“, sagte sie vorsichtig. „Das können wir machen.“

Der Gedanke zur Einladung war ihm spontan gekommen, und Sierra hatte sichtlich gezögert. Aber schließlich hatte sie Ja gesagt, und nur darauf kam es an.

„Eli und Lucinda kommen morgen Nachmittag und fliegen am Mittwoch zurück nach New York.“

„Wir haben mehr als genug Platz hier auf der Ranch. Ich sage Wendell, er soll alles vorbereiten.“

Es war noch Vormittag, aber er war schon auf den Abend gespannt. Sicher würden sie wieder gemeinsam essen – alles andere wäre unter den gegebenen Umständen komisch – und vielleicht, nur vielleicht, gab es diesmal mehr als einen Kuss zwischen ihnen …

Zum Dinner gab es Wachteln. Ein Kerzenhalter auf dem Tisch tauchte den Raum in ein gemütliches Licht. Nachdem sie aufgegessen hatten, dachte Sierra sich, dass es eigentlich an der Zeit wäre, Blake gute Nacht zu sagen und sich zurückzuziehen. Das wäre das Vernünftigste. Aber sie wollte es nicht. Sie wollte bei ihm bleiben.

„Setzen wir uns doch noch einen Augenblick auf die  –$3Veranda“, schlug er vor. „Es ist so ein schöner Abend. Kein Windhauch, und diese Ruhe …“

„Gern. Wenn ich zurück in der Stadt bin, werde ich die Natur vermissen.“

Sie machten es sich auf der Veranda gemütlich. Sierra streckte ihre Beine aus. „Die Ruhe ist wirklich unbezahlbar“, sagte sie. „Sitzt du abends oft hier draußen?“

Lächelnd schüttelte er den Kopf. „Nur wenn ich Besuch habe. Wenn ich alleine bin, habe ich immer das Gefühl, ich müsste noch was erledigen. Man ist ja nie mit der Arbeit fertig. Ich nehme mir immer vor, mir die Zeit zu nehmen, und tue es dann doch nicht.“

„Das ist schade. Nach einem harten Arbeitstag kann man hier bestimmt wunderbar seinen Seelenfrieden wiederfinden. Die Chance solltest du dir nicht entgehen lassen. Aber bestimmt sitzt ihr oft hier, wenn deine Brüder zu Besuch sind, oder?“

Seine Miene verfinsterte sich, und er wandte den Blick ab. „Wir kommen jetzt öfter mal zusammen, aber wir verbringen längst nicht all unsere freie Zeit miteinander. Früher, zu Highschoolzeiten, war ich überhaupt nicht Teil ihrer Familie. Unsere Mütter haben sich nie so recht verstanden, und als ich noch ein Kind war, hatten wir gar keinen Kontakt zu ihnen.“

„Das tut mir wirklich leid.“

Nun lächelte er wieder. „Mach dir keine Sorgen, ich hatte trotz allem eine schöne Kindheit. Du guckst mich schon wieder so an, als wäre ich eins deiner Sorgenkinder.“

„Ich weiß, dass du das nicht bist, aber deine Familiengeschichte finde ich trotzdem traurig. Für mich ist Familie so ziemlich das Wichtigste.“

„Mom hat mir alle Liebe der Welt gegeben. Und Kinder nehmen das Leben sowieso, wie es kommt.“

„Oh ja, das ist ja der Segen an der Kindheit. Aber so, wie du über deine Halbbrüder gesprochen hast, war ich davon ausgegangen, dass ihr euch nahesteht.“

„Jetzt tun wir das auch, dank Cade. Aber wenn unser Vater nach Texas kommt, bleibe ich weg. Wir sprechen nicht mal miteinander. Oder besser gesagt: Er nimmt mich überhaupt nicht zur Kenntnis.“ Blake versuchte sachlich zu klingen, aber Sierra spürte, wie verletzt und wütend er war.

Voller Liebe dachte sie an ihre große Familie, die so eng zusammenhielt. Blake mochte zwar unermesslich reich sein, dennoch fehlte ihm so manches, was viel wichtiger war als Geld.

„Wie ist es unter diesen Umständen überhaupt zu deiner Freundschaft mit Cade gekommen? Oder stört es dich, wenn ich solche Fragen stelle? Bin ich zu neugierig?“

„Nein, ist schon in Ordnung. Wir haben in der Highschool Football gespielt. So haben wir uns angefreundet, und er hat mich seinen Brüdern vorgestellt. Wir alle waren begeisterte Sportler. Wenn man in dem Alter ist, spielen die Eltern keine große Rolle. Wir Brüder lernten uns besser kennen, freundeten uns an, und keiner von ihnen hatte wegen der ungewöhnlichen Vorgeschichte etwas gegen mich. Ich gegen sie natürlich auch nicht.“

„Freut mich für dich, dass es so verlaufen ist“, sagte sie. „Ich finde, dein Vater hat einen Riesenfehler gemacht, als er dich einfach aus seinem Leben rausgehalten hat.“

„Ganz meine Meinung. Aber jetzt genug über diesen Rabenvater, den ich ja nicht mal richtig kenne. Lieber zu dir. Wer ist der Mann in deinem Leben, Sierra? Hast du da jemanden? Etwas Ernstes?“

„Nein, nichts Ernstes. Gar nichts, um genau zu sein. Seit ich für Brigmore Charities arbeite, habe ich so viel um die Ohren, da bleibt keine Zeit für eine feste Beziehung. Wenn ich mal Freizeit habe, verbringe ich sie mit Freunden oder meiner Familie.“

„Das kann ich verstehen.“ Er streckte seine langen Beine aus. „Mir geht es genauso. Natürlich habe ich einen Freundeskreis, aber ich bin beruflich stark eingespannt und muss wegen der Hotels auch viel reisen. Irgendwann wird das bestimmt mal anders, aber im Moment geht mir der Beruf über alles. Wir sind in der richtigen Lebensphase, um Karriere zu machen.“

Sie lächelte. „Oh je, das ist doch garantiert eine Anspielung auf meinen Beruf als Innenarchitektin. Habe ich recht?“

Er schmunzelte. „Ein bisschen schon, ja. Ich will dir ja keine Vorschriften machen oder mich als großer Ratgeber aufspielen, aber ich finde, du hast die falsche Wahl getroffen. Du hättest Zeit, Energie und Geld in ein eigenes Unternehmen stecken können, das wachsen und gedeihen würde. Stattdessen kümmerst du dich um anderen Menschen, investierst dein ganzes Herzblut in sie und bekommst nichts zurück. Wahrscheinlich nicht mal ein Danke.“

„Ich sehe meine Arbeit anders“, erwiderte sie. „Aber was das angeht, kommen wir wohl nie auf einen gemeinsamen Nenner. Na schön, du hast eine Kette von Luxushotels, Glückwunsch. Aber leisten sie dir Gesellschaft, sind sie für dich da, trösten sie dich, wenn du dich mal niedergeschlagen fühlst? Hotels und viel, viel Geld …“ Sie schüttelte den Kopf. „Nein, das ist nicht alles auf der Welt.“

„Ich will ja nicht ewig so leben. Aber noch bin ich jung, ehrgeizig und tatkräftig, und diese Zeit will ich nutzen, um mein Vermögen zu vermehren. Liebe, Lachen und so weiter, das kann warten, bis ich genug von allem anderen habe. Außerdem lebe ich ja nicht so schlecht. Ich habe schon meinen Spaß, keine Sorge. Nehmen wir zum Beispiel gestern Abend …“

„Das Thema brauchen wir nicht zu vertiefen“, unterbrach sie ihn hastig. „Ich kann mich noch gut an gestern Abend erinnern. Aber egal wie lange wir über unsere Weltsicht reden – wir werden immer entgegengesetzter Meinung sein.“

„Aber deswegen können wir doch trotzdem Spaß miteinander haben“, warf er ein. „Oder so etwas wie Freunde werden. Ich weiß, wie man Spaß hat, und du doch sicher auch.“

Sie sah das Begehren in seinen Augen, und ihr wurde heiß.

„Ich bin überrascht, dass du dir heute Abend überhaupt so viel Zeit für solche Plaudereien nimmst. Wo du doch so viel zu tun hast …“

„Wenn ich will, kann ich komplett von der Arbeit abschalten.“ Damit erhob er sich und stellte sich dicht vor sie hin. Er nahm ihre Hand und zog Sierra hoch.

Überrascht blickte sie ihn an. Doch er ließ sich nicht beirren, legte einen Arm um ihre Taille, und dann küsste er Sierra.

Einen Augenblick lang verspürte sie den Impuls, Blake von sich wegzustoßen, doch sie tat es nicht. Zu wohlig war der Schauder, der sie durchrieselte, als sie seine Lippen auf ihren fühlte, seine Zunge …

Schon packte sie das Verlangen nach mehr. Mit den Händen fuhr sie über seine starken Schultern. Als er mit der Handfläche ganz leicht über ihre Brust strich, stöhnte Sierra lustvoll auf. Sie sehnte sich nach weiteren Berührungen.

Sie konnte nicht abschätzen, wie lange der Kuss dauerte. Sie verlor sich in ihm, genoss ihn, bis sie plötzlich spürte, wie Blake sich an ihrer Bluse zu schaffen machte. Blitzartig packte sie ihn beim Handgelenk und sah ihn an. „Wir müssen damit aufhören“, flüsterte sie atemlos und löste sich von ihm. „Das ist nicht der Grund, aus dem ich hier bin.“

„Du hast mir doch vorgeworfen, dass ich mich zu viel um Hotels und Geld kümmere“, sagte er. „Dann versuche ich, ein bisschen mehr Vergnügen ins Leben zu bringen, und es ist auch falsch.“

Sicherheitshalber trat sie einen Schritt zurück und strich ihre Bluse glatt. „Vergnügen wir uns lieber, indem wir uns unterhalten. Damit wir ein bisschen mehr voneinander erfahren. Uns besser kennenlernen.“

„Du hast einen der heißesten Küsse unterbrochen, den ich je erlebt habe. Aber vielleicht fandest du ihn ja auch gar nicht so gut.“

„Dazu sage ich nichts. Du willst mich ja nur zu weiteren Küssen verführen.“

„Ich habe eine Vermutung geäußert, mehr nicht.“

„Setzen wir uns jetzt wieder und unterhalten uns, oder sagen wir gute Nacht und ich verziehe mich in meinen Wohn –$3bereich?“

„Dann unterhalten wir uns lieber“, sagte er seufzend. „Aber lass uns reingehen, es wird allmählich kühl.“

Im großen Wohnzimmer stellte er sich an die Hausbar. „Was möchtest du trinken?“

„Einen Eistee.“

Er nahm sich ein Bier, und sie setzten sich in die bequemen Ledersessel. „Erzähl mir doch noch ein bisschen über deine Hotelkette.“

„Mein neuestes Projekt ist ein zwanzigstöckiger Hotelturm in Orlando“, berichtete er. „Mein größtes Objekt bisher. Ich bin sehr stolz darauf.“

„Das Hotel in New York, das ich damals für dich eingerichtet habe, liegt ganz in der Nähe eines anderen, das deinem Vater gehört. Deshalb hat es mich überrascht, dass ihr gar keinen Kontakt zueinander habt. Ich hatte eher gedacht, ihr arbeitet zusammen oder haltet vielleicht sogar gegenseitig Anteile an euren Hotelketten. Aber das ist nicht der Fall?“

„Das ist absolut nicht der Fall!“, zischte er. Es klang aggressiv. Plötzlich wirkte er eiskalt.

„Aber das Hotel deines Vaters war zuerst da.“

„Ja.“ Als sie seinen Blick sah, wurde ihr bewusst, dass er sein Hotel absichtlich so nahe bei dem seines Vaters errichtet hatte.

„Hast du noch andere Hotels in direkter Nachbarschaft zu …“

„Ja, habe ich. Und wenn du es genau wissen willst: Ja, das ist Absicht.“

Schockiert sah sie ihn an. „Eure Hotels konkurrieren also miteinander. Macht er das genauso? Baut er auch Hotels in der Nähe von deinen?“

„Nein, macht er nicht.“

„Du legst dich also ganz bewusst geschäftlich mit ihm an“, sagte sie nachdenklich. „Machst du dir damit nicht selbst das Leben schwerer als nötig? Seine Hotels sind doch schließlich auch Konkurrenz für dich.“

„Ich will eben besser sein als er, und ehrlich gesagt hoffe ich, dass mein Vorgehen seinem Geschäft schadet. Meine Hotels sind größer, moderner, luxuriöser, und das zu durchaus günstigen Preisen.“ Er lächelte, aber es war ein Lächeln voller  –$3Bitterkeit. „Ja, du hast recht, es ist ein Konkurrenzkampf. Mein Hotelimperium soll größer werden als seines. Und wenn seine Absteigen Pleite machen, bin ich auch nicht traurig. Ganz im Gegenteil.“

Entsetzt musterte sie ihn. „Du willst Rache nehmen wegen damals“, murmelte sie. „Weil er dich im Stich gelassen hat, als du ein Kind warst.“ Sie konnte es kaum fassen. Solche Gedankengänge waren ihr völlig fremd.

Betrübt schüttelte sie den Kopf. „Das ist nicht gut, Blake. Das ist gar nicht gut. Solche Rachegefühle vergiften die Seele. Glaub mir, du machst dich damit kaputt.“

4. KAPITEL

„Ist doch Unsinn“, sagte Blake leichthin. „Mein Vater ist milliardenschwer. Ich will seine Hotelkette in die Knie zwingen, ja, aber das bringt ihn nicht um und das macht ihn nicht arm. Er besitzt etliche Unternehmen, die Hotelkette ist nur ein kleiner Teil seines Imperiums. Dieser Verlust würde ihn nicht wirklich treffen.“

„Aber warum dann das Ganze? Du investierest deine Zeit, deine Energie und dein Vermögen. Wegen einer blöden Besessenheit, die ihm und dir schadet und niemandem nützt. Was ist der Sinn?“ Nein, sie würde Blake nie verstehen. Das wurde ihr immer mehr bewusst.

„Ganz einfach. Ich will ihm zeigen, dass sein verstoßener Sohn noch existiert. Dass er ein guter Geschäftsmann und seinem Vater in einigen Dingen vielleicht sogar überlegen ist.“

„All das aus so zweifelhaften Beweggründen aufzuziehen …“

„Nein, ganz so ist es auch nicht. Ich mag die Hotelbranche. Und meine Hotels laufen gut. Dass ich dir so viel bezahlen kann, habe ich ihnen zu verdanken.“

„Es beruhigt mich etwas, dass Rachedurst nicht deine einzige Motivation ist“, sagte sie.

Trotzdem fand sie es jammerschade, dass ein so attraktiver und charmanter Mann derart von Rachegefühlen angetrieben wurde. Egal was zwischen ihnen war, was sich entwickelte – sobald sie ihren Job hier erledigt hatte, würde sie ihm Lebewohl sagen, abreisen und nie mehr zurückkehren. Sie waren einfach zu unterschiedlich, daraus konnte sich nichts Bleibendes entwickeln. Mochte die sexuelle Anziehungskraft noch so groß sein.

Plötzlich erhob sich Blake und strich mit der Hand sanft über ihre Wange. Es durchfuhr sie heiß.

„Hast du das gespürt?“, fragte er leise. „Dieser Zauber zwischen uns ist viel größer, viel mächtiger als unsere Meinungsverschiedenheiten. Wenn wir uns berühren, zählen all diese Differenzen nicht mehr.“

„Oh doch, das tun sie. Die wohligen Gefühle überdecken sie vielleicht eine Zeit lang, aber die Differenzen bleiben.“ Sie atmete tief durch. „Du sagtest doch, du verstehst dich gut mit deinen Brüdern. Wenn du deinem Vater wehtust, tust du dann nicht auch ihnen weh?“

Blake lächelte sie an. „Nein, keine Sorge. Sie wissen, was ich tue, und sie wissen auch, dass ich ihn vielleicht ein wenig pikse und ärgere, aber dass ich ihm nicht wirklich schade. Davon abgesehen sind sie selbst nicht allzu gut auf ihn zu sprechen. Bis zu einem gewissen Grad hat unser Vater all seine Söhne vernachlässigt. Vielleicht hat er meinen Halbbrüdern sogar noch mehr wehgetan als mir. Weil er in ihnen die Hoffnung geweckt hat, er würde für sie da sein. Und diese Hoffnung hat er dann enttäuscht.“

„Wie versteht er sich mit ihrer Mutter?“

„So leidlich. Sie sprechen miteinander, sie gehen halbwegs freundlich miteinander um. Bei meiner Mutter ist das anders. Sie hat nicht mehr mit ihm gesprochen, seit ich drei oder vier Jahre alt war.“

„Eine traurige Geschichte.“

„So ist es nun mal. Mit Cade und den anderen Söhnen hat er ab und zu Kontakt, so ein oder zweimal im Jahr, aber ein guter Vater war er nie. Was Geld angeht, hat er für sie gesorgt, aber er hat sie alle schon in jungen Jahren ins Internat gesteckt und sich kaum um sie gekümmert.“

„Unvorstellbar“, sagte Sierra. „In meiner Familie ist das alles ganz anders abgelaufen.“

„Sei froh darüber“, gab Blake verbittert zurück. „Liebe war bei uns Mangelware, Geld ist es allerdings nicht. Alle seine Söhne sind aus eigener Kraft reich geworden, und meine Halbbrüder werden eines Tages noch viel mehr Geld von ihm erben. Sollen sie, ich gönne es ihnen. Ich ziehe meine Genugtuung daraus, meinen Vater ein wenig zu piesacken. Es ist wie ein Flohbiss bei einem Hund, lästig, aber nicht gefährlich. Meinem Vater ist es egal, aber mir tut es gut.“

Wieder schüttelte sie den Kopf. „Ich verstehe es einfach nicht. So viel Energie in Rache zu stecken – das kann nicht gesund sein.“

„Wir sind eben sehr unterschiedlich. Du verstehst mich nicht, und ich verstehe dich nicht. Nehmen wir nur dein Studium. Du bist Innenarchitektin, hast Jahre in deine Ausbildung gesteckt – du hättest Erfolg haben und gut verdienen können. Und doch hast du das Ganze einfach weggeworfen. Warum?“

„Weil mir das, was ich jetzt tue, einfach wichtiger ist. Es gibt so viele Menschen, die Hilfe brauchen. Und auch Tiere. Ausgesetzte Hunde und Katzen, Tiere, die gequält werden. Denen zu helfen ist mir wichtig, darin gehe ich auf.“

„Ich glaube, du wirst deine Entscheidung irgendwann bereuen.“

„Oder du deine“, schoss sie zurück. „Ich könnte mir denken, irgendwann kommt der Tag, an dem dir aufgeht, dass du deine Prioritäten ganz anders setzen solltest.“

Er kam ihr näher. „Vielleicht kannst du diesen Erkenntnisprozess ja beschleunigen“, flüsterte er verführerisch. Mit den Lippen strich er an ihrem Ohr entlang. „Vielleicht kannst du mich zu einem besseren Menschen machen.“

Seine Nähe erregte sie, aber sie versuchte sich zu beherrschen. „Ich werde dich wohl kaum ändern können.“

„Ich bin sicher, du kannst bei mir Wunder wirken“, hauchte er ihr ins Ohr. Sie bekam vor Erregung kaum noch Luft.

„Blake, lass das.“ Ob er spürte, wie schnell ihr Herz schlug? Sie hätte aufstehen und gehen sollen, aber irgendetwas hielt sie fest. Irgendetwas? Nein, es waren seine federleichten Küsse, seine zärtlichen Berührungen. „Blake …“

Und dann küsste er sie auf den Mund, temperamentvoll und leidenschaftlich. All ihre Bedenken wurden in diesem Moment beiseitegewischt, nur noch das Verlangen beherrschte sie. Sierra schlang ihm die Arme um den Hals und erwiderte den Kuss stürmisch.

Blake hob sie hoch und setzte sich in seinen Sessel, mit Sierra auf seinem Schoß. Dabei küsste er sie weiter.

Sie erkundete mit ihren Fingern seine breiten Schultern, seine muskulösen Oberarme, seinen mächtigen Brustkorb. Mochte es noch so unvorsichtig und unklug sein, in diesem Moment wollte sie es. Sie konnte nicht anders. Sie wollte seine Nähe spüren.

Wild und leidenschaftlich küsste sie ihn, klammerte sich an ihn, spürte ihr Begehren ins Unermessliche wachsen.

Als er begann, ihre Bluse aufzuknöpfen, entwand Sierra sich ihm und erhob sich, keuchend vor Erregung. Auch er stand auf. Sein Hemd war schon halb offen, und sie konnte seinen perfekten Brustkorb bewundern.

„Wir sollten uns jetzt gute Nacht sagen, Blake.“

„Ich komme mit in dein Schlafzimmer.“

„Nein. Ich … ich muss noch etwas lesen und meine Notizen sortieren.“

Er trat an sie heran und flüsterte ihr etwas ins Ohr. „Du hast doch nur Angst, hier bei mir im Wohnzimmer zu bleiben. In Wahrheit willst du gar keine Notizen sortieren.“

Nervös lachte sie auf. „Da könntest du recht haben. Du hast eine enorme körperliche Anziehungskraft, Blake Callahan. Das habe ich nicht bedacht, als ich den Job hier angenommen habe.“

„Eine enorme körperliche Anziehungskraft“, wiederholte er lächelnd. „Das hast du schön gesagt. An dieses Kompliment werde ich heute Nacht denken. Und an deine Küsse.“

„Es war ein, äh, sehr interessanter Abend, und das Essen hat wunderbar geschmeckt. Vielen Dank dafür.“

„Gern geschehen. Ich habe dich gern hier zu Gast.“

„Und ich bin gerne hier. Es ist ein wunderschönes Zuhause.“

„Und es wird noch schöner sein, wenn du den Anbau in modernem Stil eingerichtet hast. Ich bin bereit für eine Veränderung.“

„Hast du mal an eine Veränderung gedacht, die nicht nur Möbel betrifft? Eine Veränderung in deinem Leben? Die deine Energie in eine andere Richtung lenkt?“

„Du willst mich unbedingt zu einem besseren Menschen machen, was?“ Zärtlich strich er ihr übers Haar.

„Versuchen kann ich es ja“, erwiderte sie lächelnd. „Hast du zum Beispiel mal daran gedacht, einfach deinen Vater anzurufen und dich mit ihm zu versöhnen? Es sind so viele Jahre ins Land gegangen, du bist längst erwachsen. Vielleicht wäre er ja froh darüber, dich zu treffen und sich mit dir auszusprechen.“

Blake ergriff eine Strähne ihres Haars und betrachtete sie nachdenklich. „Du willst meinen Vater und mich versöhnen, aber daraus wird nichts, wenigstens jetzt nicht. Ich habe nur einmal einen Versuch unternommen, mit ihm zu reden. Ich war drei oder vier Jahre alt, und er hatte irgendetwas mit meiner Mutter zu besprechen. Eine Limousine hielt vor unserem Haus, und als er ausstieg, habe ich versucht, seine Aufmerksamkeit zu bekommen. Sofort kam meine Mutter angestürmt, hat mich ins Haus gezogen und die Tür geschlossen. Also – soweit ich mich erinnere, hat mein Vater nie ein Wort zu mir gesagt.“

„Das ist ja furchtbar, Blake. All die schönen Erlebnisse als Vater, die ihm entgangen sind.“

„Ich wette, das war ihm ziemlich egal. Dank der Gerichts –$3urteile war meine Mutter finanziell gut gestellt, sodass ich auch eine gute Ausbildung bekommen habe. Aber mein Vater war nie Teil meines Lebens. Und nach allem, was ich gehört habe, war er auch für meine Halbbrüder nicht gerade der Mustervater.“

„Damit hat er sich selbst um so vieles gebracht“, wiederholte sie.

„Du gehst vom Idealbild eines Vaters aus, der wahre Gefühle für seine Söhne hat. Aber so ist er nicht. Du lebst in einer Traumwelt, wo alles rosarot ist, Sierra.“

„Nein, du kannst vieles über mich sagen, aber das nicht“, protestierte sie. „Ich habe jeden Tag mit Leuten zu tun, die vor Sorgen nicht ein und aus wissen. Gesundheitsprobleme, Armut, zerbrochene Beziehungen – da ist nichts mit rosaroter Traumwelt. Und um auf deinen Vater zurückzukommen: Kinder passen sich fast jeder Situation an, und so habt ihr euch daran gewöhnt, ihn nicht in eurem Leben zu haben. Aber er hat sich damit um eure Liebe gebracht.“

„Lass uns lieber nicht auf meinen Vater zurückkommen. Es gibt schönere Themen. Und schönere Dinge, die man tun kann.“ Voller Begehren musterte er sie.

Ihr Herz schlug wild. Noch immer war sie hin- und hergerissen zwischen Vernunft und Leidenschaft.

Nein, sie sollte ihn nicht küssen. Sie sollte nicht einmal auf der Ranch bleiben. Eigentlich konnte sie auch von ihrem Büro in Kansas City aus arbeiten. Dort würde sie auch besser vorankommen, weil Blake sie nicht ablenken konnte.

Die Frage war, ob sie das wirklich wollte. Es ging ja nur noch um ein paar Tage, bis sie den Auftrag erledigt hatte. Danach würden sie sich ohnehin nicht wiedersehen.

„Sierra“, sagte er leise. Er kam näher, bis er wieder dicht vor ihr stand.

Autor

Sara Orwig
<p>Sara’s lebenslange Leidenschaft des Lesens zeigt schon ihre Garage, die nicht mit Autos sondern mit Büchern gefüllt ist. Diese Leidenschaft ging über in die Liebe zum Schreiben und mit 75 veröffentlichten Büchern die in 23 Sprachen übersetzt wurden, einem Master in Englisch, einer Tätigkeit als Lehrerin, Mutter von drei Kindern...
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