Capri, Insel der Sehnsucht - 4 sommerliche Liebesromane

– oder –

 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

MONDSCHEIN ÜBER CAPRI von AMANDA BROWNING

"Vergiss ihn!" Nur zwei Worte – aber sie reichen, um Eleanoras Hoffnungen restlos zu zerstören. Seit sie mit dem attraktiven Jack eine Scheinbeziehung eingegangen ist, hat sie davon geträumt, dass er eines wundervollen Tages ihre Liebe erwidern wird. Doch jetzt erfährt sie von seinem Bruder, dass Jacks Herz schon seit Jahren nicht mehr frei ist. Verzweifelt glaubt Eleanora: Das riskante Spiel, das sie auf Capri mit ihm begonnen hat, ist aus. Sie muss die Insel verlassen, sich ihrem Schicksal fügen – und versuchen, die Liebe ihres Lebens für immer zu vergessen …

HAPPY END AUF CAPRI von ELIZABETH POWER

Hat Libby ihr Kind an die Schwiegereltern "verkauft"? Ihr Schwager Romano kann es nicht glauben. Kurzerhand entführt er sie nach Capri und merkt schnell: Er hat die bezaubernde junge Witwe, die er so leidenschaftlich begehrt, zu Unrecht verdächtigt. Ob Libby ihm verzeiht?

SINNLICHE KÜSSE AUF CAPRI von KATE HARDY

Ein verlorenes Hochzeitskleid und eine Frau, die er eigentlich nie wieder küssen wollte! Für Sean Farrell ist die gefährlich bezaubernde Claire Chaos pur. Nur um die Hochzeit seiner Schwester zu retten, hilft er ihr … Aber warum bringt ihre sinnliche Nähe ihn dann um den Verstand?

TRAUMTAGE AUF CAPRI von JANE PORTER

Auf Capri verlebt Payton wahre Traumtage: Goldene Sonne, blauer Himmel und eine Villa am Meer, mit einem Mann, der ihr jeden Wunsch erfüllt: ausgerechnet ihr Ex-Mann Marco d'Angelo, der sie während ihrer Ehe kaum beachtet hat! Warum kümmert er sich jetzt so liebevoll um sie?


  • Erscheinungstag 27.06.2024
  • ISBN / Artikelnummer 9783751529785
  • Seitenanzahl 442
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

IMPRESSUM

Mondschein über Capri erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg

Cora-Logo Redaktion und Verlag:
Postfach 301161, 20304 Hamburg
Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0
Fax: +49(0) 711/72 52-399
E-Mail: kundenservice@cora.de
Geschäftsführung: Katja Berger, Jürgen Welte
Leitung: Miran Bilic (v. i. S. d. P.)
Produktion: Christina Seeger
Grafik: Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn,
Marina Grothues (Foto)

© 2002 by Amanda Browning
Originaltitel: „A Shocking Passion“
erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe ROMANA
Band 1743 - 2003 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg
Übersetzung: Karin Weiß

Umschlagsmotive: AleksandarNakic / iStock

Veröffentlicht im ePub Format in 06/2024

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH , Pößneck

ISBN 9783751529860

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:
BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

Alles über Roman-Neuheiten, Spar-Aktionen, Lesetipps und Gutscheine erhalten Sie in unserem CORA-Shop www.cora.de

Werden Sie Fan vom CORA Verlag auf Facebook .

1. KAPITEL

Eleanora Frazier wartete am Hafen geduldig auf Pauls Ankunft. Der Himmel über ihr war wolkenlos und tiefblau, und vor ihr lag das glitzernde blaue Meer. Es herrschte ein lebhaftes, geschäftiges Treiben um sie her, und die Sonne schien warm auf ihre Arme und die ausgestreckten Beine.

Die bewundernden Blicke der Männer interessierten sie nicht. Sie hatte keine Lust zu flirten und wollte auch nicht angesprochen werden. Zu oft hatte sie mit ihren sechsundzwanzig Jahren immer wieder dieselben Komplimente und Bemerkungen gehört. Ihr war bewusst, dass sie mit ihrem schulterlangen blonden Haar, das sie momentan unter einem riesigen Strohhut verborgen hatte, den großen grauen Augen, die von langen, dichten Wimpern umrahmt wurden, und den schön geschwungenen Lippen die Aufmerksamkeit der Männer erregte. Mit ihrer schlanken Gestalt, den üppigen Rundungen und den geschmeidigen Bewegungen wirkte sie ungemein verführerisch. Ihr Aussehen hatte sie ihren skandinavischen Vorfahren zu verdanken, und sie bildete sich darauf nichts ein.

Manchmal glaubte Eleanora sogar, die Natur hätte ihr keinen großen Gefallen damit getan, sie mit so viel Schönheit auszustatten. Das hatte sie besonders in dem Moment gedacht, als sich herausgestellt hatte, dass Luke Thornton sie nie geliebt hatte. Obwohl sie nur kurze Zeit zusammen gewesen waren, war er ihr nicht treu gewesen. Sie hatte die einseitige Beziehung rasch beendet, nachdem ihr klar geworden war, dass sie sich in ihm getäuscht hatte und nichts mehr für ihn empfand. Deshalb hatte sie eigentlich nicht zu dem Familientreffen, das jedes Jahr in der großen Villa auf Capri stattfand, kommen wollen. Sie hatte es sich jedoch anders überlegt.

Schon als Teenager hatte sie für Luke geschwärmt. Sie hatte ihn verehrt und bewundert und fragte sich jetzt, weshalb sie so blind gewesen war und ihn nicht schon viel früher durchschaut hatte.

Er war der Zweitälteste ihrer drei Stiefbrüder. Paul war mit seinen dreißig Jahren der Jüngste und Jack der Älteste. Er war sechsunddreißig. Als ihre Mutter Tom Thornton, den Vater der drei Brüder, geheiratet hatte, war Eleanora zehn gewesen. Zuerst hatte sie Luke nur verehrt, doch als Teenager hatte sie sich in ihn verliebt. Glücklicherweise war das vorbei, und sie hatte unter der Trennung nicht gelitten. Und das bewies ihr, dass sie ihn nicht wirklich geliebt hatte.

Nur wenige Monate waren sie ein Liebespaar gewesen und hatten es die ganze Zeit vor der Familie verheimlicht. Darauf hatte Luke bestanden, und sie hatte viel zu spät begriffen, warum. Er war hinterhältig und liebte es, andere zu manipulieren und zu täuschen. Alle wären entsetzt darüber gewesen, wenn sie erfahren hätten, was sich zwischen ihm und Eleanora abspielte. Sie hatte nicht vor, mit ihrer Mutter oder ihrem Stiefvater über die kurze Affäre zu reden, denn niemand sollte wissen, wie dumm sie gewesen war.

Eigentlich war es erstaunlich, dass sie so viele Jahre geglaubt hatte, in Luke verliebt zu sein. Obwohl er sie kaum beachtete, hatte sie nicht aufgehört, ihn zu verehren. Auf dem College hatte sie natürlich andere junge Männer kennengelernt. Sie hatte gern geflirtet und auch zwei flüchtige Affären gehabt. Doch sie hatte Luke nie vergessen und fest daran geglaubt, dass sie eines Tages zusammen sein würden. Nach dem Studium konzentrierte sie sich auf ihren Beruf. Sie war Restauratorin und arbeitete in London. Luke sah sie nur selten, sie hörte jedoch nie auf, von ihm zu träumen. Und dann waren sie sich im vergangenen Jahr kurz vor Weihnachten auf einer Wohltätigkeitsveranstaltung begegnet, und Eleanoras Traum hatte sich endlich erfüllt.

Er hatte seinen ganzen Charme entfaltet, und sie war begeistert gewesen. Luke behauptete, er habe sich schon lange für sie interessiert, habe jedoch warten wollen, bis sie alt genug sei und nicht mehr zu Hause lebe. Eleanora hatte sich wie im siebten Himmel gefühlt, und sie wurden ein Liebespaar. Erst später war ihr klar geworden, dass er das alles sorgfältig geplant und nur auf den richtigen Moment gewartet hatte.

Schon bald war sie ernüchtert, denn er war auch mit anderen Frauen zusammen. Trotzdem dauerte es zwei Monate, bis sie sich eingestand, dass er sie nicht liebte, sondern nur benutzte, wenn er nach dem Ende irgendeiner Affäre bis zu dem Anfang einer neuen jemanden brauchte.

Und dann wurde ihr klar, dass sie ihn nicht liebte und auch nie geliebt hatte, und beendete die Affäre. Sie war in ihre Träume verliebt gewesen, aber nicht in Luke.

Als sie Luke erklärte, es sei aus zwischen ihnen, lachte er und behauptete, sie würde zu ihm zurückkommen, denn sie gehöre ihm. Er wollte nicht einsehen, dass sie weder ihm noch sonst einem Mann gehörte, und wurde zornig. Offenbar konnte er es nicht ertragen, dass eine Frau sich von ihm trennte. Eleanora hatte ihn mehr verachtet, als sie jemals für möglich gehalten hätte, und war froh gewesen, dass sie nichts mehr mit ihm zu tun hatte.

Als sie von Lukes Verlobung erfahren hatte, war sie überrascht gewesen. Ihrer Meinung nach liebte er seine Freiheit viel zu sehr, um sich zu binden. Doch manchmal geschahen die seltsamsten Dinge. Vielleicht hatte er sich wirklich verliebt. Aber egal, weshalb Luke sich verlobt hatte, Eleanora hatte sich entschlossen, entgegen ihrer ursprünglichen Absicht doch an dem Familientreffen teilzunehmen. Wenn sie nicht erschiene, würde Luke glauben, sie sei eifersüchtig. Außerdem würden ihre Mutter und ihr Stiefvater es seltsam finden, wenn sie nicht käme. Deshalb hatte sie am Abend zuvor auf Capri angerufen, um sich kurz mit ihrer Mutter zu unterhalten.

Leider war sie nicht da gewesen. Eleanora hatte mit Paul geredet. Das war ihr immer noch lieber, als mit Jack sprechen zu müssen, der ihr ein Gräuel war. Er hatte sie immer geneckt und verspottet und sich geweigert, ihre Schwärmerei für seinen Bruder ernst zu nehmen. Hätte ich nur auf ihn gehört, dachte sie jetzt. Jedenfalls hatte Paul sich gefreut, als sie erklärte, sie würde kommen. Und er hatte ihr versprochen, sie abzuholen. Doch offenbar hatte er sich verspätet, was sie nicht überraschte. Paul war Vulkanologe. Er saß wahrscheinlich am Computer und hatte sie völlig vergessen. Bei dem Gedanken musste Eleanora lächeln. Sie kannte ihn, er würde sich irgendwann an sein Versprechen erinnern und auftauchen.

Nachdem sie sich bequemer hingesetzt hatte, ließ sie den Blick über den Hafen gleiten. Dieses Fleckchen Erde hatte sie schon immer geliebt. Sie hatte die Schulferien hier verbracht, und später hatte sie geglaubt, es sei die perfekte Umgebung für eine romantische Liebesbeziehung. Leider gab es jedoch keine Garantie dafür, an so einem idyllischen Ort eine Romanze zu erleben.

Als sie ein gedämpftes Dröhnen hinter sich hörte, drehte sie sich um. Wenige Sekunden später schoss ein schwarzer Ferrari wie ein Pfeil aus einer der engen Straßen auf den Parkplatz. Eleanora beobachtete den dunkelhaarigen Mann, der aus dem Auto stieg, mit großen Augen. Er setzte die Sonnenbrille ab und legte sie achtlos auf das Armaturenbrett. Er wirkte sicher, beherrscht, ruhig und selbstbewusst. Neugierig geworden, beugte sie sich vor, um ihn besser sehen zu können. Es war jedoch unmöglich, die Entfernung war zu groß. Außerdem wurde Eleanora von der Sonne geblendet, und die Luft flimmerte in der Hitze.

Während sie ihn beobachtete, wie er, die Hände in die Hüften gestemmt, dastand und den Hafen absuchte, verspürte sie ein Kribbeln im Bauch und erbebte. In der hellen Sommerhose, die seine langen Beine betonte, und dem blauen Seidenhemd mit den hochgekrempelten Ärmeln und dem offenen Kragen sah er ungemein attraktiv aus. Sie schien ihn mit allen Sinnen wahrzunehmen.

„Wow!“, sagte sie leise vor sich hin. Wer immer er war, er hatte eine Ausstrahlung, die Eleanora sogar auf die Entfernung spürte. Am wichtigsten war ihr jedoch, dass sie sich überhaupt für ihn interessierte. Seit der Affäre mit Luke hatte sie geglaubt, sie könne für keinen Mann mehr etwas empfinden. Doch offenbar hatten ihre Gefühle nur geschlafen. Plötzlich hatte sie den Eindruck, eine dunkle Wolke hätte sich aufgelöst, und sie könne wieder leichter atmen.

Der Mann merkte nicht, dass sie ihn beobachtete. Er drehte sich um, als ihm jemand etwas zurief. Dann schlenderte er hinüber zu dem nahe gelegenen Gebäude und verschwand darin. Eleanora lehnte sich zurück und lächelte. Wahrscheinlich war er ein ganz besonderer Mann, sonst hätte sie nicht mit allen Sinnen auf ihn reagiert. Sie war froh, dass auf einmal ihr Interesse wieder erwacht war, denn es bewies ihr, dass Luke ihr überhaupt nichts mehr bedeutete. Und das war gut so.

Eleanora konnte sich nicht erinnern, dass jemals zuvor ein Mann solche Gefühle in ihr ausgelöst hatte. Nicht einmal Luke war es gelungen. Sie schüttelte verblüfft den Kopf. Ein Blick auf diesen Mann hatte genügt, und sie verspürte die seltsamsten Regungen. Offenbar war sie für sinnliche Reize immer noch empfänglich.

In dem Moment kam der Mann wieder aus dem Gebäude. Er lachte und winkte jemandem zu, ehe er in Eleanoras Richtung ging. Fasziniert und neugierig beobachtete sie ihn. Er bewegte sich so geschmeidig wie eine Raubkatze. Es gelang ihr einfach nicht, den Blick abzuwenden. Sie kannte niemanden, der sich mit ihm vergleichen ließ und eine solche Ausstrahlung besaß. Luke konnte mit ihm bestimmt nicht konkurrieren.

Wer war dieser Mann? Bald würde sie es wissen, denn je näher er ihr kam, desto deutlicher konnte sie ihn erkennen. Plötzlich breitete sich ungläubiges Erstaunen in ihr aus. Sie kannte sein Gesicht beinah genauso gut wie ihr eigenes. Er hatte ein energisches Kinn, ein markantes Profil und Lachfältchen um Augen und Lippen. Ausgerechnet auf Jack Thornton, ihren Stiefbruder, der sie immer nur verspottet hatte, reagierte sie so heftig.

Nein, so unfreundlich kann das Schicksal nicht sein, schoss es ihr durch den Kopf. Sie würde sicher gleich aufwachen und feststellen, dass sie nur geträumt hatte. Aber ob es ein Traum war oder nicht, sie war fasziniert und schockiert zugleich. Erst als ein Motorrad mit lautem Getöse vorbeifuhr, löste sich der Zauber auf. Sie blinzelte, doch es war immer noch Jack, der da auf sie zukam.

Eleanora wandte sich ab, während alle möglichen Gedanken auf sie einstürzten. So etwas war einfach unmöglich. Als sie Jack vor sechs Monaten das letzte Mal gesehen hatte, hatte sie nichts für ihn empfunden. Damals hatte sie noch geglaubt, in Luke verliebt zu sein, und mit Jack hatte sie sich wie immer nur gestritten. Was war jetzt anders?

Es ist unglaublich, dass ich so auf ihn reagiere, sagte sie sich. Glücklicherweise war ihr Gesicht unter dem Strohhut nicht zu erkennen, sodass Jack nicht ahnte, was in ihr vorging. Es wäre ihr peinlich gewesen, wenn er es gemerkt hätte. Ihre Reaktion auf ihn musste ihr Geheimnis bleiben. Normalerweise machte Jack sie nur zornig, deshalb verstand sie nicht, was auf einmal mit ihr los war.

Sie beobachtete Jack unter halb geschlossenen Lidern und bekam Herzklopfen. Wenige Meter vor ihr blieb er stehen, und sie hatte keine andere Wahl, sie musste ihn begrüßen. Nachdem sie eine gleichgültige Miene aufgesetzt hatte, hob sie den Kopf und sah Jack verächtlich an.

„Ach, du bist es“, stellte sie fest. Sie bemühte sich nicht, ihre Abneigung zu verbergen, und sogleich blitzte es in seinen Augen belustigt auf. Er hat zweifellos schöne blaue Augen, in deren unergründliche Tiefe man ertrinken könnte, gestand sie sich ärgerlich ein.

„Es ist immer wieder ein Vergnügen, dich zu sehen, Angel“, erklärte Jack Thornton spöttisch, während er sie ungeniert von oben bis unten musterte. Hat er das früher auch schon gemacht? fragte sie sich. Sie wusste es nicht. „Warum hast du so schlechte Laune? Hast du jemand anders erwartet? Es tut mir leid, dass ich dich enttäuschen muss, aber Luke ist mit seiner Verlobten beschäftigt. Er hat momentan keine Zeit, sich um dich zu kümmern.“

Luke wollte sie jetzt wirklich nicht begegnen. Aber sie war froh darüber, von ihrer unerwarteten Reaktion auf Jack abgelenkt zu werden. „Ich habe gar nicht mit Luke gerechnet. Paul hat versprochen, mich abzuholen“, entgegnete sie kühl. „Warum bist du gekommen?“

Jack lächelte sie an. Er freute sich, dass sie sich über seine Bemerkung ärgerte. „Er wartet auf eine wichtige Information. Deshalb hat er mich gebeten, dich abzuholen. Da ich nichts Besseres zu tun hatte, habe ich eingewilligt.“

„Du hast mich lange warten lassen“, warf sie ihm vor und war entschlossen, sich nicht provozieren zu lassen. Immer wieder wunderte sie sich darüber, wie verschieden die Brüder waren. Luke war ein Charmeur und ein Heuchler. Paul war lieb und nett, während Jack aus ganz anderem Holz geschnitzt war.

In seinen faszinierend blauen Augen blitzte es herausfordernd auf. „Spar dir das Theater, Eleanora. Schon als Kind bist du wegen jeder Kleinigkeit wütend geworden. Es hat mich jedoch noch nie beeindruckt.“

Sie atmete tief ein und bemühte sich, sich zu beherrschen. „Ich werde nie wütend, egal, wie sehr man mich provoziert“, entgegnete sie kurz angebunden.

Jack lachte. „Ah ja. Was hast du doch für ein schlechtes Gedächtnis, Angel. Du erinnerst dich nur an das, was dir passt. Ich könnte dir einen langen Vortrag darüber halten, wann und wie oft du Zornausbrüche hattest.“

Es schien ihm Spaß zu machen, ihr ihre Fehler und Schwächen vorzuhalten.

„Wir kommen vom Thema ab. Tatsache ist, ich warte hier schon länger als eine Stunde“, stellte sie fest. Dass es ihr nichts ausgemacht hatte und sie bis vor wenigen Minuten zufrieden hier gesessen und sich die Zeit vertrieben hatte, brauchte er nicht zu wissen.

„Leider ist Paul erst vor zwanzig Minuten eingefallen, dass du abgeholt werden wolltest. Ich habe unterwegs keine einzige Geschwindigkeitsbegrenzung eingehalten, nur um dich nicht noch länger warten zu lassen. Aber offenbar hat es dir gefallen, hier halb nackt herumzusitzen und allen Männern den Kopf zu verdrehen.“

Ich brauche nur fünf Minuten mit ihm zusammen zu sein, und schon fällt mir wieder ein, warum ich ihn nicht mag, überlegte sie. „Ich habe mehr an als die anderen Frauen, die hier in ihren winzigen Bikinis herumlaufen“, fuhr sie ihn an. Sie trug Shorts und ein ärmelloses Top und war ihrer Meinung durchaus korrekt angezogen.

Jack musterte sie wieder von oben bis unten und lächelte ironisch. „Ich habe gedacht, du hättest Luke beeindrucken wollen. Du hast dir ja schon alles Mögliche einfallen lassen. Mir war klar, dass du früher oder später versuchen würdest, ihn mit deinen weiblichen Reizen zu verführen“, erklärte er sanft.

Eleanora errötete. „Das würde ich nie tun“, protestierte sie. Es gefiel ihr nicht, dass Jack immer noch glaubte, sie sei an Luke interessiert. Doch das war letztlich ihre eigene Schuld. Sie konnte ihm wohl kaum anvertrauen, dass die Affäre längst beendet war, denn niemand ahnte, dass sie und Luke überhaupt eine gehabt hatten. Jack und die anderen wären entsetzt, wenn sie die Wahrheit erfahren würden.

„Wirklich nicht?“, fragte Jack. Sein Blick wurde etwas freundlicher.

„Nein!“, bekräftigte sie. Sie war empört über die Unterstellung, doch insgeheim gestand sie sich ein, dass sie als Teenager an so eine Möglichkeit gedacht hatte. Aber sie hatte nicht den Mut gehabt, es wirklich auszuprobieren. Außerdem kannte Jack sie gut genug. Er wusste bestimmt, dass es nicht ihr Stil war, Männer zu verführen.

Er schüttelte skeptisch den Kopf. „Es freut mich, das zu hören. Ich kann es jedoch nicht glauben. Dann hast du sicher etwas anderes in petto, oder?“

„Ich weiß nicht, wovon du redest. Ich habe jedenfalls keine Pläne“, stieß sie ärgerlich hervor und überlegte, wie sie ihm und den anderen klarmachen sollte, dass Luke ihr völlig gleichgültig war. Es war keine leichte Aufgabe, denn sie durfte die Affäre nicht erwähnen. Ihr Besuch bei ihrer Familie gestaltete sich offenbar schwieriger, als sie angenommen hatte.

„Willst du behaupten, du hättest dir nicht etwas ausgedacht, um die beiden auseinanderzubringen, nachdem du erfahren hast, dass Luke sich verlobt hat?“ Jacks Stimme klang kühl und gereizt.

„Ich habe mir nichts ausgedacht“, entgegnete sie so bestimmt, wie es ihr in dem Moment möglich war.

„Aber du würdest etwas unternehmen, wenn du sicher sein könntest, du hättest Erfolg damit, oder?“

Plötzlich traten ihr Tränen in die Augen. „Warum bist du so gemein?“, fragte sie leise und vorwurfsvoll.

Er seufzte. „Weil du dumm bist, Eleanora. Du sehnst dich nach etwas, was sowieso nicht geschehen wird“, antwortete er überraschend sanft. Ihr war die Kehle wie zugeschnürt.

In dem Moment wehte ihr ein Windstoß den Strohhut vom Kopf und in Richtung Wasser.

„O nein!“, rief sie aus und versuchte vergebens, nach ihm zu greifen.

Jack gelang es jedoch, den Hut in letzter Sekunde zu retten. Er betrachtete ihn belustigt. „Und auch deshalb bist du dumm, Eleanora. Du hättest ihn dem Wind und dem Wasser überlassen sollen.“ Mit ernster Miene reichte er ihr das gute Stück.

„Warum das denn? Er ist doch noch in Ordnung“, erwiderte sie und nahm den Strohhut entgegen.

„Luke hat ihn dir geschenkt“, stellte Jack spöttisch fest.

Das hatte sie völlig vergessen. Eine Zeit lang hatte sie ihn gern getragen, aber jetzt war er nur noch praktisch. Sie hob den Kopf und ärgerte sich darüber, dass Jack so ein gutes Gedächtnis hatte. „Na und?“, fragte sie.

Jack blickte ihr in die Augen. „Du solltest es aufgeben, Angel. Luke interessiert sich nicht für dich, das hat er noch nie getan. Er will dich nicht.“

Er hat recht, Luke hat nie eine dauerhafte Beziehung mit mir haben wollen, sondern nur eine Partnerin fürs Bett gebraucht, überlegte Eleanora. Obwohl sie sich keine Illusionen mehr machte, tat es weh, dass Jack die Wahrheit so schonungslos aussprach. Sie wurde blass, und ihre grauen Augen wirkten noch größer, als sie waren. „Du bist abscheulich“, stieß sie hervor. „Weißt du was? Ich glaube, es macht dir Spaß, mich zu verletzen.“

Ernst und entschlossen sah er sie an. „Angel, du bist nur verletzt, weil es die Wahrheit ist. Wach endlich auf, und schau dich um. Es gibt genug andere Männer, die froh wären, wenn du dich für sie interessiertest.“

Vielleicht stimmte es, aber die Wunde war noch zu frisch. Vorerst wollte Eleanora sich auf keine neue Beziehung einlassen. „Andere Männer sind mir egal“, entgegnete sie streitsüchtig. Ihr war bewusst, dass die Bemerkung falsch zu verstehen war, doch das konnte sie nicht ändern. Sollte Jack doch denken, was er wollte.

Er schüttelte den Kopf. „Dann verurteilst du dich selbst dazu, einsam und verbittert zu leben.“

Eleanora zog ihre langen Beine an und legte die Arme wie schützend darum. „Vielleicht, aber vielleicht auch nicht. Was immer geschieht, es ist mein Leben, nicht deins. Hör bitte auf, dich einzumischen.“

„Du liebe Zeit, du bist wirklich eigensinnig.“ Jack lachte.

Sie warf ihm einen vernichtenden Blick zu. „Und du bist abscheulich“, entgegnete sie. Als Jack sie freundlich anlächelte, breiteten sich so herrliche Gefühle in ihr aus, dass sie beunruhigt war. Was war mit ihr los? Ach, ich bin nur nervös, das ist alles, redete sie sich dann ein. Er machte sie verrückt und sollte endlich lernen, seine Weisheiten für sich zu behalten. Sie hatte genug mit ihren eigenen Gedanken zu tun.

Jack schüttelte den Kopf und reichte ihr die Hand. „Komm, lass uns nach Hause fahren. Du bist müde und hungrig. Wenn du dich ausgeruht und etwas gegessen hast, hellt sich deine Stimmung hoffentlich auf.“

„Du machst es schon wieder“, erwiderte sie gereizt. Sie nahm jedoch seine Hand und ließ sich von ihm hochziehen.

Dummerweise stolperte sie dabei über ein Tau und wäre hingefallen, wenn Jack sie nicht festgehalten hätte. Eleanora fand sich mit dem Gesicht an seiner muskulösen Brust wieder. Sogleich gerieten ihre Gefühle in Aufruhr, ihr kribbelte die Haut, und sie war sich seiner Kraft, seines muskulösen Körpers und seines Duftes viel zu sehr bewusst. Es kam ihr vor wie ein Angriff auf all ihre Sinne. Plötzlich war nichts mehr so, wie es gewesen war. Ihr ganzer Körper schien sich auf Jack zu konzentrieren.

„Ist alles in Ordnung?“, fragte er belustigt und leicht besorgt.

Eleanora war immer noch verwirrt. Sie hob den Kopf und suchte in Jacks Gesicht nach Hinweisen oder Erklärungen für das, was soeben geschehen war. So etwas hatte sie noch nie erlebt.

Irgendetwas schien er aus ihrem Blick zu lesen, denn er wurde ganz still und sah sie nachdenklich an. Eleanora nahm das geschäftige Treiben und den Lärm um sie her nicht mehr wahr und glaubte, ganz allein mit Jack zu sein. Es war ein seltsamer Augenblick, der schwer zu beschreiben war. Es kam ihr vor, als wäre etwas Elementares geschehen, das eine unglaubliche Macht zu besitzen schien.

„Fühlst du dich wohl?“ Jacks Stimme klang sanft und leicht ironisch.

Eleanora kehrte unvermittelt in die Wirklichkeit zurück und bemerkte, dass es in seinen Augen rätselhaft aufleuchtete. Und dann wurde ihr bewusst, dass sie sich noch immer an ihn lehnte und keine Anstalten machte, sich von ihm zu lösen. Sie war entsetzt über sich selbst und zwang sich zu handeln.

„Was machst du da?“, fuhr sie ihn an und stieß ihn von sich. Dann atmete sie tief ein und aus.

„Ich habe verhindert, dass du ins Wasser fällst“, antwortete er unbekümmert und schob die Hände in die Taschen seiner hellen Hose.

Sie strich sich das Haar aus der Stirn und zog betont langsam ihre Shorts und das Top zurecht, während sie sich verzweifelt bemühte, ihr seelisches Gleichgewicht wiederzugewinnen. „Okay, danke. Aber du hättest mich nicht so lange festzuhalten brauchen“, erklärte sie und stöhnte insgeheim auf. Was hatte sie sich dabei gedacht? Sie konnte sich gut vorstellen, was für Signale sie ausgesandt hatte. Gerade erst hatte sie die aussichtslose Beziehung mit Luke Thornton beendet, und schon ließ sie sich mit dem nächsten Thornton ein.

Jack wippte auf den Absätzen vor und zurück und blickte sie amüsiert an. „Ehrlich gesagt, nicht nur ich habe dich festgehalten, sondern du mich auch“, korrigierte er sie sanft.

„Nein, das habe ich nicht, Jack“, protestierte sie vehement und schaute ihn an. Unter keinen Umständen würde sie zugeben, dass er recht hatte.

„Für mich hat es sich aber so angefühlt“, erwiderte er lächelnd.

Sie konnte ihm nicht mehr in die Augen sehen und wandte sich ab. „Dann hast du dich getäuscht.“ Lieber würde sie alles Mögliche ertragen und erdulden, als sich noch einmal an ihm festzuhalten. Du liebe Zeit, sie lebte seit Jahren mit ihm auf Kriegsfuß und durfte nicht vergessen, dass er sie nicht mochte.

„So? Ich frage mich, ob du weißt, wie verräterisch deine Reaktion war.“

O nein, das ist typisch Jack, er macht jetzt eine große Sache daraus, überlegte sie gereizt. Sie verschränkte die Arme. „Wenn ich damit verraten habe, dass ich dich nicht mag, dann ist es in Ordnung.“ Sie warf ihm einen kühlen Blick zu.

Jack fuhr sich durchs Haar. „Wie interessant! Genau das hast du damit nicht verraten.“

Ja, das ist das Problem, schoss es ihr durch den Kopf. „Ach, das nächste Mal mache ich es besser. Können wir gehen?“

„Willst du denn nicht wissen, was ich aus deiner Reaktion schließe?“, neckte er sie.

Was auch immer es war, es würde ihr nicht gefallen, dessen war sie sich sicher. „Nein, es interessiert mich nicht“, erklärte sie.

„Du hast es auch gespürt. Das habe ich dir angesehen“, stellte er fest.

Bei seiner Bemerkung erbebte Eleanora, und die Kehle war ihr wie zugeschnürt. Sie wollte das Thema beenden, doch sie wollte Jacks Behauptung auch nicht einfach hinnehmen. „Nein, das habe ich nicht.“

„Lügnerin“, antwortete er sanft. „Du hast gespürt, dass uns etwas verbunden hat. Es war so, als würden tausend kleine Funken sprühen. Ob es dir gefällt oder nicht, es hat sich für dich gut angefühlt, in meinen Armen zu sein, stimmt’s?“

Es überlief sie heiß. Sie gestand sich ein, dass es sich wirklich gut angefühlt hatte. Aber sie würde es niemals zugeben, denn sie wollte solche Gefühle gar nicht für ihn haben. Die Katastrophe wäre vorprogrammiert, wenn sie sich auf eine Beziehung mit ihm einließe. Deshalb lachte sie und blickte ihn an. „Du hast schon viel Unsinn geredet in deinem Leben, Jack. Doch das ist das Lächerlichste, was ich jemals von dir gehört habe.“

Er lächelte so arrogant, dass sie ihn am liebsten geohrfeigt hätte. „Wir werden ja sehen.“

„Das werden wir nicht.“

„Du brauchst nicht gleich zu erschrecken.“

Sie warf ihm einen finsteren Blick zu. „Du wirst nicht erleben, dass ich vor dir erschrecke.“

„Ich habe nicht von mir, sondern von deinen Gefühlen geredet.“

Eleanora verstand überhaupt nichts mehr. „Wie meinst du das?“

„Ach, ich meine, es kann nicht falsch sein, jemand anderen als Luke zu begehren.“

„Du bist wirklich großzügig. Ich bin froh, dass du es mir erlaubst“, erwiderte sie ironisch.

„Wie könnte ich es dir nicht erlauben, wenn es sich bei dem anderen Mann um mich handelt?“ Er lächelte sie an.

Dieser arrogante Kerl! schoss es ihr durch den Kopf. „Jetzt reicht es. Ich brauche mir das nicht mehr anzuhören.“ Sie biss die Zähne zusammen, setzte sich den Strohhut wieder auf und griff nach ihrem Gepäck. Dann ging sie einfach weg. Dieser Mann hätte es verdient, ins Wasser gestoßen zu werden, überlegte sie.

„Wohin willst du?“, fragte er und folgte ihr.

„Ich nehme mir ein Taxi“, erklärte sie, ohne ihn anzusehen.

Er lachte. „Viel Glück. Wir sind in der Hochsaison. Wenn du ein Taxi findest, esse ich deinen Hut.“

„Ach, lass mich in Ruhe“, forderte sie ihn auf. Sie wusste natürlich, dass er recht hatte. In den Sommermonaten musste man lange auf ein Taxi warten.

„Durch Weglaufen änderst du nichts“, stellte er fest.

Sie blieb unvermittelt stehen und stellte ärgerlich ihr Gepäck ab, ehe sie ihn anblickte. „Ich laufe nicht weg. Ich wüsste gar nicht, wovor.“ Deutlicher konnte sie ihm nicht zu verstehen geben, dass sie sich für ihn nicht interessierte.

„Das musst du mir beweisen. Lass uns heute Abend zum Essen ausgehen.“

Eleanora war verblüfft. „Soll ich etwa riskieren, dass sich mir der Magen umdreht? Nein, danke“, lehnte sie ab. Es wäre verrückt, mit ihm allein zu sein, ehe sie ihre beunruhigenden Reaktionen besser unter Kontrolle hatte. Das ist alles nur eine Frage der Zeit, versuchte sie sich einzureden.

„Damit du es weißt, Luke und Andrea gehen heute Abend auch zum Essen aus“, erzählte Jack.

Er wäre überrascht, wenn er ahnte, wie froh ich darüber bin, Luke heute nicht zu begegnen, dachte sie und zuckte die Schultern. „Dann habe ich wenigstens Zeit genug für unsere Eltern.“

„Es tut mir leid, dich enttäuschen zu müssen, aber es ist ihr Bridgeabend“, wandte er ein, ohne ein Anzeichen von Bedauern erkennen zu lassen.

„Es macht dir Spaß, stimmt’s?“ Eleanora sah ihn ärgerlich an. Sein Lachen bewies ihr, dass sie recht hatte.

„Ich habe dich schon immer amüsant und unterhaltsam gefunden. Was ist dir lieber? Willst du mit mir zum Abendessen ausgehen oder dich mit Paul über Vulkanologie unterhalten?“

Sekundenlang schloss sie die Augen. Das war keine echte Alternative, wie er genau wusste. Paul war ein lieber, netter Mensch, aber manchmal war er, vorsichtig ausgedrückt, etwas langweilig, weil er sich hauptsächlich für Vulkane interessierte.

„Okay, ich komme mit“, erwiderte sie widerwillig. Bis zum Abendessen hätte sie sich bestimmt unter Kontrolle und würde nicht wieder die falschen Signale aussenden.

Jack beugte sich vor und griff nach ihrem Gepäck, ehe er sie zu seinem Auto dirigierte. „Du bist ausgesprochen freundlich und charmant, Angel.“

Sie ließ sich auf den Beifahrersitz sinken, während Jack das Gepäck im Kofferraum verstaute. „Ich kenne dich zu gut, um wegen einer Einladung zum Essen ganz aus dem Häuschen zu geraten.“

„Wirklich, Eleanora?“, fragte er und setzte sich neben sie. Ohne Zeit zu verlieren, startete er den Motor und fuhr los. „Du wärst überrascht, wenn du wüsstest, wie wenig du mich kennst.“

Sie sah ihn von der Seite an, aber er konzentrierte sich auf den Verkehr. „Wir haben alle unsere Geheimnisse“, antwortete sie. Ihre Geheimnisse würden die ganze Familie schockieren. Und genau deshalb musste sie sie für sich behalten.

„Möchtest du nicht herausfinden, was ich für welche habe?“

Sie seufzte, während sie den Hügel hinauffuhren. Von hier oben hatte man eine herrliche Aussicht. „Das wäre sinnlos und würde nichts daran ändern, dass wir uns nicht mögen.“

„Mögen wir uns wirklich nicht?“ Seine Stimme klang sanft.

Eleanora sah ihn scharf an. „Willst du damit sagen, dass du mich magst?“

Jack lächelte, ohne den Blick von der Straße abzuwenden. „Es gibt vieles, was einem an dir gefallen kann, Angel.“

„Ach ja?“ Plötzlich wurde ihr bewusst, wie dumm die Bemerkung klang. „Ich bin überrascht und weiß nicht, was ich dazu sagen soll.“

„Deine Gefühle für meinen Bruder verwischen natürlich den positiven Eindruck etwas, den man von dir haben kann. Aber du wirst die lächerliche Verliebtheit bestimmt überwinden.“

Sie atmete tief ein. Jetzt musste sie ihn schon wieder täuschen und ihm etwas vormachen. „Was ich für Luke empfinde, ist keineswegs lächerlich.“

„Wenn du zehn Jahre jünger wärst, würde ich dir zustimmen.“

Eleanora wandte sich ihm zu. „Das Alter hat damit nichts zu tun, dafür bist du das beste Beispiel. Du bist sechsunddreißig und immer noch nicht verheiratet. Bist du nicht etwas zu alt, um immer noch den Playboy zu spielen?“

Er lächelte wieder. „Nein, das ist man nicht, wenn man weiß, dass man die Frau, die man liebt, nicht haben kann, Angel.“

Es dauerte einige Sekunden, bis sie begriff, was er da gesagt hatte. Sie war verblüfft. „Heißt das, du hast die Frau, die du liebst, verloren?“

„Lass es mich so ausdrücken, wegen gewisser Hindernisse konnten wir nicht zusammenkommen. Deshalb habe ich irgendwann beschlossen, die Sache zu vergessen und mich anderweitig umzusehen. Und ich bin immer noch auf der Suche“, erklärte er ruhig.

„Hat es nicht sehr wehgetan?“, fragte sie mitfühlend. Wenn ich Luke hätte aufgeben müssen, ehe ich wusste, was für ein Mensch er wirklich ist, hätte ich auch sehr gelitten, fügte sie insgeheim hinzu.

„Danke, dass du mir zutraust, nicht ganz gefühllos zu sein. Ja, es hat wehgetan. Aber ich war nicht bereit, meine Zeit damit zu verschwenden, mich nach jemandem zu sehnen und jemandem nachzutrauern, den ich nicht haben kann“, antwortete er.

Sie biss sich auf die Lippe. „So wie ich, meinst du.“ Sie seufzte und wünschte, sie hätte sich nur nach Luke gesehnt und verzehrt, statt wirklich mit ihm zusammen gewesen zu sein. Ich habe zu viel Zeit verschwendet, und die bekomme ich nie zurück, überlegte sie.

„Sei nicht zu traurig. Eines Tages wirst du genau wie ich zur Vernunft kommen. Und dann stehen dir alle Möglichkeiten offen.“

Eleanora schüttelte den Kopf. „Nein, so einfach ist das alles nicht.“

Jack bog auf die abschüssige Straße ein, die zu der Villa ihrer Eltern führte. „Ich wette mit dir, du hast Luke vergessen, sobald der Sommer zu Ende ist.“

Ich werde Luke nie vergessen, aber aus ganz anderen Gründen, als Jack ahnt, dachte sie. „Und was bekomme ich, wenn du die Wette verlierst?“, fragte sie so sicher und überzeugt, wie er es wahrscheinlich erwartete.

Er hielt den Wagen vor dem weit gestreckten, weiß verputzten Gebäude mit dem Dach aus Terrakottaziegeln an. Solche Dächer fand man nur im Mittelmeerraum.

„Angel, wenn du gewinnst, kannst du dir aussuchen, was du haben willst. Was bekomme ich, wenn ich gewinne?“ Seine Stimme klang sanft, und in seinen Augen blitzte es rätselhaft auf.

„Dann kannst du es dir natürlich auch aussuchen“, erwiderte sie großzügig.

Er streckte die Hand aus und ließ die Finger liebevoll über ihre Wange bis zum Kinn gleiten. „Ich werde dich daran erinnern, Angel“, erklärte er und lächelte, ehe er aus dem Auto stieg. „Ach, da ist noch etwas, was du wissen musst“, fügte er hinzu, während er den Kofferraum öffnete.

Eleanora betastete die Wange und stieg auch aus. Ihre Haut schien zu brennen, wo Jack sie berührt hatte.

„Was denn?“, fragte sie.

„Du wolltest doch erst nicht kommen. Deshalb hat deine Mutter dein Zimmer Andrea überlassen. Du musst wohl oder übel in dem Gästezimmer neben meinem schlafen.“ Ohne ihre Antwort abzuwarten, drehte er sich um und ging zum Haus. Ihm war sowieso klar, wie sie reagieren würde.

Sie biss die Zähne zusammen und sah wütend hinter ihm her. Das hatte ihr gerade noch gefehlt. Zuerst weckte der Mann, mit dem sie sich, solange sie denken konnte, nur gestritten hatte, die seltsamsten Gefühle in ihr, und jetzt musste sie auch noch erfahren, dass man sie aus ihrem Zimmer ausquartiert hatte.

2. KAPITEL

Eleanora zog sich nach dem Duschen die winzigen Dessous aus schwarzer Spitze an und lief mit bloßen Füßen über die kühlen Fliesen des Gästezimmers. Sie war deprimiert. Ihre Mutter hatte kaum Zeit gehabt, sich mit ihr zu unterhalten, ehe sie sich für den Bridgeabend hatte umziehen müssen. Aber die wenigen Minuten, die sie miteinander geredet hatten, waren schlimmer gewesen als die Begegnung mit Jack.

Ich hasse es, andere zu täuschen und ihnen etwas vorzuspielen, sagte sie sich. Damit hatte Luke offenbar nie ein Problem gehabt, doch er hatte ja auch kein Gewissen, wie Eleanora hatte feststellen müssen. Sie hatte darunter gelitten, ihre Familie zu belügen, und auch während des kurzen Gesprächs mit ihrer Mutter an diesem Abend hatte sie sich sehr unbehaglich gefühlt.

Nachdem Mary Thornton sich vergewissert hatte, dass es ihrer Tochter gut ging, hatte sie Eleanora ermutigend die Hand gedrückt. „Wie fühlst du dich dabei, dass Luke und Andrea sich verlobt haben?“

Seltsamerweise hatte Eleanora mit dieser Frage nicht gerechnet. Fieberhaft hatte sie nach einer Antwort gesucht, bis ihr einfiel, dass für ihre Mutter und Tom dasselbe galt wie für Jack. Sie musste ihnen klarmachen, dass sie die Gefühle für Luke überwunden hatte, ohne darauf einzugehen, warum und weshalb.

„Natürlich war ich überrascht, weil Luke es nie lange bei einer Frau ausgehalten hat. Aber um ehrlich zu sein, es berührt mich überhaupt nicht, dass er sich mit Andrea verlobt hat. Ich bin auch nicht eifersüchtig. Ist das nicht erstaunlich? Was auch immer ich für Luke empfunden habe, es ist vorbei. Deshalb habe ich auch kein Problem damit, zu hoffen, dass die beiden glücklich werden“, erwiderte sie schließlich.

„Das freut mich, Liebes. Wir sind froh, dass du dich doch noch entschlossen hast zu kommen. Tom und mir war klar, du würdest früher oder später begreifen, dass es nur eine Schwärmerei war und du keine tieferen Gefühle für Luke hast. Ich bin erleichtert, dass es vorbei ist. Du musstest weitergehen. Ich hatte schon befürchtet, du würdest dem richtigen Mann nicht begegnen, nur weil du auf den falschen fixiert warst. Ich will damit nicht sagen, dass Luke grundsätzlich für alle Frauen der falsche Mann ist, aber für dich wäre er es. Glücklicherweise gehört das jetzt der Vergangenheit an.“

Ihre Mutter hatte so zufrieden gelächelt, dass Eleanora nichts anderes hatte tun können, als auch zu lächeln, obwohl ihr eigentlich zum Weinen zu Mute war. Alle hatten gewusst, dass Luke nicht der richtige Mann für sie war, nur sie hatte es nicht wahrhaben wollen. Eigensinnig war sie ihren eigenen Weg gegangen, und jetzt musste sie die Folgen tragen. Es wäre schön gewesen, sich an der Schulter ihrer Mutter auszuweinen. Doch sie hatte ihre Mutter und die anderen zu lange getäuscht und belogen und musste allein mit ihrem Kummer zurechtkommen. Deshalb zwang sie sich, eine heitere Miene aufzusetzen und sich eine Zeit lang mit ihrer Mutter zu unterhalten. Schließlich war ihre Mutter davongeeilt, und Eleanora hatte sich unglücklich auf das Bett fallen lassen. Die Kehle war ihr wie zugeschnürt gewesen vor lauter ungeweinter Tränen.

„Wenigstens habe ich meine Mutter glücklich gemacht“, sagte sie leise vor sich hin und seufzte. „Sie glaubt, die Sache mit Luke sei Vergangenheit, und das ist sie für mich auch. Leider ist das nur ein kleiner Trost, denn ich bin viel zu spät aufgewacht“, fügte sie hinzu und schnitt ein Gesicht.

Plötzlich klopfte es an der Tür.

„Bist du angezogen?“, rief Jack. Ohne ihre Antwort abzuwarten, öffnete er die Tür und kam vergnügt herein.

Eleanor war schockiert und stand wie erstarrt da. Sie kam sich vor wie ein Kaninchen im Scheinwerferlicht eines Autos. Auch Jack blieb sekundenlang wie angewurzelt stehen. Und was dann folgte, hätte eine Provinzposse sein können. Eleanora schrie leise auf, als ihr einfiel, dass sie halb nackt war. Sie griff hastig nach ihrem Morgenmantel aus Seide, der auf dem Bett lag, und hielt ihn wie schützend vor sich, während Jack herumwirbelte und ihr den Rücken zudrehte.

„Du hast Nerven!“, fuhr sie ihn wütend an und schaffte es vor lauter Aufregung nicht, in den Morgenmantel zu schlüpfen.

Jack blickte über die Schulter und bemerkte, dass sie ein Problem hatte. „Stimmt“, antwortete er belustigt. Dann drehte er sich wieder um und kam auf sie zu. „Ich muss sagen, du siehst in Schwarz ungemein verführerisch aus. Ich helfe dir“, bot er ihr an und streckte die Hand aus.

Sie schlug jedoch seine Hand weg. „Fass mich nicht an!“, forderte sie ihn auf. Sogleich wich Jack zurück, verschränkte die Arme und schloss die Augen. Eleanora blinzelte. „Was soll das denn jetzt?“, fragte sie gereizt. Das war typisch für ihn, er brachte sie immer durcheinander, indem er etwas völlig Überraschendes tat.

„Ich mache die Augen zu, damit du den Morgenmantel anziehen kannst. Aber ich sehe dich sowieso klar und deutlich im Geist vor mir. Du glaubst gar nicht, welche Auswirkungen das hat“, neckte er sie.

Am liebsten hätte sie ihn geohrfeigt. Doch stattdessen nutzte sie die Zeit sinnvoller und zog den Morgenmantel an. Ihre Hände zitterten etwas, als sie den Gürtel zuband. Dann durchquerte sie den Raum und blieb an der anderen Seite des Bettes stehen. Sie hielt es für besser, eine möglichst große Entfernung zwischen ihn und sich zu legen. „Gehst du immer ungebeten in die Schlafzimmer anderer Leute?“, stieß sie hervor.

Jack öffnete die Augen wieder. „Ich habe dich gefragt, ob du angezogen bist.“

„Und dann bist du einfach hereingekommen. Du bist unmöglich, Jack Thornton. Ich könnte dich ohrfeigen“, erklärte sie ärgerlich.

„Keine Angst, ich werde sicher heute Nacht nicht schlafen können. Das ist Strafe genug. Weißt du überhaupt, was in einem Mann vorgeht, der dich in diesen winzigen Dessous sieht?“, flirtete er ungeniert mit ihr.

Wahrscheinlich geht in ihm etwas Ähnliches vor wie in mir bei seinem Anblick, überlegte sie. Ihr fiel auf, wie ungemein sexy er in dem Abendanzug wirkte. Er war wirklich sehr attraktiv, und seiner sinnlichen Ausstrahlung konnte sich vermutlich keine Frau entziehen. Ihr kribbelte die Haut, und es überlief sie heiß. Sogar ihr Atem ging schneller als sonst.

Warum habe ich nie zuvor bemerkt, wie charismatisch er ist? fragte sie sich. Es lag sicher daran, dass sie ihn nicht als Mann, sondern als Nervensäge wahrgenommen hatte. Das hatte sich geändert. Die Gefühle, die sich in ihr ausbreiteten, waren sowohl aufregend und erregend als auch störend. Eleanora wollte nicht auf seine Ausstrahlung und sein Charisma reagieren. Er war ein Thornton, und ihre bisherige Erfahrung mit einem Thornton war alles andere als erfreulich.

Sie entschloss sich, Jacks provozierende Frage zu ignorieren. Sie verschränkte die Arme, und diese Geste wirkte aggressiv und abweisend zugleich.

„Okay, da du nun einmal hier bist, kannst du mir verraten, was du willst“, kam sie zur Sache.

In seinen Augen blitzte es auf. „Das solltest du in dieser Situation nicht fragen. Wie könnte ich vergessen, dass du unter dem Morgenmantel beinah nackt bist und nur winzige Dessous aus schwarzer Spitze anhast? Jeder einigermaßen normal empfindende Mann würde dasselbe wollen wie ich.“ Seine Stimme klang so weich und verführerisch, dass Eleanora Herzklopfen bekam.

Sie blickte ihn mit großen Augen an. Natürlich war sie daran gewöhnt, dass Männer mit ihr flirteten. Es war ihr jedoch immer gleichgültig gewesen, und sie hatte nie darauf reagiert. Deshalb war sie überrascht, dass es ihr gefiel, wie Jack mit ihr redete.

„Sei bitte ernst“, forderte sie ihn etwas zu atemlos auf und hoffte, er würde es nicht merken. Aber ihm entging kaum etwas.

„Weshalb glaubst du, es sei nicht ernst gemeint?“ Er zog eine Augenbraue hoch.

Eleanora wünschte, sie hätte nicht damit angefangen. Jetzt hatte sie keine andere Wahl, sie musste antworten. „Weil du solche Gedanken in Zusammenhang mit mir gar nicht hast.“

„Ach, wirklich nicht?“ Er verzog die Lippen.

Sie atmete tief ein. „Jedenfalls solltest du sie nicht haben.“

„Warum nicht?“

„Weil wir … Na ja, du und ich sind …“ Sie verstummte und blickte ihn verwirrt und bestürzt an.

Jack lächelte, es wirkte jedoch keineswegs spöttisch. „Wir sind noch gar nichts, aber wir werden etwas sein“, versprach er ihr selbstbewusst.

Ihr Herz klopfte viel zu heftig. „Das ist doch Unsinn“, protestierte sie schwach. Seine Andeutung brachte sie aus dem seelischen Gleichgewicht.

Er sah sie fragend an. „Warum bist du so nervös, wenn es wirklich Unsinn ist?“

Ja, warum reagiere ich so seltsam? überlegte sie. Jack hatte sie im Lauf der Jahre unzählige Male im Bikini am Strand gesehen, ohne dass es sie berührt hätte. Die Erklärung war einfach: Sie nahm ihn auf einmal als sehr attraktiven Mann wahr, und das irritierte sie. Sie war sich ihrer Weiblichkeit viel mehr bewusst als zuvor. Und sie fand es ungemein erregend, wie Jack sie anschaute. Sie bemühte sich sehr, ihre Gefühle zu ignorieren, doch es gelang ihr nicht. Es war beängstigend, dass sie ihre Reaktionen nicht mehr unter Kontrolle hatte. Dabei hätte sie gerade jetzt einen klaren Kopf bewahren müssen.

Natürlich konnte sie nicht mit Jack darüber reden. Sie atmete tief ein und aus. „Wenn ich nervös bin, liegt es nur daran, dass du dich anders als sonst verhältst. Dein Benehmen entspricht nicht deinem Charakter“, improvisierte sie.

Er zog die Augenbrauen hoch. „Ach ja? Sag mir eins, Eleanora: Wann hast du dich jemals lange genug mit mir befasst, um zu wissen, was für einen Charakter ich habe?“, fragte er sanft. „Für dich hat doch außer Luke kein anderer Mann existiert. Okay, du bist mit anderen ausgegangen, hast vielleicht die eine oder andere flüchtige Affäre gehabt. Aber das hat dich nie berührt, stimmt’s?“

Sie fühlte sich unbehaglich. Er hat recht, gestand sie sich schuldbewusst ein. Die Männer, mit denen sie vor der Affäre mit Luke zusammen gewesen war, waren nur Lückenbüßer gewesen. Sie hatte sich nicht wirklich für sie interessiert. Und das war unfair gewesen, denn sie hatten etwas Besseres verdient gehabt und sie auch.

Das konnte sie jedoch nicht zugeben. Sie hob das Kinn und tat so, als wäre sie immer noch hoffnungslos in Luke verliebt. „Ich habe nie einen anderen Mann haben wollen“, erklärte sie. Doch noch während sie die Worte aussprach, wurde ihr bewusst, dass sie besser geschwiegen hätte.

„Das war vielleicht bis gestern so, Angel, doch heute ist alles anders. Ob es dir gefällt oder nicht, jetzt existiere ich für dich.“

Ihr war die Kehle wie zugeschnürt, und sie spielte mit dem Gürtel ihres Morgenmantels. „Du hast doch schon immer für mich existiert.“

Jack lächelte nicht mehr, und Eleanora bekam wieder dieses Herzklopfen, das ihr beinah schon vertraut war. „Genau. Der Unterschied ist nur, du nimmst mich jetzt bewusst wahr. Es gibt kein Zurück mehr. Tief in deinem Innern fängst du an zu begreifen, dass du mich begehrst.“

Beinah hätte sie laut gelacht. Wenn er wüsste, dass ich das schon begriffen habe, schoss es ihr durch den Kopf. Aber sie musste es abstreiten. „Ich begehre dich nicht.“

„Weil du Luke begehrst? Er ist nicht mehr zu haben, Angel. Ich hingegen wäre mehr als bereit, seinen Platz einzunehmen.“

Nein, ein Thornton reicht mir, dachte sie. „Das wird höchstens in deinen Träumen passieren“, erwiderte sie spöttisch. Ärgerlich stellte sie fest, dass er nur lächelte.

„In meinen Träumen ist es schon geschehen.“

„Das stimmt nicht!“

Er lachte. „Gib es zu, Angel, die Idee gefällt dir.“

Sie versteifte sich und setzte eine abweisende Miene auf. In Wahrheit jedoch fand sie den Gedanken geradezu betörend. „Nein, niemals!“, stieß sie hervor.

Jack neigte nachdenklich den Kopf zur Seite. „Was willst du damit sagen? Gefällt dir die Idee nicht? Oder würdest du es niemals zugeben?“

Dieser verdammte Kerl hat schon wieder recht, überlegte sie und warf ihm einen betont arroganten Blick zu. „Das musst du selbst herausfinden.“

„Ich würde an deiner Stelle die perfekte, kleine Nase nicht noch höher tragen, Angel, sonst erfriert sie dir eines Tages“, entgegnete er und lachte.

Rasch wandte sie sich ab. „Bist du jetzt fertig?“

Er war belustigt. „Ich habe doch noch gar nicht angefangen.“

Eleanor zeigte mit dem Finger auf ihn. „Du hast in dem Moment angefangen, als du ins Zimmer gekommen bist, du … du …“ Sie gestikulierte verzweifelt mit den Händen, weil ihr kein passender Ausdruck einfiel. „Verdammt, Jack, du machst mich wütend. Wenn du erreicht hast, was du erreichen wolltest, kannst du ja wieder gehen.“

„Weißt du was? Es macht Spaß, dich zu ärgern. Du gehst immer so wunderschön in die Luft, dass ich der Versuchung nicht widerstehen kann“, gab er zu.

„Hast du das alles nur gesagt, um mich wütend zu machen? Stimmte das alles etwa gar nicht?“ Weshalb war sie auf einmal so enttäuscht? Sie wollte doch gar nichts mit ihm zu tun haben, oder?

„Oh, ich habe alles ernst gemeint“, antwortete er ruhig, während er auf sie zuging. Dann streckte er die Hand aus und strich ihr eine Strähne ihres Haares aus dem Gesicht. „Auch wenn es abgedroschen klingt, es ist die Wahrheit: Du bist ungemein schön, wenn du wütend bist.“

Erleichterung breitete sich in ihr aus. Sekundenlang konnte sie nichts anderes tun, als ihn irritiert anzusehen. Schließlich schüttelte sie den Kopf. „Hältst du es nicht für gefährlich, mich wütend zu machen?“

„Ich kann damit umgehen, dass du mit allen möglichen Gegenständen nach mir wirfst, es sei denn, du kannst wesentlich besser zielen als früher. Du konntest noch nicht einmal einen Ball werfen.“ Er lachte in sich hinein.

Es zuckte um ihre Mundwinkel. „Ich kann mich daran erinnern, wie sehr du dich einen Sommer lang bemüht hast, es mir beizubringen“, sagte sie und dachte an die Zeit zurück, als ihr Leben noch viel unkomplizierter gewesen war.

„Du warst ein hoffnungsloser Fall. Ich habe mich selbst ermutigt, indem ich mir eingeredet habe, du wärst dafür umso besser in irgendetwas anderem. Immerhin bringt es dich nicht weiter, wenn du gut bist im Ballwerfen“, erklärte Jack und verzog das Gesicht.

„Ich bin gut in meinem Job.“

Jack nickte und wurde wieder ernst. „Ja, das bist du. Ich wünschte, du wärst in allem anderen auch so gut gewesen.“

„Was soll das heißen?“ Eleanora runzelte die Stirn.

„Angel, du hast dich nie frei entschieden, sondern immer überlegt, ob es Luke gefallen würde, was du vorhattest. Er war dein Leitstern, aber er hat einen Weg eingeschlagen, auf dem du ihm nicht folgen kannst. Vergiss ihn, Eleanora, und sieh dich um. Vielleicht bist du überrascht über das, was du entdeckst.“

Er klang so ernst, als würde er sich wirklich um sie sorgen. Sie konnte seinen Blick nicht aushalten. Am liebsten hätte sie ihm verraten, dass sie längst zur Vernunft gekommen war. Aber das würde Fragen aufwerfen, die sie nicht beantworten wollte. Deshalb musste sie weiterhin lügen, obwohl es ihr immer mehr widerstrebte. Sie wandte sich ab. „Weshalb sollte ich meine Träume aufgeben?“

Er packte sie an den Schultern, drehte Eleanora zu sich um und zwang sie, ihn anzuschauen. „Weil es wirklich nur Träume sind, sonst nichts. Wir alle haben Träume, doch sie erfüllen sich nicht immer. Wir müssen sie ändern und der Wirklichkeit anpassen. Dann stimmt eines Tages das, was wir haben, mit dem überein, was wir uns gewünscht haben.“

Dazu ist es für mich zu spät, mein Traum ist wahr geworden und hat sich als Illusion herausgestellt, überlegte sie. Nur ihr Stolz war ihr geblieben. „Wenn ich aber nichts ändern kann und will, was dann?“, fragte sie so störrisch, wie er es wahrscheinlich auch erwartete.

Jack ließ sie los, und in seinen Augen blitzte es sekundenlang rätselhaft auf. „Dann bist du dumm, Eleanora, eigensinnig und dumm.“

Sie lächelte wehmütig. „Am besten gibst du mich auf“, schlug sie vor. Als Jack den Kopf schüttelte, war es wie Balsam auf ihre Wunden.

„Vielleicht sollte ich es tun, aber jetzt noch nicht. Erst will ich alles in meiner Macht Stehende versuchen, um dich vor dir selbst zu retten.“

Eleanora blickte ihn neugierig an. Sie verstand überhaupt nichts mehr. „Warum bemühst du dich so sehr? Ich bin ein hoffnungsloser Fall, wie du gesagt hast.“

„Du musst selbst herausfinden, warum ich mich bemühe, Eleanora. Wenn es dir gelingt, dann verrat es mir bitte.“ Er sah auf die Uhr. „Hör zu, Angel, ich wollte dir nur sagen, dass ich noch einige wichtige Anrufe erledigen muss. Es dauert nicht allzu lange. Ich habe einen Tisch für halb neun reserviert. Wir treffen uns in einer halben Stunde im Wohnzimmer. Dann können wir vor dem Essen noch etwas trinken.“

Er verschwand so unvermittelt, wie er gekommen war. Eleanora war verwirrt und beunruhigt. Als sie sich umdrehte, betrachtete sie sich in dem Spiegel der Frisierkommode. Ihre Wangen waren gerötet, aber nicht vor Zorn, wie sie sich eingestand. Auch das Leuchten in ihren Augen hatte nichts mit ihrem Ärger zu tun. Sie konnte sich nicht erinnern, jemals so lebendig wie in diesem Moment ausgesehen zu haben.

Es war beunruhigend, dass Jack etwas damit zu tun hatte. Sie war daran gewöhnt, dass er sie ärgerte und wütend machte. Doch jetzt war sie sich seiner so sehr bewusst, dass ihr die Haut kribbelte und sie Herzklopfen bekam. Und daran war sie nicht gewöhnt. Er hatte recht, sie nahm ihn auf einmal viel intensiver wahr als je zuvor. Hat er wirklich von mir geträumt? überlegte sie. Doch sogleich mahnte sie sich, nicht so dumm zu sein. Es war egal, was er machte. Sie würde sich nicht mit ihm einlassen, und nichts und niemand würde sie von ihrem Entschluss abbringen.

In dem Moment schlug die Uhr in der Eingangshalle, und Eleanora schreckte aus den Gedanken auf. Ich verschwende nur meine Zeit, dachte sie. Sie durfte nicht zu spät kommen, sonst würde Jack glauben, sie sei seinetwegen ins Grübeln geraten. Dass er damit recht hätte, würde er nie erfahren.

Die halbe Stunde war beinah um, als sie ihre Abendtasche nahm und aus dem Zimmer eilte. Oben an der Treppe atmete sie tief ein und aus und ging mit betont hochmütiger Miene hinunter. Sie wollte unbedingt kühl und gleichgültig wirken. Vielleicht würde Jack dann begreifen, dass sie sich nicht für ihn interessierte. Den Auftritt hätte sie sich jedoch sparen können, wie ihr wenig später klar wurde, denn Jack war weit und breit nicht zu sehen.

Ärgerlich verschränkte sie die Arme. Ihr Make-up war perfekt, die Frisur saß perfekt, und das blaue Seidenkleid mit den schmalen Trägern, das bei jeder Bewegung schimmerte, war traumhaft schön. Eleanora hatte gehofft, ihr Anblick würde ihm den Atem rauben. Stattdessen stand sie herum und musste auf ihn warten. Das war typisch für ihn, er verlangte von ihr, pünktlich zu sein, und kam selbst zu spät.

Während ihr Ärger wuchs, erschien Jack plötzlich oben auf der Treppe.

„Es tut mir leid, dass ich mich verspätet habe“, entschuldigte er sich und lächelte freundlich.

Eleanora beobachtete ihn bewundernd, als er die Treppe so leicht und schwungvoll heruntereilte wie Fred Astaire in seinen besten Zeiten. Unten angekommen, ließ Jack den Blick anerkennend über ihre schlanke Gestalt gleiten.

„Du siehst zum Anbeißen aus. Alle Männer werden mich um dich beneiden.“ Er packte sie am Arm und zog sie neben sich, sodass sie sich im Spiegel in der Eingangshalle betrachten konnte. „Wir sind ein attraktives Paar.“

Das hatte sie auch gerade gedacht. Sie passten gut zusammen. Was für eine seltsame Vorstellung, aber es sind ja auch seltsame Tage, überlegte sie. Aus den Augenwinkeln bemerkte sie, dass Jack sie erwartungsvoll anblickte, und seufzte.

„Okay, die Frauen werden mich auch um dich beneiden“, erklärte sie widerwillig.

Jack lächelte. „Dann schämst du dich nicht, mit mir gesehen zu werden, oder?“, fragte er und zog eine Augenbraue hoch.

Am liebsten hätte Eleanora auch gelächelt, doch das wäre die falsche Reaktion gewesen. „Hör auf, nach Komplimenten zu fischen. Das wirkt abstoßend“, entgegnete sie. In Wahrheit gefiel es ihr ausgesprochen gut, mit ihm gesehen zu werden. Aber das würde sie nicht zugeben, er war auch so schon viel zu eingebildet.

„Wenn es abstoßend wirkt, warum tun es dann so viele Frauen?“

„Vermutlich aus Unsicherheit“, erwiderte Eleanora ernsthaft. „Einige Frauen sind geradezu angewiesen auf die Bewunderung der Männer.“ Dieses Problem hatte sie nie gehabt. Ihr fiel ein, dass Luke ihr sehr selten Komplimente gemacht hatte. Doch darüber wollte sie jetzt nicht nachdenken. „Natürlich gibt es auch viele Männer, denen man gut zureden muss, bis sie einem einmal etwas Nettes sagen. Nicht alle sind so wie du.“

Er lachte und nahm ihren Arm. Dann dirigierte er sie zur Haustür hinaus zu seinem Wagen. „Ich habe schon sehr früh begriffen, dass man mit Komplimenten viel erreicht. Und als ich erwachsen war, ist mir klar geworden, dass es hilfreich ist, nur das zu sagen, was man auch wirklich meint.“

„Bringt es dich weiter?“, fragte sie spöttisch, während sie sich von ihm beim Einsteigen helfen ließ.

Nachdem er sich auf den Fahrersitz gesetzt hatte, warf er ihr einen vorwurfsvollen Blick zu, ehe er den Motor anließ. „Ich fühle mich dabei wohler.“

Eleanora sah ihn neugierig an. „Das hört sich nach einem schlimmen Fall von allzu großer Ehrlichkeit an. Hat es dir nicht geschadet?“

„Na ja, ich habe gelernt, dass dauerhafter Erfolg wichtiger ist, als flüchtige Erfolge es sind.“

Sie zog die Augenbrauen hoch. „So nach dem Motto: Weniger ist mehr“, scherzte sie.

Er lächelte. „Richtig. Ich finde es viel besser, die Frauen, mit denen ich ausgehe, zu mögen und zu respektieren, als in ihnen nur Trophäen zu sehen.“

Sein Bruder könnte noch einiges von ihm lernen, überlegte sie. „Es beruhigt mich, dass du mich nicht als Trophäe betrachtest. Magst du mich denn? Und respektierst du mich?“

„Wir waren uns doch schon einig, dass ich dich mag.“ Jack schaute sie an, und in seinen Augen leuchtete es rätselhaft auf.

Dass er die Frage nur halb beantwortet hatte, verursachte ihr Unbehagen. „Aber du respektierst mich nicht, oder?“ Seltsamerweise war sie sehr verletzt.

„Natürlich respektiere ich dich, Angel. Ich würde dich jedoch noch mehr respektieren, wenn du die Scheuklappen ablegtest.“

Ah ja, wir sind wieder bei diesem Thema, dachte Eleanora erschöpft und versteifte sich. „Wir sollten von etwas anderem reden. Oder möchtest du dich den ganzen Abend mit mir streiten?“

Mehr lesen

Autor

Amanda Browning
Mehr erfahren
Elizabeth Power
Schon als Kind wusste Elizabeth Power, dass sie Bücher schreiben wollte, genau wie ihr Vater, ein erfolgreicher Kinderbuchautor. Und als sie einmal herausgefunden hatte, dass es nicht ausreicht, ihre Bilderbücher Wort für Wort abzuschreiben, stand ihrer Karriere nichts mehr im Weg. Mit vierzehn hatte sie ihren ersten Roman vollendet –...
Mehr erfahren
Kate Hardy
Kate Hardy wuchs in einem viktorianischen Haus in Norfolk, England, auf und ist bis heute fest davon überzeugt, dass es darin gespukt hat. Vielleicht ist das der Grund, dass sie am liebsten Liebesromane schreibt, in denen es vor Leidenschaft, Dramatik und Gefahr knistert? Bereits vor ihrem ersten Schultag konnte Kate...
Mehr erfahren
Jane Porter
Bereits in der Grundschule schrieb Jane ihr erstes Manuskript: Es war 98 Seiten lang und wurde von einem Jungen in ihrer Klasse zerrissen. Jane weinte, der Junge musste die zerrissenen Seiten zusammenkleben und kam mit einer Verwarnung davon, während Jane fürs Schreiben im Unterricht bestraft wurde und so lernte, dass...
Mehr erfahren