Cecilias heimlicher Wunsch

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Eigentlich wollte Cecilia gar nicht auf den Empfang gehen, aber dann wurde es ein unvergesslicher Abend. Sie und Geoff Bingham, den sie bisher nur flüchtig kannte, haben sich prächtig amüsiert. Für beide ist ganz klar, dass sie keine Bindung wollen - vielleicht verstehen sie sich darum so gut. Auch ihre leidenschaftliche Nacht soll nichts an ihrem Lebensplan ändern - nur eine Bitte hat Cecilia an ihren zärtlichen Liebhaber: Sie möchte ein Kind! Wird Geoff dieser Bitte nachkommen?


  • Erscheinungstag 03.06.2017
  • ISBN / Artikelnummer 9783733776435
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Der sieben Pfund schwere Junge zappelte in Cecilia Mendozas Händen. Mit strampelnden rosigen Beinen verlieh er seiner Verärgerung darüber Ausdruck, dass man ihn aus seinem warmen Kokon in das viel zu helle Licht des Geburtszimmers der Klinik geholt hatte. Aus seinem Mund kamen schrille Schreie, und das zerknitterte Gesicht war gerötet.

Wunderschön, dachte Cecilia. Sie ließ sich nicht anmerken, wie schwer es ihr fiel, das Kind in die Arme der erschöpften, aber überglücklichen Mutter zu legen. Der stämmige junge Vater sah mit großen Augen zu, auf dem Gesicht ein stolzes, wenn auch ein wenig nervöses Lächeln.

Cecilia unterdrückte ihre eigenen Gefühle und konzentrierte sich auf ihre Aufgabe als Hebamme. Ihr Arbeitstag war fast vorbei. Leider konnte sie nicht gleich nach Hause fahren, da es noch einen Empfang für Lilith Cunningham geben sollte. Lilith war die neue PR-Direktorin der Janice-Foster-Geburtsklinik mit angeschlossener Hebammenschule, die beide zum Regional Hospital in Merlyn County, Kentucky, gehörten. Cecilia war nicht gerade versessen auf den Empfang, aber sie fühlte sich verpflichtet, daran teilzunehmen.

Also würde sie später, wenn sie allein war, über ihre Wehmut, den Neid und die Frustration nachdenken. Ihr achtunddreißigster Geburtstag kam immer näher, und langsam fragte sie sich, ob sie jemals ihr eigenes Baby in den Armen halten würde.

Geoff Binghams Schlafzimmer roch nach frisch aufgetragener Orangenöl-Holzpolitur und einem Hauch von Lufterfrischer der Duftnote „Wald“. Während er die rote Seidenkrawatte um den Kragen des maßgeschneiderten weißen Hemdes band, fragte er sich, ob die angenehmen Düfte wirklich darüber hinwegtäuschen konnten, wie lange dieses Zimmer unbewohnt gewesen war.

Seine Haushälterin sorgte dafür, dass die Wohnung stets sauber war, wenn er von einer seiner vielen langen Geschäftsreisen zurückkehrte, aber manchmal kam sie ihm fremd vor. Wie eine Hotelsuite oder eins der firmeneigenen Apartments, in denen er meistens übernachtete – natürlich nur wenn sein Job es ihm erlaubte, in einem richtigen Bett zu schlafen.

Er zog das Jackett so automatisch an wie ein Mechaniker seine blaue Arbeitsjacke. Für Geoff war sein 1500-Dollar-Anzug nur eine Art geschäftlicher Uniform, die über seine wahre Persönlichkeit nicht mehr aussagte als die makellos geputzten Schuhe. Die Party, für die er sich anzog, war nur ein weiterer Anlass, bei dem er gewinnend lächeln, angeregt plaudern und freundlich Hände schütteln würde – mit der gesellschaftlichen Gewandtheit, die er in den letzten zehn seiner insgesamt zweiunddreißig Jahre entwickelt hatte.

Mit der Linken massierte er die angespannten Muskeln am Nacken und hoffte inständig, dass der Empfang für die neue PR-Direktorin des Krankenhauses nicht lange dauern würde. Er wollte ihn möglichst schnell hinter sich bringen und sich mit einem Bier, Chips und seiner geliebten Taylor-Gitarre in seiner wohl duftenden Wohnung verkriechen. Ein ruhiger Abend war eine verlockende Vorstellung, aber natürlich würde er vorher seine Pflicht tun. Wie immer.

„Also, Geoff.“ Ein Mann in einem Anzug, der über dem Bauch viel zu straff saß, klopfte ihm so kräftig auf die Schulter, dass er fast das Gleichgewicht verlor. „Wie lange bist du dieses Mal in der Stadt?“

Geoff setzte sein gewohntes Lächeln auf, das für ihn ebenso ein Werkzeug war wie ein Hammer für einen Zimmermann. „Sieht aus, als würde ich nun doch eine ganze Weile bleiben.“

„Gut zu hören.“ Wieder landete Bob Howards Hand auf seinem Rücken. „Vielleicht können wir zusammen eine Runde Golf spielen. Nicht an diesem Wochenende, fürchte ich. Die Schwester meiner Frau kommt zu Besuch, und ich muss meinen dämlichen Schwager unterhalten.“

Dafür hatte Geoff Verständnis. Familiäre Verpflichtungen. Sein ganzes Leben drehte sich um sie. „Vielleicht ein anderes Mal.“

„Ich rufe dich an.“

Geoff fiel ein Dutzend anderer Dinge ein, die er lieber tun würde, als mit Bob Howard einen Nachmittag auf dem Golfplatz zu verbringen – sich einer Wurzelbehandlung unterziehen oder einen Bewässerungsgraben anlegen, zum Beispiel. Aber Howards Bank finanzierte viele Projekte von Bingham Enterprises. „Ich freue mich schon darauf“, log Geoff.

Howard schlenderte weiter, und Geoff nutzte die Gelegenheit, um einen Schluck Limonade zu trinken. Um ihn herum waren diverse Mitglieder seiner Familie im Einsatz – sein Vater, seine Großmutter, seine Schwester, Cousins und Cousinen. Das Krankenhaus war von seinen Großeltern gegründet worden, und die Binghams nahmen ihre Verantwortung sehr ernst.

Selbst von den unehelichen Nachkommen seines verstorbenen Onkels Billy Bingham – jedenfalls von denen, die von der Familie akzeptiert worden waren – wurde erwartet, dass sie ihren gesellschaftlichen Verpflichtungen nachkamen, ob es ihnen nun gefiel oder nicht. Zwei von ihnen, Dr. Kyle Bingham und Hannah Bingham, die bald Mendoza heißen würde, waren anwesend und gaben ihr Bestes für das Krankenhaus und die bevorstehende PR-Kampagne.

Geoff schaute zu Hannah hinüber. Inzwischen sah man ihr an, dass sie schwanger war. Erst kürzlich hatte sie ihre Verlobung mit Eric Mendoza bekannt gegeben, einem jungen, aufstrebenden Manager bei Bingham Enterprises. Die beiden strahlten förmlich vor Glück, zumal Geoffs Vater und seine Großmutter mit der Verbindung einverstanden waren.

Ihrer Ansicht nach brauchte Hannah einen Dad für ihr gemeinsames Kind und Eric eine Ehefrau, die ihm bei seiner viel versprechenden Karriere förderlich war. Für sie war diese Ehe die ideale Lösung.

Geoff befürchtete, dass es nicht lange dauern würde, bis die beiden ihn ins Visier nehmen würden. Seit seinem dreißigsten Geburtstag vor zwei Jahren drängten sie ihn, eine geeignete Braut zu finden und für noch mehr Binghams zu sorgen.

Mit der Idee, Vater zu werden, hatte Geoff keine Probleme, aber die Ehe reizte ihn überhaupt nicht. Schon jetzt hatte er kaum Freizeit, und nur äußerst selten konnte er tun, wozu er gerade Lust hatte, ohne Rücksicht auf die Bedürfnisse anderer nehmen zu müssen. Für ihn war eine Ehefrau nur noch jemand, der seine Zeit und Aufmerksamkeit für sich beanspruchen würde.

Er überlegte, ob er das Interesse seiner Familie unauffällig auf seine Schwester Mari lenken sollte. Schließlich war sie schon vierunddreißig und saß als Ärztin und Direktorin der Foster-Klinik und der Hebammenschule fest im Sattel. Sicher, sie war viel beschäftigt und träumte davon, eine biomedizinische Forschungseinrichtung in Merlyn County anzusiedeln, aber sie hatte nicht mehr zu tun als er selbst.

Als jemand an ihm vorbeiging und dabei an einer in Schokolade getauchten Erdbeere knabberte, fiel Geoff ein, dass er schon eine ganze Weile nichts gegessen hatte. Er schaute zum Büfett hinüber, und sein Blick fiel auf eine hübsche Brünette in einem flammend roten Kleid.

Cecilia Mendoza. Erics Schwester war nicht nur eine bekannte und angesehene Hebamme, sondern auch eine höchst attraktive Frau, die er schon mehrfach bewundert, mit der er jedoch noch nie gesprochen hatte.

Vielleicht sollte er die Genüsse dieses Abends probieren, bevor er sich diskret von dieser langweiligen Angelegenheit entfernte.

Der Empfang fand im Innenhof des Verwaltungs- und Ausbildungsgebäudes des Krankenhauskomplexes statt. Vier Stockwerke hoch, war das rundum geschlossene Atrium von Glas und Grün, Skulpturen und Springbrunnen geprägt. Schmiedeeiserne Tische, Stühle und Bänke waren kunstvoll auf dem Steinboden verteilt.

Diese Zusammenkunft, zu der fast alle Mitarbeiter erschienen waren, sollte eine zwanglose Party nach Dienstschluss sein, um die neue PR-Direktorin willkommen zu heißen. Cecilia kam ein wenig später, weil sie den grünen Overall gegen ein leuchtend rotes Kleid vertauscht hatte, damit man ihr den langen Tag nicht sofort ansah. Ärmellos und tief ausgeschnitten, schmiegte es sich an ihre Hüften und fiel dann fließend bis zu den Knien hinab.

Widerwillig hatte sie die bequemen Laufschuhe im Spind gelassen, um ein Paar hochhackiger Sandaletten anzuziehen, und ihre Füße protestierten schon jetzt. Mehrere Strähnen des dunklen Haars hatten sich nicht bändigen lassen und umspielten den Nacken und die frisch geschminkten Wangen, als sie Freunde und Kollegen begrüßte, die sich bereits um die Tische mit den Erfrischungen drängten.

Angesichts des heißen Juliabends gab es kalte Limonade, eisgekühlten Erdbeertee und leichte Snacks – Shrimps, Gemüse, Sandwichs, frisches Obst und Kuchen. Cecilia hatte keine Mittagspause gemacht, da das Baby der McAllisters ausgerechnet dann zur Welt gekommen war.

Da sie die Kunst, zugleich zu essen, umherzuschlendern und angeregt zu plaudern, noch nie ganz gemeistert hatte, begnügte sie sich mit einem Plastikbecher Limonade und einer mit Schokolade überzogenen Erdbeere, die sie kaum in den Mund geschoben hatte, als dicht hinter ihr eine Männerstimme ertönte.

„Ich weiß ja nicht, wie es Ihnen geht, aber ich wünschte, es würde Pizza und Cheeseburger geben. Von den winzigen Happen würde ich eine komplette Platte voll brauchen, um satt zu werden.“

Unsicher, ob er sie meinte, drehte sie den Kopf und sah direkt in die braunen Augen von Geoff Bingham, Topmanager von Bingham Enterprises und Bruder ihrer Klinikleiterin. Sie erkannte ihn sofort, hatte aber noch nie mit ihm gesprochen. „Ich glaube, es wäre schwierig, inmitten dieser Menge anmutig Pizza und Cheeseburger zu verspeisen“, erwiderte sie ebenso belustigt wie er. Dann lächelte sie. „Aber es hört sich gut an.“

Geoff betrachtete die Auswahl an Fingerfood auf dem Büfett und schüttelte den Kopf. „Das sieht alles sehr schön aus, aber richtiges Essen wäre mir lieber. Ich muss unbedingt mit Mari reden. Was hier fehlt, sind Eimer mit Hähnchenkeulen und Stapel von Burritos oder so.“

Cecilia musste lachen. „Beim nächsten Mal wird es die bestimmt geben.“

Sein Blick richtete sich auf ihren Mund. „Also, können Sie einem Typen, der kurz vor dem Verhungern ist, etwas empfehlen?“

Kein Zweifel, er flirtete mit ihr, und sie war nicht zu müde, um die Bemühungen eines so attraktiven und charmanten Gegenübers zu schätzen. Es war lange her, dass ein Mann sie so anerkennend gemustert hatte – und das nicht aufdringlich, sondern auf durchaus schmeichelhafte Weise. Nachher, wenn sie allein zu Hause war, mit hoch gelegten Füßen und einer Tasse Kaffee neben sich, würde sie sich mit einem Lächeln daran erinnern können.

Sie warf einen Blick auf die Tische, bevor sie antwortete. „Ich sehe hier nichts, das Ihren Hunger stillen könnte, aber ich empfehle die Erdbeeren. Meine war köstlich.“

Er griff an ihr vorbei, um sich eine zu nehmen. Dabei kam sein Arm ihr so nahe, dass ihr Puls sich auf sehr angenehme Weise beschleunigte. Sie konnte nicht anders, sie musste einfach hinsehen, als er einen Bissen nahm. Unwillkürlich befeuchtete sie sich die Lippen mit der Zungenspitze.

Du meine Güte, was für ein gut aussehender Mann, dachte sie.

„Sie haben Recht“, sagte er mit einer so leisen, intimen Stimme, als wären sie beide ganz allein. „Sehr lecker. Möchten Sie mal beißen?“

Das brachte ihm erst einen tadelnden Blick, dann ein Lächeln ein, das sie gar nicht erst zu unterdrücken versuchte. „Danke, aber ich hatte schon eine.“

„Eine Frau mit großer Beherrschung, wie ich sehe.“

„Nur wenn ich will“, erwiderte Cecilia mit halb gesenkten Wimpern.

Er zog die rechte Augenbraue hoch. „Also …“

„Geoff. He, Geoff, gut, dich zu sehen.“ Ein Mann mit schütterem Haar, dessen Anzug locker an seiner knochigen Gestalt hing, lugte über seine Lesebrille und schien Cecilia gar nicht wahrzunehmen.

Der Mann war ein prominenter örtlicher Geschäftsmann, und da Geoff sicher hier war, um mit möglichen Investoren für Maris geplantes Forschungszentrum zu sprechen, entfernte Cecilia sich taktvoll. Sie lächelte noch immer, als sie sich einer Gruppe von Kolleginnen in einer Ecke des Innenhofs anschloss.

„War das Geoff Bingham, mit dem du gerade geflirtet hast?“, fragte Vanessa Harris, Krankenschwester, Ausbilderin und Cecilias engste Freundin in der Klinik.

„Siehst du hier noch einen anderen Mann, der nicht nur reich ist, sondern aussieht wie ein Filmstar?“, scherzte Cecilia.

„Und? Hast du ihm deine Nummer gegeben?“

„Das hätte ich, aber du kennst ja meine Devise. Geh nie mit Männern aus, die hübscher sind als du.“

Vanessa lachte, und nach einem Moment stimmte Cecilia ein. So sehr ihr vor diesem Empfang auch gegraut hatte, plötzlich fühlte sie sich wohl. Es war erstaunlich, was ein kurzer Flirt mit einem attraktiven Mann bewirken konnte.

„Hast du die neue PR-Direktorin schon kennen gelernt?“, fragte Vanessa leise.

Cecilia stellte die – wie sie hoffte – diskrete Suche nach Geoff Bingham ein und wandte sich wieder ihrer Freundin zu. „Nein. Du?“

Vanessa nickte. „Heute Nachmittag.“

Groß und mit üppigen Kurven, wäre Vanessa auch ohne ihre Vorliebe für farbenfrohe Kleidung in jeder Menschenmenge aufgefallen. Sie trug das schwarze Haar kurz, die dunklen Augen funkelten, und die makellose schokoladenbraune Haut war straff. Cecilia hatte gerade die ersten Lachfältchen um ihre eigenen Augen und den vollen Mund entdeckt und konnte nur hoffen, dass sie mit fünfundvierzig auch noch so gut aussehen würde.

Vanessas Attraktivität war nicht nur das Einzige, um das Cecilia sie beneidete. Ihre Freundin war Mutter von vier entzückenden Kindern – zwei Jungen und zwei Mädchen, alle unter zwölf. Vanessa hatte sogar das Glück gehabt, einen jener seltenen Männer zu finden, die ihre Familie liebten und mit ihr durch dick und dünn gehen würden – anders als so viele, denen Cecilia begegnet war.

„Was hältst du von Lilith Cunningham?“, fragte sie.

„Sie ist interessant“, erwiderte Vanessa. „Irgendwie künstlerisch. Fließende Kleider in leuchtenden Farben, klirrender Schmuck. Kein Zweifel, sie kommt aus einer reichen Familie, aber sie hat ein nettes Lächeln, also scheint das Geld ihr nicht zu Kopf gestiegen zu sein.“

„Mari würde keinen Snob engagieren, um die Klinik in der Öffentlichkeit zu vertreten“, meinte Cecilia. Dr. Mari Bingham war mit dem sprichwörtlichen Silberlöffel im Mund geboren worden, aber sie arbeitete hart und war nicht dünkelhaft. Wer immer die Foster-Klinik mit ihren aus allen Schichten der Gesellschaft stammenden Patientinnen repräsentieren wollte, musste die gleichen Qualitäten besitzen.

„Du hast vermutlich Recht. Mari ist eine gute Menschenkennerin – jedenfalls meistens“, fügte Vanessa leiser hinzu.

Ihr Gespräch wurde unterbrochen, als Milla Johnson, eine junge Hebamme, sie begrüßte. Cecilia mochte sie und sah sofort, dass Milla an diesem Abend ein wenig müde wirkte. Was kein Wunder war, denn ein Elternpaar hatte sie für ihre eigenen Fehler verantwortlich gemacht und verklagt.

„Hast du gegessen?“, fragte Cecilia mit fast mütterlicher Besorgnis. „Du siehst ein wenig blass aus.“

„Es geht mir gut“, sagte Milla und lächelte matt. „Es war nur ein langer Tag.“

„Wem sagst du das?“ Cecilia presste eine Hand ins Kreuz. „Wir stecken mitten in einem Babyboom, was?“

Milla schmunzelte. „Ich glaube, allein in der letzten Woche hat sich die Bevölkerung von Merlyn County verdoppelt.“

„Es sind ja eine ganze Menge Binghams hier“, murmelte Vanessa nun unvermittelt. „Miss Myrtle und Mr. Ron. Mari und Geoff. Dass es ein großes Ereignis ist, weiß man, wenn sie ihn extra dafür nach Hause geholt haben. Dann ist da natürlich noch Hannah, die jetzt wohl auch zu den Binghams zählt. Sie und dein Bruder sehen glücklich aus, nicht wahr, Cecilia?“

Cecilia lächelte versonnen. Ihr gut aussehender und viel bewunderter Bruder stand neben einer hübschen und hochschwangeren Hannah. Die beiden waren sichtlich verliebt – und freuten sich riesig auf das Kind, das bald zu ihrem Leben gehören würde.

Eric war eine weitere Ausnahme in Cecilias Theorie, dass die meisten Männer nicht an langfristigen Verpflichtungen interessiert waren. Für sie war es keine Frage, dass Eric für den Rest seines Lebens bei seiner kleinen Familie bleiben würde.

Und so sehr sie sich für ihren Bruder freute, sie war auch ein wenig neidisch …

„Oh, jetzt hätte ich doch fast einen Bingham vergessen“, sagte Vanessa fröhlich. „Dr. Kyle macht einen nachdenklichen Eindruck, aber wie immer sieht er aus, als wäre er direkt von der Titelseite eines Lifestyle-Magazins hergekommen. Er ist schon ein attraktiver Mann, findet ihr nicht?“

Cecilias Lächeln vertiefte sich. „Wenn man zufällig auf blondes Haar, blaue Augen, ein hübsches Gesicht und einen perfekten Körper steht. Und wer tut das nicht, richtig, Milla?“

Millas eben noch blasses Gesicht war jetzt gerötet. Sie murmelte etwas und ging hastig davon.

Stirnrunzelnd schaute Cecilia ihr nach. „Findest du nicht auch, dass Milla sich in letzter Zeit etwas eigenartig benimmt, Van?“

„Wer würde das an ihrer Stelle nicht? Diese Anzeige ist wirklich absurd. Aber ich bin sicher, Mari und die Rechtsabteilung werden sie nicht im Stich lassen.“

„Bestimmt nicht.“ Cecilia warf einen unauffälligen Blick auf die Uhr. „Ich möchte wissen, wann wir diskret verschwinden können. Ich will nur noch nach Hause.“

„Ich werde versuchen, das nicht als Kommentar zu meiner anregenden Gesellschaft zu deuten.“

Cecilia schüttelte den Kopf. „Ich bin einfach nur müde. Es war wirklich ein langer Tag.“

„Ich werde auch bald gehen. Inzwischen müsste George die Kinder gefüttert und ihre Hausaufgaben nachgesehen haben, aber du weißt ja, wie es ist. Wahrscheinlich werde ich es selbst nachprüfen müssen. Außerdem will ich Damien seine Gutenachtgeschichte vorlesen.“

Vanessa konnte nicht ahnen, dass ihre Worte Cecilia ins Herz treffen würden. Natürlich wusste sie, dass ihre Freundin sich eigene Kinder wünschte, aber sie hatte keine Ahnung, wie stark dieser Wunsch war.

Cecilia schaffte es, das Thema zu wechseln. „Ich glaube, da will jemand mit dir sprechen“, sagte sie und nickte zu einer jungen Lernschwester hinüber. „Dort drüben scheint eine lebhafte Diskussion im Gange zu sein.“

Vanessa seufzte. „Ja, die Gruppe streitet sich dauernd über etwas – und ich muss immer die Schiedsrichterin spielen.“

„Mama Vanessa“, scherzte Cecilia. „Na los, kümmere dich um deine Küken. Ich werde mir noch eine Schoko-Erdbeere nehmen.“

„Okay. Bis später.“ Vanessa eilte zu ihren Schützlingen.

Cecilia arbeitete sich langsam durch die dicht gedrängten Gäste und blieb ab und zu stehen, um mit Kolleginnen zu sprechen. Auf der anderen Seite des Innenhofs waren ihr Bruder und seine Verlobte von Gratulanten umringt. Sie winkte ihnen zu, ging jedoch nicht hinüber. Als aufstrebender junger Manager bei Bingham Enterprises musste Eric an diesem Abend seine vielfältigen Kontakte pflegen.

Und da sie gerade an die Binghams dachte …

Sie lächelte, als Geoff sich ihr in den Weg stellte. „Noch immer auf der Suche nach einem Cheeseburger, Mr. Bingham?“

Er schmunzelte. „Ehrlich gesagt, mittlerweile bin ich hungrig genug für ein dickes Steak und eine riesige gebackene Kartoffel.“

„Ich weiß, was Sie meinen. Ich habe seit dem Frühstück nichts gegessen.“

„Also, wie wäre es? Sollen wir irgendwo ein Steak auftreiben?“

Sie blinzelte. „Jetzt?“

„Natürlich. Wir haben beide Hunger. Wir haben unsere gesellschaftliche Pflicht erfüllt, und es gibt keinen Grund, noch länger zu bleiben. Also, wenn Sie keine anderen Pläne haben, würde ich mich geehrt fühlen, wenn Sie mit mir essen gehen.“

Sie traute ihren Ohren nicht. Geoff Bingham kannte sie erst ein paar Minuten und lud sie schon ein, mit ihm auszugehen. „Wir sind einander noch nicht mal vorgestellt worden“, entfuhr es ihr.

Er lächelte. „Stimmt. Natürlich wissen Sie, dass ich Geoff Bingham bin, und ich weiß, dass Sie Eric Mendozas Schwester Cecilia sind. Sie sind eine angesehene Hebamme, und ich würde Sie sehr gern kennen lernen.“

Also wusste er, wer sie war. Vielleicht aß er nur nicht gern allein. Oder er brauchte einen Vorwand, um den Empfang zu verlassen – als Gentleman, der einen hungrigen Gast fütterte, oder Chef von Bingham Enterprises, der die Schwester des Mannes kennen lernen wollte, der einer seiner wichtigsten Mitarbeiter war und zudem eine seiner Cousinen heiraten würde. Es konnte alle möglichen vernünftigen Gründe geben. Die Frage war, sollte sie die Einladung annehmen?

Zu Cecilia Überraschung lautete die Antwort Ja.

Vielleicht wollte sie nur noch nicht allein zu Hause sitzen – und über ihre Zukunft nachdenken. Vielleicht war ihr bei Erics und Hannahs Anblick mal wieder bewusst geworden, dass sie kein Privatleben hatte – abgesehen von ein paar katastrophal verlaufenen Blind Dates. Oder sie freute sich einfach darauf, einen Abend mit einem attraktiven, charmanten und interessanten Mann zu verbringen.

Da nichts dafür sprach, das Angebot abzulehnen, lächelte sie dankbar. „Würde es Sie stören, wenn ich mir statt eines Steaks Hühnchen bestelle?“

Seine Augen glänzten. „Nicht im Geringsten.“

2. KAPITEL

Hätte ich gewusst, dass ich den größten Teil des Abends mit einer wunderschönen Brünetten verbringen werde, wäre ich nicht so widerwillig zum Empfang im Krankenhaus gegangen, dachte Geoff, als er kurze Zeit später Cecilia Mendoza im Kerzenschein betrachtete. Bei Melinda’s waren fast alle Tische besetzt, aber sie waren so geschickt arrangiert, dass sie beide sich ungestört fühlten, während sie sich in die Speisekarten vertieften.

Auf Cecilias Vorschlag hin hatten sie den Empfang getrennt verlassen und waren in zwei Wagen zum Restaurant gefahren. Geoff nahm an, dass sie diskret sein und auf die auch in der Klinik aktiven Gerüchteküche Rücksicht nehmen wollte. Er musste zugeben, dass es klug von ihr war.

Geoff hatte vorher im Melinda’s angerufen, so dass sie nicht auf einen Tisch warten mussten. Er nutzte seinen Einfluss als Mitglied einer der wohlhabendsten und prominentesten Familien der Stadt nicht oft, aber an diesem Abend hatte er der Versuchung nachgegeben. Falls Cecilia beeindruckt war, so hatte sie es sich nicht anmerken lassen. Auch das gefiel ihm.

„Ich glaube, ich werde die Forelle nehmen“, sagte sie und legte die Karte zur Seite.

„Doch kein Huhn?“

Ihr Lächeln zauberte winzige Grübchen an die Mundwinkel. „Ehrlich gesagt, es hört sich alles so gut an, dass mir die Entscheidung schwer fällt. Es ist eine ganze Weile her, dass ich hier gegessen habe.“

„Dann bin ich froh, dass Sie heute Abend Zeit haben.“

Das auf Steaks und Meeresfrüchte spezialisierte Restaurant befand sich in einer alten Feuerwache, und Geoff hielt es für eines der besten im ganzen Staat. Er mochte die Atmosphäre zwischen den Wänden aus rotem Backstein, an denen Fotos aus Merlyn Countys bewegter Vergangenheit hingen. Die auf Hochglanz polierte Messingstange mitten im Raum erinnerte an die Geschichte des Hauses, und in der beliebten Lounge im Erdgeschoss nahm die riesige Bar aus geschnitzter Eiche fast die gesamte hintere Wand ein.

Geoffs Familie war schon immer bei besonderen Anlässen hergekommen und wurde daher bevorzugt behandelt. In den letzten Jahren hatte Geoff in einigen der renommiertesten Restaurants der Welt gegessen, aber nur hier fühlte er sich wie zu Hause.

Der diskret im Hintergrund wartende Kellner nahm ihre Bestellungen auf, und Geoff konzentrierte sich auf seine Begleiterin. „Ich habe gehört, dass es momentan in der Klinik viel zu tun gibt.“

Cecilias Lächeln wurde trocken. „Da haben Sie richtig gehört. In Merlin County ist mal wieder ein Babyboom ausgebrochen, und mehr und mehr Frauen nehmen Hebammen in Anspruch, was zum Teil auch daran liegt, dass es nicht genug ärztliche Geburtshelfer gibt.“

„Wie machen sich die neuen Studentinnen? Leistet die Schule gute Arbeit?“

„Oh ja. Meiner Ansicht nach kann sie mit jeder anderen im Land mithalten.“

Erfreut über ihre Loyalität nickte er. „Genug von der Arbeit – reden wir über Sie.“

Ihr warnender Blick signalisierte ihm, dass sie nicht auf die üblichen Schmeicheleien hereinfallen würde. Aber sie interessierte ihn wirklich. Vor allem der Kontrast zwischen ihrer auf höfliche Weise zurückhaltenden Art und dem sexy roten Kleid machte ihn neugierig.

Es war lange her, dass er einen Abend mit einer so faszinierenden Frau verbracht hatte. Während der letzten zehn Jahre war er so sehr damit beschäftigt gewesen, der pflichtgetreue Sohn und Angestellte zu sein, dass er fast vergessen hatte, wie es war, spontan und impulsiv zu sein. Er hatte versucht, weder wie seine hart arbeitende und aufrechte Familie noch wie sein wilder und verantwortungsloser Onkel zu sein. So sehr, dass er sich selbst dabei beinahe aus den Augen verloren hatte. Langsam kam ihm der Verdacht, dass er sowohl von seinem Vater als auch vom Onkel ein wenig in sich hatte.

Es war Letzterer, an den er dachte, als er sich zu Cecilia beugte und sein gewinnendstes Lächeln aufsetzte. „Was tun Sie gern, wenn Sie nicht gerade Babys auf die Welt holen?“

„Ich lese viel und arbeite im Garten. Außerdem wandere ich oft in den Bergen und beobachte Vögel.“

„Was halten Sie von Football?“

Sie hob das Weinglas an den Mund und musterte ihn darüber hinweg. „Ich bin ein echter Fan. Vor allem, wenn die Universität von Kentucky spielt.“

Sein Interesse wuchs. „Eine Frau nach meinem Herzen.“

„Ich bin nach niemandes Herzen, Mr. Bingham“, entgegnete sie und stellte das Glas wieder ab. „Herzen sind sehr pflegeintensive Organe, und ich habe kaum genug Zeit, mich um mich selbst zu kümmern.“

Er lachte. Das war etwas, das er ihr nachfühlen konnte. Mit jedem Moment freute er sich mehr, dass er seinem Instinkt nachgegeben und Cecilia Mendoza zum Essen eingeladen hatte.

Cecilia war immer überzeugt gewesen, dass die angenehmsten Dinge überraschend geschahen. Zweifellos fiel ein Essen mit Geoff Bingham in diese Kategorie. Er war unterhaltsam – geistreich, lustig und aufmerksam. Alles Fähigkeiten, vermutete sie, die er sich in seinem Job angeeignet hatte und die ihn zum idealen Begleiter machten.

Unwillkürlich musste sie schmunzeln, als sie diesen Abend mit ihrem letzten Blind Date verglich. Vanessa hatte sie zu der über das Internet arrangierten Verabredung gedrängt. Schließlich gab es nur wenige unverheiratete Männer in ihrem Alter, und angesichts ihrer langen Arbeitszeit hatte sie nur selten Gelegenheit, andere Singles kennen zu lernen.

Das Date war grauenhaft gewesen. Der Mann hatte sich nicht für sie interessiert, sondern nur von sich erzählt – und sie damit unsäglich gelangweilt.

Autor

Gina Wilkins
Die vielfach ausgezeichnete Bestsellerautorin Gina Wilkins (auch Gina Ferris Wilkins) hat über 50 Romances geschrieben, die in 20 Sprachen übersetzt und in 100 Ländern verkauft werden! Gina stammt aus Arkansas, wo sie Zeit ihres Leben gewohnt hat. Sie verkaufte 1987 ihr erstes Manuskript an den Verlag Harlequin und schreibt seitdem...
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