Collection Baccara Band 0314

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WIND, WELLEN - WILDES VERLANGEN von CHILD, MAUREEN
Vier Monate sind Jennas Zwillinge alt, und noch immer weiß ihr Daddy nichts von ihnen! Kurzentschlossen bucht Jenna eine Kreuzfahrt auf Nick Falcos Luxus-Liner. Zwischen Wind und Wellen will sie dem Millionär mit dem Playboyruf die Folgen ihrer kurzen Affäre gestehen …

WER BIST DU, MEINE SCHÖNE? von JENSEN, KATHRYN
Was verbirgt sie vor ihm? Ian Danforth spürt, dass seine neue Assistentin Katie ein Geheimnis hat. Trotzdem fühlt er sich zu ihr hingezogen wie zu keiner Frau je zuvor. Doch selbst nach einer leidenschaftlichen Liebesnacht weigert sie sich, ihm ihr Herz zu öffnen …

HEISSE NÄCHTE IN MIAMI von BENNETT, JULES
Dasselbe charmante Lächeln, derselbe athletische Körper: Self-made-Milliardär Cole Marcum ist genauso unwiderstehlich wie damals, als Tamera ihn mehr liebte als ihr eigenes Leben! Aber was, wenn er ihr nach heißen Nächten in Miami zum zweiten Mal das Herz bricht?


  • Erscheinungstag 04.04.2012
  • Bandnummer 314
  • ISBN / Artikelnummer 9783864941764
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Jules Bennett, Maureen Child, Katherine Jensen

COLLECTION BACCARA, BAND 314

JULES BENNETT

Heiße Nächte in Miami

Damals musste Cole Marcum sich entscheiden: Seine Freundin Tamera – oder eine Zukunft als Wirtschaftsboss. Er wählte die Macht. Doch jetzt sieht er die bildschöne Stararchitektin in Miami Beach wieder. Sofort flammt die alte heiße Leidenschaft zwischen ihnen auf. Und erneut steht Cole vor der Wahl: Geld – oder Liebe?

MAUREEN CHILD

Wind, Wellen – wildes Verlangen

Er – Vater von Zwillingen? Unsinn, glaubt der Millionär Nick Falco. Am liebsten würde er Jenna und ihre Behauptung einfach vergessen. Doch das geht nicht, denn seine Exgeliebte hat eine Reise ausgerechnet auf seinem Kreuzfahrtschiff gebucht! Und das Schicksal will, dass sie in seiner Luxuskabine hoch über den samtblauen Wogen landet – und in seiner Koje …

KATHERINE JENSEN

Wer bist du, meine Schöne?

Ihr neuer Boss Ian Danforth ist alles, was Katherine will – im Bett! Seine zärtlichen Berührungen setzen ihren Körper in Flammen, die nur er löschen kann. Aber selbst nach Nächten voller Leidenschaft weiß sie, dass es eine Liebe auf Zeit bleiben muss. Denn sie ist überzeugt: Mit einem Mann wie Ian kann der Himmel auf Erden schnell zur Hölle werden …

1. KAPITEL

„Diesen Auftrag erteile ich … Ihnen beiden.“

Tamera Stevens zuckte vor Schreck in ihrem gemütlichen Ledersessel zusammen, während Cole Marcum im selben Augenblick ausrief: „Ist das Ihr Ernst?“

„Nur das Beste ist für mich gut genug.“ Victor Lawson, weltbekannter Hotelier, verschränkte die Hände hinter dem Kopf und lehnte sich zurück. „Und mein erstes Hotel in den Vereinigten Staaten soll von den besten Architekten des Landes entworfen werden. Wenn dies ein Problem für Sie ist, muss ich das wissen, ehe wir irgendwelche Papiere unterzeichnen. Ich hoffe jedoch, dass wir zusammenarbeiten werden, um das größte Luxushotel Miamis, ja, des ganzen Landes, zu errichten.“

Ein Problem? Aber nein, ganz und gar nicht, dachte Tamera, während sie mühsam das Bedürfnis unterdrückte, zu weinen, laut zu schreien oder einfach aus dem Tagungsraum wegzurennen. Ob man das hektische Schlagen ihres Herzens hören konnte? Bildeten sich womöglich schon kleine Schweißperlen auf ihrer Oberlippe oder ihrer Stirn? Himmel, sie musste unbedingt gleichmäßig atmen, wenn sie nicht auf der Stelle ohnmächtig werden wollte.

Also abgesehen davon, dass sie heute zum ersten Mal nach zehn Jahren ihrem Exverlobten Cole Marcum gegenüberstand, der ihr damals im College das Herz gebrochen hatte, gab es kein Problem. Nein, wirklich nicht.

Ach ja, und allem Anschein nach würde sie gezwungen sein, mit ihm zusammenzuarbeiten, denn kein Architekturbüro auf der ganzen Welt würde Victor Lawsons atemberaubendes Angebot ausschlagen.

Ihr würde übel. Wenn sie und Cole diese einmalige Gelegenheit ergriffen, würden sie auf lange Monate hinaus jeden wachen Augenblick miteinander verbringen müssen.

Eine Ewigkeit schien vergangen zu sein, seit sie beinahe Tag und Nacht unzertrennlich gewesen waren. Positiv an dieser engen Zusammenarbeit mit Cole war allenfalls, dass Tamera ihre Belastbarkeit beweisen konnte – eine Art Bewährungsprobe für ihre anstehende Übernahme der Stevens-Gruppe. Ein Beweis, dass sie eine würdige Nachfolgerin ihres mächtigen und kompetenten Vaters an der Spitze eines milliardenschweren Unternehmens war.

Aber musste sie überhaupt so viel Zeit mit Cole verbringen? Konnte sie nicht vielleicht auch mit einem seiner Kollegen zusammenarbeiten? Es fiel ihr nämlich jetzt schon schwer, im selben Raum mit ihm zu sein, dabei war diese Unterredung höchstens zehn Minuten alt.

„Ich habe noch nie mit einer anderen Firma an einem Entwurf gearbeitet“, warf Cole ein und brachte damit Tameras Nerven zum Flattern. „Jeder Entwurf aus dem Hause Marcum ist ein Unikat und von unschätzbarem Wert.“

Er war also noch immer der Größte. Ja, offensichtlich war sein Ego in den Jahren nach ihrer Trennung sogar noch gewachsen.

Tamera musste jedoch auch zugeben, dass das Älterwerden Coles Sex-Appeal keineswegs geschadet hatte – ganz im Gegenteil. Allerdings wusste sie heute, dass sein attraktives Äußeres, das hinreißende Lächeln und die teuren italienischen Anzüge einen ziemlich miesen Charakter verbargen. Leider.

Sie hätte sich so sehr gewünscht, voller Enthusiasmus in dieses neue, einmalige Projekt einsteigen zu können, aber wie sollte das funktionieren, wenn der Teufel in Person neben ihr saß?

Victor nickte, beugte sich nach vorn und stützte sich mit den Ellbogen auf dem spiegelnden Mahagonitisch ab. Er war erst Ende dreißig, hatte es aber durch harte Arbeit und lukrative Geschäfte in Europa bereits zum Milliardär gebracht. Das blonde Haar, die gebräunte Haut und die blauen Augen ließen ihn wie den typisch amerikanischen Playboy wirken, und Gerüchten und der Regenbogenpresse zufolge eilte ihm der Ruf voraus, weltweit als Casanova unterwegs zu sein.

„Ihrer Sorge und Ihrer Irritation bin ich mir durchaus bewusst, Mr Marcum, aber ich versichere Ihnen – Ihnen beiden  –, dass wir alle davon profitieren werden.“

Geschäftlich gesehen mochte das ja stimmen, aber für Tamera persönlich würde es eine physische und psychische Gratwanderung werden. Es hatte lange gedauert, bis sie ihr gebrochenes Herz Stück für Stück wieder zusammengefügt hatte. Wollte das Schicksal sie nun vor eine weitere Prüfung stellen, die es zu bestehen galt?

Wie ärgerlich aber auch! Warum nur musste er noch besser aussehen als in ihrer Erinnerung? Diese breiten Schultern in dem dunklen Anzug, das kohlschwarze Haar und die gemeißelten Gesichtszüge übten eine fast magnetische Anziehungskraft auf sie aus.

Obwohl er von Kopf bis Fuß den zuverlässigen Geschäftsmann verkörperte, ließen ihn seine nachtschwarzen faszinierenden Augen doch unergründlich und wild wirken.

Konnte dieser Mann überhaupt noch lächeln? War sein Inneres so kühl wie sein Blick? Im Geschäftsleben waren Cole und sein Zwillingsbruder Zach als gierige Haie bekannt, doch wie war Cole heute als Mensch?

Nein, Tamera würde sich nicht wieder von ihm verzaubern lassen. Sie würde nicht herumsitzen und sich überlegen, wie er seine Freizeit verbrachte. Sie würde nicht über all die Frauen nachdenken, die seinen Weg gekreuzt hatten, seit er sie verlassen hatte. Sie war inzwischen eine gestandene Geschäftsfrau, und so würde sie sich auch verhalten.

Gut – Cole war ausgesprochen sexy, aber sexy Männer gab es hier in Miami wie Sand am Meer. So umwerfend war er ja nun auch wieder nicht. Nur weil er sie entjungfert, ihr die Welt zu Füßen gelegt und ihr ewige Liebe versprochen hatte, würde sie nicht hingehen und sich nach einem lange beendeten Traum verzehren.

Sie war jetzt eine starke Frau und hatte wichtigere Dinge im Kopf, als sich von der Vergangenheit einholen zu lassen.

Und genau das war einer der Gründe, warum Tamera dieses Projekt um jeden Preis machen wollte. Nachdem sie nun an der Spitze der Firma stand, durfte sie niemanden enttäuschen, vor allem ihren Vater nicht. Ehe er starb, wollte sie ihm beweisen, dass sie dieses Unternehmen, das seit drei Generationen im Besitz der Familie war, mit Bedacht leiten würde.

Niemand wusste von der Krankheit ihres Vaters – mit Ausnahme der Pflegekräfte, die sie eingestellt hatte. Niemand durfte davon erfahren. Falls bekannt würde, dass ihr Vater Lungenkrebs im Endstadium hatte, würden augenblicklich die Kurse fallen und ihnen die Kunden davonlaufen.

Walter Stevens war die Stevens-Gruppe. Er hatte sich in der Firma von der Pieke auf nach oben gearbeitet, und es gab keinen Bauunternehmer im ganzen Gewerbe, mit dem er nicht per du war. Im Hinblick auf Victor Lawson bedeutete das, dass sie sich nicht den geringsten Fehler erlauben durfte.

Und Cole durfte keinesfalls herausfinden, warum ihr Vater das Projekt nicht persönlich betreute. Er würde dessen Krankheit mit Sicherheit zu seinem Vorteil nutzen, und Tamera hatte nicht vor, ihn je wieder die Oberhand über ihr Leben gewinnen zu lassen.

Vermutlich sollte sie Cole sogar dankbar sein. Denn sein herzloses Verhalten damals hatte sie stärker und unabhängiger werden lassen.

„Dieses Hotel soll alles bisher Dagewesene in den Schatten stellen“, fuhr Victor fort. „Miami und die ganze Welt sollen die Leidenschaft hinter seiner Fassade sehen, die Sinnlichkeit hinter der Eleganz. Die Menschen kommen nach Miami, um ihrem Alltag zu entfliehen. Ich möchte, dass sie in eine andere Zeit versetzt werden und dass Liebende erleben, wie ihre kühnsten Fantasien Wirklichkeit werden.“

Bei jedem anderen Projekt wäre das Wort „Liebende“ Tamera wohl nicht durch Mark und Bein gegangen. Doch dies war ja auch kein Projekt wie jedes andere.

Sie nahm all ihre Kraft und Willensstärke zusammen. „Mr Lawson, ich kann natürlich nur im Namen der Stevens-Gruppe und nicht für meinen künftigen Partner sprechen, wenn ich Ihnen versichere, dass wir entzückt wären, bei diesem Projekt mit jedem Unternehmen Ihrer Wahl zu kooperieren. Wir können es kaum abwarten, mit der Arbeit zu beginnen.“

Das ist für dich, Cole – Mr Ich-kann-die-Verlobung-lösen-ohne-einen-Grund-dafür-zu-nennen.

Na großartig, jetzt wurde sie auch noch kindisch. Wenn sie ihrem Kollegen schon jetzt Steine zwischen die Füße warf, konnte das zu erheblichen Streitigkeiten führen, und Streitigkeiten waren das Letzte, was sie brauchte. Zumal Victor von „Leidenschaft“ und „Sinnlichkeit“ gesprochen hatte.

Victor lächelte triumphierend, und fast hätte sie sich selbst applaudiert.

„Freut mich zu hören, nichts anderes habe ich erwartet. Obwohl sich Ihr Vater so kurzfristig aus dem Geschäft zurückgezogen hat, war mir doch klar, dass seine Tochter dieselben Ziele verfolgt.“

„Mr Marcum?“, wandte sich Victor an Cole. „Ich versichere Ihnen, Sie haben nichts zu verlieren. Sie müssen sich das Honorar nicht teilen, sondern werden beide den vereinbarten Betrag erhalten, wenn Sie Ihre Angebote abgeben. Das ist nur fair. Bedenken Sie, dass ich so etwas auch noch nie zuvor getan habe, aber ich habe die Mehrkosten bereits einberechnet, und ich bin sicher, dass sich die Investition in Ihre beiden Firmen letztendlich in einen netten Gewinn verwandeln wird.“

Die großen Erwartungen, die Victor in ihre Fähigkeiten setzte, verursachten bei Tamera ein aufregendes Kribbeln. Seit sie das College verlassen hatte, arbeitete sie in der Firma ihres Vaters. Genau wie er hatte sie ganz unten angefangen und sich allmählich nach oben gearbeitet.

Jetzt stand sie an der Spitze des Unternehmens, aber sie hätte diese prestigeträchtige Position ohne mit der Wimper zu zucken aufgegeben, falls dies gleichbedeutend wäre mit der Genesung und Rückkehr ihres Vaters.

Sie seufzte unhörbar und wappnete sich gegen die aus der Vergangenheit heraufdrängenden Gefühle, während sie auf Coles Antwort wartete. Und ganz abgesehen von der Vergangenheit – seine starke, sinnliche Präsenz war überaus faszinierend. Wäre dies ihr erstes Zusammentreffen, so wäre sie sicher an einer Ausweitung ihrer geschäftlichen Beziehung auf privater Ebene interessiert gewesen. Dies war durchaus bemerkenswert, denn in den letzten Jahren war ihr kaum ein Mann begegnet, mit dem sie gern ausgegangen wäre.

Wohin waren nur all die Jahre verschwunden? Auch ihr Liebesleben war in dieser Zeit auf der Strecke geblieben.

War sie wirklich von heute auf morgen zu dieser etwas mehr als dreißigjährigen Frau mutiert, die wegen einer einzigen schlechten Erfahrung auf Liebe und Glück verzichtete?

„Wenn das die einzige Möglichkeit ist, um handelseinig zu werden, dann bin ich mit von der Partie.“

Tamera stieß einen erleichterten Seufzer aus, obwohl ihr im Innersten angst und bange war bei dem Gedanken an die Zusammenarbeit mit Cole.

Würde es ihnen gelingen, so zu tun, als wäre nichts? Es kam ihr vor, als stünde ihre Vergangenheit zwischen ihnen wie eine Zeitbombe, an der die Uhr tickte. Doch Coles eisiger Blick strafte ihr Gefühl Lügen. Offensichtlich fühlte er sich durch ihre Gegenwart weit weniger irritiert als sie sich durch seine.

Sie fragte sich, ob Victor die Spannung zwischen ihnen wahrnahm oder ob ihn sein neustes Projekt zu sehr beanspruchte, um derart feinfühlig zu sein.

Die Zusammenarbeit mit Cole würde schon klappen, redete sie sich gut zu. Außerdem hatte sie ohnehin keine andere Wahl.

Egal was kommen mochte, sie würde sich professionell und kompetent verhalten. Ihre gemeinsame Vergangenheit musste dort begraben bleiben, wo sie vor fast elf Jahren geendet hatte … zusammen mit ihrem Herzen.

„Ausgezeichnet.“ Victor erhob sich, und Tamera und Cole folgten seinem Beispiel. „Ich werde die Verträge aufsetzen und Ihnen zuschicken lassen. Ich hoffe, das wird bis Ende der Woche der Fall sein, damit wir beginnen können. Sie werden auch eine ausführliche Liste mit meinen Anforderungen und einigen eigenen Ideen erhalten. Fragen oder Bedenken sind direkt an mich zu richten. Und bitte legen Sie im sprichwörtlichen Sinn alle Hemmungen ab. Arbeiten Sie, wo immer Sie kreativ arbeiten können, ohne von Telefon, Fax oder ihren Mitarbeitern gestört zu werden. Lassen Sie sich bei der Planung nur von Ihrer Fantasie beflügeln.“

Von der Fantasie beflügeln lassen? Nein danke, das hatten wir alles schon – und ein gebrochenes Herz als Zugabe und Erinnerung obendrauf.

Tamera schüttelte Victor die Hand, nahm ihre Designer-Handtasche und verließ eilig den Raum. Die Besprechung war vorüber, also gab es keinen Grund, noch länger zu bleiben und sich von Erinnerungen und Coles frischem Rasierwasserduft quälen zu lassen. Obwohl sie sich andererseits auch gleich daran gewöhnen konnte. Die Arbeit an diesem Projekt würde viele Monate dauern, und sie spürte, dass dies nur der Anfang ihrer Seelenqualen sein würde.

Während sie mit dem gläsernen Aufzug hinunter in die Lobby von Victor Lawsons grandiosem Bürogebäude fuhr, versuchte sie, die schmerzliche Vergangenheit aus ihrem Kopf zu verdrängen.

Sie war nicht mehr das zweiundzwanzigjährige naive Mädchen, das jung und verliebt in einen Mann war, der versprochen hatte, sie auf Händen zu tragen, und der sie dann schmählich verlassen hatte, ohne ihr einen vernünftigen Grund zu nennen. Er hatte nur irgendetwas vor sich hingemurmelt, von wegen er sei zu jung und habe sich zu früh gebunden, doch das hatte sie ihm nicht abgenommen. Irgendetwas war passiert, das diesen plötzlichen Sinneswandel hervorgerufen haben musste.

Doch da er nicht stark genug gewesen war, um für sie und ihre Zukunft zu kämpfen, hatte sie ihn auch nicht mehr haben wollen. Allerdings hatte es sie doch sehr überrascht, dass jemand wie Cole, der sein Leben im Griff zu haben schien und seine Ziele genau kannte, sich aus dem Staub machte, sobald es um Liebe ging.

Falls Cole Marcum glaubte, noch immer das naive Ding von damals vor sich zu haben, musste sie ihn enttäuschen. Sich alten Erinnerungen hinzugeben, dafür hatte sie weder Zeit noch Lust. Sie leitete ein großes Unternehmen und musste sich um ihren Vater kümmern.

Tatsächlich hatte sie noch nicht einmal die Zeit, auch nur einen zweiten Gedanken an Cole Marcum zu verschwenden.

Warum aber konnte sie seit dem Beginn des eben beendeten Meetings an nichts anderes mehr denken?

„Komm doch bitte gleich in mein Büro.“

Cole steckte sein iPhone zurück in die Hosentasche und begann seine „Laufstrecke“, wie er sie nannte, abzugehen – das war der Raum zwischen seinem überdimensionalen Schreibtisch aus Chrom und Glas und der Fensterfront, die auf den Hafen von Miami und die dort ankernden Jachten blickte.

Tamera Stevens.

Die Enge in seiner Brust war überaus unangenehm. Nach all der Zeit, die inzwischen vergangen war, hätte das quälende Schuldgefühl in seinem Herzen doch allmählich nachlassen müssen. Wie konnte es sein, dass er neben seinem Job als Boss eines milliardenschweren Unternehmens immer noch Zeit fand, sich für den Verrat an Tamera Stevens schuldig zu fühlen? Es stimmte schon, er hatte immer nach vorn gesehen, nie zurück. Trotzdem war er nicht glücklich über die Art und Weise, mit der er damals eine innig geliebte Person behandelt hatte.

Victor Lawson hatte dem Berg von Schuldgefühlen nun noch eins draufgesetzt, indem er die Bombe hatte platzen lassen, dass zwei Architekturbüros kooperieren sollten. Und nicht nur das, er hatte sogar explizit verlangt, dass Tamera und Cole selbst die Planungen für das Hotel durchführen sollten. Ohne Assistenten, ohne Bauingenieure – nur die beiden Firmenchefs.

Das Schicksal war unberechenbar.

„Was gibt es?“

Auch nachdem sein Zwillingsbruder Zach hereingekommen war, tigerte Cole weiter auf und ab.

„Wir haben den Lawson-Auftrag“, erklärte Cole ihm, während er aus dem Fenster über den Hafen blickte und sich wünschte, er könnte draußen auf seiner Jacht sein.

„Und deinem munteren Ton entnehme ich, dass du es von ganzem Herzen verabscheust, millionenschwere Verträge mit dem größten Wirtschaftsmogul der Welt zu schließen.“

Cole warf ihm einen Blick über die Schulter zu. „Schenk dir deinen Sarkasmus. Wir müssen mit einem anderen Architekturbüro zusammenarbeiten.“

Jetzt horchte Zach auf. „Mit wem?“

Cole wandte sich wieder der Schönheit der See zu. „Mit der Stevens-Gruppe“, stieß er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.

„Mit Walter Stevens? Du hasst den Typen!“

Das war eine ziemliche Untertreibung. Wer würde nicht den Mann hassen, der einem gedroht hatte, seine Zukunft zu zerstören, nur weil er sich in dessen Tochter verliebt hatte?

„Es ist ein wenig komplizierter“, seufzte Cole, drehte sich um und setzte sich auf die Kante des Fensterbrettes. „Walter hat aus irgendeinem Grund nichts mit diesem Projekt zu tun.“

„Sondern Tamera.“

Cole nickte, und Zach pfiff leise durch die Zähne.

„Möchtest du, dass ich das Projekt übernehme?“, fragte Zach. „Mir macht es nichts aus, mit ihr zu arbeiten. In Anbetracht der Umstände wäre es vielleicht das Beste.“

Der Gedanke war zwar verlockend, aber Cole dachte nicht daran, klein beizugeben. „Nein, ich muss das schon selbst machen.“

„Das kann doch nicht dein Ernst sein“, erwiderte Zach. „Wie lange ist das jetzt her? Elf Jahre? Sie wird nicht mehr dieselbe Person sein, in die du dich damals verliebt hast, Cole, glaub mir.“

Das ließ sich nicht bestreiten. Und Zach war Experte auf diesem Gebiet. Seine Ehe war kaum besiegelt gewesen, als seine Frau ihn auch schon wegen eines anderen Mannes verlassen hatte. Doch Cole ging es nicht um Liebe. Vielmehr wollte er Walter Stevens beweisen, dass er dessen heiß geliebter Firma und Tochter durchaus ebenbürtig war. Die Kooperation der beiden Firmen für dieses Projekt war im Grunde Gold wert. Es war genau die Gelegenheit, auf die er gewartet hatte, um Walter Stevens zu zeigen, dass er inzwischen genauso mächtig, wenn nicht sogar mächtiger als der alte Herr war.

„Was hast du jetzt vor?“, fragte Zach und lehnte sich an den Rand des Schreibtisches. „Wirst du ihr endlich sagen, dass dich ihr Vater damals massiv unter Druck gesetzt hat?“

„Nein. Abgesehen davon, dass sie es mir nicht glauben würde, haben wir uns inzwischen beide weiterentwickelt.“ In seinem Kopf wirbelten Unmengen von Gedanken und Ideen durcheinander. „Wobei ich allerdings zugeben muss, dass sie die Frau mit dem größten Sex-Appeal ist, den ich je erlebt habe. Und wer weiß? Vielleicht stimmt die Chemie ja noch zwischen uns. Die kommenden Monate werden mit Sicherheit höchst interessant.“

Zach stieß ein amüsiertes Lachen aus. „Und wenn sie doch nur das typische verwöhnte Mädchen aus reichem Haus ist, das in die viel zu großen Fußstapfen seines Vaters getreten ist?“

Cole überlegte kurz. „Möglich, aber ich will nichts anderes von Tamera, als dass sie bei diesem Projekt konstruktiv mit mir zusammenarbeitet. Außerdem wirkt sie noch immer sehr süß und unschuldig. Überhaupt nicht wie Walter.“

„Das Süße und Unschuldige ist ihr wahrscheinlich vergangen, als du ihr Herz mit Füßen getreten hast“, bemerkte Zach, als brauche Cole eine kleine Auffrischung seines Gedächtnisses. „Ich weiß nicht, wie du es siehst, aber für mich ist ein Millionendeal hundertmal wichtiger als Sex. Wirst du dich denn hinreichend auf die Arbeit konzentrieren können?“

Die Stevens-Gruppe war eines der ersten Architekturbüros im Land, also war Tamera durch und durch Profi. Einer guten Zusammenarbeit würde demnach nichts im Wege stehen, und falls die sexuelle Anziehungskraft zwischen ihnen noch immer bestand … nun dann …

Dabei stand Cole der Sinn nicht im Entferntesten nach dem, was einmal zwischen ihnen gewesen war. Ganz und gar nicht. Er wollte einfach nur wissen, ob sie noch immer wie früher schmeckte und ihr Körper unter seiner Berührung erschauerte. Welcher heißblütige Mann würde darauf nicht neugierig sein?

In Miami nannte man Frauen wie Tamera Stevens eine Granate. Sie hatte langes blondes Haar, blaue Augen und einen Körper, der den Titel jedes Männermagazins hätte zieren können. Cole würde sich auch dann für sie interessieren, wenn er sie gerade eben zum ersten Mal gesehen hätte. Die Tatsache, dass sie eine gemeinsame Vergangenheit hatten, machte das Ganze nur noch aufregender.

Liebe? Nein danke. Jedes Gefühl, das auch nur vage an Liebe erinnerte, war mit Tameras Träumen von einem gemeinsamen Leben gestorben. Die Liebe hatte keinen Platz in seinem Leben … nicht, solange sein Leben nur aus seinem Zollstock, Pergamentpapier und künstlerischer Gestaltung bestand.

„Natürlich kann ich mich konzentrieren“, erwiderte er grinsend. „Und wie ich mich konzentrieren werde! Tamera wird sich wundern, wie sehr ich mich verändert habe.“

Zach hob fragend eine Augenbraue. „Vergiss nicht, dass der Konkurrenzkampf nicht zwischen dir und Tamera, sondern zwischen dir und ihrem Vater stattfindet.“

Walter Stevens war nie gut auf Cole zu sprechen gewesen, und als Cole sich im Sommer nach dem Collegeabschluss mit Tamera verlobt hatte, hatte Walter die Katze aus dem Sack gelassen.

Falls Cole Tam nicht in Ruhe ließe, würde Walter dafür sorgen, dass Cole sein Stipendium verlöre. Walter Stevens hatte überallhin Verbindungen, und Cole war ziemlich klar, dass er keine leeren Drohungen von sich gab.

Und da Cole, Zach und ihre kleine Schwester Kayla in ärmlichen Verhältnissen bei ihrer Großmutter lebten, blieb Cole nichts anderes übrig, als klein beizugeben. Denn er hatte keine Verbindungen, und sein einziges Ticket aus der Armut war sein Stipendium.

Die Wahl zwischen seiner beruflichen Zukunft und der Liebe zu Tamera war die schwerste Entscheidung seines Lebens gewesen … und noch lange nach der Trennung von Tamera hatte er sie Tag für Tag infrage gestellt. Doch er glaubte fest daran, dass alles im Leben einen tieferen Sinn hat, und war inzwischen mit sich und seinem Leben zufrieden.

Die nächsten Wochen und Monate würden sicher eine Herausforderung für ihn werden, doch Cole war bereit für alles. Vor allem, wenn es darum ging, Millionen zu verdienen – und erneut Tameras verführerische Rundungen zu erkunden.

2. Kapitel

Die Verträge waren unterzeichnet. Es gab kein Zurück mehr.

Sie würde es schaffen. Die Arbeit mit Cole würde nicht viel anders sein als damals an der University of Florida, als sie gemeinsam entweder in ihrem Apartment oder seinem Zimmer im Studentenwohnheim über Entwürfen gesessen hatten.

Mit dem einen großen Unterschied, dass es heute dabei um viele Millionen Dollar ging und nicht wie damals um Noten … oder Gefühle.

Obwohl … zumindest von Tameras Seite waren auch heute noch Gefühle im Spiel, doch sie waren nur Erinnerungen an das, was vor langer Zeit zwischen ihnen gewesen war.

Tam verdrehte die Augen und fuhr ihren Computer herunter, dankbar, dass sie jetzt nach Hause gehen konnte. Was auch immer zwischen ihnen gewesen war, es musste wohl einseitig gewesen sein, sonst hätte Cole nicht so einfach von ihr gehen können. Den Kummer darüber, verlassen worden zu sein, hatte sie inzwischen überwunden, doch was noch immer an ihr nagte, war die Tatsache, dass er ihr nie die Gründe genannt hatte.

Als Cole damals ihre Verlobung gelöst hatte, war sie krank vor Liebeskummer gewesen. Sie war dem Rat ihres Vaters gefolgt und hatte die Universität gewechselt, um Cole nicht mehr sehen zu müssen und neu anfangen zu können. Trotzdem hatte sie nie den Mann vergessen, dem ihre ganze Liebe gehörte.

Den Mann, der genau in diesem Augenblick auf der Schwelle zu ihrem Büro stand.

„Cole.“ Ihr Herz fing an zu rasen, und ihre Knie wurden weich. Zum Glück saß sie hinter ihrem Schreibtisch. „Was führt dich zu mir?“

„Wir müssen reden.“

Er schlenderte über den weichen weißen Teppichboden auf sie zu. Selbst am Ende eines langen Arbeitstages sah er noch immer blendend aus. Er trug zu einer schwarzen Hose ein hellblaues Hemd mit aufgekrempelten Ärmeln, das Jackett hatte er ausgezogen und die Krawatte abgenommen. Der Hauch eines dunklen Schattens auf seinen Wangen ließ ihr fast den Atem stocken.

Vorbei oder nicht, dieser Mann war unbestreitbar die Verkörperung des Begriffes „sexy“. Hätte er sich in all den Jahren nicht wenigstens einen kleinen unansehnlichen Bierbauch zulegen können?

„Ich wollte gerade nach Hause“, erklärte sie ihm und versuchte dabei, seine panthergleichen Augen zu übersehen. „Vielleicht können wir das Gespräch über den Erstentwurf ja auf morgen verschieben.“

Statt sich wie die meisten Besucher auf den Stuhl vor ihrem Schreibtisch zu setzen, kam Cole um den Tisch herum und lehnte sich nur wenige Zentimeter von ihr entfernt mit der Hüfte gegen die Tischkante. Zu allem Überfluss roch er auch noch verteufelt gut. Der maskuline Duft seines Eau de Cologne war ihr schon beim ersten Meeting mit Victor aufgefallen. Zudem spannte das Hemd über seinen breiten Schultern, und seine Lippen waren noch immer so voll und luden zum Küssen ein, wie an dem Tag, an dem er sie gebeten hatte, ihn zu heiraten.

Gnade. Dies war erst Tag eins … von wie vielen Tagen? Wie lange würden sie für dieses Projekt brauchen?

„Ich bin nicht gekommen, um über das Projekt zu reden.“

Kein Blinzeln verriet, wie es in seinem Innern aussah. Sein Blick war so unbeteiligt, als kümmere ihn ihr Zusammentreffen nicht die Bohne. Doch die Spannung, die zwischen ihnen knisterte, konnte doch wohl kaum von ihr allein ausgehen.

Tamera räusperte sich und lehnte sich etwas zurück. Sie tat gar nicht erst so, als wüsste sie nicht, was er meinte. Glaubte er ernsthaft, er könnte einfach so in ihr Büro hereinspazieren und dort weitermachen, wo er damals aufgehört hatte?

„Cole, ich finde das nicht sehr professionell. Die Vergangenheit wieder aufzuwärmen, bringt uns mit dem Projekt keinen Schritt voran. Wozu das Ganze?“

Er musterte sie von Kopf bis Fuß und machte sie damit noch nervöser. Dann heftete er seinen Blick wieder auf ihr Gesicht, als wolle er darin lesen. Tamera fühlte sich wie ein Insekt unter einem Mikroskop und hasste es.

„Macht es dir wirklich nichts aus, mit mir zusammenzuarbeiten?“, fragte er leise. „Deshalb bin ich nämlich hier. Wir sollten unter vier Augen – ohne Victor oder unsere Angestellten – über dieses Arrangement reden.“

Wie schaffte er es bloß, so verdammt kühl und beherrscht zu sein? Und warum bildete er sich ein, sie würde allein schon beim Gedanken daran, mit ihm zu arbeiten, die Fassung verlieren? Wenn er lediglich herausfinden wollte, ob sie „Manns“ genug für diesen Job war, würde sie ihm schon zeigen, wer hier das Sagen hatte.

Tamera erhob sich und zwang so Cole, zu ihr aufzusehen. „Das ist ein Traumjob, Cole. Selbst wenn ich mit dem Teufel zusammenarbeiten müsste, würde mich das nicht abhalten. Es besteht also keinerlei Anlass, mich wie ein rohes Ei zu behandeln und so zu tun, als machtest du dir Sorgen um mich.“

Cole hatte sich mittlerweile auf den Rand ihres Schreibtisches gehockt und lächelte. „Zach hat mir angeboten, meinen Part zu übernehmen.“

Sie zwang sich, sein Lächeln zu erwidern, und ging dann zum Fenster, um hinunter auf die Lichter des aufregenden, brodelnden South Beach zu blicken.

„Dann habt ihr beiden euch also über mein Wohlbefinden unterhalten? Wie rücksichtsvoll, vielen Dank, aber ich versichere euch, ich werde keinerlei Probleme damit haben. Die Frage ist nur, wie steht es mit dir, Cole?“

Sie wandte sich um, um zu sehen, wie er reagierte. Erstaunlicherweise begann ein Muskel in seiner Wange zu zucken. Cole erhob sich nun ebenfalls und kam auf sie zu.

Hatte der Mann denn keine Ahnung von Körpersprache? Es war doch wirklich nicht so schwer zu verstehen, dass sie absichtlich Abstand zwischen sich und ihm geschaffen hatte. Und warum war ihr Körper so wenig loyal und reagierte so heftig auf ihn?

„Ehrlich gesagt“, begann er und kam ihr dabei so nah, dass sie ans Fenster zurückweichen musste, „habe ich möglicherweise ein Problem damit.“

Sollte sie tatsächlich in ihrem eigenen Büro die Kontrolle über die Situation verlieren?

Sie fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und verwünschte sich augenblicklich dafür, als sein Blick zu ihrem Mund wanderte. Er würde sie doch wohl nicht küssen wollen?

„Wieso das?“, fragte sie und war froh, dass ihr wenigstens die Stimme gehorchte.

„Weil du noch verführerischer und attraktiver bist als damals. Ich bin vollkommen fasziniert von dir.“

„Dein Pech.“

Sie versuchte, sich lässig zu geben, doch in Wirklichkeit wollte sie ihn einfach nur küssen. Sie sehnte sich so sehr danach, seine Lippen wieder auf ihren zu spüren. Und dieser Wunsch war so stark, dass sie gar nicht erst versuchte, sich etwas vorzulügen.

Sie waren ein glückliches Paar gewesen. Fast zwei Jahre lang waren sie unzertrennlich. Nichts und niemand hatte seitdem ihr Herz so berührt wie damals Cole. Wenn sie ihn jetzt küsste, würde sie nur in die Vergangenheit zurückkatapultiert, und all ihre Hoffnungen, dieses Projekt professionell durchzuziehen, wären dahin.

Zum Glück gewann ihr gesunder Menschenverstand wieder die Oberhand, und sie schob Cole zurück.

„Nein.“ Sie schlüpfte an ihm vorbei in Richtung Tür. „Wenn du glaubst, du könntest dich wieder in mein Leben drängeln, bist du dreister, als ich dachte. Es überrascht mich doch schon sehr, dass du dich angesichts des größten Geschäfts aller Zeiten von deinen Hormonen leiten lässt.“

Langsam und lässig, die Hände in den Hosentaschen, durchquerte Cole den Raum. „Du hast recht. Aber ich musste es einfach wissen.“

Obwohl sie sich über ihre Neugier ärgerte, konnte sie nicht anders. „Was musstest du wissen?“

„Ob der Zauber noch wirkt.“ Cole stand breitbeinig vor ihr, beugte sich zu ihrem Ohr und flüsterte: „Er wirkt noch.“

Ohne ein weiteres Wort verließ er pfeifend ihr Büro.

Am liebsten hätte Tamera die Tür hinter ihm mit voller Wucht zugeschlagen. Wie unerträglich dieser Mann sein konnte!

Zu allem Überfluss musste er auch noch pfeifen. Abscheulich! Wenn er auch nur eine Sekunde glaubte, beruflich oder privat mit ihren Gefühlen spielen zu können, hatte er sich getäuscht. Nichts, absolut nichts würde sie von diesem Projekt abhalten.

Und schon gar nicht ein Exverlobter, der heute noch attraktiver war als damals, als sie sich Hals über Kopf in ihn verliebt hatte. Zu dumm, dass er so arrogant und eingebildet war.

Tamera kochte noch immer vor Wut, als sie ihren silbernen Wagen durch das schmiedeeiserne Tor zum Anwesen ihres Vaters fuhr. Doch als sie vor Coral Gables anhielt und die Treppenstufen hinaufstieg, zwang sie sich, ruhig zu werden.

Ihr Vater brauchte im Augenblick noch nicht zu wissen, dass sie mit einer anderen Firma kooperierte. Und vor allem nicht, dass es sich um Coles Firma handelte. Er musste sich einzig und allein auf sich selbst konzentrieren und darauf, möglichst wenige Schmerzen zu haben … wenn das überhaupt noch möglich war.

Sie hatte sich tatsächlich einigermaßen beruhigt, als die Pflegerin ihres Vaters mit versteinerter Miene aus dessen Krankenzimmer kam.

Sofort ergriff sie Panik. „Was ist los, Danita?“

Die ältere Frau fasste sanft nach Tameras Arm und führte sie ins Wohnzimmer. „Ich fürchte, es ist so weit, Ms Stevens.“

Dass dieser Tag kommen würde, der Tag nämlich, an dem es nicht länger möglich war, ihren Vater im Haus zu behalten, wusste Tamera schon lange. Der nächste Schritt war, ihn in einem Hospiz unterzubringen.

Sie nickte. „Ich werde dann alles Nötige veranlassen. Ich will, dass er es so angenehm wie möglich hat.“

Danita lächelte traurig und drückte Tameras Arm. „Ich könnte noch einmal mit dem Arzt sprechen, vielleicht gibt es ja doch eine Möglichkeit, ihm stärkere Schmerz- und Beruhigungsmittel zu geben, um ihn hierzubehalten, bis die Stunde kommt.“

Die Stunde seines Todes. Unausgesprochen hing das Wort in der Luft.

„Natürlich wäre es mir lieber, er könnte hier zu Hause sterben“, sagte Tamera leise. „Aber wenn das Hospiz ihn jetzt aufnehmen kann, dann werde ich alles Notwendige veranlassen. Ich habe gerade einen großen Auftrag unterschrieben und kann mir nicht freinehmen, aber ich werde dafür sorgen, dass mein Vater alles bekommt, was er braucht.“

Noch vor zwei Monaten stand ihr Vater an der Spitze eines der führenden Architekturbüros im Land, und jetzt kämpfte er ums Überleben. Für sie.

Tamera wusste, dass es sein Lebensinhalt war, sie glücklich zu sehen. Und da sie seine Dickköpfigkeit kannte, war er vermutlich nur deshalb noch am Leben, weil er sichergehen wollte, dass sie sein Unternehmen nicht ruinierte.

Dieser Gedanke ließ sie trotz ihrer Trauer lächeln. So war er nun einmal.

Sie musste dieses Projekt also durchziehen. Und sie musste so bald wie möglich mit Cole in Verbindung treten, um ihrem Vater ein letztes Geschenk zu machen.

Er würde friedlich von dieser Welt gehen können, wenn er wusste, dass sie ihr Schicksal meisterte und das Werk fortführte, das ihr Großvater unter so vielen Mühen aufgebaut hatte.

Leise öffnete sie die Tür zum Zimmer ihres Vaters einen Spaltbreit, um ihn nicht zu wecken, falls er schliefe. Doch er war wach.

Sie schob die Tür ganz auf und betrat den sonnendurchfluteten Raum. „Ich dachte, du würdest schlafen.“

Walter Stevens wandte seinen Blick vom Fenster ab, hin zu ihr. „Ich habe dich heute gar nicht erwartet.“

Dies war jedes Mal seine Standardbegrüßung, und Tamera lachte dann immer. Die Ärzte sagten, sein geistiger Zustand würde sich mit dem Verlauf der Krankheit verschlechtern, doch Tamera glaubte nicht daran. Sein Kopf war so klar wie eh und je. Er testete sie nur, weil er der Ansicht war, sie müsse Tag und Nacht im Büro verbringen … so wie er früher.

„Was kann ich für dich tun?“, fragte sie, als sie neben seinem Bett stand. „Etwas Wasser oder eine Kleinigkeit zu essen? Danita bereitet das Abendessen vor, aber es dauert noch etwa eine Stunde, bis es fertig ist.“

Er machte eine vage Handbewegung. „Ihr zwei Frauen macht euch viel zu viele Sorgen um mich. Erzähl mir lieber, was es Neues im Büro gibt.“

„Es läuft alles so weit nach Plan. Bis jetzt kommen noch nicht allzu viele Fragen wegen deiner Abwesenheit, weil man sich wohl mit der Erklärung zufrieden gibt, dass du dich noch nicht ganz zur Ruhe gesetzt hast, sondern erst mal prüfen willst, wie du damit zurechtkommst.“

In früheren Zeiten hätte er sie nicht so einfach davonkommen lassen, wenn sie um den heißen Brei herumredete. Aber das war, als er noch mitten im Leben stand und nicht ums pure Überleben kämpfte.

Sie würde mit ihm auf keinen Fall über den Deal mit Victor Lawson sprechen. Er würde sich sonst nur über Dinge sorgen, die sie im Griff hatte, statt sich auf seine Gesundung zu konzentrieren. Er sollte sich um gar nichts Sorgen machen müssen.

Außerdem hätte sie ihm dann auch gestehen müssen, dass sie mit Coles Firma kooperierte, und das wollte sie auf keinen Fall. In Anbetracht der Tatsache, dass sie sich monatelang in den Schlaf geweint und ihr Vater ihr in den meisten dieser Nächte die Hand gehalten hatte, bezweifelte sie, dass Walter den Namen Cole Marcum auch nur hören wollte.

Am besten hielt sie das Projekt komplett geheim. Zumindest für den Augenblick.

„Es tut mir leid, dass nun die ganze Verantwortung auf deinen Schultern liegt, Tamera. Du hast sicher viel Stress“, sagte er und musterte ihr Gesicht. „Du hast dunkle Schatten unter den Augen, ich fürchte, du achtest nicht genug auf dich.“

Sie lächelte und nahm seine Hand. „Kein Grund zur Sorge. Ich habe alles unter Kontrolle und gewöhne mich allmählich daran, den hohen Maßstäben gerecht zu werden, die du gesetzt hast.“

Walter aber fiel nicht auf ihren halbherzigen Versuch herein, die Stimmung ein wenig aufzulockern. „Was verheimlichst du mir?“

Tamera schüttelte den Kopf. „Nichts, worüber du dir im Moment den Kopf zerbrechen müsstest.“

„Ich werde mir den Kopf bis zu meinem letzten Atemzug zerbrechen“, versicherte er ihr. „Wir haben doch keine Kunden verloren, oder?“

„Natürlich nicht. All unsere Kunden sind höchst zufrieden mit unserer Arbeit. Und jetzt hör auf, dir Sorgen zu machen, sondern konzentriere dich auf dich selbst. Ich trage jetzt die Verantwortung.“

Endlich lächelte er. „Ich schätze, darauf hast du lange warten müssen.“

Sie erwiderte sein Lächeln. „In der Tat. Aber jetzt gehe ich, damit du dich vor dem Essen noch etwas ausruhen kannst. Ich rufe dich an oder komme später noch einmal vorbei.“

Sie küsste ihren Vater zum Abschied, verließ Coral Gables und machte sich auf den Weg zu ihrer eigenen Wohnung in South Beach.

South Beach war eine wunderschöne, ruhige Wohnlage. Vielleicht würde sie eines Tages so wie früher wieder Gefallen finden an Modeläden und dem Nachtleben. Hin und wieder vermisste sie es, tanzen zu gehen und mit Freunden Spaß zu haben. Aber die Pflicht ging vor, und es erschien ihr unter diesen Umständen unpassend, Feste zu feiern. Kein Wunder, dass sie kein Liebesleben hatte oder jemanden, der sie in schweren Zeiten unterstützte. In all den Jahren hatte sie nie eine feste Beziehung gehabt.

Während sie an all den Menschen vorbeikam, die vor den Läden flanierten und lachend am Strand entlangspazierten, spürte sie den Neid wie einen Stich ins Herz. Sie alle schienen so sorglos und fröhlich in den Tag hinein zu leben.

Tränen stiegen Tamera in die Augen, und da sie allein war, ließ sie ihnen freien Lauf. Sie standen ihr auch zu, fand sie, schließlich hatte sie heute einen emotionalen Tiefschlag nach dem anderen einstecken müssen.

Tamera zweifelte daran, dass sie stark genug war, es zu Beginn dieses großen Projekts und in den letzten Lebenstagen ihres Vaters mit Cole aufzunehmen. Vielleicht war es ja einfacher, der Öffentlichkeit eine stahlharte Fassade vorzugaukeln, wenn sie sich privat auch mal gehen ließe. In ihrem Berufsleben durften Verletzlichkeit und Schwäche allerdings keinen Platz einnehmen.

Sie parkte in ihrer Garage und zog das Handy aus ihrer Handtasche. In der Erwartung, auf die Mailbox zu sprechen, wählte sie Coles Büronummer, doch er nahm selbst ab.

„Cole Marcum.“

Tamera schloss die Augen, lehnte den Kopf gegen die Kopfstütze und unterdrückte die schon wieder aufsteigenden Tränen. „Ich dachte nicht, dass du so spät noch arbeitest.“

„Tamera.“ Sie hörte seine Überraschung und sein Lächeln durch das Telefon. „Warum rufst du dann an?“

„Um dir eine Nachricht zu hinterlassen. Ich würde mich morgen gern gleich in aller Frühe mit dir treffen, um mit den Plänen anzufangen.“

„Wunderbar. Meine Jacht liegt in Bal Harbor.“

Sie hob den Kopf und riss die Augen auf. „Deine Jacht?

„Ja, dort arbeite ich normalerweise. Das ist der Platz, an dem ich meine Gedanken in aller Ruhe ordnen kann und nicht unterbrochen werde. Ich gebe meinen Mitarbeitern Bescheid, dass sie morgen freihaben.“

Tamera verspürte umgehend einen Anflug von Kopfschmerzen und rieb sich die Stirn. „Ich denke nicht daran, auf deine Jacht zu kommen. Schließlich handelt es sich nicht um einen Höflichkeitsbesuch. Wir sind Architekten, Cole, und Architekten treffen sich üblicherweise in Besprechungsräumen.“

Cole lachte kurz auf, und als Tamera das hörte, wurde sie noch nervöser.

„So arbeite ich nun mal zu Beginn eines Projektes, Tamera. Ich lasse einen kleinen Lunch vorbereiten, damit wir ungestört durcharbeiten können. Sagte Victor nicht etwas wie ‚alle Hemmungen ablegen‘? Wir müssen uns den Wünschen unseres Auftraggebers doch fügen, oder?“

Am liebsten hätte sie aufgelegt. Er war offensichtlich wild entschlossen, seinen Kopf durchzusetzen.

„Vertrau mir“, fuhr er in diesem besänftigenden Tonfall fort. „Es wird dir gefallen, wenn du dir um nichts anderes Sorgen machen musst als darum, ob dein Edding-Marker mit deiner Kreativität Schritt halten kann.“

Jetzt musste auch Tamera lachen. „Ich werde mal darüber hinwegsehen, dass du mich gerade gebeten hast, dir zu vertrauen, und warne dich – solltest du auch nur den leisesten Versuch unternehmen, mich zu bezirzen oder irgendwelche Spielchen mit mir zu treiben, dann verlasse ich auf der Stelle dein Boot, und wir werden jedes weitere Treffen in meinem Büro abhalten. Also, wie finde ich deine Jacht?“

Er gab ihr genaue Anweisungen, und als er schließlich auflegte, hatte Tamera das Gefühl, als hätte sie die Kontrolle über die Situation Stück für Stück aus der Hand gegeben. Doch falls dies wirklich Coles Art zu arbeiten war und Victor glaubte, dies könne dem Entwurf dienen, dann musste sie es den beiden Männern wohl recht machen, damit die Baupläne fertig würden, ehe …

Tamera stieg aus ihrem Wagen und versuchte, die eingestürzten Mauern um ihr schweres Herz schnell wieder hochzuziehen. Sie konnte keine weitere Enttäuschung verkraften. Nicht jetzt, wo so viel auf dem Spiel stand.

3. Kapitel

Cole hatte Tamera die Wahrheit erzählt, als er ihr sagte, er könne am besten auf seiner Jacht arbeiten. Allerdings musste er zugeben, dass er die Mitarbeiter einer anderen Firma nicht an Bord geladen hätte.

Er wollte Tamera zeigen, was für ein Mensch er heute war. Und außerdem wollte er seinen Verführungsplan so schnell wie möglich starten. Dies war die perfekte Gelegenheit, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen.

Bei ihrem letzten Zusammentreffen war ihm keineswegs entgangen, wie ihr Puls unter der weichen Haut an ihrem Hals schlug, und auch nicht, wie sie mit der Zunge über ihre Lippen fuhr, so als sei sie nervös oder aufgeregt oder beides. Er wusste, sie begehrte ihn so wie er sie, und das machte sie so wütend, dass es ihr sogar egal war, ob man es bemerkte.

Sie wollte ihn auf Distanz halten, und in Anbetracht seines schäbigen Verhaltens in der Vergangenheit war das auch begreiflich. Trotzdem glaubte er, dass das nicht der Hauptgrund für ihr Zurückweichen gewesen war. Vielleicht hätte er das Blitzen in ihren Augen für Unmut gehalten, wenn ihre Stimme nicht gleichzeitig leicht gebebt hätte …

Eins zu null für ihn, dass er ihr nach so kurzer Zeit schon wieder unter die Haut ging.

Die Körpersprache einer Frau richtig zu lesen, war ihm in Fleisch und Blut übergegangen – und er hatte eine Menge Erfahrung darin, Tameras Körpersprache zu verstehen. Er kannte sie so gut, wie ein Mann eine Frau nur kennen kann. Sicherlich waren inzwischen elf Jahre vergangen, aber sie hatte sich nicht so sehr verändert. Er wusste genau, dass sie einerseits neugierig war, ob die Chemie zwischen ihnen noch stimmte, und ihm andererseits am liebsten die Augen ausgekratzt hätte.

Und er glaubte weiterhin zu wissen, dass es ihn keine große Mühe kosten würde, sie zu verführen.

Sie war noch immer voller Leidenschaft und Begierde, auch wenn der Zündstoff dahinter Zorn und Wut waren. Und er würde sich diese Leidenschaft zunutze machen.

„Hallo?“

Tameras Stimme hallte in der Kombüse. Cole setzte sein Pokerface auf und trat hinaus auf das glänzende Kirschholzdeck.

Sie trug einen weißen Rock, schlichte weiße Turnschuhe und ein ärmelloses blau-weiß gestreiftes Top. Das helle Haar umspielte in lockeren Wellen ihre Schultern und ließ sie sehr unschuldig aussehen. Wenn sie wüsste, wie weit er in Gedanken schon gewesen war.

„Komm mit unter Deck“, sagte er und wies auf die Treppe. „Meine Leute haben etwas Gebäck und Obst vorbereitet und auch verschiedene Sorten Saft.“

Er ging ihr voran in die Küche und nahm sich von den Trauben.

„Nette Jacht.“

Ihr sarkastischer Ton ließ ihn aufblicken. „Danke.“

„Ich hätte nicht erwartet, dass sie meinen Namen trägt.“

Cole zuckte mit den Schultern und ging nicht auf ihren mokanten Ton ein. „Das ist nicht dein Name. Ich habe mein Boot „TAM“ nach dem ersten Aktienpaket genannt, mit dem ich einen ordentlichen Profit gemacht habe und mir den Kauf eines solchen Luxusboots leisten konnte.“

Ihr Blick sagte deutlich, dass sie ihm kein Wort glaubte.

„Ach, und du dachtest, ich hätte es nach dir genannt?“, lachte er. „Wie peinlich. Aber ganz im Ernst, ich müsste eine ganze Flotte besitzen, wenn ich jeden Namen einer Exfreundin auf einem Boot verewigen wollte.“

Ohne den Schmerz in ihren Augen zu beachten, wandte er seine Aufmerksamkeit wieder der Obstschale zu. Es war die Wahrheit. Nicht im Traum dachte er daran, ihr einzugestehen, dass er das Aktienpaket ihretwegen gekauft hatte.

Er trauerte ihrer Liebe nicht mehr nach. Zu viel Zeit war vergangen, um noch immer Gefühle für eine Frau zu hegen, die er vor über zehn Jahren einmal geliebt hatte. Und nichts lag ihm ferner, als mit einer Frau wie Tamera nochmals eine Art Beziehung einzugehen.

Er wollte nur zwei Dinge von ihr: gute Entwürfe und Sex.

Er richtete einen Teller mit Obst für sie her und beobachtete mit stolzgeschwellter Brust aus den Augenwinkeln, wie sie sich umsah. Er wusste genau, wie elegant und luxuriös seine Motorjacht wirkte.

„Du hast es wirklich sehr schön hier, Cole“, bemerkte sie etwas milder.

Die Überraschung in ihrer Stimme irritierte und freute ihn gleichermaßen. Sich von weit unten bis ganz nach oben an die Spitze zu arbeiten, war die eine Sache, aber hatte er ihr nicht gesagt, dass er nie wieder am Existenzminimum leben würde? Hatte er nicht genau dies auch ihrem Vater gesagt? Hatte er Walter Stevens nicht versprochen, dass es Tamera an nichts mangeln würde, falls sie Cole heiratete? Hatte sie nicht geglaubt, dass er es schaffen würde?

Offensichtlich war er mit seinem Vertrauen in die Zukunft allein auf weiter Flur gewesen. Was ihm jetzt allerdings gegen den Strich ging, war die Tatsache, dass er die Vergangenheit analysierte und wieder und wieder in seinem Kopf abspielte.

„Ja, das stimmt.“

Diese Gefühle von früher gehörten nicht hierher, und Cole musste nun das umsetzen, was er mit Zach besprochen hatte – an den Plänen arbeiten und Victor Lawson zum zufriedensten Kunden und Hotelier der Welt machen. Sollte sich jedoch mit Tamera zufällig etwas Intimes ergeben, dann würde dieses Projekt für ihn zum absoluten Hammererfolg.

Sie legte ihren schwarzen Aktenkoffer auf den Tisch vor dem Sofa. „Ich war spät dran und hatte keine Zeit mehr zu frühstücken. Diese Früchte sind genau das, was ich jetzt brauche.“ Sie nahm sich eine Erdbeere.

Cole steckte sich noch eine Traube in den Mund und blickte vor sich hin.

Wollte sie wirklich so tun, als gäbe es keine Vorgeschichte zwischen ihnen? Keine sexuelle Anziehung? Als wären sie nur Kollegen, die sich zum ersten Mal treffen?

Gut. Für ihn war das okay. Er konnte damit umgehen. Dass sie ihm nicht in die Augen gesehen hatte, seit sie an Bord der Jacht gekommen war, bedeutete nur einen weiteren Pluspunkt für ihn. Früher oder später würden ihr die Nerven durchgehen, und dann würde er seinen Vorteil nutzen … geschäftlich und privat.

„Möchtest du auf dem Sofa sitzen oder in der Essecke?“

Sie blickte sich in dem gemütlichen Wohnbereich um. „Solange wir noch nicht an den Plänen zeichnen, ist das Sofa okay. Ich denke, wir entwickeln erst mal ein paar Ideen.“

Cole setzte sich neben sie auf das Sofa.

Tamera zog Papier aus ihrem Aktenkoffer und stellte ihn dann auf den Boden neben ihre Füße. Cole verfolgte jede ihrer Bewegungen mit den Augen, bis sein Blick an ihren schmalen, gebräunten Fesseln in den sehr weißen Schuhen hängen blieb. Ihr gesamter Körper war ihm nach wie vor vertraut.

Sie war so feingliedrig, dass er am liebsten mit den Händen über ihre schlanken Beine gefahren wäre, um zu sehen, ob sie noch immer unter seiner Berührung erbebte. Dabei machte er sich keinerlei Illusionen – würde er Tamera berühren, dann wäre sie nicht die Einzige, die zitterte. Zu diesem Zeitpunkt war es daher wohl vernünftiger, wenn er sein Herz nicht unnötig in Gefahr brachte.

„Ich nehme an, du hast dir schon mal einen groben Überblick verschafft“, begann sie und nahm sich noch eine Erdbeere.

Cole nickte und versuchte, sich weniger auf ihre vollen roten Lippen als vielmehr auf das Lawson-Projekt zu konzentrieren. „Allerdings. Es wird eine höchst spannende und einträgliche Geschichte werden, nicht nur für unsere beiden Firmen, sondern für den gesamten Wirtschaftsstandort Miami.“

„Da bin ich ganz deiner Meinung.“ Sie zog ein Blatt Papier aus einem Ordner. „Ich habe mir die Mühe gemacht, Victors Ideen aufzulisten und in Gruppen einzuteilen.“

Cole lachte und lehnte sich in eine Ecke des beigefarbenen Ledersofas. „Wie früher! Jetzt fällt mir wieder ein, dass du immer alles in Gruppen eingeteilt hast. Das war eines der Dinge, die ich lie…“

Er schüttelte den Kopf über seinen Fauxpas, doch noch ehe er zurückrudern konnte, ergriff Tamera das Wort.

„Wir haben eine gemeinsame Vergangenheit, Cole. Sie wird zwangsläufig immer mal wieder zur Sprache kommen.“ Damit war alles gesagt, und sie wies scheinbar ungerührt und professionell auf ihr Blatt Papier. „Wie schon gesagt, habe ich Victors Vorstellungen in Gruppen sortiert. Alles, was umgesetzt werden muss, ist gelb markiert, die Konstruktion ist grün, Sicherheitsmerkmale rot, Ausstattung pink. Ich habe Kaylas Namen auf dem Vertrag gesehen. Arbeitet sie mit dir und Zach?“

Wieder nickte Cole. „Sie macht normalerweise die Innengestaltung für unsere Projekte. Meine Schwester kann es kaum erwarten, mit der Arbeit zu beginnen. Sie ist gerade in der Schlussphase eines Projektes in L.A.“

Tamera legte den Kopf schief, wobei ihr weiches blondes Haar über ihre Schulter fiel. „Übernimmt sie denn auch Aufträge, die von euch unabhängig sind?“

„Schon, aber im Moment arbeitet sie an einem Bürogebäude, dass Zach und ich entworfen haben. Sie sollte in wenigen Tagen damit fertig sein und nach Hause kommen.“

„Ich freu mich darauf, sie wiederzusehen“, erwiderte Tamera, und man konnte sehen, dass sie das ernst meinte.

Als die Beziehung zwischen Cole und Tamera zu Ende ging, war auch die Freundschaft zwischen Tamera und Kayla zerbrochen. Und alles nur, weil Walter Stevens sich in seinem Größenwahn einen besseren Umgang für seine Tochter gewünscht hatte.

Tameras weiche, beruhigende Stimme rauschte über Cole hinweg, während sie ihm ihre Auflistung erklärte. Cole hörte nur mit halbem Ohr zu. Ihre Stimme hatte schon immer einen hypnotischen Effekt auf ihn ausgeübt.

Ihm fiel wieder ein, wie er damals während ihrer Studentenzeit versuchte, gemeinsam mit ihr in ihrem Apartment zu arbeiten, und im nächsten Augenblick lagen sie nackt und eng umschlungen auf der Couch, auf dem Fußboden oder wo auch immer.

Wenn sie in seiner Studentenbude waren, mussten sie sich immer mit Zach und seinen ständig wechselnden Damenbesuchen arrangieren. Das machte die Abende für alle Beteiligten oftmals ziemlich stressig, sodass sie sich schließlich lieber in Tameras Wohnung aufhielten. Erstaunlich, dass sie trotzdem in ihren Prüfungen so gut abgeschnitten hatten.

„Hörst du mir überhaupt zu?“

Er schüttelte die angenehmen Erinnerungen an eine Zeit ab, die Ewigkeiten zurückzuliegen schien, und bemerkte, dass sie lächelte. „Ich war in Gedanken schon beim fertigen Entwurf.“

Tamera nahm sich noch eine Erdbeere aus der Schale. „Wie siehst du das Leitmotiv für das Hotel?“

Das war keine Frage für ihn. „Klassisch. Zeitlos. Wie aus einer Zeit, als das Leben noch einfach war – die Frauen elegant und die Männer Gentlemen.“

Ihr Lächeln vertiefte sich. „Dann sind wir auf einer Wellenlänge, denn genau das schwebt mir nach Victors Vorgaben auch vor.“

„Er wusste eben, dass wir ein gutes Team sein würden.“

War er noch zu retten? Dieses Eingeständnis erschien ihm wie ein völlig überflüssiger Kniefall. Es auch noch laut ausgesprochen zu haben, könnte äußerst nachteilig für seine Position sein. Nach Tamera hatte er keiner Frau mehr gestattet, seine Gefühle zu beherrschen, und er wollte verdammt sein, wenn er ihr dieses Privileg je wieder einräumte. Obwohl die Trennung nicht Tameras Schuld war, hatte die ganze Geschichte doch einen bitteren Nachgeschmack bei ihm hinterlassen.

Tamera sah ihn unverwandt aus ihren blauen Augen an, während sich ihr Lächeln abschwächte. Cole sagte nichts mehr, doch er hörte förmlich die Rädchen in ihrem Kopf arbeiten und wie sich Gedanken formten, die nichts mit dem Job zu tun hatten.

„Das wird wohl doch schwieriger, als ich dachte.“ Sie erhob sich und warf den Ordner dorthin auf das Sofa, wo sie eben noch gesessen hatte. „Mir war schon klar, dass wir über die Vergangenheit reden würden, aber ich habe es mir nicht so unangenehm vorgestellt.“

Von ihrer Reaktion überrascht, stand auch er auf. „Wenn du damit nicht umgehen kannst, hättest du es Victor sagen müssen, bevor du den Vertrag unterschrieben hast.“

Tamera richtete sich jetzt kerzengerade auf, ihre Augen blitzten. „Ich kann sehr wohl damit umgehen. Es ist nur ein wenig unangenehm – wie ich bereits sagte. Das ist alles.“

„Wirklich?“

„Ja. Wirklich. Ich meine, es ist gewöhnungsbedürftig, dich nach all der Zeit wiederzusehen und dann so zu tun, als sei es die normalste Sache der Welt. Noch dazu, wo dies mein erstes Projekt als Geschäftsführerin ist.“

„Glückwunsch dazu, übrigens“, sagte Cole, um die Stimmung ein wenig aufzuhellen. „Ich wusste gar nicht, dass sich dein Vater aufs Altenteil zurückgezogen hat.“

Er hasste den Gedanken an ihren Vater, aber noch mehr missfiel ihm, wie alle Farbe aus ihrem Gesicht wich, als er ihn erwähnte.

Was zum Teufel?

„Tamera?“ Cole streckte die Hand aus und berührte ihren Arm. „Was hast du denn jetzt?“

Sie schüttelte den Kopf. „Mir geht’s gut. Ich will nur weder meinen Vater enttäuschen noch die Firma herunterwirtschaften. Für mich steht eine ganze Menge auf dem Spiel.“

Nein, das allein konnte es nicht sein. Cole kannte sie gut genug, um zu wissen, wann sie etwas für sich behielt – und genau das tat sie im Moment. Jetzt musste er nur noch herausfinden, was genau mit Walter Stevens los war. Denn Tamera war völlig normal gewesen, bis er ihren Vater erwähnte. Seltsam auch, dass Cole nicht schon früher von Walters Rückzug aus dem Geschäft gehört hatte. Irgendetwas stimmte nicht an der Geschichte.

„Ich würde gern weiterarbeiten, damit wir so schnell wie möglich mit dem Zeichnen der Pläne anfangen können“, fuhr sie fort.

„Kein Problem.“ Warum hatte sie es bloß so eilig, wunderte er sich und ließ ihren Arm los. „Du hast recht, je schneller die Pläne fertig sind, desto schneller kann die Bauphase beginnen und das Hotel hoffentlich schon vor dem vorgesehenen Termin fertig werden.“

„Das wäre wohl eher ungewöhnlich.“

„Wenn du so besorgt bist, jemanden zu enttäuschen, warum bittest du deinen Vater nicht um seinen Rat? Er würde dir doch sicherlich liebend gern helfen, vor allem, da er dir soeben erst die Firma übergeben hat. Bei einem so wichtigen Auftrag überlegt er sich vielleicht sogar, noch einmal in die Firma zurückzukehren.“

Walter würde alles für seine süße, kleine Tochter tun, dachte Cole. Wie zum Beispiel ihren Verlobten unter Druck setzen, wobei es ihn nicht die Bohne scherte, ob er seine kostbare Tochter damit verletzte.

Doch der Gedanke, Walter Stevens Auge in Auge gegenüberzustehen, brachte Coles Herzschlag unversehens zum Stolpern. Die Vorstellung, dass sie beide für dieses Projekt an einem Strang ziehen müssten, war einfach lachhaft, und beinahe wünschte Cole sich diese Situation herbei, damit er dem alten Bastard endlich zeigen konnte, aus welchem Holz er geschnitzt war.

Tamera wandte Cole mit gesenktem Kopf den Rücken zu. „Ich kann wirklich nicht über meinen Vater reden, Cole.“

Hallo? Irgendetwas war hier faul.

War etwas passiert? Hatte Walter Tam in dieses Projekt gezwungen? Sicher nicht. Aber warum war sie dann jetzt so bedrückt?

„Tam.“

Zum Teufel mit ihrer Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft. Zum Teufel mit den Entwürfen und seinem Versprechen, sie in Ruhe zu lassen. Er musste zumindest so tun, als sei er besorgt. Wie sonst sollte er sie dahin bekommen, wo er sie haben wollte? Er musste unbedingt ihr Vertrauen gewinnen, damit er den wahren Grund erfuhr, warum sich Walter ausgerechnet jetzt aus der Firma zurückgezogen hatte, wo seine Firma das größte Projekt aller Zeiten an Land gezogen hatte.

Er legte Tamera die Hände auf die schmalen Schultern und drückte sie, obwohl sie sich versteifte.

„Was immer es ist, versuch es zu verdrängen. Persönliche Gefühle haben bei der Arbeit an diesem Projekt nichts zu suchen.“

Als sie sich zu ihm umwandte, waren ihre Augen verschleiert, doch sie reckte das Kinn trotzig vor. Und weil er nicht wollte, dass sie seine Berührung für eine intime Geste hielt, ließ er sie los.

„Es ist rein privat“, sagte sie. „Nichts, was ich nicht im Griff hätte. Ich habe bei diesem Projekt mehr Druck, als du jemals wissen wirst.“

Hatte er selbst etwa keinen Druck mit diesem Projekt? Der gute Ruf seines Unternehmens stand schließlich auf dem Spiel.

„Und ich bitte dich wirklich sehr“, fügte sie hinzu, „mich nicht auf eine Reise in unsere gemeinsame Vergangenheit zu schicken. Ich kann das nicht. Ich habe auch nicht die Energie, mit dir darüber zu diskutieren. Nicht jetzt.“

Cole nickte. „Ich gebe dir mein Wort.“

Sie lachte spöttisch auf. „Das heißt gar nichts. Wir sollten uns einfach auf das Geschäftliche konzentrieren.“

Er gab nach, obwohl er jetzt noch neugieriger darauf war, was sie so bedrückte. Dass sie ihre Gefühle nicht unter Kontrolle hatte und beinahe vor ihm in Tränen ausgebrochen war, zeigte ihm, dass diese starke Frau mit ihren Nerven ziemlich am Ende war.

„Modern, gewagt und elegant.“

Tamera nickte und fügte hinzu: „Europäische Eleganz.“

Die Arbeit auf Coles Luxusjacht und die Tatsache, dass er ihr Lob und Anerkennung spendete, machte sie so kribbelig wie ein Schulmädchen.

Zwischen der Krankheit ihres Vaters und der Anspannung, dieses eine Projekt so perfekt wie möglich abzuschließen, war sie für jedes warme, positive Gefühl dankbar … auch wenn ausgerechnet der Mann es auslöste, der ihr das Herz gestohlen, gebrochen und ohne jede Entschuldigung zurückgegeben hatte.

Cole lehnte sich gemütlich in seinem Ledersessel zurück und schlug die Beine übereinander. „Erzähl mir noch mehr von deiner Vision.“

Tamera nahm einen schwarzen Edding und ein Blatt Pergamentpapier zur Hand, das sie auf dem langen Esstisch ausbreitete. „Da wir uns hier in Miami befinden, sollten wir auf jeden Fall mit weißem Stein, Säulen und Bögen arbeiten, das Ganze aber in überdimensionalen Größenordnungen.“ Sie entwarf ein paar schnelle Skizzen, hielt dann mit dem Stift über dem Papier inne und schloss die Augen. Vor ihrem geistigen Auge entstand das fertige Projekt. „So großartig wie in Casablanca. Noch edler. Mit viel Glamour. Mondän. Zwei breite Treppenläufe, die von links und rechts aufeinander zulaufen, sich vereinigen und zu dem offenen Rundbogeneingang der Hotelanlage führen. Am Fuß der Treppen hohe Säulen, von denen vielleicht Pflanzen oder Blumen herabranken und daneben ziemlich hohe Laternen …“

„Beeindruckend.“

Tamera kehrte ruckartig aus ihrer Versunkenheit zurück in die Wirklichkeit und öffnete die Augen. Cole stand dicht neben ihr, nur wenige Zentimeter entfernt. Unter schweren Lidern musterte er ihr Gesicht, bis sein Blick auf ihrem Mund verweilte.

„Alles sehr beeindruckend.“

Tamera fuhr sich mit der Zungenspitze über die Lippen und verwünschte sich sofort. Coles Wangenmuskel hatte bei dieser ganz harmlosen Geste verdächtig gezuckt. Noch mehr sexuelle Spannung konnte sie nun wirklich nicht gebrauchen. Er hatte ihr doch sein Wort gegeben, die Vergangenheit ruhen zu lassen.

„Jetzt bist du an der Reihe. Wie ist deine Vision?“ Sie würde ihn schon dazu zwingen, sachlich zu bleiben. Nur sollte er schnell ein paar Schritte zurücktreten, denn sein intensiver Blick und der überaus maskuline Duft seines Eau de Cologne drohten ihr den Verstand zu rauben.

„Clean, kühl. Ohne Schnörkel.“

„Dann sind wir ja auf einer Wellenlänge. Ich werde morgen früh noch ein paar Entwürfe skizzieren und dir dann zukommen lassen. Ich mache mit deiner Assistentin einen neuen Termin aus.“

Sie steckte die Kappe auf ihren Marker und drehte sich herum, um ihre Sachen einzusammeln, stieß dabei jedoch frontal mit Cole zusammen. Er war einfach stehen geblieben, und nun war sein Gesicht nur wenige Zentimeter von ihrem entfernt.

Na großartig. Da hatte sie nun seine sexy Bartstoppeln direkt vor der Nase, seine breiten Schultern verdeckten jegliche Sicht auf den Raum dahinter, und der Duft dieses verflixten Eau de Cologne um sie herum wirkte fast wie eine Umarmung. Und wie sich diese starken Arme anfühlten, wusste sie nur allzu genau.

„Zum Anfertigen ein paar grober Skizzen habe ich alles an Bord. Mein Zollstock ist im Schreibtisch.“ Er machte jedoch keinerlei Anstalten, ihn zu holen. „Es gibt also keinen Grund, die Jacht zu verlassen.“

„Wir wissen beide, dass es einen gibt.“

„Wenn du dich unbehaglich fühlst …“

„Unbehaglich?“ Tamera hob eine Augenbraue und stemmte die Hände in die Hüften. „Überhaupt nicht. Ich wünsche mir nur mehr Professionalität von dir.“

Sein Mund verzog sich spöttisch. „Die ich deiner Meinung nach nicht habe, ja?“

Mit einem Schulterzucken schlüpfte sie an ihm vorbei, um ihre Tasche zu holen. Sie hatte noch keine zwei Schritte gemacht, als seine Hand sich um ihren nackten Arm schloss.

„Lass uns das jetzt aus der Welt schaffen.“ Er drehte sie zu sich herum, damit sie ihn ansehen musste. „Das Architekturbüro Marcum hat einen makellosen Ruf, und genau das hat uns diesen Auftrag eingebracht. Meine Arbeit war und wird immer hochprofessionell sein. Allerdings muss ich zugeben, dass die Zusammenarbeit mit dir problematisch ist … schließlich bin ich auch nur ein Mann, und du bist noch immer verdammt sexy. Ich muss wohl oder übel zugeben, dass ich mich noch immer für dich interessiere. – Die Frage ist nun, ob ich meinen Gefühlen nachgebe, die im Augenblick fehl am Platz sein mögen“, fuhr er fort und hielt noch immer ihren Arm fest. „Die Antwort lautet Nein. Aber ich will um das Thema auch nicht herumeiern.“

Tamera hütete sich davor, sich die Lippen zu befeuchten, sich zu räuspern oder den Blick zu senken. Sie wollte Cole in diesem peinlichen Augenblick keine weitere Munition liefern. Er beherrschte die Situation bereits mehr als genug.

Fast hätte sie gelacht, weil sie schon wieder um die Oberhand kämpfte. Genau wie früher. Manche Dinge ändern sich eben nie, so ungern sie es auch zugab.

„Wenn du mich noch immer attraktiv findest, dann ist das dein Problem.“ Auch wenn sie diesen Gedanken überaus prickelnd fand, so blieb Cole doch ein hartherziger, kalter Egoist. „Ich bin nur hier, um zu arbeiten. Im Augenblick muss ich mich um so viele Dinge kümmern, dass gar kein Platz für eine wie auch immer geartete Beziehung wäre.“

Wieder betrachtete er ihr Gesicht. Warum hatte er bloß dieses starke Bedürfnis, sie zu berühren?

Tamera befreite ihren Arm. „Meine Sekretärin wird deine anrufen.“

Noch ehe er reagieren oder sie wieder festhalten konnte, hatte Tamera bereits ihre Tasche gepackt und war die wenigen Stufen hinauf an Deck und auf den Kai gelaufen. Nur noch ein einziger dieser langen, ganz und gar nicht unschuldigen Blicke hätte ihr den Verstand geraubt. Denn ob es ihr gefiel oder nicht, Cole Marcum hatte heute mehr Sex-Appeal, als sie sich je in ihren kühnsten Träumen hätte vorstellen können – und sie hatte viele Jahre von ihm geträumt. Seine berufliche Stellung und sein Ansehen hatten diese erotische Aura noch verstärkt.

Warum trieb das Schicksal solche Spielchen mit ihr? Warum musste dieser Mann ausgerechnet jetzt wieder in ihrem Leben auftauchen, in einem Moment, in dem sie so verletzlich war? Wenn er nicht aufhörte, sie zu berühren, könnte es durchaus sein, dass sie ihrem Verlangen und ihrer Sehnsucht nachgab. Würde er dann immer noch so anmaßend sein? Wenn sie ihm erlaubte, dass er sich nehmen konnte, was sein Herz begehrte … würde er es dann tun?

Nur ein einziges Mal noch wollte sie seine starken Arme spüren. Arme, die sie hielten und all die schwere Last von ihren Schultern nehmen würden. Die Arme eines Mannes, der sie liebte und dem es nicht gleichgültig war, ob sie glücklich oder traurig war.

Doch dies waren Träume, die sie vor langer Zeit ausgeträumt hatte. Was Cole ihr anzubieten hatte, ging über sexuelle Begierde nicht hinaus. Somit waren die Bedingungen geklärt. Sie hatte sowieso weder die Zeit noch die Energie, sich mit zusätzlich belastenden Gefühlen herumzuschlagen.

Ohne Zweifel würden sie viel Zeit miteinander verbringen, warum also nicht tun, wonach sie sich sehnte? Gut, Cole und sie hatten eine gemeinsame Vergangenheit, doch sie hatten sich verändert. Die gegenseitige Anziehungskraft hatte allerdings nichts von ihrer Stärke verloren.

Tamera jagte durch die Straßen zu ihrer Wohnung. Ja, falls Cole weiter darauf anspielte, sich ihren noch immer existierenden leidenschaftlichen Gefühlen hinzugeben, würde sie ihn zwingen, Farbe zu bekennen.

Dann würden sie ja sehen, wer die Fäden in der Hand hielt.

4. Kapitel

„Dann komme ich morgen vorbei und unterschreibe die Papiere.“

Cole stand auf der Schwelle zu Tameras Büro und wartete darauf, dass sie seine Anwesenheit bemerkte. Er lehnte am Türrahmen und hörte ihr beim Telefonieren zu.

Die Schönheit in Person. Sie hatte den Kopf an die Rückenlehne ihres Lederbürostuhls gelehnt, und so hatte er freien Blick auf die cremig-weiße Haut, die der tiefe V-Ausschnitt ihrer Seidenbluse entblößte. Das seidige blonde Haar trug sie zu einer etwas unordentlich wilden, sexy Frisur hochgesteckt.

Den Hörer am Ohr, rieb sie sich die Stirn und seufzte. „Ich möchte, dass alles so schmerzlos wie möglich für ihn vonstattengeht.“

Wen meinte sie? Offensichtlich handelte es sich um ein privates Telefongespräch. Das machte die Sache noch interessanter und bewog ihn, weiter zu lauschen, auch wenn er es selbst als ungehörig empfand.

War er hier dem Geheimnis um Walter auf der Spur, oder gab es einen anderen Mann in ihrem Leben? Das wäre bedauerlich. Denn er wollte diese Frau unbedingt zurückerobern. Je schneller, desto lieber. Ein anderer Mann würde auf jeden Fall das Feld räumen müssen, denn er würde es mit Sicherheit nicht tun.

„Ich danke Ihnen sehr für Ihre Hilfe. Ja, ich schaffe das schon. Wir wussten ja, dass es so weit kommen würde, aber es zu wissen und dann zu erleben, sind zwei Paar Schuhe. Wir sehen uns gleich morgen früh.“

Cole räusperte sich und richtete sich auf, als Tamera sich nach vorn beugte und den Hörer auflegte. Wenn sie wüsste, dass er ihr privates Gespräch mitgehört hatte, würde sie sich über seine Taktlosigkeit beschweren und eine Entschuldigung verlangen. Und das würde ihm im Traum nicht einfallen.

„Wie ich sehe, machst du Überstunden.“

Er betrat ihr Büro, und obwohl er kein schlechtes Gewissen wegen seiner Lauscherei hatte, so tat sie ihm doch leid, als er die Schatten unter ihren Augen bemerkte und wie aufgewühlt sie war.

„Wie bist du hereingekommen?“, fragte sie und stand auf.

„Deine Sekretärin hat mir geöffnet, als sie ging.“ Er schlenderte über den weißen, flauschigen Teppichboden bis zu ihrem Schreibtisch. „Ich sagte ihr, wir hätten jetzt einen Termin.“

Tamera verschränkte die Arme vor ihrer grünen Seidenbluse. Diese unschuldige Geste hatte eine ziemlich beeindruckende Wirkung auf ihre Brust, doch Cole ließ sich nichts anmerken.

„Wir haben aber keinen Termin“, konterte sie und hob dabei eine perfekt konturierte Augenbraue.

„Wir könnten aber einen haben“, erwiderte er lächelnd und hoffte, sie von ihrem Telefongespräch ablenken zu können. „Lass uns irgendwohin etwas essen gehen.“

„Wir haben keine Beziehung miteinander.“

Nein, so etwas Kompliziertes wollte er auch nicht. „Es ist Abendessenszeit, und bei der Gelegenheit könnten wir gleich noch über die Entwürfe sprechen und unsere Zeichnungen abstimmen.“

Sie musterte ihn intensiv von Kopf bis Fuß.

„Wo hast du denn deine Zeichnungen? Ich sehe keine.“

„Sie sind im Auto.“ Wieder schenkte er ihr ein strahlendes Lächeln. „Kommst du jetzt mit oder nicht?“

Tief seufzend hob Tamera die Hände, als wolle sie sich ergeben. „Okay. Auf meinem Laptop habe ich ein paar Musterzeichnungen. Sag mir ein Restaurant, und dann treffen wir uns dort.“

„Ich fahre.“

Wieder fixierte sie ihn, doch Cole hielt ihrem Blick stand. Er konnte sie jetzt keinesfalls hinter das Lenkrad lassen, denn sie wirkte erschöpft und so gestresst, als könnte sie jeden Moment zusammenbrechen.

Sie in sein Bett zu entführen, würde ein Leichtes sein.

Sein Körper verzehrte sich förmlich nach ihr. Aber war es nicht ein wenig gemein, ihre jetzige Situation auszunutzen?

Warum musste ausgerechnet bei solchen Gelegenheiten der Gentleman in ihm erwachen? Noch dazu, wo sie seinen Edelmut gar nicht zu schätzen schien.

„Einverstanden, aber betrachte es bitte als ein reines Geschäftsessen.“ Tam ging um ihren Schreibtisch zu einem schmalen Wandschrank in der Ecke und holte ihre Handtasche heraus. „Fahr deinen Wagen zum Vordereingang. Wir treffen uns dort.“

Sie folgte ihm zur Tür, sperrte auf und ließ ihn hinaus. Auch wenn sie keine Ahnung von seinen Hintergedanken haben konnte, so wusste Cole doch, dass sie nicht dumm war. Ihr musste klar sein, dass sich eine derart starke sexuelle Anziehungskraft wie zwischen ihnen nie in Luft auflösen würde, ganz egal wie sehr man es sich auch wünschen mochte.

Der Himmel wusste, dass er geglaubt hatte, sie würde aus seinem Kopf verschwinden. Doch seit dem Augenblick, als sie in Victors Büro hereingeschneit war und dann bei seinem Anblick abrupt innegehalten hatte, nahm sie mehr Platz in seinen Gedanken ein, als ihm lieb war.

Alkohol, Frauen, schnelle Autos, Macht und Geld hatten ihm lange Zeit über den Verlust und den Schmerz hinweggeholfen, die er Walter Stevens zu verdanken hatte.

Tameras Vater hatte ihm ein Ultimatum gestellt: Er musste sich entscheiden zwischen seinem Stipendium und Tam. Hätte Cole genug Geld besessen, um sein Studium ohne staatliche Förderung zu beenden, dann hätte er dem alten Herrn schon ordentlich Bescheid gesagt. Aber da Cole, Zach und Kayla alle auf Stipendien angewiesen waren, konnte er es nicht riskieren. Sie besaßen nichts außer dem alten, heruntergekommenen Haus, in dem ihre Großmutter sie nach dem viel zu frühen Tod ihrer Eltern erzogen hatte.

Cole drückte auf die Fernbedienung, und sein Luxus-SUV piepte beim Entriegeln der Türen kurz auf. Als er hinter das Lenkrad schlüpfte, erinnerte er sich an die Tage unmittelbar nach ihrer Trennung. Er war absichtlich grausam zu ihr gewesen, damit sie nicht etwa auf die Idee kam, ihn anzuflehen, es sich noch einmal zu überlegen. Falls das nämlich geschehen wäre, wäre er mit Sicherheit umgekippt und hätte die Schule und das Stipendium sausen lassen. Seitdem hatte er sich unzählige Male gefragt, ob er nicht genau das hätte tun sollen.

Doch welchen Grund hatte er letztendlich, sich zu beklagen? Er hatte gemeinsam mit Zach und Kayla aus dem Nichts ein Milliarden-Unternehmen aufgebaut. Vielleicht wäre er ohne Walters brutales Vorgehen heute viel weniger erfolgreich und mächtig.

Cole parkte vor dem Bürogebäude der Stevens-Gruppe, wo Tamera schon auf ihn wartete. Sie trug eine klassische smaragdgrüne Bluse und einen schmalen grauen Rock, der knapp über dem Knie endete. Die sanfte Brise, für die Miami berühmt war, ließ einzelne Haarsträhnen um ihre Schultern tanzen.

Er musste schlucken.

Granate hin oder her, es war doch die richtige Entscheidung gewesen, sie zu verlassen.

Eigentlich hätte sie wissen müssen, dass er das trendigste, teuerste Restaurant in ganz South Beach wählen würde. Eines, in dem man mindestens einen Monat im Voraus reservieren musste. Er brauchte natürlich nur sein Millionen-Dollar-Lächeln aufzusetzen, und schon führte eine sehr hübsche, sehr junge Hostess sie zu einem Tisch.

Dieser eingebildete Esel bekam natürlich immer, was er wollte.

„Wir hätten das natürlich auch in meinem Büro erledigen können“, bemerkte Tamera und schlüpfte in die halbrunde Nische ganz hinten im Lokal.

„Das hätten wir, aber ich bin hungrig, und wenn du deine Gewohnheiten beibehalten hast, dann hast du das Mittagessen ausfallen lassen.“

Tamera erstarrte und umklammerte ihre Laptop-Tasche. „Hör doch endlich auf mit den alten Geschichten. Jedes Mal, wenn wir uns treffen, beschwörst du die Vergangenheit herauf. Wir waren zusammen, du hast Schluss gemacht. Ich habe ein neues Leben begonnen. Ende der Geschichte.“

Cole fasste über den Tisch, griff nach ihrer linken Hand und besah sich ihren ringlosen Finger. „Sieht aber gar nicht danach aus.“

Wütend zog sie ihre Hand weg. „Mein Privatleben geht dich nichts an. Du hast mich verlassen. Erinnerst du dich vielleicht noch?“

Sie legte die Laptop-Tasche auf den Rand des Tisches und zog den Reißverschluss auf. Dies musste ein Geschäftsessen bleiben, denn sobald sie nur daran dachte, wie stark und sanft zugleich sich seine Berührung anfühlte, war sie verloren und würde ihn bitten, sie mit zu sich zu nehmen.

Wie erbärmlich war das denn? Dieser Mann hatte ihren Traum von einem Happy End bewusst zerstört, und dennoch verriet ihr Körper sie. Auf wessen Seite waren eigentlich ihre Hormone? Offensichtlich auf seiner.

Ehe er antworten konnte, kam die Bedienung an ihren Tisch und brachte ihnen frische, warme Brötchen. Tamera fuhr ihren Laptop hoch und versuchte Coles Nähe zu ignorieren.

„Hier.“

Sie blickte auf, weil Cole ihr mit einem siegesgewissen Lächeln zwei gebutterte Brötchenhälften auf ihren kleinen Teller legte.

„Ich kann mich nicht aufs Geschäftliche konzentrieren, wenn dein Magen knurrt“, sagte er und bestrich sich selbst ein heißes Brötchen mit Butter.

Autor

Kathryn Jensen

Kathryn Jensen lebt in Maryland. Glücklicherweise genau zwischen den zwei spannenden Städten Washington, D.C. und Baltimore. Aber der Mittelatlantik war nicht immer ihr zu Hause. Zu den vielen Ländern, in denen sie gelebt hat, zählen unter anderen Italien, Texas, Connecticut und Massachusetts. Viele Länder, die sie auch bereist hat, haben...

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