Collection Baccara Band 288

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KÜSS MICH, GELIEBTER FEIND von ORWIG, SARA
Das sanfte Schaukeln der Jacht, prickelnder Champagner und ein Mann, der ihr Liebesschwüre ins Ohr flüstert - Abby ist glücklich in Nicks Armen. Dabei ist der Milliardär der Feind ihres Vaters, und sie sollte ihn eigentlich hassen. Doch seine Küsse schmecken so süß …

… UND FÜHRE MICH NICHT IN VERSUCHUNG von HARDY, KATE
Seine Lippen berühren sie zärtlich und fordernd zugleich; das Funkeln in seinen Augen verspricht ungeahnte Leidenschaft - doch Isobel weiß, dass Alex nur aus reiner Berechnung so feurig mit ihr flirtet. Denn der reiche Archäologe sucht vieles, nur nicht die Liebe …

HEISSE NÄCHTE IM PARADIES von OLIVER, ANNE
So kurz nach dem Tod ihrer Mutter will Annie sich an der australischen Goldküste amüsieren? Steve ist vollkommen fassungslos! Dennoch erklärt er sich bereit, Annie dorthin zu begleiten - ohne zu ahnen, dass ihre Reise einen besonderen Grund hat …


  • Erscheinungstag 07.04.2010
  • Bandnummer 0288
  • ISBN / Artikelnummer 9783862956265
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Kate Hardy, Sara Orwig, Anne Oliver

COLLECTION BACCARA, BAND 288

KATE HARDY

… und führe mich nicht in Versuchung

Seine Lippen berühren sie zärtlich und fordernd zugleich; das Funkeln in seinen Augen verspricht ungeahnte Leidenschaft – doch Isobel weiß, dass Alex nur aus reiner Berechnung so feurig mit ihr flirtet. Denn der reiche Archäologe sucht vieles, nur nicht die Liebe …

SARA ORWIG

Küss mich, geliebter Feind

Das sanfte Schaukeln der Jacht, prickelnder Champagner und ein Mann, der ihr Liebesschwüre ins Ohr flüstert – Abby ist glücklich in Nicks Armen. Dabei ist der Milliardär der Feind ihres Vaters, und sie sollte ihn eigentlich hassen. Doch seine Küsse schmecken so süß …

ANNE OLIVER

Heiße Nächte im Paradies

So kurz nach dem Tod ihrer Mutter will Annie sich an der australischen Goldküste amüsieren? Steve ist vollkommen fassungslos! Dennoch erklärt er sich bereit, Annie dorthin zu begleiten – ohne zu ahnen, dass ihre Reise einen besonderen Grund hat …

1. KAPITEL

Fassungslos blickte Isobel Alex an. Bestimmt hatte sie sich verhört. Für gewöhnlich bat Alex sie nur, auf ihrem Sofa übernachten zu dürfen. Und zwar dann, wenn er zwischen zwei Ausgrabungen zu einem kurzen Besuch in London war und sein eigenes Apartment vermietet hatte. Das war eigentlich immer der Fall. Aber diese Frage …

Sie schüttelte irritiert den Kopf. „Kannst du das bitte noch mal sagen?“

„Willst du mich heiraten?“, wiederholte Alex wie selbstverständlich.

Also doch, sie hatte richtig gehört. Sollte das ein Scherz sein?

Aber er sah sie sehr ernst und eindringlich an. Außerdem machte Alex niemals Scherze dieser Art.

Isobel krauste die Stirn. „Keine Ahnung, wovon du redest. Bist du im Moment mental nicht ganz auf der Höhe?“

Er lächelte gewinnend. „Ich bin im Vollbesitz meiner geistigen Fähigkeiten. Ich muss heiraten. Und ich halte dich für die perfekte Ehefrau.“

Nun, da irrte er sich gewaltig. Ihr Versuch mit Gary war auf geradezu spektakuläre Weise fehlgeschlagen. „Die Frauen stehen Schlange, um deine Bekanntschaft zu machen. Du kannst heiraten, wen du willst.“

Jetzt lachte er. „Das ist nicht wahr. Niemand steht Schlange. Dieses bösartige Gerücht hat Saskia in die Welt gesetzt.“

Saskia war seine kleine Schwester und seit Kindertagen eng mit Isobel befreundet. Aus eigener Erfahrung hegte sie begründete Zweifel, dass Saskias Kommentar tatsächlich nur ein Streich unter Geschwistern war. „Komm schon, Alex. Das ist eine Tatsache. Andere Männer träumen nur davon, so umschwärmt zu werden wie du.“

„Frauen wollen mich kennenlernen, weil sie verrückte Fantasien über den ‚Jäger‘ haben. Sie meinen nicht mich.“

„In ihren Augen bist du der ‚Jäger‘.“ Auch Isobel fiel es manchmal schwer, zwischen dem realen Mann und der Figur aus dem Fernsehen zu unterscheiden.

Alex Richardson hatte bereits in drei Staffeln einer populären Fernsehserie über Archäologie mitgewirkt. Die Serie basierte auf einer Artikelreihe, die er für eine führende Sonntagszeitung geschrieben hatte. Isobel versäumte keine einzige Folge. Sie fand, dass Alex auf dem Bildschirm genauso rüberkam, wie er im realen Leben war: klug, gebildet, draufgängerisch und mit unerhörtem Charme ausgestattet. Seitdem er zum Star geworden war, konnte er sich nicht mehr in der Öffentlichkeit zeigen, ohne dass ihm mindestens ein Dutzend Menschen folgte. Natürlich vor allem Frauen.

Der „Jäger“ war ein verwegener Forscher, der an geschichtlich bedeutenden Orten herumstöberte, aufregende Abenteuer bestand und kostbare Schätze eroberte.

„Du musst deine Freunde von der Zeitung nur wissen lassen, dass du Heiratspläne schmiedest. Innerhalb kürzester Zeit steht es in den Klatschspalten, und du kannst dich vor Angeboten nicht mehr retten“, sagte Isobel.

Alex schüttelte den Kopf. „Klatschreporter sind niemandes Freunde. Und keine der Frauen wäre wie du. Sensibel und bodenständig.“

Ihre Augen blitzten. „Du bist gerade dabei, dir dein eigenes Grab zu schaufeln, Alex.“

Er wollte sie nur deshalb heiraten, weil er sie für sensibel und bodenständig hielt? Nicht gerade der beste Grund, um ein solches Wagnis einzugehen. Allerdings hatte ihre Ehe mit Gary, die auf anfänglicher Verliebtheit basierte, die letzte große Krise auch nicht überstanden.

„Warum musst du denn eigentlich heiraten?“ Isobel sah Alex forschend an.

„Es gibt da einen Job, den ich unbedingt haben will.“

Sie schüttelte unwillig den Kopf. „Allmählich bekomme ich das Gefühl, im falschen Film zu sein. Je mehr Mühe ich mir gebe, dich zu verstehen, umso verrückter wird die ganze Sache. Warum musst du heiraten, um einen Job zu bekommen? Und wieso willst du überhaupt einen Job? Du schwimmst doch geradezu im Geld.“

Alex winkte ab. „Das hat nichts mit meiner finanziellen Situation zu tun.“

Was sollte das nun wieder heißen? Als er sich nicht bequemte, seine rätselhafte Äußerung näher zu erklären, seufzte sie gereizt auf.

„Also, womit dann?“, fragte sie aufmunternd.

„Das ist kompliziert.“

Sie lehnte sich im Sofa zurück und schloss für ein paar Sekunden die Augen. „Du machst es mir nicht gerade leicht, Alex. Würdest du mir das alles ein wenig näher erklären? Fangen wir noch mal von vorne an. Warum musst du heiraten?“

„Weil ich diesen Job haben will. Er ist perfekt, Bel. Wie für mich gemacht. Leitender Archäologischer Berater für eine Firma, die maßgeblich bei der Erschließung großer Baugrundstücke mitwirkt. Da wird zunächst einmal festgestellt, ob sich dort nicht archäologisch interessante Spuren finden lassen. Sollte das der Fall sein, kann das Bauvorhaben nicht gestartet werden, bevor Ausgrabungen vorgenommen und die Relikte gesichert wurden. Ich wäre Leiter eines Teams von Archäologen, das die Grundstücke untersucht und die Ausgrabungen überwacht.“

Isobel blickte ihn skeptisch an. „Das hört sich nach einem Bürojob an. Daraus wird nichts, Alex. Du schläfst doch schon nach einer halben Stunde am Schreibtisch vor Langeweile ein.“

„Viel Zeit am Schreibtisch werde ich nicht verbringen. Ich nehme aktiv an den ersten Untersuchungen teil und setze die Ausgrabungen in Gang. Außerdem gehört es zu meinen Aufgaben, mich mit den leitenden Ingenieuren abzustimmen. Und ich muss mit der Presse zusammenarbeiten, um eventuelle Funde an die Öffentlichkeit zu bringen.“

Das klang schon eher nach einer Arbeit, die Alex Spaß machen würde. Es war ganz nach seinem Geschmack, als Erster unerschlossenes Gelände zu erforschen und unter Zeitdruck zu arbeiten. Bei solchen Herausforderungen lief Alex für gewöhnlich zur Höchstform auf.

„Aber ich verstehe immer noch nicht, warum du einen festen Job haben willst. Hast du denn vor, die Arbeit beim Fernsehen aufzugeben?“

„Nein, natürlich nicht. Aber damit bin ich doch höchstens ein paar Wochen im Jahr beschäftigt.“

Jetzt wurde Isobel die Sache langsam klar. Alex war ein Workaholic. Für gewöhnlich bewältigte er an zwei Tagen ein Arbeitspensum, für das andere eine ganze Woche brauchten. Er liebte es, ständig an seine Grenzen zu gehen.

„Mit anderen Worten, der Fernsehjob reicht nicht aus, um dich vor tödlicher Langeweile zu bewahren.“

Er lachte. „So ist es. Natürlich könnten wir mehr oder längere Folgen drehen. Ich habe mit meinem Agenten gesprochen. Wir sind uns einig, es besser bei den jetzigen Sendeformaten zu belassen. Auf diese Weise bleiben die Leute neugierig und wollen mehr. Ich finde die Vorstellung grässlich, dass jemand den Fernseher einschaltet, mich sieht, denkt, ‚Oh nein, nicht der schon wieder‘, und umschaltet. Also muss ich mir etwas anderes suchen, um mich zu beschäftigen.“

„Und wenn du einfach mehr Zeitungsartikel schreibst?“, schlug sie vor.

„Wie du schon sagtest, sind Schreibtischjobs nicht mein Ding. Das würde mich auf die Dauer in den Wahnsinn treiben. Ich brauche jede Menge Abwechslung.“

„Du könntest unterrichten. Gib Seminare an der Uni, da hast du viele Studenten und unterschiedliche Themen. Das bedeutet auch Abwechslung.“

„Ich hatte einige Angebote“, winkte er ab. „Ehrlich gesagt, ich habe überhaupt keine Lust zu unterrichten.“

Isobel seufzte. „Mit dir hat man es nicht gerade leicht. Ich verstehe immer noch nicht so recht, was dir an deinem derzeitigen Leben nicht gefällt.“

„Eigentlich ist damit alles in Ordnung. Ich bin ganz zufrieden. Aber ich bin fünfunddreißig, Bel. Ich muss auch an die Zukunft denken. In zehn oder zwanzig Jahren möchte ich bestimmt nicht mehr bei Wind und Wetter auf den Knien im Dreck herumrutschen und Ausgrabungen machen. Jetzt ist der Zeitpunkt, um für später die richtigen Weichen zu stellen.

Im Moment stehen mir noch alle Möglichkeiten offen.“

Damit hatte er zweifellos recht. Isobel war davon überzeugt, dass es bei einer starken Persönlichkeit wie seiner auch so blieb. Alex gehörte nicht zu den Menschen, die sich vor dem Alter fürchten mussten. Sie argwöhnte, dass er ihr etwas verschwieg. Allerdings hatte sie keine Ahnung, wie sie hinter seine wahren Beweggründe kommen sollte. Hatte das alles vielleicht mit einer gescheiterten Beziehung zu tun? Eher unwahrscheinlich, denn Alex ging niemals enge Bindungen ein. In all den Jahren, die sie ihn nun schon kannte, hatte es keine Frau gegeben, mit der er länger als ein paar Monate zusammen gewesen wäre.

Wahrscheinlich stellte sie einfach nicht die richtigen Fragen.

„Ich verstehe immer noch nicht, wie du auf diese verrückte Idee mit der Heirat kommst.“

„Ganz einfach. Der Job soll nur an einen verheirateten Mann vergeben werden.“

Sie schnaubte entrüstet. „Was für eine absurde Forderung! Das ist diskriminierend. Und gesetzwidrig.“

„Natürlich würde die Firma das niemals offen zugeben. Aber die letzten beiden Archäologen, die für den Job engagiert wurden, haben nach ein paar Wochen das Handtuch geschmissen, als sie ein verlockendes Angebot für Ausgrabungen im Ausland bekamen. Jetzt will die Firma einen Mann, der gebunden ist und nicht einfach verschwindet. Außerdem weißt du so gut wie ich, dass ein verheirateter Mann verlässlicher wirkt, weil er bereits eine Verpflichtung eingegangen ist. Er steht zu einer Sache und ist treu.“

Isobel schüttelte ärgerlich den Kopf. „Eine Ehe ist keine Garantie für Treue.“

„Tut mir leid, Süße. Ich hatte nicht die Absicht, alte Wunden aufzureißen.“

„Das weiß ich.“

Er nahm ihre Hand und drückte sie sanft. „Du weißt doch, was ich meine. Mein Ruf spricht ganz einfach gegen mich. Ich gelte als Vagabund und Abenteurer.“

Isobel verdrehte ungeduldig die Augen. „Du bist doch kein Vagabund! Wenn du eine Aufgabe übernimmst, erledigst du sie gewissenhaft. Das lässt sich jederzeit in deinem Lebenslauf nachlesen.“

„Ich habe die vergangenen Jahre damit verbracht, die Welt zu bereisen. Dass es dabei immer um meinen Job ging, tut nichts zur Sache.“

„Es zeigt, dass du einen Job ernst nimmst, Alex.“

„Das ist nicht genug. Entscheidend ist doch der Typ, den ich in der Fernsehserie verkörpere. Und das ist nun einmal jemand, der Befehle nicht befolgt und es niemals lange an einem Ort aushält.“

Sie zuckte resigniert die Schultern. Er hatte recht. Wenn man genau hinsah, entsprach diese Rolle auch seinem Charakter. Er brauchte sich wirklich nicht zu verstellen. Isobel sah allerdings keinen Sinn darin, ihm das zu sagen.

Alex lächelte sie verschwörerisch an. „Du siehst also, ich brauche eine Frau. Um zu beweisen, dass meine wilden Jahre vorbei sind und ich sesshaft geworden bin.“

„Ich bleibe bei meiner Meinung. Das ist kein Grund, um eine Ehe einzugehen. Außerdem, warum fragst du ausgerechnet mich?“

„Das habe ich dir doch schon erklärt. Du bist vertrauenswürdig und verlässlich.“

„Soll heißen, du findest mich langweilig und fade.“

Er lachte. „Aber nein. Ich kenne dich nur schon so lange. Du bist das Mädchen von nebenan.“

„Genau genommen bin ich das schon seit siebzehn Jahren nicht mehr. Damals war ich dreizehn, und du bist zum Studieren nach Oxford gegangen“, erwiderte sie trocken.

„Du warst immer da, wenn ich in den Semesterferien nach Hause kam.“

Das Mädchen von nebenan, dachte Isobel wehmütig. So vertraut wie die Tapete in einem lange bewohnten Zimmer. Alex hatte sie nie wirklich als Frau wahrgenommen.

„Sieh mal, ich hatte nie die Absicht, zu heiraten. Die Archäologie ist mein Leben. Sie bedeutet mir ebenso viel wie dir das Museum. Da ist kein Platz für etwas anderes.“

Sie hob wortlos die Brauen. „Entschuldige, Bel“, meinte er zerknirscht. „Ich habe drauflosgeredet, ohne nachzudenken. Eigentlich wollte ich sagen, dass ich jemand heiraten möchte, den ich sehr gern mag. Wenn es schon sein muss. Es soll eine Frau sein, mit der ich viel gemeinsam habe und der ich vertraue. Mir fällt beim besten Willen keine andere ein als du.“

Bei seinen Worten hätte ihr das Herz aufgehen müssen. Sie hegte die gleichen Gefühle für ihn. Doch es fehlte ein ganz entscheidender Faktor.

„Was ist mit Liebe?“, fragte sie leise.

Alex zuckte die Schultern. „Daran glaube ich nicht.“

Sie wusste, wie er zu diesem Thema stand. Ihr ging es nicht anders. Sie hatte Gary geliebt. Das hatte nur leider nicht gereicht, um ihre Ehe zu retten. Dennoch kam ihr eine Ehe ohne Liebe falsch vor.

„Deine drei Schwestern sind glücklich verheiratet“, warf sie ein. „Wenn ihre Ehemänner sie nicht lieben …“

„Würde ich die Kerle gründlich auseinandernehmen“, unterbrach er sie mit gespielt grimmiger Miene.

„Wie auch immer. Zurück du deinen Heiratsplänen. Du suchst eine Frau, die du magst, deine Interessen teilt und dir keine Fesseln anlegt.“

„Ich habe nicht die Absicht, mir eine Ansammlung von Geliebten zu halten. Oder meiner Frau untreu zu sein. Falls du darauf anspielst“, erklärte er mit einem breiten Grinsen.

Alex hatte viele Verabredungen. Das bedeutete auch, dass er oft Sex hatte. Wenn er seine Affären aufgeben wollte, würde er nur noch Sex mit seiner Ehefrau haben.

Mit mir, dachte Isobel. Die Knie wurden ihr weich.

Sie erinnerte sich daran, wie Alex sie einmal geküsst hatte. Da war sie achtzehn gewesen. Nur ein einziges Mal. Aber sie hatte es nie vergessen, obwohl es nun schon zwölf Jahre zurücklag. Sein Kuss hatte sie überwältigt, ihre Sinne betört und ihr den Atem genommen. Für einen winzigen Moment war sie dem Irrtum erlegen, dass Alex sie als Frau wahrgenommen hatte. Nicht nur als beste Freundin seiner kleinen Schwester.

Aber sie hatte schnell erkannt, dass er sie bloß trösten wollte. Ihr damaliger Freund hatte sie verlassen. Alex wollte ihr zeigen, dass das Leben trotz Liebeskummer weiterging.

Er hatte ihr gesagt, dass sie schon bald einen anderen finden und sich dann nicht einmal mehr an den Namen des Mistkerls erinnern würde.

Der Kuss hatte für ihn nicht dieselbe Bedeutung gehabt wie für sie.

Isobel bezweifelte, dass die Dinge sich seitdem geändert hatten. Alex betrachtete sie als Freundin. Zugegebenermaßen als eine sehr enge Freundin. Aber nicht mehr.

Eine Ehe mit ihm würde nicht funktionieren.

Sie konnte seinen Antrag auf keinen Fall annehmen.

Schon einmal war sie in einer lieblosen Ehe gefangen gewesen. Der Gedanke, eine zweite Ehe unter denselben Voraussetzungen zu beginnen, war unerträglich.

Sie holte tief Luft. „Tut mir leid, Alex. Aber ich kann dich nicht heiraten.“

2. KAPITEL

Alex bemühte sich um einen möglichst neutralen Gesichtsausdruck. „Warum nicht?“

„Weil eine Ehe ohne Liebe nicht gut gehen kann.“

„Aber ich liebe dich doch, Bel“, protestierte er entrüstet.

„Nicht so, wie Eheleute das tun sollten, Alex. Ich werde denselben Fehler nicht zweimal machen.“

Er blickte sie ungläubig an. „Soll das heißen, Gary hat dich nicht geliebt? Oder dass er dir untreu gewesen ist?“

„Er hat seinen Treueschwur nicht gebrochen. Ich möchte dieses Thema jetzt nicht vertiefen. Lass uns einfach dabei bleiben, dass meine Ehe in einem Trümmerhaufen endete, okay?“

Sie wich seinem Blick aus. Alex war klar, dass Isobel ihm die ganze Wahrheit bisher verschwiegen hatte. Doch er wusste auch, dass es ein Fehler wäre, sie zu bedrängen. Sie würde ihm alles erzählen, wenn sie bereit dafür war. Das war schon immer so gewesen.

„Es hat nicht sehr lange gedauert, bis Gary jemand anderes gefunden hat“, sagte Isobel bitter. „Seine neue Freundin hat schon ihr erstes Baby.“

Diese Tatsache hatte sie offenbar sehr verletzt. Alex hatte Isobel nie gefragt, warum die Ehe mit Gary gescheitert war. Das ging ihn nichts an, und er wollte keine alten Wunden aufreißen. Er hatte immer vermutet, dass Gary Kinder wollte und Isobel nicht bereit gewesen war, ihren geliebten Beruf an zweite Stelle zu setzen.

Lag er mit seiner Vermutung falsch? War es in Wahrheit Isobel gewesen, die Kinder wollte?

Nein, bestimmt nicht. Sie liebte Saskias Tochter Flora. Aber das lag vor allem daran, dass Saskia ihre beste Freundin war. Keine Frage, Isobel mochte Kinder. Sonst hätte sie ihren Job nicht so engagiert ausüben können. Sie war mit Leib und Seele Museumspädagogin und arbeitete viel mit Kindern. Sie führte Besuchergruppen durch Ausstellungen, verkleidete sich für Schulklassen als römische Matrone, gab Kochkurse mit altertümlichen Zutaten nebst ebensolchen Küchengeräten und präsentierte in anschaulicher Weise das alltägliche Leben in Großbritannien zur Zeit des antiken Roms. Außerdem war sie hinter den Kulissen tätig, wählte Exponate aus und erstellte pädagogische Konzepte.

Wenn es also nicht das Baby war, dann vielleicht die Tatsache, dass es nun kein Zurück mehr gab. Die Existenz des Kindes signalisierte, dass zwischen Gary und seiner neuen Freundin alles zum Besten stand. Garys Verbindung zu Isobel war endgültig abgebrochen.

Saskia zufolge hatte Isobel sich seit ihrer Scheidung vor zwei Jahren kaum je verabredet. Möglicherweise empfand sie immer noch etwas für ihren Exmann. Alex war immer der Ansicht gewesen, dass Gary nicht gut genug für Isobel war. Der Mann hatte einen schlaffen Händedruck und überhaupt keine Fantasie. Aber es schmerzte Alex dennoch, Isobel so bekümmert und niedergedrückt zu sehen.

„Komm her.“ Er nahm Isobel in die Arme. „Tut mir leid.“

„Was denn?“

„Das mit deiner Ehe.“ Er strich ihr übers Haar. „Auch wenn es dir nicht viel hilft, fand ich schon immer, dass Gary dir nicht das Wasser reichen kann.“

„Zumindest wollte er mich nicht nur aus dem Grund heiraten, weil ich sensibel und bodenständig bin.“

Alex legte den Kopf zurück und schaute ihr in die Augen. „Ich habe dir einen Antrag gemacht, weil ich diesen Job will. Das habe ich dir doch gerade erklärt.“

„Ein wirklich schlagendes Argument“, konterte sie ironisch.

„Lass mich bitte ausreden. Ich will dich vor allem deswegen heiraten, weil ich dich schon lange kenne, dir vertraue und sehr gern mit dir zusammen bin. Das sind wesentlich bessere Gründe für eine Ehe als Verliebtheit. Die ist hormonell bedingt und vergeht ziemlich schnell. Die Freundschaft, die uns beide verbindet, ist von Dauer.“

Unwillkürlich glitten seine Gedanken zu Dorinda, die ihn alle Schrecknisse der Liebe gelehrt hatte. Die Beziehung zu ihr war der größte Fehler seines bisherigen Lebens gewesen. Er hatte nicht vor, diesen Fehler zu wiederholen.

„Bist du sicher?“ Isobel kaute auf ihrer Unterlippe. „Ich fürchte nämlich, dich als Freund zu verlieren, falls unsere Ehe in die Brüche geht. Dieser Gedanke macht mir Angst.“

„Unsere Ehe wird nicht in die Brüche gehen. Abgesehen davon, nichts würde jemals die Dinge zwischen uns ändern.“

„Das kannst du nicht mit Sicherheit wissen. Du sagst, du willst deine Affären aufgeben. Aber ich kann mir nicht vorstellen …“ Errötend brach sie ab.

„Was kannst du dir nicht vorstellen, Bel?“

Die Röte in ihren Wangen vertiefte sich. „Dass wir Sex haben. Wenn wir verheiratet sind.“

Plötzlich wurde ihm seltsam heiß. Sex mit Isobel. Gerade jetzt hielt er sie in den Armen. Nicht sehr fest. Aber er konnte die Wärme ihres Körpers spüren. Er bräuchte sich nur ein wenig vorzubeugen, um sie zu küssen.

Die Kehle wurde ihm eng.

Er erinnerte sich an das letzte Mal, als er sie geküsst hatte. Nicht nur auf die Wange, wie es zwischen ihnen zur Begrüßung oder zum Abschied üblich war. Es lag lange zurück. Isobel hatte eines Abends weinend vor der Tür gestanden, weil ihr Freund mit ihr Schluss gemacht hatte. Saskia war nicht zu Hause gewesen. Also hatte er sich mit Isobel ins Gartenhaus gesetzt, um sie zu trösten.

Und hatte sie geküsst.

Nur ein Mal.

Zum Glück hatte er sich rechtzeitig daran erinnert, dass sie erst achtzehn war. Mit seinen dreiundzwanzig Jahren war er ihr an Erfahrung weit überlegen. Sie war viel zu jung für ihn. Es schien ihm nicht fair, ihre Naivität und Verwundbarkeit auszunutzen. Also war es bei diesem einen Kuss geblieben.

Nun fragte er sich, was wohl geschehen wäre, hätte er anders entschieden. Bei der Vorstellung, wie er Isobel in dem Gartenhaus die ersten Lektionen in Sachen Sex erteilte, überlief ihn ein erregendes Prickeln.

„Außerdem bin ich überhaupt nicht dein Typ“, sagte sie in seine Gedanken hinein.

„Ich bin doch nicht auf einen Typ festgelegt“, protestierte er.

„Doch, bist du. Du magst große dünne Brünette mit endlos langen Beinen.“

„Du bist brünett.“ Er ließ die Finger durch ihr seidiges kastanienbraunes Haar gleiten. „Und klein bist du auch nicht.“

Sie war schlank, aber nicht dünn. Dazu waren ihre Kurven viel zu weiblich. Alex, der mit drei jüngeren Schwestern aufgewachsen war, hütete sich aus leidvollen Erfahrungen davor, mit einer Frau ihr Gewicht oder ihre Figur zu diskutieren.

„Groß bin ich aber auch nicht gerade“, widersprach sie. „Knapp unter dem Durchschnitt.“

„Hältst du mich wirklich für so oberflächlich, dass die Körpergröße einer Frau darüber entscheidet, ob sie mir gefällt oder nicht?“

„Eigentlich nicht.“

„Na, also. Du wirst sehen, wir geben ein wunderbares Paar ab.“

Wieder röteten sich ihre Wangen. „Und was, wenn wir nicht zusammenpassen?“

„Wie meinst du das?“

„Äh … Im Bett. Wenn ich mich ungeschickt anstelle?“

„Falls Gary dir das eingeredet hat, wollte er garantiert nur von seinen beschränkten Fähigkeiten als Liebhaber ablenken. Männer sind so, wenn es um ihr Ego geht.“

„Du musst es ja wissen.“ Sie senkte den Blick.

„Sieh mich an, Bel“, bat er sanft.

Sie hob den Kopf. Ihre großen braunen Augen hatten winzige goldene Sprenkel, und ihre roten Lippen waren voll und sinnlich. Warum war ihm das früher nie aufgefallen?

„Ich bin überzeugt, dass wir in jeder Hinsicht hervorragend zusammenpassen“, erklärte er enthusiastisch.

„Unfassbar, dass wir diese Diskussion wirklich führen“, sagte sie plötzlich ungeduldig und löste sich aus seinen Armen. „Alex, ich kann dich nicht heiraten. Frag doch eine andere.“

Es gab keine außer Isobel, mit der er dieses Wagnis riskieren wollte. Doch Alex spürte, dass er im Moment nicht weiterkam. Ergeben hob er die Hände. „Gut, beenden wir das Thema. Vergiss, dass ich gefragt habe. Komm, ich lade dich zum Essen ein.“

„Warum?“ Sie beäugte ihn misstrauisch.

„Ganz ohne Hintergedanken, keine Bange. Ich akzeptiere deine Entscheidung und werde dich nicht weiter bedrängen“, erwiderte er mit Unschuldsmiene. „Die Essenseinladung ist nur ein kleines Dankeschön für deine Gastfreundschaft. Immerhin habe ich mich ja wieder für ein paar Tage bei dir einquartiert.“

„Nicht nötig. Du weißt, wie gern ich dich hier habe.“

Seine Augen blitzten. „Ja, das weiß ich. Aber es macht mir Spaß, mit dir essen zu gehen. Ich genieße unsere Fachsimpeleien über Geschichte und Altertümer. Und ist dir noch nie aufgefallen, wie oft wir zusammen lachen? Außerdem kriege ich meistens die Hälfte von deinem Nachtisch ab.“

Sie seufzte in gespielter Entrüstung auf, lächelte aber. „Du bist unmöglich.“

Erleichtert, dass sie zu ihrer alten Vertrautheit zurückgefunden hatten, sagte er: „Das höre ich öfter. Gibt es dieses marokkanische Restaurant noch, wo wir das letzte Mal waren?“

„Ich glaube schon.“

„Wunderbar. Dann lass uns gehen.“

Es erstaunte Isobel immer wieder, dass Alex lieber mit der U-Bahn fuhr, anstatt ein Taxi zu nehmen. Schließlich bestand jederzeit die Gefahr, erkannt und um ein Autogramm oder einen Handy-Schnappschuss gebeten zu werden. Andererseits vermieden die Passagiere in den überfüllten U-Bahn-Waggons für gewöhnlich jeglichen Blickkontakt. Da Alex außerdem den verwegenen Schlapphut der Serienfigur nicht trug, mochte ihn ein zufälliger Beobachter für jemanden halten, der nur zufällig dem Mann aus dem Fernsehen ähnelte. Jedenfalls gelang es Alex meistens, unbehelligt ein- und auszusteigen.

Während der Fahrt war es so gut wie unmöglich, ein Gespräch zu führen. Die Menschen standen dicht an dicht gedrängt. Der Berufsverkehr war noch nicht vorüber, und viele Touristen benutzten das Verkehrsmittel für ihre Unternehmungen.

Isobel kam das Schweigen nicht ungelegen. So konnte sie für eine Weile in Ruhe über den seltsamen Heiratsantrag nachdenken.

Bei der Vorstellung, Alex zu heiraten und sogar Sex mit ihm zu haben, wurde ihr schon wieder ganz heiß.

Die Freundschaft mit Alex bedeutete ihr viel. Das war schon immer so gewesen.

Gary hatte sie damals aus Liebe geheiratet.

Dennoch hatte sie immer wieder darüber nachgegrübelt, was geschehen wäre, wenn Alex sie noch einmal geküsst hätte. Vielleicht zu einem späteren Zeitpunkt. Oder wenn er nicht fortwährend mit seinen Affären beschäftigt gewesen wäre. Hätte sie dann vielleicht Alex geheiratet anstatt Gary?

Hatte Alex recht? Bildeten Freundschaft und Vertrauen eine bessere Grundlage für eine Ehe als Liebe und Leidenschaft? Vielleicht hätte sie seinen Antrag nicht so rundweg ablehnen sollen. Es war immer besser, sich die Dinge zu überlegen.

„Lass das Grübeln“, sagte Alex leise in ihr Ohr. „Sonst vergeht dir noch der Appetit.“

Sie lächelte ihn abwesend an und nickte nur.

Bei der nächsten Haltestelle mussten sie aussteigen. Fast hätten sie sich in dem Gedränge aus den Augen verloren. Doch schließlich landeten sie wohlbehalten auf der Rolltreppe. Alex stand dicht hinter Isobel. Sie war sich seiner Nähe nur allzu bewusst.

Plötzlich stellte sie sich vor, wie sich seine Hände auf ihrer Haut anfühlen mochten. Wie es wäre, in seinen Armen zu liegen. Ein wohliger Schauer jagte über ihren Rücken.

„Alles in Ordnung?“, wollte Alex wissen, als sie schließlich auf der Straße standen.

„Natürlich.“

„Du schwindelst doch.“ Er nahm ihre Hand.

Die sanfte Berührung ließ ihre Haut prickeln. Isobels Herz pochte aufgeregt.

Hör sofort auf damit, ermahnte sie sich. Solche Gefühle konnten nur in einer Katastrophe enden. Sie hatte Gary sehr geliebt. Trotzdem war alles schiefgegangen. Sie musste unbedingt Distanz zu Alex wahren. Nur so konnte sie verhindern, dass sie ein zweites Mal in ein schreckliches Desaster schlitterte.

„Nein, ich schwindle nicht“, protestierte sie matt.

Vorsichtshalber mied sie seinen Blick, bis sie das marokkanische Restaurant erreicht hatten.

Alex hielt ihr galant die Tür auf. Isobel quittierte diese Aufmerksamkeit mit einem Lächeln.

Wenn man die großzügigen Räumlichkeiten des Lokals betrat, war es, als würde man London verlassen und sich auf einen anderen Kontinent begeben. Es duftete nach Zimt und Kardamom. Die vorherrschenden Farben waren leuchtendes Gelb, Weinrot und Ocker. Vorhänge und Kissen waren aus schimmernder Seide. An der Decke hing ein seidener Baldachin, sodass der Eindruck entstand, man befände sich in einem Zelt. Auf den Tischen standen Schalen mit Rosenblüten, und Teelichter flackerten in orientalisch ziselierten Glasgefäßen.

Ein Kellner führte sie zu einem freien Tisch in einer ruhigen Nische und reichte ihnen in Leder gebundene Speisekarten.

„Wollen wir Rotwein trinken?“, fragte Alex nach einem kurzen Blick auf die Karte.

„Gern.“

„Okay. Ich denke, ich fange mit der gemischten Vorspeisenplatte an. Wie steht es mit dir?“

„Klingt gut. Ich schließe mich dir an.“

„Und was möchtest du zum Hauptgang?“

„Hmm, ich nehme das Hühnchen mit Limonen.“

„Ich auch. Das Dessert können wir ja später aussuchen.“

Und nach dem Dessert würde er mit ihr nach Hause gehen. Falls sie seinen Antrag annahm – und daran zweifelte Alex nicht wirklich –, würden sie miteinander schlafen. Um festzustellen, wie gut sie zusammenpassten. Rasch verbannte er diesen erregenden Gedanken aus seinem Kopf und erzählte ihr von seiner letzten Ausgrabung in der Türkei.

Isobel hörte allerdings nur oberflächlich zu. Sie konnte sich nicht recht auf seinen interessanten Bericht konzentrieren. Zu sehr war sie sich seiner Gegenwart bewusst. Seine tiefe Stimme jagte ihr prickelnde Schauer über den Rücken. Sie fühlte sich wie elektrisiert von seiner Nähe.

Als der Kellner die Vorspeise brachte, wurde es nur noch schlimmer. Es war üblich, marokkanische Speisen mit den Händen zu essen. Die beiden Portionen waren auf einer großen Platte angerichtet. So passierte es immer wieder, dass ihre Finger sich berührten, wenn sie sich von den gefüllten Wein-blättern, den gebackenen Auberginen oder dem eingelegten Gemüse nahmen. Früher hätte Isobel das nicht weiter bemerkt. Aber heute Abend steigerte jede noch so leise Berührung die lustvolle Spannung.

„Wäre es denn wirklich so schlimm?“, fragte Alex, nachdem das Hühnchen aufgetragen worden war.

Sie schreckte aus ihren Gedanken hoch. „Was?“

„Mit mir ins Bett zu gehen.“

„Alex!“, fauchte sie empört.

„Seit ich dir den Antrag gemacht habe, bist du sehr still.“

„Nur weil ich das Thema Ehe und Sex noch nie mit dir in Zusammenhang gebracht habe“, erwiderte sie ausweichend.

Das entsprach zwar nicht ganz der Wahrheit, aber Alex sollte sich nicht einbilden, dass sie sich seit Jahren nach ihm verzehrte.

„Wirklich noch nie?“, fragte er erstaunt. „Auch nicht damals, du weißt schon …?“

„Nein“, log sie tapfer. War es möglich, dass er sich an den Kuss im Gartenhaus erinnerte? „Und du? Hast du jemals daran gedacht? Ich meine, im Zusammenhang mit mir.“

„Als du achtzehn warst, da war ich dreiundzwanzig. Der Abstand zwischen uns war einfach zu groß. Aber nun bist du dreißig und ich fünfunddreißig. In diesem Alter zählen fünf Jahre Unterschied nicht mehr besonders.“

„Und?“, fragte sie gespannt.

„Und“, begann er und machte eine Pause. „Ehrlich gesagt, denke ich gerade jetzt in dieser Weise über dich nach.“

In seinen Augen lag ein Ausdruck, den sie nicht an ihm kannte. Es war, als sehe er in ihr tatsächlich eine begehrenswerte Frau und nicht mehr nur eine gute Freundin.

„Oh“, machte sie nur.

„Du denkst doch auch daran. Gib’s zu.“

„Ja.“

Plötzlich war ihr, als hätte sie ein seltsames Paralleluniversum betreten. Gestern noch wäre ihr der Gedanke an eine sexuelle Beziehung mit Alex völlig abwegig vorgekommen. Und heute ließ diese Vorstellung ihr Herz schneller schlagen.

Der Kellner reichte ihnen die Dessertkarte. Isobel fand es schwierig, sich auf die Auswahl zu konzentrieren. Also entschied sie sich für einen Nachtisch, den sie hier meist aß. Sie bestellte einen kleinen Pfannkuchen mit Honig, Nüssen und Eis. Alex wählte eine Zusammenstellung aus Zimt-, Vanille-und Schokoladeneis.

„Köstlich“, schwärmte er, nachdem er den ersten Löffel gekostet hatte. „Mach den Mund auf.“

Gehorsam beugte sie sich vor und ließ sich von Alex einen Löffel voll Zimteis in den Mund schieben.

„Gut?“

„Ja“, hauchte sie.

„Jetzt bin ich dran. Dein Pfannkuchen sieht wirklich lecker aus.“

Sie hatten das schon so oft getan. Einander von ihrem Essen probieren lassen. Aus einem Becher getrunken. Ein Stück gebutterten Toast vom Teller des anderen stibitzt. Es war immer selbstverständlich gewesen und hatte zu ihrem freundschaftlichen Umgang miteinander gehört.

Heute Abend war es jedoch ganz anders.

Die vertrauten Gesten bekamen mit einem Mal eine ganz andere Bedeutung. Es war wie ein Geplänkel zwischen Verliebten.

Als Isobel ihm ein Stück von ihrem Pfannkuchen zwischen die Lippen schob, sah sie an seinem Gesichtsausdruck, dass er genauso empfand.

Während des restlichen Abends hatte Isobel das absurde Gefühl, neben sich zu stehen. Wie in einem seltsamen Nebel gefangen, beendete sie ihr Dessert und trank den zum Abschluss servierten Pfefferminztee. Nachdem Alex die Rechnung bezahlt und ein Taxi bestellt hatte, folgte sie ihm mit zittrigen Knien aus dem Restaurant.

Auf dem Nachhauseweg sprach Alex kein Wort. Er hielt nur ihre Hand. Isobel fand das beruhigend und aufwühlend zugleich.

Das Taxi stoppte vor dem Apartmentkomplex, in dem Isobel wohnte. Alex bezahlte den Fahrpreis und hielt ihr die Wagentür auf. Isobel war mittlerweile so nervös, dass sie kaum ihre Wohnungstür aufschließen konnte.

Sanft legte Alex ihr die Hand auf die Schulter.

„Keine Panik, Bel. Heute Nacht schlafe ich auf dem Sofa. Ich werde dich zu nichts drängen, das du nicht wirklich willst.“

Sie nickte stumm. Eigentlich wusste sie gar nicht, was sie wollte. Je bildlicher sie sich eine leidenschaftliche Nacht mit Alex vorstellte, desto größer wurde allerdings die Versuchung.

Reiß dich zusammen, ermahnte sie sich. Das Risiko, ihre Freundschaft zu gefährden, war ihr einfach zu groß.

Außerdem wollte sie ihm auf gar keinen Fall ihr dunkelstes Geheimnis beichten. Ein Geheimnis, von dem nur Saskia wusste. Und ihre beste Freundin hatte versprechen müssen, niemals jemandem davon zu erzählen.

Isobel konnte Alex nicht heiraten. Wenn es auch so aussah, als wollte Alex keine Kinder, konnte sich das jederzeit ändern. Hätte gestern jemand behauptet, Alex schmiede Heiratspläne, so hätte sie ihn ausgelacht. Und doch hatte er ihr heute einen Antrag gemacht. Morgen spielte er vielleicht schon mit dem Gedanken, eine Familie zu gründen. Und sie wusste nicht, ob sie ihm das bieten konnte.

Ihre Sorgen zeichneten sich offenbar auf ihrem Gesicht ab. Alex blickte sie eindringlich an.

„Was ist mit dir los, Bel?“, fragte er mit sanfter Stimme.

„Nichts. Ich habe nur ein wenig Kopfschmerzen. Am besten gehe ich gleich zu Bett.“

„Tu das. Ich störe dich auch nicht. Soll ich dir eine Schmerztablette und ein Glas Wasser bringen?“

Sie schüttelte den Kopf. „Vielen Dank, nicht nötig. Ich klappe dir schnell noch die Schlafcouch auf.“

„Kommt nicht infrage. Das mache ich.“ Er strich ihr behutsam über die Wange. „Bis morgen also. Schlaf gut.“

3. KAPITEL

Alex hielt Wort und ließ Isobel in Ruhe. Als sie am nächsten Morgen aufstand, hatte er bereits die Schlafcouch zusammengeklappt, aufgeräumt und Kaffee gekocht.

„Guten Morgen“, begrüßte er sie. „Wie geht es deinem Kopf?“

„Besser, danke.“ Sie hatte tatsächlich noch eine Schmerztablette nehmen müssen.

„Hier.“ Er reichte ihr einen Becher Kaffee. Heiß, stark und mit viel Milch. Genau so, wie sie ihn am liebsten mochte. „Möchtest du Toast?“

„Ja, gern.“

Sie setzte sich an den kleinen Bistrotisch in der Küche, den Alex bereits gedeckt hatte. Dankbar nahm sie sich ein Stück gebutterten Toast.

„Was steht heute auf dem Programm?“

„Zwei Führungen mit Schulklassen, ein Kochkurs, Berichte schreiben. Und bei dir?“

„Ein paar Recherchen.“ Alex biss in seinen Toast.

Das klang nicht so, als würde ihn diese Aussicht sonderlich begeistern. Als Isobel zur Arbeit ging, kam er ihr immer noch ein wenig niedergedrückt vor.

Er braucht wirklich eine neue Herausforderung, dachte sie. Allerdings bezweifelte sie, dass es für den angestrebten Job eine Rolle spielte, ob er nun verheiratet war oder nicht. Es gab keinen Grund, sich schuldig zu fühlen.

Nein, es war richtig gewesen, seinen Antrag abzulehnen. Für sie beide.

Dennoch verfolgte sie den ganzen Tag lang der Gedanke an Alex und seine Situation.

Als Isobel abends ihre Wohnung betrat, strömten ihr aus der Küche köstliche Düfte entgegen.

„Hi, Alex. Mmh, riecht das wunderbar. War doch nicht nötig, für mich zu kochen.“

„Ist mir ein Vergnügen. Und es ist ohnehin derselbe Aufwand, für eine Person oder für zwei zu kochen.“

Seufzend schlüpfte sie aus den Schuhen und ließ sich in einen Stuhl fallen. „Dir war langweilig, stimmt’s?“

Er reichte ihr ein Glas Wein. „Verschwinde und lass mich meine Midlife-Crisis in Ruhe ausleben.“

„Ich wohne hier. Also werde ich nicht verschwinden. Welche Midlife-Crisis überhaupt? Alex, du bist fünfunddreißig. Und du hast keinen langweiligen Bürojob. Also kannst du dir auch keinen unbezahlten Urlaub nehmen, deine Haare wachsen lassen und auf der Suche nach Abenteuern mit dem Motorrad um die Welt düsen. Genau damit verdienst du doch dein Geld, verdammt.“

„Ich habe kein Motorrad“, erklärte er und rührte in einem Topf.

„Nun werde nicht spitzfindig. Ich meine, wenn du dein Leben umkrempeln willst, musst du deine Haare schneiden lassen und dir einen Bürojob suchen. Kauf dir einen Anzug und verabrede dich öfter als dreimal mit derselben Frau. Für die meisten Menschen wäre dein Leben ein Abenteuer. Von welcher Midlife-Crisis sprichst du also?“

Er machte eine wegwerfende Handbewegung und schenkte sich ein Glas Wein ein. „Vergiss meine Bemerkung einfach.“

„Du warst heute Morgen schon so still“, meinte sie kopfschüttelnd. „Irgendetwas beschäftigt dich doch. Komm, setz dich und erzähl.“

„Ich muss kochen.“

Sie schnupperte. „Hühnchen in Weißwein mit Bratkartoffeln und Salat?“

„Genau“, erwiderte er lächelnd. „Es ist nicht mehr viel zu tun. Woher weißt du, was es gibt?“

„Abgesehen von der Tatsache, dass es dein Leib- und Magengericht ist? Du hast den letzten Rest aus der Weinflasche gerade in dein unbenutztes Glas geschüttet.“

„Und woher willst du wissen, dass ich nicht vorher aus der Flasche getrunken habe?“, gab er zurück.

Sie mussten beide lachen.

„Na ja“, sagte er schließlich achselzuckend. „Vielleicht bin ich deshalb so still, weil ich zu viel freie Zeit habe. Ich fange an zu grübeln. Und das ist immer gefährlich.“

„Komm schon, Alex. Was ist los?“

„Aber es hört sich verrückt an.“

„Erzähl es mir trotzdem.“

Er seufzte und setzte sich ihr gegenüber. „Ich bin kein junger Mann mehr, Bel. Meine kleinen Schwestern sind alle verheiratet und haben Familie. Meine ehemaligen Studienkollegen ebenso. Einige sind sogar schon zum zweiten Mal verheiratet. Obwohl ich mein Leben liebe, wie es ist, frage ich mich allmählich, ob mir das auf Dauer reicht. Ob ich dieses Leben wirklich will.“

„Soll das heißen, du willst eine Familie gründen?“, hakte Isobel vorsichtig nach.

„Ja. Nein. Vielleicht.“ Er trank einen Schluck Wein. „Ich überlege mir, was ich als Nächstes tun soll. Ich möchte mich beruflich verändern. Aber was ist mit anderen Aspekten meines Lebens? Will ich wirklich einer von diesen ewigen Junggesellen werden und im Rentenalter einen auf Jungspund mimen?“

Sie musste lächeln. „Das ist ganz bestimmt nicht dein Weg, Alex.“

Er würde auch mit sechzig unerhört charmant sein. Und die Frauen würden sich immer noch nach ihm umdrehen. Aber er besaß genug Würde und Selbstachtung, um sich nicht lächerlich zu machen.

„Die Zeit verfliegt so schnell. Es kommt mir vor, als sei es erst gestern gewesen, dass Helen die Zwillinge bekam. Und nun sind die Jungen schon sieben. Ich habe das Gefühl, ich müsste nur einmal blinzeln und bin fünfundvierzig. Dann gehöre ich zu den Männern, die zum Abendessen eingeladen werden, um eine ungerade Gästezahl bei Tisch zu vermeiden. Meine Tischdame wird eine frisch geschiedene Frau sein, die sich mir entweder an den Hals wirft oder alle Männer hasst“, prognostizierte er düster.

„Ach, Alex, das klingt gar nicht nach dir. Seit wann blickst du so pessimistisch in die Zukunft?“ Ihr kam ein furchtbarer Gedanke. Lieber Himmel! „Gibt es da irgendetwas, was ich wissen muss?“

„Zum Beispiel?“

Sie schluckte. Es fiel ihr schwer, ihren schrecklichen Verdacht auszusprechen. „Alex, bist du vielleicht krank? Ich meine, ernsthaft krank?“

Er sah sie einen Moment lang mit ausdrucksloser Miene an. Panik erfasste sie. Das durfte nicht sein. Nicht ausgerechnet er.

„Bel, wo denkst du hin? Es geht mir gut. Ich bin absolut gesund. Aber während meiner letzten Ausgrabung habe ich schlechte Nachrichten über einen engen Freund erhalten.“

Also jemand anderes, dachte Isobel mit grenzenloser Erleichterung. Nicht Alex. Doch dann fühlte sie sich seltsam schuldig.

„Ich hoffe, deinem Freund geht es wieder gut.“ Ihre Stimme klang brüchig.

Er schüttelte traurig den Kopf. „Er hat es nicht geschafft. Es war furchtbar, beim Trauergottesdienst an seinem Sarg zu stehen. Vor ein paar Jahren war ich anlässlich seiner Hochzeit in derselben Kirche. Er ist der erste meiner Freunde, der gestorben ist. Das hat mir gezeigt, wir kurz das Leben sein kann. Man sollte nichts für selbstverständlich nehmen. Deshalb denke ich manchmal, es ist an der Zeit, etwas zu ändern und sesshaft zu werden. Mit dem neuen Job könnte ich noch reisen. Aber nicht so viel, dass mir keine Zeit für ein Familienleben bliebe. Ich könnte das eine mit dem anderen verbinden.“

Ein Familienleben, dachte Isobel. Dazu gehören dann wohl auch Kinder.

Nun, dann kam nur eine Frau infrage, die auf jeden Fall Kinder bekommen konnte und wollte. Also nicht jemanden wie sie, bei der diese Angelegenheit mit einem großen Fragezeichen versehen war.

Nach den beiden Fehlgeburten hatte der Arzt sie damit zu trösten versucht, dass die Statistik auf ihrer Seite war. Vielen Frauen erging es so, und sie brachten danach gesunde Kinder zur Welt. Fehlgeburten waren so alltäglich, dass die Ärzte erst bei der dritten nach den Ursachen forschten.

Aber Gary wollte das Risiko nicht eingehen. Er hatte nicht abwarten können.

Alex war nicht wie Gary, das war ihr klar. Alex würde sie nicht einfach fallen lassen. Dennoch wünschte er sich eine Familie. Und sie war möglicherweise nicht in der Lage, ihm diesen Wunsch zu erfüllen.

Alex die Wahrheit zu sagen, das brachte sie allerdings nicht fertig. Das Letzte, was sie ertragen könnte, war Mitleid. Sie würde sich dann nicht mehr gleichwertig fühlen.

Wenn sie ihm also die Wahrheit verschwieg und er seinen Antrag wiederholte, würde sie wieder ablehnen müssen. Es wäre nicht fair, ihn unter diesen Umständen zu heiraten.

Rasch verdrängte sie diese Gedanken. Im Moment ging es schließlich um ihn, nicht um sie. „Du bekommst den Job bestimmt. Und wenn du länger als drei Minuten am selben Ort bleibst, findest du garantiert auch die richtige Frau.“

Isobel ignorierte den Schmerz, den sie empfand, weil sie nicht die richtige Frau für ihn sein konnte.

Während des restlichen Abends unterhielten sie sich angeregt über verschiedene geschichtliche Themen und Dinge, die sie derzeitig in ihren Jobs beschäftigten.

Am nächsten Morgen war Alex guter Stimmung und benahm sich, als sei alles in schönster Ordnung. Isobel versuchte erst gar nicht, auf ihr gestriges Gespräch über seine Zukunftssorgen zurückzukommen. Sie hatte den Verdacht, dass es ihm vielleicht unangenehm war, ihr sein Herz geöffnet zu haben.

Isobel saß kaum eine Stunde an ihrem Schreibtisch, als ein Bote eintraf und ihr ein Päckchen überreichte. Merkwürdig, sie erwartete gar keine Lieferung. Neugierig öffnete sie das Päckchen und fand eine Schachtel erlesener Pralinen. Dazu eine Notiz mit Alex’ unverkennbarer Handschrift:

Vielen Dank für’s Zuhören.

Sie musste lächeln. Alex mochte ein Chaot sein, aber er nahm nie etwas für selbstverständlich.

Kurz entschlossen öffnete sie ihr E-Mail-Konto und tippte einen kurzen Text ein.

Vielen Dank für die Pralinen. Das war nicht nötig, aber sehr, sehr nett von dir. Bel

Es dauerte nicht lange, da erhielt sie eine Antwort.

Nur ein kleines Dankeschön. Iss nicht alle auf einmal.

Als ob sie das je tun würde. Sie schüttelte amüsiert den Kopf. Dann nahm sie sich den Bericht, an dem sie gerade schrieb, und arbeitete weiter.

Als sie nach einer Weile einen kurzen Blick auf ihren Monitor warf, war eine neue Mail von Alex eingetroffen.

Hast du heute Abend schon etwas vor?

Sie überlegte nicht lange und tippte ihre Antwort.

Nichts Besonderes. Warum?

Es dauerte ein paar Minuten, bis Alex sich wieder meldete.

Dann betrachte dich für heute Abend als eingeladen. Ich hole dich von der Arbeit ab. Wann machst du Feierabend?

Isobel blickte auf ihre Uhr.

Gegen sechs. Muss ich mich umziehen?

Alex’ Antwort ließ nicht lange auf sich warten.

Nur falls du gerade als Römerin verkleidet bist. Bis nachher. Ciao, Alex

Was er wohl vorhatte? Typisch Alex. Er liebte Überraschungen.

Um kurz nach sechs betrat Isobel das Foyer des Museums. Alex wartete schon auf sie. Er trug ein weißes Hemd, ein dunkles Sakko zu einer dunklen Hose und sah unverschämt gut aus. Bei seinem Anblick machte ihr Herz einen kleinen Sprung.

Sofort rief sie sich in Erinnerung, dass dies kein Rendezvous war. Sie waren nur zwei langjährige Freunde, die sich zu einer gemeinsamen Unternehmung trafen.

Er hatte seinen Heiratsantrag nicht ernst gemeint. Sie musste das alles vergessen.

„Hallo“, sagte er und lächelte ihr entgegen.

„Selber hallo. Hattest du einen schönen Tag?“

„Ich kann nicht klagen.“ Er legte ihr den Arm um die Schultern. „Und wie war es bei dir?“

„Viel Arbeit, aber alles geschafft“, sagte sie, während sie die Stufen der Außentreppe hinuntergingen.

Sein Arm lag noch immer um ihre Schultern. Sie spürte seine Berührung überdeutlich. Mühsam widerstand sie dem Verlangen, stehen zu bleiben und sich an seine Brust zu schmiegen. Merkwürdig. So hatte sie früher nie empfunden.

„Gut. Hast du Hunger?“

Isobel warf ihm einen koketten Seitenblick zu. „Wenn man bedenkt, dass ich den ganzen Tag Pralinen gefuttert habe …“

Er lachte. „Was? Und mir hast du keine aufgehoben?“

„Leider nicht. Meine Kollegen sind über die Schachtel hergefallen. Es war wie eine Heuschreckenplage. So viel zu meiner Entschuldigung.“

„Du Ärmste. Sollen wir vorher oder nachher essen?“

„Vor oder nach was?“

Er blieb stehen, zog seine Brieftasche aus der Brusttasche und entnahm ihr zwei Eintrittskarten. Mit feierlicher Miene überreichte er sie Isobel.

Staunend betrachtete sie die Theaterkarten – für eine Vorstellung von Shakespeares „Viel Lärm um nichts“ in einem berühmten Londoner Theater. Und auch noch die besten Plätze!

Sie holte tief Luft. „Oh, Alex! Die haben doch bestimmt ein Vermögen gekostet.“

„Ich wollte das Stück schon lange sehen. Mit dir zusammen macht es einfach mehr Spaß, denn du weißt eine gute Vorstellung zu schätzen.“

„Ich würde mein Ticket gern selbst bezahlen.“

„Kommt nicht infrage. Aber du kannst mich in der Pause zu einem Drink einladen.“

„Ich spendiere dir so viele Drinks, wie du willst. Hach, ich freue mich riesig, Alex. Wir haben das Stück in der Schule aufgeführt.“

Er schmunzelte. „Ich weiß. Manchmal war ich dabei, wenn du und Saskia eure Rollen gelernt habt. Erinnerst du dich? Euer Herumgestammel war einfach grauenvoll. Der arme Shakespeare hat sich bestimmt im Grab umgedreht.“

Sie knuffte ihn in die Seite. „Grauenvoll? Na, warte. Das werde ich Saskia erzählen. Dann kriegst du jede Menge Ärger.“

„Keine Chance. Ich bin ihr Lieblingsbruder.“

„Du bist ihr einziger Bruder“, korrigierte Isobel ihn augenzwinkernd.

„Eben drum. Sie hat nicht viel Auswahl. Also, gehen wir jetzt gleich essen oder nach der Vorstellung?“

Sie blickte auf ihre Uhr. „Lieber danach. Es sei denn, du willst eine Kleinigkeit aus einem Schnellimbiss.“

„Ich warte lieber und esse etwas Vernünftiges.“

„Ganz meine Meinung.“

Die Bar im Theater war brechend voll. Alex und Isobel kauerten dicht nebeneinander auf zwei Barhockern. Eine Unterhaltung war wegen des Lärms der anderen Gäste nur schwer möglich.

Der Duft ihres Parfüms – eine betörende Mischung aus Jasmin, Vanille und Orangenblüten – kitzelte Alex’ Sinne. Verstohlen betrachtete er Isobel von der Seite. Warum war ihm noch nie aufgefallen, wie seidig ihre Haut schimmerte und wie sinnlich ihr Mund war? Plötzlich verspürte er den dringenden Wunsch, sie zu küssen.

„Alex?“

Er schreckte aus seinen Gedanken hoch und beugte sich zu ihr vor. „Es ist so schrecklich laut hier. Ich kann dich kaum verstehen. Am besten rückst du ein bisschen näher.“

Sie gehorchte und lehnte sich eng an ihn. „Ich glaube, es ist Zeit, unsere Plätze zu suchen.“

„Du hast recht.“

Es kostete ihn einige Überwindung, aufzustehen. Zu prickelnd war es, die Wärme ihres Körpers zu spüren.

Es wurde eine fantastische Vorstellung. Hin und wieder warf Alex einen Seitenblick auf Isobel, die das gekonnte und inspirierte Spiel der Darsteller wie gebannt verfolgte. Nach einer Weile nahm er ihre Hand und verflocht seine Finger mit ihren. Er konnte einfach nicht anders. Zufrieden registrierte er, dass sie ihm ihre Hand nicht entzog. Es fiel ihm zunehmend schwer, sich auf das Stück zu konzentrieren. Zu intensiv war ihm Isobels Nähe bewusst.

Diese Tatsache verwirrte ihn. Denn natürlich war er nicht in sie verliebt. Sie war nur eine gute Freundin. Woher kam auf einmal diese elektrisierende Spannung zwischen ihnen? Und warum wollte er um nichts in der Welt ihre Hand loslassen?

Am Ende der Vorstellung tat er es schweren Herzens doch, damit sie applaudieren konnten. Auf dem Weg ins Foyer jedoch legte er wie selbstverständlich den Arm um sie. Natürlich nur deshalb, um sie vor dem großen Gedränge zu schützen. Jedenfalls versuchte er, sich das einzureden.

Als sie kurz darauf in einem gemütlichen indischen Restaurant auf ihr Essen warteten, plauderten sie angeregt über die Aufführung.

„Wir sollten das unbedingt wiederholen“, sagte Alex. „Dann nehmen wir Saskia mit. Und meine Mutter auch, falls sie einen guten Tag hat.“

„Wie geht es ihr denn?“, fragte Isobel besorgt.

„Du kennst doch meine Mutter“, erwiderte er seufzend. „Sie würde niemals zugeben, dass es ihr schlecht geht. Aber seit dem Herzinfarkt ist sie einfach nicht mehr dieselbe. Ich mache mir Sorgen um sie.“

Isobel nahm seine Hand und drückte sie sanft. „Kann ich gut verstehen. Saskia hat mir alles erzählt. Aber die Medikamente schlagen gut an. Bei der letzten Kontrolluntersuchung war der Arzt sehr zufrieden mit ihr.“

Alex’ Miene verdüsterte sich. „Ich weiß. Dennoch kann es jeden Tag wieder passieren. Ich würde gern mehr Zeit mit ihr verbringen und mich öfter um sie kümmern. Es wäre schon ein Fortschritt, im selben Land wie meine Familie zu leben. Ich darf nicht alles den Mädchen überlassen. Schließlich bin ich der Älteste und trage auch Verantwortung für meine Eltern.“

„Deine Eltern sehen das bestimmt anders. Sie fühlen sich für sich selbst verantwortlich“, wandte Isobel ein.

„Vielleicht. Trotzdem, Mum hasst es ganz offensichtlich, dass ich dauernd unterwegs bin. Sie würde es nie zugeben. Trotzdem macht sie sich Sorgen. Immer dann, wenn in den Nachrichten über Naturkatastrophen oder politische Unruhen in der Gegend, in der ich gerade bin, berichtet wird. Ein Stressfaktor, der ihr nicht guttut.“

„Alex, es ist nicht deine Schuld, dass sie einen Herzinfarkt hatte.“

„Da bin ich mir nicht so sicher. Stress kann durchaus ein Auslöser sein.“

„Den meisten Stress hat sie doch durch ihren Job. Saskia erzählte mir, dass sie jetzt nur noch Teilzeit arbeitet. Das wird sie entlasten.“

„Es würde sie garantiert auch entlasten, sich nicht immer um mich sorgen zu müssen.“ Isobel nickte nachdenklich. „Also willst du den neuen Job auch ihretwillen?“ „Ja, natürlich. Und wenn ich ihn nicht bekomme, weil ich zu unzuverlässig wirke, werde ich etwas anderes finden.“ „Sag mal, Alex, musst du wirklich verheiratet sein, um den Job zu kriegen? Reicht nicht eine Verlobte?“

Er dachte kurz nach. „Vielleicht.“

Alex brauchte sie. Natürlich wollte Isobel ihm helfen. Er war zu stolz, um sie noch einmal zu fragen, das wusste sie. Also gab es nur eins, das sie tun konnte.

„Ich möchte, dass du diesen Job bekommst und glücklich bist“, sagte sie und blickte ihn ernst an. „Wir könnten uns verloben. Wenn du dann den Job hast, würden wir die Verlobung in aller Stille lösen und so weitermachen wie bisher.“

Eine Verlobung bedeutete weniger Verbindlichkeit und konnte ohne Konsequenzen beendet werden. Zwischen Alex und ihr würde nichts geschehen, das nicht rückgängig gemacht werden konnte. Und sie bräuchte ihm nicht von den Fehlgeburten zu erzählen. Eine Verlobung war die perfekte Lösung.

„Du würdest dich mit mir verloben?“, meinte er erleichtert.

„Ja, wenn ich dir damit helfen kann.“

„Danke, Bel. Ich weiß das wirklich zu schätzen.“ Er nahm ihre Hand und küsste sie sanft auf die Innenfläche. „Wenn ich irgendwann mal etwas für dich tun kann, sag es mir bitte.“

„Sei nicht albern. Dafür sind Freunde schließlich da“, erklärte sie leichthin.

In Wahrheit fühlte sie sich ziemlich bedrückt. Auch wenn sie eine Ehe mit Alex nicht ernsthaft in Betracht gezogen hatte, war es schmerzlich, diese Möglichkeit völlig schwinden zu sehen.

„Auf dich.“ Alex hob sein Glas und prostete ihr zu. „Meine Retterin in der Not.“

„Auf dich“, erwiderte sie und hob ebenfalls ihr Glas. „Und auf eine harmonische Verlobungszeit.“

„Also auf uns“, korrigierte er. „Das perfekte Team.“

„Auf uns“, wiederholte sie wehmütig.

4. KAPITEL

Alex verbrachte das Wochenende in den Cotswolds, um seine Eltern zu besuchen. Es erschreckte Isobel, wie sehr sie ihn vermisste. Die Wohnung kam ihr ohne ihn seltsam leer vor.

Du darfst dich nicht an ihn gewöhnen, ermahnte Isobel sich. Alex würde gehen, sobald er den Job und sich für einen Wohnort entschieden hatte. Möglicherweise würde er auch in sein altes Apartment zurückkehren. Ihre Verlobung war an einen Zweck gebunden und würde nicht von Dauer sein.

Am Sonntag machte Isobel sich zu einem langen Spaziergang nach Hampstead Heath auf. Als sie am frühen Abend in ihre Wohnung zurückkehrte, war sie überrascht, Alex dort auf dem Sofa vorzufinden. Überraschend war auch, wie sehr ihr Herzschlag sich bei seinem Anblick beschleunigte.

„Ich habe nicht so früh mit dir gerechnet“, sagte sie zur Begrüßung.

„Mmmmh“, machte Alex mit finsterer Miene.

„Geht es deiner Mutter gut?“

„Ja, alles in Ordnung.“ Sein Gesicht blieb düster.

„Was ist denn passiert?“

Er fuhr sich mit beiden Händen durch das dichte dunkle Haar. „Die Dinge haben sich anders entwickelt als geplant.“

„Wie meinst du das?“

„Ich habe meine Eltern heute zum Mittagessen eingeladen und ihnen von dem neuen Job und unserer zeitlich begrenzten Zweckverlobung erzählt. Irgendwie haben sie das alles in den falschen Hals gekriegt. Sie gehen davon aus, wir meinen es ernst mit den Hochzeitsplänen. Und meine Mutter war so glücklich. Als ob ihr eine große Last von den Schultern fallen würde. Ich brachte es nicht übers Herz, sie gleich über ihren Irrtum aufzuklären. Ich wollte eine ruhige Minute abwarten.“

Isobel blickte ihn gespannt an. „Ja, und?“

„Kaum war ich aus dem Wagen gestiegen, war Mum auch schon auf dem Weg nach nebenan zu deiner Mutter. Ich stand da wie ein Idiot, während mein Vater mir auf die Schulter klopfte und mir erklärte, wie glücklich sie beide über meine Entscheidung wären.“

Sie blinzelte. „Marcia hat meiner Mutter erzählt, dass wir verlobt sind?“

Zerknirscht sah er sie an. „Nicht nur deiner Mum. Inzwischen wissen es auch Saskia, Helen und Polly. Und fast die gesamte Nachbarschaft. Nur mit Mühe konnte ich meine Mutter davon abbringen, eine Anzeige in die Lokalzeitung zu setzen. Ich habe dich auf dem Handy angerufen, um dich zu warnen. Aber ich konnte dich nicht erreichen.“

„Ich war spazieren. Vielleicht hatte ich kein Netz.“

„Mir blieb nichts anderes übrig, als dir auf die Mobilbox zu sprechen. Es tut mir so leid, Bel.“

Schnell kramte sie das Handy aus der Tasche und schaute auf das Display. Vier neue Nachrichten. Mit bebenden Fingern tippte sie die Nummer der Mobilbox ein.

Die erste Nachricht war von Alex: „Houston, wir haben ein Problem. Ruf mich bitte zurück. Falls noch weitere Anrufe eintrudeln, ignorier sie am besten. Ich erkläre dir alles, wenn ich wieder zurück bin.“

Dann ihre Mutter. „Bel, Marcia hat es mir eben gesagt. Das sind ja wunderbare Neuigkeiten. Aber warum hast du es uns nicht selbst erzählt, Liebes? Ruf mich doch bitte zurück. Dein Vater und ich wollen euch zum Essen ausführen, um das Ereignis gebührend zu feiern. Ich hab dich lieb.“

Als Nächstes die aufgeregte Stimme von Marcia. „Bel, wir sind ja so glücklich! Es wäre natürlich noch schöner gewesen, wenn ihr uns die Neuigkeiten gemeinsam erzählt hättet. Aber ich kenne meinen Sohn. Er kann einfach nicht abwarten. Hoffentlich sehen wir uns bald. Ich kann dir gar nicht sagen, wie froh ich bin, dich als Schwiegertochter zu bekommen.“

Die letzte Nachricht schließlich war von Saskia. „Du meine Güte, jetzt wirst du meine Schwägerin! Isobel Martin, wie konntest du mir so eine Neuigkeit verschweigen? Ausgerechnet mir? Ruf mich an, ja? Ich will alle Einzelheiten hören. Und ich gratuliere dir. Das ist fantastisch.“

Isobel setzte sich neben Alex und blickte ihn ratlos an. „Du lieber Himmel, sie sind ja alle ganz aus dem Häuschen.“

„Ich weiß.“

„Was sollen wir denn jetzt tun?“

„Falls es dir nichts ausmacht, können wir das Spiel eine Weile mitmachen. Irgendwann verkünden wir dann, du hättest die Verlobung gelöst, weil ich irgendetwas Schreckliches verbrochen habe. Lass mich überlegen … Ich war betrunken und habe mich dir gegenüber furchtbar danebenbenommen. Oder ich habe dich mit einer anderen Frau betrogen. Uns wird schon etwas einfallen. Und dann ist alles wieder wie vorher.“

Sie schüttelte energisch den Kopf. „Nein, Alex. Das ist überhaupt keine gute Idee. Deine Eltern würden es dir niemals verzeihen, wenn sie glauben, dass du mich schlecht behandelt hast. Von meinen Eltern will ich gar nicht erst reden. Das könnte vielleicht sogar unsere Familien entzweien. Außerdem habe ich keine Lust, ihnen noch mehr Lügen aufzutischen. Die ganze Sache ist schon so außer Kontrolle geraten.“

„Aber du hast sie doch gehört. Sie sind außer sich vor Freude. Wenn ich ihnen die Wahrheit gestehe, werden sie furchtbar enttäuscht sein. Und wahrscheinlich auch wütend.“

„Das werden sie auch sein, wenn wir die angebliche Verlobung lösen und dir die Schuld in die Schuhe schieben“, wandte sie ein.

„So zu tun, als hätte es einfach nicht funktioniert, erscheint mir weniger hart. Mir fällt im Moment keine andere Lösung ein. Hast du eine bessere Idee?“

Isobel zuckte hilflos die Schultern. „Nein. Hey, ich fühle mich, als hätte mich gerade ein Zug überrollt. Ich kann nicht klar denken. Aber ich möchte sie auf keinen Fall weiter anlügen.“

„Meine Mutter glaubt sowieso, ich sei schon seit einer Ewigkeit in dich verliebt. Sie hat sich gewundert, dass ich so lange gebraucht habe, um das zu erkennen.“

Isobel schlug das Herz bis zum Hals. „Das hat sie gesagt? Unsinn. Natürlich bist du nicht in mich verliebt.“

Konnte sie dasselbe auch von sich behaupten? Immerhin erinnerte sie sich lebhaft an einen Kuss, der zwölf Jahre zurücklag.

„Das ist alles meine Schuld, Bel. Ich kann dir gar nicht sagen, wie leid es mir tut. Mir bleibt wohl nichts anderes übrig, als alle anzurufen und über die Wahrheit aufzuklären.“

„Sie kommen schon darüber hinweg.“

„Ich hasse es, meine Mutter zu enttäuschen. So glücklich und heiter war sie seit Monaten nicht mehr.“

„Kann ich gut verstehen. Meine Eltern wünschen sich seit der Scheidung von Gary auch nichts sehnlicher, als mich wieder verheiratet zu sehen. Ich glaube, das liegt vor allem an ihrem Alter. Sie haben mich sehr spät bekommen. Und ich bin ihr einziges Kind. Auch wenn beide fit und gesund erscheinen, sie sind über siebzig.“

„Sie haben nicht mehr so viel Zeit“, meinte Alex vorsichtig. „Natürlich möchten sie, dass du wieder heiratest und glücklich bist.“

Isobel zuckte hilflos mit den Schultern und biss sich auf die Lippe.

Er sah sie mit ernster Miene an. „Hör mal, Bel. Ich möchte dir einen Vorschlag machen. Es gibt da etwas, das uns beiden aus der Klemme helfen würde.“

Neugierig erwiderte sie seinen Blick. „Und das wäre?“

„Wir könnten heiraten. Ich meine, richtig.“

„Aber, Alex, du hast gesagt, du willst eine Familie gründen.“

„Du und ich. Das ist eine Familie.“

„Möchtest du keine Kinder?“, fragte sie atemlos.

„Wenn du Kinder willst, ist das in Ordnung. Wenn nicht, ist das auch okay. Ich werde dich nicht unter Druck setzen.“

Sie kämpfte einen Anflug von Panik nieder. Sollte sie ihm sagen, dass ihr möglicherweise gar keine Wahl in dieser Frage blieb? „Nein. Das können wir nicht tun.“

„Doch, natürlich können wir.“ Er nahm ihre Hand. „Denk darüber nach. Unsere Eltern wären überglücklich. Du magst meine Eltern, ich mag deine. Wir hätten also beide großartige Schwiegereltern.“

Eine völlig neue Erfahrung für Isobel. Denn Garys Mutter hatte sie immer abgelehnt. Sie hatte es nie offen zugegeben, aber Isobel hatte diese Ablehnung an vielen Kleinigkeiten und Bemerkungen deutlich gespürt. Garys Mutter konnte sich nicht damit abfinden, dass Isobel die wichtigste Frau im Leben ihres Sohnes war. Von Marcia hätte Isobel nichts dergleichen zu befürchten. Das wusste sie genau. Alex’ Mutter hatte sie nie anders behandelt als ihre eigenen Kinder.

„Unsere Eltern wären also zufrieden und glücklich und würden uns mit diesem Thema endlich in Ruhe lassen. Außerdem, wir mögen uns sehr. Wenn das keine Basis für eine gelungene Ehe ist …“

„Das reicht aber nicht“, protestierte Isobel.

„Doch, tut es. Das ist sogar viel besser als Verliebtheit. Wir mögen uns, wir respektieren uns und sind immer aufrichtig zueinander gewesen. Wir machen uns keine falschen Vorstellungen, betrachten uns nicht durch eine rosarote Brille. Keine Gefahr, dass wir uns gegenseitig wehtun. Wir wissen genau, was wir zu erwarten haben.“

„Aber …“

Er seufzte. „Bel, ich kann mir gut vorstellen, was dich beunruhigt. Da gibt es wohl nur einen Weg, um dir zu beweisen, dass deine Befürchtungen grundlos sind.“ Er beugte sie vor und küsste sie.

Es war ein sanfter und zärtlicher Kuss. Isobel merkte, wie sie sich entspannte. Alex umfasste ihr Gesicht mit beiden Händen und verstärkte den Druck seiner Lippen. Aufseufzend lehnte Isobel sich an ihn und erwiderte seinen Kuss.

Plötzlich war es, als würde ein Schalter umgelegt. Aus Zärtlichkeit wurde Leidenschaft. Isobel schob die Hände in Alex’ Haar und öffnete sehnsüchtig den Mund.

Sie konnte sich nicht erinnern, jemals einen Mann so begehrt zu haben.

Diese Erkenntnis traf sie wie ein Schock.

Alex spürte, wie ihr Körper sich versteifte, und löste sich flüchtig von ihr. „Hör auf zu denken, Bel. Versuch, einfach nur zu fühlen.“

Dann küsste er sie wieder. Isobel bekam weiche Knie und dachte an gar nichts mehr.

Als Nächstes spürte sie, wie Alex sie hochhob und ins Schlafzimmer trug. Neben dem Bett stellte er sie behutsam auf die Füße.

„Du liebe Zeit.“ Sein Blick fiel auf ihr Bett. „So viele Kissen …“

Es war das erste Mal, dass er ihr Schlafzimmer betrat. Er übernachtete ja normalerweise im Wohnzimmer auf der Schlafcouch.

Mit einem Lächeln ließ er die Finger über die schimmernde Tagesdecke gleiten. „Wirklich sehr hübsch. Wie günstig, dass du ein Doppelbett hast. Besonders wegen der vielen Kissen.“

„Ich lese immer im Bett“, erklärte sie befangen. „Da sind Kissen sehr bequem und nützlich.“

„Es gibt noch andere Dinge, bei denen Kissen bequem und nützlich sind“, erwiderte er mit einem vielsagenden Lächeln.

Als zarte Röte ihre Wangen überzog, lachte er, trat neben sie und küsste sie erneut. Dann schaltete er die Nachttischlampe ein. „Die ist aber hell. Wir brauchen sanfteres Licht.“

„Ich sagte doch schon, dass ich im Bett lese. Dabei ist Licht recht hilfreich.“

„Das ist wohl wahr. Rühr dich nicht von der Stelle. Und was immer du tust, fang nicht an zu denken.“

„Was hast du vor?“

„Ich suche uns eine geeignete Lichtquelle. Und du bleibst hier.“ Er nahm sie in die Arme und presste die Lippen auf ihre. Sinnlich, leidenschaftlich und voller Verlangen.

Ihr war, als würde sie vor Lust zerfließen …

„Behalte diesen Ausdruck in den Augen“, raunte er heiser, als er sich von ihr löste und sie anblickte.

Dann verließ er das Zimmer. Isobel hörte, wie er in ihrem Wohnzimmer rumorte. Kurz darauf kehrte er mit einem Windlicht zurück. Er stellte es auf den Nachttisch, schaltete die Lampe aus und entzündete die Kerze im Windlicht.

„Viel besser“, meinte er zufrieden.

Dann setzte er sich auf die Bettkante und klopfte auffordernd auf den Platz neben sich. „Komm her“, bat er sanft.

„Alex, ich …“Verlegen brach sie ab. Sie konnte ihm unmöglich sagen, dass sie fürchtete, ihn zu enttäuschen.

Was soll ich nur tun, überlegte sie panisch.

Alex nahm ihr die Entscheidung ab, indem er Isobel auf den Schoß zog.

„Alles okay“, flüsterte er. „Kein Grund, dich zu genieren. Ich habe dich schon nackt gesehen.“

Erstaunt blickte sie ihn an. „Wann soll das gewesen sein?“

„Du warst ungefähr zwei Jahre alt. Es war ein sehr heißer Sommer, und meine Eltern hatten das Planschbecken im Garten aufgebaut. Du und Saskia habt den ganzen Nachmittag darin herumgetobt. Mum hat bestimmt noch irgendwo ein Foto.“

Sie musste lachen. „Das zählt nicht. Wir waren noch Kinder.“

„Es ist schön, dich lachen zu hören. Du wirst sehen, wenn du dich entspannst, geht alles wie von selbst.“

Wenn sie ganz ehrlich war, stand eine Nacht wie diese schon lange zwischen ihnen.

Die sexuelle Anziehung zwischen ihnen war die Jahre über unausgesprochen geblieben. Aber sie war immer da gewesen, das erkannte Isobel jetzt. Vielleicht brauchten sie diese Nacht, um Klarheit zu schaffen. Danach würden sie wieder vernünftig sein.

Da gab es nur ein Problem.

Isobel holte tief Luft, bevor sie herausplatzte: „Alex, ich hab das schon eine ganze Weile nicht mehr gemacht.“

„Das ist gut.“

„Gut?“, wiederholte sie erstaunt. Mit dieser Reaktion hatte sie nicht gerechnet.

Lächelnd strich er mit dem Daumen über ihre Unterlippe. „Ja, denn ich werde dich daran erinnern, wie schön es sein kann.“

Sie wollte etwas erwidern, aber er verschloss ihr den Mund mit einem zärtlichen Kuss. Dann ließ er seine Hände unter ihr T-Shirt gleiten und streichelte ihren Rücken.

„Deine Haut ist so weich“, flüsterte er atemlos. „Und du riechst so gut. Ich will dich berühren, Bel. Und ich will dich ansehen.“

Behutsam zog er ihr das T-Shirt über den Kopf. Isobel ließ es widerspruchslos geschehen und hielt seinem Blick stand.

„Du bist wunderschön“, sagte er leise. „Warum habe ich das vorher nie bemerkt?“

„Weil du pausenlos Affären mit Frauen hattest, die wie Models aussahen?“, schlug sie vor.

Er sah sie in gespielter Empörung an. „Isobel Martin, hältst du mich etwa für oberflächlich?“

„Ja.“

„Dann lass uns hoffen, dass ich verborgene innere Werte besitze.“

Autor

Sara Orwig
<p>Sara’s lebenslange Leidenschaft des Lesens zeigt schon ihre Garage, die nicht mit Autos sondern mit Büchern gefüllt ist. Diese Leidenschaft ging über in die Liebe zum Schreiben und mit 75 veröffentlichten Büchern die in 23 Sprachen übersetzt wurden, einem Master in Englisch, einer Tätigkeit als Lehrerin, Mutter von drei Kindern...
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