Collection Baccara Band 344

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ATEMLOS AM STRAND von ETHERINGTON, WENDY
Sie ist so gar nicht sein Typ - der reiche Abenteurer Jared steht nicht auf kühle Karrierefrauen! Und doch: Victorias verführerische rote Lippen gehen ihm nicht mehr aus dem Kopf. Aber sie lebt für ihren Beruf, Liebe interessiert sie nicht. Das muss Jared ändern …

EIN PLAYBOY ENTDECKT DIE LIEBE von LANE, ELIZABETH
Er bekommt, was er will! Und jetzt will er das Kind seines verstorbenen Bruders, das bei der hübschen Grace lebt. Emilio zwingt sie, mit ihm und dem Baby nach Peru zu gehen. Dort macht der Playboy eine neue Erfahrung: Er hat ein Herz - und das schlägt bald nur für Grace …

KÖNNEN SEINE KÜSSE LÜGEN? von RAWLINS, DEBBI
Jamie stockt der Atem, als sie auf der Ferienranch ankommt: Cole, Besitzer der Farm, ist der Mann ihrer Träume! Als er sie in die Arme zieht, schwebt sie auf Wolke sieben. Eine Woche verbringt sie im puren Glück - bis sie erfährt, dass Coles Küsse nur eine große Lüge waren …


  • Erscheinungstag 19.08.2014
  • Bandnummer 0344
  • ISBN / Artikelnummer 9783733722364
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Wendy Etherington, Elizabeth Lane, Debbi Rawlins

COLLECTION BACCARA BAND 344

WENDY ETHERINGTON

Atemlos am Strand

Nur aus geschäftlichen Gründen hat sie die Einladung zu der Party in der Villa eines Kunden angenommen – Businessfrau Victoria hat keine Zeit für Vergnügungen! Doch plötzlich gerät ihre geordnete Welt aus den Fugen: Der attraktive Jared will sie zu süßen Abenteuern am Strand überreden. Und dann verschwinden auch noch die Juwelen der Gastgeberin …

ELIZABETH LANE

Ein Playboy entdeckt die Liebe

Voller Hingabe kümmert sich Grace um den Sohn ihrer verstorbenen Schwester. Da steht plötzlich Emilio Santana vor ihr und behauptet, der Onkel des Kindes zu sein. Er will den Jungen als Erben seines Imperiums in Peru aufziehen – und stellt Grace vor die Wahl: Entweder sie folgt ihm in das fremde Land oder er nimmt ihr das Liebste, was sie hat …

DEBBI RAWLINS

Können seine Küsse lügen?

„Kümmere dich um Jamie – sie ist wichtig für uns!“ Widerstrebend kommt Cole dem Befehl seiner Schwester nach. Er will nicht, dass aus seiner Ranch ein Hotel für Stadtmenschen wird. Und dass Jamie eine Reisebloggerin ist, deren Urteil ihm viele Gäste bescheren könnte, interessiert ihn nicht. Bis das hübsche CityGirl vor ihm steht …

1. KAPITEL

„Die Seele, nicht das Gesetz, erhält die Gerechtigkeit am Leben.“

Earl Warren

Wie immer waren die Straßen in Manhattan total verstopft und der Verkehr bewegte sich nur stockend. An einer roten Ampel drehte Victoria Holmes sich zu ihren beiden Freundinnen um. „Ich kriege diesen Auftrag, sonst …“

„Sonst was?“, hakte Calla Tucker nach und faltete die Zeitung auf ihrem Schoß zusammen.

„Sonst gibt sie uns die Schuld“, antwortet Shelby Dixon.

Zufrieden blickte Victoria nach vorn durch die Windschutzscheibe ihres Mercedes, sie hatten es kapiert, jetzt musste sich nur noch ihr Magen endlich beruhigen.

Wie ihre Mutter es bereits getan hatte, opferte auch sie sich auf für Coleman PR. Sie würde den Auftrag kriegen und befördert werden, komme, was wolle.

Aber deine Mutter ist eine Legende, der du nie das Wasser reichen wirst, meldete sich ihre innere Stimme zu Wort.

Victoria arbeitete oft bis spät abends und nahm an den Wochenenden und an Feiertagen immer Arbeit mit nach Hause. Ehrgeizig und selbstbewusst hatte sie große Aufträge an Land gezogen und der Firma vermögende Kunden eingebracht. Trotzdem wurde sie ständig mit ihrer Mutter verglichen, die in ihrem Alter bereits der jüngste Senior Vice President gewesen war. Immer wieder wurde sie auf irgendeine Weise von der Geschäftsführung daran erinnert.

Es war also überfällig, dass auch sie Senior wurde und ein Eckbüro bekam. Sie hatte es verdient, nicht länger im Schatten ihrer Mutter zu stehen, und würde allen beweisen, dass sie es allein schaffen konnte.

„Dieser Rutherford-Vertrag macht mich noch wahnsinnig“, murmelte sie.

Calla klopfte ihr besänftigend auf die Schulter. „Keine Sorge, wir halten dir den Rücken frei.“

Victoria war froh, dass ihre Freundinnen sie unterstützten. Shelby hatte ein langes Wochenende mit ihrem Freund geopfert, um ihr auszuhelfen. Sie war selbstständig mit ihrem Partyservice und hatte sich bereit erklärt, auf der Hausparty der Rutherfords in Southampton, zu der sie unterwegs waren, zu kochen.

Calla, die Reiseschriftstellerin war, hoffte, dass sie einen guten Bericht über die Party schreiben konnte und ein paar Fotos schießen durfte.

„Ich find’s wirklich toll, dass ihr mir helft. Diese Veranstaltung muss glattlaufen.“

„Über das Anwesen der Rutherfords wurde schon mehrmals in Architekturzeitschriften berichtet, ich kann es kaum erwarten, es zu sehen.“

„Der Extraverdienst tut mir auch gut. Nach all den Hochzeiten im Juni war bei mir eine ganze Weile nichts mehr los“, meinte Shelby.

„Wieso empfiehlt dein reicher Lover dich eigentlich nicht all seinen wohlhabenden Freunden?“, wollte Victoria wissen.

„Tut er doch, aber die maßgeblichen Leute verbringen den Sommer auf Long Island. Mein Unternehmen ist nicht groß genug, als dass ich jedes Wochenende meine Ausrüstung und Lebensmittel da rausschleppen könnte.“

„In Rose Rutherfords Gourmetküche gibt es sicher alles, was wir brauchen“, merkte Calla an.

„Die Haushälterin hat es mir versichert, und meine Lieferanten liefern alle Lebensmittel direkt dorthin, so muss ich nicht den Transporter nehmen.“

„Ich wäre niemals im Transporter dort aufgetaucht“, sagte Victoria, während sie sich zwischen zwei Taxis auf die rechte Spur drängelte.

„Es wäre ja auch schrecklich, wenn die wüssten, dass du eine Freundin hast, die Köchin ist“, zog Calla sie auf.

„Du weißt genau, dass ich kein Snob bin“, antwortete Victoria und blickte Calla im Rückspiegel in die Augen. „Doch das äußere Erscheinungsbild ist nun mal wichtig, damit ich diesen Auftrag bekomme.“

„Und ich bin keine Köchin“, korrigierte Shelby die Freundin entrüstet. „Wobei das nicht schlimm wäre. Aber dieses Wochenende geht es nur darum, dass du den Auftrag kriegst, auch wenn Calla stattdessen in der Sonne liegen und ich mich mit meinem Lover nackt im Bett rekeln könnte.“

„Mach mir nur ein schlechtes Gewissen“, antwortete Victoria trocken. Ihr war nicht nach Scherzen zumute.

„Hast du eigentlich noch was darüber gehört, ob der Seniorchef von Coleman wirklich in den Ruhestand geht?“, wechselte Shelby das Thema.

Victoria nickte. „Ja, sie geben es Anfang nächster Woche bekannt. Das weiß ich von seiner Sekretärin.“

„Und wieso erzählt sie dir so was?“, wollte Calla wissen.

„Na ja, weil ich im Gegensatz zu ihrem Chef nie ihren Geburtstag vergesse und auch nicht, dass ihre Lieblingsblumen Margeriten sind und dass sie Schokolade mit Karamellfüllung am liebsten mag.“

„Wie kannst du dir das alles merken?“

Victoria zuckte die Achseln. „Ich habe einen Ordner über jeden. Glaubt mir, Mädels, es ist unheimlich hilfreich, sich mit den wahren Machthabern, den Assistentinnen, gutzustellen, wenn man die Karriereleiter hoch will.“

Das hatte sie von ihrer legendären Mutter gelernt, doch da war ja nicht nur ihre Mutter, sondern auch ihr Vater, der Rechtsanwalt, ihr Großvater, der Herzchirurg, und die Holmes-Stiftung, die von ihrer Großmutter und ihrer Cousine geführt wurde. Alles in allem ein beängstigender Maßstab.

„Wenn Coleman Senior sich zur Ruhe setzt, wird Coleman Junior Vorsitzender, und der wertvolle Kunde Rutherford Securities ist zu haben“, meinte Shelby.

Victoria spürte, wie ihr Mund trocken wurde. „Und im Eckbüro des Senior Vice President sitzt dann jemand anderes.“

Shelby tätschelte ihr beruhigend den Oberschenkel. „Du kriegst den Auftrag ganz sicher. Niemand arbeitet so hart wie du. Mach dir keine Sorgen.“

Dank ihrer familiären Beziehungen war Victoria zur alljähr­lichen Sommerparty der Rutherfords eingeladen worden. Dort wollte sie mit Richard, dem Sohn von Rose Rutherford, über eine Strategie reden, wie man das neue Produkt von Rutherford Securities am besten bewerben könnte.

Ihre berufliche Zukunft und ihr Ruf hingen von den nächsten paar Tagen ab.

„Was ist denn das für ein Produkt, für das dieser Richard eine Werbestrategie braucht?“, erkundigte Calla sich.

„Ein Safe.“

Nachdenklich tippte sich Shelby mit ihrem Kugelschreiber an die Lippen. „So ein großes, schweres Ding aus Metall, in dem man seine Wertsachen unterbringt, oder was?“

„Ja“, erwiderte Victoria und errötete. Sie hielt das Konzept für völlig überholt.

„Na ja, das ist …“

„Eine wahnsinnige Neuheit“, beendete Calla den Satz für Shelby.

„Ach, hört schon auf. Ich weiß, es ist verrückt, aber jetzt, wo all die Banken versagen und niemand ihnen mehr traut, kann es doch sein, dass die Leute auf altbewährte Mittel zurückgreifen. Egal, Richard wird einen Haufen Geld hinblättern, um die Leute davon zu überzeugen, dass sie sich unbedingt so ein Teil anschaffen müssen.“

„Und er wird es in dich investieren“, bemerkte Calla.

„Ja.“ Victoria fuhr auf die Autobahn in Richtung Osten. „Denn ich hab es verdient, nicht wahr?“

Jared McKenna wischte sich den Schweiß von der Stirn, während er den vierten und letzten Jetski am Steg des Rutherford-Anwesens festband.

Obwohl er es das ganze Wochenende mit irgendwelchen Schnöseln zu tun haben würde, genoss er die harte Arbeit und die tolle Sicht. Am Himmel waren lediglich ein paar kleine Wölkchen zu sehen und auf dem blaugrünen Wasser des Atlantiks tanzten Schaumkronen. Es war stickig gewesen in den vergangenen Wochen, die kühle Luft war eine willkommene Abwechslung. Er kam aus Montana und hatte Mühe, sich an die Feuchtigkeit im Osten zu gewöhnen.

Sobald er fertig war, machte er sich auf den Weg zum Haus, um zu sehen, ob die Gäste alle eingetrudelt waren. In der Küche traf er auf Mrs Keegan, die Haushälterin. „Wie geht es der hübschesten Frau in ganz New York?“, fragte er und zwinkerte sie verschmitzt an.

Mrs Keegan errötete. „Sie sind ein schlimmer Kerl“, scherzte sie. Ihr irischer Akzent war nicht zu überhören.

Jared grinste sie freundlich an.

„Wir haben dieses Wochenende eine echte Küchenchefin hier bei uns“, bemerkte Mrs Keegan, während sie ihm ein Glas Limonade einschenkte.

„Wirklich?“

„Ja, dieses Mal grillt Master Richard nicht selbst.“

Jared hatte bereits mehrmals für Rose Rutherford gearbeitet und war auch ihrem Sohn Richard begegnet, der ihm nicht wirklich sympathisch war. Allein die Tatsache, dass er „Master“ genannt werden wollte, sagte schon alles.

Richard hatte seine Firma mit dem Geld seiner Familie gegründet, doch wie er damit so erfolgreich geworden war, war Jared schleierhaft, denn der Mann schien sich hauptsächlich im Golfclub aufzuhalten.

„Und warum nicht?“

„Ein Partyservice aus der Stadt wurde engagiert.“ Die Miene der Haushälterin erhellte sich. „Die Chefin heißt Shelby und ihr Lieferant hat tolle Zutaten gebracht. Ich kann’s kaum erwarten, sie kochen zu sehen.“

„Aha, ein Abenteuer-Wochenende für Gourmets.“ Bei all den sportlichen Aktivitäten, die er mit den Gästen ausüben sollte, fragte er sich, ob die am Abend überhaupt noch gerade sitzen können würden, geschweige denn Gourmetgerichte zu sich nehmen wollten.

„Sie wissen doch, dass Master Richard viel Wert auf das Erscheinungsbild legt.“

Allerdings, dem ging es nur darum, seinen Einfluss und seine Männlichkeit zur Schau zu stellen.

„Die Chefköchin ist mit Victoria Holmes befreundet.“ Mrs Keegan zog die Augenbrauen hoch.

Der Name Holmes war ihm ein Begriff, er hatte mal für ­Victorias Mutter Joanne Holmes und für die Stiftung der Familie ein Wochenende auf einer Ranch organisiert. Die Dame hatte sich ihm gegenüber kühl und distanziert verhalten, obwohl er sich sehr bemüht hatte, den Teenagern ein echtes Erlebnis auf dem Land zu bieten.

Er bekam es öfter mit schwierigen Kunden zu tun, trotzdem liebte er seinen Job. Was allerdings kaum jemand ahnte, war, dass er es eigentlich nicht nötig hatte zu arbeiten. Er war vermutlich ebenso vermögend wie die Leute, die ihn anheuerten, nur behielt er das gern für sich.

Außer seinem Steuerberater, seinem Geschäftsstellenleiter und den engsten Familienangehörigen wusste niemand, dass er nicht nur für Flaming Arrow Adventure Tours arbeitete, sondern dass ihm die Firma gehörte.

Er war hergekommen, weil er Rose Rutherford mochte und weil er die Herausforderung liebte, sportliche Wochenenden für erfolgreiche Führungskräfte zu organisieren. Die behandelten ihn zwar oft von oben herab, aber das störte ihn nicht.

Sein Großvater, sein Vater und er selbst hatten schwer gearbeitet für ihren Erfolg. Das war vermutlich auch der Grund, wieso er Richard nicht leiden konnte, denn der schien immer den bequemen Weg zu gehen.

Ruthanne, Richards Frau, betrat die Küche. Auf dem Kopf trug sie einen Strohhut mit breiter Krempe. Die Energie, die sie ausstrahlte, stand in starkem Kontrast zur aufgeblasenen Selbstgefälligkeit ihres Mannes.

„Was für ein wunderschöner Tag!“

„Ja, Miss Ruthie“, erwiderte Mrs Keegan höflich. „Ich habe Limonade gemacht. Möchten Sie welche?“

„Das ist aber lieb. Ja, bitte.“ Freundlich lächelte Ruthanne die Haushälterin an.

„Die Jetskis sind bereit“, meldete sich Jared zu Wort.

„Gut. Vermutlich …“ Als sie sah, wie die Haushälterin am Boden kniete, hielt sie inne. „Mrs Keegan, was machen Sie denn da unten?“

„Ich habe ein wenig Limonade verschüttet, Miss Ruthie.“ Mrs Keegan stand wieder auf. „Eine Küche muss sauber sein.“

„Diese Küche ist immer blitzsauber. Meine Freunde sind nicht so, da muss man nicht vornehm tun.“ Ruthannes Mund wurde schmal. „Allerdings bin ich mir bei dem Pärchen, das mein Mann in letzter Minute eingeladen hat, nicht so sicher“, fügte sie etwas abwesend hinzu. „Jared?“, wandte sich Ruthie an ihn. „Meine Freunde werden Ihnen gefallen. Mein Mann hat wie üblich zwar auch was Geschäftliches zu besprechen, aber wir werden uns ein tolles Wochenende machen.“

Der Türsummer ertönte. „Rutherford-Residenz“, meldete sich Mrs Keegan.

„Victoria Holmes, Shelby Dixon und Calla Tucker hier für Rose Rutherford.“

„Ja, Sie werden schon erwartet. Fahren Sie die Auffahrt rauf, bitte.“ Mrs Keegan gab einen Code auf dem Ziffernfeld ein, damit das Tor sich öffnete.

„Was haben Sie denn mit uns vor?“, wandte sich Ruthanne wieder an ihn.

Jared zählte die verschiedenen Aktivitäten auf. Außer mit den Jetskis zu fahren, wollte er mit den Gästen segeln gehen, Wasserski fahren, tauchen und angeln.

„Wollen Sie das alles an einem Wochenende machen?“ Ruthie lächelte ungläubig.

Er schaute auf seine Armbanduhr. „Wenn wir uns beeilen, schaffen wir es sogar bis zum Sonnenuntergang.“

Als die Haustürglocke ertönte, rannte Mrs Keegan sofort los, wobei sie sich die Hände an der Schürze abwischte.

„Ich habe sie so noch nie erlebt“, meinte Ruthie und blickte der Haushälterin nach. „Es ist beinahe so, als würde uns eine Berühmtheit besuchen kommen.“

Jared hörte mehrere Frauenstimmen und kurz darauf betraten eine Blondine, eine Schwarzhaarige und eine Rothaarige die Küche. Wie abwechslungsreich.

Alle umarmten Ruthie, er wurde lediglich angestarrt. Vermutlich lag das an seiner Größe. Mit seinen eins neunzig wirkte er auf manche Leute einschüchternd.

Sofort erkannte er die Holmes-Erbin. Irgendwie sah sie aus wie ihre Mutter, andererseits auch wieder nicht. Ihre eisblauen Augen nahmen einen warmen Ausdruck an, als sie sich mit ihren Freundinnen unterhielt. Mit den hohen Absätzen, die sie trug, war sie mindestens eins achtzig groß.

Sie war atemberaubend schön, aber ganz und gar nicht sein Typ. Kühle Perfektion, eingehüllt in teure Kleidung. Als Ruthie sie einander vorstellte, blieb ihr Lächeln distanziert. Sie streckte ihm die Hand hin und sagte: „Meine Vorstellung von Abenteuer ist eine Massage in einem Spa. Ich glaube also nicht, dass wir dieses Wochenende viel miteinander zu tun haben werden.

Als er Victorias Hand in seine nahm, kam es ihm vor, als durchströme ihn eine unsagbare Hitzewelle, was ihn völlig überraschte. Diese Frau hatte was an sich … eine herausfordernde interessante Art.

„Ihre Mutter mochte mich zunächst auch nicht, das hat sich irgendwann geändert.“ Er lächelte sie an, doch ihr Blick hatte nun etwas Misstrauisches.

2. KAPITEL

Die Berührung von Jared McKennas Hand löste ein merkwürdiges Kribbeln in ihr aus, schnell zog Victoria ihre zurück. „Sie kennen meine Mutter?“

„Ich habe mit ihr und ein paar Teenagern aus der Stiftung letztes Jahr ein Cowboy-Wochenende veranstaltet.“

Ihre Großmutter hatte ihr davon erzählt, Victoria war damals froh gewesen, dass sie nichts damit zu tun hatte. „Meine Mutter ist auf einem Pferd geritten?“ Argwöhnisch zog sie die Augenbrauen hoch.

„Nein, aber die Kinder und das Personal, und sie fanden es toll. Ihre Mutter war natürlich glücklich darüber.“

Wie konnte er behaupten, dass ihre Mutter glücklich gewesen war? Hatte sie vielleicht tatsächlich gelächelt? Ihm ein Kompliment gemacht? Joanne erwärmte sich nicht so schnell für jemanden, auch nicht für einen großen, gut aussehenden Natur­burschen.

Ihr dagegen waren seine breiten Schultern sofort aufgefallen. Er hatte muskulöse Arme und seine Haut war tief gebräunt, was vermutlich daher kam, dass er die meiste Zeit draußen verbrachte. So, wie er da barfuß vor ihr stand, in seinem zerknitterten T-Shirt und Shorts und mit dem vom Wind zerzausten dunklen Haar, entsprach er zwar nicht ihrem Typ Mann, aber er hatte ein Wochenende mit ihrer Mutter überlebt, das bewunderte sie.

„Hi, Ruthanne“, hörte Victoria ihre Freundin Shelby sagen. „Ich freue mich, Sie endlich kennenzulernen.“

„Kommen Sie, wir machen einen Rundgang zur Speisekammer“, forderte Ruthie ihre beiden Freundinnen auf. Mrs Keegan folgte den drei Frauen.

„Rundgang zur Speisekammer?“, wiederholte Victoria für sich selbst. Wo lag denn diese Speisekammer?

„Sie hatten mal einen Kammerdiener.“ Jared grinste. „Er hat ihnen die Sachen von der Speisekammer in die Küche getragen, doch er war nicht schnell genug, da haben sie ihn entlassen.“

Victoria lächelte. „Kammerdiener arbeiten nicht in der ­Küche.“

„Sie müssen es wissen.“

„Ach, und wieso das? Ich wohne in einer Wohnung in Manhattan. Ich brauche keinen Kammerdiener.“

„Ein Hausmädchen?“

„Eine Putzfrau.“

„Jeden Tag?“

„Nein, einmal die Woche.“ Victoria verschränkte die Arme vor der Brust. „Gibt es einen besonderen Grund, weshalb meine häusliche Situation Sie so interessiert?“

Jared lächelte hinterlistig. „Wo wir schon mal dabei sind: Wohnen Sie mit Ihrem Freund zusammen?“

„Nein“, platzte Victoria heraus, bevor ihr überhaupt bewusst wurde, was er sie da gefragt hatte, und dass ihn das gar nichts anging.

„Übernachtet er ab und zu bei Ihnen?“

„Was soll denn das? Sie …“

„Ah, Sie reagieren recht sauer darauf. Also würde ich mal sagen nein. Sie schmeißen die Männer sicher eine Viertelstunde nach dem Sex raus, oder?“

„Das tue ich nicht.“

„Ach so, noch ein Gläschen und dann …“

„Nein!“

Ihre Liebhaber waren immer zufrieden, wenn sie nach Hause gingen. Was wollte er damit andeuten? Dass sie kalt und systematisch vorging wie ihre Mutter? Im nächsten Moment wurde ihr bewusst, dass Jared McKenna nach nur einer Minute mehr über ihr Privatleben wusste als ihre Assistentin nach fünf ­Jahren.

Sie starrte ihn böse an. „Wirken sich die Muskeln in Ihren Oberarmen eigentlichen negativ auf Ihre Gehirnleistung aus?“

Sein Blick wurde weich, als er sie ansah, einen Arm hob und den Muskel anspannte. „Sie haben es also gesehen?“

Was war denn das für eine peinliche Anmache? Das war doch hoffentlich ein Witz. „Hören Sie.“ Victoria beugte sich zu ihm und flüsterte: „Ich habe keine Zeit für Ihre Spielchen und ich bin auch nicht zum Flirten oder wegen Sex hier – bei dem ich, nebenbei bemerkt, gut bin. Ich bin hier, um befördert zu werden. ­Richard Rutherford soll mir die Zukunft absichern, alles andere ist unwichtig.“

„Haben Sie eine Ahnung, wie sexy Sie gerade sind?“

Verwirrt sah sie ihn an. „Ich …“ Oh Gott, wie peinlich. Sie spürte, wie ihr ganz heiß wurde. Normalerweise schaffte es niemand, sie derart zu überrumpeln.

„Sie sollten mal lieber einen großen Schritt zurücktreten, Cowboy“, riet sie ihm mit eindringlicher Stimme.

„Ich? Sie sind näher gekommen. Gehen Sie doch einen Schritt zurück.“

„Auf keinen Fall.“

„Was sollen wir also Ihrer Meinung nach tun, wo wir uns schon so nahe sind?“

„Wir werden gar nichts tun“, erwiderte Victoria empört.

„Ach? Sie haben gar keine Idee?“

Er hob die rechte Hand und strich mit dem Daumen langsam über die Unterlippe.

„Mir würden da ein paar Dinge einfallen.“

„Hallo, allerseits.“

Als sie Richard Rutherfords Stimme hinter sich hörte, sprang Victoria erschrocken einen Schritt zurück. Das Herz klopfte ihr bis zum Hals hinauf. Was tat sie denn da? Wie hatte sie sich auf diese zweideutige Situation einlassen können?

Schnell schob sie die aufwühlenden Gedanken an Jared beiseite und ging zielstrebig auf ihren Gastgeber zu, der an der Küchenanrichte lehnte. Sie war wieder ganz die erfolgreiche Geschäftsfrau und lächelte ihn freundlich an. „Richard, schön Sie zu sehen. Was für ein tolles Haus für eine Wochenendparty.“

„Danke, Victoria.“

Richard war gekleidet wie der typische wohlhabende Mann an einem Golfwochenende: beige-braun-gelber Pullover mit Rautenmuster, dazu Kakihose.

„Schön, dass Sie kommen konnten.“

Seine Förmlichkeit kam ihr merkwürdig vor. Verdammt, dieser Jared hatte so eine witzige lockere Art, und obwohl Richard immer eher zurückhaltend war, kam ihr das in diesem Moment irgendwie falsch vor.

„Ja, es wird sicher toll“, erwiderte sie höflich. „Ich hoffe allerdings, dass wir uns auch irgendwann ein paar Minuten über die neue Kampagne unterhalten können.“

Richard lächelte. „Bestimmt wird sich dafür ein Zeitpunkt ergeben. Wir verbinden das Geschäft einfach mit dem Vergnügen.“

Gut, sie hatte sich wieder gefasst. Sie empfand Richards Verhalten als normal, wie hatte sie sich nur von diesem barfüßigen Möchtegerncowboy aus dem Konzept bringen lassen können? Ach nein, er war ja Abenteuertour-Führer. Was war das überhaupt für ein Job?

Wieder surrte die Gegensprechanlage. „Das sind vermutlich die anderen Gäste, Mrs Keegan“, kündigte Richard an, und die Haushälterin kam sofort in die Küche zurückgeeilt. „Führen Sie sie in den Salon. Wir werden dort zunächst einmal Tee trinken, damit sich alle kennenlernen können.“

Mit wenigen Schritten war Jared an der Hintertür. „Dann geh ich mal nachsehen, ob die Ausrüstung bereit ist.“

„Nein, nein, bleiben Sie ruhig da und schließen Sie sich uns an. So kann ich Sie mit allen bekannt machen.“

Jared schien das gar nicht recht zu sein. Victoria konnte sich diesen großen Mann auch nicht mit einer eleganten Teetasse in der Hand auf einem von Roses antiken Sofas vorstellen, aber das war nicht ihr Problem.

„Wer kommt denn sonst noch?“, erkundigte sie sich. „Irgendjemand, den ich kenne?“

Vielleicht hatte Richard ein paar Führungskräfte seiner Firma eingeladen. Es wäre äußerst günstig, sollte sie wichtigen Direktoren begegnen. Dann könnte sie alle gleichzeitig beeindrucken und von sich überzeugen, und der Auftrag wäre am Dienstag, wenn Coleman Senior seinen Rücktritt bekannt gab, zum Unterzeichnen bereit. Sie konnte fast schon die Champagnerkorken knallen hören.

Sie war so in Gedanken versunken, dass sie den Namen, den Richard nannte, beinahe nicht gehört hätte. „Haben Sie gerade Peter Standish gesagt?“, fragte Victoria leise. Sie war völlig perplex und brachte kaum einen Ton heraus.

Richard nickte. „Zusammen mit Emily, seiner Frau. Ein reizendes Paar. Sie sind wirklich …“

„Entschuldigung.“ Victoria war zwar selbst erschrocken darüber, dass sie Richard unterbrach, aber sie musste es wissen, denn sie befand sich kurz vor einer Panikattacke. „Der Peter Standish, der bei Coleman arbeitet?“

„Ganz genau der. Wir sind doch alle eine große glückliche Familie, oder?“

Richard lächelte sie erwartungsvoll an, als habe er ihr gerade ein großes Geschenk gemacht. Victoria spürte, wie ihr Mund trocken wurde. „Aber …“

Calla, die in die Küche zurückgekommen war, stürzte auf sie zu und legte ihr einen Arm um die Taille. Sie hatte offensichtlich gemerkt, dass sie Unterstützung brauchte.

„Richard, hätten Sie was dagegen, wenn ich Fotos vom Anwesen mache, wo ich schon mal hier bin? Ich würde gern einen Artikel für eine Zeitschrift schreiben“, wandte Calla sich an den Hausherrn, um seine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.

„Machen Sie nur. Ich kann Ihnen ein paar schöne Stellen ­zeigen.“

„Ach, das wäre ja herrlich.“ Calla blickte ihn freudestrahlend an und hakte sich bei ihm unter. „Ich will alles sehen.“

Victoria stand wie angewurzelt da. Von irgendwoher hörte sie Shelbys und Mrs Keegans Stimme, aber sie schienen weit weg zu sein.

„Wer ist Peter Standish?“ Jared stand direkt hinter ihr. „Ist er einer Ihrer Liebhaber, den sie nach dem gemeinsamen Vergnügen gleich verabschiedet haben?“

Victoria hatte nicht die Kraft zu antworten und brachte es nicht mal fertig, sich auch nur einen Schritt von Jared wegzubewegen. Am liebsten hätte sie sich umgedreht und ihren Kopf an seine breite starke Brust gelehnt. „Mein Erzrivale im Büro“, sagte sie schließlich mit tonloser Stimme.

„Was arbeiten Sie?“

Sie wirbelte zu ihm herum und wünschte im selben Augenblick, sie hätte es nicht getan, denn ihr Gesicht und somit ihre Lippen war seinem auf einmal gefährlich nahe. „Was hat Ihnen meine Mutter nicht gesagt?“

Jared schien verwirrt. „Ich kann mich nicht erinnern.“

„Ich bin Vice President bei Coleman Public Relations.“

„Aha, der neue Safe.“

„Was wissen Sie denn darüber? Ich dachte, es sei streng geheim.“

„Rose hat es mir erzählt.“

Victoria wunderte sich ein wenig, wie Jared, der ein Angestellter war, über die ehrenwerte Rose Rutherford sprach, beschloss aber, es unkommentiert zu lassen.

„Sie glauben wirklich, dass Sie die Leute davon überzeugen können, mehrere Tausend Dollar für eine große Metallkiste hinzublättern?“

Meine Mutter könnte es. Victoria hob das Kinn. „Wenn ich richtig motiviert bin, kann ich die Leute davon überzeugen, für fast alles ein paar Tausender hinzublättern.“

„Und was motiviert Sie dieses Mal?“

„Der Auftrag von Rutherford Securities und eine Position als Senior Vice President.“

„Mit der der unerwünschte Mr Standish ebenfalls liebäugelt, oder wie?“

„Nicht, wenn mein Chef auch nur einen Funken Verstand hat.“

„Hat er den?“

„Meistens schon.“

„Wollen Sie wissen, was ich denke?“

„Aha, Sie reiten also nicht nur auf Pferden, sondern geben auch Ratschläge in Sachen Unternehmenspolitik. Interessant.“ Ihre Stimme klang spöttisch.

Sein Blick verdunkelte sich für einen Moment, und Victoria wusste, dass sie ihn getroffen hatte. Auf einmal fühlte sie sich schuldig.

Sie war zwar noch nie besonders sanftmütig gewesen, aber ihr Ehrgeiz hatte sie verändert. Mit Taktgefühl landete man keine großen Aufträge und verwundbar durfte man nicht sein. Dabei fragte sie sich oft, ob es ihr wirklich so wichtig war, dem Vermächtnis ihrer Mutter gerecht zu werden. Konnte man nicht auch erfolgreich sein, wenn man nicht war wie Joanne Holmes?

„Ich beobachte die Menschen“, unterbrach Jared ihre Ge­danken.

Victoria hörte aus seiner Stimme, dass er verärgert war.

„Meistens Menschen wie Sie. Sie rennen alle im Kreis herum und jagen dem nächsten Auftrag oder der nächsten Trophäe und Beförderung hinterher. Für mich ist das die größte Zeitverschwendung.“

„Aber was gibt es denn sonst?“, rutschte es ihr heraus. „Und was tun Sie, das so viel besser ist?“

„Ich jage dem Abenteuer hinterher.“ Seine Stimme war leise und tief. „Wollen Sie mitmachen?“

Victoria ignorierte den Funken Lust, den sie auf einmal verspürte. Ihr ganzes Leben lang war sie die Karriereleiter hinaufgeklettert, nichts würde sie davon abbringen. Sie hatte Ehrgeiz im Blut, so war das nun mal. „Ich kann nicht.“ Sie klang nicht so überzeugt, wie sie es gern gehabt hätte. „Ich brauche diese Beförderung.“

„Sie haben sie vermutlich verdient.“

„Ja.“

„Sie wissen doch, wieso Richard Sie und Ihren Erzrivalen zur selben Party eingeladen hat, oder?“

„Weiß ich das?“ Unsicher blickte sie Jared an.

„Ja. Richard liebt es, im Mittelpunkt zu stehen.“

„Schon klar, aber woher wissen Sie …“ Auf einmal ging ihr auf, was er angedeutet hatte. „Richard will, dass wir um den Auftrag kämpfen.“

Jared nickte. „Wenn es Ihnen hilft, drücke ich Ihnen die ­Daumen.“

„Warum?“

Er zuckte die Achseln. „Ich mag eben Gewinner.“

„Und Sie denken, ich werde gewinnen?“

„Na ja, ich hab da eine Vermutung.“

Jared trank seinen Tee und blickte sehnsüchtig aus dem Fenster, wo die Sonne vom wolkenlosen Himmel schien.

Die Leute um ihn herum redeten übers Wetter, den Verkehr und über irgendeinen Politiker, der eine Affäre mit seiner Assistentin hatte. Die Unterhaltungen langweilten ihn zu Tode. Er saß verloren in einer Ecke des Zimmers und aß einen Keks. Wenigstens konnte diese Shelby backen, das war immerhin etwas.

Victoria stand mit einer Teetasse in der Hand bei Richard und Peter. Sie lächelte nachsichtig, während die beiden Männer von ihrer Golfrunde schwärmten. Jared zweifelte nicht daran, dass sie innerlich vor Wut kochte.

Dankbar nahm er noch einen Keks vom Tablett, das Shelby ihm entgegenhielt. „Werden die uns jeden einzelnen Schlag erläutern?“

„Sieht ganz so aus.“ Shelby neigte den Kopf zur Seite und blickte ihn an. „Glauben Sie wirklich, dass Richard den Auftrag diesem Schleimer Peter gibt anstatt Victoria?“

„Ich bin mir nicht sicher, ob Betriebsführung zu Richards Stärken gehört“, erwiderte er und zwinkerte sie frech an. Shelby musterte ihn misstrauisch. Offenbar fragte sie sich, woher dieser Abenteurer sich mit Unternehmensführung auskannte.

„Ach?“

„Na ja, ich weiß ja auch nichts darüber“, sagte er ausweichend. Er musste vorsichtig sein, mit dem, was er von sich gab, sonst würde man es ihm nicht abnehmen, dass er lediglich zur Freizeitgestaltung hier angestellt war.

„Wo bleibt Mutter nur?“, rief Richard in die Runde und lenkte die Aufmerksamkeit der Umherstehenden auf sich.

Jared stand auf. „Rose kommt sicher gleich. Während wir auf sie warten, würde ich Ihnen gerne zeigen, was wir am Wochenende vorhaben.“

Die Gäste stellten ihre Teetassen ab und folgten ihm nach ­draußen.

„Mit Pferden kann ich aber nicht gut umgehen“, meinte Victoria, als sie an ihm vorbei durch die Hintertür trat.

„Keine Sorge, die hab ich auch nicht mitgebracht, sondern Jetskis, Angel- und Tauchausrüstung. Da ist für jeden was dabei.“

Sie blickte ihm tief in die Augen und lächelte spöttisch. „Ach wirklich?“

Jared erwiderte ihren Blick. „Ja, und ich freue mich schon darauf Ihnen alles zu zeigen, was Sie wollen.“

Calla, die direkt hinter Victoria war, kicherte, offenbar hatte sie die Zweideutigkeit dieser Bemerkung erkannt. Victoria ignorierte die Anspielung und stöckelte auf ihren hochhackigen Schuhen die Treppe zum Garten hinunter.

Sie wird sich vermutlich den Hals brechen in diesen lächerlichen Dingern, dachte Jared, als er ihr nachblickte. „Kommen Sie mit nach draußen, meine Damen“, forderte er Shelby und Mrs Keegan auf, die die Spülmaschine einräumten. „Sie können schließlich nicht das ganze Wochenende in der Küche ver­bringen.“

Die beiden Frauen widersprachen zunächst, folgten ihm dann jedoch.

Jared atmete tief durch. Es war zwar heiß, doch im Haus hätte er bald Platzangst bekommen. Blaugrünes kristallklares Wasser schlug in sanften Wellen auf dem Sandstrand auf. Grünes Seegras wand sich um die Pfähle des Holzsteges, der in das Meer hinausragte. Nur wenige Boote waren rausgefahren, aber das würde sich am Wochenende sicher ändern.

Wie konnte man bei dieser Aussicht auch nur eine Minute unnötig im Haus verbringen?

Ganz zu schweigen von dieser Aussicht, dachte er, während er Victorias Po in Augenschein nahm, als sie über den Steg schlenderte. Obwohl sie sich bei Richard untergehakt hatte, war er sich ziemlich sicher, dass er sehr bald in den Genuss ihrer Berührung kommen würde.

Er wusste, dass er mit seinem Charme bei Frauen einiges erreichen konnte, und freute sich schon darauf, ihn bei der zurückhaltenden Victoria Holmes einzusetzen.

Fröhlich pfeifend gesellte er sich zu den anderen auf den Steg. „Sind das alle?“, fragte er Richard.

„Na ja, außer Mutter.“

„Und ihr Freund Sal“, fügte Ruthie hinzu. „Aber er kommt erst gegen Abend.“

Rose hatte einen Freund? Jared freute sich für die alte Dame. Je mehr Liebe in der Luft lag, umso leichter würde ihm die Eroberung von Victoria fallen. Die widmete ihre Aufmerksamkeit einzig und allein Richard. Allerdings aus rein geschäftlichen Gründen, da war er sich sicher.

Ein bisschen Mondschein, gutes Essen, ein Glas Wein, ein Spaziergang am Strand … Da würde bestimmt auch jemand wie ­Victoria weich werden und das Geschäftliche für eine Weile vergessen.

„Wer von Ihnen war schon mal tauchen?“, fragte er in die Runde.

Lediglich Peter und Victoria hoben die Hand.

„Ich bin ein sehr guter Taucher“, sagte Peter. „Um mich müssen Sie sich keine Gedanken machen.“

Victoria presste die Lippen zusammen, als würde sie den Drang verspüren, einen Kommentar abzugeben. „Ich habe ein paar Tauchgänge gemacht, als ich im College war. Zählt das?“

„Natürlich. Sie werden es gleich wieder draufhaben. Für alle anderen, die sich dafür interessieren, ich zeige Ihnen gern in einer Stunde die Grundlagen im Swimmingpool. Und wenn Sie wollen, können wir anschließend einen kurzen Tauchgang machen. Wenn nicht, ich habe jede Menge Schnorchelausrüstung dabei.“

Während er die anderen Aktivitäten erläuterte, wurde klar, dass Peter scheinbar in allem ein Experte war. Solche Typen waren nichts Neues für ihn, meistens war das alles nur angeberisches Gerede, aber man wusste ja nie.

„Möchte irgendjemand mit dem Jetski rausfahren?“

Wie erwartet, lehnten die meisten ab, sie wollten lieber auspacken und sich für das Abendessen in Schale werfen. Aus Erfahrung wusste er, dass Stadtmenschen sich nur zögerlich auf solche Dinge einließen.

Calla war die Einzige, die sich begeistert gemeldet hatte. Sie rannte zum Haus hinauf, um sich einen Badeanzug anzuziehen. Shelby und Mrs Keegan richteten bereits das Abendessen.

„Wissen Sie, was es zu essen gibt?“, fragte Jared, als Calla zurückkam.

„Thailändisch“, erwiderte sie. „Shelby ist eine tolle Köchin.“

„Daran habe ich keine Zweifel. Allein die Kekse waren köstlich. Aber glauben Sie, dass wir irgendwann auch mal ein Steak bekommen?“, fragte er, während er auf den Jetski kletterte, der auf dem Wasser schaukelte.

„Ja, am Montag. Nur damit sie es wissen, Victoria liebt thailändisches Essen.“

Das passte zu ihr, exotisch und scharf.

Er ließ den Motor an und blickte zum Garten hinauf. Richard ging über die Wiese in Richtung Haus, begleitet von Peter auf der einen und Victoria auf der anderen Seite.

Irgendwie störte ihn dieser Anblick, aber er konnte nicht sagen, warum.

Schnell schob er den Gedanken beiseite und konzentrierte sich auf seine Arbeit. Er half Calla auf das Wasserfahrzeug, und sie klammerte sich mit aller Kraft an ihn, während er mit ihr über die Wellen sprang und über das Wasser dahinraste, doch er konnte Victorias umwerfend schönes Gesicht nicht vergessen.

Ihre blauen Augen erinnerten ihn an das tiefblaue Meer. Ihm fiel der schwarze Sand am Strand von Maui ein, als er an ihr Haar dachte, und er stellte sich vor, wie sie nackt am Strand lag, ihr Haar ausgebreitet auf dem Sand, wie eine exotische Göttin aus der Antike. Wie weit würde sie wohl gehen, wenn sie auf dem offenen Wasser wären, wo nichts sie zurückhielt, weder Verpflichtung noch Ehrgeiz?

Nach kurzer Zeit wollte Calla selbst steuern. Vom Ufer aus sah Jared ihr zu. Wieso ließ ihn diese hübsche Blondine, im Gegensatz zu ihrer Freundin, völlig kalt? Die Chemie zwischen zwei Menschen ließ sich eben nicht so einfach erklären.

„Gibt es irgendeine Möglichkeit, Victoria zum Jetski-Fahren zu überreden?“, fragte er, nachdem sie zurück war und sie das Fahrzeug festgebunden hatten und auf den Steg geklettert waren.

„Mir fällt da leider nichts ein“, erwiderte Calla und seufzte.

„Sie ist wohl rein geschäftlich hier und nicht zum Spaß, was?“

„Das ist immer so.“

„Mit was für Männern verabredet sie sich normalerweise?“, fragte er neugierig.

Calla blieb kurz stehen und sah ihn verwundert an. Sie hatte offenbar nicht mit dieser Frage gerechnet.

„Mit Idioten“, murmelte sie leise, als sie weiterging.

„Idioten?“

„Ja, reiche Idioten.“ Ungeduldig winkte sie ab. „Sie haben alle ein hübsches Gesicht, eine tolle Figur, sind erfolgreich und verdienen vierhundert Riesen im Jahr und mehr. Aber sie sind oberflächlich und …“ Plötzlich schlug sie sich eine Hand vor den Mund. „Warum erzähle ich Ihnen das eigentlich alles?“ Sie beschleunigte ihren Schritt, wie um ihn abschütteln zu wollen.

Jared holte sie ein und hielt sie am Arm fest, damit sie stehen blieb. „Tut mir leid, ich hätte nicht fragen dürfen.“

„Ach was, ich hätte nicht antworten dürfen.“

„Vorhin gab es einen besonderen Moment zwischen ihr und mir.“ Er wusste nicht genau, wie er es Calla beschreiben sollte. Ein Funke war in ihm entfacht worden, als er Victoria berührt hatte. Mehr war es nicht gewesen. „Ich frag mich bloß, ob sie überhaupt Interesse an jemandem wie mir haben könnte.“

„Sie gefällt Ihnen“, stellte Calla fest und grinste vielsagend.

„Ja.“

Calla musterte ihn von oben bis unten. „Hübsches Gesicht, gute Figur, ja.“

Als sie innehielt, fügte er hinzu: „Aber vierhundert Riesen im Jahr eher nicht.“

„Nein? Das ist schlecht.“

Er hatte sie zwar, doch wieso war das überhaupt wichtig? „Brauche ich die denn wirklich?“

Calla runzelte die Stirn, und er wusste, dass sie ihm nun schonend beibringen würde, dass Victoria wählerisch und als erfolgreiche Frau gern mit Männern zusammen war, die sich in ihren Kreisen bewegten.

„Sie braucht einen normalen Mann“, sagte sie zu seiner Überraschung stattdessen. „Ihre kurzen Beziehungen zu oberflächlichen Männern führen zu nichts. Aber um das zu merken, müsste sie aufhören, ständig nur an ihre Karriere zu denken.“

„Könnte sie das überhaupt? Ich bin nämlich ein normaler Mann“, das war er schließlich auch – na ja, sozusagen.

Calla riss die Augen auf und täuschte Überraschung vor. „Sind Sie das? Was für ein erstaunlicher Zufall. Sie beide würden gut zueinander passen“, fügte sie augenzwinkernd hinzu. Dann lief sie in Richtung Haus davon.

Lächelnd sah Jared aufs Meer hinaus. Er hätte nicht erwartet, dass Calla ihm so viel über Victoria erzählen würde, schließlich ging es ihn ja nichts an.

Reiche Idioten also.

3. KAPITEL

Zwei Stunden später betrat Victoria die Küche. Obwohl sie sich fürs Abendessen hübsch gemacht hatte, fühlte sie sich nicht so selbstsicher wie normalerweise. „Ich brauche unbedingt einen Martini.“

Shelby schnitt gerade Gemüse klein, und Calla, die auf der Küchenanrichte gesessen hatte, sprang herunter und ging zum Kühlschrank.

„Wir haben uns schon gedacht, dass du eine Aufmunterung nötig haben könntest“, sagte sie mit fröhlicher Stimme, während sie den gewünschten Drink mixte.

„Wo ist Mrs Keegan?“, wollte Victoria wissen.

„Im Weinkeller, du kannst also frei von der Seele sprechen.“

Victoria nahm einen Schluck von dem eiskalten Getränk. „Was, zum Teufel, tut Richard da?“, fragte sie ihre Freundinnen.

Shelby schüttete klein geschnittene Selleriestangen in eine Schüssel. „Keine Ahnung, er scheint auf dem Egotrip zu sein. Er ist sozusagen mit zwei Mädchen beim Abschlussball.“

„Das kann man nicht vergleichen“, korrigierte Victoria ihre Freundin. „Es geht ums Geschäft und nicht um einen Ball. Auf jeden Fall ist es völlig unprofessionell.“

„Es ist irgendwie hinterhältig. Aber so ist das doch oft bei Geschäften.“

„Er lädt mich und meine Freundinnen zu einem Wochenende ein und erzählt mir von dem neuen Safe, dann bittet er meinen Rivalen, auch zu kommen, damit wir direkt gegeneinander arbeiten müssen.“

„Colemans Pensionierung ist wohl doch nicht so ein Geheimnis, wie du gedacht hast. Richard will den Besten von euch beiden für die Werbekampagne auswählen“, bemerkte Calla sachlich.

Victoria verspürte große Lust, ihren Drink in einem Zug hinunterzukippen. „Danke für eure Unterstützung, Mädels.“

„Ehrensache.“ Calla legte Victoria einen Arm um die Schultern.

„Komm schon, Süße“, meinte Shelby. „Peter kann man doch gar nicht mit dir vergleichen. Mach dir keine Sorgen.“

„Ihr habt ihn ja vorhin angeben gehört“, warf Calla ein. „Je schneller er aus dem Wettrennen ausscheidet, desto besser für dich.“

„Meine Mutter hat mich vor ein paar Tagen angerufen und gefragt, wieso ich noch nicht befördert worden bin, und ob ich wüsste, dass sie damals der jüngste Senior Vice President in der Geschichte der Firma gewesen ist. Dann wollte sie wissen, ob sie bei Coleman Senior ein gutes Wort für mich einlegen soll.“

Alle schwiegen betreten.

Victoria war entschlossen, sich ihre Beförderung selbst zu verdienen und ohne die Hilfe ihrer Mutter erfolgreich zu sein. „Es ist immer wieder dasselbe, und ich weiß nicht, warum mir das jedes Mal so viel ausmacht.“ Sie würde niemals solchen Erfolg haben wie ihre Mutter, das wusste sie, trotzdem wollte sie eine respektable Karriere vorweisen können.

„Wie war’s beim Jetski-Fahren?“, fragte sie ihre Freundin, um sich abzulenken.

„Dieser Jared ist ein ganz heißer Cowboy“, antwortete Calla und grinste.

Diese Worte versetzten ihr einen kleinen Stich, und der traf sie völlig unvorbereitet. Was sollte denn das? „Ich dachte, du stehst auf diesen Polizisten, Devin Antonio?“

„Na ja, schon. Jared ist ohnehin an jemand anderem interessiert.“

Victoria nahm einen Schluck und schwieg.

„Ich muss Calla recht geben“, mischte sich Shelby in die Unterhaltung ein. „Und du hast das sicher auch gemerkt, V.“

„Ich habe Hunger, gibt’s hier irgendwas Kleines zu essen?“, fragte Victoria.

„Hör auf abzulenken. Findest du ihn etwa nicht süß?“

„Nein“, erwiderte sie ernst. Süß war eindeutig das falsche Wort für Jared McKenna. Stark, charmant und sexy? Ja.

„Danke für den Martini, ich sehe mich mal um.“ Sie stellte das Glas auf die Küchenanrichte und wandte sich zum Gehen.

„Er gefällt dir, was?“, bemerkte Calla und schnitt ihr den Weg ab, indem sie sich vor sie stellte.

Victoria schubste ihre Freundin zur Seite. „Was, sind wir auf einmal wieder sechzehn?“, fragte sie lachend.

„Tief im Inneren sind wir doch alle noch alberne Mädchen, oder?“, scherzte Shelby.

Victoria hielt kurz inne, drehte sich jedoch nicht um. „Nein, ich nicht.“ Dann war sie verschwunden.

Sie ging den Flur entlang zur Treppe. Das Haus verfügte über eine Reihe von Terrassen und Glasveranden und sie wollte unbedingt zu der neben dem Spielzimmer im dritten Stock.

Gerne hätte sie sich entspannt und mit ihren Freundinnen zusammen das Wochenende genossen, und ehe Peter aufgetaucht war, hätte sie das vielleicht auch geschafft, doch seine Anwesenheit brachte sie völlig aus dem Gleichgewicht. Ihre Karriere war plötzlich gefährdet, und sie musste so schnell wie möglich wieder die Oberhand gewinnen, sonst würde sie zum Schluss noch den Kampf verlieren.

Sie war froh, dass sie ihr ärmelloses blaues Sommerkleid angezogen hatte, denn obwohl es schon früher Abend war, war es draußen immer noch heiß, als sie auf den Balkon im dritten Stock trat.

Das Rauschen der Wellen, die regelmäßig am Strand aufschlugen, beruhigte sie ein wenig und sie begann, sich etwas zuversichtlicher zu fühlen.

„Wunderschön diese Aussicht, nicht wahr?“

Victoria erschrak, als sie so von hinten angesprochen wurde, und wirbelte herum.

Jared lag mit einem Bier in der Hand auf einem Liegestuhl. Langsam stand er auf, und sie registrierte, wie ihr Puls sich gegen ihren Willen beschleunigte. Statt des zerknitterten T-Shirts trug er ein weißes Hemd, das über seiner breiten Brust etwas spannte. Unter der dunkelblauen Jeans schauten die Spitzen von abgewetzten Cowboystiefeln hervor.

„Oh, ich hatte Sie gar nicht bemerkt“, meinte sie schließlich. Der warme Wind verwuschelte sein dunkles Haar und seine Augen strahlten. Gott, wieso muss er so verlockend aussehen?

„Irgendwie habe ich mir das gedacht, weil Sie mich nicht böse angesehen haben.“

„Ich sehe Sie nicht immer böse an“, verteidigte sie sich sofort.

„Aber meistens schon.“ Er kam zu ihr und stellte sich neben sie ans Geländer. „Schade, dass Sie nicht beim Jetski-Fahren dabei waren. Calla und ich hatten viel Spaß.“

„Ich war heute Morgen beim Friseur und bei der Maniküre, denn ich wusste ja nicht, dass Richard all diese Aktivitäten mit uns geplant hat.“

„Ihr Haar und Ihre Nägel sind sicher immer perfekt.“ Jared grinste sie spöttisch an.

„Was dagegen einzuwenden?“

„Na ja, im Geschäft ist das wahrscheinlich gut, aber Sie sähen etwas zerzaust sicher auch nicht schlecht aus.“

„Zerzaust?“

„Vielleicht eher derangiert.“ Er beugte sich näher zu ihr. „Sie wissen genau, was ich meine, verstrubbelt, durcheinander.“ Leicht strich er ihr mit einer Fingerspitze über die Wange. „Voller Lust.“

Wegen seiner Nähe und seiner geflüsterten Worte wurde es Victoria auf einmal ganz schön heiß. „Sind Sie immer so direkt?“

Jared grinste. „Nein, nicht immer.“

Sie lächelte ihn argwöhnisch an. „Aber meistens schon, oder?“ Eigentlich hätte sie von ihm abrücken sollen, doch seine Berührung fühlte sich unheimlich gut an.

Was ist mit dem Auftrag? Mit der Beförderung? Ich kann mir das nicht erlauben, nicht jetzt, nicht hier.

Irgendwie schien ihr Gewissen ausnahmsweise keine Chance zu haben. „War meine Mutter wirklich nett zu Ihnen?“

„Nein.“

„Wieso haben Sie das dann gesagt?“

„Ich habe nur mit Ihnen geflirtet.“

Victoria legte eine Hand auf seine Brust. „Aber Sie sind gar nicht mein Typ.“

„Sie auch nicht meiner.“

Trotzdem nahm er sie in den Arm und küsste sie.

Jared hatte Mühe, sanft und zärtlich zu bleiben, normalerweise war er nicht gerade zurückhaltend. Viel lieber hätte er Victoria an die nächste Wand gedrückt und seinen Körper an ihren gepresst. Wie ein Cowboy, der schon viel zu lange durch die Steppe geritten war, und den es nach einer Frau hungerte. Das würde bei dieser eleganten Lady aber bestimmt nicht gut ankommen, da war er sich sicher.

Stattdessen zog er sie an sich und öffnete behutsam ihre Lippen mit seiner Zunge. Seine Bewegungen waren sanft und verführerisch. Ein leises Stöhnen war die Antwort und sofort steigerte sich seine Lust.

Langsam ließ er die Hände auf ihre Hüften gleiten und zog Victoria an seinen Schoß. Sie so zu spüren, war einerseits wunderbar, andererseits auch frustrierend. Heftig atmend löste sie sich aus seiner Umarmung und drückte ihn von sich.

War er zu schnell vorgegangen? Zu stürmisch gewesen? Verdammt. Reiß dich zusammen, ermahnte er sich.

„Tut mir leid“, Victorias Stimme klang angestrengt. „Ich hätte nicht …“

Entschuldigend hob er die Hände. „Ach was, ich habe angefangen.“

„Ich wollte dich auch.“ Victoria schüttelte bedauernd den Kopf, sie errötete und Verwirrung lag in ihrem Blick. „Wir haben gar nichts gemeinsam.“

Jared sah in ihre kristallblauen Augen. „Doch, wir haben genau eine Sache gemeinsam.“

Victoria widersprach nicht.

Er leckte sich die Lippen, immer noch konnte er sie schmecken. Wie gerne hätte er sie wieder berührt. „Sollen wir einen Champagner trinken gehen?“, schlug er stattdessen vor.

Sie schien froh über die Ablenkung. „Gerne.“

„Irgendwo in diesem Palast werden wir bestimmt einen finden.“ Er nahm sie an der Hand und gemeinsam gingen sie die Treppe hinunter ins Erdgeschoss. Unten ließ sie ihn zwar los, er hatte trotzdem ein gutes Gefühl. Sie waren sich nähergekommen, das war der erste Schritt.

Die meisten Gäste standen im Salon und nahmen einen Aperitif zu sich. Jared blickte Victoria ab und zu vielsagend an, ließ sich aber ansonsten nichts anmerken von dem, was zwischen ihnen passiert war. Dieser Auftrag war ihr wichtig und er wollte nicht derjenige sein, der ihr die Sache verdarb.

Rose betrat nach einer Weile den Raum und sorgte wie immer für Aufsehen. Mit ihrem pfauenblauen Abendkleid war sie für den Anlass viel zu fein gekleidet. Die Gäste, die in Gespräche vertieft gewesen waren, blickten alle auf.

„Tut mir leid, wenn ich zu spät komme“, entschuldigte sich die Hausherrin.

Ihr tiefrotes Haar war perfekt frisiert und um den Hals trug sie eine atemberaubend schöne Diamantkette mit einem großen Saphir daran, in dessen unergründlichem Blau sich die Lichter des Raums zu verlieren schienen.

Während die Frauen bewundernd auf das Schmuckstück starrten, schenkte Richard seiner Mutter Champagner ein.

„Du bist nicht die Letzte, Mutter“, sagte er, als er ihr das Glas reichte. „Sal ist auch noch nicht da.“

Rose zog einen Schmollmund. „Wo er wohl bleibt?“

„Vermutlich kann er seine Sonnenbrille nicht finden“, entgegnete Ruthie in zickigem Ton, was für sie völlig untypisch war.

Richard, dem der Kommentar seiner Frau sichtlich peinlich war, stellte Rose schnell den Anwesenden vor.

„Und Sie haben hoffentlich alles dabei, um meinen Gästen ein unvergessliches Wochenende zu bieten, nicht wahr?“, meinte sie schließlich an ihn gewandt und lächelte kokett.

„Natürlich“, antwortete Jared und küsste sie leicht auf die Wange. „Aber Sie sind diejenige, die unvergesslich sein wird.“

„Jared“, mischte sich Peter, der seine Antwort gehört hatte, in scherzhaftem Ton ein. „Sie haben schon die Schlüssel zu all den Booten da draußen, da können sie nicht auch noch die Aufmerksamkeit unserer schönen Gastgeberin für sich beanspruchen.“

Daraufhin führte er die ältere Dame zu einem Sofa und begann, sich angeregt mit ihr zu unterhalten. Es war kein schlechter Plan. Peter kam gut bei ihr an. Victoria ließ die beiden nicht aus den Augen und gesellte sich zu Richard.

„Ist es unverschämt, bereits vor dem Essen übers Geschäft zu reden?“, fragte sie in beiläufigem Ton.

„Nein, nicht wenn Sie das wünschen“, meinte er großzügig.

Er schien es zu genießen, zwischen seiner Frau und der umwerfend schönen Victoria zu stehen. Verschwörerisch zwinkerte er Calla zu, die ihm gegenüberstand.

„Ich hoffe, wir können in Bezug auf unsere neuen Produkte und Strategien auf ihre Diskretion zählen“, sagte Richard an sie gewandt.

„Ich bin Reporterin, aber ich weiß, dass ich meine Quellen schützen muss.“

Der Gastgeber begann von dem neu entwickelten Safe zu erzählen und genoss dabei die Aufmerksamkeit der drei Frauen in vollen Zügen. Die Worte „topmodern“ und „bahnbrechende Technologie“ kamen in seiner Beschreibung auffallend oft vor.

„Das digitale Tastenfeld kann mit einem vierstelligen Geheimcode, per Stimmerkennung oder, bei unserem neuesten ­Modell, sogar per Retina-Erfassung aktiviert werden. Das ist brandneu.“

„Wie faszinierend.“ Victoria wirkte sehr überzeugend.

„Interessant“, murmelte Calla.

Ruthie lächelte ihren Mann nachsichtig an. „Ist er nicht schlau?“

Die Ingenieure und Computertechniker, die sich das vor zwanzig Jahren ausgedacht hatten, waren vielleicht schlau, dachte Jared, der aus einiger Entfernung zugehört hatte. Was war das überhaupt für ein Getue? Und Victoria schmeichelte diesem Gockel auch noch, weil sie unbedingt den Auftrag wollte.

Er wusste, dass er sich zurückhalten musste und lieber nichts sagen sollte, doch er konnte sich einen Kommentar nicht verkneifen. „Setzt unsere Regierung nicht bereits seit Jahren mehrstellige Codes, Stimmerkennung und Retina-Scans ein?“

„Ja, vielleicht“, gab Richard zu. „Aber bei meinem Safe kann der Normalbürger diese Technologie, die ihm ansonsten verwehrt bleibt, für sich beanspruchen.“

Der braucht doch keine PR-Firma, um sein Produkt zu vermarkten, so überzeugt, wie er von diesem Safe ist, dachte er.

„Ich wusste gar nicht, dass Sie sich für Sicherheit interessieren, Jared“, fügte Richard mit einem süffisanten Lächeln hinzu. „Kennen Sie sich mit solchen Dingen überhaupt aus?“

„Klar, ich habe mir vor zehn Jahren mal einen Spionagefilm angesehen.“

Victoria warf ihm einen finsteren Blick zu, Calla grinste verstohlen.

„Die Menschen trauen den Banken und der Regierung nicht mehr. Wir geben ihnen die Möglichkeit, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen“, antwortete Richard leicht verärgert.

„Ich finde das eine glänzende Idee“, sagte Victoria und deutete ihm mit warnendem Blick an, endlich still zu sein, dann fuhr sie strahlend lächelnd in Richards Richtung fort: „Ich habe gehört, man kann den Code sogar aus der Ferne mit einem Mobilgerät ändern, stimmt das?“

„Ja, falls die Sicherheit gefährdet ist, ertönt ein Alarm auf dem Mobilgerät und man kann entweder den Code ändern oder den Safe verschließen.“

„Aber ist der Safe nicht bereits offen, wenn dieser Alarm ertönt?“, wandte Jared ein. „Bis man den neuen Code eingegeben hat, ist der Dieb mit dem Inhalt des Safes doch schon über alle Berge, oder?“

Richard sah ihn selbstgefällig an. „Es funktioniert, machen Sie sich mal keine Gedanken darüber.“

Victoria legte Richard eine Hand auf die Schulter. „Natürlich funktioniert es.“

Jared ärgerte sich, als er sah, wie die Frau, die eben noch unter seiner Berührung lustvoll gestöhnt hatte, ihre ganze Aufmerksamkeit diesem Kerl schenkte. Es ging ihr nur um den Auftrag. Gewinnen war alles, woran Victoria interessiert war.

Vielleicht hatte sie ihm ja auch was vorgemacht. „Tut mir leid.“ Er nickte dem Gastgeber kurz zu und wandte sich dann ab. Womöglich funktionierte der Safe ja tatsächlich, und Richard erklärte es nur falsch.

Er ging den Gang entlang, durch die Küche und zur Hintertür hinaus in den Garten. Wenn Victoria da mitspielen wollte, sollte sie doch. Er war auf eine andere Art von Abenteuer aus.

Das Abendessen schmeckte köstlich, aber Victoria spürte, dass die Stimmung gemischt war.

Richard war ganz der charmante Gastgeber, Ruthie hatte aufgehört, ihre Schwiegermutter zu kritisieren, und Rose sonnte sich in der Aufmerksamkeit, die ihr alle schenkten. Obwohl es den meisten Gästen mittlerweile bekannt war, dass sie und Peter um denselben Auftrag und um die Gunst des Gastgebers kämpften, sprach niemand das Thema an.

Jared verhielt sich ihr gegenüber seit dem Gespräch über den Safe feindselig und ließ es sie bei jeder Gelegenheit spüren. Wieso er sich überhaupt für die Produkte von Rutherford Securities interessierte, war ihr schleierhaft. Sie musste den Safe nur vermarkten, ob das Ding funktionierte, war das Problem der Ingenieure.

„Das Schweinefleisch ist vorzüglich“, bemerkte Sal Colombo, Roses Freund, der inzwischen eingetroffen war.

Er war ein sympathischer Mann, charmant, wohlhabend und aufrichtig. Ganz anders als die Männer, mit denen sie zusammen gewesen war, für die Erfolg immer mit einem überzogenen Ego zusammenzuhängen schien. Oft hatte sie das vor lauter Ehrgeiz übersehen.

Irgendetwas hatte sich bei ihrer Einstellung in letzter Zeit verändert. Sie liebte ihre Arbeit zwar nach wie vor, interessierte sich aber auch für andere Dinge und ging gerne auf die Veranstaltungen, die die Stiftung ihrer Familie organisierte. Zu sehen, wie sich Menschen über aufrichtige Liebenswürdigkeiten freuen konnten, tat ihr gut.

„Ich frage mich, welche Gewürze unsere Chefköchin wohl verwendet hat“, sagte David Greggory, der persönliche Assistent von Sal. Seine Worte brachten Victoria wieder in die Realität zurück.

„Wie ich Shelby kenne, bestimmt irgendeine Würzmischung, die italienische Nonnen zusammengestellt haben“, entgegnete sie.

David zog argwöhnisch die Augenbrauen hoch. „Nonnen können kochen? Vielleicht hätte ich öfter in die Kirche gehen sollen.“

Victoria musste lachen und musterte ihren Tischnachbarn. David schien der Einzige zu sein, der etwas Humor hatte. Er war um die dreißig, hatte blondes Haar, ein eher unscheinbares Gesicht und war allgemein nicht besonders attraktiv. Sein tadelloser dunkelgrauer Anzug ließ darauf schließen, dass er die meiste Zeit in Manhattan verkehrte.

„Wie lange sind Sie schon bei Sal?“

„Sechs Monate. Ich habe jahrelang in der Stadt gearbeitet und mich völlig verausgabt“, erwiderte David.

Victoria lächelte verständnisvoll. Sie selbst fühlte sich dort wohl und der Stress verlieh ihr Energie. Aber es gab viele, denen das Tempo zusetzte.

„Ich habe mich entschieden, was anderes zu tun. Das einzig Stressige an meiner jetzigen Arbeit ist, Sal an all seine gesellschaftlichen Termine zu erinnern.“ David zwinkerte ihr lächelnd zu.

Ehe sie antworten konnte, hörte sie Rose laut auflachen. Als sie zu ihr hinübersah, flüsterte ihr Jared gerade was ins Ohr, was offensichtlich äußerst amüsant sein musste.

Gott, er sah schon sehr gut aus. Wenn sie ihn so ansah, sehnte sie sich nach seinen heißen Küssen und leidenschaftlichen Berührungen. Rose legte eine Hand an seine Wange, während sie ihm etwas erzählte, und Victoria stellte entsetzt fest, dass sie ein wenig eifersüchtig war. Schnell wandte sie sich ab, schließlich war sie wegen eines Auftrags hier, das war alles.

Ihr und Jareds Blick trafen sich, und sie spürte, wie ihr heiß wurde. Hör auf, ihn anzusehen, wir passen überhaupt nicht zusammen, ermahnte sie sich. Je eher sie das akzeptierte, umso leichter würde dieses Wochenende für sie werden.

„Lasst uns das Dessert im Wintergarten genießen. Von dort hat man einen wunderschönen Blick auf die untergehende Sonne“, unterbrach Ruthie ihre Gedanken.

Auf dem Weg dorthin gingen Calla und Jared vor ihr her und unterhielten sich angeregt.

„Vielleicht kannst du davon in deinem Artikel schreiben“, sagte Jared gerade.

Wann hatten sie denn über Callas Projekt gesprochen? Etwa beim Jetski-Fahren? Auf einmal kam es ihr dumm und oberflächlich vor, dass sie wegen ihrer Haare und Fingernägel nicht mitgemacht hatte.

Im Wintergarten angekommen, ging sie an den beiden vorbei auf die Terrasse, wo sie so tat, als konzentriere sie sich ganz und gar auf den Sonnenuntergang.

Sie durfte nicht auf ihre Freundin eifersüchtig sein, das war lächerlich. Es war sowieso nicht normal, dass sie sich zu Jared hingezogen fühlte. Er war der Typ Mann, der wahrscheinlich allen Frauen gefiel, sie mied solche Männer für gewöhnlich.

Als sie wieder ins Haus trat, bekam sie gerade noch mit, wie Jared eine abendliche Bootsfahrt vorschlug. Alle waren einverstanden, und Ruthie bestand darauf, dass auch Mrs Keegan und Shelby mitkamen, und sie machten sich auf den Weg.

Die Sonne war bereits untergegangen und Victoria stand am Bug des Schiffes, das elegant durch die Wellen glitt. Wie lange war es her, dass sie zum letzten Mal den Wind in ihrem Haar gespürt und die salzige Meeresluft auf ihren Lippen geschmeckt hatte?

Ihre Eltern hatten ein Ferienhaus in der Nähe, doch sie fuhr nur selten dorthin. Ihre Arbeit nahm sie viel zu sehr in Anspruch und sie hatte vor lauter Terminen kaum Zeit. Kein Wunder, dass Jared seine Arbeit Spaß machte. Sie hätte zwar niemals ihr zukünftiges Eckbüro gegen ein bisschen Meerluft eingetauscht, aber sie verstand, dass dieser Job reizvoll sein konnte.

„Hey, Süße.“ Shelby legte einen Arm um ihre Taille. Calla näherte sich ihr von der anderen Seite. „Ich habe mich vorhin etwas mit Jared unterhalten, der ist echt sexy.“

Shelbys Blick wirkte sehnsüchtig.

„Oh nein. Geht das schon wieder los.“ Victoria seufzte. „Außerdem hast du einen Freund. Hör auf, nach einem anderen Mann zu gieren.“ Schnell biss sie sich auf die Lippen, auf keinen Fall sollten die Freundinnen merken, dass Shelbys Kommentar sie aus der Fassung gebracht hatte.

Calla band sich ihre langen blonden Locken zu einem Pferdeschwanz zusammen. „Wir haben sowieso keine Chance bei ihm, so, wie er dich anstarrt.“

„Und wie du zurückstarrst“, mischte sich Shelby in das Gespräch mit ein.

„Werdet ihr mich das ganze Wochenende mit diesem Typen nerven, oder wie?“

„Ja“, antworteten beide wie aus der Pistole geschossen.

„Okay. Er gefällt mir.“ Sie musste sich zusammenreißen, damit ihre Stimme nicht zu aufgeregt klang. „Er ist klug, entschlossen, stark und verunsichernd.“

„Und er sieht traumhaft gut aus“, fügte Calla hinzu und knuffte sie.

„Das brauchst du mir nicht zu sagen, ich habe Augen im Kopf“, entgegnete Victoria ungeduldig.

„Wieso wirkt er auf dich verunsichernd?“, wollte Shelby wissen. „Ich finde ihn charmant.“

„Er ist … eine Herausforderung.“ Victoria hatte keine Ahnung, wie sie es sonst beschreiben sollte. Im einen Moment fühlte sie sich zu ihm hingezogen und ihm nächsten ärgerte seine Anwesenheit sie.

„Du magst aber doch Herausforderungen“, stellte Calla nüchtern fest und starrte auf einen Punkt hinter ihr.

„Schon, aber …“ Victoria drehte sich um, und blickte Jared direkt in die Augen.

„Seit wann stehst du hier?“

Er schien nachzudenken. „Eine ganze Weile.“ Dann grinste er sie frech an. „Ich gefalle dir also.“

Victoria wirbelte zu ihren Freundinnen herum und warf den beiden einen bitterbösen Blick zu.

4. KAPITEL

Nachdem sie Jared gegenüber wenig überzeugend behauptet hatte, sie habe über einen Arbeitskollegen gesprochen, starrte Victoria zum Horizont und strafte ihre sogenannten Freundinnen mit Schweigen.

Im Anschluss an die Bootsfahrt zog sie sich auf die Terrasse im dritten Stock der Villa zurück, um allein zu sein.

Shelby war glücklich mit ihrem eleganten englischen Liebhaber, und Calla stand auf diesen dunkelhaarigen Polizisten. Die beiden schienen sie unbedingt verkuppeln zu wollen, und das gefiel ihr überhaupt nicht.

Sie war völlig zufrieden mit ihrem Leben, so, wie es war. Sie arbeitete gern, ging Shoppen, verabredete sich ab und zu mit Männern und war mit ihren Freundinnen zusammen. Nach dieser Aktion gerade sollte sie aber vielleicht darüber nachdenken, ob sie wohl neue Freunde brauchte.

Selbst wenn sie an einer Wochenendromanze interessiert wäre, würde sie sich dafür sicherlich nicht Jared McKenna aussuchen. Er war sexy, das musste sie ihm lassen, aber sie bevorzugte Männer, die Prestige hatten und erfolgreich waren. Jared entsprach ganz und gar nicht ihrer Vorstellung, obwohl er etwas an sich hatte, das …

Sie hörte, wie sich hinter ihr die Tür öffnete, und war wenig überrascht, als sie Jared auf sich zukommen sah. „Geht diese Sache nun zwischen uns so weiter?“, fuhr sie ihn an.

„Kommt darauf an, was du mit Sache meinst“, erwiderte er mit ruhiger Stimme.

„Diese Angewohnheit. Einer von uns zieht sich hierhin zurück, um allein zu sein, und der andere stört ihn dabei.“

„Stören?“ Jared legte die Hände neben ihr aufs Geländer und zog die Augenbrauen hoch.

„Tut mir leid“, murmelte sie, obwohl sie immer noch verärgert war. Außerdem war ihr die Situation peinlich.

„Ist schon okay.“

„Bisher ist einfach nichts so gelaufen, wie ich es geplant habe.“ Victoria starrte aufs Meer hinaus. Der Mond spiegelte sich auf dem dunklen Wasser. Jared war lediglich ein Schatten neben ihr. Sie spürte seine Wärme und den Duft von frisch aufgelegtem ­Rasierwasser. Hatte er etwa geduscht, bevor er sie aufgesucht hatte?

Es lag ihr nicht, Spielchen mit Männern zu spielen, wenn sie sich zu ihnen hingezogen fühlte, doch gerade, als sie ihm ihre Zuneigung gestehen wollte, fragte er: „Warum kriechst du diesem Idioten eigentlich in den Arsch?“

„Richard?“ Sie hatte schon gemerkt, dass die beiden sich nicht mochten, aber Jareds offene Feindseligkeit schockierte sie. „Wie redest du denn über deinen Chef?“

„Ich arbeite nicht für ihn. Rose hat mich engagiert.“

„Fährt sie etwa gern Jetski?“

„Nein.“ Jared lachte und nahm sie in die Arme.

Victoria gefiel sein tiefes Lachen. Bedächtig streichelte er mit dem Zeigefinger ihr Kinn, dann zog er sie dichter an sich heran, und ihr stockte der Atem. Warum war sie so erpicht darauf gewesen, ihn auf Abstand zu halten? Das konnte sie nun überhaupt nicht mehr verstehen.

„Mir musst du auf jeden Fall nicht in den Arsch kriechen, denn ich mag es viel lieber, wenn du ganz du selbst bist. Du brauchst bei mir nicht irgendwelche unmöglichen Erwartungen zu erfüllen.“

Unglaublich. Sie hatten sich erst vor wenigen Stunden kennengelernt, und schon wusste er, wo er sie treffen konnte. War sie wirklich so leicht zu durchschauen?

„Wer, glaubst du, liegt oben, wenn deine Eltern miteinander schlafen?“

„Du bist verrückt.“ Entsetzt riss sie die Augen auf.

„Nein, ich habe nur gern Spaß.“ Er beugte sich zu ihr herunter. „Soll ich es dir zeigen?“

Geh bloß nicht weg, Jared McKenna.

Victoria presste ihre Lippen an seinen Hals und flüsterte ihm ins Ohr: „Warum eigentlich nicht?“

Zur Hölle mit allen, mit ihren Freundinnen, ihrem Boss, ­Richard, ihren Eltern. Sie würde das Wochenende genießen!

Jared nahm Victoria an der Hand und zog sie hinter sich her ins Spielzimmer. Sie vergnügten sich mit Tischfußball und Flipper, dabei war er ihr haushoch überlegen. Beim Billard allerdings spielte sie ihn gekonnt aus.

Als sie ihn das zweite Mal abzog, schüttelte er ungläubig den Kopf. „Wie machst du das bloß? Das musst du mir unbedingt beibringen.“

Victoria sah viel entspannter aus als am Nachmittag.

„Na, dann komm her.“

Sein Herz machte einen Satz, als er zu ihr hinüberging. Sie hatte die Schuhe ausgezogen, obwohl sie recht groß war, reichte sie ihm kaum bis zum Kinn. Sie hatte eine zierliche Figur, und als er neben sie trat, fühlte er sich stark. Am liebsten hätte er sie hochgehoben und sie ins nächste Schlafzimmer getragen.

„Ja, Madame?“

Sie neigte den Kopf in den Nacken und sah ihn mit ihren eisblauen Augen an. „Ich finde es schön, dass du groß bist.“

„Wirklich?“

„Ja, wenn ich Absätze trage, bin ich größer als die meisten Männer.“

„Aber jetzt trägst du keine.“

Sie blickte auf ihre Füße. „Stimmt, wir kennen uns erst seit ein paar Stunden, und schon stehe ich halb nackt vor dir.“

„Ich kann dir gern dabei helfen, damit aus halb ganz wird.“

„Wolltest du nicht Billard lernen?“

„Wir können auch was anderes machen.“

„Lass mal sehen, was du beim Spielen so draufhast“, forderte sie ihn lachend auf.

Victoria erklärte ihm die Sache und sprach davon, dass Einfallwinkel gleich Ausfallwinkel sei, und wie fest man stoßen musste, doch als er nach mehreren Versuchen immer noch nicht besser wurde, wusste sie nicht weiter. „Vielleicht kann ich irgendwie spüren, wie du den Stoß machst“, schlug er vor.

Skeptisch sah sie ihn an, aber sie lehnte sich trotzdem vor ihm über den Tisch, sodass er sie von hinten mit den Armen umfassen und seine Hände auf den Queue legen konnte. Obwohl er sich der sinnlichen Stellung, in der sie sich nun befanden, durchaus bewusst war, versuchte er, sich auf das Spiel zu konzentrieren, so gut es eben ging.

„Es geht um die Winkel“, sagte Victoria mit leiser Stimme. „Und darum, wie kräftig man zustößt.“

Jared schluckte, sein Mund war auf einmal trocken. Ihm fiel etwas anderes ein, bei dem Winkel und Stöße unheimlich wichtig waren.

Verdammt Kenna, du bist doch kein Teenager mehr, ermahnte er sich.

Dann wurde alles noch schwieriger, denn Victoria wechselte die Stellung und ihr Hintern streifte seinen Schoß. Es war um ihn geschehen. Er schloss die Augen und atmete ihren Duft ein. Sie roch sehr feminin, blumig und lieblich. Wie gern hätte er sich vornübergebeugt und sie auf den Nacken geküsst.

Über die Schulter hinweg sah sie ihn an. „Dein Stoß ist zu hart.“

Was? Er hatte sie doch gar nicht berührt, außer dort, wo sie es ihm gesagt hatte. Ach ja, Billard, richtig. Ein Nicken war alles, was er zustande brachte.

Er wusste, dass er sich zusammenreißen und geduldig sein musste. Irgendwann würde sie sicher merken, dass er nicht mehr am Spiel interessiert war. Seine Hände auf ihren, stießen sie beide zusammen die weiße Kugel an. Wieder war der Stoß nicht so, wie er sein sollte.

Victoria drehte sich zu ihm um. „Du gibst mir zu wenig Platz.“

„Ich habe meine Hände genau dorthin getan, wo du es gesagt hast.“

„Aber du lässt mir keinen Raum.“

Unschuldig hob er die Hände. „Wie bitte?“

„Komm, wir versuchen es noch mal.“

Oh, Mann, musste das wirklich sein.

„Das ist ein einfacher Stoß.“

„Okay.“

„Entspann dich.“

Wie soll ich mich denn da entspannen? „Tu ich doch. Du bist angespannt.“

„Was? Ich bin ganz locker.“

Wie, um es ihm zu beweisen, stieß sie die weiße Kugel an. Einige der anderen Kugeln stoben auseinander, gingen an die Banden und die orangerote fiel wie von einem Magneten angezogen in eine der Taschen.

Raffinesse und Kontrolle.

Er nahm ihr den Queue ab und ließ ihn zu Boden fallen. Dann beugte er sich zu ihr hinunter und küsste sie. Sie reizte ihn enorm, und er musste sich zurückhalten. Am liebsten hätte er sie an sich gerissen, um sie ganz zu besitzen.

Ihre Körper schmiegten sich aneinander, und Victoria reagierte ohne Zögern auf seine Berührungen. Ihre Zunge streichelte seine und erkundete neugierig seinen Mund. Jared hatte eigentlich an diesem Wochenende nichts Besonderes erwartet, und nun hielt er diese begehrenswerte Frau in den Armen.

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Debbi Rawlins
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