Collection Baccara Band 357

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HERZRASEN IN LAS VEGAS von SCHIELD, CAT
Dass Las Vegas ein heißes Pflaster ist, wusste Scarlett, bevor sie das Familienhotel übernahm. Doch die schöne Ex-Schauspielerin ist entschlossen, um ihr Erbe zu kämpfen - notfalls auch gegen die Mafia. Zum Glück steht ihr dabei der sexy Sicherheitsexperte Logan zur Seite …

SÜßE VERSUCHUNG FÜR DEN PLAYBOY von ROCHON, FARRAH
Konditorei-Erbe Carter vernascht gern schöne Frauen, die sich auf Playboys wie ihn einlassen. Bis er die bezaubernde Lorraine trifft, eine Frau aus angesehener Familie. Während er sich mit jedem süßen Kuss heftiger in sie verliebt, droht ihn seine pikante Vergangenheit einzuholen …

SEHNSUCHT NACH DEINEN WILDEN KÜSSEN von SANDS, CHARLENE
Fassungslos starrt Kat den heißen Typ an, mit dem sie eine leidenschaftliche Nacht verbrachte. Damals nannte Justin ihr einen falschen Namen. Nun stellt sich heraus, dass er der Erbe der Sunset Ranch ist - und leider immer noch unwiderstehlich. Kann Kat ihm diesmal trauen?


  • Erscheinungstag 18.08.2015
  • Bandnummer 0357
  • ISBN / Artikelnummer 9783733722609
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Cat Schield, Farrah Rochon, Charlene Sands

COLLECTION BACCARA BAND 357

CAT SCHIELD

Herzrasen in Las Vegas

Logan Wolfe hält nichts von oberflächlichen Hollywoodstars – schon gar nicht, wenn sie versuchen, im gefährlichen Las Vegas Hotelbesitzerin zu spielen. Kein Wunder also, dass die irritierend schöne Scarlett Fontaine den millionenschweren Unternehmer bis aufs Blut reizt. Aber ist es wirklich nur Ärger, der seinen Puls so rasen lässt?

FARRAH ROCHON

Süße Versuchung für den Playboy

Verträumt schaut Lorraine in Carters lockende dunkle Augen. Die schüchterne Millionenerbin kann ihr Glück kaum fassen: Erstens ist der Konditorei-Chef eine echte Sahneschnitte! Und zweitens hat er selbst Geld – endlich kann Lorraine sich einmal sicher sein, um ihrer selbst willen begehrt zu werden. Doch dann macht sie eine erschütternde Entdeckung …

CHARLENE SANDS

Sehnsucht nach deinen wilden Küssen

Nie hätte Justin gedacht, dass er die blonde Schönheit wiedersieht, mit der er vor Monaten diesen unvergesslichen One-Night-Stand hatte. Aber als der Millionär die Familienranch in Nevada übernimmt, steht er plötzlich vor Kat – und ihrem kleinen Sohn Connor. Wie gern würde er einen Neuanfang mit ihr wagen. Er spürt jedoch, dass sie etwas vor ihm verbirgt …

1. KAPITEL

Logan Wolfe betrat das Chefbüro in der fünften Etage und nahm sich einen Moment Zeit, das Bild der drei Frauen vor der Kulisse des Las Vegas Strip in sich aufzunehmen. Auch wenn die drei Fontaine-Schwestern alle brünett, etwa gleich groß und von ähnlicher Statur waren, konnten sie nicht unterschiedlicher sein was Verhalten, Stil und persönlichen Hintergrund anging.

Die drei waren Halbschwestern, die nichts voneinander gewusst hatten, bis ihr gemeinsamer Vater Ross Fontaine vor fünf Jahren starb. Als ihr Großvater Henry Fontaine, Inhaber und Vorstandsvorsitzender einer milliardenschweren Hotel- und Resortkette, herausfand, dass Ross zwei uneheliche Töchter hatte, machte er sie ausfindig und holte sie in den Schoß der Familie. Beide änderten ihren Nachnamen in Fontaine und übernahmen wichtige Rollen in dem Imperium, um an einem Wettbewerb teilzunehmen, den sich ihr Großvater ausgedacht hatte: Er wollte herausfinden, welcher der drei Erbinnen er die Leitung des Unternehmens anvertrauen sollte, wenn er sich zurückzog.

„Guten Morgen, Logan.“ Violet Fontaine winkte ihn zu sich. „Grandpa, Logan ist gerade gekommen.“

„Guten Morgen, Logan.“ Henry Fontaines tiefe Stimme dröhnte aus der Freisprechanlage. Er wohnte in New York City, wo die Firmenzentrale ansässig war, und hielt wöchentlich eine Telefonkonferenz mit seinen Enkeltöchtern ab.

„Guten Morgen, Mr Fontaine. Ich hoffe, ich störe nicht.“

„Überhaupt nicht“, sagte der Tycoon. „Ich muss jetzt sowieso in ein Meeting. Violet, Liebes, nochmals mein Beileid. Ruf mich an, wenn ich irgendetwas für dich tun kann.“

„Danke, Großvater.“

Harper Fontaine beendete das Telefonat mit einem Tastendruck, und Violet deutete auf den freien Stuhl neben ihrem. Logan setzte sich und drückte mitfühlend ihre Hand.

„Tut mir leid mit Tiberius. Wie kommst du damit klar?“

Tränen schimmerten in ihren Augen. „Auch wenn wir von seinen Herzproblemen gewusst haben, ist es trotzdem ein Schock. Er war ein Energiebündel. Ich dachte, ihn könnte nichts umhauen.“

Logan war seit sieben Jahren mit Violet befreundet, seit sein Zwillingsbruder Lucas und er beschlossen hatten, mit ihrem wachsenden Unternehmen für Schutz- und Sicherheitslösungen nach Las Vegas zu expandieren. Violet war die bodenständige mittlere Schwester mit dem Charme des netten Mädchens von nebenan.

Ihre Mutter Suzanne war früher ein Revuegirl gewesen, doch nach einer kurzen Affäre mit Ross Fontaine und der Geburt ihrer Tochter hatte sie für Tiberius Stone gearbeitet, den Besitzer des Lucky Heart Kasino-Hotels. Tiberius hatte sich in die zwanzig Jahre jüngere Suzanne verliebt und war mit ihr zusammengezogen. Violet war ihm als Kind wie ein Schatten durch sein Hotel gefolgt, und als sie die Highschool beendete, wusste sie mehr über die Leitung eines Kasinos als manch einer, der doppelt so alt war wie sie.

Tiberius Stone war der Grund, weshalb die drei Schwestern heute Morgen so trübsinnig waren. Violets Ersatzvater war am Tag zuvor in seinem Büro im Lucky Heart nach einem Herzanfall tot aufgefunden worden.

Während Violet sich die Augen abtupfte, fragte Harper: „Hast du schon gefrühstückt, Logan?“

Die Fontaine-Schwestern trafen sich jeden Mittwochmorgen zu einem Frühstück in einem der drei Luxushotels, die sie für ihren Großvater führten. Die Hotels lagen nebeneinander auf dem Las Vegas Strip, doch jedes war ein einzigartiges Spiegelbild der Schwester, die es leitete. Heute Morgen genossen sie ihr Frühstück in Harpers Fontaine Ciel.

„Ja, habe ich schon. Danke.“ Er war bereits seit drei Stunden auf. Zuerst sein morgendliches Training. Dann ein Treffen mit Lucas und jetzt der Abstecher zum Fontaine Ciel, um vor der bevorstehenden Eröffnung die Arbeiten am Sicherheitssystem zu überprüfen. „Doch ich nehme gern eine Tasse von dem grünen Tee, wenn Violet nichts dagegen hat.“

„Es ist mehr als genug da. Schön, dass noch jemand den Wert von grünem Tee zu schätzen weiß.“ Violet warf ihrer Schwester einen spitzen Blick zu.

„Richtig“, murmelte Scarlett. Es war das erste Wort, das sie sprach. „Der Himmel bewahre Logan davor, etwas zu trinken, das vielleicht nicht gut für ihn ist.“

Scarlett Fontaine, sinnlich, charismatisch und unglaublich sexy, hatte ein Talent dafür, Logan zu reizen. Seiner Meinung nach war die atemberaubend schöne, ehemalige Schauspielerin die Letzte, die eine milliardenschwere Hotel- und Kasinokette leiten sollte. Sie konnte weder ein Studium noch Geschäftserfahrung vorweisen und verließ sich allein auf ihren reichlich vorhandenen Charme, um ihren Willen durchzusetzen. Und es ärgerte Logan, wie viel sie mit dieser Technik bereits erreicht hatte.

Sie biss von einem zuckersüßen Gebäckstück ab. Bei ihrem genüsslichen Seufzer bekam Logan eine Gänsehaut. Heiße und unerwünschte Begierde schoss durch seinen Körper.

Von dem Moment an, als er den Raum betreten hatte, war er bemüht gewesen, den einst populären Kinderstar zu ignorieren. In Scarletts Nähe fiel es ihm schwer, Ruhe und Gelassenheit zu bewahren. Sie verströmte so viel sexuelle Energie wie Harper Professionalität und Violet Optimismus ausstrahlten. Schon oft hatte Logan erlebt, wie sie einen ganzen Raum voller Männer aufmischte, sobald sie nur in der Tür erschien. Dass er genauso auf sie reagierte, ärgerte ihn maßlos.

Er mochte Dinge, die er kontrollieren konnte. Computersysteme. Schnelle Autos. Alle Risiken, die er einging, waren sorgfältig kalkuliert, um ein bestmögliches Ergebnis zu erreichen. „Immer vorbereitet sein“, war sein Lebensmotto. Scarlett würde dagegenhalten: „Das Glück ist mit dem, der wagt.“

„Ich lebe eben gern gesund“, erwiderte er.

Scarlett deutete mit dem Kinn in Violets Richtung. „Ihr zwei wärt das perfekte Paar.“

Logan stimmte zu. Er wollte eine Frau, die seine Vorstellung von einer gesunden Lebensweise und einem ausgewogenen Verhältnis von Arbeit und Freizeit teilte. Nicht eine feurige Sirene, die seinen Tagesablauf durcheinanderbrachte und seine Welt auf den Kopf stellte.

Violet schüttelte den Kopf. „Wir sind uns zu ähnlich. Wir würden den anderen zu Tode langweilen. Nein. Ich denke, Logan braucht jemanden, der ihn herausfordert.“ Sie stand auf und grinste Scarlett an. „Eine Frau wie dich.“

Scarlett zögerte kurz, dann lachte sie verächtlich. Warum hat sie gezögert? fragte er sich, und sein Pulsschlag beschleunigte sich. War ihr vielleicht selbst schon einmal der Gedanke gekommen? Nein, die Pause musste einen anderen Grund haben. Sie hatte nie den Eindruck vermittelt, dass sie sich sexuell genauso zu ihm hingezogen fühlte, wie er sich zu ihr. Im Gegenteil.

Eigentlich war Logan nicht einmal sicher, ob sie überhaupt an einem der Männer interessiert war, die sie anschmachteten. Seit fünf Jahren, seit sie ihre Schauspielkarriere und Los Angeles aufgegeben und nach Las Vegas gezogen war, um Fontaine Richesse zu leiten, beobachtete Logan, wie sie einen Verehrer nach dem anderen enttäuschte. Daher hatte er für sich entschieden, dass sie eine kaltherzige Frau war, die es liebte, Männer zu quälen, und hatte deshalb seine eigene Begierde unter Kontrolle gehalten. Was nicht immer einfach war angesichts der Tatsache, dass es ihr Spaß machte, ihn zu reizen.

Er konzentrierte sich auf das, was ihn heute Morgen in Harpers Büro geführt hatte, und berichtete ihr, was seine Überprüfung des Sicherheitssystems ergeben hatte. „Es stellt kein Problem dar, die Kameras richtig einzustellen“, schloss er.

„Gut. Eine Sache weniger, um die ich mir Sorgen machen muss.“ Sie blickte auf ihre Uhr. „Wenn es sonst nichts mehr gibt … ich habe in zehn Minuten einen Termin.“ Eine Falte erschien zwischen ihren Brauen, als sie hinzufügte: „Falls er sich dieses Mal die Mühe macht zu kommen.“

„Da wäre noch etwas“, sagte Logan. „Ich möchte dich um einen Gefallen bitten.“

Er merkte, dass Scarlett ihn plötzlich interessiert musterte. Er hätte seine Bitte lieber unter vier Augen an Harper gerichtet, doch angesichts des nahenden Termins für die Hoteleröffnung war ihre Zeit begrenzt.

„Meine Nichte ist für den Rest des Sommers in der Stadt, und ich wollte dich fragen, ob sie dir für ein paar Wochen wie ein Schatten folgen darf. Eine Geschäftsfrau in Aktion beobachten.“

Harper, mit einem Jahr Abstand die älteste der drei Schwestern, war Ross Fontaines einziges eheliches Kind. Sie wies die Ausbildung und den Ehrgeiz auf, einmal in die Fußstapfen ihres Großvaters zu treten. Harpers Mutter kam aus dem Geldadel der Ostküste und hatte darauf bestanden, dass ihre Tochter in New York City aufwuchs und an einer Elite-Universität ausgebildet wurde.

„Du wärst das perfekte Vorbild“, setzte er hinzu.

„Das perfekte Vorbild“, wiederholte Scarlett. Ein Lachen schwang in ihrer heiseren Stimme mit. „Die vollendete Geschäftsfrau.“

„Ich helfe gern“, erwiderte Harper. „Sobald das Hotel eröffnet ist.“

„Ich hatte gehofft, dass du ihr schon früher eine Einführung geben könntest.“

„Ich weiß nicht, ob ich …“ Harper warf einen hoffnungsvollen Blick in Scarletts Richtung. „Was ist mit dir?“

„Ich hätte Zeit.“

Das war absolut nicht das, was Logan im Sinn gehabt hatte. Das Verhältnis zwischen Harper und ihm war professionell und herzlich. Der Umgang mit Scarlett dagegen eher verkrampft, der Ton bissig. Seine Nichte war schon jetzt ein schwieriger siebzehnjähriger Teenager. Unter Scarletts Einfluss wäre das Mädchen überhaupt nicht mehr zu lenken.

„Es sei denn, Logan meint, ich sei als Vorbild ungeeignet.“

„Sei nicht albern.“ Harper schien nicht wahrzunehmen, was ihre Schwester eigentlich meinte. „Außerdem ist dein Hotel schon in Betrieb. Dort bekommt sie einen viel besseren Einblick in das Geschehen. Wenn ihr mich jetzt bitte entschuldigen würdet. Ich habe ein Treffen mit einer international bekannten Nervensäge.“

Logan sah Harper nach und verfluchte sein schlechtes Timing. Er hätte niemals in Scarletts Gegenwart über seinen Wunsch sprechen dürfen.

„Erzähl mir von deiner Nichte.“

„Ich brauche deine Hilfe nicht“, sagte er barsch. Ein zarter Hinweis reichte bei Scarlett nicht aus.

„Falsch.“ Sie schenkte sich noch einen Kaffee ein, führte die Tasse an den Mund und pustete leicht hinein. „Du willst meine Hilfe nicht. Das ist ein Unterschied.“

Fasziniert von der Form, die ihre roten Lippen beim Trinken annahmen, dauerte es viel zu lange, bis er auf ihre Stichelei reagierte. „Richtig. Ich will deine Hilfe nicht.“

„Wie alt ist sie?“

Logan zögerte einen Moment, dann gab er die gewünschte Auskunft. „Madison ist siebzehn. Sie ist das jüngste Kind meiner Schwester.“ Und sie hatte Paula und ihren Mann Randolph in den letzten drei Monaten an den Rand des Wahnsinns getrieben.

„Madison? Wie die Hauptstadt von Wisconsin?“

„Wie in Madison Avenue. Ihr Vater besitzt eine große Werbeagentur in New York City.“

Und Paula war Anwältin in einer angesehenen Kanzlei. Madison hatte Intelligenz und Ehrgeiz von ihren Eltern geerbt. Sie hatte die Schule als Zweitbeste abgeschlossen und Zusagen von vier prestigeträchtigen Universitäten bekommen. Wenn sie wollte, könnte sie leicht jede Karriereleiter hinaufklettern. Stattdessen hatte der Teenager zum Entsetzen seiner Eltern beschlossen, Schauspielerin zu werden.

„Und er hofft, dass sie in seine Fußstapfen tritt, aber sie hat andere Pläne.“

„Sie weigert sich, aufs College zu gehen. In zwei Wochen wird sie achtzehn und ist entschlossen, nach Los Angeles zu ziehen.“

„Was ist falsch daran?“

„Es ist nicht die Stadt, es ist die berufliche Laufbahn, die sie einschlagen will.“

„Es wäre einfacher, du erzählst mir, was los ist, statt dass ich dir mühsam alles aus der Nase ziehen muss.“

Es ging ihm gegen den Strich, Familienprobleme mit Außenstehenden zu besprechen, doch er brauchte unbedingt Hilfe. Egal wessen. Selbst Scarletts.

„In den Frühjahrsferien ist Madison nach Los Angeles abgehauen. Sie will unbedingt Schauspielerin werden.“

Scarletts volle Lippen zuckten. „Was für ein Skandal“, witzelte sie.

„Sie ist erst siebzehn.“

„Und sie hätte in die Klauen des Bösen geraten können.“

Logan gefiel es gar nicht, dass sie sich auf seine Kosten amüsierte. „Glücklicherweise ist das nicht passiert.“

„Was ist dann passiert?“

Überhaupt nichts. Madison war bei einem Jungen eingezogen, den sie im Sommer zuvor in New York City kennengelernt hatte, und hatte sich bei einer Schauspielschule angemeldet. Sie hatte sogar einen Rückruf wegen einer Werbesendung bekommen.

„Ihr Vater hat sie gefunden, bevor sie in Schwierigkeiten geraten ist, und zurück nach New York geholt.“

„Warum lasst ihr nicht einfach zu, dass sie ihren Traum verfolgt? Schauspielerin zu sein ist nicht der schlimmste Job der Welt.“

„Paula und Randolph sind der Meinung, dass es nicht der richtige Beruf für ein Mädchen ist, das so intelligent und leistungsfähig ist“, erklärte er. „Sie möchten, dass sie studieren geht.“

Außer, dass sie kurz die Augen zusammenkniff, blieb Scarletts Gesicht unbewegt. „Ich habe auch nicht studiert und glaube, ich komme trotzdem ganz gut zurecht.“

Das sagte der frühere Kinderstar, dessen Alltag jahrelang skandalöse Fotos geliefert hatte. Dass Scarlett seine Nichte darin unterstützen würde, ihren Traum zu verfolgen, war genau der Grund gewesen, warum er nicht sie um Hilfe gebeten hatte.

„Aber du hattest auch einen reichen Großvater, der dich nach Las Vegas geholt und dir die Leitung eines Hotels überlassen hat.“

Er merkte erst, wie beleidigend das klang, als ihr zauberhafter Charme sich in Verärgerung verwandelte. Es war das erste Mal, dass Logan das Gefühl hatte, einen flüchtigen Eindruck von der Frau unter der Maske zu bekommen. Und das machte sie noch begehrenswerter. Er atmete tief ein, stieß den Atem langsam wieder aus und versuchte, sein Verlangen unter Kontrolle zu bekommen. Als sein Pulsschlag sich nicht beruhigte, wiederholte er die Atemübung.

Verdammt. Warum musste sie eine so hinreißend schöne Frau sein?

Sie hatte einen makellosen Teint und einen Körper, der einen Mann verrückt machen konnte: große, feste Brüste, schmale Taille, lange, schlanke Beine. Anmutige Bewegungen. Und ihr Mund … volle Lippen, wie geschaffen zum Küssen.

„Du hast recht.“ Sarkasmus schwang in ihren Worten mit. „Es ist unrealistisch zu glauben, ich würde Fontaine Richesse leiten, wenn Grandpa nicht die verrückte Idee gehabt hätte, seine Enkelinnen um den Posten der Geschäftsführerin wetteifern zu lassen. Ich wäre immer noch in Los Angeles, würde vorsprechen, gelegentlich drehen und auf die Rolle warten, die meiner Karriere neuen Schwung gibt. Trotzdem wäre ich glücklich.“

„Ich wollte damit nur sagen, dass du nie als Managerin von Fontaine Richesse in Betracht gezogen worden wärst, wenn du nicht Ross’ Tochter wärst.“

„Das war deutlich. Du glaubst nicht, dass ich hierher gehöre.“

„Ich bin nicht sicher, dass du es tust.“

Sie schien erstaunt. „Ich danke dir.“

„Wofür?“

„Dass du einmal ehrlich bist. Seit wir uns das erste Mal getroffen haben, schaust du auf mich herab.“ Ihr direkter Blick forderte von ihm eine ehrliche Antwort, aber er wollte sie nicht beleidigen.

„Das tue ich nicht.“ Es entsprach nicht ganz der Wahrheit. Trotz des Erfolgs, den das Hotel zu verzeichnen hatte, war er der Meinung, dass sie nicht in Violets und Harpers Liga spielte, wenn es um die Leitung eines so gigantischen Unternehmens wie die Fontaine-Hotelkette ging.

„Aber du schätzt mich nicht.“

„So kann man das auch nicht sagen.“

„Was ist es dann? Zu meinen Schwestern bist du sehr nett.“ Sie hielt kurz inne. „Du musst irgendetwas gegen mich haben.“

„Ich habe nichts gegen dich.“

„Du glaubst, dass Violet und Harper die Voraussetzungen erfüllen, eine Hotelkette zu managen.“ Sie wartete auf seine Bestätigung, doch er schwieg eisern. „Und du glaubst, dass ich es nicht tue.“ Wieder hatte sie seine Gedanken gelesen. Als er immer noch nichts sagte, wurde ihr Blick warm. „Beide haben hart gearbeitet, um dorthin zu kommen, wo sie jetzt sind. Ich bin nur eine Schauspielerin, die von nichts Ahnung hat. Du glaubst, sie schützen zu müssen.“ Sie schaute ihn lächelnd an. „Das ist sehr nett von dir, aber du musst dir keine Gedanken machen. Ich habe überhaupt keine Geschäftserfahrung, was bedeutet, dass ich keine Chance habe, meine gut ausgebildeten, unglaublich fähigen Schwestern zu übertreffen. Grandpa hat mich nur aus Gründen der Fairness in den Wettbewerb eingeschlossen.“ Ihre heisere Stimme zerrte an seinen Nerven. Sie machte sich selbst klein, um zu verhindern, dass er es tat. „Ich bin froh, dass wir das jetzt geklärt haben.“

Nichts war geklärt. Er fühlte sich in ihrer Nähe genauso unwohl wie vor fünf Minuten, und genauso unfähig, freundlich zu ihr zu sein. Aber was sollte er noch sagen? Er würde auf keinen Fall gestehen, dass sie ihn verhext hatte.

„Kommen wir zurück auf deine Nichte und ihre Weigerung zu studieren“, fuhr Scarlett nüchtern und sachlich fort. „Was erhoffst du dir davon, wenn sie Harper ein paar Wochen wie ein Schatten folgt?“

„Dass sie merkt, dass die Geschäftswelt nicht so langweilig ist, wie sie meint.“

Scarlett lachte amüsiert auf. „Und da soll sie ausgerechnet einen Workaholic wie Harper begleiten? Noch bevor der erste Tag vorbei ist, wird sie vor Langeweile umkommen. Du solltest sie Violet anvertrauen.“ Sie hielt inne und klopfte mit einem Löffel auf die makellose weiße Tischdecke. „Sicher, wegen Tiberius’ Tod ist es nicht der beste Zeitpunkt.“

„Richtig.“

Womit sie wieder bei ihr waren. Die Realität stand unausgesprochen zwischen ihnen.

„Warum zeigst du ihr nicht die interessanten Aspekte deines Unternehmens?“

„Jedes Mal, wenn ich versuche, Madison dafür zu begeistern, verdreht sie die Augen.“ Er versuchte gar nicht, seinen Frust zu verheimlichen. „Ich dachte, dass jemand, der nicht zur Familie gehört, mehr Glück hat.“

„Damit hast du vermutlich recht. Sie wird eher einem unvoreingenommenen Dritten zuhören.“

Einem unvoreingenommenen Dritten mit einem Master in Betriebswirtschaft wie Harper oder zehnjähriger Erfahrung im Hotelmanagement wie Violet. Nicht einem früheren Kinderstar, der nicht die Kompetenz besaß, ein Weltklassehotel zu leiten. Auch wenn Logan vielleicht recht hatte, versetzte es ihr einen Stich, dass er eine so geringe Meinung von ihr hatte.

„Wenn du allerdings jemanden brauchst, der ihr sagt, wie schwer es ist, in Hollywood als Schauspielerin zu bestehen, dann bin ich die Richtige.“ Sie warf ihre Serviette auf den Tisch und stand auf. „Wann soll die Gehirnwäsche beginnen?“

Logan sah sie finster an. „Wenn du die Sache nicht ernst nimmst, dann warte ich, bis Harper oder Violet Zeit haben.“

„Ich denke, so viel Zeit hast du nicht. Ich bin vielleicht nicht deine erste Wahl, aber ich bin diejenige, die du bekommen kannst.“

„Schön.“ Logan erhob sich ebenfalls und baute sich vor ihr auf. „Ich bringe Madison heute Mittag in dein Büro. Sagen wir gegen eins?“

„Ich werde da sein.“ Sie schreckte vor seiner Nähe zurück, doch kaum war sie vier Schritte gegangen, da hielt er sie am Handgelenk fest.

„Danke.“ Logans Finger strichen sanft über ihre Haut.

Er hatte sie nie zuvor berührt. Bei dem Kontakt schoss ein Prickeln durch ihren Körper. Verärgert über diese heftige Reaktion riss sie sich energischer als nötig los. „Es ist zu spät, jetzt damit anzufangen, freundlich zu mir zu sein, Logan.“

Seine braunen Augen blickten kalt. „Wie du meinst.“

Sein Blick wanderte von ihrer Hochsteckfrisur bis zu ihren knallrot lackierten Fußnägeln, ohne etwas dazwischen auszulassen. Ihr Herz klopfte wie wild. In der Gegenwart dieses blendend aussehenden dunkelhaarigen Mannes, der zudem eine eindrucksvolle Persönlichkeit aufwies, wurde sie zu einem verliebten Teenager.

„Nun, wo wir das geklärt haben …“ Statt den Satz zu beenden, drehte sie sich auf ihren hohen Absätzen um und verließ fluchtartig das Büro.

Logan folgte ihr den Flur entlang und in den Fahrstuhl. Sein Ärmel streifte ihren nackten Arm, als er an ihr vorbei die Taste drückte, die sie in die Lobby bringen würde. Die Türen schlossen sich.

Ein heißer Schauer durchlief Scarlett. Sie versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, welche Wirkung Logan auf sie ausübte. Ohnehin rechnete sie damit, dass er auf Distanz gehen würde. Das hatte er immer getan. Zu ihrem Entsetzen trat er näher.

„Bist du es eigentlich nie müde zu schauspielern?“ Sein beiläufiger Tonfall passte nicht zu der gefährlichen Anspannung, die er ausstrahlte.

Sie holte Luft und zog mühsam die Mundwinkel hoch. „Was meinst du damit?“

„Die verschiedenen Frauenrollen, in die du schlüpfst, um uns Männern etwas vorzuspielen.“

Meinte er damit die Fassade, die sie um sich errichtet hatte, damit Logan nicht merkte, welche Wirkung er auf sie ausübte? Auf ihren Körper und ihre Seele? Er täuschte sich, wenn er glaubte, sie würde den einzigen Schutz aufgeben, den sie gegen ihn hatte.

„Du meinst doch nicht die, in die ich schlüpfe, damit Männer Wachs in meinen Händen werden?“, spottete sie.

Sie bildete sich etwas darauf ein, Männer durchschauen zu können. Normalerweise war es ziemlich einfach. Die meisten waren gern mächtig und liebten es, wenn ihnen schöne Frauen für vergnügte Stunden zur Verfügung standen. Selbst die, die sanft wie Lämmer wirkten, waren kleine Machos.

Logan passte nicht in die Schublade, in die sie den Rest seines Geschlechts steckte. Er schien tatsächlich immun gegen ihre Tricks, und deshalb provozierte sie ihn bei jeder Gelegenheit. Dass er sich nicht zu ihr hingezogen fühlte, forderte sie heraus. Und auch wenn es irgendwie pervers war, seine Gleichgültigkeit ihr gegenüber gab ihr den Spielraum, ihre Sinnlichkeit auszuleben. Es war ziemlich befreiend.

„Irgendwann wird jemand die Wahrheit entdecken“, warnte Logan mit heiserer Stimme.

Sie zog eine Augenbraue hoch. „Und was ist die Wahrheit?“

„Dass du kein sanftes Schoßhündchen brauchst.“

„Brauche ich das nicht?“

„Nein. Was du brauchst ist ein Mann, der deine Abwehr durchbricht und dich verrückt macht.“

„Sei nicht albern.“ Sie strengte sich an, den Blick von seinen schönen Lippen zu wenden, denn schon geisterte wieder der Gedanke an einen leidenschaftlichen Kuss von Logan Wolfe durch ihren Kopf.

„Meinetwegen kannst du dich selbst belügen“, sagte er. „Aber hör auf, mich zu belügen.“

Erst als er ihre Hände nahm, wurde ihr bewusst, dass sie sie an seine Brust gelegt hatte. Sie wollte sich losreißen, doch er hielt sie fest.

Ihr wurde immer heißer. „Lass mich los. Was ist heute bloß in dich gefahren?“

Er verzog den Mund zu einem Lächeln. „Ich glaube, ich erlebe heute zum ersten Mal, wie dich deine Kaltschnäuzigkeit verlässt.“

Wie hatte er in so kurzer Zeit den Spieß umdrehen können? Sie presste die Schenkel zusammen, doch dadurch wurde das Verlangen schlimmer, nicht besser.

Was du brauchst ist ein Mann, der deine Abwehr durchbricht und dich verrückt macht. Glücklicherweise würde er nie herausfinden, wie gut ihr der Gedanke gefiel.

„Ich bin nicht wirklich daran interessiert, was du …“

Sie hatte keine Chance, den Gedanken zu Ende zu führen. Bevor sie wusste, wie ihr geschah, senkte Logan seinen Mund auf ihren. Langsam und sinnlich strichen seine Lippen über ihre. Ihr überraschtes Murmeln wurde zu einem leisen Stöhnen.

Sie neigte den Kopf, um den Kuss zu intensivieren, und fuhr mit den Fingern durch seine Haare. Wenn es seine Absicht gewesen war, sie verrückt zu machen, dann hatte er sein Ziel in weniger als drei Sekunden erreicht. Mit jeder Faser ihres Körpers sehnte sie sich nach seiner Berührung, als er eine Hand an ihren Hals legte und seine Zunge mit ihrer spielte.

Scarlett wollte aufschreien, so herrlich erregend war es, als er seine breite Brust an ihren Busen drückte, doch er hatte ihr mit seinem Kuss den Atem genommen. In dem Moment drang das Geräusch der sich öffnenden Tür in ihr Bewusstsein. Logan unterbrach den Kuss. Seine Brust hob und senkte sich heftig. Mit ausdruckslosen Augen betrachtete er ihr Gesicht und nahm jede Gefühlsregung wahr. Scarlett fühlte sich so nackt, als hätte sie nur mit Dessous bekleidet ihr Kasino betreten.

Atemlos fragte sie: „Hat sich das angefühlt, als würde ich schauspielern?“

Er wich zurück, stellte einen Fuß in die Tür, damit sie nicht wieder zugleiten konnte, und deutete auf den Flur jenseits des Fahrstuhls.

Er zog eine Augenbraue hoch. „Es bedarf noch einiger Erkundungen, bevor ich die Frage beantworten kann.“

2. KAPITEL

Auf der Fahrt vom Fontaine Ciel zu Wolfe Security schossen Logan unzählige Fragen durch den Kopf, auf die er keine Antworten fand.

Scarlett zu küssen war ein großer Fehler gewesen. Wenn er vorher verrückt nach ihr gewesen war, so war er jetzt, nachdem er ihren sensationellen Körper an seinen gedrückt hatte, total von ihr besessen. Doch weiter würde er niemals gehen.

Es bedarf noch einiger Erkundungen

Was zum Teufel war mit ihm los? Er hatte nicht nur angedeutet, dass er sie wieder küssen würde, er hatte auch verraten, dass er daran interessiert war, Jagd auf sie zu machen.

Sein Handy klingelte. Er nahm den Anruf über die Freisprechanlage entgegen.

„Ich habe deine Nachricht wegen Tiberius erhalten“, sagte Lucas Wolfe. Wegen der schlechten Verbindung und der Hintergrundgeräusche war sein Bruder schwer zu verstehen. „Tut mir leid, dass der Kerl tot ist.“

„Ich war gerade bei den Fontaine-Schwestern. Violet ist ziemlich erschüttert.“

„Die Arme“, murmelte Lucas. „Hattest du die Möglichkeit, sie nach Tiberius’ Akten zu fragen?“

„Meine Güte, Lucas“, sagte Logan ungeduldig. „Der Mann ist gerade gestorben.“

„Wenn diese Akten an die Öffentlichkeit kommen, dann könnte das Leben vieler Menschen in Vegas und auch woanders ruiniert sein. Violet könnte in Gefahr sein.“

Logans Zwillingsbruder hatte zu viele Jahre beim Geheimdienst des Militärs verbracht. An jeder Ecke witterte er einen Feind. Nun, gelegentlich hatte er recht gehabt, sich Sorgen zu machen, vielleicht auch dieses Mal. Tiberius Stone konnte im Laufe von fünfzig Jahren in einer sündigen Stadt wie Las Vegas viel Schmutz angesammelt haben …

Logan fluchte. „Glaubst du wirklich, es gibt sie?“

„Ich glaube, er ist der J. Edgar Hoover von Vegas.“

„Ich habe in seinen Computern nichts gefunden, was einen Vergleich mit dem FBI-Gründer rechtfertigen könnte.“ Als Lucas Wind von Stones Vorliebe bekam, Informationen zu sammeln, hatte Logan sich in die Computer des Mannes gehackt.

„Er ist ein Mann der alten Schule“, sagte Lucas. „Ich bin sicher, dass er von allem Kopien in Papierform hat.“

Logan überlegte, wie viele Informationen es geben könnte, und stellte sich einen großen Raum mit Aktenschränken vor. Wo zum Teufel hatte der Mann die Akten gelagert? Der Ort musste sicher und begehbar sein. Wenn die Daten digitalisiert wären, dann wäre Wolfe Security der perfekte Ort für die Aufbewahrung der Informationen gewesen. Sie hatten sichere Server, die von ihren Kunden für sensible Daten genutzt wurden.

„Wann kommst du zurück in die Staaten?“, fragte Logan.

Lucas hielt sich gerade in Dubai bei einem Scheich auf, der im Besitz wertvoller Kunstgegenstände war, die er in seinen Häusern auf der ganzen Welt ausstellen wollte. Die große Herausforderung war, dass er ein Sicherheitssystem wünschte, das unauffällig und nicht zu knacken war.

„Ich kann es noch nicht genau sagen. Dieser Job ist komplexer, als ich zuerst annahm.“

„Und die Tochter?“

„Eine willkommene Ablenkung.“

Lachend beendete Logan das Telefonat und wählte Violets Nummer. Es überraschte ihn nicht, dass sich die Mailbox meldete. Er hinterließ eine Nachricht mit der Bitte um Rückruf. Danach arbeitete er noch ein paar Stunden, bevor er schließlich nach Hause fuhr, um mit seiner Nichte zu Mittag zu essen und ihr mitzuteilen, dass die Ferien vorbei waren.

Er fand Madison am Pool, wo sie sich im Bikini in der Sonne aalte. Sie war in ein Klatschmagazin vertieft und hatte Kopfhörer auf, sodass sie Logan erst bemerkte, als sein Schatten auf sie fiel.

„He, Onkel Logan, was machst du zu Hause?“

„Ich dachte, ich lade dich zum Lunch ein und stelle dich dann einer Frau vor, die ich gut kenne.“

„Ich wusste gar nicht, dass du eine Freundin hast. Wird aber auch Zeit, Onkel Logan.“

„Sie ist nicht meine Freundin.“ Der Kuss schoss ihm durch den Kopf. „Sie ist nur eine Bekannte, die sich bereit erklärt hat, dir zu zeigen, wie es ist, ein Hotel zu leiten.“

„Wie langweilig. Wann begreift ihr endlich, dass ich nicht in einem blöden Büro sitzen will? Ich möchte Schauspielerin werden.“

„Deine Eltern machen sich Sorgen. Sie wünschen sich, dass du dir Gedanken über alle deine Möglichkeiten machst.“

„Als ob sie das wollten. Ich soll ein College ihrer Wahl besuchen und meinen Abschluss in Betriebswirtschaft oder Jura machen und so werden wie sie. Aber das ist nicht das, was ich will.“

„Ich wusste in deinem Alter noch nicht, was ich will.“

Sie grinste. „Das stimmt nicht. Mom hat mir erzählt, dass du deine ganze Freizeit am Computer verbracht hast. Und du hast dein Unternehmen im Alter von zwanzig Jahren gegründet. Du warst schon Multimillionär, bevor du deinen Uniabschluss hattest.“

„Trotzdem habe ich ihn gemacht.“

„Wie auch immer. Tatsache ist, dass du erfolgreich bist, weil du das getan hast, was du gern tust und worin du gut bist, und nicht, weil du deinen Master hast.“

Logan starrte sie an. Kein Wunder, dass ihre Eltern sie zu ihm geschickt hatten. Eine intelligente, entschlossene junge Frau wie Madison brachte man nicht mit einem einfachen „weil ich es sage“ zur Vernunft.

„Möglich, trotzdem habe ich mein Studium beendet.“ Er hielt die Hände hoch, als sie protestieren wollte. „Finde dich damit ab, Mädchen, die nächsten Monate hast du mich und meine Meinung, was für dich das Beste ist, am Hals. Jetzt geh duschen, und dann lade ich dich in mein Lieblingsrestaurant ein.“

Vierzig Minuten später saßen sie bei Luigi’s. Madison schaute sich entrüstet um.

„Das ist eine Pizzeria.“

„Aber nicht irgendeine Pizzeria. Hier gibt es das beste italienische Essen außerhalb Italiens.“

„Ich dachte, du führst mich in ein schönes Restaurant.“

„Dies ist schön.“

Sie verdrehte die Augen. Nachdem sie bestellt hatten, legte Madison die Arme auf den Tisch und begann, ihn auszuquetschen. „Wer ist die Frau, bei der du mich abladen willst?“

„Scarlett Fontaine. Sie leitet Fontaine Richesse. Du wirst sie mögen. Sie war mal Schauspielerin.“

Madison kniff die Augen zusammen. „War? Also hatte sie keinen Erfolg. Und jetzt soll sie mir sagen, dass ich einen großen Fehler mache, wenn ich nicht das College besuche?“

„Falsch. Sie ist es nicht mehr, weil sie jetzt ein Luxushotel und Kasino leitet.“

Und das ziemlich gut. Oder zumindest hatte sie Leute eingestellt, die wussten, was sie taten.

„Wie alt ist sie? Fünfzig? Dann habe ich noch viel Zeit, mir Plan B auszudenken, sollte Plan A nicht funktionieren.“

„Sie ist einunddreißig.“ Er wunderte sich, dass er ihr Alter überhaupt kannte. Und dass er wusste, dass sie im nächsten Monat Geburtstag hatte.

„So jung? Warum hat sie so schnell aufgegeben?“

„Ich denke, weil ihr die Chance ihres Lebens geboten wurde.“

„Ein Hotel zu leiten?“

„Eins von Las Vegas’ besten Hotels.“

Madison schien nicht überzeugt. „Sie ist nichts weiter als jemand, der schnell aufgibt.“

„So würde ich sie nicht charakterisieren.“

Eine Dreiviertelstunde später betraten sie Scarletts Hotel und gingen durch die Lobby zu den Fahrstühlen, die sie zu den eleganten Büros in der dritten Etage bringen würden. Als sich die Tür eines Lifts öffnete, sah Logan überrascht auf den Mann, der ihn verließ. John Malcolm grüßte flüchtig, dann verließ er eilig das Hotel.

Verwundert, was der Anwalt von Tiberius Stone in Scarletts Hotel zu suchen hatte, schickte Logan seine Nichte unter einem Vorwand zur Damentoilette, damit er kurz allein mit Scarlett sprechen konnte.

„Ich wusste gar nicht, dass du und Tiberius denselben Anwalt habt“, sagte er, als er Scarletts Büro betrat. Sofort bemerkte er, dass sie sich umgezogen hatte. Sie trug eine ärmellose, hellgrüne Bluse, die die Aufmerksamkeit auf ihre vollen Brüste lenkte und ihre gebräunten Arme zeigte. Die langen Haare trug sie offen. In weichen Wellen fielen sie ihr über die Schultern und reizten Logan, die Hände in die seidige Pracht zu tauchen.

Scarlett stand auf, und er schaute bewundernd auf ihren schmal geschnittenen, schwarzen Rock. Das Outfit war professionell und sexy.

„Das haben wir auch nicht.“ Sie nahm einen Umschlag von ihrem Schreibtisch. „Er hat mir den hier gebracht. Er ist von Tiberius.“

„Was ist in dem Umschlag?“

„Ich habe ihn noch nicht geöffnet. Vermutlich ein Abschiedsgruß. Er war ein toller Mann. Ich stand ihm nicht so nah wie Violet, aber wir haben viel Zeit miteinander verbracht. Er hat mir Insider-Infos über die Stadt gegeben. Wem ich vertrauen kann. Vor wem ich mich in Acht nehmen soll.“ Sie verstummte und neigte den Kopf. „Warum bist du so neugierig?“

„Tiberius hat Informationen über Menschen gesammelt.“ Logan wusste nicht, wie viel er ihr anvertrauen wollte.

„Was für Informationen?“

„Geheimnisse.“

„Dreckige Geheimnisse?“ Sie drehte den Umschlag in ihrer Hand. Als sie aufblickte und merkte, dass er sie anstarrte, lachte sie. „Und du glaubst, er hat etwas über mich herausgefunden.“ Keine Frage. Eine Aussage. „Es tut mir leid, dass ich dich enttäuschen muss, aber ich habe keine Leichen im Keller.“ Sie warf ihm einen scharfen Blick zu. „Bist du bei jedem so misstrauisch oder nur bei mir?“

„Bei jedem.“

„Nicht bei Harper und Violet.“ Ihre Stimme klang gnädig, doch ihre Augen schimmerten vorwurfsvoll. „Ihnen vertraust du.“

Sollte heißen, ihr vertraute er nicht. Nun, er tat es auch nicht. Sie war eine Schauspielerin, und ihr Talent, in andere Rollen zu schlüpfen, reichte bis in ihr Privatleben. Er tat sich schwer, sie zu durchschauen, und das ließ ihn bei allem, was sie sagte oder tat, argwöhnisch reagieren.

„Sie haben mir nie einen Grund gegeben, ihnen nicht zu vertrauen.“

„Was habe ich dir getan?“

Jetzt hatte er ein Problem. Sein Vorurteil ihr gegenüber rührte daher, wie sie auf ihn wirkte. War es fair, ihr die Schuld zu geben, dass seine Haut prickelte, wenn Scarlett ihn streifte? Oder dass ihr Duft, leicht und blumig, sein Herz schneller schlagen ließ? Oder dass ihr sexy Hüftschwung sein Blut in Wallung brachte und heißes Verlangen in ihm weckte?

„Es geht nicht darum, was du getan hast.“ Er mühte sich mit jedem Wort ab. „Es liegt daran, dass du gern Spielchen spielst.“

Ihre Augen funkelten amüsiert. „Spiele können lustig sein.“

Bilder schossen ihm durch den Kopf: Scarlett in schwarzer Reizwäsche und mit Overknee-Stiefeln, bewaffnet mit einer Peitsche, ein provozierendes Funkeln in den Augen. Er schluckte hart. Etwa zur selben Zeit, als sie in Las Vegas auftauchte, war die Episode einer beliebten Krimiserie ausgestrahlt worden, in der sie die Besitzerin eines Swinger-Clubs spielte. Seit er sie in dieser Sendung gesehen hatte, erinnerte er sich in den unmöglichsten Momenten an die erotischen Aufnahmen.

„Ich spiele keine Spielchen.“ Verärgerung ließ seine Stimme barsch klingen.

„Und der Kuss im Fahrstuhl?“, fragte sie herausfordernd. „Du hast mich geküsst, um etwas zu beweisen. Wenn das kein Spielchen ist.“

Statt zuzugeben, dass er sie geküsst hatte, weil er sein Verlangen nicht im Griff hatte, sagte Logan: „Was habe ich denn versucht zu beweisen?“

„Dass ich einen Mann wie dich brauche.“

„Deshalb habe ich dich nicht geküsst.“

„Doch. Ich zitiere: ‚Was du brauchst ist ein Mann, der deine Abwehr durchbricht und dich verrückt macht.‘ Hast du nicht genau das versucht, als du mich geküsst hast?“

„Ich habe dir bewiesen, dass ich recht habe, aber ich habe mich nicht um den Job beworben, dieser Mann zu sein.“

Während ihr Herz wie verrückt schlug, zuckte sie, wie sie hoffte, gleichgültig mit den Schultern. „Schade, denn du hast eine großartige Vorstellung abgegeben.“

Scheinbar ruhig verschränkte Logan die Arme vor der Brust und deutete mit dem Kinn auf den Umschlag. „Weißt du, was Tiberius dir geschickt hat?“

„Noch nicht. Warum bist du so daran interessiert?“

„Lucas glaubt, das Tiberius die Informationen, die er über Jahre gesammelt hat, Violet überlassen haben könnte.“ Logan sah von dem Umschlag in ihr Gesicht. „Ich denke eher, er hat sie dir gegeben.“

„Mir?“ Sie blickte auf den Umschlag in ihrer Hand. „Ich denke, das würde Sinn ergeben. Wir haben uns beide für das interessiert, was in der Vergangenheit in Las Vegas vor sich ging. Wenn Tiberius’ Daten bis in die fünfziger Jahre zurückgehen, also bis in die Zeit, in der er sein Unternehmen startete, dann sind es vermutlich großartige Geschichten, die es nie in die Schulbücher geschafft haben.“ Der Gedanke faszinierte sie. „Das wäre eine großartige Bereicherung für meine Ausstellung ‚Mob Experience – Die Mafia von Las Vegas‘.“

„Es ist gefährlich für dich, diese Akten zu besitzen.“

War Logan tatsächlich besorgt? Sie versuchte, sich das Gefühl der Freude nicht anmerken zu lassen. „Inwiefern gefährlich?“

„Viele mächtige Menschen haben Geheimnisse, die sie unter allen Umständen geheim halten wollen.“

Es wurde immer besser. „Das kann ich mir vorstellen.“

Er schien über ihren Enthusiasmus nicht begeistert. „Bis jetzt war die Existenz dieser Akten reine Spekulation. Wenn jemand Wind davon bekommt, dass du sie hast, dann könnte dieser jemand beschließen, sie dir abzunehmen.“ Logan atmete ungeduldig aus. „Du könntest verletzt werden.“

„Du machst dir Sorgen um mich.“ Nichts konnte jetzt noch ihr breites Lächeln zurückhalten. „Das ist süß.“

„Nur weil wir beide nicht miteinander auskommen, bedeutet das nicht, dass ich möchte, dass dir etwas passiert.“

„Wir könnten uns gut verstehen, wenn du endlich aufhören würdest, gegen deine Gefühle für mich anzukämpfen.“

„Wenn du damit auf den Kuss im Fahrstuhl anspielst …“

„Den unglaublich heißen Kuss im Fahrstuhl“, korrigierte sie. „Und du hast meine Frage immer noch nicht beantwortet. Habe ich geschauspielert?“

Er sah sie mit ausdruckslosem Gesicht an und schwieg.

„Vielleicht könnte eine weitere Demonstration deine Zweifel ausräumen.“ Sie streckte die Hand aus und strich mit einem Finger über seine Krawatte.

Er nahm ihre Hand, seine Augen funkelten. „Verdammt, Scarlett.“

Bevor er seinen Gedanken zu Ende bringen konnte, erschien eine junge Frau in der Tür. „Hallo, ich bin Madison.“

„Scarlett Fontaine.“ Es fiel ihr schwer, den Blick von Logan zu wenden. „Schön, dich kennenzulernen.“

„Logan hat mir von dir erzählt.“

Amüsiert verzog Scarlett die Lippen. Sie fing seinen unnachgiebigen Blick auf und säuselte: „Tatsächlich?“

Logan nickte. „Ich habe ihr erzählt, dass du Schauspielerin warst.“

„Nicht einfach eine Schauspielerin“, erwiderte sie übertrieben dramatisch. „Ein Star.“

„Wirklich?“ Jetzt schien Madison interessiert. „Ich erinnere mich nicht, dich jemals gesehen zu haben.“

Scarlett lächelte schief. „Du würdest mich vermutlich nicht erkennen. Ich war fünfzehn, als die Show endete. Aber fünf verrückte Jahre lang war ich die Hilary in That’s Our Hilary.“

„Ich glaube nicht, dass ich das jemals gesehen habe. Hast du danach noch irgendetwas gespielt?“

„Ich hatte hier und da eine Gastrolle. Und einen Auftritt in einer Show.“ Scarlett blickte in Logans Richtung und sah, dass er ein mürrisches Gesicht zog. Was hatte sie jetzt schon wieder falsch gemacht? Um ihn abzulenken, gab sie ihm den Umschlag. „Hier, vielleicht bessert sich ja deine Laune, wenn du weißt, was in dem Umschlag steckt.“

„Tiberius hat ihn an dich adressiert, nicht an mich.“ Er wollte ihn zurückgeben, doch sie schüttelte den Kopf.

„Aber dich macht es verrückt, nicht zu wissen, was in dem Umschlag ist. Also mach ihn auf.“

Seufzend öffnete er den Umschlag und zog einige Papiere heraus. Eine Schlüsselkarte fiel auf den Boden. Neugierig hob Madison sie auf.

„Das ist ein Mietvertrag für einen Lagerraum“, sagte Logan, während er den Stapel genauer durchsah. Er reichte Scarlett ein einzelnes Blatt.

Scarlett erkannte Tiberius’ ordentliche Handschrift. Als sie den Brief überflog, wurde ihr die Kehle eng. Der verdammte alte Gauner! Logan hatte recht: Es gab geheime Akten. Und Tiberius hatte sie tatsächlich ihr hinterlassen.

Sie nahm Madison die Schlüsselkarte aus der Hand. „Ein Lagerraum?“, überlegte sie. „Meinst du, dort befinden sich die Ordner?“

„Möglich. Ich hoffe, du spielst nicht mit dem Gedanken, allein dorthin zu gehen.“

„Warum nicht?“

Sein Handy summte, das Zeichen, dass eine SMS eingegangen war. Er zog es aus der Tasche, blickte auf das Display und stieß einen ungeduldigen Seufzer aus.

„Ich muss weg.“ Er wandte sich an Madison. „Ich hole dich um fünf Uhr ab.“

„Fünf?“, wiederholte Scarlett. „Hier geht es erst später richtig los. Du erledigst, was du zu tun hast, und ich sorge dafür, dass Madison nach Hause kommt.“

„Wann?“

„Ich weiß nicht. Um Mitternacht?“

Logan zog die Augenbrauen zusammen, als er den erfreuten Gesichtsausdruck seiner Nichte sah. „Zehn Uhr.“

„Das ist nicht dein Ernst“, meldete sich Madison zu Wort. „Ich bin siebzehn Jahre alt. Denkst du etwa, ich war noch nie länger als bis zehn weg?“

„Halb elf.“

„Ich bin fast achtzehn.“

„Genau, fast.“

Madison verdrehte die Augen. „Ich habe in zwei Wochen Geburtstag. Wenn ich erst einmal achtzehn bin, kannst du mir nichts mehr sagen.“

„Warum einigen wir uns nicht auf elf Uhr.“ Scarlett lächelte freundlich.

Ihre Worte beendeten Madisons Aufstand. „Perfekt.“

Zu Scarletts Überraschung trat Madison zu ihr und hakte sich bei ihr ein. Eine geschlossene weibliche Front gegen Logan. Er schien nicht erfreut.

„Also gut, elf. Und pass auf sie auf.“

Nachdem Logan fort war, beruhigten sich Scarletts verrücktspielende Hormone. Sie wandte sich an Madison. „Lass uns mit den Reservierungen beginnen“, murmelte sie und schob den Teenager in Richtung Flur.

„Können wir nicht im Kasino anfangen?“

Scarlett schüttelte den Kopf. „Das Beste heben wir uns für den Schluss auf.“

Zwei Stunden später hatte sie Madison durch das ganze Hotel geführt. Sie waren gerade auf dem Weg ins Kasino, als Scarletts Handy klingelte. Ihr Herz machte einen kleinen Satz, als sie Logans Nummer erkannte. Blöd. Blöd. Blöd. Der Mann hatte ihr heute wieder deutlich gezeigt, welch schlechte Meinung er von ihr hatte, und trotzdem konnte sie diese idiotische Schwärmerei für ihn nicht abschütteln.

„Ich habe eine masochistische Ader“, murmelte sie und nahm den Anruf entgegen. „Hallo, Logan. Es ist alles in Ordnung, falls du dir Sorgen gemacht hast.“

„Du bist noch im Hotel?“

„Wo sollte ich sonst sein?“ Sie hielt einen Moment inne. „Ach ja, richtig, der Lagerraum.“

„Du nimmst die Sache mit den Akten zu leicht.“

Scarletts Blick folgte Logans Nichte, die schon weiterlief und sich das Plakat ansah, das auf die Eröffnung der Mob Experience – Ausstellung in einem Monat hinwies. „Ich habe dir versprochen, Madison nicht in die Nähe des Lagerraums zu bringen.“

„Es geht mir nicht nur um Madisons Sicherheit.“

Ihr wurde warm ums Herz. „Wann willst du dir den Lagerraum ansehen?“

„Je schneller, desto besser. Wie wäre es gleich morgen?“

„Ja, das müsste gehen. Wann holst du mich ab?“

„Du hast mich falsch verstanden“, sagte er. „Ich sehe mir den Raum an. Allein.“

„Wie willst du das machen? Ohne Schlüssel hast du ein Problem.“ Sie wartete einen Moment, bevor sie hinzufügte: „Wir haben also ein Date.“

„Es ist kein Date.“

„Könnte es aber sein, wenn du mich vorher zum Essen einlädst.“

Sie hörte förmlich, wie er mit den Zähnen knirschte. „Ich hole dich um sieben ab.“

Scarlett grinste triumphierend. „Ich zähle die Stunden.“

Zuerst ein Kuss, jetzt ein Date. Sie konnte ihr unglaubliches Glück kaum fassen. Sie flog fast über den Teppich, bis sie Madison einholte.

„Unglaublich, wie viele Menschen hier sind“, sagte Madison, als sie zwischen den Tischen hindurchgingen. „Es ist drei Uhr nachmittags.“

„Die Menschen kommen nach Las Vegas, um zu spielen. Warte bis später am Tag. Dann geht es hier wirklich rund.“

„Mir gefällt, dass die Kartengeber wie berühmte Filmstars verkleidet sind.“

„Mein Freund Tiberius hat mir erzählt, dass es in den Fünfzigerjahren nicht unüblich war, im Kasino auf Lucille Ball, Debbie Reynolds oder auf Mitglieder des sogenannten Rat Packs zu treffen. Die Stars liebten es, hierher zu kommen.“ Scarlett hielt inne und fragte sich, ob die Siebzehnjährige wusste, von wem sie sprach. Erleichtert stellte sie fest, dass dem so war. „Da ich in Hollywood aufgewachsen bin, dachte ich, es kann nicht schaden, wenn ich etwas von dem Glamour nach Las Vegas zurückbringe.“

„Eine witzige Idee.“

In dem Moment erinnerte Scarlett sich, dass Madison Schauspielerin werden wollte. „Manchmal habe ich richtig Lust, selbst mitzumischen.“ Sie hakte sich bei Madison ein und schob sie in Richtung Fahrstuhl. „Komm, wir gehen in meine Suite, und ich zeige dir, was ich meine.“

Zehn Minuten später öffnete Scarlett die Türen zu ihrem Spezialschrank und wartete gespannt auf Madisons Reaktion.

„Cool.“

Der vier mal vier Meter große begehbare Schrank war gefüllt mit Kostümen, Schuhen, Perücken und Schmuck.

„An den Wochenenden verwandle ich mich gern in einen Star der Fünfziger- oder Sechzigerjahre und schlendere so durch das Kasino. Meine Glücksspieler lieben es, und ich kann so tun, als wäre ich noch eine Schauspielerin.“

„Du warst offensichtlich gern Schauspielerin. Warum hast du es aufgegeben?“

Scarlett beobachtete, wie Madison mit den Fingern über die Kopie des pinkfarbenen Abendkleides strich, das Marilyn Monroe getragen hatte, als sie 1953 „Diamonds Are A Girl’s Best Friend“ in dem Musical Blondinen bevorzugt sang.

„Die einfache Antwort ist, dass mit der Pubertät aus dem süßen Mädchen von nebenan eine Sexbombe mit heißen Kurven wurde.“ Scarlett stand vor dem Spiegel und schaute ihr Spiegelbild kritisch an. „Weder die Produzenten von That’s our Hilary noch mein untreues Publikum wollten, dass Hilary so schnell erwachsen wurde.“

„Was ist passiert?“

„Hilary bekam den Laufpass.“

„Das ist schrecklich.“

„Das ist Showbiz.“ Scarlett strich über ihren engen schwarzen Rock. Wie sehr sie sich auch bemühte, ihre Reize herunterzuspielen, ihre angeborene erotische Ausstrahlung kam immer wieder durch, egal wie sie sich kleidete.

Deshalb hatte sie auch nur ganz bestimmte Rollen angeboten bekommen. Sie konnte gar nicht mehr zählen, wie oft sie es abgelehnt hatte, die zickige, sexy Rivalin der Heldin zu spielen. Diese Rollen waren nicht das, was sie wollte. Sie hatte sich danach gesehnt, als Schauspielerin ernst genommen zu werden. Ihr Agent sagte ihr jedoch, dass die Castingdirektoren, mit denen er sprach, nur ihr Äußeres und nicht das Talent dahinter sahen.

„Ich weiß, dass mein Onkel möchte, dass du mir ausredest, Schauspielerin werden zu wollen.“

„Du bist doch ein kluges Mädchen, oder?“ Scarlett fing Madisons Blick im Spiegel auf. „Klug genug, einen Plan B zu haben, wenn es in Hollywood nicht klappt?“

Madison sah weg. „Ich bin jung. Ich dachte, ich verfolge meinen Traum ein paar Jahre. Und wenn ich es dann nicht geschafft habe, kann ich immer noch zur Uni gehen.“

Scarlett überlegte, wie oft sie von Schauspielerkollegen Ähnliches gehört hatte. Es war schwer, den Traum von einer Schauspielkarriere aufzugeben, wenn der Durchbruch mit der nächsten Rolle kommen konnte.

„Hast du schon einmal überlegt, in Los Angeles aufs College zu gehen? Dort könntest du gleichzeitig Schauspielunterricht nehmen und hin und wieder bei einem Casting vorsprechen. Vielleicht wären deine Eltern ja mit dieser Lösung einverstanden.“ Scarlett merkte, dass Madison über die Möglichkeit, einen Kompromiss zu finden, noch nicht nachgedacht hatte. „Es würde mehr Arbeit bedeuten, aber es wäre eine Idee, alle zufriedenzustellen.“

„Ich werde darüber nachdenken.“

Doch Scarlett konnte sehen, dass der Teenager dazu nicht wirklich bereit war. „Und bis dahin … willst du lieber Judy Garland in Summer Stock oder Greta Garbo in Mata Hari sein?“

„Wie wäre es mit Marilyn?“

Scarlett lachte. „Nicht so schnell, junge Dame. Zuerst musst du mir beweisen, dass du es draufhast.“

„Das habe ich.“

„Dann wirst du auch kein Problem haben, ein Kasino voller Menschen glauben zu lassen, dass du Mata Hari bist.“

3. KAPITEL

Es war zehn Minuten nach elf, und Logan wanderte von einem Ende seiner zehn Meter langen Veranda zum anderen. Zwei Schaukelstühle luden zum Verweilen ein. Doch er war zu aufgeregt.

Über das Headset seines Handys telefonierte er mit seinem Bruder. Doch er hörte dessen Überlegungen zu Tiberius Akten nur mit halbem Ohr zu. „Also hatten wir recht.“

„Morgen weiß ich es sicher.“

Wo zum Teufel blieben sie?

„Ich vermute, sie wird dir die Akten nicht einfach überlassen“, gab Lucas zu bedenken.

„Auf keinen Fall.“ Logans Ärger erreichte einen Höchststand, als er am Ende der langen Einfahrt Scheinwerferlicht sah.

„So wie ihr miteinander auskommt …“ Sein Bruder klang genervt. „Ich verstehe nicht, was mit dir los ist. Sie ist eine tolle Frau, und die Chemie zwischen euch stimmt. Es dürfte kein Problem für dich sein, ihr den Schlüssel zu entlocken.“

„Menschen einzuwickeln ist dein Job“, erwiderte Logan. Er verließ die Veranda, als Scarletts Audi TT anhielt. „Du bist zu spät“, schimpfte er, als sie den Motor ausgestellt hatte.

„Ich bin zu spät?“, fragte Lucas verwirrt.

Scarlett protestierte. „Nur zehn Minuten.“

„So mürrisch wie du klingst, kann dies nicht der Beginn einer heißen Nacht sein“, scherzte sein Bruder, der die weibliche Stimme gehört hatte. „Ich vermute, unsere rebellische Nichte war nicht pünktlich zu Hause.“

„So ungefähr. Ich melde mich später noch einmal.“ Logan beendete den Anruf. Stirnrunzelnd musterte er Madison, die soeben aus dem Wagen gestiegen war. „Was hast du denn an?“

„Ich bin Greta Garbo als Mata Hari“, verkündete Madison und nahm die entsprechende Pose ein. Arme ausgestreckt, Gesicht im Profil, die Nase zum Himmel.

Logan betrachtete den aufwendigen Kopfschmuck, der Madisons blondes Haar verbarg, und den glitzernden Kaftan, der sie vom Kinn bis zu den Fußspitzen bedeckte. Mit dem dramatischen Make-up und dem ernsten Gesichtsausdruck gab seine Nichte eine akzeptable Greta Garbo ab.

Aber er hatte Scarlett gebeten, Madison von der Schauspielerei abzubringen, nicht, ihr zu zeigen, wie viel Spaß sie machen konnte.

„Sieht sie nicht großartig aus?“, fragte Scarlett. Sie kam um den Wagen herum. Sie trug ebenfalls ein Kostüm: hinreißend weiblich mit einer blonden Perücke und einem blassrosa Straußenfedernkleid. Sie warf Logan einen flüchtigen Blick zu, bevor sie ihre Aufmerksamkeit auf den Teenager richtete.

Die Zärtlichkeit in ihrem Blick überraschte Logan. Scarlett mochte das Mädchen wirklich. Und Madisons Strahlen nach zu schließen, beruhte die Sympathie auf Gegenseitigkeit. Als er zugestimmt hatte, dass Scarlett seiner Nichte die Arbeit in einem Hotel zeigte, hätte er im Traum nicht daran gedacht, dass sie Freunde werden könnten. Jetzt erkannte er, dass er die Situation falsch eingeschätzt hatte. Von einer Schauspielerin von Scarletts Kaliber zu lernen musste der Traum einer jeden Nachwuchskünstlerin sein.

„Einfach großartig.“ Verärgert ballte er die Hände zu Fäusten. „Madison, geh rein und zieh das Kostüm aus, damit Scarlett es mit zurück ins Hotel nehmen kann.“

„Sie hat gesagt, dass ich es morgen mitbringen kann.“

„Vielleicht solltest du morgen besser nicht wieder hingehen. Ich glaube, das Hotel ist doch nicht der beste Ort für dich.“

„Das passt wieder“, regte Madison sich auf. „Ich finde etwas, was mir Spaß macht, und du nimmst es mir weg! Wollt ihr alle nur, dass ich unglücklich bin?“

„Ich dachte, du könntest morgen mit mir ins Büro gehen.“

„Das haben wir bereits probiert. Schon vergessen?“ Madison verschränkte die Arme vor der Brust. Die Fassade der unergründlichen Mata Hari fiel von ihr ab, und sie war wieder ein Teenager aus dem einundzwanzigsten Jahrhundert, der sich verkleidet hatte. „Ich musste bei der Empfangsdame in der Lobby sitzen, während du dich mit super geheimem Zeug für deine Kunden beschäftigt hast. Nein, danke.“

Bis jetzt hatte Scarlett kein Wort gesagt. Nun aber mischte sie sich in die Auseinandersetzung ein. „Madison, geh schon hinein. Dein Onkel und ich lassen uns etwas einfallen“, sagte sie ganz entspannt.

Zu seiner Überraschung widersprach Madison nicht. Sie umarmte Scarlett herzlich und schoss ihm einen flehenden Blick zu, bevor sie durch die Eingangstür verschwand.

„Wie hast du das gemacht?“ Die Worte purzelten aus ihm heraus. „Mit mir streitet sie von morgens bis abends. Und du bittest sie etwas zu tun, und sie macht es, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken.“

„Ich weiß nicht. Es liegt vielleicht daran, dass ich sie wie die intelligente junge Frau behandelt habe, die sie ist.“

„Und ich nicht?“

„Du bist ziemlich herrisch.“

„Sie ist siebzehn.“

„Ich hatte mit siebzehn meine Hochschulreife, habe meine Schauspielkarriere bewältigt und hatte eine tolle Zeit mit meinen Freunden.“

„Sie ist nicht du.“

„Das sage ich auch nicht. Aber sie ist klug und ehrgeizig. Wenn sie sich wie eine Göre verhält, dann vermutlich, weil ihr niemand zuhört.“

„Jetzt bist du also eine Expertin im Umgang mit Teenagern.“

Scarlett reagierte auf seinen Sarkasmus lediglich mit einem warnenden Funkeln in den Augen. Ihre Stimme blieb neutral. „Ich bin keine Expertin. Ich äußere nur meine Meinung. Bitte lass sie morgen wieder ins Hotel kommen. Sie kann sich an meine Prokuristin hängen. Lucille ist genau die Frau, die du dir als Mentorin vorstellst. Eine absolute Karrierefrau mit einem Master in Betriebswirtschaft. Ein Arbeitstier. Konservativ gekleidet. Du wirst sie lieben.“

Logan schwieg.

„Bitte, Logan. Lass mich helfen. Ich fürchte, wenn weiterhin jeder versucht, Madison vorzuschreiben, was sie tun soll, dann schaltet sie auf stur und bleibt dabei, nicht aufs College zu gehen, sondern nach Hollywood.“

„Und du glaubst, du kannst sie davon abbringen?“

„Das kann ich nicht versprechen, aber ich glaube, sie wird auf das hören, was ich sage.“

Das war genau das, was Logan befürchtete.

„Wen stellst du eigentlich dar?“, fragte er.

Sie drehte sich anmutig. „Ich bin Ginger Rogers als Dale Tremont in dem Film Ich tanz’ mich in dein Herz hinein.“

Sie sah aus, als wollte sie über die Tanzfläche wirbeln oder sich von ihrem Filmpartner zu einem leidenschaftlichen Kuss in die Arme schließen lassen. Und dank ihrer hohen Schuhe war ihr reizender Mund seinem ganz nah.

Logan verschränkte die Arme vor der Brust, als er sich an ihr leises Stöhnen erinnerte. Ihm wurde heiß, und Spannung baute sich in ihm auf, während er auf ein winziges Zeichen wartete, das ihn ermutigen würde, sich ihr zu nähern.

Doch statt ihn zu provozieren, wich sie einen Schritt zurück. „Ich fahre jetzt besser wieder zum Hotel.“

Hörte er da einen Anflug von Atemlosigkeit in ihrer Stimme? Hatte sie gespürt, dass er kurz davor war, unbedacht und impulsiv zu handeln? Warum ermunterte sie ihn nicht?

„Natürlich.“

„Bringst du Madison morgen ins Hotel?“

„Ja.“

„Wir sollten sie als Praktikantin einstellen. Dann könnte sie sich eigenverantwortlich um bestimmte Aufgaben kümmern.“

Logan wusste, dass es für seine Nichte gut wäre, einen Job zu haben, der ihr Spaß machte, doch er fürchtete um seinen Blutdruck, wenn Madison für Scarlett arbeitete.

„Wann soll sie bei dir sein?“

„Um acht.“

Und dann, als sie nicht damit rechnete, legte er ihr eine Hand in den Nacken und senkte seine Lippen auf ihre. Für einen Moment war sie vor Schreck wie gelähmt, bis sie sich unter dem leichten Druck, den er auf ihren Mund ausübte, langsam entspannte. Das Mondlicht und die leisen Geräusche der Nacht verlangten geradezu nach zärtlichen, romantischen Küssen. Er legte die andere Hand an ihren Hinterkopf und konzentrierte sich auf die Beschaffenheit ihrer sinnlichen Lippen und den Duft ihrer Haut.

Aus zwei Küssen wurden zehn. Logan wusste, dass sie nicht ewig so verharren konnten. Aber in diesem Moment wollte er nur genießen, wie sie auf seinen Kuss reagierte und wie ihr Körper erbebte, als er zarte Küsse auf ihr Kinn und ihre Wangen hauchte.

„Danke“, sagte sie, als er sie schließlich losließ.

Sie hielt den Blick auf seine Hemdknöpfe geheftet, sodass es ihm schwerfiel, ihre Gedanken zu erraten. „Für den Kuss?“

Sie runzelte die Stirn. Er hatte sie aus der Fassung gebracht, und sie erholte sich nur langsam. „Dafür, dass du Madison wieder ins Fontaine Richesse kommen lässt.“

„Du warst überzeugend.“

Es kribbelte ihm schon wieder in den Fingern, sie zu berühren, und er wünschte, er hätte sie nicht so schnell losgelassen. Doch noch einen Moment länger, und der Drang, sie ins Haus zu tragen und den Rest der Nacht mit ihr zu verbringen, hätte ihn überwältigt.

Als könnte Scarlett seine Gedanken lesen, wich sie zurück. „Ich gehe jetzt besser. Gilt unsere Verabredung für morgen Abend noch?“

„Ich habe meine Meinung, was die Gefährlichkeit von Tiberius’ Akten betrifft, nicht geändert. Deshalb, ja.“

„Also ein Date.“

„Es ist kein Date“, murmelte er, doch angesichts seines schnellen Pulsschlages fragte er sich, wen er überzeugen wollte. Sie oder sich selbst.

„Dann willst du mir auch keinen Gutenachtkuss geben.“

Bevor er antworten konnte, war sie schon in ihren roten Sportwagen gestiegen und hatte den Motor angelassen.

Erst als die Rücklichter nicht mehr zu sehen waren, merkte er, dass er lächelte.

Als Scarlett in ihre Suite zurückkehrte, stellte sie als Erstes die Klimaanlage niedriger. Die Fahrt zum Hotel hatte nicht ausgereicht, um ihren Körper wieder auf normale Temperatur zu bringen.

Sie zog sich aus und trat unter die Dusche. Das kalte Wasser ließ sie erschauern, doch es konnte das Feuer nicht völlig löschen, das aufflackerte, sobald sie an Logans Lippen auf ihren dachte.

Immerhin etwas erfrischt schlüpfte sie in einen Bademantel und setzte sich ans Fenster, von wo aus sie einen herrlichen Blick auf den hell erleuchteten Vegas Strip hatte. Warum hatte Logan sie so geküsst?

Mit wilder Leidenschaft konnte sie umgehen, doch die Umarmung heute Abend war unglaublich romantisch gewesen. Sie hätte es nie für möglich gehalten, dass ein Mann wie Logan sie so zart küssen und dann gehen lassen könnte. Das explosive Knistern zwischen ihnen hatte sie vermuten lassen, dass er sie schnell und hart wollte. Nicht langsam und zärtlich.

Ein lautes Klopfen ließ Scarletts Herz schneller schlagen. War Logan ihr zum Hotel gefolgt, um dort weiterzumachen, wo sie vorhin aufgehört hatten? Wenn ja, dann war das Timing schrecklich. Ihr Haar war nass. Sie war ungeschminkt. Das einzig Verführerische war, dass sie unter dem Bademantel nackt war.

Einen Moment lang war sie wie gelähmt. Erst beim zweiten Klopfen sprang sie auf und ging an die Tür.

„Das wird aber auch Zeit“, sagte Violet und hielt eine Flasche von Tiberius’ Lieblingswhiskey hoch. „Es war ein langer, schrecklicher Tag, und ich brauche einen Drink.“

„Dito.“ Harper betrachtete Scarletts Aufzug, dann warf sie einen Blick in die Suite. „Wir stören dich doch nicht, oder?“

Scarlett lachte, doch es klang etwas nervös. „Kaum. Und ihr habt recht, was den Tag betrifft. Er war verrückt. Ich hole Gläser.“

Die drei Schwestern machten es sich auf der gemütlichen Couch in Scarletts Wohnzimmer bequem, jede ein Glas mit der bernsteinfarbenen Flüssigkeit in der Hand.

„Auf Tiberius“, sagte Violet mit ernster Stimme.

„Auf Tiberius“, wiederholten Harper und Scarlett, als sie miteinander anstießen.

„Wie ist es heute mit Logans Nichte gelaufen?“, fragte Harper, als Scarlett nachschenkte.

„Sie ist klasse. Sie will Schauspielerin werden. Ihre Familie ist entsetzt.“

Violet runzelte die Stirn. „Es gibt schlimmere Berufe.“

„Nicht, wenn man Logan reden hört. Er ist davon überzeugt, dass ich Madison ins Verderben führe.“

„Jetzt übertreib nicht.“ Harper war immer die Stimme der Vernunft. „Du eckst bei Logan an, weil es dir Spaß macht, ihn zu provozieren.“

Scarlett zuckte nur mit den Schultern. „Er hat mir von Anfang an gesagt, dass ich nicht sein Typ bin.“

„Und warum starrt er dich dann ständig so an?“ Violet musterte Scarlett über den Rand ihrer Brille hinweg.

Harper tätschelte Scarletts Hand. „Tut mir leid, dass ich es sagen muss, aber du gefällst allen Männern.“

„Nicht allen …“ Aber es waren nur wenige, die nicht anfällig für ihren Charme waren. Bis heute Abend hatte sie geglaubt, dass Logan zu diesen Männern gehörte. Der Kuss im Fahrstuhl hatte nur etwas beweisen sollen. Doch der Kuss eben … er war intim gewesen. Scarlett schüttelte den Kopf und machte der Fantasie ein Ende. Zu Violet sagte sie: „Heute ist etwas Komisches passiert. John Malcolm hat mir einen Umschlag von Tiberius gebracht.“

„Tiberius’ Anwalt?“ Harper schien verwirrt. „Was war in dem Umschlag?“

„Ein Schlüssel zu einem Lagerraum.“ Scarlett musterte ihre jüngere Schwester. „Wusstest du, dass Tiberius ganze Ordner voll mit Informationen über eine Menge Leute hat?“

Violet verneinte kopfschüttelnd.

„Wie Logan mir erzählt hat, enthalten die Ordner eine Menge Geheimnisse.“ Scarlett fiel es immer noch schwer, die Angelegenheit ernst zu nehmen.

„Interessant.“ Harper beugte sich vor und sah Violet an. „Hat er das dir gegenüber nie erwähnt?“

„Nein.“

„Wieso weißt du davon, Scarlett?“, fragte Harper.

„Weil Tiberius mir die Ordner hinterlassen hat.“ Scarlett nickte, als sie die Überraschung und Verwirrung ihrer Schwestern sah. „Verrückt, nicht wahr. Morgen fahre ich mit Logan zu diesem Lager.“

Violet grinste. „Mit Logan?“

Scarlett ignorierte den süffisanten Blick ihrer Schwester. „Er ist nur an den Ordnern interessiert.“

„Natürlich.“ Violet schien absolut nicht überzeugt.

„Ist es nicht komisch, dass Tiberius sie dir gegeben hat?“, hakte Harper nach.

„Vielleicht.“ Scarlett drehte das Glas zwischen ihren Händen. Sie hatte die zwei Drinks zu schnell hinuntergekippt. „Allerdings haben Tiberius und ich oft über die Geschichte von Las Vegas gesprochen. Ihm habe ich es zu verdanken, dass ich nächsten Monat die Mob Experience-Ausstellung eröffnen kann. Die Idee kam von ihm, und er hat mich ermutigt, sie zu verfolgen. Die meisten Dinge, die ausgestellt werden, hat er gesammelt oder sind von Menschen gestiftet worden, die er kannte.“

„Er hat sich gefreut, dass du seinen Geschichten zugehört hast“, sagte Violet. „Ich war mehr an der Zukunft interessiert.“

„Mich hat es fasziniert. Er hat die Vergangenheit dieser Stadt für mich zum Leben erweckt.“

Als sie sah, dass Violet gegen die Traurigkeit kämpfte, legte sie ihrer Schwester einen Arm um die Schulter. „Wie war es heute mit deiner Mom?“, fragte sie.

„Wie vermutet. Es ist nicht leicht für sie.“

Tiberius mochte nicht Suzanne Allens erste Liebe gewesen sein, aber es war die längste und größte. Auch wenn sie den Hotelbesitzer nie geheiratet hatte, so hatte sie doch zwanzig Jahre mit ihm zusammengelebt.

„Habt ihr schon einen Termin für die Beerdigung?“

„Noch nicht.“ Violet stieß einen langen Seufzer aus. „Es gibt etwas, was ich euch nicht gesagt habe. An Tiberius’ Tod ist etwas verdächtig.“

„Verdächtig?“, wiederholte Scarlett und bekam eine Gänsehaut. Plötzlich fand sie Logans Sorge nicht mehr amüsant.

Harper blickte so besorgt, wie Scarlett sich fühlte. „Ich dachte, er hätte einen Herzanfall gehabt.“

„Das hatte er auch, aber sie warten noch auf die Ergebnisse der toxikologischen Untersuchung. Der Ermittlungsbeamte hat Mom gesagt, dass Tiberius an einer Überdosis Digitalis gestorben sein könnte.“

4. KAPITEL

Eine Überdosis Digitalis.

Die Worte klangen Scarlett im Ohr, als sie sich für das „Date“ mit Logan ankleidete. Es musste unbeabsichtigt geschehen sein. Alles andere war absurd. Wer sollte einen alten Mann töten wollen?

Jemand, der etwas zu verstecken hatte. Sie schüttelte den Gedanken ab. Logan hatte ihr diesen Floh ins Ohr gesetzt.

Doch ihre Nervosität blieb. Allerdings lag das nicht nur an den rätselhaften Ordnern, die Tiberius ihr hinterlassen hatte, sondern daran, dass sie einen ganzen Abend allein mit Logan verbringen würde.

Scarlett zuckte erschreckt zusammen, als es an der Tür klopfte. Sie legte den Lippenstift zur Seite und holte tief Luft, um ihren rasenden Puls zu beruhigen. Würde er sich heute Abend ganz geschäftsmäßig geben, oder würde es wieder zu einer leidenschaftlichen Umarmung kommen?

Sie wusste, wie sie sich vor Männern schützen konnte, die ihr schaden wollten. Und wenn es um ihr Herz ging, so hatte Logan bereits bewiesen, dass er ein gefährlicher Gegner war.

Sie stand vor der Tür zur Diele und strich sich über die Hüften. Nie zuvor hatte sie sich so viele Gedanken darüber gemacht, was sie anziehen sollte. Schließlich hatte sie sich für eine enge schwarze Hose entschieden, dazu eine schwarze Bluse mit Flügel-ärmeln. Mit dem strengen Haarknoten und den zierlichen Perlenohrringen als einzigem Schmuck sah sie fast professionell aus.

Dann, weil sie nie tat, was man von ihr erwartete, setzte Scarlett noch eine Brille mit schwarzem Gestell auf. Jetzt sah sie aus wie eine sexy Sekretärin. Schließlich öffnete sie die Tür.

Logan kniff bei ihrem Anblick die Augen zusammen. „Was ist das für eine Aufmachung?“

Sie musterte ihn über den Brillenrand. „Findest du nicht, dass ich professionell aussehe?“

„Du siehst … gut aus.“

„Gut? Ich habe den ganzen Nachmittag damit verbracht, in meinem Kleiderschrank ein Outfit zu finden, das dir nicht peinlich ist.“

„Ich dachte, du hättest begriffen, dass ich an deiner Schauspielerei nicht interessiert bin.“

Scarlett schenkte ihm ein aufrichtiges Lächeln. „Willst du wirklich, dass ich aufhöre?“

„Warum sollte ich das nicht wollen?“

„Was passiert, wenn du anfängst, mein wirkliches Ich zu mögen?“ Es war eine mutige Frage, doch irgendetwas in seinen Augen sagte ihr, dass sie ihm nicht so gleichgültig war, wie er es gern hätte.

„Wie kommst du darauf, ich könnte dein wirkliches Ich mögen?“

„Gut gekontert“, murmelte sie, unbeeindruckt von seiner Frage. Sie reizte ihn, so viel stand fest. Er gehörte nicht zu den Männern, die ihre Zeit verschwendeten, wenn sie nicht interessiert waren. Im Moment reichte ihr das. „Ich habe vielleicht nicht die beste Ausbildung und bin auch nicht unbedingt geeignet, ein Hotel zu leiten, aber ich habe andere Talente.“

„Zum Beispiel?“

„Ich kann ziemlich gut Gedanken lesen.“

„Ich vermute, damit willst du mir sagen, dass du mich durchschaut hast.“

„Absolut nicht. Du warst schon immer eine harte Nuss.“ Sie lächelte ihn schief an. „Das macht dich so interessant.“

Scarlett nahm ihre Tasche und trat in die Diele. Logans Nähe, seine breiten Schultern und seine starke Persönlichkeit ließen Schmetterlinge in ihrem Bauch flattern. Aus reinem Selbstschutz sollte sie ihm aus dem Weg gehen, doch Scarlett war nie vor ihren Ängsten davongelaufen. Stattdessen hakte sie sich bei ihm ein und lächelte ihn an.

„Wohin führst du mich zum Essen aus?“

„In Paul Rubins neues Restaurant.“

Sie war begeistert. Romantisch und teuer. Damit hätte sie bei Logan nicht gerechnet. „Ich kann es nicht erwarten.“

Logan führte sie zum Fahrstuhl. „Wusstest du, dass man bei Tiberius’ Tod an Mord denkt?“, fragte er.

„Gestern Abend hat Violet davon gesprochen, dass die Polizei die Todesursache untersucht.“

„Er hatte eine Überdosis Digitalis in sich.“

„Sicher, aber er hat das Medikament wegen seines Herzens genommen. Könnte es nicht sein, dass er versehentlich zu viel genommen hat?“

„Das Digitalis in seinem Körper hatte eine andere chemische Zusammensetzung als das Medikament, das er einnahm. Jemand wollte, dass es nach einer unbeabsichtigten Überdosis aussah. Ich hoffe, das überzeugt dich davon, wie gefährlich es für dich ist, die Akten in deinem Besitz zu haben.“

„Deine Sorge ist rührend. Aber wir wissen doch gar nicht, warum Tiberius umgebracht wurde. Wenn es überhaupt ein gezielter Mord war. Er könnte ebenso gut das Opfer eines willkürlichen Verbrechens geworden sein.“

Autor

Cat Schield
<p>Cat Schield lebt gemeinsam mit ihrer Tochter, zwei Birma-Katzen und einem Dobermann in Minnesota, USA und ist die Gewinnerin des Romance Writers of America 2010 Golden Heart® für romantische Serienromane. Wenn sie nicht gerade neue romantisch-heiße Geschichten schreibt, trifft sie sie sich mit ihren Freunden um auf dem St. Croix...
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