Collection Baccara Band 371

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WIE KANN ICH DICH EROBERN, DARLING? von THOMAS, JACQUELIN
Er gilt als der Frauenschwarm New Yorks: der sexy Mode-Erbe Kyle Hamilton. Nur für Designerin Zoe ist er ihr arroganter, verletzender Exboss, den sie meidet. Doch während der Fashion Week gerät er in ein Intrigenspiel um Macht, Liebe und Eifersucht. Wird Zoe ihm beistehen?

HEIßE TRÄUME, VERBOTENE NÄHE von JAMES, SILVER
Albtraum oder Wunschtraum? Benommen erwacht Cord nach der Explosion auf seiner Ölplattform in der Klinik. Und an seinem Bett steht die schöne Jolie Davis: die Frau, die er begehrt, aber nie mehr lieben darf - unüberwindlich steht der Hass ihrer Familien zwischen ihnen!

DER MILLIONÄR UND DIE BIBLIOTHEKARIN von CROSS, CAROLINE
"Ihr Baby ist zur Hälfte meins. Entweder Sie werden meine Frau oder …" Susan traut ihren Ohren nicht. Sterling Churchill erpresst sie! Alles wollte sie für ihr Wunschkind tun. Aber einen Unbekannten heiraten, dessen Samenspende ihr zufällig dazu verhalf? Attraktiv ist er ja …


  • Erscheinungstag 13.09.2016
  • Bandnummer 0371
  • ISBN / Artikelnummer 9783733723330
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Jacquelin Thomas, Silver James, Caroline Cross

COLLECTION BACCARA BAND 371

JACQUELIN THOMAS

Wie kann ich dich erobern, Darling?

Zoe Sinclair ist die Frau, die Kyle begehrt, seit sie für ihn gearbeitet hat. Dass die schöne Designerin ihn abblitzen lässt, als er sie in New York während der Fashion Week trifft, stört den Milliardär nicht. Er hat ja nun sieben Tage, um sie endlich zu erobern und alle Missverständnisse von damals auszuräumen. Doch dann wird seine Schwester entführt …

SILVER JAMES

Heiße Träume, verbotene Nähe

Cord Barron! Krankenschwester Jolie zittern die Knie, als sie den Verletzten erkennt. Vor fünf Jahren trennte sich der Ölbaron von ihr und brach ihr dabei das Herz. Sie sollte eiskalt bleiben! Stattdessen bangt sie um ihn, will ihn umarmen, küssen. Und ganz unvernünftig das Geheimnis verraten, das sie vor ihm und seinem mächtigen Familienclan verbirgt …

CAROLINE CROSS

Der Millionär und die Bibliothekarin

Eine Fremde bekommt sein Baby? Sterling ist außer sich, als er es erfährt. Das Kind, das er mit seiner Ex wollte, erwartet durch eine Verwechslung im Kinderwunschzentrum nun die Bibliothekarin Susan Wilkins. Die Frau ist ihm egal. Ihre Gefühle auch, als er sie aufsucht, um seine Vaterrechte anzumelden. Bis sie ihn mit ihren schönen Augen fassungslos ansieht …

TITEL4

TEXT AUS DEM INH-PDF

1. KAPITEL

„Das ist der Letzte, Nelson“, verkündete Kyle Hamilton, als er den großen braunen Umzugskarton durch die Tür seines im fünfzehnten Stockwerk gelegenen Apartments trug.

Sein Cousin eilte Kyle entgegen, um ihn von seiner Last zu befreiten. „Danke, dass du mich bei dir wohnen lässt. Wenn alles so läuft wie geplant, bleibe ich nicht länger als ein paar Monate.“

Kyle wischte sich die Schweißperlen von der Stirn. „Mach dir keine Sorgen, Nelson. Du kannst so lange bleiben, wie du möchtest.“

„Bist du sicher, dass ich dich nicht störe? In ein paar Wochen fängt die Fashion Week an, und ich weiß, wie beschäftigt du bist. Mom treibt ihre Angestellten seit Monaten in den Wahnsinn, damit alles für ihre Show fertig ist.“

„Typisch Tante Vanessa“, erwiderte Kyle und lächelte. Vanessa Bonnard Hamilton war eine bekannte Modedesignerin. Bevor sie unter dem Namen Bonnard ihr eigenes Label gegründet hatte, war sie kurzzeitig für die Firma seines Vaters, Roger Hamilton Designs, beschäftigt gewesen.

Kyle schob sich an einem Stapel Umzugskartons vorbei in die Küche, wo er mehrere Flaschen Wasser aus dem Kühlschrank holte, bevor er zurück ins Schlafzimmer ging. Nelson Hamilton hatte bereits angefangen, die ersten Kartons auszupacken.

Kyle reichte seinem Cousin eine der Flaschen. „Ich gehe für ein paar Stunden in die Firma. Ich bin noch nicht ganz zufrieden mit der neuen Kollektion.“

„Ich dachte, es wäre alles schon fertig.“

„Im Großen und Ganzen ja, aber irgendwas fehlt noch. So geht es mir jedes Mal vor der Fashion Week.“

Kyle ging zur Tür. „Auf dem Küchentresen liegen Prospekte von verschiedenen Restaurants mit Lieferservice. Falls du Hunger hast und nicht rausgehen magst, bestell dir einfach was.“

Bevor Nelson etwas erwidern konnte, war Kyle schon zur Tür hinaus.

Kyle freute sich, dass sein Cousin in den nächsten Monaten seine großzügig geschnittene Vierzimmerwohnung mit ihm teilen würde. Nelson war vor einigen Jahren nach Los Angeles gezogen, um dort sein Glück als Schauspieler zu versuchen, war dann im Sommer jedoch wieder zurück nach Philadelphia gegangen. In regelmäßigen Abständen fuhr er zu Vorsprechterminen nach New York. Kyle selbst hatte Nelson vorgeschlagen, dauerhaft nach New York zu kommen.

Wegen einer Familienfehde zwischen seiner Mutter und dem Rest des Hamilton-Clans wollte Nelson gerade nicht in seinem Elternhaus in Philadelphia wohnen. Daher hatte er keinen Moment gezögert, Kyles großzügiges Angebot anzunehmen.

Während die anderen New Yorker sich den Feierlichkeiten anlässlich des Labour Days hingaben, fuhr Kyle zu den Büros von Roger Hamilton Designs im historischen SoHo-Bezirk. SoHo war eines der angesagtesten Viertel in Manhattan, das Künstler und andere Menschen, die das alternative Leben suchten, anzog. Hier fand man viele kleine Boutiquen und interessante Läden.

Kyle erreichte die Firmenräume und deaktivierte die Alarmanlage, bevor er das menschenleere Büro betrat und die Tür hinter sich zuzog. Alle Angestellten von RHD genossen das lange Wochenende. Denn Kyle hatte darauf bestanden, dass sich alle freinahmen, weil er allein besser arbeiten konnte.

Kyle holte ein Kleid aus seiner Schutzhülle hervor und legte es vor sich auf den Mahagonitisch in seinem weiträumigen Büro. Kritisch betrachtete er das Kleidungsstück, bevor er ein Stück transparenten Chiffon holte, den er als Kragen um den Halsausschnitt des Kleides drapierte.

Er lächelte zufrieden, als er den Stoff an den entsprechenden Stellen mit Stecknadeln festheftete und anschließend wieder behutsam in die Schutzhülle gleiten ließ. Eines nach dem anderen holte er die Kleider der aktuellen Kollektion hervor und unterwarf sie einer kritischen Betrachtung. Hier kürzte er einen Saum, dort fügte er ein Detail hinzu. Die neue Frühlings-/Sommerkollektion musste auf der Fashion Week einschlagen wie eine Bombe. Alles andere wäre inakzeptabel. Wenn es nach Kyle ginge, würde die Fashion Show von RHD dieses Jahr den Maßstab für die gesamte Branche setzen.

Kyle war mit seinen vierunddreißig Jahren der älteste Sohn von Lila und Roger Hamilton. Er ging davon aus, dass er RHD irgendwann selbst führen würde, und so setzte er alles daran, seinen Eltern zu beweisen, dass er ein würdiger Nachfolger war. In den letzten drei Saisons hatte Kyle fantastische Kritiken für seine Kreationen erhalten und war sogar mit einer der renommiertesten Auszeichnungen der Branche zum Designer des Jahres gekürt worden.

Kyles Großeltern väterlicherseits hatten früher eine Textilreinigungskette in Philadelphia besessen, Kyles Vater Roger wollte jedoch einen anderen Weg einschlagen. Roger zog nach New York und machte sich dort nach kurzer Zeit einen Namen als Designer. Schon bald nach seinem Umzug traf er Lila Eustace, die anfing, als Model für ihn zu arbeiten. Innerhalb weniger Jahre gelang es Roger, die Firma RHD zu einem großen Namen aufzubauen, und auch Lila begann, für die Marke zu designen. Schließlich folgte Kyle dem Vorbild seiner Eltern. Er hatte sich nichts Geringeres vorgenommen, als ihren Erfolgskurs fortzusetzen und das Unternehmen weiter auszubauen.

Es war kurz nach sechs Uhr abends, als Kyle schließlich das Gebäude verließ. Als er hinter sich zwei Frauen aufgeregt tuscheln hörte, grinste er amüsiert. Ihm war bewusst, dass er mit seinen ein Meter neunzig und dem durchtrainierten Körper eine gewisse Wirkung auf die Damenwelt ausübte.

Kyle pfiff leise vor sich hin, als er die Wagentür öffnete und auf dem Fahrersitz Platz nahm. Wenn Nelson sich noch nichts bestellt hatte, würde Kyle mit ihm zu Abend essen. Der Gedanke, dass sein Cousin in den nächsten Monaten bei ihm wohnen würde, erfüllte ihn mit Freude. Nelsons Anwesenheit würde das Gefühl der Einsamkeit, das ihn in den letzten Monaten häufiger überkam, hoffentlich etwas dämpfen.

Kyles Mutter machte immer wieder Anspielungen in die Richtung, dass es vielleicht an der Zeit sei, eine Familie zu gründen. Bei dem Gedanken daran musste Kyle lächeln. Natürlich fragte er sich manchmal, wie es wäre, wenn ihn jemand zu Hause erwartete. Eine Frau, die ihn liebte, die zärtlich und süß war. Kyle verbot sich diese Gedanken jedoch immer sofort, weil er sich sehr wohl klar darüber war, dass er nicht zum liebenden Ehemann taugte. Außerdem hatte er nicht die geringste Lust zu heiraten. Das Einzige, was für ihn zählte, war seine Arbeit.

„Genau wie beim letzten Mal. Sie haben uns schon wieder den Termin nach der RHD-Show gegeben.“

Seit fünfzehn Minuten hörte Zoe ihrem Boss dabei zu, wie er sich über den Tag, der ihnen für die Show auf der Fashion Week zugewiesen worden war, beschwerte. Zoe spürte, wie sie immer ungehaltener wurde.

„Jerry, es ist doch völlig egal, wann die Show von RHD stattfindet. Unsere neue Kollektion ist umwerfend.“ Sie schlug einen sanfteren Ton an. „Die Kleidungsstücke werden reißenden Absatz finden.“

Jerry seufzte und nickte dann. „Du hast wahrscheinlich recht.“

Ihr Boss, der mit einer braunen Lederhose und einem bunt gestreiften Pullover bekleidet war, begann im Raum auf und ab zu gehen, während er unaufhörlich an seinem kleinen Ziegenbärtchen zupfte.

Zoe sah ihm einen Moment lang ungerührt zu, bis sie die Arme vor der Brust verschränkte und sich in ihrem Stuhl zurücklehnte. „Wann hörst du endlich auf, ständig mit Kyle zu konkurrieren?“ Zoe hatte noch nie jemanden wie Jerry Prentice kennengelernt. Normalerweise schien er alles im Griff zu haben, doch fiel der Name Kyle Hamilton, sah Jerry plötzlich rot. Zoe fand sein Verhalten einfach nur albern.

Es war allgemein bekannt, dass Jerrys und Kyles gemeinsame Geschichte weit in die Vergangenheit zurückreichte. Ihr erbitterter Wettstreit hatte begonnen, als sie zusammen am College Modedesign studierten. Nach dem Studienabschluss hatte sich ihre Rivalität noch verschärft. Kyle fing an, im Familienunternehmen zu arbeiten, und Jerry nahm einen Job bei Guava International an – dem größten Konkurrenten von RHD.

„Kyle und ich stehen nicht in Konkurrenz“, entgegnete Jerry gereizt. „Ich kann diesen Typen und sein großes Ego einfach nicht ertragen.“

Zoe hatte ihre eigenen Probleme, wenn es um Kyle ging, aber sie war fest entschlossen, nicht darüber nachzudenken. Die Vorbereitungen auf die Fashion Week erforderten ihre ungeteilte Aufmerksamkeit, und sie konnte es sich nicht leisten, ihre Energie auf den Mann zu verschwenden, der erst mit ihren Gefühlen gespielt und sie dann, ohne mit der Wimper zu zucken, einfach aus seinem Leben gestrichen hatte.

Gegen ihren Willen stieg das Bild von Kyles Gesicht in ihrem Kopf auf, und für einen ganz kurzen Moment gestattete Zoe sich, das angenehm warme Gefühl zu genießen, das auf einmal ihren Körper überflutete. Innerhalb von Sekunden wandelte es sich jedoch in kalte Wut. Zu ihrem eigenen Besten sollte sie sich lieber darauf konzentrieren, diesen Groll in sich zu bewahren.

Abrupt schob Zoe den Stuhl von ihrem Schreibtisch und erhob sich, um zu einem voll behängten Kleiderständer zu gehen. Aus den verschiedenen Outfits zog sie eines hervor. „Das hier ist unser Knüller, Jerry. Es ist die beste Arbeit, die du bisher gemacht hast.“

Ein breites Lächeln breitete sich auf Jerrys Gesicht aus. „Dem kann ich nur zustimmen.“

„Hör auf, dich mit Kyle Hamilton zu beschäftigen. Verwende deine Kreativität lieber auf deine Arbeit, anstatt dich in negativen Gedanken zu verlieren.“

„Und was ist mit dir? Hast du etwa aufgehört, an ihn zu denken?“

Zoe drehte sich zu Jerry um, sodass sie ihm ins Gesicht sehen konnte. „Ich habe keine Ahnung, wovon du sprichst. Kyle war mein Boss. Nicht mehr und nicht weniger.“

Jerry blickte sie an, sagte aber kein weiteres Wort.

Zoe, die das Thema damit als abgeschlossen betrachtete, holte ein dunkelrotes Kleid von dem Kleiderständer und fuhr prüfend mit den Fingern über den glänzenden Stoff. „Ich denke, dass wir noch mehr Federn für das Oberteil nehmen sollten.“

„Hm … vielleicht sollten wir auch noch ein bisschen Tüll verwenden.“

„Und Schmucksteine.“

Jerry lächelte zustimmend und nickte.

Erneut wanderten Zoes Gedanken zu Kyle Hamilton. Natürlich verstand sie, weshalb Jerry so einen Heidenrespekt vor ihm hatte. Das, was Jerry für Arroganz hielt, war tatsächlich Kyles unerschütterliches Selbstvertrauen. Kyle war ein kreatives Genie. Jerry war zwar auch sehr talentiert, aber Kyle spielte einfach in einer anderen Liga.

Zoe lenkte ihre Aufmerksamkeit wieder zurück zu den Kleidern, aber die Bilder von Kyle mit seinem kurz geschnittenen schwarzen Haar, den dunkelbraunen Augen und dem unglaublich attraktiven Lächeln überfluteten sie förmlich.

„Zoe?“

„Wie?“ Innerlich schüttelte sie die Gedanken ab. „Tut mir leid, Jerry. Ich habe gerade an etwas anderes gedacht.“

„Ich wollte den schöpferischen Moment nicht stören.“

„Kein Problem.“ Zoe nahm einen Skizzenblock zur Hand und nahm einige Änderungen an einer Zeichnung vor.

Jerry kam zu ihr herüber und blickte auf die Zeichnung. „Gut, das gefällt mir.“ Dann ging er zur Tür. „Bring den Entwurf zu Martha in den Nähraum, wenn du fertig bist. Sie soll gleich damit anfangen.“

Zoe blickte nicht von ihrer Arbeit auf. Aus dem Korridor konnte sie Jerrys Stimme hören, wie er den anderen Angestellten Anweisungen gab. Wenn die Fashion Week anstand, war er noch angespannter als gewöhnlich.

Nachdem Zoe alle Änderungen vorgenommen hatte, nahm sie das Kleid und die Zeichnung und ging aus dem Büro, um alles an Martha weiterzugeben. Als Zoe aus der Tür trat, sah sie eine schlanke Frau, die nicht weit von ihrem Büro im Flur stand. Zoe seufzte irritiert.

Normalerweise verstand Zoe sich mit den meisten Menschen. Sie konnte an einer Hand abzählen, wen sie nicht mochte. Und Sasha Jones gehörte zu den Letzteren. Die Frau fühlte sich dazu berufen, jedes Geheimnis aufzuspüren und bei den Angestellten von Guava zu verbreiten, wenn sie nicht gerade damit beschäftigt war, Zoe das Leben zur Hölle zu machen. Aus irgendeinem unerfindlichen Grund hatte Sasha Zoe zu ihrer persönlichen Feindin erkoren.

„Änderst du das Kleid etwa schon wieder? Was stimmt denn nicht, Süße? Stellst du deine Arbeit infrage?“

Zoe atmete betont ruhig aus. Auch ihre Geduld hatte Grenzen. Und die waren jetzt erreicht. „Ich stelle überhaupt nichts infrage, Sasha. Aber ich hoffe, du bist nicht zu enttäuscht, dass meine Entwürfe in dieser Saison für die Show ausgewählt wurden.“

Sashas Augen blitzten vor Wut.

Zoe musste ein Lächeln unterdrücken, als sie um Sasha herumlief und weiter zum Nähraum ging. Sie konnte es sich nicht erklären, weshalb Jerry Sasha noch weiter beschäftigte. In Zoes Augen tat sie nicht viel, außer ihre Nase in fremde Angelegenheiten zu stecken und Unfrieden zu stiften.

Aber es gibt Wichtigeres zu tun, als sich mit dieser Zicke zu beschäftigen, entschied Zoe und verbannte jeden weiteren Gedanken an Sasha aus ihrem Kopf.

„Was für eine Hexe!“ Sasha schäumte vor Wut. Sie hasste alles an Zoe Sinclair. Am meisten brachte es sie auf die Palme, wie begeistert Jerry von Zoes Entwürfen war. Zugegeben, Zoe Sinclair war talentiert, aber auch nicht mehr als alle anderen Designer, die bei Guava arbeiteten.

Bevor Zoe bei Guava angefangen hatte, war Sasha der unbestrittene Mittelpunkt der Angestellten hier gewesen.

Und dann hatte Zoe alles zerstört. Seitdem sie da war, hatte sich die Beziehung zwischen Sasha und Jerry vollkommen verändert. Sie beide waren sogar ein Liebespaar gewesen, bis Jerry sich zu Zoes Mentor berufen fühlte. Sehr zu Sashas Ärger.

Alles war zerstört, seit Zoe da war.

Sasha kochte innerlich, als sie ohne ein Wort an einigen ihrer Kollegen in Richtung des Nähraums stürmte, wo Zoe mit einer der Näherinnen in eine angeregte Unterhaltung vertieft war.

Eine Welle von Hass überkam Sasha bei Zoes Anblick.

Mit ihren ein Meter siebenundsiebzig überragte Zoe Sasha um fast zehn Zentimeter, und obwohl Zoe mit ihrem gebräunten Teint und ihren mandelförmigen Augen im Allgemeinen für schön gehalten wurde, fand Sasha sie einfach nur mittelmäßig.

Sasha fuhr sich mit den Fingern durch die langen, lockigen Extensions. Sie war attraktiv und wusste das auch. Ebenso wie Zoe war sie immer topmodisch gekleidet, wobei Sasha Erdtöne bevorzugte und schlichte Ketten aus Silber oder Gold trug. Zoe hingegen mochte lieber leuchtende Farben und auffällige Schmuckstücke.

Auf einmal fiel Zoes Blick auf sie. „Suchst du etwas, Sasha?“

Sasha errötete, während sie verzweifelt nach einer Ausrede suchte. „Ich … ich suche Jerry.“

„Warum gehst du nicht in sein Büro? Es liegt am anderen Ende des Gebäudes.“

Sasha sah Zoe wütend an, ohne jedoch etwas zu erwidern.

Die Näherin schien sich zu amüsieren, bis Sasha ihr einen eiskalten Blick zuwarf, der ihre Belustigung im Keim erstickte. Sasha machte auf dem Absatz kehrt.

Zoe Sinclair würde den Tag, an dem sie bei Guava International angefangen hatte, noch bereuen. Dafür würde Sascha persönlich sorgen.

Nelson war immer noch dabei, sich in seinem Zimmer einzurichten, als Kyle zurückkam.

„Tut mir leid, dass ich vorhin einfach abgehauen bin.“

„Kein Ding“, erwiderte Nelson, als er einen Stapel ordentlich gefalteter Hemden in den Schrank räumte. „Ich weiß, wie stressig die Zeit vor einer großen Show sein kann. Das habe ich live miterlebt, als ich noch bei meiner Mutter gelebt habe.“

Kyle ließ sich auf die Kante des Kingsize-Bettes sinken.

„Ich kann immer noch nicht fassen, was sie getan hat. So was macht man einfach nicht mit seiner Familie“, fuhr Nelson fort.

Kyle wusste, dass Nelson von seiner Mutter Vanessa sprach. Der Presse gegenüber hatte sie Details von der Affäre ihres Exmannes mit ihrer Schwester durchsickern lassen. Kyle hatte davon durch Harper, Nelsons Bruder, erfahren.

Harper war so angewidert von dem Verhalten seines Vaters gewesen, dass er dessen Rechtsanwaltskanzlei verlassen und sein eigenes Büro gegründet hatte. Vor Kurzem hatte er bereits ein zweites Büro in New York eröffnet.

„Hast du schon was gegessen?“

Nelson schüttelte den Kopf. „Ich wollte erst noch auspacken. Das Zimmer ist wirklich toll. Dein Apartment könnte auf der Titelseite eines Einrichtungsmagazins stehen. Ich kann immer noch nicht glauben, dass du es allein eingerichtet hast.“

Kyle lachte. „Um ehrlich zu sein, haben Bailey und Brianna mir ein paar Tipps gegeben.“

„Wenn ich irgendwann mal meine eigene Wohnung habe, bitte ich sie um Hilfe.“

Kyle und Nelson verließen das Apartment und gingen in ein nahe gelegenes Restaurant.

„Das ist eines meiner Lieblingsrestaurants“, erklärte Kyle, als sie in einer der Sitzecken Platz nahmen.

„Ja, ich habe schon gehört, dass das Essen hier sehr gut sein soll. Freunde von mir haben es mir erzählt, als ich das letzte Mal bei einem Vorsprechen in New York war.“

„Hast du schon was gehört?“

„Nicht nach der zweiten Runde. In ein paar Wochen habe ich noch ein Vorsprechen, aber in der Zwischenzeit muss ich dringend einen Job finden.“

„Warum arbeitest du nicht für mich?“, schlug Kyle vor. „Meine Assistentin hat aufgehört, und ich brauche einen Ersatz. Die Arbeitszeiten sind ziemlich flexibel, nur während der Fashion Week ist natürlich viel zu tun.“

Nelson grinste. „Mann, Kyle, vielen Dank für das Angebot. Ich wüsste nicht, was ich ohne dich tun sollte.“

„Ist doch selbstverständlich. Ich muss dich nur vorwarnen, dass die Modewelt hinter den Kulissen weniger glamourös ist, als man gemeinhin annimmt, Nelson.“

„Natürlich, ich weiß, wie es da läuft. Was meinst du, warum Mutter nie wollte, dass einer von uns in die Modebranche geht?“

„Dann wird sie vermutlich nicht erfreut darüber sein, wenn du mein Assistent wirst.“

Nelson zuckte mit den Schultern. „Ehrlich gesagt, ist mir das herzlich egal. Ich bin alt genug, um meine eigenen Entscheidungen zu treffen.“

Kyles Handy klingelte.

„Dein Telefon klingelt ja schon wieder. Die Kleine muss es wirklich ernst meinen.“

Kyle grinste. „Das ist dieses Mädel, mit dem ich vor einer Weile ausgegangen bin. Sie ist zur Fashion Week in New York und will mich sehen.“ Er hob sein Wasserglas an die Lippen und trank.

Nelson lehnte sich in seinem Stuhl zurück. „Lass mich raten. Sie ist bestimmt ein Model, oder?“

„Eigentlich ist sie Malerin. Ich hab vor ungefähr einem Jahr aufgehört, mich mit Models zu treffen.“

Nelson lachte. „Du warst schon immer ein Aufreißer.“

„Hey, ich kann nichts dafür, dass die Frauen auf mich stehen.“

„Immer noch so bescheiden wie früher“, erwiderte Nelson und lachte. „Was ist eigentlich aus der Balletttänzerin geworden?“

„Sie hat beim Harlem Dance Theater angefangen und sich dann in einen der Tänzer verliebt. Drei Monate, nachdem sie mit mir Schluss gemacht hat, hat sie den Typen geheiratet.“ Kyle nahm ein paar Pommes Frites von seinem Teller und schob sie sich in den Mund.

„Autsch, das muss wehgetan haben.“

Kyle zuckte mit den Schultern. „Es hat vor allem meinen Stolz getroffen. Ich mochte sie wirklich gern, aber ich wollte mich auch noch nicht festlegen. Das ist bisher mit allen Frauen in meinem Leben das Problem gewesen. Sie wollten alle immer sofort heiraten und Kinder kriegen. Aber das ist nicht meins. Es würde meine Kreativität komplett einschränken.“

„Ich glaube, du hast einfach noch nicht die Richtige getroffen“, stellte Nelson trocken fest.

„Ich muss meine Ziele im Auge behalten. RHD wird irgendwann mir gehören, und ich will das Unternehmen zu ganz neuen Höhen führen. Und dafür muss ich mein Leben in den Dienst der Firma stellen.“

„Willst du denn dein Leben lang Junggeselle bleiben?“

„Wer weiß schon, was die Zukunft bringt? Aber ja, im Moment konzentriere ich mich nur auf RHD. Du weißt, dass viele Leute denken, ich hätte meinen Job nur, weil die Firma der Familie gehört. Ihnen ist überhaupt nicht klar, dass ich auch hart dafür gearbeitet habe, aber das ist mir egal. Diese Idioten stacheln mich nur dazu an, noch härter zu arbeiten.“

Während Kyle über die Bedeutung seiner Arbeit sprach, musste er plötzlich an die einzige Frau denken, die nicht versucht hatte, ihn in eine feste Beziehung zu zwingen.

Zoe Sinclair.

Zoe war Praktikantin bei RHD gewesen. Nachdem Kyle sie zum ersten Mal gesehen hatte, musste er sich anstrengen, nicht unentwegt an sie zu denken. Irgendwie war da eine Anziehungskraft zwischen ihnen, aber Kyle ließ es nie so weit kommen, dass sich etwas Ernstes zwischen ihnen hätte entwickeln können.

Manchmal überkam ihn immer noch ein Gefühl des Bedauerns, weil Zoe bei RHD aufgehört hatte und er die Zusammenarbeit mit ihr vermisste. Insgesamt war Kyle jedoch davon überzeugt, dass Zoes Entscheidung das Beste für alle Beteiligten gewesen war.

Denn insgeheim wusste Kyle auch, dass ihn die Vorstellung an das, was zwischen ihnen hätte passieren können, völlig durcheinanderbrachte.

Zoe Sinclair war fraglos eine Ablenkung, die Kyle nicht gebrauchen konnte.

2. KAPITEL

Zoe ließ sich auf die Couch ihres Wohnzimmers sinken und griff nach der Fernbedienung. Himmel, ich muss mich ablenken. Ich sollte endlich aufhören, an ihn zu denken, dachte sie. Immer wieder erschien das Bild von Kyle Hamilton in dem schwarzen Rollkragenpullover und den schwarzen Jeans, die inzwischen zu seinem Markenzeichen geworden waren, vor ihrem inneren Auge.

„Warum kann ich bloß nicht aufhören, an ihn zu denken?“, flüsterte sie.

In den letzten Jahren war Zoe für jeden Moment dankbar, in dem sie nicht an Kyle denken musste. In letzter Zeit schien es ihr jedoch unmöglich, auch nur einen Gedanken zu fassen, ohne dass sein Bild in ihr aufstieg. Wahrscheinlich lag es an der Fashion Week, dem Stress, den die langen Arbeitstage mit sich brachten. Ihr Selbstschutz schien völlig außer Kraft gesetzt zu sein. Wenn sie an Kyle dachte, schienen sich ihre Gedanken im Kreis zu drehen. Sie musste endlich damit aufhören. Musste die Gefühle, die er immer noch in ihr weckte, endlich ersticken und ihre Selbstkontrolle wiedergewinnen.

Vor fünf Jahren hatte Zoe bei RHD aufgehört und bei Guava International angefangen. Seitdem hatte sie nichts mit Kyle zu tun gehabt, abgesehen von einigen wenigen beruflichen Kontakten. Das war nicht weiter verwunderlich, da es um ihre und Kyles Beziehung nicht gerade zum Besten stand. Trotzdem hatte Zoe es geliebt, mit den Hamiltons zu arbeiten, auch wenn sie es nie zugegeben hätte. Zum Schluss sah Zoe allerdings keinen anderen Ausweg mehr, als den Arbeitgeber zu wechseln.

Wenn Zoe an den erleichterten Gesichtsausdruck zurückdachte, den Kyle gemacht hatte, als sie die Kündigung einreichte, regte sie sich auch jetzt noch auf. Zoe hatte insgeheim gehofft, dass Kyle versuchen würde, sie zum Bleiben zu überreden, aber er hatte nichts dergleichen getan. Anscheinend war es ihm vollkommen gleichgültig, ob er sie wiedersehen würde oder nicht.

Zoe versuchte, die destruktiven Gedanken abzuschütteln. Reiß dich zusammen, schalt sie sich. Beruflich läuft doch alles super. Mehrere Entwürfe von ihr würden bei der Show von Guava International auf den Laufsteg geschickt, und sie hatte hart gearbeitet, um das zu erreichen.

Wenn ich nur jemanden hätte, der sich mit mir über meine Erfolge freuen würde, dachte sie bedauernd. Als Zoe den Fashionkanal gefunden hatte, hörte sie auf zu zappen. Der Moderator interviewte gerade einen jungen Designer, dessen erste Show von einem bekannten Weinbrandhersteller gesponsert wurde. Große Häuser wie RHD und Guava International hatten das nicht nötig, und Zoe konnte sich glücklich schätzen, dort untergekommen zu sein. Sehr glücklich. Und dennoch fragte sie sich manchmal, wie sich alles entwickelt hätte, wenn sie bei RHD geblieben wäre.

Zoe seufzte leise. Sie hätte niemals bleiben können. Diese Verbindung zwischen ihr und Kyle war viel zu intensiv gewesen, und wenn sie an die Frau zurückdachte, die sie damals war, konnte sie sich selbst nicht leiden. Nein, Zoe hatte keine andere Wahl gehabt, als sich einen anderen Job zu suchen. Während ihrer Zusammenarbeit waren sie und Kyle sich nahegekommen. Zu nahe. Denn nachdem sie sich einmal geküsst hatten, war nichts mehr wie zuvor. Zoe hatte damals fraglos die richtige Entscheidung getroffen.

Aber weshalb fühle ich mich jetzt so schrecklich? fragte sie sich.

„Wir treffen uns heute Abend mit Cameron Childs und der Eventplanerin“, erklärte Kyle, während er die Einträge in seinem Kalender studierte. Nelson und Kyle saßen in seinem Büro und gingen die Termine für die nächsten Tage durch. „Anschließend kommen wir wieder hierher. Dad will jeden kennenlernen, der mit der Show zu tun hat.“

„Cameron habe ich letztes Jahr in Philly getroffen. Er war auf einer von Tante Jeanettes Wohltätigkeitsveranstaltungen.“

„Er wird die RHD-Party moderieren“, erklärte Kyle. „Außerdem müssen wir zum Lincoln Center, um zu checken, ob alles, was wir für die Show brauchen, auch wirklich geliefert wurde. Die Zelte stehen schon. Kannst du bitte die Parfümproben für die Präsenttaschen zum Empfang bringen? Die werden alles vorbereiten.“

Nelson, der sich alles auf seinem iPad notiert hatte, blickte auf und nickte. „Klar, wird sofort erledigt.“

Als sie schließlich aus dem Gebäude traten, um ins Childs Hotel zu fahren, wartete draußen schon ein Wagen auf sie. Im Childs Hotel würde die Party von RHD stattfinden.

Der Wagen hielt am Eingang des Hotels, wo sie ausstiegen und in die Lobby gingen. Dort wurden sie von Roberta Dallard, der Eventplanerin des Hotels, bereits empfangen. Roberta bat sie, ihr nach oben ins Restaurant zu folgen.

Cameron Childs hatte bereits an einem der elegant eingedeckten Tische Platz genommen. Als sie sich dem Tisch näherten, erhob er sich, um ihnen die Hand zu schütteln. „Guten Tag, die Herren.“

Die Männer warteten, bis Roberta Platz genommen hatte, dann setzten auch sie sich.

„Roberta, könnten Sie uns bitte auf den neuesten Stand bringen, was die Vorbereitungen angeht?“

„Selbstverständlich“, erwiderte sie und lächelte. „Die Tischdecken wurden inzwischen angeliefert und sind in einwandfreiem Zustand. Ich habe jede einzelne persönlich inspiziert.“

Roberta berichtete von weiteren Details, und Kyle bemerkte, dass Cameron Childs, ganz entgegen seiner sonstigen Art, abgelenkt wirkte. Seltsam für jemanden, der selbst ein nicht unbedeutender Sponsor von RHD war und eigentlich interessiert am Erfolg der Firma sein sollte. Was mag der Grund sein? fragte Kyle sich.

„Es läuft also alles nach Plan“, fasste er zusammen, als Roberta ihren Bericht beendet hatte. „Dann kann Mom sich endlich entspannt zurücklehnen.“

Cameron lachte. „Lila hat mich diese Woche schon zweimal angerufen.“

„Das wundert mich nicht. Sie ist eine absolute Perfektionistin.“

„Tu doch nicht so …“, warf Nelson grinsend ein, „… als ob du weniger perfektionistisch wärst.“

Dem konnte Kyle nicht widersprechen. „Roberta, bitte stellen Sie sicher, dass der Florist die Blumengestecke nicht früher als eine Stunde vor Beginn der Veranstaltung liefert. Ich möchte vermeiden, dass sie länger als nötig rumstehen und welk werden.“

Roberta nickte. „Ich schicke dem Floristen am Tag vor der Veranstaltung eine Erinnerung.“

Kyle blickte verstohlen zu Cameron, welcher der Unterhaltung überhaupt nicht zu folgen schien.

Der Kellner brachte ihre Bestellungen an den Tisch.

„Ich schicke Ihnen das Menü dann per E-Mail“, sagte Roberta. „Soll ich es auch an Ihre Mutter senden?“

Kyle nickte. „Es reicht eigentlich aus, wenn Sie es nur an meine Mutter schicken. Sie hat immer ganz genaue Vorstellungen.“

Als sie aufgegessen hatten, bat Roberta die Herren, sie zu entschuldigen. „Ich habe in einer Viertelstunde ein weiteres Meeting. Kyle, rufen Sie mich an, wenn Sie noch irgendetwas ändern wollen.“

„Ich denke, das wird nicht nötig sein. Vielen Dank für Ihre Hilfe, Roberta.“

Roberta lächelte. „Es war mir ein Vergnügen.“

Kyle und Nelson nahmen Robertas Aufbruch auch zum Anlass zu gehen und verabschiedeten sich per Handschlag von Cameron. Als sie wieder allein waren und zum Fahrstuhl gingen, wandte Nelson sich an Kyle. „Hast du eigentlich auf alle Frauen diese Wirkung? Roberta hat meine Anwesenheit kaum bemerkt.“

„Wovon sprichst du?“

„Dir ist nicht aufgefallen, dass Roberta dich während des gesamten Meetings nicht einmal aus den Augen gelassen hat? Oder wie sie ‚Vergnügen‘ betont hat?“

Kyle lachte kurz auf. „Cousin, du hast eine lebhafte Fantasie. Ob du’s glaubst oder nicht, aber nicht alle Frauen sind an mir interessiert.“ Bei diesen Worten hatte er eine ganz bestimmte Frau im Kopf.

„Na klar, die Frauen, die dich noch nicht getroffen haben“, konterte Nelson und lachte.

Kyle konnte sich noch genau an den Tag erinnern, als Zoe bei RHD angefangen hatte. Damals war sie noch am College und ganz aufgeregt, dass sie die Gelegenheit hatte, ein Praktikum in einem großen Modehaus zu absolvieren. Zuerst hatte sie sich Kyle gegenüber verhalten, als ob sie ihn nicht leiden könnte. Aber ihr Verhalten schreckte ihn nicht im Geringsten ab. Ganz im Gegenteil, es reizte ihn. Wenn Zoe älter gewesen wäre, hätte er vielleicht versucht, sie zu erobern.

Wie sich die Dinge wohl entwickelt hätten, wenn ich nicht so anständig gewesen wäre? fragte Kyle sich.

Die Aufzugtüren öffneten sich.

Mein Gott, Zoe! Kyle war geschockt, sie plötzlich vor sich zu sehen. Waren seine Gedanken gerade Realität geworden?

Zoe trug eine braune Stoffhose und ein weißes Hemd, das ohne den großen Amethystanhänger, der an einer dicken Silberkette um ihren Hals hing, und die passenden Ohrringe fast streng ausgesehen hätte. Sie duftete fantastisch, und Kyle fühlte sich magisch von ihr angezogen.

Beide standen einen Moment regungslos da und starrten sich an.

Eigentlich starrte vor allem Kyle, während sie ihn zornig anblitzte.

Fast widerwillig rührte sie sich schließlich und machte einen Schritt zur Seite, um Nelson und Kyle Platz zu machen.

Kyle räusperte sich. „Hi, Zoe. Schön, dich zu sehen. Lang ist es her.“

„Freut mich auch, Kyle.“ Zoe verhielt sich zwar höflich, aber deutlich reserviert.

Seit Zoe vor fünf Jahren bei RHD aufgehört hatte, war ihr Verhältnis merklich abgekühlt. Es war Kyle nicht unbemerkt geblieben, dass sie ihn offensichtlich mied, obwohl er den Grund dafür nie recht verstanden hatte.

„Ich stelle fest, dass du noch genauso zugänglich bist wie früher.“

„Und du noch genauso arrogant“, schoss Zoe zurück.

Nelson blickte von einem zum anderen. Nach kurzem Zögern streckte er Zoe die Hand entgegen. „Ich bin Nelson Hamilton. Kyle ist mein sehr unhöflicher Cousin.“

Zoe nahm seine Hand und schüttelte sie. „Ich freue mich, Sie kennenzulernen.“ Sie bedachte ihn mit einem warmen Lächeln.

Auf einmal fühlte Kyle sich ganz leer. Es hatte eine Zeit gegeben, in der Zoe ihn genauso angelächelt hatte. Als dieses Lächeln für ihn reserviert war. Kyle blickte sie verstohlen an. Zoe strahlte Nelson förmlich an, als sie begannen, sich zu unterhalten. Ihn würdigte sie keines Blickes.

„Wie lange bleiben Sie in New York?“

„Eigentlich will ich mich hier dauerhaft einrichten.“

„Das kann ich gut verstehen. New York ist eine schöne Stadt zum Leben.“

Nelson lächelte sie an. „Dem kann ich nur zustimmen.“

Irritiert blickte Kyle zwischen ihnen hin und her. Sie hatten ihn vollkommen ausgeschlossen. „Wie geht’s dir denn so, Zoe?“

Zoe sah zu ihm herüber, als habe sie jetzt erst seine Anwesenheit bemerkt. „Sehr gut“, erwiderte sie kühl. „Könnte nicht besser sein.“

Wieder wandte sie ihre gesamte Aufmerksamkeit Nelson zu. „Sie wissen bestimmt, dass man in New York viel unternehmen kann …“

Hat sie mich gerade einfach so abblitzen lassen? fragte Kyle sich.

Ungläubig schüttelte er den Kopf. Gleichzeitig war er nicht sicher, ob er angesichts ihres Verhaltens fassungslos war oder wegen des Gefühls der brennenden Eifersucht, das ihn plötzlich überfiel, als er sah, wie angeregt Zoe und Nelson sich unterhielten.

Aus dem Augenwinkel nahm Zoe eine muskulöse Brust und durchtrainierte Oberarme wahr, die in einem schwarzen Strickpullover steckten. Doch sie würde sich weder davon, noch von seinen dunkelbraunen Augen und seinem überwältigenden Sexappeal durcheinanderbringen lassen.

Als Zoe Kyle zum ersten Mal gesehen hatte, hatte er sie so sehr eingeschüchtert, dass Zoe sich sofort wie eine unsichere Teenagerin gefühlt hatte, die versuchte, ihm alles recht zu machen. Allerdings war dieses Gefühl erloschen, nachdem er auf so perfide Weise mit ihrer Zuneigung gespielt hatte. Zurückgeblieben waren Verletzung und Enttäuschung.

„Ich freue mich wirklich, Sie endlich kennenzulernen, Nelson.“ Es gelang ihr, halbwegs normal zu klingen, während in ihrem Inneren ein Sturm tobte und sie versuchte, gegen die Hitze anzukämpfen, die auf einmal in ihrem Körper aufstieg. „Ich habe von Bailey schon so viel von Ihnen gehört. Sie spricht die ganze Zeit von Ihnen.“

Nelson lachte. „Nur Gutes hoffentlich.“

Zoe lächelte. „Bailey würde nie etwas Schlechtes über Sie sagen. Übrigens bin ich auch ein großer Fan der Arbeiten Ihrer Mutter. Sie ist wirklich eine herausragende Designerin.“

„Ihr Talent lässt sich nicht leugnen.“

Kyle nickte zustimmend, aber er ließ Zoe nicht einen Moment aus den Augen.

Der intensive Blick, mit dem er sie bedachte, machte Zoe ganz nervös, aber das würde sie ihn keinesfalls spüren lassen. Sie wollte ihm zeigen, dass er keinerlei Bedeutung mehr für sie oder ihr Leben hatte.

„Sie sollen aber auch sehr begabt sein, habe ich gehört“, bemerkte Nelson.

„Mode ist mein Leben. Ich würde nichts anderes tun wollen.“

„Und was unternehmen Sie, wenn Sie nicht gerade mit Ihrer kreativen Arbeit beschäftigt sind?“

„Dann ruhe ich mich aus“, erwiderte Zoe und lachte. „Oder gehe mit meiner Mitbewohnerin ins Kino oder ins Theater.“

Kyle musterte sie immer noch eindringlich, doch Zoe ignorierte ihn weiterhin.

„Vielleicht nehmen Sie mich irgendwann mal mit?“, schlug Nelson vor.

„Gern.“

Zoe warf Kyle einen Blick aus dem Augenwinkel zu. Er schäumte vor Wut. Die Spannung zwischen ihnen war jetzt so greifbar, dass Zoe jeden Moment damit rechnete, dass die Lichter im Fahrstuhl davon ausgehen würden.

Sie bewegte den Fuß kaum merklich auf und ab und betete, dass der Fahrstuhl die Lobby endlich erreichen würde. Zoe wollte keine Sekunde länger mit dem Mann verbringen, der ihre Gefühle so verletzt hatte. Obwohl sie sich im Laufe der Jahre eine dicke Haut zugelegt hatte, fühlte sich die Verletzung, die Kyle ihr zugefügt hatte, noch so frisch an wie vor fünf Jahren.

Zoe blickte zu Nelson. Natürlich hätte sie nicht so ungeniert mit ihm flirten müssen, aber sie wollte testen, ob es Kyle etwas ausmachte.

Was es ganz offensichtlich tat.

„Am Mittwoch veranstaltet RHD eine Party“, warf Kyle ein und durchschnitt mit seiner Bemerkung das unbehagliche Schweigen, das sich zwischen ihnen eingestellt hatte. „Hast du nicht Lust, vorbeizukommen, Zoe? Meine Eltern würden sich sehr freuen, dich zu sehen. Jerry ist übrigens auch eingeladen.“

„Nur, wenn du im Gegenzug zu Guavas Cocktailparty kommst“, entgegnete Zoe höflich. „Sie findet auch am Mittwoch hier statt. Allerdings ein paar Stunden vorher. Roberta hat es mir gesagt, als wir die Räumlichkeiten für unsere Party gebucht haben. Und vergiss nicht, deinen Cousin mitzubringen.“ Den letzten Satz konnte sie sich einfach nicht verkneifen.

„Danke für die Einladung, aber ich muss erst in meinem Kalender nachsehen, ob ich es einrichten kann“, erwiderte Kyle. „Wenn ich nichts anderes geplant habe, komme ich auf jeden Fall vorbei.“

„Danke für die Einladung“, warf Nelson ein. „Ich habe noch nichts vor.“

Zoe bedachte ihn mit einem weiteren Lächeln. „Schön, dann halte ich nach Ihnen Ausschau.“

Zoe freute sich, als sie Kyles verdrießlichen Gesichtsausdruck bemerkte. Geschieht ihm nur recht, nach dem, was er mir angetan hat, dachte sie hämisch.

Kyle blickte sie weiter unverwandt an, und Zoe zog ihr iPhone aus der Tasche, um ihre E-Mails zu lesen.

Jetzt müssen wir doch endlich unten ankommen. Ich will hier raus. Ich will nicht eine Sekunde länger in seiner Nähe sein.

Nach einer weiteren gefühlten Ewigkeit erreichten sie tatsächlich die Lobby.

Zoe verließ als Erste den Aufzug. Sie fühlte sich unfassbar erleichtert, endlich wieder Abstand zwischen sich und Kyle Hamilton bringen zu können. Ob es ihr gefiel oder nicht – sie musste sich eingestehen, dass ihr in Kyles Anwesenheit immer noch die Knie weich wurden.

„Es war schön, euch zu sehen“, sagte sie kühl zum Abschied, bevor sie rasch zum Ausgang ging.

Zoe war wütend auf sich. Was habe ich mir dabei gedacht, Kyle einzuladen und mit seinem Cousin zu flirten? schalt sie sich. Das alles nur, um Kyle eifersüchtig zu machen. Wie oft hatte sie Jerry vorgeworfen, er verhalte sich kindisch, sobald es um Kyle Hamilton ging. Aber hatte sie sich eben nur einen Deut besser verhalten? Es war einfach nur … falsch gewesen.

Kyle Hamilton schien immer das Schlechteste aus ihr hervorzubringen.

3. KAPITEL

„Was hast du Zoe eigentlich getan?“, fragte Nelson, sobald sich Zoe außer Hörweite befand. „Sie hat sich benommen, als ob sie dich unerträglich finden würde.“ Nelson lachte. „Du hattest doch recht. Zumindest gibt es eine Frau, bei der dein Charme nichts ausrichten kann.“

Kyle war nicht in der Stimmung, um mit seinem Cousin über Zoe Sinclair zu scherzen. „Sie hat mal für RHD gearbeitet, aber Guava International hat ihr ein Angebot gemacht, das sie nicht ausschlagen konnte. Ich glaube, sie hat nicht gern für mich gearbeitet.“

Nelson schüttelte den Kopf. „Ich glaube, da ist noch mehr zwischen euch gelaufen“, bemerkte er zweifelnd. „Ich hatte das Gefühl, dass sie mir nur so viel Beachtung geschenkt hat, um eine Reaktion von dir zu provozieren.“

„Nein, bestimmt nicht. Zwischen mir und Zoe ist nie irgendwas gelaufen.“

Kyle fand es nicht erwähnenswert, dass Zoe und er sich einmal vor fünf Jahren geküsst hatten. In einem schwachen Moment hatte er Zoe einfach nicht mehr widerstehen können.

„Ich weiß nicht, Mann. Wie willst du mir sonst die Spannung eben erklären? Sie wurde doch nicht gefeuert, also was ist wirklich passiert?“

Kyle zuckte die Schultern. „Ich weiß es nicht. Sie schien immer wegen etwas verstimmt zu sein.“

„Und was war mit dir los?“

„Was meinst du?“

„Ich hab dich in Anwesenheit einer Frau noch nie so erlebt.“

„Ich habe keine Ahnung, wovon du sprichst.“

Kyle hätte es nie zugegeben, aber zu sehen, wie Zoe Nelson schöne Augen machte und mit ihm flirtete, hatte ihn schier wahnsinnig gemacht. Er wusste nicht, ob sie wirklich an seinem Cousin interessiert war oder ob Nelson mit seiner Vermutung recht hatte. Was auch immer der Grund für ihr Verhalten gewesen sein mochte, ihm gefiel keine der beiden Erklärungen.

Zoe betrat ihr Büro und schloss die Tür hinter sich. Die Handtasche ließ sie neben dem Schreibtisch auf den Boden fallen, als sie sich gegen die Tischkante lehnte. Dann setzte sie sich, die Ellbogen auf den Schreibtisch und den Kopf in die Hände gestützt. Immer wieder stiegen Bilder aus der Zeit hoch, in der sie mit Kyle zusammengearbeitet hatte.

Ein Teil von Zoe sehnte sich danach, Kyle einfach dafür hassen zu können, dass er damals ihr ganzes Leben auf den Kopf gestellt hatte, als er sie küsste und anschließend so tat, als wäre nie etwas passiert. Auf der anderen Seite gab es zu viele Eigenschaften an ihm, die sie schätzte und bewunderte, so wie die Liebe und Loyalität, welche er seiner Familie entgegenbrachte.

Obwohl Zoe unter weniger privilegierten Umständen in Baltimore aufgewachsen war, hatten ihre Eltern ihr ein liebevolles Elternhaus geboten. Mit ihrer Mutter verband sie schon als kleines Kind ein großes Interesse an Mode, und ihre Mutter hatte Zoe immer darin unterstützt, ihren Weg als Designerin zu gehen. Als Zoe am College war und auf die Anzeige für das Praktikum bei RHD stieß, war ihre Mutter fast ebenso aufgeregt wie sie selbst gewesen.

Als sie dann zum ersten Mal durch die Türen des renommierten Unternehmens schritt, hatte Zoe das Gefühl gehabt, endlich dort angekommen zu sein, wo sie hingehörte. Wie ein Schwamm hatte sie gierig alles, was sie über das Modebusiness lernen konnte, in sich aufgesogen. Alle Angestellten bei RHD arbeiteten hart, doch Zoe strengte sich noch mehr an. Sie wollte beweisen, dass sie es verdiente, dort tätig zu sein, und ihre Anstrengungen blieben nicht unbemerkt. Neben ihr gab es noch drei weitere Praktikantinnen, die an derselben Universität wie sie studierten und ihr Praxissemester bei RHD absolvierten. Alle stammten aus angesehenen Familien und hatten gute Verbindungen. Aber nur Zoe erhielt nach dem Studienabschluss ein Jobangebot.

Die meisten ihrer Kollegen nahmen Zoe von Anfang an freundlich auf und waren begeistert von ihrem Eifer und ihrer Kreativität. Nur Kyle schien gänzlich ungerührt von ihrem Talent und Engagement zu sein. Es war nicht so, dass er sich unfreundlich oder herablassend verhalten hätte, aber er schien sich einfach nicht für sie zu interessieren. Von da an machte Zoe es sich zu ihrer Aufgabe, Kyle dazu zu bringen, sie und ihre Arbeit wahrzunehmen.

Vielleicht war dies der Grund, dass die Spannungen zwischen ihnen aufgetreten waren.

Mit dreiundzwanzig Jahren hatte Zoe sich bereits bei RHD einen Namen gemacht und war eine Größe, mit der gerechnet wurde. Kyle holte Zoe für viele Projekte mit in sein Team, und Zoe nahm trotz der ständigen Kabbeleien zwischen ihnen jede Gelegenheit dankbar wahr, um mit Kyle zusammenzuarbeiten. Allerdings hatte die enge Zusammenarbeit mit dem attraktiven Designer zur Folge, dass sich langsam eine heimliche Sehnsucht in ihr entwickelte. Mit der Zeit hatte sie Mühe, ihre Gefühle für Kyle zu kontrollieren.

Zur damaligen Fashion Week spitzte sich die Situation dann so zu, dass sich für Zoe alles veränderte. Nach einer höchst erfolgreichen Show im Bryant Park hatte Kyle sie eingeladen, mit ihm und seinen Freunden auf eine Party zu gehen. Zoe war sich anschließend nicht sicher, ob es die aufgepeitschte Stimmung oder der Alkohol war, jedenfalls hatte der Abend damit geendet, dass Kyle sie küsste.

Und Zoe hatte seine Küsse leidenschaftlich erwidert.

Und dann – vollkommen unvermittelt – zog Kyle sich von ihr zurück. Zoe war vollkommen verwirrt. Was hatte sie falsch gemacht? Was war schiefgelaufen? Doch die Demütigung ging noch weiter.

Am folgenden Morgen zog Kyle sie in sein Büro und entschuldigte sich dafür, die Grenze zwischen Privatem und Beruflichem überschritten zu haben. Und als ob das nicht genug wäre, sagte Kyle ihr noch, dass sie zu jung für ihn sei.

Der Stachel seiner Abweisung saß tief und schmerzte heute noch genauso wie damals.

Es ärgerte Zoe, dass sie so naiv gewesen war zu glauben, ein Mann wie Kyle könnte etwas für sie empfinden. Kurzzeitig hatte sie sogar von einer gemeinsamen Zukunft geträumt … und konnte nicht verhindern, dass sie sich in ihn verliebt hatte.

Jerry streckte den Kopf durch den Türrahmen ihres Büros und unterbrach so ihren Gedankenfluss. „Ich bin zum Lunch verabredet. Kannst du die Liste der Bewerber für ein Praktikum während der Fashion Week durchgehen? Zwei haben gestern aufgehört, und wir brauchen so schnell wie möglich Ersatz.“

„Natürlich.“

Jerry war ebenso schnell verschwunden, wie er aufgetaucht war.

Zoe lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und seufzte. Als ob sie nicht so schon genug zu tun hatte. Jammern bringt dich aber auch nicht weiter, rief sie sich zur Ordnung. Wenigstens würde die Suche nach geeigneten Praktikanten ihre Gedanken von Kyle Hamilton und RHD ablenken, und das war dringend nötig.

„Hast du dich eigentlich schon mit Brianna oder Bailey getroffen?“, fragte Kyle Nelson, als sie sein Apartment verließen, um zum üblichen Sonntagsessen bei seinen Eltern zu gehen.

Nelson schüttelte den Kopf. „Ich habe mit Bailey gesprochen, aber Brianna und ich verpassen uns ständig. Ich freue mich darauf, endlich alle zu sehen.“

Sie betraten den Aufzug.

„Fehlen dir die Familientreffen?“ Kyle drückte den Knopf für die achtzehnte Etage. Das Apartmentgebäude am Central Park West gehörte zum Teil seinen Eltern, und jedes Familienmitglied bewohnte eine Wohnung im Haus, was sich zum Beispiel an Sonntagen als sehr praktische Einrichtung erwies.

Nelson nickte. „Ja. Du weißt doch, wie wichtig mir die Familie ist.“

Sie fuhren drei Stockwerke nach oben und klopften an die Tür. Kyles Mutter öffnete ihnen und umarmte Nelson freudig. „Herzlich willkommen in New York.“

Nelson lachte. „Hi, Tante Lila.“

Sie hakte ihn unter. „Ich habe dein Lieblingsessen gekocht.“

Kyle folgte ihnen in das Innere der Wohnung. „Verwöhn ihn nicht zu sehr, Mom.“

Lila war achtundfünfzig Jahre alt, sah aber wesentlich jünger aus. Obwohl sie nicht länger modelte und Mutter von vier Kindern war, hatte sie sich ihre schlanke Figur bewahrt. Heute hatte sie ihr langes dunkles Haar nicht geglättet, und die krausen Locken umrahmten ihr schönes Gesicht.

Lila sah ihren Sohn an. „Nelson ist heute unser Ehrengast. Da ist es nur richtig, wenn er ein bisschen verwöhnt wird.“

Kyles jüngste Schwester Bailey betrat das Zimmer. „Wow, wir werden heute von einer Berühmtheit beehrt“, witzelte sie lächelnd. „Wie geht’s dir, Cousin?“

Selbst in ihrer verblichenen Jeans und dem schlichten schwarzen Trägertop sah das junge Model aus wie ein Star. Kyle blickte seine Schwester voller Zuneigung an. Ich wette, dass sie dieses Jahr auf der Fashion Week ihren ganz großen Durchbruch hat, dachte er stolz.

Nelson lachte. „Ich bin weit davon entfernt, eine Berühmtheit zu sein.“

Brianna, Kyles andere Schwester, die selbst am Anfang einer erfolgreichen Designkarriere stand, gesellte sich zu ihnen. Ein Mann in den frühen Sechzigern, dessen Bart von grauen Strähnen durchzogen war, folgte ihr. „Neffe, wie schön, dich zu sehen. Auch wenn ich eigentlich schon früher mit dir gerechnet hätte.“

„Tut mir leid, Onkel Roger, ich weiß, wie beschäftigt ihr gerade alle seid. Da wollte ich nicht stören.“

„Für die Familie hat man immer Zeit.“ Roger klopfte Nelson auf die Schulter. „Ich habe gehört, du hast nicht vor, in die Fußstapfen deines Vaters zu treten?“

„Nein, ich bin einfach kein Jurist. Ich glaube ich habe mehr von Moms Kreativität geerbt.“

„Ich wollte auch mal Schauspielerin werden“, gestand Brianna. „Als ich zwölf war.“

„Und dann wollte sie Astronautin werden“, fügte Kyles Bruder Daniel, der gerade das Zimmer betrat, lachend hinzu. „Aber als sie gesehen hat, wie wenig schmeichelhaft die Raumanzüge aussehen, hat sie es sich anders überlegt.“

Lila sah auf die Uhr und erhob sich. „Jetzt, wo alle da sind, können wir eigentlich mit dem Essen beginnen. Was meint ihr?“

Roger sprach kurz ein Gebet, bevor alle aufstanden und in die Küche gingen, um sich dort ihre Teller füllen zu lassen.

„Ich bin so aufgeregt, wenn ich an die Show denke“, erzählte Bailey, als sie sich alle an den großen Tisch, der Platz für mindestens zwanzig Personen bot, gesetzt hatten. „Ich habe jetzt schon viele Interviewtermine. Ich habe das Gefühl, als ob es jetzt endlich richtig losgeht.“

„Ich auch“, stimmte Kyle zu. „Seitdem du das Gesicht der RHD-Kampagne warst, ist die Branche auf dich aufmerksam geworden.“

Nelson sah zu Bailey hinüber. „Als wir klein waren, warst du immer so still und schüchtern. Ich kann kaum glauben, wie sehr du dich verändert hast.“ Jetzt blickte Nelson zu Daniel. „Und du auch, Daniel. Du hast die ganze Zeit den Kasper gespielt. Und heute …“ Daniel war bei RHD für das gesamte Marketing verantwortlich.

„Wir hatten so viel Spaß als Kinder“, erwiderte Daniel. „Schade, dass wir uns irgendwann nur noch selten gesehen haben.“

„Das wird jetzt anders“, entgegnete Nelson. „Es ist so toll, von so vielen kreativen Menschen umgeben zu sein. Und dann sind auch so viele eurer Bekannten im gleichen Bereich tätig. Wie diese Frau, die du mir heute vorgestellt hast, Kyle.“

Kyle sah zu seinem Cousin, dessen Augen schalkhaft blitzten.

„Wen denn, Kyle?“

„Ich habe Zoe Sinclair im Childs Hotel getroffen“, antwortete Kyle und warf Nelson einen wütenden Blick zu. „Ich war ziemlich überrascht, sie da zu sehen.“

„Wie sah sie aus?“, fragte Lila neugierig. „Sie war früher immer so wahnsinnig schick.“

„Super“, erwiderten Kyle und Nelson unisono. Bailey kicherte.

„Ich habe gehört, dass sie bei Guava ziemlich erfolgreich ist“, warf Roger ein.

„Sie hat auf jeden Fall wesentlich dazu beigetragen, dass Guavas Herbstkollektion so ein Erfolg war“, sagte Brianna. „Women’s Wear Daily hat geschrieben, dass Zoe eine glänzende Zukunft als Designerin bevorsteht.“

Lila nickte zustimmend. „Wir konnten uns glücklich schätzen, sie bei RHD zu haben. Meinst du nicht, Kyle?“

Kyle nickte wortlos.

„Warum hat Zoe eigentlich bei RHD aufgehört?“, fragte Nelson. Kyle hatte gehofft, dass das Thema Zoe Sinclair nun erledigt wäre, aber Nelson schien nicht so schnell aufzugeben.

„Anscheinend hat sie ein unschlagbares Angebot von Guava erhalten“, entgegnete Kyle und versuchte, dabei so unbeteiligt wie möglich zu klingen.

„Wir hätten versuchen sollen, sie bei uns zu halten“, fügte Lila hinzu. „Sie hat doch unter dir gearbeitet, Kyle. Warum hast du nicht versucht, sie zum Bleiben zu überreden?“

„Weil ihr Entschluss feststand, Mom.“

„Ich glaube du unterschätzt deine Überredungskünste.“

Kyles Blick traf den seiner Mutter. „Zoe ist eine erwachsene Frau, die bestimmt keine unüberlegten Entscheidungen trifft. Sie ist jetzt seit fünf Jahren bei Guava, und es scheint ihr gut zu gehen.“ Als Kyle die Blicke sah, die zwischen Nelson und seiner Mutter hin und her gingen, wäre er am liebsten aufgestanden und hätte den Raum verlassen.

„Habt ihr euch denn ein bisschen unterhalten?“, fragte seine Mutter weiter.

„Worauf willst du hinaus?“ Kyle gefiel die Richtung, die die Unterhaltung eingeschlagen hatte, nicht im Geringsten.

„Ist sie Single?“

„Wir sind nur ein paar Minuten zusammen im Fahrstuhl gewesen, Mom. Es war weder der Ort noch die Zeit, um ihre Lebensgeschichte zu erfahren.“

Was hat sie nur immer mit Zoe? fragte Kyle sich ungehalten. Von Anfang an hatte Lila ein reges Interesse an allem gezeigt, was mit Zoe zu tun hatte. Vielleicht, weil sie sich so ähnlich waren, wenn es darum ging, unbeirrt ein Ziel zu verfolgen.

Kyle musste zugeben, dass er diese Eigenschaft an beiden Frauen bewunderte.

Als er die Blicke bemerkte, die sich seine Mutter und seine Schwestern zuwarfen, gab er sich nicht länger Mühe, seinen Unmut zu verbergen, und stand auf.

„Ich hol mir was zu trinken“, sagte Kyle nur, bevor er aus dem Zimmer ging. Das leise Lachen, das er damit bei den geliebten Mitgliedern seiner Familie hervorrief, beschloss er zu ignorieren. Seinetwegen mochten sie glauben, sie wüssten, was das Beste für ihn sei. Aber er wusste es besser.

4. KAPITEL

„Ich habe Kyle zufällig am Freitag im Childs Hotel getroffen“, erzählte Zoe Jerry, als sie gerade dabei waren, Fotos von ihren Entwürfen für die Kollektion am Computer zu sichten. „Er hat uns zur Party von RHD eingeladen.“

„Ach, wie nett. Hat er das?“, erwiderte Jerry säuerlich. „Ich hoffe, du hast ihm die gleiche Ehre erwiesen und ihn zu unserer Cocktailparty eingeladen.“

Zoe nickte. „Ja, hab ich.“

„Gut.“

Zoe sah Jerry prüfend an. „Warum versucht ihr eigentlich ständig, einander auszustechen? Ihr seid beide sehr talentiert. Deine Arbeiten sprechen für sich.“

„Ich musste mir meinen Ruf hart erarbeiten. Und Kyle wurde einfach hineingeboren. Ihm fällt alles zu, ohne dass er irgendwas dafür tun musste.“

„Kyle hat auch hart gearbeitet, um sich die Achtung der Branche zu verdienen.“

„Weshalb verteidigst du ihn, Zoe?“

„Ich verteidige ihn doch gar nicht.“

„Wenn du meinst.“

Zoe war klar, dass Jerry wirklich von dem, was er Kyle vorwarf, überzeugt war, und deshalb wusste sie, dass es vollkommen sinnlos war, weiter mit ihm zu diskutieren.

„Was meinst du, sollen wir zusammen zur Party von RHD gehen?“ Wie so häufig bei Jerry war seine Stimmung innerhalb von Sekunden umgeschlagen, und der vormals mürrische Tonfall hatte einem fröhlichen Ausdruck Platz gemacht. „Hättest du Lust?“

Zoe zögerte einen Moment, bevor sie antwortete. „Klar, warum nicht?“

Jerry musterte sie. „Bist du sicher?“

Zoe biss die Zähne zusammen, hob das Kinn und erwiderte seinen Blick. „Natürlich. Warum sollte ich es nicht sein?“

„Vielleicht, weil die ganzen alten Kollegen von RHD da sind?“

Zoe schüttelte den Kopf. „Nein, ganz im Gegenteil. Ich freue mich sogar darauf, mal wieder mit den ehemaligen Kollegen zu quatschen.“

Heute führte sie ein ganz anderes Leben als damals. Inzwischen war Zoe eine aufstrebende Designerin, die sich von ihren Gefühlen für Kyle nicht von ihrem Weg abbringen lassen würde.

Solange Zoe die nötige Distanz wahrte, konnte Kyle ihr nicht gefährlich werden.

Sasha, die vor der Tür von Zoes Büro stand und das Gespräch belauscht hatte, schäumte vor Wut.

„Wie ich dieses Weib hasse“, flüsterte sie angewidert. In all den Jahren, die Sasha für Guava International gearbeitet hatte, war sie noch nie zu einer Show, geschweige denn einer Party von RHD eingeladen worden. Sie hatte sich wer weiß wie angestrengt, um eine Führungsposition in der Firma zu ergattern, aber alles war vergebens. Sasha war fest davon überzeugt, dass Zoe ihr die Position als Chefdesignerin, die rechtmäßig ihr selbst zugestanden hätte, einfach vor der Nase weggeschnappt hatte. Schließlich brachte Sasha mehr Arbeitserfahrung mit, und außerdem war sie vier Jahre länger bei Guava angestellt als Zoe.

Außerdem war Sasha sich sicher, dass Jerry etwas für Zoe empfand. Jerry hatte zwar versucht, Sasha davon zu überzeugen, dass das Ende ihrer Beziehung nichts mit Zoe zu tun gehabt hatte, aber sie glaubte ihm kein Wort.

Dass Zoe jetzt zur Party von RHD eingeladen worden war, brachte das Fass zum Überlaufen. Selbst wenn sich die Einladung vielleicht dadurch erklären ließe, dass Zoe eine ehemalige Angestellte war … für Sasha war es nur ein weiterer Beweis, dass Zoe all das erreichte, was Sasha sich selbst insgeheim wünschte.

„Manche Leute bekommen einfach alles hinterhergeworfen …“, zischte sie wütend, als sie im Flur an einigen Kollegen vorbeirauschte, „… während andere hart arbeiten müssen und immer noch nicht bekommen, was ihnen zusteht.“ Sasha betrat den Fahrstuhl, um nach unten in die Cafeteria zu fahren. Was sie jetzt brauchte, war ein Kaffee – und eine brillante Idee.

„Bailey macht ihre Sache wirklich gut“, flüsterte Nelson.

Kyle musste ihm zustimmen. Sie standen im Warteraum eines lokalen Fernsehsenders, in dem Bailey ein Interview über die anstehende Show von RHD gab. „Wie Micah Jones sie anstarrt.“

„Wieso wundert dich das? Bailey ist eine schöne Frau.“

„Ja, aber guck doch mal. Er kann sich kaum auf seine Fragen konzentrieren.“

Nelson lachte.

Tatsächlich schien der Moderator Mühe zu haben, seine Aufmerksamkeit auf den Inhalt des Gesprächs zu richten.

„Können Sie unseren Zuschauern ein bisschen darüber erzählen, was bei einer Modenschau wie der von RHD hinter den Kulissen vorgeht?“

Bailey lächelte. „Sobald wir die Eingangskontrolle passiert haben, gehen wir als erstes in die Maske, wo die Frisuren und das Make-up gemacht werden. Danach treffen wir uns mit dem Choreographen, der mit uns den Ablauf und die Reihenfolge, in der wir laufen, bespricht. Erst ganz kurz vor der Show werden wir angezogen, damit die Kleider nicht beschmutzt oder beschädigt werden.“

„Ich kann mir vorstellen, dass es backstage ziemlich hektisch zugeht. Wie gehen Sie persönlich mit dem Druck vor der Show um? Haben Sie eine besondere Methode, um sich auf den großen Moment vorzubereiten?“

„Ich suche mir einen ruhigen Ort und gehe die Reihenfolge noch einmal im Kopf durch. Direkt vor der Show brauche ich einen Moment ganz für mich allein.“

Als Bailey zehn Minuten später den Backstagebereich betrat, begrüßte Kyle sie mit einer Umarmung. „Du warst toll.“

„Wirklich? Habe ich mich nicht albern angehört?“

„Nein“, riefen Kyle und Nelson gleichzeitig aus.

Bailey legte sich die zitternden Hände auf den Bauch. „Ich bin so froh, dass es jetzt vorbei ist. Wollen wir etwas essen gehen? Ich sterbe vor Hunger.“

Kyle lachte und nickte. „Lass uns gehen, ich lade dich ein. Du darfst dir das Restaurant aussuchen.“

Kyle war felsenfest davon überzeugt, dass ihre Shows dieses Jahr ein voller Erfolg werden würden. Ihre Entwürfe hatten das Zeug, zum Stadtgespräch zu werden, und Kyle würde seinem Ziel, ein weltweit gefeierter Designer zu werden, ein ganzes Stück näherkommen. Damit hätte Kyle alles erreicht, was er sich je gewünscht hatte.

Außer Zoe für sich zu gewinnen.

Der Gedanke traf ihn vollkommen unvorbereitet, und Kyle schob ihn so schnell wie möglich zur Seite. Er würde einfach so tun, als hätte er ihn nie gedacht.

Nach einem langen und anstrengenden Arbeitstag wünschte Zoe sich nichts weiter als eine heiße Dusche und ihr Bett. Als sie nach Hause kam, musste sie jedoch feststellen, dass ihre Mitbewohnerin andere Pläne hatte.

„Komm schon, lass uns zu Sushi Samba gehen“, schlug Liora vor.

Obwohl Zoe eigentlich keine große Lust hatte, noch einmal vor die Tür zu gehen, musste sie zugeben, dass sie hungrig war. Außerdem liebte sie Sushi, und es war bestimmt einen Monat her, dass Liora und sie zum letzten Mal zusammen im Restaurant gewesen waren. „Okay, einverstanden. Dann lass uns aber gleich losgehen.“

„Ich hol nur schnell meine Handtasche“, erwiderte Liora freudig.

Draußen stiegen die beiden in ein Taxi und fuhren zum Restaurant.

Zoe überflog die Speisekarte und entschied sich für Shishito, ein pikantes japanisches Gericht.

Liora entschied sich für einen gemischten Sushi-Teller, und als die Kellnerin die Bestellungen aufgenommen und sie wieder allein gelassen hatte, beugte Liora sich zu Zoe über den Tisch. „Hast du den Typen an dem Tisch rechts neben dir gesehen?“, flüsterte sie Zoe zu. „Er starrt die ganze Zeit rüber zu dir.“

Zoe gestattete sich einen verstohlenen Blick. Er war gutaussehend und schmeichelte ihr mit seiner Aufmerksamkeit. Trotzdem war sie nicht im Geringsten daran interessiert, ihn kennenzulernen. Die Beziehungen, die sie gehabt hatte, waren allesamt von kurzer Dauer gewesen und hatten zu nichts als Enttäuschungen geführt.

Die Sache mit Kyle war ein perfektes Beispiel dafür, wie sich alle romantischen Beziehungen in Zoes Leben abspielten.

„Ich glaube nicht, dass ich eine weitere Enttäuschung verkraften kann. Ich bleibe lieber allein.“

Die Kellnerin brachte ihnen ihre Drinks und verschwand wieder.

„Wo wir gerade vom Singledasein sprechen: Ich habe heute deinen alten Chef gesehen“, sagte Liora, bevor sie ein Schluck von ihrem Mineralwasser nahm. „Er war zum Frühstücken in Ray’s Restaurant mit so einem Typen und seiner Schwester.“

„Das war bestimmt sein Cousin Nelson. Er arbeitet als Assistent für ihn. Ich habe die beiden vor ein paar Tagen selbst getroffen.“

„Hast du eigentlich nie daran gedacht, mit Kyle auszugehen? Du findest ihn doch heiß, oder?“

„Er sieht gut aus“, gab Zoe zu.

„Und er ist talentiert und Single.“

„Ja.“

„Warum versuchst du nicht mal dein Glück bei ihm?“

Zoe wusste nicht, was sie darauf antworten sollte. Sie hatte Liora erst kennengelernt, nachdem sie bei Guava angefangen hatte. Von der angespannten Beziehung, die sie mit Kyle verband, hatte sie Liora nie etwas erzählt.

„Ist er etwa ein Serienkiller?“

Zoe lachte, aber es klang nicht fröhlich.

„Was hält dich dann davon ab?“ Liora ließ nicht locker, selbst als ihnen das Essen schon serviert wurde.

„Liora, ich war einfach nicht sein Typ“, erklärte Zoe widerwillig, als die Kellnerin sie wieder alleingelassen hatte. „Wir haben uns ein einziges Mal geküsst, und danach war alles anders zwischen uns. Kyle hat mich nur als seine Angestellte betrachtet.“

„Vielleicht hat er ja Prinzipien, was das Daten von Kolleginnen angeht“, schlug Liora als Erklärung vor. „Das ist an und für sich doch nicht schlecht.“

„Ja, das sehe ich genauso. Aber ich weiß zufällig, dass er in der Zeit, als ich noch bei RHD war, zwei Frauen gedatet hat, die er über die Arbeit kennengelernt hatte. Natürlich waren es Models.“

„Aber jetzt arbeitest du für Guava.“

Zoe tupfte ihren Mund mit der Serviette ab. „Ehrlich gesagt, denke ich, dass sich Kyle einfach nicht für mich interessiert. Ob als Kollegin oder als Frau.“

„Dann muss er verrückt sein.“

Zoe zuckte die Schultern. „Ich glaube, er stand einfach nicht auf mich. Er hat mich erst geküsst, als er betrunken war.“

„Wie gesagt, er muss verrückt sein. Sein Pech.“

„Tja, da hast du wohl recht.“

„Und was ist mit seinem Cousin?“

„Er sieht gut aus, aber er ist nicht mein Typ“, entgegnete Zoe. „Du hättest mal Kyles Gesicht sehen sollen, als ich mit seinem Cousin geredet habe. Ich dachte, er explodiert gleich. Wie blöd, obwohl er gar nicht an mir interessiert ist.“

„Ich glaube, er war eifersüchtig.“

„Nein, bestimmt nicht, Liora. Aber ich verstehe ihn einfach nicht. Kyle will nichts von mir, aber er will anscheinend auch nicht, dass sich jemand anders für mich interessiert.“

„Warum fragst du ihn nicht einfach? Wenn er auf dich steht, dann sollte er es dir sagen. Und wenn er nicht interessiert ist, soll er sich gefälligst aus deinem Liebesleben raushalten.“

Zoe nickte zustimmend. „Genau. Ich glaube er will einfach nicht, dass ich mich mit seinem Cousin treffe. Nicht, dass ich das wollte.“

„Warum nicht? Gib ihm eine Chance. Vielleicht überrascht er dich?“

Zoe schüttelte zweifelnd den Kopf. „Ich kann es dir nicht genau erklären, aber irgendwie denke ich, dass ich erst über meine Gefühle für Kyle hinwegkommen muss, bevor ich mich auf jemand Neuen einlassen kann.“

„Ihr solltet euch aussprechen. Stell ihn zur Rede, und er wird dir sicher sein Verhalten erklären können.“

„Du hast bestimmt recht“, gab Zoe zu. „Aber, um ehrlich zu sein, reicht mir eine Abfuhr von ihm vollkommen. Ich will das auf keinen Fall noch einmal durchmachen.“

„Wieso bist du dir so sicher, dass er dich zurückweist?“

Der Gedanke war vollkommen neu für Zoe, und auf einmal war sie sich nicht mehr sicher, wovor sie größere Angst hatte … von Kyle zurückgewiesen zu werden oder davor, dass er es nicht tat.

5. KAPITEL

Der Damrosch Park am Lincoln Center brummte vor Geschäftigkeit. Die Spannung war förmlich mit den Händen greifbar. Riesige weiße Zelte, in denen die verschiedenen Veranstaltungen stattfinden würden, waren über die große Fläche im Park verteilt. Überall liefen Menschen aufgeregt hin und her, um letzte Vorbereitungen für die Fashion Week zu treffen. Um den Platz, dessen Mitte der große Springbrunnen zierte, standen die geparkten Autos dicht an dicht. Zoe hängte ihre große Umhängetasche auf die andere Schulter, als sie sich auf den Weg zu dem Zelt machte, das Guava International zugewiesen worden war.

Sie verlangsamte ihre Schritte.

„Das kann nicht wahr sein“, murmelte Zoe.

Kyle Hamilton kam ihr entgegen. Es war das zweite Mal innerhalb einer Woche, dass sie ihm zufällig über den Weg lief.

Für einen kurzen Moment lang wurde Zoe panisch und überlegte fast, ob sie sich hinter einem der Bäume verstecken sollte, um unbemerkt abzuwarten, bis er verschwunden war.

Kyle blickte auf und entdeckte sie.

Zu spät.

Zoe fühlte, wie die Aufregung sie durchfuhr wie ein elektrischer Schlag. Genauso hatte sie sich gefühlt, als sie sich zum ersten Mal begegnet waren. Auf einmal wurde ihr gleichzeitig ganz heiß und flau im Magen. Kein anderer Mann hatte jemals eine solche Reaktion bei ihr ausgelöst.

„Schon wieder hallo“, begrüßte Kyle sie, als er sie erreicht hatte.

„Hallo.“

Kyle blickte sie einen Moment lang an, was sich wie eine Ewigkeit anfühlte. „Alles bereit für die Fashion Week?“

„Ja, wir sind soweit“, entgegnete Zoe. Ihr wurde noch wärmer. Ohne nachzudenken, fächelte sie sich mit der Hand Luft zu. „Und du … also, ich meine RHD … ich bin sicher, dass ihr auch schon alles vorbereitet habt?“

„Ja, es ist alles so weit fertig.“ Kyle machte eine kurze Pause, bevor er fortfuhr. „Ich habe gehört, dass du bei Guava jetzt das Ruder übernimmst? Herzlichen Glückwunsch.“

Zoe lachte nervös. „So würde ich das nicht ausdrücken. Die Arbeit macht mir aber Riesenspaß, und Guava hat mir tatsächlich die Stelle als Chefdesignerin angeboten.“

„Ich freue mich sehr für dich, Zoe.“

Zoe blickte Kyle an und konnte nicht umhin, den Ausdruck ehrlicher Freude in seinen Augen wahrzunehmen. „Danke. Hätte ich damals nicht für RHD gearbeitet, hätte ich diese Chance heute nie bekommen.“

„Das glaube ich nicht. Eine Designerin mit deinem Talent? Du würdest überall deinen Weg machen.“

Zoe kicherte. „Vor ein paar Jahren hast du noch anders über meine Arbeit gedacht.“ Sie hielt den Atem an, als sie seine Antwort abwartete.

Kyle lächelte. „Ich habe nie an deinem Talent gezweifelt.“

Kyles Worte überraschten sie. Nervös schob sich Zoe eine Haarsträhne aus der Stirn. „Wie geht es Nelson? Hat er sich gut eingewöhnt?“

„Nelson geht’s gut. Er wird mich während der Fashion Week unterstützen. Er hat also gut zu tun.“

Zoe hob die Augenbrauen. Wollte Kyle ihr mit seiner Antwort mitteilen, dass Nelson keine Zeit für ein Treffen hätte?

„Wenn du nachher ein bisschen Zeit hast, könnten wir vielleicht was trinken gehen. Was meinst du? Ist ja schon eine Weile her …“

Wow, fragt er mich etwa gerade, ob ich mit ihm ausgehe? wunderte Zoe sich.

Es hatte Zeiten gegeben, da hätte die Aussicht darauf, mit Kyle etwas trinken zu gehen, Zoe in helle Aufregung versetzt. Das war inzwischen jedoch anders. Zoe war davon überzeugt, dass Kyle sie nur gefragt hatte, um zu verhindern, dass sie sich mit Nelson traf.

„Was meinst du, Zoe?“

Wieder bemerkte Zoe die Hitze, die ihren Körper auf einmal ganz auszufüllen schien. „Ich habe echt viel zu tun“, entgegnete sie und gewann langsam ihr Gleichgewicht wieder. „Vor der Show muss ich sicher sein, dass wirklich alles stimmt. Du weißt doch, was ich für eine Perfektionistin bin.“

„Hast du nicht mal Zeit für einen Drink?“

„Tut mir leid.“ Zoe schob sich die widerspenstige Haarsträhne hinter das Ohr. Ihre Hand zitterte leicht. „Ich will ja keine deiner Freundinnen verärgern.“

„Darüber brauchst du dir überhaupt keine Sorgen zu machen, Zoe. Ich habe keine Freundin. Schon seit einer ganzen Weile nicht.“

Wieder fächelte sie sich Luft zu. Was für eine Hitze.

„Alles in Ordnung?“

„Ja, danke“, antwortete Zoe schnell und zwang sich dann, den Blick von Kyle abzuwenden. „Ich muss dann mal los.“

Kyle sah auf die Uhr. „Ja, ich sollte auch besser gehen. Dann sehen wir uns also nächste Woche auf der Cocktailparty.“

Zoe nickte.

„Vielleicht können wir dann gemeinsam etwas trinken.“

Sein leises Lachen ließ ihr einen Schauer über den Rücken laufen, und sie beeilte sich, so schnell wie ihre hohen Jimmy-Choo-Schuhe sie trugen, von Kyle Hamilton wegzukommen.

Es war richtig, ihn abblitzen zu lassen, dachte Zoe. Auf keinen Fall würde sie sich von Kyle manipulieren lassen.

Aber wenn sie nun falsch lag? Wenn Kyle tatsächlich an ihr interessiert war?

Die Frage ließ Zoe nicht los und für einen Moment lang war sie versucht, sich umzudrehen und Kyles Angebot anzunehmen.

Doch im nächsten Moment ärgerte sich über den Gedanken. Reiß dich zusammen, schalt sie sich.

Als Kyle wieder in seinem Büro war, starrte er aus dem Fenster. Zoe hatte ihm eine Abfuhr erteilt. Daran bestand kein Zweifel.

Offenbar hatte sich ihre einstige Zuneigung in Luft aufgelöst. Kyle beschloss, das Gefühl von Traurigkeit, das ihn auf einmal überkam, auf seinen verletzten Stolz zurückzuführen.

Auf keinen Fall hatte es etwas mit seinem Herzen zu tun.

Die Welle heißen Begehrens, die ihn jedes Mal überschwemmte, wenn er Zoe sah, konnte er allerdings nicht verleugnen. Schon als er Zoe zum ersten Mal in der Firma traf, hatte er so reagiert. Dieses glühende Verlangen war ihm in seiner Ursprünglichkeit und überwältigenden Kraft neu. Vergeblich hatte Kyle sich bemüht, diese Gefühle zu unterdrücken. Aber er würde sein Verhalten nicht davon leiten lassen. Das schwor er sich.

Wie um sich das zu beweisen, nahm er sein Telefon zur Hand.

„Roberta, hier spricht Kyle Hamilton. Wenn Sie später nichts vorhaben, würde ich Sie gern zum Essen einladen, um die letzten Einzelheiten für die Show zu besprechen.“

„Es sind keine Termine mehr vorgesehen. Ich gehöre ganz Ihnen.“

Diesmal bemerkte auch Kyle den unmissverständlich verführerischen Tonfall in ihrer Stimme. Was mache ich nur, warf er sich innerlich vor. Kyle würde den Abend mit einer Frau verbringen, die ihn trotz all ihrer Bemühungen nicht im Geringsten interessierte, nur um Abstand zwischen sich und Zoe zu bringen …. Wenn das nicht idiotisch war.

Jetzt schob Kyle jedoch jeden Gedanken an Zoe ganz weit weg. Es galt, sich auf die Arbeit zu konzentrieren.

Trotzdem hoffte er jedes Mal, wenn das Telefon klingelte, dass es Zoe wäre, obwohl er eigentlich wusste, dass sie sich nie bei ihm melden würde. Aber Kyle hoffte bis zuletzt.

Kyle war verwirrt von seinem Verhalten. Noch nie hatte er darauf warten müssen, dass eine Frau sich bei ihm meldete. Aber Zoe war eben anders.

Und genau das mochte Kyle an ihr, auch wenn er es ihr gegenüber niemals zugeben würde.

Einige Stunden später saß Kyle Roberta im Restaurant gegenüber. Sie hatten ein ausgezeichnetes Menü genossen und waren inzwischen zum Kaffee übergegangen.

Roberta hatte ihre langen, wohlgeformten Beine übereinandergeschlagen und trug hohe Schuhe, die ihre schlanken Fesseln betonten. Der Anblick ihrer Beine brachte bestimmt so manchen Mann auf Ideen, Kyle jedoch ließ er vollkommen ungerührt.

„Ich muss zugeben, dass ich mich sehr über Ihren Anruf gefreut habe“, sagte Roberta. „Ich habe selbst schon überlegt, Sie anzurufen.“

„Wirklich?“

„Ja. Ich habe die Zusammenarbeit mit Ihnen in den letzten drei Jahren sehr genossen. Ich habe das Gefühl, dass wir im Laufe der Zeit fast so etwas wie Freunde geworden sind.“

„Stimmt, mir geht es ähnlich“, entgegnete Kyle.

Roberta legte die Hand auf seine. „Ich würde mich freuen, wenn wir sogar noch bessere Freunde werden, Kyle.“

Autor

Caroline Cross
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Jacquelin Thomas
Jacquelin Thomas ist eine preisgekrönte Bestsellerautorin und hat bereits mehr als fünfundfünfzig Bücher veröffentlicht. Wenn sie nicht schreibt, liest sie viel, nimmt an Sportevents teil und verwöhnt ihre Enkelkinder. Jacquelin lebt mit ihrer Familie in North Carolina.
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Silver James
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