Collection Baccara Band 380

– oder –

 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

KÜSSE, HEIßER ALS DIE GLUT von NIGHT, NICKI
Nur ein heißer Urlaubsflirt? Als Chey ihr Cottage in den Bergen mit einem sexy Fremden teilen muss, knistert die erotische Spannung bald stärker als jedes Feuer. Hemmungslos gibt sie sich Hunter hin - ohne zu ahnen, dass er ihr neuer Professor an der Uni ist …

EINE NACHT MIT HOCHZEITSFOLGEN von CROSS, CAROLINE
"Heirate mich!" Rileys Antrag macht Angelica wütend. Erst verschwindet er gleich nach dem ersten heißen Sex. Und jetzt möchte er plötzlich heiraten - nur weil sie schwanger ist. Eine Vernunftehe will sie nicht! Doch wird er ihr jemals seine Liebe erklären?

MIT DIR IM PARADIES DER SINNE von BENNETT, JULES
Für eine Woche Jennas Liebhaber spielen? Davon hat Mac seit Jahren geträumt. Zwar soll er sie bloß berühren und küssen, um ihren Ex zu ärgern. Aber immerhin kann er so ein für alle Mal sein Verlangen stillen. Und danach können sie wie vorher beste Freunde sein, oder?


  • Erscheinungstag 23.05.2017
  • Bandnummer 0380
  • ISBN / Artikelnummer 9783733724108
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Nicki Night, Caroline Cross, Jules Bennett

COLLECTION BACCARA BAND 380

NICKI NIGHT

Küsse, heißer als die Glut

Hunter sollte die betörende Chey besser vergessen, mit der er einen heißen One-Night-Stand im Ferienresort hatte. Er muss sich jetzt ganz auf seinen neuen Job als Uniprofessor konzentrieren! Nur wie, wenn Chey plötzlich vor ihm im Seminarraum sitzt? Prompt packt ihn wieder unbändiges Verlangen. Doch eine Affäre mit einer Studentin ist verboten!

CAROLINE CROSS

Eine Nacht mit Hochzeitsfolgen

Blumen, Diamantohrringe, eine Goldkette mit Smaragdanhänger – egal, was Riley seiner Angebeteten Angelica schenkt, sie schickt es zurück. Aber das spornt ihn erst recht an, sie zu überzeugen, seine Frau zu werden. Natürlich nur, weil sie sein Kind unter dem Herzen trägt! Nicht, weil er für sie noch nie da gewesene zärtliche Gefühle hegt …

JULES BENNETT

Mit dir im Paradies der Sinne

Jennas bester Freund Mac ist aufregender als jeder andere Mann, den sie kennt. Wenn sie auch nur einen Augenblick glauben könnte, dass er sich auf eine langfristige Beziehung einlassen kann, würde sie sich sofort in ihn verlieben. Doch so lässt sie besser die Finger von ihm. Bis sie ihn dringend braucht, um ihren Ex eifersüchtig zu machen …

1. KAPITEL

„Spricht da die Braut, die sich nicht traut?“

„Die Verlobte, bitte! Wir standen noch nicht vor dem Altar“, sagte Chey Rodgers und kicherte. Ihre Schwester Deanna fand das offensichtlich auch lustig, und Chey musste sie irgendwann in ihrem Gekichere unterbrechen. „Wie geht’s Mom und Dad?“, fragte sie und kuschelte sich mit dem Telefon am Ohr auf das Sofa in ihrem kleinen Wohnzimmer.

„Dad geht’s wie immer. Und Mom eigentlich auch. Immer dieselbe anstrengende alte Frau.“ Deanna lachte, hielt aber abrupt inne. „Erzähl ihr bloß nicht, dass ich das gesagt habe.“ Dann kicherte sie wieder.

Chey schüttelte lächelnd den Kopf. Es heiterte sie immer auf, mit ihrer Schwester zu telefonieren. „Ich habe sie vorhin angerufen, aber sie ist nicht rangegangen.“ Manchmal war es eine Erleichterung, wenn ihre Mutter nicht ans Telefon ging. Sie war nicht sehr froh über Cheys Entscheidung, von zu Hause wegzugehen.

„Bestimmt ist sie mit den Ladies von der Kirche unterwegs.“

Chey sah auf die Datumsanzeige ihres Laptops, der auf dem Couchtisch stand. „Stimmt, es ist Donnerstag. Ich rufe sie morgen noch mal an.“

„Sie ist immer noch ziemlich aufgewühlt. Sie begreift einfach nicht, warum du deine Verlobung gelöst hast und direkt nach New York gezogen bist. In diese ‚olle Großstadt‘, wie sie sagt.“

„Ich habe es ihr schon tausend Mal erklärt. Ihr kennt Todd nicht richtig. Ich kann ihn einfach nicht heiraten.“ Chey seufzte. „Und ich wollte schon seit Ewigkeiten mein Studium beenden. Ich weiß, dass Mom das beängstigend findet, aber es ist meine Chance. Und New York passt einfach am besten.“

Deanna schwieg am anderen Ende der Leitung. „Und wie ist New York?“, fragte sie dann. „Fühlst du dich wohl dort?“

„Bisher ist es großartig.“

„Hat Todd sich mal bei dir gemeldet?“, fragte ihre Schwester vorsichtig.

„Nein.“ Gott sei Dank.

„Dabei bist du schon seit Monaten weg.“

„Unsere Beziehung war schon vorbei, bevor ich sie offiziell beendet habe. Er ist so egozentrisch. Wahrscheinlich glaubt er, er bestraft mich, wenn er sich nicht meldet.“ Chey verdrehte die Augen, als sie an ihren manipulativen Ex dachte. Aber sie wollte nicht über Todd Coleman reden. Er war endlich Vergangenheit. „Übrigens: Ich habe mir die Haare schneiden lassen“, sagte sie und fuhr sich instinktiv durch das kurze Haar.

„Ehrlich?“ Deanna quietschte. „Wie viel ist ab?“

„Fast alles.“

„Bitte?“

„Ich habe richtig kurzes Haar!“

„Oh, mein Gott, Chey! Du musst mir sofort ein Foto schicken.“

„Das mache ich. Und ich kann es kaum erwarten, dass die Uni anfängt.“

„Wann geht’s los?“

„Ende Januar.“

„Wow. Es ist bestimmt komisch, wieder in einem Seminarraum zu sitzen und Hausarbeiten zu schreiben. Aber du hast es dir schon so lange gewünscht.“

„Es ging eben nicht. Wir hatten nun mal kein Geld, seit der Laden nicht mehr lief. Aber es war deprimierend, als all die Leute in meinem Jahrgang ihren Abschluss gemacht haben. Aber mit dem, was ich gespart habe, kann ich jetzt endlich weitermachen. Und vorher gönne ich mir einen kleinen Urlaub.“

„Den hast du dir wirklich verdient. Wohin fährst du?“

„Nach Utah, in die Nähe von Salt Lake City.“

Chey hielt den Hörer vom Ohr weg, als ihre Schwester kreischte: „Was willst du denn in Utah?“

„Ich habe da eine Hütte gebucht. Ich will Ski und Snowboard fahren, heiße Schokolade vor einem gemütlichen Kaminfeuer trinken und an dem Buch arbeiten, das ich schon seit Ewigkeiten schreiben will.“

„Chey! Ich fürchte, ich muss einen Identitätsdiebstahl anzeigen. Du bist garantiert nicht meine Schwester.“

„Und das ist erst der Anfang“, erklärte Chey.

„Das ist so toll! Ich sollte mir eine Scheibe davon abschneiden, ich könnte auch etwas Aufregung gebrauchen. Vielleicht besuche ich dich ja bald. Ich will so gern mal nach New York.“

„Mach das unbedingt.“

„Aber ich warte bis zu deinen Frühjahrsferien“, sagte Deanna. „Sonst ist es mir zu kalt dort. Oh, und ich muss auflegen, Schwesterherz. Ich habe gleich eine Telefonkonferenz. Ruf morgen wieder an, ja? Hab dich lieb.“ Deanna hatte aufgelegt, bevor Chey sich verabschieden konnte.

Seit Deanna als Datenanalystin von zu Hause aus arbeitete, achtete sie sehr darauf, dass man sie für eine fleißige Angestellte hielt. Obwohl sie oft vom Laden ihrer Eltern aus arbeitete, antwortete sie immer sofort auf E-Mails oder Anrufe, damit ihre Chefs sich gar nicht erst fragen konnten, wo sie war. Da der Familienbetrieb nicht allzu viel abwarf, brauchte sie den Job.

Chey legte das Telefon auf den Couchtisch und ging zum Spiegel neben der Tür. Sie drehte den Kopf, betrachtete ihre neue Frisur und fuhr sich noch einmal mit den Fingern durchs Haar. Als sie der Friseurin das Foto von Halle Berry als Vorbild gezeigt hatte, war Chey total nervös gewesen.

Zuerst hatte sie sich erschrocken, wie anders sie nun wirkte. Vielleicht war die Veränderung doch zu drastisch. Aber dann hatte Chey von allen Seiten unglaublich viele Komplimente bekommen. Irgendwann war sie mit der neuen Frisur so glücklich gewesen, dass sie sich gefragt hatte, warum sie das Haar nicht schon längst abgeschnitten hatte. Der neue Look brachte ihre hohen Wangenknochen und die großen braunen Augen viel besser zur Geltung. Dann fiel ihr wieder ein, warum. Todd hatte langes Haar lieber gemocht.

Das Gefühl von Freiheit und Leichtigkeit machte geradezu süchtig. Chey hatte Dinge in Angriff genommen, die sie seit Jahren vorgehabt hatte. Endlich war sie Todd los und konnte tun und lassen, was sie wollte. Es fühlte sich großartig an!

Das Telefon klingelte. Zwar erkannte sie die Nummer nicht, aber an der Vorwahl sah sie, dass der Anruf aus ihrer Heimatstadt in Virginia kam.

„Hallo“, sagte sie in dem höflichen Tonfall, den sie auch bei der Arbeit benutzte.

„Chey?“ Todds Begrüßung klang eher wie eine Anklage.

Chey hatte nichts von ihm gehört, seit sie vor drei Monaten bei ihm ausgezogen war. Am liebsten hätte sie gleich aufgelegt, aber sie riss sich zusammen. Es gab keinen Grund, sich vor ihm zu verstecken.

„Hallo, Todd.“ Sie behielt den professionellen Tonfall bei.

„Ich habe dir wirklich genügend Zeit gelassen, um deine komischen Anwandlungen zu überwinden. Es ist Zeit, dass du nach Hause kommst. Ich brauche dich hier.“

Chey musste lachen, so absurd klang das. „Das kannst du nicht ernst meinen.“

„Findest du das komisch?“ Er war sichtlich verärgert.

„Ja, das finde ich. Du brauchst mich überhaupt nicht. Es passt dir nur nicht, dass ich dich verlassen habe und ohne dich zurechtkomme.“

„Das geht jetzt lange genug so.“

„Todd. Es ist vorbei. Ich wünsche dir alles Gute.“

„Wo bist du?“

„Leb wohl, Todd.“ Kopfschüttelnd legte Chey auf.

Tief in ihrem Inneren hatte sie gleich gewusst, dass es ein Fehler gewesen war, damals Todds Antrag anzunehmen. Und nachdem er ihr gesagt hatte, sie solle „aufhören, an diesen dämlichen Parfüms herumzubasteln“, die sie in ihrer Küche herstellte, war es vorbei gewesen. Er hatte ja keine Ahnung, wie gut ihre Düfte sich in dem Laden ihrer Eltern verkauften. Ohne ihre Kreationen hätten sie schon längst schließen müssen. Und durch den Verkauf ihrer Produkte hatte Chey nicht nur den Laden gerettet, sie hatte auch genug sparen können, um nach New York zu ziehen und endlich ihren Abschluss zu machen.

New York – in dieser Stadt wurden Träume wahr. Chey drehte sich mit ausgestreckten Armen in ihrem winzigen Zwei-Zimmer-Apartment. Sie würde endlich den Bachelor in Chemie machen und Parfümeurin werden. Am liebsten würde sie danach bei einem Unternehmen wie Estelle London anfangen und Düfte und Hautpflegeprodukte entwerfen. Später könnte sie dann vielleicht ihre eigene Kosmetikfirma gründen.

Entschlossen ging sie zum Kühlschrank und holte die Flasche Champagner heraus, die sie sich eigentlich für das neue Jahr gekauft hatte. Auf einmal kam es ihr unsinnig vor, noch die paar Tage abzuwarten. Also ließ sie den Korken knallen, schenkte sich ein Glas ein und trank auf ihren Neuanfang.

Hunter Barrington schaute seinen Bruder Blake an, der am anderen Ende des Raumes auf der Couch saß und den Arm um seine Verlobte Cadence gelegt hatte. Ob Hunter selbst wohl auch irgendwann die Richtige finden würde? Niemand hatte erwartet, dass Blake sich vor seinem großen Bruder Hunter fest binden würde.

„Hey, Bruderherz. Du hörst mir nicht zu.“ Drew, der jüngste der Barrington-Brüder, riss Hunter aus seinen Gedanken und holte ihn zurück auf die Silvesterparty, auf der es vor Menschen und Musik nur so brummte.

„Was?“, fragte Hunter und nippte an seinem Champagner.

„Ich hab gesagt, sieh dir Blake an – die Liebe hat ihn in einen Trottel verwandelt.“ Drew ließ sein ansteckendes Lachen hören, und die Gäste in der Nähe drehten sich zu ihm um.

„Und das ist gut so. Mit Cadence hat er Glück gehabt.“

„Du hast ja recht. Ich mach nur Witze.“ Drew nahm einen großen Schluck Bier. „Und du? Glaubst du, dass dich mal eine Frau davon überzeugt, das Singledasein sausen zu lassen?“

„Ich weiß es nicht. Ich weiß es wirklich nicht.“ Hunter nahm noch einen Schluck.

Drew wirkte nachdenklich. „Ich weiß es auch nicht.“

„Hey, Hunter“, sagte eine Frau in einem hellrosa Kleid, die darin wie ein Osterei aussah.

„Hey …“ Er versuchte, sich an ihren Namen zu erinnern.

„Tricia“, sagte sie und schwieg einen Augenblick. Offensichtlich wartete sie auf ein Zeichen des Wiedererkennens in Hunters Gesicht. „Ich bin gerade in den New Yorker Anwaltsverband eingetreten.“

„Ah, okay.“ Hunter hatte keine Ahnung, wer die Frau war. „Schön, Sie zu sehen, Tricia.“ Er schüttelte ihre Hand. Allerdings war sie hübsch genug, um sie im Gedächtnis zu behalten. Hunter ließ seinen Blick unauffällig über ihre Kurven wandern, aber anscheinend nicht unauffällig genug. Sie lächelte verführerisch und bog leicht den Rücken durch, um ihm einen ungehinderten Blick in ihr tiefes Dekolleté zu bieten.

„Man sieht sich“, sagte sie dann, drehte sich langsam um und ging mit schwingenden Hüften davon. Ihren sinnlichen Gang würde er so leicht nicht wieder vergessen.

„Wer ist das?“, fragte Drew und glotzte der Frau hinterher.

„Tricia.“

„Tricia?“

„Ja, Tricia“, sagte Hunter, der ihr ebenfalls nachsah. Sie war schön, aber er wusste jetzt schon, dass sie nicht „die Richtige“ war.

Hunter runzelte die Stirn. Früher hatte er Frauen nie danach beurteilt, ob sie „die Richtige“ sein könnten. Vielleicht lag es an all der Liebe, die Blake und Cadence verströmten.

Er sah Drew an, der immer noch hinter Tricia herstarrte, und lächelte. Er war auf einer Party. Es wurde langsam Zeit, dass er sich auch so verhielt. Aus den verborgenen Lautsprechern kam R&B-Musik. Die Leute standen in Grüppchen zusammen, lachten, unterhielten sich und nippten an allen möglichen Getränken.

„Hey, Blake“, rief er und schob sich mit seinem leeren Glas durch die Menge. „Es ist fast Mitternacht. Wir brauchen mehr Champagner.“

Ein paar Leute riefen Hurra, als sie das hörten. Man spürte, wie die Atmosphäre sich auflud.

Die drei Brüder holten gekühlten Champagner aus dem Keller. Als sie zurückkamen, jubelten die Gäste ihnen zu. Blake entkorkte tanzend ein paar Flaschen.

Je näher Mitternacht rückte, desto lauter wurde die Party. Hunter entdeckte Tricia. Sie stand auf der anderen Seite des Raumes und beobachtete ihn. Hunter lächelte und prostete ihr zu.

„Nur noch dreißig Sekunden“, rief Cadence und hielt das Champagnerglas hoch in die Luft.

Hunter stellte sich zu den anderen Gästen vor den Fernseher. Auf dem großen Flatscreen war die Zeremonie auf dem Times Square zu sehen. Zuerst die Menschenmenge, dann der mit dreieckigen Kristallen besetzte Zeitball. Der Ticker des Fernsehers zeigte, dass das neue Jahr in zwanzig Sekunden beginnen würde. Blake ging zu Cadence. Hunter spürte Tricias Blick auf sich. In den letzten zehn Sekunden sprachen alle den Countdown mit. Die Luft knisterte geradezu.

„Fünf. Vier. Drei. Zwei. Eins. Prost, Neujahr“, riefen alle einstimmig.

Gläser wurden erhoben und geleert. Liebespaare schmiegten sich aneinander, andere umarmten sich herzlich oder gaben sich Küsschen. Hunter klatschte sich mit seinen Brüdern, den Cousins und ein paar Freunden ab.

Plötzlich stand Tricia neben ihm. Ihre Augen funkelten, als sie ihm ein frohes neues Jahr wünschte und das Glas an die vollen rosa Lippen führte. Hunter spürte, wie sich in seinem Bauch ein Funke entzündete. Er nahm einen großen Schluck und sah ihr in die Augen.

Tricia lächelte. „Kriege ich keine Umarmung?“, fragte sie aufreizend.

„Sie können sogar mehr als das haben.“ Hunter beugte sich vor, um Tricia einen Kuss auf die Wange zu geben, aber kurz vorher drehte sie den Kopf, und er traf ihre vollen Lippen. Hunter zog die Augenbrauen hoch. Er öffnete leicht seine Lippen, und begierig empfing sie seine Zunge.

Hunter wusste jetzt, dass er heute mit ihr im Bett landen würde, aber er wusste auch, dass sie definitiv nicht „die Richtige“ war.

Eine Woche war im Nu vergangen, und obwohl Hunter sich in aller Ruhe auf die jährliche Reise mit seinen Studienfreunden hatte vorbereiten wollen, machte er schließlich doch einiges wieder auf den letzten Drücker.

„Mom! Dad“, rief er, als er das Haus seiner Eltern in Long Island durch die Garage betrat.

„Ich bin hier, Schatz“, rief Joyce, seine Mutter, aus der Waschküche.

Hunter folgte ihrer Stimme. „Hallo, Mom.“

„Hallo, Schatz.“ Joyce stellte sich auf die Zehenspitzen, um ihrem ältesten Sohn einen Kuss zu geben und ihn zu umarmen. „Alles bereit für die Reise?“ Joyce wandte sich wieder der frisch gewaschenen Wäsche zu. „Ich begreife nicht, warum ihr ausgerechnet nach Utah fahrt. Schließlich haben wir in New York gerade Schnee genug.“ Sie legte ein Handtuch zusammen, das sie gerade aus dem Trockner geholt hatte.

Hunter lachte. „Du weißt genau, dass wir immer zu neuen Orten fahren. In Utah waren wir noch nie.“

„Wann fährst du los?“

„Morgen früh um sechs. Ich muss noch ein paar Dinge erledigen, aber ich wollte dich und Dad noch sehen, bevor ich fahre.“

„Dad ist im Fitnessstudio. Hast du schon gefrühstückt?“

„Nur eine Tasse Kaffee.“

Joyce faltete das letzte Handtuch zusammen und legte es auf den Stapel. „Ich mache dir Frühstück. Wenn du aufgegessen hast, ist Dad bestimmt zurück.“

Hunter konnte es nicht ablehnen, Zeit mit seiner Mutter zu verbringen. „Machst du mir ein Eier-Sandwich?“

„Mehr willst du nicht?“

„Du machst einfach die besten Eier-Sandwiches.“ Hunter lächelte breit.

Kopfschüttelnd trug Joyce den Wäschekorb in die Küche. Hunter folgte ihr. Sie wusch sich die Hände und sah Hunter kritisch von der Seite an.

„Wie kann es eigentlich sein, dass Blake vor dir heiratet? Aber vielleicht willst du überhaupt nicht heiraten. Heutzutage wollen alle Single bleiben.“ Joyce stemmte die Hände in die Hüften.

„Ich habe nie behauptet, dass ich nicht heiraten will. Ich habe einfach noch nicht die Richtige gefunden.“

„Suchst du überhaupt?“ Joyce sah ihn misstrauisch an.

Hunter räusperte sich und hörte in dem Moment das Garagentor. Gerettet!

„Hallo, Dad“, rief er, als sein Vater in die Küche kam.

„Hallo, Junge. Was bringt dich zu uns?“

„Ich fahre morgen in den Urlaub und wollte nur noch mal vorbeikommen.“

„Ah, du musst die Jungs von mir grüßen.“

„Mach ich.“

Floyd küsste Joyce auf die Stirn.

„Geh duschen“, sagte sie. „Ich mach dir was zu essen.“

„Danke, meine Liebste.“

Sein Vater ging nach oben, und zu Hunters Entsetzen kam Joyce direkt wieder auf das Thema zu sprechen.

„Und? Suchst du?“

„Nein, Mom, ich suche nicht direkt, aber ich werde es schon merken, wenn ich die Richtige treffe.“

Joyce stellte Hunter seinen Teller hin und schenkte zwei Gläser Orangensaft ein. Sie nahm einen Schluck und sah ihren Sohn an. Als er ihren eindringlichen Blick spürte, hörte er auf zu kauen und blickte auf.

„Die Frau, mit der du die Silvesterparty bei Blake verlassen hast, war also offensichtlich nicht die Richtige?“

Hunter verschluckte sich beinahe. Kurz fragte er sich, woher seine Mutter das wusste, aber er konnte es sich schon denken.

„Lass mich raten. Drew hat es dir erzählt?“

Joyce beantwortete seine Frage nicht. „Du bist zweiunddreißig. Es wird Zeit. Such dir eine nette Frau, gründe eine Familie, und kümmere dich um sie, so wie dein Vater es getan hat. Vertrau mir. Du willst nicht allein alt werden.“

Hunter schlang den Rest seines Sandwiches herunter. Er dankte seiner Mutter und rannte hoch, um noch kurz mit seinem Vater zu sprechen. Aber als er die Treppe hinunterkam, stand seine Mutter wieder da.

„Vergiss nicht, was ich dir gesagt habe, Hunter. Verschwende deine Zeit nicht mit Frauen, von denen du schon weißt, dass sie nicht die Richtigen sind.“

„Zu Befehl!“ Hunter richtete sich auf und salutierte.

Joyce bewarf ihn mit dem Handtuch, das sie in der Hand hielt. Er fing es auf, ging zu ihr, um es ihr zurückzugeben, und nahm sie fest in den Arm. „Wir sehen uns, wenn ich zurück bin“, sagte er und gab ihr einen Kuss auf die Stirn.

Hunter stieg in seinen SUV, startete und fuhr aus der breiten Einfahrt seines Elternhauses. Kaum war er auf der Straße, klingelte das Telefon.

„Hey, Süßer.“ Tricias sinnliche Stimme wärmte ihn innerlich.

„Hi, Tricia.“

„Alles bereit für die Reise?“

„Ich muss noch ein paar Kleinigkeiten erledigen.“

„Soll ich heute Abend vorbeikommen und dir packen helfen? Du wirst es nicht bereuen.“

Sofort musste er an die Worte seiner Mutter denken. Natürlich mochte er Tricia. Jeder sinnliche Mann hätte an einer solchen Frau seine Freude. Aber Hunter wusste, dass er keine längere Beziehung mit ihr wollte, und beschloss, nach dem Urlaub Schluss zu machen. Für heute würde er sie höflich abwimmeln.

„Ich habe noch viel zu tun und hätte kaum Zeit für dich. Und mein Flug geht um sechs Uhr früh, ich muss also mindestens um Viertel nach vier aus dem Haus.“

„Ich könnte bei dir übernachten.“

„Ich würde dich nicht wecken wollen, und du musst am nächsten Tag arbeiten.“

„Das macht nichts. Wir würden doch sowieso nicht schlafen. Und um den nächsten Tag zu überstehen, trinke ich einfach einen Energydrink. Das hab ich schon öfter so gemacht.“

Hunter schwieg. Machte sie öfter die Nacht mit irgendwelchen Männern durch? Er wollte lieber nicht nachfragen.

„Okay, das klang komisch, stimmt’s?“ Sie lachte – er jedoch nicht. „Ich bin heute jedenfalls früh zu Hause. Ruf an, wenn ich kommen soll. Ich warte“, surrte sie.

„Okay …“ Hunter verstummte. Aber er wusste, dass er sie nicht anrufen würde, und wollte ihr nichts vormachen. „Ich melde mich nach dem Urlaub, und wir gehen gemeinsam essen. Wie klingt das?“

„Ich wollte dich vorher noch sehen“, klagte sie. „Na gut. Dann hab einen schönen Urlaub.“

Es wäre unhöflich, die Affäre per Telefon zu beenden, und für ein Treffen hatte er keine Zeit mehr. Im Urlaub konnte er sich überlegen, wie er ihr vernünftig beibringen konnte, dass er keine Beziehung wollte.

2. KAPITEL

„Verdammt!“ Frustriert rieb Hunter sich das Gesicht.

„Lass mich raten … noch mehr Verspätung?“, sagte sein Studienfreund Eric, der seine Reisetasche neben die Tür stellte.

Dave, ein weiterer Freund, zog eine Grimasse. Hunter, Dave, Eric und Sam hatten die ganze Woche im Powder-Mountain-Skigebiet in Utah verbracht. Seit der Uni waren sie bisher jedes Jahr zusammen in den Urlaub gefahren. Sie waren in Costa Rica mit Geländefahrzeugen über Strände gedüst und in Rio Jet-Ski gefahren.

„Der Flug ist komplett gestrichen worden. Wenn ich Glück habe, komme ich morgen hier weg.“ Hunter ging vor dem Fernseher auf und ab, der über dem Kamin an der Wand hing und von zwei Elchköpfen flankiert wurde.

„Komm doch mit zum Flughafen, vielleicht gibt es einen anderen Flug. Vielleicht können sie dich umleiten.“

„Ich fürchte, das bringt nichts. Der Sturm bewegt sich vom Mittleren Westen Richtung Ostküste, und er ist ziemlich heftig. Wir würden direkt hineinfliegen.“

„Das ist nicht gut“, sagte Dave.

„Du solltest nichts riskieren“, fügte Eric hinzu.

„Sieh es doch so: Du hast einen Tag länger frei. Mach das Beste draus“, sagte Sam.

Dann klingelte Erics Telefon. Der Shuttle-Service war da. Die Männer nahmen ihre Sachen und verließen die Hütte. Draußen wurden sie von der Kälte und ein paar Windböen begrüßt. Hunter kniff die Augen zusammen und senkte den Kopf, um dem Schnee auszuweichen. Ein kleiner alter Mann mit wettergegerbten Händen sprang aus dem Minivan und öffnete die Heckklappe.

Die drei Freunde luden ihr Gepäck ein, dann drehten sie sich zu Hunter um.

„Ist es okay für dich, allein hierzubleiben?“, fragte Sam.

„Kein Problem. Ich frage an der Rezeption, ob ich einen Tag verlängern kann.“

„Sie wollen länger bleiben?“, warf der Fahrer ein.

„Ja.“

Der Mann schüttelte den Kopf, und eine graue Strähne fiel ihm in die Stirn. „An Ihrer Stelle würde ich das nicht tun. Vielleicht werden die Straßen gesperrt. Wenn das Wetter so bleibt, kommt man nicht mehr so leicht runter vom Berg. Und auch nicht rauf.“

„Ich habe keine Wahl. Mein Flug wurde gestrichen.“

Der alte Mann nahm einen tiefen Atemzug. „Tja, dann bleibt Ihnen wohl nichts anderes übrig. Wahrscheinlich haben die Platz, ein paar Leute sind wegen des Wetters nicht gekommen. Viel Glück.“ Zum Abschied tippte er sich an einen imaginären Hut.

Hunter klopfte noch einmal auf das Autodach, dann fuhren seine Freunde ab. Er ging gleich los, um zu fragen, ob er eine Nacht länger bleiben konnte. Als er das Gebäude erreichte, in dem die Rezeption, ein Café, das Restaurant und der Souvenirladen untergebracht waren, bemerkte er zum ersten Mal, dass er nicht als Einziger auf dem Berg gestrandet war. Es war gerammelt voll. Menschen gingen aufgeregt telefonierend auf und ab. Verzweifelte Mütter versuchten, schreiende Babys zu beruhigen, und die Angestellten gaben sich Mühe, nicht die Geduld zu verlieren, während sie den gestressten Urlaubern halfen.

Hunter musste fast eine Stunde in der Schlange warten, bis er mit einer Mitarbeiterin sprechen konnte – und fand am Ende nur heraus, was er ohnehin schon ahnte. Es gab keine freien Zimmer. Es war allerdings unklar, ob alle Gäste wirklich kommen würden. Inzwischen war die Straße gesperrt worden, wie der alte Mann vorausgesagt hatte. Einige Gäste hatten es aber trotzdem auf den Berg geschafft. Sobald man halbwegs einen Überblick hatte, würden sie Hunter Bescheid geben.

Danach kämpfte Hunter sich durch Kälte und Schnee zur Hütte zurück, um sein Gepäck zu holen. Sie war in der Zwischenzeit schon geputzt worden. Aber anstatt zur überfüllten Rezeption zurückzugehen, beschloss er, hier zu warten. Mit etwas Glück würden die Leute nach ihm gar nicht anreisen.

Sein Gepäck stand schon an der Tür, er legte sich auf die Couch und machte den Fernseher an. Die Nachrichten über die Wetterlage wurden immer schlechter, und als er die Karten über Schneefall und Windgeschwindigkeiten nicht mehr sehen konnte, machte er den Fernseher aus und schlief ein.

„Hallo!“

Die Stimme einer Frau drang in sein Bewusstsein. Zuerst dachte er, sie gehörte zu seinem Traum.

„Verzeihung!“ Die Stimme klang leicht irritiert.

Als er endlich begriff, dass das Geräusch nicht in seinem Kopf war, öffnete Hunter die Augen und sah undeutlich eine schwarzhaarige Schönheit vor sich. Er rieb sich die Augen und sah wieder hin. Sie war noch da. Nach einem kurzen Moment der Verwirrung fiel ihm plötzlich ein, wo er war – in einer Hütte, die ihm nicht länger zustand.

Hunter sprang auf. Die Frau trat einen Schritt zurück.

„Tut mir leid. Ich wollte Sie nicht erschrecken.“ Hastig sah er sich nach seinem Gepäck um und blinzelte. „Ist das Ihre Hütte?“

„Äh … ja.“ Sie hielt die Schlüssel hoch und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Verzeihen Sie …“ Hunter verstummte, als er ihre vollen Lippen betrachtete und ihr dann in die großen, braunen Augen sah. Unwillkürlich musste er lächeln. Sie beäugte ihn skeptisch und etwas verwirrt. „Ich muss eingeschlafen sein. Ich wollte Sie wirklich nicht erschrecken. Ich bin sofort weg.“ Er rührte sich jedoch nicht von der Stelle.

Auch sie blieb wie angewurzelt stehen.

Sie hörten nicht auf, sich gegenseitig unverwandt anzustarren. Endlich riss Hunter sich los und ging zur Tür. Auf halbem Weg blieb er stehen, ging zurück und hielt ihr die Hand hin. „Entschuldigen Sie die Unhöflichkeit. Mein Name ist Hunter, Hunter Barrington.“ Zuerst zögerte sie, aber dann ergriff sie seine Hand und schüttelte sie. Hunter hätte schwören können, dass die Temperatur um ein paar Grad anstieg, als sie sich berührten. Er lächelte wieder. „Ich gehe dann mal.“

Wow, sie ist hinreißend! Hunter schlenderte zur Tür, nahm sein Gepäck und ging hinaus in den Schnee, der von Utahs Abendhimmel fiel. Aber diesmal spürte er die Kälte nicht.

Chey stand wie erstarrt mitten in der Hütte. Nicht wegen der Kälte. Sondern wegen des atemberaubenden Mannes, der eben noch auf ihrer Couch gelegen hatte. Sie kam sich ein bisschen vor wie Schneewittchen, obwohl er ja eigentlich diesen Part gespielt hatte.

Was hatte er hier gemacht? Seinen Namen kannte sie jetzt – Hunter … Hunter Barrington. Sie hörte förmlich, wie er sich mit seiner vollen, angenehmen Stimme vorstellte.

Obwohl sie im ersten Moment ein bisschen Angst gehabt hatte, hatte sie kaum den Blick von seinen dunklen Augen abwenden können. Er hatte einen sinnlichen Mund gehabt und einen großen und muskulösen Körper.

Endlich rührte sie sich von dem Fleck, auf dem sie stand, seit der Fremde die Hütte verlassen hatte. „Genug damit. Ich kann nicht glauben, dass ich hier bin.“

Die letzte Woche war anstrengend gewesen. Chey hatte nicht gewusst, wo ihr der Kopf stand. Sie war in der Uni gewesen und hatte den Rest der Studiengebühren bezahlt, für die das Teilstipendium nicht aufkam. Dann hatte sie ihren Stundenplan festlegt. Es war so aufregend gewesen, selbst die Planung für die geplatzte Hochzeit hatte sie nicht so begeistert. Und jetzt war sie endlich hier, allein in ihrer Hütte.

Kichernd warf sie sich auf die Couch. Es fühlte sich toll an. Mit einem tiefen Atemzug ließ sie sich noch tiefer in die Kissen sinken und lächelte. Kurz darauf sprang sie jedoch auf und erkundete die Räumlichkeiten.

Die Hütte bestand aus einem gemütlichen Apartment mit zwei Schlafzimmern, in dem bis zu sechs Personen übernachten konnten. Das rustikale Navajo-Dekor schuf eine warme Atmosphäre. Chey musste lächeln. Durch das hintere Fenster hatte sie einen Blick auf schneebedeckte Gipfel, die fast wie auf einer Postkarte aussahen. Sie freute sich jetzt schon darauf, mit einem Buch vor dem Kamin zu sitzen, eingelullt vom knisternden Feuer und hypnotisiert von der Glut. Es war viel schöner, als sie gedacht hatte, auch wenn sie die ausgestopften Elchköpfe etwas unheimlich fand. Der Wohnbereich war offen gestaltet, es gab eine Küchenzeile, davor eine Theke, und einen großen Esstisch. Vor der Ledercouch stand ein rustikales Tischchen, mit der Scheibe eines Baumstamm als Tischplatte. Darunter lag ein Bärenfell, an dem sogar noch die Klauen hingen. Trotzdem war es perfekt.

Chey hatte nicht mit schlechtem Wetter gerechnet, als sie den Urlaub gebucht hatte, aber das konnte ihre Begeisterung nicht dämpfen. Irgendwann würde sie schon rauskommen und all die abenteuerlichen Dinge tun, die sie geplant hatte. Im Moment wollte sie sich sowieso erst mal einrichten und entspannen. Da sie noch nie Wintersport betrieben hatte, hatte sie Unterrichtsstunden für Ski- und Snowboardfahren gebucht.

Nachdem sie sich alles angesehen hatte, rief Chey ihre Schwester und ihre Eltern an, um Bescheid zu geben, dass sie gut angekommen war. Dann ging sie ins Bad.

Chey nahm sich Zeit für ihre Dusche, dann schlüpfte sie in ein paar gemütliche Jeans und zog sich einen Wollpulli über das langärmlige Thermoshirt. Sie knetete die kurzen Locken in Form und trug einen leicht getönten Lipgloss auf. Ihr knurrte der Magen, und ihr wurde bewusst, dass sie seit der Zeit vor dem Flug nichts mehr gegessen hatte. Rasch zog sie den Mantel über, steckte etwas Geld ein und machte sich auf den Weg ins Café.

Die Rezeption war deutlich leerer geworden, seit sie angekommen war. Ein paar Leute warteten offensichtlich immer noch auf ein Zimmer. Einige hatten es sich auf Stühlen gemütlich gemacht, andere lagen auf dem Fußboden und benutzten ihre Taschen als Kopfkissen.

Chey sprach eine Rezeptionistin an. „Warten diese Leute alle noch auf ihre Zimmer?“

Die Hotelangestellte seufzte. „Leider sitzen die meisten hier fest. Wir haben nichts mehr frei. Einige Flüge wurden gestrichen, andere Leute haben es nicht mehr zum Flughafen geschafft, bevor man die Straßen gesperrt hat. Manche Gäste haben angeboten, ein paar Leute bei sich aufzunehmen, aber es sind noch nicht alle untergebracht. Wir tun alles, um ihnen wenigstens einen Schlafplatz zu bieten. Ein paar haben wir im benachbarten Ferienresort unterbringen können, aber die Situation dort ist ähnlich.“

„Oh.“ Mehr brachte Chey nicht heraus. Die Leute taten ihr furchtbar leid, und sie hatte fast ein schlechtes Gewissen, so viel Platz nur für sich zu haben. Aber als allein reisende Frau musste sie auch vorsichtig sein.

Chey nickte der Angestellten zu und ging zum Café. Auf dem Weg entdeckte sie den gut aussehenden Fremden aus ihrer Hütte und beobachtete ihn diskret. Er saß zurückgelehnt in einem Schaukelstuhl und hatte die Füße auf einer Ottomane abgelegt. Wow, dachte sie wieder. Er sah so wahnsinnig gut aus. Gerade als sie an ihm vorüberging, hob er den Kopf und öffnete die Augen. Chey wandte sich rasch ab. Aus den Augenwinkeln sah sie, wie er versuchte, eine bequemere Position zu finden. Es sah wirklich nicht sehr bequem aus.

Chey ging ins Café und bestellte einen Salat, ein Sandwich und einen heißen Kakao. Beim Essen musste sie ständig an den Fremden denken. Sie fragte sich, ob er wohl in dem Schaukelstuhl schlafen müsste.

„Verzeihung?“

Schon wieder diese Stimme. Chey schluckte, bevor sie aufsah.

„Oh, hallo.“

„Ich wollte fragen, ob ich mich wohl zu Ihnen setzen dürfte.“

Chey fragte sich, warum er sich nicht an einen der leeren Tische setzte. Aber als sie sich umsah, merkte sie, dass es keinen gab. Das Café war voll, wahrscheinlich mit all den Leuten, die keinen Schlafplatz hatten.

Verlegen senkte sie den Blick und schalt sich innerlich, dass sie ihn hatte wegschicken wollen. Aber sie konnte einfach nicht aufhören, ihn anzustarren, wenn er in der Nähe war, als wäre er ein Ausstellungsstück in einem Museum. Wieder sah sie zu ihm hoch – tiefgründige Augen, sinnliche Lippen, ein elegant gestutzter Kinnbart.

Bittend sah er sie an, dann machte er den Mund auf. „Ich würde Sie nicht behelligen, aber es ist kein Tisch mehr frei. Und ich kenne Sie zwar nicht, aber die anderen kenne ich noch weniger.“ Er lachte leise, und beim sinnlichen Klang seiner Stimme musste sie an eine kühle Brise denken, die bei Sonnenuntergang über eine Wiese weht. Oh Gott, was sind das für kitschige Gedanken!

Chey zog die Füße unter ihre Seite des Tisches und machte Platz, damit er sein Tablett mit Essen abstellen konnte. Dann sah sie ihn an und lächelte. „Tut mir leid, wenn ich einen unfreundlichen Eindruck mache. Ich hatte einen langen Tag.“

„Davon kann ich auch ein Lied singen. Puh!“ Hunter aß einen Löffel Suppe.

Chey beobachtete, wie seine Lippen sich spitzten, um die heiße Flüssigkeit aufzunehmen.

„Also …“ Chey zögerte. Sie wusste nicht, ob sie wirklich ein Gespräch mit ihm anfangen sollte. „Sie sitzen hier fest?“ Vielleicht hätte sie lieber nicht fragen sollen. Sie hatte ja jetzt schon ein schlechtes Gewissen.

„Leider ja. Ich sollte heute zurückfliegen, aber zuerst war mein Flug verspätet, dann wurde er ganz gestrichen.“

„Oh.“ Was sollte sie bloß mit dieser Information anfangen? Sie konnte den Mann ja schlecht in ihre Hütte einladen. Ein Teil von ihr wollte ihm ihr zweites Zimmer anbieten, ein anderer Teil wollte so weit wie möglich von ihm fernbleiben. Sie fühlte sich von ihm angezogen, und da sie in letzter Zeit so spontan war, fürchtete sie ein bisschen, dass diese Anziehung vielleicht stärker sein könnte als ihre Vernunft.

Unauffällig betrachtete sie seine seidigen Augenbrauen, die hohen Wangenknochen, diesen verführerischen Schlafzimmerblick und die kantige Linie seines Kinns. Dieser Mann war perfekt. Aber bestimmt war sie ohnehin nicht sein Typ. Sie hatte sein Designer-Gepäck gesehen. Er sah aus, als würde er Frauen mit teuren Stilettos, Haaren bis zum Po und einem gewissen Hintergrund bevorzugen. Garantiert war er genauso ein reicher Schnösel wie Todd.

Chey fragte sich, ob Hunter es wohl auch albern finden würde, dass sie Parfüms kreierte. Sie schob den Gedanken beiseite. Warum dachte sie über so etwas nach? „Nett, Sie wiederzusehen, …?“ Sie tat so, als hätte sie seinen Namen vergessen.

„Hunter“, half er und hielt ihr noch einmal die Hand hin.

Chey schüttelte sie, und wieder war da dieses Gefühl – ein leichtes Flattern im Magen.

„Nun …“ Sie räusperte sich, als sie mit dem Essen fertig war. „Ich wünsche Ihnen eine gute Nacht. Wir sehen uns bestimmt.“

„Bestimmt.“ Er grinste. „Wahrscheinlich genau hier.“

„Tut mir leid.“ Chey wusste nicht, was sie sagen sollte, und wünschte ihm noch einmal eine gute Nacht.

Chey ging direkt zu ihrer Hütte. Sie stieß die Tür auf, schloss sie hinter sich und lehnte sich dagegen. Woher kam dieses Herzklopfen? Warum war sie so nervös?

Sie schüttelte die Gefühle ab, die sie so sehr verwirrten, seit er ihre Hand wieder berührt hatte. Entschlossen ging sie in ihr Schlafzimmer. Sie würde an ihrem Roman arbeiten. Sie klappte ihren Laptop auf und las das letzte Kapitel, das sie geschrieben hatte. Aber immer, wenn sie die Zeilen des männlichen Protagonisten las, musste sie an Hunters Stimme denken, und irgendwann klappte sie den Laptop wieder zu und lächelte.

Chey legte sich auf dem Bett zurück und genoss es, die feste Matratze unter ihrem Rücken zu spüren. Aber auch jetzt kam ihr das Bild von Hunter in dem ungemütlichen Stuhl in der Lobby in den Sinn. Chey kniff fest die Augen zusammen, um die Gedanken an ihn zu verdrängen. Nachdem sie das eine ganze Weile versucht hatte, stand sie auf, zog sich an und ging wieder in das Rezeptionsgebäude. Sie suchte Hunter, der sich inzwischen auf einem anderen Stuhl „hingelegt“ hatte.

„Sie können das zweite Zimmer in meiner Hütte haben. Unter einer Bedingung.“

Es war Hunter so ziemlich egal, welche Bedingung diese schöne Frau ihm stellte. Er würde alles tun. Ihm tat jetzt schon der Rücken weh.

Immer wieder war er kurz eingenickt, und zwischendurch hatte er nachgesehen, ob es Neuigkeiten von der Airline gab. Der Flug, den er am nächsten Morgen hätte nehmen sollen, war inzwischen auf den Nachmittag verlegt worden. Die Tatsache, dass seine Freunde alle schon in wärmeren Gefilden angekommen waren, deprimierte Hunter noch mehr. Cheys Bedingung konnte gar nicht so schlimm sein.

Er sah auf ihre hübschen, glänzenden Lippen, als sie sprach.

„Ich arbeite an einem wichtigen Projekt und muss mich wirklich konzentrieren. Wenn Sie ruhig sind und mich nicht ablenken, können Sie das Zimmer haben.“

Hunter hätte auch Ja gesagt, wenn sie von ihm verlangt hätte, dass er wie eine Fledermaus über Kopf an die Deckenbalken gehängt schlafen musste. Alles war besser als diese Lobby, die inzwischen aussah wie eine New Yorker U-Bahn-Haltestelle, in der Obdachlose Zuflucht vor der winterlichen Kälte suchten.

Hunter merkte, dass sie zögerte, als sie ihm ihr Zimmer anbot, und er konnte es verstehen. „Ich bin Ihnen sehr dankbar und werde Ihre Privatsphäre ganz bestimmt respektieren und mich ruhig verhalten. Ich muss morgen zum Flughafen und werde Sie hoffentlich kaum stören.“

Das hoffte er jedenfalls. Wenn sein Flug weiter verschoben würde, müsste er vielleicht noch einen Tag in den Bergen zubringen. Es war ihm unangenehm, sich so aufdrängen zu müssen. Aber er konnte unmöglich auf den harten Stuhl mit den durchgesessenen Polstern zurückkehren.

„Also sind Sie einverstanden?“, fragte Chey.

„Was? Ja, einverstanden.“ Hunter nahm Cheys Hand und schüttelte sie energisch, auch wenn er ihr gar nicht mehr zugehört hatte. Die Aussicht auf Schlaf war übermächtig. Allerdings bemerkte er durchaus den elektrischen Funken, als er ihre Hand berührte. „Ich werde ganz leise sein. Und ich bin kein Serienmörder oder sonst ein Irrer. Sie brauchen also keine Angst zu haben. Und natürlich nehme ich das kleinere Zimmer.“ Er überspielte die erotische Spannung, die zwischen ihnen knisterte, und fragte sich, ob sie es auch wahrnahm. War es real oder hatte sein müder Verstand es sich nur eingebildet?

Chey atmete tief ein und seufzte. „Okay.“

Daraufhin stand Hunter auf und holte sein Gepäck. Dann folgte er Chey in die Hütte.

Da sie vor ihm ging, hatte er einen perfekten Blick auf ihre Silhouette. Ihre Figur war traumhaft. Hunter schüttelte den Kopf. Er hatte keineswegs vor, mit dieser freundlichen Frau anzubandeln, und schob die unangemessenen Gedanken beiseite. Aber sie war wirklich wunderschön.

Kurz fiel ihm Tricia ein, und Hunter ermahnte sich, dass er sich nicht mehr auf aussichtslose Affären einlassen wollte. Er musste ja nicht gleich heiraten, aber er hatte keine Lust mehr, Zeit für Beziehungen zu verschwenden, aus denen sowieso nichts Ernstes wurde. Seit er Blake und Cadence vor Augen hatte, sehnte er sich nach mehr Substanz.

Bei diesen Gedanken hob er eine Augenbraue. Warum fiel ihm das Wort „Beziehung“ bei dieser Frau überhaupt ein? Entspann dich. Sie überlässt dir nur das zweite Zimmer.

„Da wären wir“, sagte Chey, als sie die Hütte aufschloss. „Ich wollte mir gerade einen Tee machen. Ich kann Ihnen auch einen Becher machen, wenn Sie möchten.“

„Nein danke. Ich gehe einfach in mein Zimmer und richte mich ein. Sie werden mich kaum bemerken“, sagte Hunter. Er stellte die Taschen in die Ecke und zog die Schuhe aus, bevor er ins Wohnzimmer trat. Chey betrachtete seine Füße in den dicken Socken.

„Machen Sie es sich ruhig gemütlich“, sagte sie und grinste.

Hunter sah verlegen an sich hinunter. Er fühlte sich schon wie zu Hause, da er ja die ganze letzte Woche hier verbracht hatte. „Das habe ich wohl schon.“ Jetzt lachten sie beide, und das löste ein wenig die Spannung. „Ist es okay, wenn ich die Nachrichten gucke? Ich stelle den Ton leise.“

Chey zuckte mit den Schultern. „Klar, machen Sie ruhig. Ich bin in meinem Zimmer.“

„Danke.“ Hunter nahm sich die Fernbedienung und schaltete den Fernseher ein. Es war noch immer derselbe Nachrichtenkanal eingestellt wie am Vormittag. Es schneite noch immer, und inzwischen wurde auch von Stromausfällen in der Gegend berichtet. Die Chancen, morgen nach Hause zu kommen, standen eher schlecht.

Hunter warf sich stöhnend auf die Couch. Ohne Laptop, Bücher oder irgendeine richtige Ablenkung fühlte er sich hier wie eingesperrt. Er ließ den Fernseher leise im Hintergrund laufen und sah sich auf seinem Smartphone die Seiten seiner sozialen Netzwerke an, bis ihm langweilig war. Er stand auf und untersuchte das Bücherregal. Nachdem er die Titel überflogen hatte und nichts Interessantes fand, ging er in die Küche und machte Wasser heiß.

Wieder auf der Couch zappte er durch die Programme. Aber auch das Fernsehprogramm interessierte ihn nicht, also legte er die Fernbedienung wieder hin. Chey war noch nicht wieder aus ihrem Zimmer herausgekommen. Hunter fragte sich, was sie wohl machte. Gelangweilt schaltete er wieder zu dem Nachrichtenkanal und war gerade kurz davor, einzudösen.

3. KAPITEL

Plötzlich hörte man draußen vor der Hütte ein Brüllen, und Chey kam ins Wohnzimmer gerannt. Hunter sprang auf.

„Oh, mein Gott! War das ein Tier?“, kreischte Chey.

„Ich glaube, es war nur der Wind“, gab Hunter zurück, ging langsam zu einem Fenster und spähte durch die Jalousien. Der Himmel war dunkler geworden, und Hunter konnte nichts erkennen. Als er zurücktrat, stieß er gegen Chey, die ihm über die Schulter geguckt hatte.

„Ups.“ Chey grinste verlegen.

Hunter merkte, dass sie ein wenig verängstigt war, und verspürte den Drang, sie zu beruhigen. „Vielleicht sollte ich kurz einen Blick nach draußen werfen.“

Vorsichtig öffnete er die Tür. Sofort wehte kalter Wind in die Hütte. Hunter schloss die Tür schnell wieder, ging einen Schritt rückwärts und stieß dabei erneut gegen Chey, die direkt hinter ihm gestanden hatte. Diesmal konnte er ein Lachen nicht unterdrücken.

Chey verdrehte verlegen die Augen. „Tut mir leid.“

„Kein Problem. Ich ziehe mir was über.“ Hunter ging um sie herum und nahm sich seine Sachen von der Garderobe, dann zog er die Schuhe und seinen Mantel an. „Bleiben Sie hier drinnen“, wies er sie an und ging hinaus in die beißende Kälte. Er ging einmal um die Hütte herum, konnte aber nichts Bedrohliches entdecken. Der Wind heulte laut und schüttelte die Bäume, sodass Schnee in Hunters Gesicht wehte. Die eisigen Flocken brannten auf seinen Wangen und ließen seine Augen tränen, bis er kaum etwas sehen konnte. Vorsichtig tastete er sich zurück, und als er zur Tür kam, wurde sie geöffnet.

Chey hatte dahinter gewartet. Sie half ihm aus dem Mantel, der voller Schnee war, obwohl er nicht lange draußen gewesen war. Als sie ihn kurz berührte, spürte er wieder dieses Prickeln. Er konnte nicht so tun, als würde er es sich nur einbilden. Es war definitiv real. Wieder fragte er sich, ob Chey dasselbe fühlte. Hunter stampfte sich den Schnee von den Stiefeln, während Chey seinen Mantel abklopfte.

„Sieht aus, als würde es schlimmer werden“, sagte sie.

„Leider.“ Hunter blies in seine kalten Hände und rieb sie aneinander. „Ich hoffe nur, dass es bis morgen aufhört, damit ich dann nach Hause kann.“

„Hoffentlich“, war Cheys Antwort.

Einen Augenblick lang blieben die beiden nebeneinander stehen. Es herrschte unbehagliches Schweigen.

„Hier.“ Chey hielt ihm den Mantel hin.

„Danke“, sagte Hunter. Sie gingen mit ein paar ungeschickten Schritten umeinander herum, als Chey erst zur einen, dann zur anderen Seite auswich, dann hängte Hunter den Mantel wieder an die Garderobe.

„Ich arbeite am besten noch ein bisschen“, sagte sie schließlich.

„Okay.“ Hunter zog wieder die Schuhe aus und ging zur Couch. Er hatte keine Lust, sich weiter zu langweilen, aber er wollte Chey auch nicht stören. „Ich mache noch etwas Wasser heiß. Möchten Sie noch Tee?“, fragte er, bevor sie wieder in ihrem Zimmer verschwand. Etwas Besseres fiel ihm nicht ein, um ein Gespräch anzufangen. Es machte ihn wahnsinnig, mit niemandem reden zu können, und er hatte keine Lust mehr, sich auf Facebook rumzutreiben. Er wünschte, er hätte seinen Laptop dabei, aber er hatte darauf bestanden, den Urlaub zu genießen und keine Arbeit mitzunehmen.

„Ja, gern. Ich hole meinen Becher.“ Chey verschwand und kam direkt wieder zurück.

Hunter ging zu der Kücheninsel, auf der in der Mitte ein Kochfeld war. „Der Kessel hat noch nicht gepfiffen, aber ich denke, das Wasser ist heiß genug. Ich mache mir einen heißen Kakao. Wollen Sie trotzdem Tee?“, fragte er.

„Kakao klingt auch toll.“

Hunter bereitete für sie beide Kakao zu, goss ihn in zwei Becher und reichte einen davon Chey.

„Lecker.“ Chey nahm den Becher in beide Hände, nippte und legte den Kopf zurück, als sie das süße Aroma genoss.

„Gut, oder?“, fragte Hunter und betrachtete die Kurve ihres Halses.

„Perfekt. Kakao war schon mein Lieblingsgetränk, als ich noch klein war“, sagte sie. Sie hatte die Augen noch geschlossen.

„Ja, es ist perfekt“, stimmte Hunter zu, und er meinte nicht nur den Kakao. Er riss sich von ihrem Anblick los, ging wieder zur Couch und zappte durch die Programme. „Geben Sie Bescheid, wenn Sie mehr möchten. Dann bringe ich Ihnen noch einen Becher.“

„Ich denke, für heute Abend reicht es.“ Chey setzte sich auf die Armlehne der Couch, auf der Hunter sich am anderen Ende niedergelassen hatte. „Was sehen Sie sich an?“

„Ich quäle mich nur mit den Wetterberichten.“

„Oh.“ Sie ließ sich auf die Couch rutschen. „Ich kann’s mir vorstellen. Für Sie ist es schlecht, aber für mich ist es wahrscheinlich gut. Ich habe morgen früh Skiunterricht.“

„Sind Sie noch nie Ski gefahren?“

Chey nippte an dem dampfenden Kakao und schüttelte den Kopf. „Ist mein erstes Mal.“

„Es ist ganz schön anstrengend. Sie können sich schon auf den Muskelkater freuen. Hinterher werden Sie sich garantiert in die herrliche große Badewanne legen wollen.“

„Wirklich? Das habe ich mir gar nicht so anstrengend vorgestellt.“

„Wie lange bleiben Sie?“, fragte Hunter, um das Gespräch nicht einschlafen zu lassen. Er wollte unbedingt, dass sie sich Zeit ließ mit ihrem Kakao. Er freute sich, dass sie mit ihm sprach, und mochte den blumigen Duft, der von ihrem Körper ausging. Außerdem gefiel ihm die Art, wie sie die Lippen beim Trinken spitzte und genießerisch die Augen schloss.

„Eine Woche.“

„Stoßen Ihre Freunde morgen dazu?“

„Nein. Ich bin … allein hier.“

Hunter merkte, dass sie zögerte. Wahrscheinlich wollte sie nicht jedem erzählen, dass sie allein reiste – vor allem nicht dem fremden Mann, den sie gerade kennengelernt und für die Nacht in ihre Hütte eingeladen hatte.

„Cool. Mutig, aber cool.“ Hunter wandte seine Aufmerksamkeit dem Fernseher zu, um nicht ständig auf ihre Lippen zu starren. „Aber warum?“

„Ich brauchte einfach ein bisschen Zeit für mich.“

„Ah. Manchmal kriegt man die nur, wenn man wirklich allein ist.“

„Ja.“ Cheys Antwort hing in der Luft.

Hunter wollte sie fragen, ob sie Single war, aber er traute sich nicht.

„Hey, haben Sie Lust, einen Film zu gucken?“, fragte Chey in fröhlichem Tonfall, um das Thema zu wechseln.

„Klar. Aber ich will Sie nicht von der Arbeit abhalten.“

„Ach was.“ Chey winkte ab. „Ich hatte sowieso vor, mir ein paar Filme anzugucken. Ich habe ein paar mitgenommen und bin auch bei Netflix.“

Hunter stellte seinen Becher ab und stand auf. „Cool. Es gibt einen DVD-Player und auch Kabel, um den Computer an den Bildschirm anzuschließen. Was möchten Sie gucken?“

„Bin sofort zurück.“ Chey rannte in ihr Zimmer und holte die Filme und ihren Laptop. „Also“, sagte sie, als sie wieder da war. „Ich habe ‚Urlaub mit Hindernissen‘, den Sie wahrscheinlich nicht so gern sehen wollen, oder ‚Avengers: Age of Ultron‘.“

„Echt jetzt?“ Hunter grinste. „Sie mögen die Avengers?“

„Natürlich.“ Chey sah Hunter an, als hätte er eine vollkommen absurde Frage gestellt.

„Sie dürfen bestimmen, ich guck sie mir beide gern an. Schließlich haben Sie die Filme mitgebracht.“

„Dann gucken wir zuerst den ‚Urlaub‘ und danach die ‚Avengers‘, wenn Sie so lange wach bleiben können. Abgemacht?“

„Abgemacht. Ich liebe Herausforderungen.“

Chey lachte, und in Hunters Ohren war es das schönste Geräusch, das er in seinen ganzen zweiunddreißig Jahren auf der Welt gehört hatte. Er nahm die DVD, die sie ihm hinhielt, und legte sie ein. Chey ging in ihr Zimmer und holte Popcorn, das sie in der Mikrowelle zubereitete.

Dann machte Chey es sich am anderen Ende der Couch gemütlich und zog die Beine an.

Die nächsten Stunden lachten sie gemeinsam über die lustigen Stellen in den Filmen. Und als Chey bei den traurigen Szenen in „Urlaub mit Hindernissen“ feuchte Augen bekam, kämpfte Hunter gegen den Impuls an, sie in seine Arme zu ziehen und ihre Tränen zu trocknen. Als die Filme zu Ende waren, kämpfte er gegen die Müdigkeit, nur um noch mehr Zeit mit Chey zu verbringen. Er spürte, dass sie sich in seiner Gegenwart schon wohler fühlte. Das Gespräch floss leichter, und sie rückte auf der Couch näher an ihn heran. Da war etwas an dieser Frau, das Hunter einfach mochte.

Als sie sich endlich in ihre Zimmer zurückzogen, stellte Hunter fest, dass er ein paar Anrufe von Tricia verpasst hatte. Er war froh, dass er das Handy im Schlafzimmer gelassen hatte. Dann fragte er sich, ob auch Chey von jemandem angerufen wurde. Aber wahrscheinlich war das nicht so, wenn sie allein in den Urlaub fuhr. Morgen früh würde er versuchen, mehr über die geheimnisvolle Chey herauszufinden.

Als Chey aufwachte, erschrak sie. Verwirrt sah sie sich um, und erst dann fiel ihr ein, dass sie nicht zu Hause war. Sie musste lächeln, als sie sich daran erinnerte, wie sie mit Hunter gestern Filme geguckt hatte. Sie warf die Decke zurück, stand auf und ging in das angrenzende Badezimmer. Sie fragte sich, ob Hunter schon wach war, als sie unter der Dusche stand.

Nachdem sie sich angezogen hatte – Jeans und einen warmen Pullover über der Thermounterwäsche –, ging Chey in die Küche, um sich eine Tasse Kaffee zu machen. Zu ihrer Überraschung und Freude hatte Hunter bereits Kaffee gekocht und ein reichhaltiges Frühstück vorbereitet.

„Guten Morgen“, sagte er und lächelte. Sie hätte schwören können, dass seine perfekten Zähne funkelten.

„Auch guten Morgen. Ich sehe, dass Sie schon auf und abfahrbereit sind.“

„Ja, ich fliege heute nach Hause!“

Ein Hauch von Traurigkeit stieg in Chey auf. Gerade hatte sie angefangen, sich über seine Gesellschaft zu freuen. „Hat es aufgehört zu schneien?“, fragte sie, ging zum Fenster und starrte hinaus in den immer noch fallenden Schnee.

„Nein“, sagte Hunter frohgemut.

Chey hob die Augenbrauen. „Aber?“

Hunter brachte ihr einen dampfenden Becher. „Ich gebe die Hoffnung nicht auf. Kaffee?“

„Gern!“ Chey nahm den Becher mit noch immer hochgezogenen Augenbrauen in Empfang und blickte Hunter nach, der zu dem großen Esstisch ging.

„Zum Zeichen meiner Dankbarkeit habe ich mir erlaubt, Frühstück zu besorgen. Sie hätten mich gestern Nacht auch in der Lobby übernachten lassen können. Und die ganze Nacht auf diesem Stuhl zu schlafen wäre sicherlich sehr unbequem gewesen. Ich wusste nicht, was Sie wollen, deshalb habe ich ein paar Dinge zur Auswahl mitgebracht.“ Er hielt Päckchen mit Milch und Zucker hoch. „Ich wusste nicht, wie Sie Ihren Kaffee trinken, die hier sind für Sie. Und falls Sie keinen Kaffee möchten, kann ich auch Tee kochen.“

Chey nickte anerkennend. „Wie aufmerksam.“ Sie blickte über den Tisch. „Ich nehme das Eier-Sandwich. Danke!“

Hunter zog ihren Stuhl heraus und bedeutete Chey, sich zu setzen. Dann nahm er ihr gegenüber Platz.

„Ein echter Gentleman“, sagte sie und schüttelte das Päckchen mit Rohrzucker.

„Ich gebe mir Mühe.“ Er lächelte wieder, und etwas kribbelte in ihrer Brust.

Habe ich etwa schon wieder Herzklopfen? Meine Güte! Chey lächelte Hunter an, dann widmete sie sich ihrem Sandwich. Was war nur mit ihr los?

Schweigend aßen sie.

„Wann …?“, fragten beide gleichzeitig.

„Verzeihung. Sie zuerst“, sagte Chey.

„Nein.“ Hunter schüttelte den Kopf. „Ladies first.“

„Ich wollte fragen, wann Ihr Flug geht.“

„Eigentlich sollte er etwa um ein Uhr starten, aber jetzt wurde er auf fünf Uhr nachmittags verlegt.“

„Oh.“

„Ja. Ich weiß. Wann ist Ihre Skistunde?“

„Um neun.“ Chey sah auf die Uhr. „In einer Dreiviertelstunde. Ich hoffe, sie fällt nicht aus wegen des Wetters.“

„Das glaube ich nicht.“

Wieder herrschte ein paar Minuten lang Schweigen. Chey wollte fragen, ob Hunter mit ihr Ski fahren wollte, da er ja noch Zeit hatte. Aber was für einen Sinn hatte es, ihn kennenzulernen, wenn sie ihn wahrscheinlich nie wiedersehen würde? Auf der anderen Seite war es schön, nicht allein zu sein.

„Wann brechen Sie auf?“

„Keine Sorge. Ich bin Ihnen nicht mehr lange im Weg.“

„So habe ich es gar nicht gemeint“, rief Chey aus. „Ich habe mich nur gefragt, was Sie bis dahin machen wollen. Sie müssen doch erst später am Flughafen sein.“

Hunter seufzte. „Mir fällt schon etwas ein.“

„Vielleicht wollen Sie mit mir Ski fahren?“ So. Sie hatte gefragt.

„Keine schlechte Idee, allerdings fahre ich keine Anfängerhügel.“

Chey verdrehte gespielt beleidigt die Augen. „Hey! Es ist mein erstes Mal.“

„Bestimmt lernen Sie es schnell.“

„Wir werden sehen.“ Sie kicherte. „Also? Ski fahren?“

„Ski fahren!“

Wieder spürte Chey ein Flattern im Magen, diesmal vor Aufregung.

„Ich rufe nur noch kurz bei der Airline an. Dann bestelle ich einen Wagen zum Flughafen.“

„Super.“ Chey aß das Sandwich auf, klopfte sich die Krümel von den Händen und wischte den Tisch mit der Serviette ab. „In zehn Minuten bin ich fertig“, sagte sie und stand auf.

Chey ließ Hunter telefonieren, während sie alles zusammensuchte, was sie für ihre erste Skistunde brauchte. Ein richtiges Hochgefühl durchströmte sie und füllte sie mit mehr Energie als der Kaffee. Hunter würde noch ein paar Stunden bleiben, und sie freute sich darüber.

Als Chey die Handschuhe anzog, die sie extra für den Urlaub gekauft hatte, hörte sie Hunter stöhnen. Das Geräusch hallte durch die Hütte und hörte sich fast an, als würde ein Tier knurren. Rasch steckte Chey den Kopf durch die Tür zum Wohnzimmer, wo er stand. Mit einer Hand hielt er das Telefon ans Ohr, die andere hatte er gegen die Stirn gepresst.

Was ist passiert? fragte sie stumm mit Blicken.

Hunter runzelte die Stirn, schloss kurz die Augen und schüttelte den Kopf.

Chey suchte ihre restlichen Sachen zusammen. Als sie zurück ins Wohnzimmer kam, lief Hunter auf und ab.

„Schlechte Neuigkeiten?“

„Der Flug wurde noch eine Stunde verschoben, aber das ist gar nicht das Problem.“ Chey sah ihn fragend an. „Die Straßen sind noch nicht sicher, und selbst, wenn der Flug startet, komme ich nicht zum Flughafen.“ Hunter schnaubte und ließ den Kopf nach hinten sinken.

„Es tut mir so leid. Haben die gesagt, wie lange die Straßen gesperrt bleiben?“

„Sie wissen es nicht. Es hat jetzt fast vierundzwanzig Stunden lang ununterbrochen geschneit. Bis es nicht aufhört oder zumindest weniger wird, können sie mit dem Räumen anfangen. Angeblich ist es einer der schlimmsten Schneestürme seit Jahren.“

„Oh nein! Ich frage mich gerade, ob mein Skiunterricht ausfällt.“

„Sie sollten anrufen. In der Zwischenzeit frage ich an der Rezeption, ob ich ein anderes Zimmer bekommen kann. Vielleicht kann ich mit einem anderen Gast teilen. In jedem Fall möchte ich Ihnen nicht länger im Weg sein.“

So dringend wollte Chey ihn eigentlich gar nicht aus dem Weg haben.

„Nein, keine Sorge. Sie können das Zimmer noch eine Nacht lang behalten. Es macht mir nichts aus.“

„Bestimmt nicht? Ich will mich nicht aufdrängen.“

Chey winkte ab. „Eine Nacht habe ich jetzt schon mit einem komplett Fremden verbracht – eine mehr macht nun auch nichts mehr aus.“

Wenigstens lächelte Hunter, und sie spürte wieder das Flattern im Bauch.

„Ich zahle auch für die Nächte. Danke.“

„Nicht nötig. Ich hätte nicht gedacht, dass ich mich in Ihrer Gesellschaft so wohlfühle, aber das tue ich.“ Chey erstarrte. Wie peinlich! Das war wohl etwas zu direkt gewesen. Dieses „Problem“ hatte sie seit der Trennung von Todd. „Es tut mir …“

Aber Hunter unterbrach sie. „Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen. Ich finde es gut, wenn Menschen ehrlich sagen, was sie denken.“

„Ich frage eben nach, ob meine Skistunde stattfindet.“ Chey wechselte schnell das Thema. Aber als sie sich in der Rezeption erkundigte, wurde ihr mitgeteilt, dass die Pisten gesperrt waren.

Chey war zwar enttäuscht, wollte sich aber nicht die Laune verderben lassen. „Ich arbeite wohl am besten an meinem Buch oder lese ein bisschen. Später können wir uns noch einen Film ansehen.“

„Sagen Sie Bescheid, wenn Sie Gesellschaft möchten. Ich habe da auf dem Regal ein paar Brettspiele entdeckt.“

„Wirklich? Das könnte lustig werden. Mal sehen, was es gibt.“ Chey ging zu dem Regal und setzte sich davor auf den Boden. „Oh, Scrabble! Mein Lieblingsspiel! Monopoly. Kniffel. Tabu. Ah, und Fünf Sekunden.“ Sie stützte sich auf einer Hand ab. „Mein Gott. Ich liebe dieses Spiel. Es macht so wahnsinnigen Spaß. Wollen wir das spielen?“ Chey brachte das Spiel zum Esstisch.

„Ich habe nie davon gehört.“

„Wirklich? Bei uns zu Hause haben wir das ständig gespielt. Es ist leicht, ich zeige es Ihnen.“ Chey klappte das Brett auf und mischte die Karten. „Im Prinzip hat man fünf Sekunden Zeit, um drei ähnliche Dinge zu nennen. Wir machen einen Probedurchlauf.“ Chey stellte ein paar Beispielfragen, die Hunter kein einziges Mal in fünf Sekunden beantworten konnte. Er stöhnte jedes Mal, wenn die Zeit um war. Bei seinem dritten Versuch bogen er und Chey sich vor Lachen.

„Das ist beschämend. Als Anwalt sollte ich schnell denken können. Stellen Sie diesen Timer ein“, sagte Hunter und zeigte auf den Turm, durch den in fünf Sekunden eine Murmel von oben nach unten kullerte. „Mal sehen, wie Sie sich schlagen.“

„Also los“, rief Chey.

Hunter stellte die erste Frage und hielt sein Gesicht so nah an Cheys, dass sich beinahe ihre Nasen berührten. Sie wollte schnell antworten, aber Hunter starrte sie so eindringlich an, dass sie lachen musste. Dann war die Zeit um.

„Ha!“, rief Hunter. „Sie sind auch nicht besser.“

„Das war nicht fair. Sie haben mich zum Lachen gebracht.“

„Das war Strategie.“

Chey warf ihm eines der Sofakissen an den Kopf, die mit Bergtieren dekoriert waren. „Das ist Schummeln.“

„Tja, so gewinnt man.“

„Okay, Hunter. Jetzt wird es ernst.“ Chey sah ihn herausfordernd an und nahm ein neues Kärtchen zur Hand. „Bereit?“

Hunter beugte sich vor und erwiderte ihren Blick. „Bereit.“

Er stotterte sich durch die erste Runde und brachte vor Lachen kaum ein Wort heraus. Chey konnte ein paar der Fragen in fünf Sekunden beantworten und erklärte sich zur eindeutigen Gewinnerin. Sie vollführte einen Siegestanz um den Esstisch und konnte gar nicht aufhören, Hunter unter die Nase zu reiben, dass er verloren hatte.

Hunter lehnte sich im Stuhl zurück und lächelte. Er liebte es, dass sie so albern war.

„Es tut mir wirklich leid“, sagte Chey mit gespielter Unschuld. „Ich hoffe, Sie sind kein schlechter Verlierer.“

Sie lachten eine gefühlte Ewigkeit, und kaum wurden sie leiser, fingen sie wieder von vorne an. Erst nach ein paar Minuten hatten sie sich wieder beruhigt.

Irgendwann stand Hunter auf und holte ein Kartenspiel von dem Spieleregal.

„Speed?“, fragte er herausfordernd und hielt die Karten hoch.

„Sie glauben, das können Sie gewinnen?“ Sie warf ihm einen mitleidigen Blick zu.

„Ich bin Meister in Speed. Ich war der Einzige von uns, der meinen Dad schlagen konnte. Ich verliere nie.“

„Sie haben mich noch nicht kennengelernt.“ Chey sah ihn herausfordernd an. „Los! Geben Sie.“

Mit einem abschätzigen Lächeln mischte Hunter die Karten und teilte sie unter ihnen beiden auf. Chey war einfach nur glücklich, diese Spiele von früher zu spielen. Todd hätte das nie getan, er hätte das garantiert als alberne Zeitverschwendung angesehen.

Hunter fand es nicht albern, aber er war zu schnell für sie. Sie verlor die erste Runde und behauptete, er habe geschummelt. Dann verlangte sie eine Revanche, die sie auch verlor.

Als sie am Schluss beide gleichzeitig nach den Karten griffen und seine Hand sich auf ihre legte, spürte sie wieder diese Verbindung zwischen ihnen. Sie verharrten einen Augenblick so, und Chey spürte seine Männerhand auf ihrem Handrücken und ein Kribbeln, das ihren Arm hinauflief und schließlich in ihrem Bauch landete, wo es einen Schwarm Schmetterlinge auffliegen ließ. Sie sahen sich in die Augen. Eine Sekunde verging. Noch eine. Chey räusperte sich, und langsam nahm er seine Hand weg.

„Wie wär’s mit einem Film?“, fragte sie heiser, als die Stimme ihr wieder gehorchte.

„Gern.“ Hunter sah sie noch immer mit derselben Intensität an.

Chey räusperte sich wieder. „Ich hole die Filme.“ Sobald sie in ihrem Zimmer war, schloss sie die Augen und atmete tief durch.

4. KAPITEL

Als die Sonne am nächsten Morgen hoch am Himmel stand, hatte Hunter schon bei der Airline angerufen, den Zustand der Straßen erfragt und sich bei der Rezeption erkundigt, ob er und Chey irgendwelchen Wintersport betreiben könnten. Es schneite nicht mehr, aber durch die vielen umgestürzten Bäume waren die Hauptzufahrtsstraßen noch nicht sicher. Die Fluggesellschaften nahmen Reservierungen an, aber es saßen Tausende Urlauber fest. Viele hatten vor ihm angerufen, und er bekam erst für den nächsten Nachmittag einen Flug. Also musste er eine dritte Nacht im Resort bleiben und betete, dass er am nächsten Tag endlich nach Hause kam.

Ein Anruf von Blake riss ihn aus seinen Gedanken.

„Du bist früh auf.“ Hunter schaltete den Fernseher aus.

„Kommst du heute zurück?“

„Nein!“ Hunter seufzte, obwohl er gar nicht so genervt war, wie er vorgab. Er freute sich darauf, noch einen Tag mit Chey zu verbringen. Gestern hatte er all seine Willenskraft aufbringen müssen, um nicht ihre weiche Haut und ihr glänzendes schwarzes Haar zu streicheln, als sie beim dritten Film quer über seinem Schoß eingeschlafen war.

„Ernsthaft? Du musst doch kurz vorm Durchdrehen sein. Ich würde …“ Blake stieß einen Pfiff aus, um seine Gedanken zu unterstreichen. „Wo ist das Mädel, das dich in ihrer Hütte aufgenommen hat?“

Hunter sah zu ihrer Zimmertür. „Ich denke, sie schläft noch“, flüsterte er. „Sie ist noch nicht aus ihrem Zimmer gekommen.“

„Glaubst du, sie hat ein Problem damit, dass du noch eine Nacht bleibst?“

„Ich hoffe nicht.“ Hunter sah auf, um sich zu versichern, dass sie noch nicht aufgetaucht war.

„Fragst du sie nach ihrer Nummer?“

„Wahrscheinlich nicht. Fernbeziehungen liegen mir nicht.“

„Wo wohnt sie?“

Hunter überlegte kurz. „Ich weiß es gar nicht. Habe nicht gefragt.“ Obwohl er in den letzten zwei Tagen viel Zeit mit ihr verbracht hatte, wusste er kaum etwas über sie. Zumindest waren sie gestern Abend irgendwann zum Du übergegangen, da es sich merkwürdig anfühlte, jemanden zu siezen, mit dem man sich eine Hütte teilte.

„Halt mich auf dem Laufenden, und sag Bescheid, wann ich dich vom Flughafen abholen soll.“

„Wie läuft’s in der Kanzlei?“

„Darüber kannst du dir noch genug Sorgen machen, wenn du zurück bist. Wir reden später.“

Hunter legte auf, ging in sein Zimmer zurück und zog sich bequeme Klamotten an. Er musste unbedingt etwas gegen die Verspannung seiner Muskeln tun. Und die lag nur zum Teil an der Verzögerung seiner Rückreise. Zum Teil kam sie auch daher, dass er sich so sehr danach sehnte, Chey zu berühren, dass seine Muskeln schmerzten – ganz bestimmte Muskeln, um genau zu sein.

Er versuchte, leise zu sein, als er sich vor den Kamin auf den Boden legte und ein paar Sit-ups und Liegestütze machte. Dann ging er zu dem rustikalen Esstisch, den er für ein paar Trizeps-Dips nutzte. Beim letzten Set kam Chey aus ihrem Zimmer, sie war wunderschön.

Hunter sah aus den Augenwinkeln, dass sie bewundernd seine muskulösen Oberarme anstarrte, und legte noch zehn Dips als Zugabe drauf.

„Guten Morgen, Hunter.“

Er tat so, als hätte er sie jetzt erst bemerkt. „Oh. Hey.“ Dann sprang er auf, wischte sich den Schweiß seiner Hände an den Shorts ab und dehnte die Arme.

„Sieht aus, als wärst du schon eine Weile wach. Hast du schon gefrühstückt?“

Hunter war warm geworden, und er zog das T-Shirt aus und wischte sich Gesicht und Nacken ab.

Das wäre zwar nicht unbedingt notwendig gewesen, zeigte jedoch die erwünschte Wirkung. Ihm entging nicht, dass Chey leicht die Augenbrauen hochzog.

„Nein. Vor einem Work-out esse ich grundsätzlich nicht.“

„Natürlich.“ Chey setzte Kaffee auf und gähnte.

„Ich laufe schnell rüber und hole uns etwas aus dem Café.“

„Ich komme mit. Ich könnte einen Ortswechsel gebrauchen.“ Schweigen breitete sich aus.

Irgendwie war Chey heute Morgen distanziert. Gestern Abend hatte das Schweigen keine Chance gehabt. Hunter beobachtete, wie sie sich verhalten durch die Küche bewegte. Er beschloss, ihr etwas Raum zu geben, und ging in sein Zimmer, um zu duschen.

Als er zurück war, saß sie auf der Couch und sah die Nachrichten.

„Die Straßen sind noch gesperrt. Das ist unglaublich!“ Sie sprach mit ihm, hatte den Blick aber auf den Nachrichtensprecher gerichtet. „Hast du mit der Airline gesprochen?“ Besorgt sah sie ihn an.

Hunter zuckte mit den Schultern. „Es starten wieder Flüge, aber vor morgen Nachmittag konnte ich nichts bekommen.“ Er ließ sich auf die Couch fallen.

„Es wurde gerade berichtet, dass überall Bäume auf der Straße liegen. Einige Teams räumen schon, aber es dauert Stunden oder Tage. Es muss furchtbar für dich sein.“

„Ja.“ Na ja. Nicht wirklich, ehrlich gesagt.

„Natürlich kannst du noch eine Nacht bleiben, wenn das nötig ist.“

„Vielen Dank.“

Chey stand auf und ging zum Festnetztelefon der Hütte. „Ich frage mich, ob ich heute endlich meine Skistunde bekomme. Du darfst natürlich mitkommen“, sagte sie über die Schulter zu ihm.

„Ich habe schon angerufen. Es geht noch immer nicht.“

Chey blieb stehen und ließ die Schultern sinken. „Mist.“ Wütend stampfte sie zurück zur Couch. Ihr inneres Kind hatte offensichtlich die Oberhand gewonnen. „So lerne ich nie, Ski zu fahren.“ Sie nahm die Fernbedienung und stellte auf laut. „Ich fürchte, du musst noch einen Tag mit mir vorliebnehmen. Obwohl ich wahrscheinlich ein bisschen an dem Buch arbeiten sollte.“

„Ich komme schon zurecht. Tu einfach, was du tun musst.“

Die Kaffeemaschine gurgelte, und ein wunderbarer Duft erfüllte die Hütte. Chey stand auf, schenkte zwei Becher voll und reichte Hunter einen, als täte sie das schon seit Jahren.

Hunter nippte an seinem Kaffee und verzog das Gesicht, weil das Getränk noch zu heiß war. „Danke.“

„Lass uns frühstücken gehen. Danach kann ich an meinem Buch arbeiten. Und du kannst dir einen von meinen Filmen ansehen. Es tut mir so leid, dass du es so lange hier aushalten musst.“

Chey und Hunter zogen sich warm an für den Weg ins Café. Sobald sie die Hütte verließen, blieben sie abrupt stehen. Der Sturm war viel schlimmer gewesen, als sie gedacht hatten. Ein paar der großen Bäume des Resorts lagen am Boden, einer nur wenige Meter von ihrer Hütte entfernt. Manche standen schief, als hätten sie sich noch nicht entschieden, ob sie endgültig umkippen würden. Ein Baum war sogar durch das Dach einer der benachbarten Hütten gebrochen. Auf dem Weg lagen Trümmer und Äste, die der starke Wind vor sich hertrug. Schnee wehte von den Dächern, und sie hielten sich schützend die Hände vors Gesicht.

In der Lobby gingen Leute auf und ab, telefonierten und stritten mit den Mitarbeitern der Anlage. Die meisten konnten ihren Frust und Ärger kaum noch verbergen. Hunter und Chey bewegten sich schweigend durch die Menge. Beide waren erschrocken über den Anblick, der sich ihnen bot. Hunter sah zu Boden und fragte sich, wann er eigentlich Cheys Hand genommen hatte. Im Café mussten sie fast eine Stunde warten. Zum Glück waren sie nicht so frustriert wie viele der anderen Gäste und hatten mehr Geduld mit dem Personal.

Sie frühstückten beinahe schweigend, abgesehen von ein paar Nachfragen der Kellnerin und etwas gezwungenem Small Talk. Als sie zurück zur Hütte gingen, sprachen sie immer noch kein Wort.

Erst als sie wieder drinnen standen, schüttelte Chey den Kopf. „Wow! Ich hatte ja keine Ahnung.“

„Ich auch nicht.“ Hunter setzte sich.

Chey ging zu dem Aussichtsfenster in der hinteren Wand. Sie verschränkte die Arme vor der Brust. „Dieser Blick kann einen wirklich täuschen. Ich meine, sieh doch. Es ist so wunderschön.“ Sie seufzte. „Und so friedlich. Ich hätte niemals gedacht, dass draußen vor der Tür so ein Chaos herrscht.“

Sie kam zurück und ließ sich neben Hunter auf einen Stuhl fallen. „Seit Monaten habe ich mich auf diesen Urlaub gefreut. Ich konnte es gar nicht abwarten, Ski- und Snowboardfahren zu lernen. Ich hoffe, das klappt noch, bevor die Woche rum ist.“

„Es tut mir leid, dass es nicht so läuft wie erwartet.“

Autor

Caroline Cross
Mehr erfahren
Jules Bennett
<p>Jules Bennett, die ihren Jugendfreund geheiratet hat, ist Mutter von zwei Mädchen – und, natürlich, Autorin. Voller Tatkraft managt sie ihr Leben. Wenn sie sich erst einmal ein Ziel gesetzt hat, hält nichts sie davon ab, es zu erreichen. Davon kann ihr Mann ein Lied singen. Jules Bennet lebt im...
Mehr erfahren
Nicki Night
Mehr erfahren