Collection Baccara Band 385

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DAS ENDE DER EINSAMEN NÄCHTE von MANN, CATHERINE
Ihre Ehe begann mit unendlicher Leidenschaft - vorbei! Fiona hält es einfach nicht mehr aus, dass Henri jede Frau zu Füßen liegt. Doch plötzlich will der umschwärmte Profi-Sportler eine zweite Chance von ihr. Weil er nur sie liebt? Oder gibt es noch einen anderen Grund?

HEIßE AFFÄRE MIT DEM BAD BOY von NIGHT, NICKI
Sie will keinen Playboy, sie will keinen Bad Boy - und schon gar nicht Drew Barrington, der beides ist! Nach einer Enttäuschung muss Alana sehr vorsichtig sein. Aber ausgerechnet Drew scheint entschlossen, dass eine Affäre mit ihm genau das ist, was sie jetzt braucht …

IM BETT DES MILLIARDÄRS von JAMES, SILVER
Im Halbschlaf spürt Savannah eine warme, starke Hand auf ihrem Körper, räkelt sich wohlig - und ist plötzlich hellwach! Wer ist der Fremde in ihrem Hotelbett? Es ist unerhört - wenn es sich nicht so verteufelt gut anfühlen würde, was er da gerade macht …


  • Erscheinungstag 10.10.2017
  • Bandnummer 0385
  • ISBN / Artikelnummer 9783733724153
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Catherine Mann, Nicki Night, Silver James

COLLECTION BACCARA BAND 385

CATHERINE MANN

Das Ende der einsamen Nächte

Zu viele Partys, zu viele Skandale: Profi-Footballer Henri Reynaud muss dringend etwas für sein Image tun und sich wieder häufiger mit Fiona zeigen – seiner Noch-Frau. Doch die neue Nähe ist ganz anders als gedacht: Plötzlich will er mehr, als der Welt zu beweisen, dass er sich geändert hat – er will die sinnliche Schönheit zurück in seinem Bett …

NICKI NIGHT

Heiße Affäre mit dem Bad Boy

Drew brennt lichterloh für Alana! Aber nach einer großen Enttäuschung glaubt sie nicht mehr an Mr. Right und schon gar nicht an eine Zukunft mit Drew. Woran sein Ruf als Bad Boy schuld ist … Doch er gibt nicht auf. Irgendwann wird die junge Rechtsanwältin mit den gefährlichen Kurven in seinen Armen auf Leidenschaft plädieren!

SILVER JAMES

Im Bett des Milliardärs

Was macht eine schlafende Schönheit in seiner Hotelsuite? Ein Irrtum beschert dem Tycoon Chase Barron eine prickelnde Überraschung. Und plötzlich hat der Milliardär eine Idee: Um seinen lädierten Ruf in der Öffentlichkeit zu verbessern, braucht er dringend eine Ehefrau – ob die temperamentvolle Savannah Wolfe sich darauf einlassen wird?

1. KAPITEL

Fiona Harper-Reynaud war mit dem Mann verheiratet, den ein bekanntes amerikanisches Sportmagazin nun das zweite Mal in Folge zum attraktivsten Sportler des Jahres erkoren hatte.

Sie hatte den Quarterback der New Orleans Hurricanes jedoch nicht wegen seines Aussehens geheiratet. Tatsächlich fühlte sie sich mehr zu intellektuell wirkenden Männern hingezogen anstatt zu muskulösen Athleten. Aber als dieser gewisse muskulöse Athlet eine Kunstausstellung besuchte, die sie im Rahmen ihrer Wohltätigkeitsarbeit veranstaltet hatte, war sie vom ersten Moment fast unfähig gewesen, den Blick von ihm zu wenden. Und als Henri Reynaud dann auch noch ein profundes Kunstverständnis an den Tag legte, war es um sie geschehen. Es kam ihr vor, als würde sie in seinen verträumt wirkenden dunklen Augen ertrinken, und sie verliebte sich in ihn. Seine Augen hatten die Farbe von starkem schwarzen Kaffee und eine ähnlich beflügelnde Wirkung auf sie wie dieses Getränk.

Dennoch hatte sie sich zurückgehalten. Nicht zuletzt wegen ihrer Erfahrungen in Sachen Beziehungen und unglücklicherweise auch zwei Verlobungen, die in die Brüche gegangen waren.

Sie hatte sich also in Zurückhaltung geübt. Das war ihr immerhin zwei Wochen lang gelungen. Danach war ihr Leben aus den Fugen geraten, und bis zum heutigen Tag hatte sich daran nichts geändert.

Sie hatten heimlich geheiratet, weil sie dachten, dass ein Kind unterwegs wäre. Aber ihre Liebe für Henri war auch ohne eine Schwangerschaft derart tief und leidenschaftlich, dass für vernünftige Überlegungen kein Raum mehr gewesen war. Erst als es zu spät war, hatten sie erkannt, dass ihre Ehe kein solides Fundament hatte. Ihre wenigen Gemeinsamkeiten konnten nicht über schwierige Zeiten hinweghelfen.

Besonders jetzt nicht.

In knapp zwei Stunden würde Fiona die Spitzen der Gesellschaft von New Orleans zu ihrer heutigen Wohltätigkeitsveranstaltung begrüßen. Sie arbeitete engagiert, unermüdlich und vor allem ehrenamtlich für das Gemeinwesen und war zutiefst von der Wichtigkeit ihres Tuns überzeugt. Zum Glück verfügte sie sowohl über die finanziellen Mittel als auch über genug Zeit, um ihren Beitrag zu leisten.

Doch es war nicht die bevorstehende glamouröse Veranstaltung, die sie nervös machte. Vielmehr hatte ihr der heutige Besuch beim Arzt Angst eingejagt und sie in ihrer Überzeugung bestärkt, dass sie die Ehe mit Henri nicht weiterführen konnte.

Sie drückte auf die Lautsprechertaste ihres Telefons und platzierte es auf der antiken Kommode, die eines der vielen schönen Möbelstücke darstellte, mit denen ihr Haus im pittoresken Garden District von New Orleans ausgestattet war. Ihr Blick blieb an einem gerahmten Foto hängen, das während eines gemeinsamen Aufenthaltes in Paris entstanden war. Henri und sie lächelten strahlend in die Kamera. Fiona wurde die Kehle eng.

Waren sie wirklich einmal so glücklich gewesen? Die Frau auf dem Foto kam ihr seltsam fremd vor.

Sie war so in die Betrachtung der Aufnahme versunken, fast hätte sie vergessen, dass sie gerade mit Adelaide telefonierte. Adelaide war ihre zukünftige Schwägerin und die langjährige Assistentin von Henris Halbbruder Dempsey. Zu guter Letzt hatten die beiden sich doch verlobt. Ihre Liebe hatte wesentlicher länger gebraucht, um zu erblühen, als es bei Henri und ihr selbst der Fall gewesen war.

Fiona blinzelte und wandte ihre Aufmerksamkeit wieder dem Gespräch zu. Und Adelaide, die schon bald zur Familie gehören würde. Zu ihrer Familie. Dieser Gedanke erfüllte sie mit Bitterkeit. Familie bedeutete doch eigentlich Nähe und Solidarität. Doch stattdessen fühlte Fiona sich einsam und isoliert.

Auch wenn es keinen Grund dafür gab. Die Familie Reynaud war groß, und die Mehrheit ihrer Mitglieder lebte hier in New Orleans. Zwei Brüder ihres Mannes wohnten auf einem großen Anwesen am Pontchartrain-See. Dort würde auch die Veranstaltung heute Abend stattfinden.

Sportler, Künstler und Politiker würden sich angeregt unterhalten, erlesene Speisen und Getränke genießen und hoffentlich großzügig für das geplante neue Tierheim spenden.

Fiona nahm einen Seidenstrumpf von der viktorianischen Polsterbank am Fußende des breiten Bettes und streifte ihn über ihr rechtes Bein, während sie Adelaides Ausführungen über die Getränkelieferung für den heutigen Abend lauschte.

Doch insgeheim war sie immer noch in der Vergangenheit gefangen. Sie dachte an die Zeit, als sie sich Hals über Kopf in Henri verliebt hatte. Er hatte ihr hartnäckig und überzeugend den Hof gemacht, und sie glaubte ihm schließlich, wenn er beteuerte, dass er ihre Persönlichkeit ebenso liebte und anbetete wie ihren Körper.

Ihren Körper.

Ihre Hände zitterten, während sie den zweiten Strumpf an ihrem Bein nach oben rollte. Sie konnte es sich eigentlich nicht leisten, an die Zeit zu denken, bevor ihr gemeinsamer Weg so steinig wurde und Henri nur noch bei ihr blieb, weil es ihr gesundheitlich nicht gut ging. Sie bewunderte ihn für seine Ehrenhaftigkeit, doch es schmerzte sie über die Maßen, dass sie seine Liebe verloren hatte. Und eine Ehe ohne gegenseitige Liebe wollte sie nicht führen.

Sie strich die Strümpfe glatt und konzentrierte sich wieder auf Adelaide. „Ich kann dir gar nicht genug für deine Hilfe danken.“

„Oh, es macht mir großen Spaß. Ich wünschte, du würdest mich öfter um Hilfe bitten.“

„Ich wollte mich nicht aufdrängen. Oder dich unter Druck setzen, als Dempsey noch dein Chef war.“ Sie kannte Adelaide seit Jahren, hatte aber erst vor Kurzem von der Romanze zwischen ihr und Dempsey Reynaud erfahren.

Adelaide lachte. „Aber jetzt, wo ich deine zukünftige Schwägerin bin, ist es in Ordnung?“

„Oh, tut mir leid“, entschuldigte Fiona sich. „So habe ich es nicht gemeint.“

„Das weiß ich doch. Ich wollte nur einen Scherz machen. Es ist mir wirklich eine Freude, dir zu helfen. Und es ist für einen guten Zweck. Du tust so viel für die Allgemeinheit. Das ist eine echte Inspiration.“

„Nun ja, ohne deine Hilfe wäre die Party auf dem Anwesen heute vor allem ein inspirierender Fehlschlag geworden.“

Der Familiensitz der Reynauds war sehr viel größer und pompöser als Henris und ihr Domizil. Sie hatten das Haus im Garden District gekauft, um einen Rückzugsort zu haben und ihre eigenen vier Wände, die sie nach ihrem eigenen Stil einrichten konnten. Die neoklassizistische Bauweise mit den griechischen Säulen des Haupthauses auf dem Anwesen entsprach nicht Fionas Geschmack.

„Pannen passieren jedem einmal. Ist dein Wagen inzwischen repariert worden?“

Fiona zuckte zusammen. Sie hasste es zu lügen, aber wenn sie ihren Arztbesuch erwähnt hätte, wären neugierige Fragen ihr nicht erspart geblieben. Nach den jahrelangen Behandlungen zur Erhöhung ihrer Fruchtbarkeit war sie es gewöhnt, ihre medizinische Geschichte und ihren Kummer darüber für sich zu behalten. „Alles in Ordnung, danke Adelaide.“

Sie konnte nur hoffen, dass alles in Ordnung war. Der Arzt hatte jedenfalls gesagt, sie solle sich keine Sorgen machen.

Nach allem, was sie durchgemacht hatte, war das leichter gesagt als getan. Sich Sorgen zu machen schien ihr mittlerweile ein ganz natürlicher Zustand zu sein.

„Gut zu hören. Ich habe dir eine Mail mit den Änderungen beim Menü geschickt. Vielleicht möchtest du dir das noch einmal ansehen.“

„Änderungen?“ Fionas Herzschlag beschleunigte sich. Normalerweise machten Änderungen in letzter Minute ihr nichts aus. Das betrachtete sie als Herausforderung. Aber im Moment war sie viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um dem noch etwas abgewinnen zu können.

„Es gab Probleme, frische Pilze zu bekommen. Also habe ich umdisponiert. Sollen wir die Einzelheiten durchgehen?“

„Nicht nötig. Ich vertraue auf deinen Geschmack und deine Erfahrung.“ Das war die reine Wahrheit.

„Lass es mich wissen, wenn ich noch etwas tun kann. Das wird mir nur dabei helfen, mich an meine neue Rolle als Ehefrau eines Reynaud zu gewöhnen.“

Fionas Zeit als Ehefrau eines Reynaud näherte sich ihrem Ende, auch wenn noch niemand aus der Familie davon wusste. Sie verdrängte diesen Gedanken und bemühte sich um einen möglichst heiteren Tonfall. „Du wirst das schon hinbekommen. Du musst nur dafür sorgen, du selbst zu bleiben und eine Nische zu finden, in der du dich wohlfühlst. Die Männer in dieser Familie neigen dazu, andere zu überrollen.“ Die Worte waren heraus, bevor sie darüber nachgedacht hatte. Fiona hörte selbst, wie bitter sie klang.

„Fiona?“, fragte Adelaide besorgt. „Geht es dir gut?“

„Aber ja. Ignorier am besten meine schlechte Laune. Bis nachher. Ich muss mich noch umziehen.“ Sie konnte schließlich nicht nur mit ihrer Unterwäsche und Seidenstrümpfen am Leib bei der Party auftauchen. Auch wenn der BH und der Slip mit schwarzer Spitze besetzt waren. „Vielen Dank nochmals.“ Fiona beendete das Gespräch und nahm ihr saphirblaues Abendkleid vom Fußende des Bettes.

Sie schlüpfte hinein. Der seidige Stoff glitt über ihre nackte Haut. Das Kleid war am Oberkörper eng geschnitten und endete in einem langen weiten Rock, der ihre Fußgelenke umspielte. Ein mit glitzernden Pailletten besetztes Taillenband korrespondierte perfekt mit ihren Diamantohrringen.

Niemand würde ihre Narben sehen. Niemand außer ihrem Ehemann und ihrem Arzt wusste von ihnen.

Beidseitige Brustamputation.

Wiederaufbau der Brust.

Aus Vorsorge. In der Hoffnung, die Krankheit zu überlisten, der ihre Mutter, ihre Tante und ihre Großmutter zum Opfer gefallen waren.

Fiona hatte nie Brustkrebs gehabt. Aber bei ihren Genen konnte sie es sich nicht leisten, ein Risiko einzugehen. Sie drückte das Kleid an die Brust und versuchte, nicht daran zu denken, was der Arzt heute über das Ergebnis ihrer Kernspintomographie gesagt hatte. Da war ein Knoten zu erkennen. Aber der war mit großer Wahrscheinlichkeit gutartig. Nur um sicherzugehen, hatte er eine Biopsie angeordnet.

Bei dem Geräusch der sich öffnenden Tür zuckte sie zusammen, obwohl sie wusste, dass es nur einen Menschen gab, der hier unaufgefordert hereinkommen würde.

Ihr Ehemann.

Amerikas attraktivster Sportler.

Der Mann, mit dem sie seit ihrer Operation vor sechs Monaten nicht geschlafen hatte.

Sie spürte Henris Hände auf ihren Schultern und seinen warmen Atem im Nacken. „Brauchst du Hilfe mit dem Reißverschluss?“

Henri war daran gewöhnt, Risiken einzugehen. Das brachte sein Job mit sich. Er hatte die Tatsache akzeptiert, dass jedes Spiel und jedes Training eine Verletzung mit sich bringen konnte, die das Ende seiner Karriere bedeutete.

Seine Fans nannten ihn mutig. Manche Sportjournalisten bezeichneten ihn als leichtsinnig. Andere als furchtlos.

Sie lagen alle falsch.

Seit dem Tag, an dem die Ärzte ihnen eröffnet hatten, Fiona hätte das Krebsgen ihrer Familie geerbt, war er außer sich vor Angst. Es spielte keine Rolle, dass ihre Ehe in die Brüche zu gehen drohte. Er fürchtete sich und hatte Angst um Fiona. Immer noch.

Er umfasste ihre Schultern, damit sie nicht bemerkte, wie seine Hände zitterten. Selbst die kleinste Berührung zwischen ihnen war spannungsgeladen. Aber nicht auf die Weise, die seine Gedanken in amouröse Bahnen lenkte.

„Dein Reißverschluss?“, wiederholte er.

Unwillkürlich glitt sein Blick über ihren schmalen Nacken bis zu den dunklen Locken, die sich aus der Hochsteckfrisur gelöst hatten und ihr in Kringeln auf die Schultern fielen. Er betrachtete ihren Rücken, dessen zarte Haut auf sein Streicheln und seine Küsse zu warten schien. Aber er hatte das Recht darauf verloren. Das hatte sie ihm sehr deutlich gemacht, als er nach der Prognose der Ärzte versucht hatte, sich mit ihr zu versöhnen.

„Ja, bitte. Vielen Dank“, antwortete sie, warf einen nervösen Blick über die Schulter und streifte sich das Haar zur Seite. Es war so dunkel, dass es nachts fast schwarz wirkte. Bei dem distanzierten Ausdruck ihrer goldbraunen Augen sank ihm das Herz. „Ich bin spät dran. Es gab … äh … in letzter Minute eine Panne mit dem Menü.“

„Adelaide sagte, du hättest Probleme mit dem Wagen. Also bin ich früher nach Hause gekommen. Aber dein Wagen steht in der Garage. Was war denn los?“

„Nicht so wichtig“, murmelte sie und mied seinen Blick.

Nicht so wichtig. Das war eine Antwort, die er in letzter Zeit häufig zu hören bekam.

Und wie so oft war es eine Lüge. Er konnte es an der Art erkennen, wie sie die Lippen zusammenpresste.

Er seufzte leise und ließ den Blick durch ihr gemeinsames Schlafzimmer schweifen. Oder besser gesagt, durch ihr ehemaliges gemeinsames Schlafzimmer. Er nächtigte seit geraumer Zeit in einem Gästezimmer. Weit weg von ihr. Es gab nicht einmal mehr den Trost, nebeneinander einzuschlafen und wieder aufzuwachen. Diese einfache Art, füreinander da zu sein.

Sein Blick fiel auf das erste Geschenk, das er Fiona gemacht hatte. Ein antiker Schmuckkasten mit filigranen Schnitzereien und einem Spiegel an der Vorderseite. Kapriziös, verspielt und leicht. Genau wie Fiona in ihrem saphirblauen Kleid. Der Anblick ihres fein geschnittenen Gesichts in dem angelaufenen Spiegel machte ihm wieder einmal bewusst, wie tief sie gefallen waren. Verdammt.

Dieser Raum glich einem Mausoleum, das schmerzhaft daran erinnerte, was sie einmal hatten.

Er wollte, dass sie sich an ihn lehnte. Nur ein klein wenig. Alles war besser als das hier.

„Kann ich dir noch irgendwie helfen?“

„Nein, danke. Ich habe alles unter Kontrolle“, erwiderte sie im Ton der Endgültigkeit.

„Das hast du doch immer“, sagte er härter, als er beabsichtigt hatte. Aber verdammt, er versuchte es wenigstens. Konnte sie das nicht erkennen?

Sie fuhr herum, um ihn anzusehen. Der Saum ihres Kleides streifte seine Beine. Ihr zierlicher Körper bebte vor Zorn. Sie hob das Kinn. „Kein Grund, so schnippisch zu werden.“

Er steckte die Hände in die Taschen seiner Smokinghose und zuckte mit den Schultern. „Ich habe das eigentlich als Kompliment gemeint.“

Der Ausdruck in ihren goldbraunen Augen wurde weicher. Sie holte tief Luft. Durch das geöffnete Fenster wehte eine sanfte Brise ins Zimmer und brachte die Geräusche von menschlichen Stimmen und Autohupen mit sich. Der leichte Vorhang bauschte sich. Henri fühlte sich an die Zeit erinnert, als sie das Haus gerade gekauft hatten. Damals waren sie ein Team. Sie hatten Monate damit zugebracht, das alte viktorianische Haus zu renovieren. Das berühmte Gebäude war einmal eine Schule gewesen, und davor ein Kloster.

Sie hatten es gemeinsam geschafft. Sie hatten das weitläufige Gebäude in ein Zuhause verwandelt.

„Es tut mir leid. Ich will nicht mit dir streiten. Adelaide war mir eine große Hilfe an diesem langen Tag. Lass uns versuchen, den Abend mit Anstand hinter uns zu bringen. Es wird immer schwieriger, so zu tun, als ob zwischen uns alles in Ordnung wäre.“

Mit ihr stimmte heute etwas nicht, ohne dass er hätte sagen können, was es war. Ihm war nur klar, dass sie versuchte, einen Streit vom Zaun zu brechen.

„Ich möchte mich auch nicht mit dir streiten“, sagte er ruhig.

„Früher haben dir Auseinandersetzungen Spaß gemacht. Aber nur mit mir. Mit allen anderen hast du niemals die Konfrontation gesucht. Das habe ich nie verstanden.“

„Da war eben Feuer zwischen dir und mir.“ Eine Liebe, in der es beständig knisterte. Und die gewärmt hatte. Er wusste, auch jetzt schwelte noch Glut unter der Asche. Er konnte und wollte nicht glauben, dass das alles verschwunden sein sollte.

„War, Henri. Das ist es, was ich meine. Es ist vorbei. Du musst damit aufhören, Ausreden zu finden, um den letzten Schritt noch länger hinauszuzögern.“ Ihre feenhaften Züge wurden hart. Eine Kriegerin in blauer Seide.

„Es waren keine Ausreden. Du musstest dich erholen. Dann sind wir übereingekommen, den Beginn der Spielsaison nicht mit einer Scheidung zu überschatten. Und schließlich kam die Neuigkeit von der bevorstehenden Hochzeit meines Bruders …“

„Es sind sehr wohl Ausreden. Eine Scheidung bedeutet nicht das Ende der Welt.“ Sie strich sich eine vorwitzige Locke aus dem Gesicht.

Sie versuchte stets, Haltung zu bewahren. Niemand sollte etwas von ihren Sorgen und ihrem Kummer erahnen. Lange Zeit hatte er das akzeptiert. Er verstand, dass sie bestimmen wollte, wie und wann ihre gesundheitlichen Probleme zur Sprache kamen. Doch warum wies sie jegliche Hilfe und Unterstützung zurück? Auch die seine.

Und nun war die Scheidung ein ständiges Thema.

„Unsere Familie steht im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses. Eine Scheidung würde nur negative Schlagzeilen hervorrufen.“ Er brauchte Zeit, um sich an den Gedanken zu gewöhnen. Um über alles nachzudenken. Und um genau zu prüfen, ob es nicht vielleicht doch noch eine Chance für sie beide gab.

Fiona drehte sich zum Spiegel, um ihr Kleid glatt zu streichen. „Niemand wird schlecht von dir denken, weil du mich verlässt. Ich werde sehr deutlich machen, dass ich es war, die die Scheidung wollte.“

„Es interessiert mich nicht, was die Leute von mir denken“, knurrte er zornig.

„Aber was dein Team von dir hält, interessiert dich schon.“

Er holte tief Luft. Sie war wirklich darauf aus, mit ihm zu streiten. Vielleicht, um den Graben zwischen ihnen zu verbreitern. „Wir müssen uns auf den Weg machen. Sonst kommen wir zu spät“, sagte er leise. Er wollte, dass sie sich beruhigte. Und auf keinen Fall wollte er eine unnötige Auseinandersetzung. Irgendetwas bereitete ihr Kopfzerbrechen. Etwas Wichtiges.

So sehr er sich auch wünschte, sie zu verstehen, es gelang ihm nicht.

Und er wünschte sich ihr altes Leben zurück. Er gäbe viel dafür, wenn sie ihn so wie früher anlächeln würde. Auf diese ganz bestimmte Weise, die ihm signalisierte, dass nur er es war, der wirklich für sie zählte. Er sehnte sich nach ihrer unkomplizierten Beziehung von früher zurück. Sie waren viel gereist. Während der Saison durch das ganze Land von Stadion zu Stadion. Und in der spielfreien Zeit hatten sie gemeinsam die Welt erkundet. Sie konnten sich beide für Geschichte und Kunst begeistern. Gemeinsam hatten sie lange Strecken zu Fuß zurückgelegt. Um sich Orte wie Stonehenge aus der Nähe anzusehen oder die Große Mauer in China.

Er legte Fiona eine Hand auf den Rücken und begegnete ihrem Blick im Spiegel. Ihre Pupillen weiteten sich. Ein untrügliches Zeichen für sexuelles Verlangen. Sanft hauchte er in ihren Nacken und umfasste ihre Schultern. „Es sei denn, du möchtest, dass ich den Reißverschluss wieder herunterziehe.“

Ihre Lider zitterten, und sie schloss kurz die Augen. Ihre Züge wurden weich. In diesem kurzen Moment dachte er, dass sie auf diese Weise vielleicht den Graben zwischen ihnen überwinden könnten.

Doch sie öffnete die Augen und blickte ihn mit unverminderter Härte an. „Nein, danke. Ich muss mich um die Spendengala kümmern. Und danach kümmern wir beide uns um einen Scheidungstermin. Wir müssen mit unserem Anwalt darüber sprechen, wie wir diese Ehe möglichst schnell beenden können.“

2. KAPITEL

Während Henri den Sportwagen durch das Tor in Richtung des mächtigen Haupthauses auf dem Hügel lenkte, spielte Fiona schweigend an den Pailletten ihres Kleides herum. Sie hatte einmal in einem Haus ganz in der Nähe von diesem imposanten Gebäude gewohnt. Henri und sie in einem Flügel, der jüngste Bruder Jean-Pierre in dem anderen. Das Haus war groß genug für Privatsphäre gewesen. Und auch groß genug, dass ihr Elternhaus vierfach hineingepasst hätte. Dabei stammte sie aus einer durchaus wohlhabenden Familie. Ihr Vater nannte eine mittelständische Steuerberatungsfirma sein eigen.

Doch sobald die Flitterwochen vorbei waren und Henri und sie feststellten, dass sie nicht schwanger war, hatten sie sich ernsthaft um Nachwuchs bemüht. Und das riesige Haus war ihr mit jedem gescheiterten Versuch enger vorgekommen. Dann mit jeder Behandlung zur Steigerung ihrer Fruchtbarkeit. Sie hatte Fehlgeburten durchlitten, von denen nicht einmal ihre engsten Angehörigen erfuhren. So viel Kummer, den sie mit niemandem geteilt hatten.

Nach ihrer sehr öffentlichen Fehlgeburt im zweiten Drittel der Schwangerschaft hatten sie das Haus im Garden District erworben. Sie brauchten beide einen Rückzugsort vor der Lebensweise der Reynauds, die Fiona manchmal an die eines Fisches im Wasserglas erinnerte. Jeder war für jeden ständig zu sehen. Henris und ihre Emotionen waren viel zu oft übergekocht. Im guten wie im schlechten Sinne.

Hier zu leben, war schlichtweg zu schwierig.

Die knorrigen alten Eichen zu beiden Seiten des Zufahrtsweges waren mit Spanischem Moos bewachsen. Lange Bootsstege führten vom Ufer hinaus auf den See bis in den Dunst, der oft über dem Wasser lag. Verborgen im dichten Strandhafer am Ufer tummelte sich die heimische Tierwelt. Die Gartenanlagen waren grün und üppig, der Boden fruchtbar. Die Gärtner hatten viel damit zu tun, das wuchernde Unterholz und Gestrüpp zurückzudrängen. Das weitläufige Anwesen wirkte gepflegt und doch lebendig.

Fiona warf einen Blick auf ihren viel zu attraktiven Ehemann, der den Wagen mit sicherer Hand den gewundenen Weg auf das Haupthaus zu lenkte. Dort waren er und seine Brüder aufgewachsen. Gervais, der älteste Bruder, und seine Verlobte wohnten jetzt da und hatten Fiona gestattet, die Räumlichkeiten für die Gala zu nutzen.

Henris maßgeschneiderter Smoking saß wie eine zweite Haut und betonte seinen durchtrainierten Körper. Sein markantes Kinn war sorgfältig rasiert.

Nach wie vor fühlte sie sich zu ihm hingezogen. Doch zwischen ihnen hatte sich seit der überstürzten Hochzeit vor drei Jahren viel verändert. Weder damals noch heute machte es ihr etwas aus, dass sie auf eine große Hochzeitsfeier verzichtet hatten. Aber sie fragte sich manchmal, ob die Dinge anders gekommen wären, wenn sie länger gewartet und sich besser gekannt hätten, bevor die Probleme begannen.

Das würde sie nun nie erfahren.

Henri hielt vor der Garage, öffnete eines der Metalltore mit der Fernbedienung und fuhr dann langsam hinein. Es fiel ihm nicht schwer, einen freien Platz zu finden, denn die Garage war wirklich riesig.

Fiona schluckte einen Kloß herunter, als das Garagentor sich schloss und Henri den Motor ausstellte.

„Fiona?“ Er trommelte mit den Fingerspitzen auf dem Lenkrad herum. „Ich bin dir sehr dankbar, dass du in der Öffentlichkeit die glückliche Ehefrau spielst. Ich weiß, das fällt dir nicht leicht.“

„Diese Charity-Gala bedeutet mir sehr viel.“

„Natürlich“, murmelte er resigniert.

Sie konnte es seinem Gesicht ablesen, wie sehr sie ihn verletzt hatte, weil sie diese Scharade nicht um seinetwillen aufrechterhielt. Wie konnten sie nur sicher sein, dass es vorbei war, wenn sie doch die Macht besaßen, einander nur mit Worten so fürchterlich wehzutun?

„Ich weiß es zu schätzen, dass du deine Beziehungen hast spielen lassen, damit der Abend ein Erfolg wird“, sagte sie versöhnlich.

Er warf ihr einen Blick zu. „Du bist diejenige, die die Party schmeißt. Ich weiß, wie viel Arbeit das ist.“

„Ich bin Adelaide etwas schuldig dafür, dass sie eingesprungen ist.“

„Weil dein Auto kaputt war.“

Sie nickte nachdrücklich, erstickte innerlich jedoch fast an dieser Lüge.

Er streckte eine Hand aus und wickelte sich eine ihrer Locken um den Finger. Das geschah fast automatisch, ohne dass er darüber nachgedacht hatte. „Du siehst bezaubernd aus heute Abend. Einfach hinreißend.“

„Danke.“

„Gibt es eine Chance, dass du vielleicht an Versöhnungssex interessiert bist? Nur so als Versuch?“

Das Angebot war verführerisch, besonders beim Anblick seines charmanten Lächelns. Und sie musste zugeben, dass es ihr gefiel, wie er mit ihrem Haar spielte.

„Wir müssen jetzt hineingehen.“

Seine Augen ruhten auf ihrem Mund. Sie spürte seinen Blick fast wie eine Berührung. Plötzlich sehnte sie sich nach seinem Kuss.

Er nickte und wandte den Blick ab. „Natürlich. Aber das Angebot steht.“

Er stieg aus dem Wagen und ging zur Beifahrertür. Dabei bewegte er sich mit der Schnelligkeit und Eleganz, die er auch auf dem Spielfeld an den Tag zu legen pflegte. Fionas Haut prickelte bei dem Gedanken daran, wieder mit ihm zu schlafen. Darin waren sie beide wirklich gut gewesen. Ein perfektes Paar, bei dem die Chemie in sexueller Hinsicht stimmte.

Würde ihre Operation daran etwas ändern? Bis jetzt war sie nicht in der Lage gewesen, sich einer möglicherweise verheerenden Antwort auf diese Frage zu stellen. Nur der Gedanke daran verwandelte ihren Magen in einen schmerzenden Knoten. Sie war so in Gedanken versunken, dass sie den Weg zum Haupthaus fast schlafwandlerisch zurücklegte. Erst an der Seitentür zur Eingangshalle kehrte sie in die Wirklichkeit zurück.

Die Absätze ihrer Stilettos verursachten klickende Geräusche auf dem Marmorfußboden des Foyers. Der große Raum mit der hohen Decke schien fast überfüllt, so viele Menschen waren bereits dort. Das Klirren von Gläsern, Gelächter, Satzfetzen und Musik erfüllten die Luft. Die Party war in vollem Gange.

Früher einmal hatte Fiona für solche Partys gelebt. Aber jetzt hätte sie nichts lieber getan, als die große Freitreppe nach oben zu rennen, um alldem zu entkommen.

Doch sie hakte sich bei Henri ein und schaltete in den Partymodus. Sie lächelte, nickte den Gästen grüßend zu und erwiderte hier und da eine Bemerkung mit großer Schlagfertigkeit. Henri und sie hatten dieses Spiel schon oft gespielt. Sie verstanden sich blendend darauf, ihre Mitmenschen zu täuschen. Obwohl viele der anwesenden Frauen Henri ganz unverfroren schöne Augen machten, ließ er sich weder mit Blick noch Worten oder Gesten darauf ein. Das musste sie ihm lassen, Henri Reynaud war ein Mann von Ehre. Die notorische Untreue seines Vaters hatte bei ihm tiefe Spuren hinterlassen. Henri hatte nie einen Zweifel daran gelassen, dass er sie niemals und unter keinen Umständen betrügen würde. Auch dann nicht, wenn ihre Liebe erkaltet war.

Nein, sie durfte ihre Gedanken nicht dorthin wandern lassen. Nicht zum Ende ihrer Liebe. Jedenfalls nicht in der Öffentlichkeit.

Auch wenn Fiona diesmal die Planung und Vorbereitung vor allem als willkommene Ablenkung von der sich stetig verbreiternden Kluft zwischen Henri und ihr betrachtet hatte, so verdiente die Party mit ihren zahlreichen Gästen jetzt doch ihre volle Aufmerksamkeit.

Es war an der Zeit zu überprüfen, ob ihre minutiöse Planung funktionierte. Sie entschuldigte sich bei Henri und ging hinüber zu dem Gabentisch, von dem jeder Gast sich eines der Geschenke nehmen konnte. Fiona ergriff eine der zahlreichen türkisfarbenen Boxen, die eine weiße Schleife zierte. Sie öffnete die Schachtel und stellte erfreut fest, dass der Inhalt aus dem erwarteten Paar silberner Ohrringe in Form winziger Hunde bestand. Dies war das Geschenk für die Damen. Dann nahm sie eine Schachtel mit einer schwarzen Schleife zur Hand. Darin befand sich eine gleichfalls silberne Krawattennadel, die mit kleinen Pfotenabdrücken verziert war. Das Geschenk für die Herren. Fiona lächelte erleichtert. Die Sache mit den Souvenirs hatte ja schon mal bestens geklappt. Die kleinen Schmuckstücke waren sogar noch hübscher, als sie in Erinnerung hatte.

Ihr Blick fiel auf die Diensthunde, die sie sich für diesen Anlass samt den Hundeführern von einer Rettungsorganisation ausgeliehen hatte. Die Tiere saßen ruhig an ihren Plätzen und beobachteten das muntere Treiben mit klugen, wachsamen Augen.

Auf der großen Tafel im Esszimmer war ein ebenso umfangreiches wie verlockend aussehendes Büfett aufgebaut. Lächelnd beobachtete Fiona, wie sich die umstehenden Gäste Krabbenküchlein, gegrillte Hähnchenspieße und andere Köstlichkeiten auf die Teller häuften.

Soweit schien alles in bester Ordnung zu sein. Beruhigt begab Fiona sich in den privaten Wohnbereich der Familie, der ebenfalls für Gäste geöffnet war. An der Stirnseite des großen Raumes befand sich eine gut sortierte Bar, und die Panoramafenster boten einen guten Ausblick auf den Pool und den Garten.

Dank des gut ausgebildeten Personals, das sie engagiert hatte und dessen Arbeit von Adelaide überwacht wurde, waren Fionas Anweisungen bis ins kleinste Detail umgesetzt worden. Am Rand des Schwimmbeckens stand eine erleuchtete Hundehütte, die eine Miniatur des Haupthauses der Reynauds darstellte. Die Hundehütte würde später dem Tierheim zur Verfügung gestellt werden. Doch jetzt beleuchtete sie den Außenbereich und beherbergte Wasserschüsseln für die Tierheimhunde, die ausgelassen im Garten herumtobten und die Aufmerksamkeit ebenso wie die Streicheleinheiten der Gäste sichtlich genossen.

Auch im Poolbereich hielten sich zahlreiche Besucher auf. Es wurde viel gelacht. Ein kleiner Jack Russell Terrier schlief selig auf dem Schoß einer älteren Dame, die auf einem der bequemen Gartenstühle Platz genommen hatte. Unter dem Stuhl ihres Gesprächspartners wartete ein hübscher weißer Mischlingshund auf die Gaben, die ihm in regelmäßigen Abständen vom Teller des Mannes zuteilwurden. So ist es richtig, dachte Fiona. Sucht euch Freunde mit prall gefüllten Geldbeuteln.

Eigentlich hätte sie zufrieden sein können. Die Party lief besser, als sie erwartet hatte. Alles war in Ordnung. Doch sie kannte den Unterschied zwischen Schein und Wirklichkeit.

Eine Welle der Traurigkeit durchflutete sie. Sie nahm sich ein Glas Wasser von einem Tablett mit Getränken und ging weiter. Bewegung tat ihr gut. Wenn sie sich bewegte und sich mit einer Aufgabe beschäftigte, musste sie nicht so viel an ihre Sorgen und Ängste denken.

Als sie nach draußen trat, entdeckte sie eine willkommene Ablenkung, nämlich zwei ihrer Lieblingsspieler der Hurricanes. Wade und Freddy waren nicht nur immer zur Stelle, wenn es um wohltätige Zwecke ging, sie brachten sie auch immer zum Lachen.

Der heutige Abend war da keine Ausnahme. Freddy trug zwar dem Anlass angemessen einen eleganten schwarzen Anzug, doch seine Krawatte war mit Hundeköpfen bedruckt und seine Gürtelschnalle hatte die Form einer Pfote. Er und Wade spielten mit einigen der Hunde, und ihre Ausgelassenheit und gute Laune war ansteckend. Unweit der beiden Footballspieler hatte sich der texanische Zweig der Familie Reynaud versammelt. Wenn es um eine Wohltätigkeitsveranstaltung ging oder es familiäre Probleme zu lösen galt, konnte man stets auf sie zählen. Die beiden jungen Texaner hielten Weingläser in den Händen und unterhielten sich angeregt mit einem Senator aus Louisiana.

Fiona war für so viel Unterstützung dankbar. Sie würde diese Art von Familiensinn vermissen.

Die geschickt platzierte Außenbeleuchtung warf ihren Schein auf Pflanzen und Statuen. Fiona überprüfte den Grillplatz. In dem gemauerten Kamin brannte bereits ein Feuer. Die steinernen Sitzgelegenheiten waren mit dicken Kissen ausgelegt und von einer schmiedeeisernen Pergola überdacht. Dort entdeckt sie Gervais, Dempsey und Henri.

Die Art, wie die Brüder miteinander umgingen, hatte Fiona immer amüsiert. Sie waren einander sehr zugetan, daran bestand kein Zweifel. Doch wenn sie unter sich waren, warfen sie sich in besonders männliche Posen und versuchten, sich gegenseitig auszustechen. Sie schienen in einem ständigen Konkurrenzkampf zu stehen.

Sie waren alle groß und athletisch und hatten dunkelbraune Augen und dichtes, dunkles Haar. Während Gervais, Henri und Jean-Pierre dieselben Eltern hatten, war Dempsey das Ergebnis einer außerehelichen Affäre ihres gemeinsamen Vaters. Die Brüder hatten die Haarfarbe ihrer Mütter geerbt und verdankten Größe und Körperkraft den Genen ihres Vaters.

Gervais, der älteste und um einiges kultivierter als seine Brüder, spielte die Rolle des Leitwolfs mit fast aufreizender Gelassenheit. Seine Verlobte Erika hatte eine Hand auf seinen Arm gelegt und beteiligte sich lebhaft an der Unterhaltung. Sie schien die Anmut in Person, und kaum einer wäre auf die Idee gekommen, dass sie eine militärische Laufbahn hinter sich hatte. Dass sie eine waschechte Prinzessin war und aus königlichem Hause stammte, konnte dagegen niemanden überraschen. Sie strahlte Würde aus und eine gewisse Vornehmheit.

Rechts von Gervais stand Dempsey, der allseits geschätzte Cheftrainer der Hurricanes, und an seiner Seite die ebenso hübsche wie tüchtige Adelaide.

Fiona schätzte sich glücklich, dass sie für ihren Lebensunterhalt nicht zu arbeiten brauchte. So konnte sie ihre Zeit und Energie dem Gemeinwohl widmen. Außerdem hätte sie ein Job daran gehindert, mit ihrem Mann auf Reisen zu gehen. Sie half auch dabei, die Auswärtsspiele und die damit verbundenen Touren für das Team zu organisieren. Die Sportler und ihre Angehörigen bei Laune zu halten, war eine wichtige Aufgabe. Denn so konnten sich alle ungehindert auf das Spiel und den Erfolg konzentrieren.

Sie blickte sich um und fand, dass es an dieser Veranstaltung nichts zu bemängeln gab. Die Party war ein voller Erfolg. Man hätte meinen können, dass sie ein erfülltes Leben führte.

Allerdings konnte sie es nicht über sich bringen, mit ihrem Mann zu schlafen. Sie hatte fest daran geglaubt, dass die Operation die richtige Entscheidung gewesen war. Davor und danach war sie psychologisch betreut worden. Henri hatte sie in jeder Hinsicht unterstützt.

Und doch war die Distanz zwischen ihnen in den letzten Monaten immer größer geworden. Das unterstrich die Tatsache, wie wenig sie im Grunde voneinander wussten. Sie waren verliebt gewesen und hatten aus einem Überschwang der Gefühle heraus geheiratet. Großartiger Sex, eine gemeinsame Leidenschaft für Kunst und eine vermeintliche Schwangerschaft, die zur Eile drängte.

Die erste Verliebtheit war längst vorüber, und sie hatten nicht einmal mehr Sex, der ihnen über die rauen Phasen ihrer Beziehung hätte hinweghelfen können. Ihre gemeinsame Passion für Kunstausstellungen reichte nicht aus, um sie zusammenzuhalten. Ihre Ehe war gescheitert.

Und Fiona konnte es kaum ertragen, dass ihr Mann nur aus Mitgefühl bei ihr blieb.

Henri war eigentlich nicht in Partystimmung. Daran konnte auch die Gesellschaft seiner Brüder und der texanischen Cousins nichts ändern. Die Witze, die sie rissen, fand er heute überhaupt nicht komisch. Und das spielerische Kräftemessen ging ihm auf die Nerven.

Er dachte an nichts anderes als an die Scheidung, die seine Frau einzureichen gedachte.

Er hatte viel gehört über die Höhen und Tiefen einer Ehe. Er gehörte nicht zu den Menschen, die leicht aufgaben. Und trotz aller Probleme begehrte er Fiona nach wie vor.

Er betrachtete die Gäste am Pool, und wie von selbst blieb sein Blick an seiner Frau hängen. Ihre dunklen Locken und die verführerischen Kurven riefen ihm den aufregenden Moment ins Gedächtnis, als er ihr den Reißverschluss des Abendkleides hochgezogen hatte. So nah war er ihr seit Langem nicht gewesen.

Sie unterhielt sich mit einem Mann, der mit dem Rücken zu ihm stand. Dann lachte sie laut, nickte und ging weiter. Als der Mann sich umdrehte, war Henri zumute, als ob ihm das Blut in den Adern gefrieren würde. Er kannte diesen Mann, ziemlich gut sogar. Doktor Carlson war Arzt in der Gemeinschaftspraxis, die Fiona konsultiert hatte, bevor sie wegen der Operation den Arzt gewechselt hatte.

Die nun schon vertraute Furcht überwältigte ihn und machte ihm das Atmen schwer. Er ließ seine Brüder und die Cousins einfach stehen, um sich durch die Menge zu seiner Frau zu drängen.

Er nahm sie beim Arm und führte sie zum Ufer des Sees. „Nur einen Moment. Ich will kurz mit dir reden. Wo niemand uns hören kann.“

Lichter von Yachten und Booten drangen aus der Ferne zu ihnen. Henri öffnete die Tür des Bootshauses, trat ein und zog Fiona mit sich. Mondlicht fiel durch das schmale Fenster und beleuchtete ihr schönes Gesicht. Verwirrung und Unmut zeichneten sich darauf ab.

Sie setzten sich auf eine Holzbank an der Wand des Bootshauses. Das Wasser plätscherte in sanften Wellen gegen das in der Mitte eingelassene Boot. Henri schloss kurz die Augen und inhalierte den betörenden Duft von Fionas Parfum. Er erinnerte sich daran, es in Paris gekauft zu haben. Bevor die Probleme begannen und alles aus dem Ruder gelaufen war.

„Jetzt ist es aber genug, Henri. Würdest du mir bitte sagen, warum wir hier sind?“

Er studierte ihr Profil. „Geht es dir gut?“

„Was meinst du damit?“

„Ich habe gesehen, wie du mit Doktor Carlson gesprochen hast.“ Er versuchte, in ihren Augen zu lesen, wie es um sie bestellt war. Doch sie schlug die Lider nieder.

Sie schaute auf den Boden und kaute auf ihrer Unterlippe herum, bevor sie schließlich antwortete. „Wir haben uns über eine Spendenparty für eine Kinderklinik unterhalten. Der eigentliche Veranstalter hatte einen Herzinfarkt und braucht jemanden, der für ihn einspringt.“

So weit, so gut. Doch warum mied sie seinen Blick? „Und das war wirklich alles?“

Sie zögerte einen Moment zu lang. „Was soll das heißen?“

Die Angst wurde zu einem glühenden Ball, der ihn zu verbrennen drohte. „Geht es dir wirklich gut? Ich meine körperlich. Ist etwas nicht in Ordnung? Falls es so ist, weißt du, dass ich für dich da bin. Wenn du etwas brauchst, musst du es mir nur sagen.“

Sie kniff die Augen zusammen und schüttelte den Kopf. Tränen liefen ihr über die Wangen.

Seine Hände zitterten, als er ihr die Tränen von den Wangen strich. „Oh, Himmel, Fiona. Ist es …“ Er konnte nicht weitersprechen und schluckte trocken. „Hast du …“

Sie legte einen Finger auf seine Lippen, um ihn zum Schweigen zu bringen. „Du musst dir um mich keine Sorgen machen. Es geht mir gut. Ich danke dir, aber es gibt keinen Grund, dich für mich verantwortlich zu fühlen.“

Er küsste ihre Fingerspitze. „Verantwortlich? Du bist meine Frau. Selbstverständlich fühle ich mich für dich verantwortlich.“

„Bitte, Henri.“ Sie nahm seine Hände von ihrem Gesicht und tätschelte sie vor dem Loslassen kurz. „Du bist ein guter Mann. Daran habe ich nie gezweifelt. Wir durchleben gerade eine sehr emotionale Phase. Lass uns das ganze durch Streitereien nicht noch schlimmer machen. Ich schlage vor, wir kehren jetzt zur Party zurück.“

So leicht ließ er sich nicht abwimmeln. „Worüber hast du gelacht? Ich wäre dir dankbar, wenn du mich in diesen Scherz einweihen würdest. Ich könnte nämlich im Moment etwas gebrauchen, das meine Stimmung verbessert.“

Sie seufzte. „Es gab keinen Scherz. Nur eine ironische Bemerkung.“

„Was verbirgst du dann vor mir?“

Resigniert ließ sie die Schultern sinken. „Er hat mich auf einen Drink eingeladen. Um die näheren Einzelheiten zu besprechen.“

Henri sah plötzlich rot. „Er hat dich zu einem Drink eingeladen? Er wollte mit dir ausgehen? Mit dem Vorwand, über die Gala zu reden?“

Fiona stieg das Blut in die Wangen. „Ja, ich glaube schon.“

„Was hast du ihm geantwortet?“

„Dass ich noch verheiratet bin natürlich.“

„Das dürfte er gewusst haben. Denn du trägst deinen Ehering.“

Sie zuckte mit den Schultern. „Anscheinend hat ihn das nicht gestört.“

Wild entschlossen, zur Party zurückzukehren, um den Kerl in den Pool zu befördern, sprang Henri auf.

Fiona legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Nicht so eilig, Henri. Er meinte, er hätte gehört, dass wir uns getrennt haben. Er dachte, ich wäre ungebunden.“

„Wo will er das gehört haben? Warst du in seiner Praxis?“

Sie schluckte. „Du scheinst vergessen zu haben, dass sein Bruder unser Anwalt ist.“

„Jetzt nicht mehr“, knurrte Henri zornig.

„Vielleicht ist das besser so. Wir sollten beide einen eigenen Anwalt haben.“

Verdammt, diese Unterhaltung führte nicht in die Richtung, die er beabsichtigt hatte. Am liebste hätte er sie in die Arme genommen und sich hier auf der Stelle über sie hergemacht. Zur Hölle mit Vergangenheit und Zukunft. Keine Streitereien mehr, keine Eifersucht.

Er wollte sie so sehr, dass es schmerzte. „Dies ist weder Zeit noch Ort, um über Anwälte zu reden. Du solltest die Party genießen. Und deinen Erfolg.“ Er umrahmte ihr Gesicht mit beiden Händen. Die Wärme ihres zierlichen Körpers strahlte auf ihn ab. „Du hast genug Startkapital für das Tierheim gesammelt. Lass uns das feiern.“

Als ob sie das gleiche Verlangen verspürte wie er, drängte sie sich für einen kurzen Moment an ihn. Er konnte es in ihren Augen lesen. Da war noch Glut unter der Asche.

Doch der Moment verstrich, und sie trat abrupt einen Schritt zurück. „Feiern? Ich glaube kaum, dass das möglich ist. Es gibt viel zu viele Probleme, die noch nicht gelöst sind. Ich muss mein Leben in Ordnung bringen und kann kaum an etwas anderes denken.“

Mit diesen Worten verließ sie das Bootshaus und eilte davon. Nur ihr Duft hing noch in der Luft. Angesichts ihrer Reaktion fragte er sich, was er übersehen hatte. Doch die Gelegenheit, das herauszufinden, hatte er fürs Erste verpasst.

Fiona konnte unmöglich zur Party zurückkehren. Ihre Gefühle waren in solchem Aufruhr, dass sie beim geringsten Anlass die Fassung verlieren würde. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass ihre kurze Unterhaltung mit Tom Carlson zu dieser hässlichen Szene mit ihrem Ehemann führen würde. Dabei hätte sie Toms Einladung auch abgelehnt, wenn sie nicht mehr verheiratet wäre. Sie war im Moment nicht in der Lage, sich auf irgendetwas einzulassen.

Das Leben war derzeit sehr kompliziert. Sie sehnte sich nach einfacheren Zeiten.

Nach Frieden.

Nach Familie.

Sie belud einen Teller mit Leckerein vom Büfett, schenkte Eistee in zwei Gläser und stellte alles auf ein Tablett. Das trug sie nach oben zur Suite von Großvater Leon. Seine Alzheimer-Erkrankung hatte sich so weit verschlimmert, dass es nötig war, Pflegepersonal zu engagieren, das ihn rund um die Uhr im Auge behielt und versorgte. Die Nachtschwester saß auf einem Sessel im Wohnzimmer und studierte ihr Smartphone. Sie war eine brünette Mittdreißigerin mit freundlichem Wesen und warmen Augen.

Sie blickte auf und legte das Telefon beiseite. „Guten Abend, Mrs. Reynaud. Ihr Großvater ist auf dem Balkon und sieht sich die Sterne an.“

Sie hatten den Balkon verglasen lassen, damit es nicht zu kühl wurde und Leon nicht herunterfallen konnte. Und nicht auf die Idee kam, vom Balkon zu klettern, wie er es vor einiger Zeit versucht hatte.

„Danke“, sagte Fiona. „Wenn Sie Lust haben, können Sie hinuntergehen auf die Party, solange ich bei Leon bin.“

„Oh, wie nett von Ihnen. Vielen Dank. Das würde ich gern. Ich bin in einer halben Stunde wieder da, wenn es Ihnen recht ist.“

„Natürlich. Lassen Sie sich ruhig Zeit.“ Fiona hatte Leon Reynaud sehr gern und kostete jede Minute aus, die sie mit ihm verbringen konnte.

Seine Krankheit stahl ihm Stück für Stück seine Persönlichkeit, und sie würde bald nicht mehr zur Familie gehören. Bei diesem Gedanken wurde ihr das Herz schwer. Mit einem Ellenbogen stieß sie die Schwingtür auf und betrat den geschlossenen Balkon.

„Grandpa Leon“, sagte sie freundlich und stellte das Tablett auf dem Tisch zwischen den beiden Stühlen ab. „Ich bringe dir einen Happen zu essen.“

Der alte Mann drehte sich zu ihr und lächelte. Sein dichter Schopf schien mit jedem Tag weißer zu werden, als würde sein einstmals dunkles Haar mit jeder verlorenen Erinnerung auch an Farbe verlieren. „Sie wollen nicht, dass ich noch auf Partys gehe. Ich glaube, die befürchten, ich könnte etwas Peinliches tun.“

„So etwas darfst du nicht denken. Alle hätten sich gefreut, wenn du gekommen wärst.“ Fiona wusste, dass es der Familie vor allem darum ging, ihm seine Würde zu lassen.

„Mach dir keine Sorgen. Es ist ja nicht deine Schuld, dass meine Erinnerung mich verlässt. Die Jungen versuchen nur, mich und meinen Stolz zu beschützen.“ Er nahm eine Gabel von dem Scampisalat auf dem Teller und lächelte genießerisch. „Oh, das ist gut. Vielen Dank, mein Kind.“

„Es gibt noch mehr davon. Ich weiß doch, wie gern du Scampi magst.“

„Was ich gern esse und was nicht, scheint das Einzige an Erinnerung zu sein, was nicht verschwindet. Aber das weißt du vermutlich auch. Du warst schon immer ein einfühlsames Mädchen und hast mehr gesehen als andere. Ich werde dich sehr vermissen.“

Fiona fuhr auf. Wie konnte er wissen, dass sie bald nicht mehr da sein würde? Wer hatte ihm von der geplanten Scheidung erzählt? „Ich bin nicht sicher, ob ich weiß, was du meinst, Grandpa Leon“, sagte sie vorsichtig.

Er klopfte sich gegen die Schläfe. „Wenn meine Krankheit das Ruder übernimmt. Sogar im Nebel kann ich noch Schmerz und Verlust fühlen.“ Er legte eine Hand auf sein Herz. „Hier drin. Die Menschen, die Teil meines Lebens sind. Aber ich kann mich nicht mehr erinnern, wer dazugehört und wer nicht.“

Fiona kämpfte gegen die aufsteigenden Tränen an. Sie nahm seine Hand, um sie zärtlich zu drücken. „Ich liebe dich, und ich werde dich nicht vergessen.“

„Und ich liebe dich auch, kleine Schwester.“

Jetzt liefen Fiona doch die Tränen über die Wangen. Obwohl es keine Überraschung sein sollte, erschütterte es sie doch, dass Leon sie für seine Schwester hielt. Langsam stand sie auf und ging zur Tür.

Sie warf einen Blick auf den alten Mann, der schon bald keiner ihrer Angehörigen sein würde. „Möchtest du vielleicht noch einen Nachschlag?“

Verwirrung stahl sich in seine Augen. Dann blickte er ratlos auf seinen leeren Teller. „Was gab es denn zum Abendessen? Ich kann mich nicht mehr daran erinnern.“

Sie wusste nicht recht, was sie antworten sollte, erkannte aber, dass es auf Einzelheiten nicht ankam. Es ging nur darum, die Verwirrung des alten Mannes nicht noch zu verstärken. „Es gab dein Lieblingsessen.“

Er lächelte und reichte ihr seinen Teller. „Dann möchte ich noch einen Nachschlag. Und ein Dessert. Kuchen mit Eiscreme.“

„Aber natürlich. Kommt sofort.“

Auf dem Weg nach unten fragte sie sich, ob er sich an seine Bitte erinnern würde, wenn sie zurückkehrte. Aber letztlich spielte das vielleicht gar keine so große Rolle. Sie würde ihm am Büfett noch einen Teller füllen und die letzten Momente als Teil dieser wunderbaren Familie auskosten.

Denn es war fraglich, ob sie dieses Haus noch betreten konnte, wenn alle von der bevorstehenden Scheidung wussten. Vielleicht wäre sie nicht mehr willkommen. Oder aber sie würde es nicht über sich bringen, weil der Schmerz zu groß wäre. Besonders am Anfang. Möglicherweise würde es zu einem späteren Zeitpunkt gehen. Aber sie war jetzt nicht in der Lage, an die Zukunft zu denken. Es machte ihr Angst, von den Jahren zu träumen, die da kommen mochten. Denn es bestand die Möglichkeit, dass sie nicht mehr sehr viele Jahre hatte.

Der heutige Arztbesuch hatte ihr das deutlich vor Augen geführt.

3. KAPITEL

Ständig Hunger zu haben, war das Schicksal eines aktiven Sportlers. Henri öffnete die Kühlschranktür und spähte hinein. Es war drei Uhr morgens, und er würde auf keinen Fall bis zum Frühstück durchhalten. Obwohl er sich auf der Party reichlich vom Büfett bedient hatte, knurrte sein Magen schon wieder vernehmlich.

Er nahm einen Karton mit Eiern aus dem Kühlschrank und stellte ihn auf den Küchentresen. Während er eine Pfanne suchte, kehrten seine Gedanken zurück zu der Spendenparty.

Von außen betrachtet war die Veranstaltung ein voller Erfolg gewesen. Es war eine siebenstellige Summe zusammengekommen, mehr als genug, um die Kampagne für ein neues Tierheim zu beginnen. Fiona hatte sich und ihr Ziel bei Weitem übertroffen. Er war verdammt stolz auf sie. Auch wenn die Situation zwischen ihnen derzeit sehr schwierig war, bewunderte er ihr Engagement und ihr Durchsetzungsvermögen. Zum Schluss hatte er sie praktisch nach Hause zerren müssen, denn sie wollte unbedingt noch bleiben, um den Reinigungstrupp zu überwachen.

Sobald sie zu Hause angekommen waren, hatte sie sich wie üblich in ihr Zimmer zurückgezogen und damit jede weitere Unterhaltung mit ihm verhindert.

Er gab Öl in die Pfanne und stellte eine Gasflamme am Herd an. Als das Fett zu zischen begann, schlug er zwei Eier auf und gab sie in die Pfanne.

Kochen gehörte zu den Dingen, die er wirklich gern tat. Besonders gern kochte er für Fiona. Er bereitete ihnen oft leckere und gesunde Mahlzeiten zu. Deswegen hatte er bei der Renovierung und Einrichtung des Hauses auch so viel Sorgfalt auf die Küche verwendet. Er hielt sich gern hier auf. Und früher hatte Fiona ihm Gesellschaft geleistet, so oft es ihr möglich war.

Die Küche war mit einem Sammelsurium an antiken Möbeln und modernen Haushaltsgeräten ausgestattet. Nichts passte wirklich zusammen, aber dennoch, oder gerade deshalb, strahlte dieser Raum große Behaglichkeit aus.

Er seufzte und tat die Spiegeleier auf einen Teller. Dann holte er sich Messer und Gabel aus der Besteckschublade und ging ins angrenzende Esszimmer. Er setzte sich ans Kopfende der langen Tafel aus Kirschholz, die sie angeschafft hatten, um die ganze Familie einladen zu können. Ein Spiegel mit vergoldetem Rahmen hing über einem Wandbord, auf dem Fionas sorgfältig poliertes Tafelsilber stand. Obwohl sie sich dieses Zuhause gemeinsam erschaffen hatten, würde Fiona ihn nach der Scheidung bestimmt hinauswerfen, und er müsste bei seinen Brüdern auf dem Familienanwesen Zuflucht suchen. Er liebte seine Familie, aber dieses Haus im Herzen von New Orleans war seine Heimat geworden.

Der Gedanke, diesen Ort verlassen zu müssen, machte es ihm unmöglich, an diesem Tisch sitzen zu bleiben. Er schob den Teller mit den halb verzehrten Spiegeleiern von sich und stand auf, um ans Fenster zu gehen.

Noch immer konnte ihn die Gegensätzlichkeit dieser Stadt in Erstaunen versetzen. Hochmoderne Neubauten standen wie selbstverständlich neben historischen Gebäuden. New Orleans kam ihm manchmal vor wie ein Ort zwischen den Welten und Kulturen. Nachdem er mit seiner Familie in der Kindheit eine Weile in Texas gelebt hatte, waren ihm die bunte Lebendigkeit und die Atmosphäre dieser Stadt wie ein Geschenk vorgekommen. New Orleans passte zu seiner Persönlichkeit, und er hatte sich hier von Anfang an heimisch gefühlt. Als er Fiona kennengelernt hatte, konnte er sein Glück kaum fassen. Eine perfekte Frau und ein perfektes Leben an einem Ort voller Esprit, Kunst und Musik, klassischen New-Orleans-Jazz noch dazu.

Seine Brüder würden ihn auslachen und ihn einen Jammerlappen schimpfen, wenn er ihnen gegenüber solche Dinge geäußert hätte. Doch Fiona verstand diese Seite an ihm. Mehr noch, sie teilte seine Leidenschaften und Interessen. Es hatte ihn sehr getroffen, als sie behauptete, sie hätten nichts gemeinsam.

Sie schmälerte damit alles, was sie gemeinsam erreicht hatten. Das tat weh. Es war auch nicht gerade hilfreich, wie die Männer gestern Abend auf der Party mit ihr geflirtet hatten. Es war ihm vorgekommen, als ob sie die bevorstehende Scheidung wittern würden.

Er war daran gewöhnt, dass andere Männer Fiona den Hof machten, und ertrug es für gewöhnlich mit Gelassenheit. Sie war bezaubernd auf eine elegante und zeitlose Art, aufgrund derer sie sich für den Rest ihres Lebens männlicher Aufmerksamkeit sicher sein konnte. Doch gestern Abend war es anders gewesen. Bisher hatten sie einander vollkommen vertraut, und er wusste, dass sie ihm niemals einen Grund zur Eifersucht geben würde. Aber jetzt nahm der Gedanke, dass sie nach der Scheidung ihr Leben mit einem anderen Mann weiterleben könnte, konkrete Formen an. Und das hatte Henri bis ins Mark getroffen. Er neigte wirklich nicht zur Eifersucht. Aber er war nicht bereit, ihre Ehe zu beenden und tatenlos dabei zuzusehen, wie Fiona sich mit einem anderen Mann einließ.

Ohne dass er sich dessen bewusst war, trugen ihn seine Füße die Treppe hinauf zu Fionas Zimmer.

Die Tür stand weit offen. Das verblüffte ihn. So etwas war noch nie vorgekommen. Fiona schloss in letzter Zeit ihre Tür geradezu mit Nachdruck, als ob sie ihn damit auch aus ihrem Leben ausschließen wollte.

Also, warum stand diese Tür offen?

Eine Lampe in ihrem Schlafzimmer tauchte den Flur in weiches, warmes Licht. Neugierig spähte er in den Raum.

Fiona lag zusammengerollt auf der Sitzbank am Fußende des Bettes. Das glitzernde Taillenband ihres Abendkleides hob und senkte sich im Rhythmus ihrer Atemzüge. Ihre Schuhe hatte sie offenbar auf den Boden geworfen.

Einen Moment lang dachte er, sie würde schlafen. Aber dann wurde ihm klar, dass er sich getäuscht hatte.

Fiona weinte.

Beschützerinstinkt wallte in ihm auf. Fiona verhielt sich dieser Tage so sachlich und rational, dass dieser Gefühlsausbruch in fast überwältigte. Verdammt, er wollte sie so nicht sehen. Das verursachte bei ihm ein Gefühl der Hilflosigkeit, und damit hatte er schon immer große Probleme gehabt.

„Fiona?“ Vorsichtig betrat er den Raum.

Sie fuhr auf und rieb sich die Tränen vom Gesicht. Ihre Wimperntusche war so verschmiert, dass sie bis zum Haaransatz reichte. „Ich brauche keine Hilfe mit dem Reißverschluss.“

„Ich war auf dem Weg in mein Zimmer und habe dich gehört.“ Er trat näher. „Geht es dir gut?“

„Nein, ganz und gar nicht“, antwortete sie mit zitternder Stimme und stellte die nackten Füße auf den Boden.

Irgendetwas stimmte heute mit ihr nicht. Sie zeigte so viel Verletzlichkeit und war ihm gegenüber so offen wie seit einem Jahr nicht mehr. Das bedeutete vielleicht, dass in ihrer Beziehung noch etwas zu retten war.

Zum ersten Mal seit Langem redeten sie wirklich miteinander. Er würde nicht zulassen, dass dieses Fenster sich schloss. Wer konnte wissen, wann sich ihm das nächste Mal die Gelegenheit eröffnete zu ergründen, was in Fiona vorging. Er wusste nicht, wohin sie ihr Weg führte, aber er war nicht bereit, so einfach aufzugeben.

„Es wird immer schwieriger, den Leuten vorzuspielen, zwischen uns wäre alles in Ordnung. Das verstehe ich. Und deswegen bist du so außer dir, nicht wahr?“

„Ja, natürlich“, antwortete sie viel zu schnell.

„Warum habe ich Probleme, dir das zu glauben?“ Er ging zum Kamin und lehnte sich gegen das Sims. „Früher haben wir einander bedingungslos vertraut.“

„Vertrauen fällt nicht schwer, wenn man einander kaum kennt und nur an der Oberfläche lebt.“ Es klang, als würde sie einen auswendig gelernten Text aufsagen.

„Du wirst mir das erklären müssen, weil ich immer noch nicht begriffen habe, was zwischen uns schiefgelaufen ist.“

Sie seufzte und strich ihr Kleid glatt. „Wir haben vergessen, über die wichtigen Dinge zu sprechen. Zum Beispiel, was wir tun werden, wenn wir keine Kinder bekommen können. Was uns verbindet außer sehr viel Sex und der Wunsch, sich fortzupflanzen.“

Er ließ sich ihre Erklärung gründlich durch den Kopf gehen, und versuchte, Fiona in ihrer Gesamtheit zu verstehen. Ihre Worte, den Klang ihrer Stimme, ihre Körpersprache und vor allem die nervösen Signale, die er allenthalben empfing. „Willst du damit sagen, wir hätten nur Sex gehabt, um Nachwuchs zu zeugen? Verweigerst du mir deswegen seit der Operation die ehelichen Freuden?“ Er grinste, obwohl ihm nicht danach zumute war.

Nach dem Gentest hatte der Arzt Fiona dringend angeraten, sich neben den Brüsten auch die Gebärmutter entfernen zu lassen. Ihr war diese Entscheidung sehr schwergefallen, doch schließlich hatte sie sich dazu durchgerungen. Verständlicherweise konnte Henri nicht im Entferntesten nachempfinden, was der Verlust der Fruchtbarkeit für Fiona bedeuten mochte, doch er empfand große Trauer darüber, dass sie nun niemals ein gemeinsames Kind haben würden. Das Entscheidende für ihn war aber, dass ihm vor allem an einer gesunden und lebendigen Fiona lag.

„Du weißt, dass ich immer für dich da bin. Egal, um was es auch gehen mag. Und solange du mich brauchst, werde ich dich nicht verlassen.“

Ihre Miene war verschlossen, und ihre Gefühle ließen sich nicht einmal mehr erahnen. „Wir haben bereits über dieses Thema gesprochen. Ohne Kinder gibt es nichts, was uns zusammenhalten könnte.“

Nichts außer ihrer Leidenschaft füreinander und den gemeinsamen Interessen. Ihrem gemeinsamen Leben. Wie konnte sie das alles einfach so ignorieren? „Bist du immer noch strikt gegen eine Adoption?“ Er hatte ihren Standpunkt nie verstanden, weil ihr eigener Vater adoptiert worden war.

„Ich bin gegen einen Mann, der nur der Kinder wegen bei mir bleibt oder aus Mitleid. Oder weil er denkt, dass ich bald sterbe.“ Sie stand auf und hob das Kinn. „Können wir diese sinnlose Diskussion jetzt bitte beenden?“

War es das, was sie dachte? Dass er wegen ihres Krebsgens bei ihr blieb? Vor ihrer Operation war von Scheidung nie die Rede gewesen. Und nun schaltete sie bei diesem Thema auf stur.

Niemals würde er eine Frau verlassen, die an einer tödlichen Krankheit litt. Aber ihre Beziehung war doch viel komplexer als das. Er verließ seinen Platz beim Kamin und stellte sich vor sie.

„Du sagst doch immer, wir würden nicht genug miteinander reden. Lass es uns jetzt tun. Lass uns reden.“

Er wollte mit ihr reden, sie verstehen, ihre Stimme hören. Selbst mit dem verschmierten Make-up, den vom Weinen geröteten Augen und den zerzausten Haaren war sie wunderschön und begehrenswert. Ihr Körper strahlte eine Wärme aus, die ihm vertraut war und berauschend zugleich. Er wollte sie wie keine Frau zuvor. Weder das Krebsgen noch ihr Unvermögen, Kinder zu bekommen, spielten dabei eine Rolle. Zu gern hätte er sie zum Bett getragen und ihren Körper aufs Neue entdeckt.

Zu ihrem gemeinsamen Ehebett, bevor sie ihn nach ihrer Operation in eines der Gästezimmer verbannt hatte. Zuerst hatte er das sogar verstanden. Sie litt Schmerzen, und die Operationswunden mussten verheilen. Das Risiko, dass er sie im Schlaf vielleicht versehentlich verletzte, war zu groß. Aber dann verging immer mehr Zeit, ohne dass sie die Regel der getrennten Schlafzimmer wieder aufgehoben hatte. Er hatte angesichts ihrer angeschlagenen Konstitution zu viel Angst gehabt, das Falsche zu tun oder zu sagen, um Einwände zu erheben. So war aus der Übergangslösung eine ständige Einrichtung geworden. Und jetzt waren die Anwälte kurz davor, die Scheidungspapiere aufzusetzen.

Er hatte es satt, immer nur vergeblich darauf zu warten, dass die Situation sich von alleine besserte. Er war ein Mann der Tat.

Fiona zuckte mit den Schultern. „Reden wird nichts an unserer Scheidung ändern. Mach dir da nur keine Illusionen.“

„Dann lass uns reden, damit wir uns friedlich trennen können.“ Wenn er sie zum Reden brachte, schuf er damit ein Stück Gemeinsamkeit. Und solange sie miteinander sprachen, waren sie zusammen. Alles war besser, als vor ihrer geschlossenen Tür zu stehen.

Sie biss sich auf die Unterlippe, bevor sie zögernd nickte. „Einverstanden.“

Er setzte sich auf die Bettbank, nahm sie bei der Hand, um sie behutsam neben sich zu ziehen. Sie widerstand einen Moment, ließ sich dann aber langsam nieder. Er rückte ein Stück zur Seite, sodass sie auf seinem Schoß landete.

„Das ist unfair“, protestierte sie.

„Dann setz dich weg.“

Unentschlossenheit zeichnete sich auf ihrem herzförmigen Gesicht ab. Dann loderte etwas in ihren Augen auf. Ihr ganz eigenes Feuer. Sie wand sich kurz hin und her, um es sich auf seinem Schoß bequem zu machen, und verursachte ihm damit ein pochendes Ziehen der Leistengegend.

Das ist auch unfair“, sagte er mit belegter Stimme und hob die Augenbrauen.

„Ich dachte, du wolltest reden.“

„Das wollte ich auch. Aber dank deiner Bemühungen kann ich im Moment nicht mal klar denken.“ Er strich mit einer Fingerspitze über ihre Lippen. „Ich versuche mein Bestes. Wir könnten damit anfangen, dass du mir erzählst, warum du geweint hast. Ich meine den wirklichen Grund.“

Sie senkte den Blick. „Gestern Abend habe ich deinen Großvater besucht. Es macht mich traurig zu sehen, wie er dahinschwindet.“ Sie legte den Kopf an seine Brust und stieß einen tiefen Seufzer aus.

Henri nickte verständnisvoll. Grandpa Leon und Fiona standen sich sehr nah. „Mir geht es ähnlich. Es ist hart, dabei zusehen zu müssen. Ich mag gar nicht daran denken. Und er fehlt mir jetzt schon.“ Er zog sie näher zu sich, und sie legte ihm die Arme um den Hals. Zärtlich streichelte er ihr dunkles, seidiges Haar. Das hatte er vermisst. Ihr so nah zu sein. Sie zu spüren. „Bringst du es wirklich über dich, diese Familie zu verlassen? Meine Brüder, Adelaide … alle?“

Fiona regte sich nicht. Mit den Fingerspitzen strich sie über seinen Nacken. Köstliche kleine Schauer liefen ihm über den Rücken. Er ließ eine Hand seitlich über den weichen Stoff ihres Abendkleides gleiten und wünschte sich, es wäre Fionas nackte Haut. Der betörende Duft ihres Parfüms tat ein Übriges. Keiner von ihnen sagte ein Wort.

„Vielleicht können sie mich ja trotz der Scheidung noch leiden“, flüsterte sie nach einer Weile.

„Natürlich tun sie das.“ Es war unmöglich, Fiona nicht zu mögen.

„Aber es könnte peinlich werden. Besonders für dich und deine neue Frau.“

Bei diesen Worten zog sich etwas in ihm schmerzhaft zusammen. Seit er Fiona kannte, hatte er keine andere angesehen. „Du siehst mich schon in einer neuen Beziehung mit einer anderen Frau? Findest du das nicht ein bisschen gefühllos?“

„Ich denke mir, die Frauen werden dich umschwärmen, sobald du wieder frei bist.“

Ihr Gesicht war ganz nah bei seinem. Ihr Mund nur Zentimeter von seinem entfernt. Er spürte ihren Atem auf seinen Lippen. „Aber ich will nur dich.“ Er beugte sich vor, legte einen Finger unter ihr Kinn, und dann küsste er sie voller Leidenschaft.

Der vertraute Geschmack ihrer Lippen erweckte ein tiefes Verlangen in ihm. Er kannte ihren Körper genauso gut wie sie seinen. Und sie kannten ihre Vorlieben und Bedürfnisse. Er wusste, welche Stelle hinter ihrem Ohr er streicheln musste, um sie zum Schnurren zu bringen.

Fiona erwiderte seinen Kuss und drängte sich ihm entgegen. Sie vergrub die Finger in seinem Haar und umklammerte dann voller Begierde seine Schultern.

Er strich ihr über den Rücken und wünschte sich erneut, statt des seidigen Stoffes ihre zarte Haut unter den Fingern zu spüren. Er hatte es sich einmal zur Aufgabe gemacht, diese Haut Zentimeter für Zentimeter zu erkunden.

Er bahnte sich mit den Händen den Weg zu ihren Hüften und presste Fiona an sich. Der Druck ihrer runden Pobacken gegen seine Erektion verstärkte das fast schmerzhafte Pochen dort. Spielerisch knabberte er an ihrem Ohrläppchen und küsste dann die empfindliche Stelle hinter ihrem Ohr. Fiona legte den Kopf in den Nacken und stöhnte leise auf. So ermuntert wurde Henri wagemutiger, bedeckte ihren Hals mit Küssen und raffte mit einer Hand ihr langes Kleid nach oben.

Doch so schnell, wie das erotische Zwischenspiel begonnen hatte, war es auch schon vorbei. Fiona wich zurück, glitt von seinem Schoß und stand auf. Mit zitternden Händen strich sie ihr Kleid glatt.

Was, zur Hölle, war denn auf einmal los? Er versuchte, einen klaren Gedanken zu fassen, hörte jedoch nur sein eigenes Blut in den Ohren rauschen.

Sie blickte ihn an. Verwirrung stand in ihren Augen. „Du musst jetzt gehen. Wir sehen uns morgen früh.“

Trotz seiner Benommenheit war eines ihm klar. Es wäre absolut sinnlos, in diesem Moment Einwände zu erheben.

Unruhig warf Fiona sich im Bett herum. Sie war gefangen in der zwielichtigen Zone zwischen Albtraum und halb Wachsein. In einem entfernten Winkel ihres Bewusstseins war ihr klar, dass sie träumte und dass der Traum ein Ende haben würde, wenn es ihr nur gelänge aufzuwachen. Doch sie war nicht in der Lage, sich selbst aus dem ihr überaus realistisch vorkommenden Traum zu befreien.

Im Nebel des Traums öffnete Fiona eine Tür in ihrem Elternhaus, durchquerte die Küche und gelangte schließlich ins Wohnzimmer. Ihr Vater, ein würdevoll aussehender Mann mit ergrautem Haar, saß dort in einem Sessel, eine Zeitung in den Händen.

Irgendetwas stimmte nicht. Fiona konnte es am Rascheln der Seiten in den zitternden Händen ihres Vaters hören. Und sie sah es, als ihre Blicke sich über dem oberen Rand der Zeitung begegneten.

„Dad?“, fragte sie mit der Stimme eines kleinen Mädchens.

Doch er schüttelte nur den Kopf und presste die Lippen zusammen, als kostete es unmenschliche Anstrengungen, die Worte zurückzuhalten. Sie bekam Panik, sie musste ihre Mutter finden.

Sie drehte sich und begann, durch das dreistöckige Haus zu wandern. Auf der Suche nach ihrer Mutter öffnete sie alle Türen. Aber da waren nur Schatten, die ihr mit seltsam verzerrten Händen zuwinkten und dann verschwanden. Immer und immer wieder.

Schließlich kam sie zur letzten Tür, voller Hoffnung, dass sie ihre Mutter dahinter finden würde, eine gertenschlanke Frau, die ganz in ihrer gesellschaftlichen Rolle aufging, ständig mit der Organisation von Partys und Veranstaltungen beschäftigt war und sehr wenig Zeit hatte. So wenig Zeit, dass Fiona während der Woche ein Internat besuchte, damit sie nicht im Wege war.

An ihren Wochenenden zu Hause konnte ihre Mutter ebenfalls kaum Zeit mit Fiona verbringen. Fionas Erinnerungen an sie waren dünn gesät.

Sie öffnete also die allerletzte Tür. Sie führte in den Garten, in dem ihre Mutter rauschende Feste veranstaltet hatte. Die Türklinke entglitt Fionas Hand, und die Tür schlug gegen die Wand. So schnell und hart, dass Fiona zurückspringen musste.

Draußen schwebten weiße, rote und rosafarbene Blütenblätter durch die Luft, von Azaleen, Hortensien und Magnolien. Sie wirbelten dicht bei dicht durcheinander, sodass Fiona nicht hindurchsehen konnte. Ihre Mutter musste sich irgendwo dahinter verbergen.

Fiona ging weiter mitten in den Wirbelsturm hinein. Die Blütenblätter berührten ihren Körper und schnitten dabei in ihre Haut. Sie hinterließen Narben an Körper und Seele.

Je weiter sie vordrang, desto tiefer sickerte die Erkenntnis durch diese Schnittwunden. In Fiona wuchs eine traurige Gewissheit. Ihre Mutter hatte sie verlassen. Der krebsverseuchte Wirbelsturm hatte sie mit sich genommen, ebenso ihre Tante und auch ihre Großmutter. Fiona war allein zurückgeblieben. Die Welt drehte sich im Kreis. Sie hörte nur noch das Rauschen der Blütenblätter, das Rascheln des Zeitungspapiers und ihren eigenen heiseren Schrei der Verleugnung.

Sie spürte Feuchtigkeit auf ihren Wangen. Tränen? Oder Regentropfen? Das wusste sie nicht. Doch es spielte auch keine Rolle, weil nichts an ihrem Verlust und ihrem Kummer etwas ändern konnte.

Der Garten ihres Elternhauses verwandelte sich in den Garten des Hauses, in dem sie mit Henri wohnte. Großvater Leon saß dort auf einem Stuhl, und seine schwindenden Erinnerungen färbten den Wirbelwind allmählich schwarz. Es wurde Nacht. Gleichgültig, wie viel Zeit auch verstrich, Fiona spürte unvermindert den Schmerz von all den Verlusten.

Sie hatte ihre Mutter früh verloren, und nachdem auch ihre Tante und Großmutter gestorben waren, gab es kein mütterliches Vorbild mehr, das sie durch ihre krisengeschüttelte Ehe hätte führen können. Hoffnungslosigkeit machte sich in Fiona breit. Und als die Dunkelheit in dem windgepeitschten Garten unerträglich wurde, befreite sie sich schließlich aus der Umklammerung des Traums und schlug die Augen auf.

Es dauerte einen Moment, bis sie ihre Fassung wiedererlangt hatte und wusste, wo sie sich befand.

Nicht einmal im Schlaf fand sie Frieden.

Sie holte tief Atem und überlegte, ob sie sich vielleicht einmal wieder bei ihrem Vater melden sollte. Sie hatten sich nie nahegestanden, und es war eine Weile her, dass sie miteinander gesprochen hatten. Doch der Albtraum hatte sie zutiefst verstört, der enorme Druck ihrer derzeitigen Situation gewann Oberhand, und sie vergaß diesen Gedanken wieder.

Sie musste Henri verlassen. Je früher, desto besser. Sie musste sich selbst vor dem Schmerz bewahren, dass er nur aus Mitleid bei ihr blieb. Aber sie musste auch ihn davor bewahren, ihr beim Sterben zuzusehen, falls es zum Schlimmsten kommen sollte.

Seit dem Tod ihrer Mutter war ihr Vater ein gebrochener Mann. Und obwohl es zwischen ihr und Henri Probleme gab, bedeutete er ihr noch sehr viel. Sie wollte ihm Kummer und Schmerz ersparen.

Es war bestimmt am besten, so schnell wie möglich zu gehen.

Ein Dauerlauf am Morgen war für Henri schon immer der beste Weg gewesen, einen klaren Kopf zu bekommen. Und den brauchte er nach der vergangenen Nacht.

Ihm stand immer noch der Schweiß im Nacken, als er in die Einfahrt zu Fionas und seinem Haus einbog. Er hatte das Fenster geöffnet, doch trotz des Fahrtwindes entging ihm nicht, dass er dringend eine Dusche brauchte. Er war ins Trainingscenter der Hurricanes gefahren und war so schnell und weit gelaufen wie seit Wochen nicht. Etwas hatte seine Schritte beflügelt. Etwas, das sich anfühlte wie Hoffnung. Deshalb war er auch so schnell nach Hause zurückgekehrt. Er wollte wieder da sein, bevor Fiona aufwachte. Er hatte sich nicht lange mit Duschen aufgehalten, sondern nur seine verschwitzten Laufsachen mit einem sauberen T-Shirt und Shorts vertauscht.

Er wusste genau, dass er sich auf das bevorstehende Heimspiel der Hurricanes konzentrieren sollte. Es war ein wichtiges Spiel, denn sie hatten eine gute Saison, und die Meisterschaft war in greifbare Nähe gerückt. Aber wegen der Probleme in seinem Privatleben hatte er den Kopf dafür nicht frei.

Henri stieg aus dem Wagen und winkte den beiden Sicherheitsleuten zu, die gerade Dienst schoben. Die beiden unauffälligen, aber durchtrainierten Männer antworteten mit einem kurzen Nicken.

Während Henri zum Hintereingang ging, kreisten seine Gedanken unablässig um Fiona. Da war immer noch etwas zwischen ihnen. Der Kuss war der beste Beweis dafür. Da war Leidenschaft gewesen, sowohl bei ihm als auch bei ihr. Fiona in den Armen zu halten, hatte sich richtig angefühlt, natürlich und normal. Wenn sie doch nur einsehen wollte, wie perfekt sie zueinander passten. Vielleicht würde sie das in sein Bett zurückbringen. Und zu ihm.

Er fand Fiona in der Küche. Sie war mit der Zubereitung des Frühstücks beschäftigt, und es duftete verlockend nach in Butter karamellisiertem Zucker. Ihre seidigen Locken waren achtlos zu einem lockeren Knoten hochgesteckt. Ihre Pyjamashorts enthüllte mehr als sie verbarg. Bei ihrem Anblick beschleunigte sich Henris Pulsschlag. Sie blickte über die Schulter und warf ihm ein kurzes Lächeln zu. Sonnenlicht durchflutete den Raum.

Er wollte Fiona so sehr wie noch nie zuvor. Doch wie konnte er sie davon überzeugen, wieder zu dem zurückzukehren, was sie einst hatten?

„Du musst für mich kein Frühstück machen. Ich habe dich nicht wegen deines Aussehens und deiner kulinarischen Fähigkeiten geheiratet.“

Sein Blick fiel auf eine Glasschüssel mit frischen Blaubeeren. Er drängte sich an Fiona vorbei, nahm eine der Beeren und warf sie hoch, um sie mit dem Mund aufzufangen. Vielleicht war das ein guter Anfang. Sie waren immer am besten miteinander ausgekommen, wenn sie den Dingen eine entspannte, humorvolle Note gaben.

Im ersten Moment wirkte sie verärgert. Und sah dabei unerhört sexy aus.

Dann wandte sie den Blick ab. „Es macht mir Spaß. Ich koche gern. Und schließlich muss ich herausfinden, was ich mit meinem Leben anfangen will.“

„Wenn du wirklich auf der Scheidung bestehst, dann werde ich für dich sorgen. Das weißt du genau.“ Er hatte nie etwas anderes gewollt, als für sie zu sorgen. Dabei spielte es keine Rolle, ob sie verheiratet waren oder nicht.

Sie stellte einen Teller auf die Kücheninsel und bedeutete Henri mit einer Geste, sich hinzusetzen. Er folgte ihrer Aufforderung und betrachtete das Ergebnis ihrer Mühen. Eine wunderbar dünne Crêpe, gefüllt mit karamellisierten Früchten, und ein Proteinshake warteten schon auf ihn.

„Iss dein Frühstück und hör auf zu schwafeln, sonst schütte ich Cayennepfeffer in deinen Shake“, drohte sie, stellte ihren eigenen Teller und die Blaubeeren auf die Kücheninsel und nahm gleichfalls Platz.

„Nimmst du es mir übel, wenn ich dir eine großzügige Vereinbarung in Sachen Unterhaltszahlungen in Aussicht stelle?“

„Ich weiß dein Angebot zu schätzen. Es war nur dein Gerede davon, für mich zu sorgen. Als ob ich ein kleines Kind wäre. Das hat mich geärgert.“

„Du bist weit davon entfernt, ein kleines Kind zu sein. Glaub mir, das habe ich begriffen.“ Er nahm sich einen Löffel Beeren aus der Schüssel, schob sie in den Mund und genoss ihre süß-sauren Aromen, als sie durch den Druck seiner Zunge gegen den Gaumen zerplatzten.

„Ich habe einen Studienabschluss.“

Henri nickte. „Ich weiß. Und du hast deine Karriere geopfert, damit du mich zu den Auswärtsspielen begleiten kannst. Ich dachte, unsere gemeinsamen Reisen hätten dir Spaß gemacht.“

Drohend hielt sie die Streudose mit dem Cayennepfeffer hoch.

Er grinste, brachte seinen Shake in Sicherheit und knuffte Fiona auf die Schulter. „Wie wäre es mit einem Themenwechsel?“

„Vielen Dank“, erwiderte sie und stellte die Dose wieder hin. „Und jetzt iss, bevor es kalt wird.“

Er deutete auf die Blaubeeren. „Die sind wirklich köstlich.“

„Ich habe sie noch gar nicht probiert.“ Fiona wollte nach der Schüssel greifen, doch er schnappte sie ihr vor der Nase weg.

Ein laszives Lächeln umspielte seine Mundwinkel, als er eine besonders große Beere aussuchte und sie Fiona betont langsam in den Mund schob. Als ihre Lippen seine Fingerspitze umschlossen, erfüllte ihn das mit heftigem Verlangen. Ihr schien es ähnlich zu gehen.

„Dieser Kuss letzte Nacht …“

Sie verschluckte sich und musste husten. „Versuchst du mich zu ersticken, damit du die Unterhaltszahlungen sparst?“, fragte sie, nachdem sie sich mehrfach geräuspert hatte.

„Das ist nicht witzig. Überhaupt nicht.“

„Du hast recht. Bitte entschuldige den schlechten Scherz. Ich bin ein bisschen nervös.“

„Schon gut. Danke für das Frühstück. Wir hatten ein paar unglaubliche Mahlzeiten zusammen, du und ich. Es wird mir fehlen, mit dir zusammen zu essen.“

Autor

Catherine Mann
<p>Bestsellerautorin Catherine Mann schreibt zeitgenössische Liebesromane, die im militärischen Milieu spielen. Ihr Mann, der bei der US Air Force arbeitet, versorgt sie mit allen nötigen Informationen, sodass sie keine Recherche betreiben muss. In der Zeit vor ihren Romanveröffentlichungen machte sie ihren Bachelor in Bildender Kunst auf dem College von Charleston...
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