Collection Baccara Band 388

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DU BIST DIE SCHÖNSTE FÜR MICH von EVANS, HARMONY
Schönheitschirurg Anthony Marbet ist hingerissen: Von den Entwürfen für seine neue Klinik, aber vor allem von Architektin Liza. Doch die hält ihn für oberflächlich - weil er die Reichen und Schönen operiert. Kann er sie trotzdem von seinen tiefen Gefühlen überzeugen?

HEIßE KÜSSE VOM BOSS von WHITEFEATHER, SHERI
Sie hat sein Geld unterschlagen und saß deswegen im Gefängnis. Jetzt bekommt Meagan von Milliardär Garrett Snow eine zweite Chance: als Pferdepflegerin in seinem Luxus-Resort. Diesmal will sie alles richtig machen - wenn nur die Gefühle für ihren Boss nicht wären …

LEIDENSCHAFT IN DUNKLER NACHT von BEVARLY, ELIZABETH
Gerade sagt ihm die sexy Rechtsanwältin, er sei der Enkel eines Mafiabosses, da muss Milliardär Tate Hawthorne auch schon gemeinsam mit ihr untertauchen: Sein Zeugenschutz ist aufgeflogen. Auf der Flucht verliebt er sich in die schöne Renny - aber sie verbirgt etwas vor ihm …


  • Erscheinungstag 02.01.2018
  • Bandnummer 0388
  • ISBN / Artikelnummer 9783733724917
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Harmony Evans, Sheri WhiteFeather, Elizabeth Bevarly

COLLECTION BACCARA BAND 388

HARMONY EVANS

Du bist die Schönste für mich

Liza will nur eins: Den Star-Chirurgen Anthony Marbet mit ihren Entwürfen für seine neue Klinik begeistern. Dann trifft sie ihn persönlich – und verliert auf der Stelle ihr Herz an den attraktiven Arzt. Doch Arbeit und Privates zu vermischen hält sie für keine gute Idee – und den Auftrag will sie unbedingt. Wenn Anthony nur nicht so verdammt sexy wäre …

SHERI WHITEFEATHER

Heiße Küsse vom Boss

Milliardär Garrett Snow kann es selbst kaum glauben. Warum gibt er ausgerechnet Meagan den Job als Pferdepflegerin in seinem Luxus-Resort? Schließlich hat sie ihn betrogen und dafür im Gefängnis gesessen. Irgendetwas an dieser Frau zieht ihn unwiderstehlich an – auch wenn ihre Liebe keine Chance hat. Denn wie können sie die Vergangenheit je hinter sich lassen?

ELIZABETH BEVARLY

Leidenschaft in dunkler Nacht

Eigentlich soll Rechtsanwältin Renny Twigg den Milliardär Tate Hawthorne nur über seine Herkunft aufklären: Er ist der Enkel eines Mafiabosses und dessen einziger Erbe. Stattdessen muss sie mit dem Herzensbrecher untertauchen – denn sein Zeugenschutz ist aufgeflogen. In ihrem Versteck verbringt sie ein paar heiße Nächte mit ihm. Das bleibt nicht ohne Folgen …

1. KAPITEL

„Es tut mir leid, aber ich kann Sie nicht empfangen.“

Liza Sinclair biss sich vor Schreck auf die Zunge und starrte den attraktiven Arzt vor ihr an. Er verschränkte die Arme vor der Brust und baute sich in der Tür auf, als würde er den Eingang zu einem exklusiven Club versperren.

Hätte sie ihn tatsächlich in einem Club getroffen, wäre sie von seiner Größe und seinem Auftreten beeindruckt gewesen. Sein weißer, ordentlich gebügelter Arztkittel konnte seine athletische Figur nicht verbergen, sondern schien sie noch auf verwirrende Weise zu betonen. Obwohl das winzige Grübchen an seinem Kinn ihm einen Hauch von Verspieltheit verlieh, war sein grimmiger Gesichtsausdruck alles andere als einladend. Und in seiner Haltung Marke „Schlägertyp“ wirkte er zwar abschreckend, aber nicht unbesiegbar.

Liza atmete ein. Sie würde es diesem Mann nicht gestatten, ihre Welt um sieben Uhr morgens auf den Kopf zu stellen.

Für wen hält der Typ sich eigentlich?

„Aber wir haben einen Termin.“ Liza bemühte sich, freundlich zu klingen. Sie war zu weit gekommen, um jetzt aufzugeben.

Eine Gruppe Schwestern lief plaudernd und lachend an ihr vorbei und wäre in dem schmalen Flur der Allgemeinchirurgie des Gemeindekrankenhauses von Bay Point fast mit ihr zusammengestoßen. Liza wandte leicht ungehalten den Kopf und enthüllte dabei unbeabsichtigt die Narbe, die an ihrem rechten Ohrläppchen ansetzte und am Ansatz ihres Kiefers endete. Auch wenn sie nicht breiter als ein Faden und nur zweieinhalb Zentimeter lang war, fühlte sie sich deswegen immer ziemlich gehemmt, besonders in Gegenwart Fremder.

Sie bezwang den Drang, sie mit der Hand zu verdecken. Während der Jahre hatte sie gelernt, dass die Narbe irgendwann zu sehen war, auch wenn sie wie heute ihr langes Haar offen trug. Sie atmete tief ein und wandte sich wieder Dr. Marbet zu, wobei sie ihr Kinn etwas senkte, in der Hoffnung, dass er nichts bemerkt hatte.

Aber es war zu spät. Etwas in dem Ausdruck seiner tiefbraunen Augen hatte sich verändert. Plötzlich röteten sich ihre Wangen, und ihr kam der Gedanke, dass sein Interesse an ihr weniger wissenschaftlicher, sondern vielmehr körperlicher Natur sein könnte. Doch das konnte nicht sein.

Er hält mich für eine Patientin.

„Sie wissen schon, wer ich bin, oder?“

Seine Lippen verzogen sich zu einem schwachen Lächeln. „Natürlich, Ms. Sinclair. Aber das ändert nichts an der Tatsache, dass ich meine Meinung geändert habe.“

Liza starrte den Mann an, der noch in ihrem Telefongespräch vor ein paar Tagen so interessiert daran gewesen war, sich mit ihr zu treffen. Sein Anruf war völlig überraschend gekommen. Aber als er ihr seine Pläne für eine Schönheitschirurgiepraxis eröffnete, war sie von der Möglichkeit begeistert gewesen, ein Gebäude von Grund auf selbst entwerfen zu können.

Obwohl er erst Anfang dreißig war, hatte Dr. Anthony Marbet sich nicht nur in Kalifornien, sondern überall in den USA bereits einen Namen als gefragter Schönheitschirurg gemacht. Sein Geschick, schöne Menschen noch schöner machen zu können, hatte sich auch in der Unterhaltungsbranche herumgesprochen. Sein Ruf war so exzellent, wie seine Preise exorbitant waren.

Liza hatte keine Ahnung, wie er auf sie gekommen war. Aber das tat nichts zur Sache, so begeistert, wie sie von dem Projekt war. Doch jetzt fragte sie sich, ob der Mann Spielchen spielte. Wie konnte es sein, dass er seine Meinung beim ersten Blick auf sie plötzlich geändert hatte? Entschlossen hob sie ihr Kinn. „Darf ich fragen, warum?“

Er sah ihr in die Augen. „Ich habe mich entschieden, eine Firma mit dem Projekt zu beauftragen statt eines freischaffenden Architekten.“

Das kann doch nicht sein Ernst sein!

Liza umklammerte ihre lederne Präsentationsmappe und wünschte, ihr wild klopfendes Herz würde sich beruhigen.

Nach einer umfangreichen Recherche war sie vor über zwei Monaten von Denver, Colorado, nach Bay Point, Kalifornien, gezogen. Die kleine Stadt an der Pazifikküste erfreute sich nach langjährigen sinkenden Bevölkerungszahlen wieder zunehmender Beliebtheit. Viele Menschen zogen gerade hierher, um sich ein neues Leben aufzubauen und neue Unternehmen zu gründen.

Für Liza war es die Gelegenheit, ihr aufstrebendes Eine-Frau-Architekturbüro voranzubringen. Sie hatte gehofft, dass ihr Umzug sich sowohl beruflich als auch finanziell auszahlen würde.

„Sie haben mir noch nicht einmal die Chance gegeben, Ihnen meine Arbeit vorzustellen.“ Niemals würde sie dieses Krankenhaus verlassen, ohne Dr. Marbet ihre Skizzen persönlich gezeigt zu haben.

Er holte tief Luft und zögerte. Eine Ewigkeit verging, in der sein Blick fest auf ihr Gesicht geheftet blieb. Liza fühlte, wie sie dahinschmolz. Trotzdem klammerte sie sich fest an ihre Mappe – wie auch an ihre Träume. Schließlich sah er auf seine goldene Armbanduhr, trat zur Seite und machte eine einladende Geste in den Raum hinein.

„Sie haben fünfzehn Minuten, Ms. Sinclair.“

Liza verkniff sich ein Stirnrunzeln und nickte. Sie hatten die Dauer ihres Termins nicht vereinbart, aber sie war davon ausgegangen, dass sie mehr Zeit bekommen würde, als sie für eine Dusche brauchte. Schnell schlüpfte sie an ihm vorbei, bevor er seine Meinung ändern konnte.

Für das Interview hatte sie ein marineblaues Seidenkleid statt eines Kostüms gewählt. In dem klassischen, ärmellosen Modell fühlte sie sich, als wäre sie mit Geld geboren worden, statt sich dafür abrackern zu müssen. Sie widerstand dem Bedürfnis, in den Raum hineinzustolzieren.

Als ihr bloßer Arm seinen Arztkittel streifte, lief ein heißes Prickeln über ihre Haut. Sie konnte seinen Blick auf ihrem Rücken spüren. Während sie an einem Ledersofa vorbei auf den Besprechungstisch zuging, versuchte sie sich zu entspannen. Die halb zugezogenen Vorhänge dämpften das Licht der einfallenden Morgensonne.

Sie legte ihre Mappe ab und drehte sich gerade um, als Dr. Marbet die Tür schloss. Er fuhr sich mit der Hand über sein kurz geschorenes schwarzes Haar. „Es tut mir leid, wenn ich gerade etwas unhöflich war, aber ich habe einen heftigen OP-Tag vor mir. Das ist natürlich keine Entschuldigung.“

Am Telefon hatte sie sich sofort in seine Stimme verliebt … ruhig und professionell an der Oberfläche und pure Seide darunter. Seine Worte waren tatsächlich keine Entschuldigung, aber sein Tonfall hatte sich stark verändert, und das reichte ihr.

Liza verschränkte die Arme. „Ich kann auch gern ein andermal wiederkommen, wenn es Ihnen dann besser passt.“

Er zog eine Augenbraue hoch, als ob er ihr Angebot überdenken würde, schüttelte dann aber den Kopf. „Nein, jetzt ist mir lieber. Mein Terminkalender ist bis Ende der Woche voll.“

Ihr Herzschlag beschleunigte sich, als er auf sie zutrat und ihr die Hand reichte. „Lassen Sie uns noch einmal von vorn anfangen, in Ordnung?“ Er lächelte nicht, aber sein Händedruck war fest und freundlich.

Sie nickte und entspannte sich ein bisschen. „Sehr gern. Ich verspreche Ihnen, Sie nicht zu lange zu beanspruchen.“

Als er ihre Hand losließ, blieb seine Wärme in ihrer Handfläche zurück.

Dr. Marbet schloss seinen Laptop, wodurch sich die drei Monitore an der Wand hinter ihm nacheinander abschalteten. Liza nahm an, dass sie zur Begutachtung von Röntgenbildern und anderen medizinischen Unterlagen dienten. Als er sich gegen seinen Schreibtisch lehnte, wirkte er lässig und wachsam zugleich.

„Dann lassen Sie uns anfangen. Um 8:30 Uhr habe ich meinen ersten Patienten.“ Er knöpfte seinen Arztkittel auf, unter dem ein blaues Hemd und eine hellgelbe Krawatte zum Vorschein kamen, die an jedem anderen Mann lächerlich extravagant gewirkt hätten. An ihm sahen sie elegant und würdevoll aus.

„Wie ich bereits am Telefon sagte, ist die Eröffnung einer Privatpraxis für Schönheitschirurgie ein lang gehegter Traum von mir. Dieses Projekt ist mir also sehr wichtig. Erzählen Sie mir, an welche meiner Vorstellungen für die Klinik Sie sich noch erinnern.“

Mutig trat Liza auf ihn zu. „Sie möchten, dass Ihre Patienten sich willkommen und wie zu Hause fühlen. Die Architektur ist demnach ein Grundpfeiler für den Erfolg der Klinik.“

Er schob die Hände in die Taschen seines Arztkittels und nickte. „Genau! Wenn meine Patienten die Klinik betreten, sollen Sie sofort spüren, dass sie dort die allerbeste medizinische Versorgung erhalten. Aber das Gebäude sollte auch so gestaltet sein, dass sie eine einzigartige persönliche Erfahrung machen können.“

Liza nickte zustimmend. „Ihre Einrichtung wird die erste dieser Art in Bay Point sein. Warum ist Ihnen das also wichtig?“

Dr. Marbet verschränkte die Arme und strich sich nachdenklich übers Kinn. „In der unmittelbaren Umgebung ist dieses Krankenhaus der einzige Ort, an dem man sich einer Schönheitsoperation oder – behandlung unterziehen kann. Auch wenn dies eine gute Einrichtung ist, bleibt es immer noch ein Krankenhaus.“

Liza lächelte verständnisvoll. „Einschüchternd und unpersönlich. Ein Krankenhaus bietet nicht viel Privatsphäre.“ Sie seufzte und wählte ihre nächsten Worte mit Bedacht. „Ich kann Ihre Sorge in Bezug auf die Einheimischen verstehen, aber Sie haben ja auch viele berühmte Patienten.“

„Wo haben Sie das denn gehört?“

Sie zuckte mit den Schultern. Das regelmäßige Durchstöbern von Klatschseiten im Internet gehörte zu ihren heimlichen Lieblingsbeschäftigungen, doch das würde sie ihm ganz sicher nicht auf die Nase binden. „Man hört so einiges.“

Er rollte mit den Augen und grinste. „In Bay Point wird viel getratscht. Manches stimmt, anderes nicht. Aber, ja, einige meiner Patienten sind ausgesprochen bekannt in den Medien.“

„Und von diesen Patienten möchten Sie mehr.“

Dr. Marbet nickte, als ob die Antwort offensichtlich sei. „Plastische und kosmetische Chirurgie ist meist nicht das Ergebnis von Verletzungen und wird von den normalen Versicherungen nicht bezahlt. Wohlhabendere Kunden können sich diese Behandlung eher leisten. In einer Privatklinik werde ich so einige Ausgaben haben. Die mangelnde Privatsphäre hier im Krankenhaus ist ein Problem und schreckt viele potenzielle Kunden ab.“

Liza trat noch etwas näher, achtete aber auf eine respektvolle Distanz. Sie musste wissen, ob es noch einen anderen Grund gab, warum er diese Praxis aufbauen wollte. Etwas Tiefergehendes. Einen anderen Grund, als nur Geld zu verdienen.

„Sind Sie glücklich?“

Seine Augen verengten sich, und sie fürchtete, dass ihre Frage zu persönlich war. Doch sie musste es einfach wissen.

„Sie meinen hier im Krankenhaus?“

Liza nickte. Ihre Neugier auf Dr. Marbet beschränkte sich zwar nicht auf seine Meinung über seinen Arbeitsplatz, aber es war ein Anfang.

„Ich bin seit über sechs Jahren in der Bay Point Community tätig. Die medizinischen Vorteile und geregelten Arbeitszeiten sind definitiv ein Plus“, antwortete er mit einem ironischen Lächeln. „Aber es gibt auch genügend Nachteile. Deshalb finde ich, dass ich es allein versuchen sollte.“ Er seufzte tief, als würde eine große Last auf seinen Schultern liegen.

Liza verschränkte ihre Hände ineinander und lächelte. Sie hatten also etwas gemeinsam.

„Ich verstehe. Mein eigener Boss zu sein war einer der Gründe, warum ich mich selbstständig gemacht habe. So muss ich niemandem Rechenschaft ablegen, außer der Perfektionistin in mir.“

Niemand, dem sie die Schuld geben konnte, wenn sie versagte, aber auch niemand, mit dem sie ihren Erfolg feiern konnte. Sie war schon so lange Single, dass sie sich praktisch selbst überzeugt hatte, niemanden mehr zu brauchen. Das Einzige, was ihr jetzt noch fehlte, war dieser Auftrag.

„Dr. Marbet, ich kann Ihnen versichern, dass Sie Ihren Traum mit meiner Hilfe Wirklichkeit werden lassen können.“

Er warf ihr einen prüfenden Blick zu. „Mit Ihnen und der Perfektionistin in Ihnen?“

Der neckende Tonfall seiner Stimme ermutigte sie. Zum ersten Mal fühlte sie, dass sie seine volle Aufmerksamkeit hatte.

„Warum halten Sie sich für qualifiziert, meine Klinik zu entwerfen … außer der Tatsache, dass laut Ihrer Website Artikel in ‚Architectural Digest‘ und ‚House Beautiful‘ über Sie erschienen sind?“

„Warum zeige ich es Ihnen nicht einfach?“

Dr. Marbet zog eine Augenbraue hoch, und sie traten zusammen an den Konferenztisch. Liza war froh, dass er nicht nach Aftershave roch, was sie hasste, oder nach Desinfektionsmittel, wie sie es von einem Arzt erwartet hätte.

Stattdessen roch er nach Seife. Schlicht, sauber, angenehm und sehr sexy.

So sexy, dass sie gern tief eingeatmet hätte, aber sie war eine Meisterin der Zurückhaltung und Selbstverleugnung. Die Situation war schon heikel genug, ohne dass sie sich benahm, als wäre sie noch nie in der Gesellschaft eines sauber riechenden, gut aussehenden Mannes gewesen, mit dem sie gern mal eine Nacht verbracht hätte. Oder ein ganzes Leben.

Liza öffnete ihre Mappe und breitete ihre besten Arbeiten auf dem Tisch aus. „Das hier sind drei Entwürfe, die ich als Mitglied eines Architektenteams in Denver erstellt habe. Der erste ist für eine Privatschule, die anderen beiden sind für ein Geschäftsgebäude und für ein Restaurant.“

Dr. Marbets Arm streifte ihren, als er auf eine der Skizzen deutete. Die Berührung war völlig harmlos, und trotzdem fing ihre Haut sofort zu prickeln an.

„Ah, das gefällt mir sehr. Das luftige Design und die fast willkürlich angeordneten Innenhöfe der Schule sind mal etwas anderes.“ Sein Blick wanderte über die Skizzen. Sie konnte sehen, wie beeindruckt er war.

„Ich habe sie entworfen, um kleinere Gruppen zu fördern statt einer großen Menge, wie man sie normalerweise auf Schulhöfen sieht.“ Lizas Herz raste angesichts ihrer wachsenden Nervosität. Aber sie musste ruhig bleiben. „Ein Atrium könnte sich auch in Ihrer Klinik gut machen.“

Er nickte. „Vielleicht als Erweiterung des Wartezimmers. Es würde eine friedliche Umgebung für gestresste Patienten schaffen.“

„Wir könnten einen separaten Innenhof anlegen, der Ihren hochkarätigen Kunden vorbehalten wäre.“

Als er sich tiefer über den Tisch beugte, verspürte sie den plötzlichen Drang, ihn zu berühren.

„Die Idee gefällt mir, Liza.“

Als er ihren Namen aussprach, schnappte sie kurz nach Luft.

„Der Entwurf war ursprünglich für einen Kunden in South Carolina gedacht“, sagte sie so, als hätte ihre Welt nicht gerade aufgehört, sich zu drehen. Wenn sie den Auftrag bekam, würde sie sich eh daran gewöhnen müssen, ihre Reaktionen auf ihn zu bändigen. „Sie fanden ihn toll, haben sich dann aber doch für etwas Traditionelleres entschieden.“

Dr. Marbet schenkte ihr ein schräges Lächeln. „Damit meinen Sie bestimmt ‚langweilig‘, oder?“

Sie erwiderte sein Lächeln. Er war also offen für Risiken. Ein gutes Zeichen. Es würde ihr mehr künstlerische Freiheiten ermöglichen. „Die Leute zahlen viel Geld für Architekten, um die Grenzen ihrer Kreativität auszutesten. Es ist wirklich schade, wenn sie aus Angst auf konservative Entwürfe zurückgreifen.“

Er richtete sich auf und wirkte wieder ernst. Lizas Freude verwandelte sich in Besorgnis.

„Die Operationssäle und Patientenzimmer sind allerdings genauso wichtig wie die Ästhetik. Ich will, dass meine Klinik über die neueste Technologie verfügt. Der Entwurf sollte also eine hochmoderne Ausstattung berücksichtigen. Wird er das?“

„Ja, darüber bin ich mir im Klaren. Ich habe Erfahrung in der Planung von Gesundheitseinrichtungen“, versicherte sie ihm. „Die innovative Versorgung und die Zufriedenheit der Patienten stehen dabei immer im Vordergrund.“

Dr. Marbet sah ihr in die Augen. „Wir werden zusammenarbeiten müssen, um sicherzustellen, dass die Räumlichkeiten ausreichend Platz für das entsprechende Equipment bieten.“

Ein plötzlicher, unsichtbarer Funke entzündete sich zwischen ihnen. Mit Dr. Marbet regelmäßig eng zusammenzuarbeiten würde zu einer Herausforderung für ihr Herz werden. Bei seinem guten Aussehen warfen sich ihm wahrscheinlich viele Frauen an den Hals. Liza nahm sich fest vor, keine davon zu sein.

„Ich bin fast rund um die Uhr verfügbar.“

Er gab ein spöttisches Stöhnen von sich. „Sie wissen schon, dass ich manchmal verrückte Arbeitszeiten habe, oder? Noch bin ich nicht mein eigener Herr.“

Liza lachte. „Dann werde ich meinen Terminplan Ihrem anpassen und eine Thermoskanne Kaffee mitbringen.“

Sie deutete auf einen weiteren ihrer Entwürfe. „Dies hier war für ein Start-up in Austin. Sie mochten es sehr, aber leider ging ihnen kurz vor Vertragsabschluss das Geld aus. Nach diesem Fiasko ist uns die Lust auf junge Unternehmen vergangen.“

Dr. Marbet pfiff durch die Zähne. „So etwas sollte man besser im Vorfeld durchkalkulieren.“ Er verschränkte die Arme. „Darüber müssen Sie sich in meinem Fall keine Sorgen machen. Geld ist bei diesem Projekt kein Problem. Ich selbst und ein paar sehr wohlhabende Investoren werden es finanzieren.“

Er deutete auf den letzten Entwurf, auf den Liza besonders stolz war. „Was ist hiermit?“

„Einer meiner Lieblingsentwürfe. Ein ‚Vom-Erzeuger-zum-Verbraucher‘-Restaurant für einen berühmten Koch.“

Er lehnte sich gegen den Tisch. „Was ist aus dem Projekt geworden?“

„Es gab eine Lebensmittelvergiftung in seinem anderen Restaurant. Ein Gast wäre fast daran gestorben. Meine damaligen Arbeitgeber haben sich daraufhin aus dem Projekt zurückgezogen.“

Dr. Marbet verzog das Gesicht. „Das kann ich ihnen nicht verübeln.“

„Ich auch nicht. Die Erfahrung war so schlimm, dass ich beschlossen habe, mich selbstständig zu machen.“

Sein lässiges Grinsen brannte sich tief in ihr Herz.

Er musterte ihre Entwürfe erneut. Als er fertig war, drehte er sich um. Wieder verging eine Ewigkeit.

Dies ist der Moment, in dem du mir sagen wirst, dass ich den Job habe.

Er verschränkte die Arme und nahm wieder seine Schlägertyp-Haltung ein. Lizas Zuversicht kam ins Wanken.

„Ms. Sinclair. Auch wenn Ihre Entwürfe sehr gut sind, ist keiner von ihnen je umgesetzt worden. Es scheint, dass Sie keine wirkliche Erfahrung in diesem Bereich haben.“

Obwohl sein Tonfall nicht unfreundlich wirkte, versetzte er Liza einen Stich. Aber sie würde es nicht persönlich nehmen. Glücklicherweise hatte sie sich auf diesen Moment vorbereitet.

„Seit meiner Unternehmensgründung vor ein paar Jahren konzentriere ich mich auf Wohndesign. Wie Sie aber an meinen Entwürfen sehen, habe ich bei Begley, Stuart und Harris an vielen gewerblichen Projekten mitgearbeitet. Ich habe schnell begriffen, dass beide Gebiete zusammen gut zu Kunden passen, die offen für unkonventionelles Design sind.“

Er starrte sie an, als ob er sie auf irgendeine Weise prüfen wollte. „Wir scheinen eine ähnliche Vision zu haben“, sagte er dann zögernd. „Sie sollten aber wissen, dass ich mich in den nächsten Wochen noch von weiteren Architekturbüros beraten lassen werde.“

Liza wurde schwer ums Herz, und sie fühlte ihre Willenskraft schwinden. Konkurrenz war etwas, das sie zugleich hasste und begrüßte. Sie brannte darauf, die Namen der anderen Firmen zu erfahren, wagte aber nicht, danach zu fragen.

„Ich verstehe. Danke für Ihre Zeit.“ Ihre Stimme hörte sich in ihren Ohren an, als hätte sie Watte in der Kehle. Ablehnung tat immer weh, ob auf persönlicher oder geschäftlicher Ebene. Sie würde sich nie daran gewöhnen.

Liza drehte Dr. Marbet den Rücken zu, stopfte ihre Entwürfe in die Mappe und zog den Reißverschluss zu. Als sie sich wieder umwandte, lag ein neugieriger Ausdruck in seinen Augen. Was dachte er wirklich über sie?

Er brachte sie zur Tür, hielt aber inne, bevor er sie öffnete. „Sie können versuchen es zu verbergen, aber ich merke, dass Sie enttäuscht sind.“

Erschrocken öffnete sie den Mund. Natürlich hatte er recht. Sie wäre lieber mit einem Auftrag aus seinem Büro gegangen als mit leeren Händen.

„Tun Sie das?“ Sie hob eine Augenbraue. „Woran denn?“

Dr. Marbet lachte leise. „Ich bin kein Gedankenleser, aber Gesichter kann ich ziemlich gut lesen. Wenn Sie enttäuscht sind, ziehen Sie Ihre Mundwinkel ein klein wenig nach unten.“

Liza fühlte, wie ihr Gesicht heiß wurde. Hastig hielt sie sich die Hand vor den Mund. „Das stimmt doch gar nicht.“

Er lachte. „Streiten Sie es nur ab, aber ich weiß, dass Sie gedacht haben, Sie seien meine einzige Kandidatin für das Projekt.“

Auch wenn seine Worte schmerzten, war sein Tonfall humorvoll. Spielte er etwa mit ihren Gefühlen?

Liza lächelte und zuckte gleichgültig die Schultern. „Weil ich weiß, dass ich die Beste bin. Und das würde ich Ihnen gern beweisen. Man darf doch hoffen, oder?“

„Keine Sorge.“ Er lächelte und öffnete ihr die Tür. „Ich melde mich. Noch sind Sie nicht aus dem Rennen.“

Noch nicht.

Obwohl ihre Zukunft an einem seidenen Faden hing, fühlte sie sich bei seinen Worten ermutigt. Noch hatte sie eine Chance.

Beim Hinausgehen drehte sie sich noch einmal zu ihm um. Er beobachtete sie. „Vielleicht sollte ich das nicht fragen, aber warum haben Sie mich doch empfangen?“

„Lassen Sie es mich so formulieren: Es war ein Versprechen, das ich einem alten Freund gegeben habe.“

2. KAPITEL

Die Wellen des Pazifiks rollten auf den Sand der Küste von Bay Point, als Anthony kurz nach Sonnenaufgang am Strand entlangjoggte. Nach einer Doppelschicht im Krankenhaus schrien seine Beine nach Bewegung. Der Strand war einer seiner Lieblingsplätze zum Laufen. Und neuerdings auch, um zu entkommen.

Er atmete tief die frische Luft ein, während seine Füße den Sand aufwirbelten. Das Laufen, egal auf welchem Boden, machte seinen Kopf frei und baute den Stress ab, der mit seinem Job als Arzt einherging. Er hatte meist wenig Zeit für sich, deshalb schätzte er diese Momente der Einsamkeit umso mehr. Aber heute war er nicht allein, denn sie beherrschte seine Gedanken.

Liza Sinclair. Die attraktive Architektin hatte ihn mit ihrer Selbstsicherheit, ihren Entwürfen und ihren Kurven mächtig beeindruckt. Und wenn er seit ihrem Treffen die Gelegenheit gehabt hätte zu schlafen, wäre sie wohl auch in seine Träume eingedrungen.

Auf ihrer Website gab es kein Foto von ihr, was er merkwürdig fand. Als er ihr die Tür geöffnet und gesehen hatte, wie schön sie war, wusste er instinktiv, dass er in Schwierigkeiten war.

Lizas reine, mokkafarbene Haut verlieh ihr ein frisches, ansprechendes Aussehen. Sein kritisches Auge erfasste sofort ihre natürliche Schönheit, etwas, wofür seine Patienten Tausende von Dollars ausgaben. Das kurze, sehnsuchtsvolle Aufblitzen in ihren Augen hatte ihn überrascht. Sie war genau die Art Frau, die ihm seine Zeit stehlen konnte … und sein Herz. Es war, als ob sein Leben sich mit einem Schlag verändert hätte. Anthony wusste nicht, was die Zukunft für ihn bereithielt. Außer dass Liza darin eine Rolle spielen sollte.

Zumindest in diesem Moment.

Allerdings konnte er sich Ablenkungen zurzeit nicht leisten. Reumütig erinnerte er sich an seine spontane Entscheidung, den Termin abzublasen. Ihr schönes Gesicht hatte gefasst gewirkt, doch er bemerkte ihre Enttäuschung, als ihre Augen sich verdunkelten.

Schlimmer noch, er hatte sie angelogen. Es stimmte gar nicht, dass er lieber mit einer Firma arbeiten wollte statt mit einer unabhängigen Architektin.

Er blieb stehen und zog die Knie nacheinander zur Brust. Trotz seiner Spitzenform und der diversen Marathons, die er gelaufen war, fühlte er sich heute Morgen, als wäre er nicht einen einzigen Tag in seinem Leben gejoggt. Gähnend zog er sein T-Shirt aus und legte es sich über die Schultern. In weniger als acht Stunden musste er wieder im Krankenhaus sein. Zeit, etwas Schlaf nachzuholen. Falls es ihm gelang, Liza aus seinen Gedanken zu verbannen.

Gerade als er sich umdrehte, brummte sein Handy, das mit einem Armband an seinem Oberarm befestigt war. Er holte es heraus und nahm ab. „Hallo, Fremder“, sagte er gut gelaunt.

„Was hältst du von ihr?“, fragte Doc Z ihn mit lauter Stimme. „Als ich nicht gleich von dir gehört habe, bin ich ganz nervös geworden.“

Dr. Ivan Zander oder Doc Z, wie er allgemein genannt wurde, war einer seiner Lieblingsprofessoren während seines Medizinstudiums gewesen. Die beiden Männer waren über all die Jahre in Verbindung geblieben. Doc Z war nicht nur zu einem guten Freund geworden, sondern war auch einer der Investoren seiner Klinik.

Anthony lachte leise, während er sich auf den Rückweg machte. „Mir kannst du nichts vormachen, Doc. Du hast weder Humor noch einen Hang zur Besorgnis.“

„Weil ich immer meinen Willen bekomme“, erwiderte Doc Z.

Seine Stimme klang arrogant, aber Anthony wusste es besser. Doc hatte sein Leben lang hart gearbeitet, aber nie geheiratet. Jetzt, im Alter von achtundsechzig Jahren, hatte er niemanden, der ihn nachts warm hielt. Er investierte lieber in Aktien und Projekte wie Anthonys statt in Beziehungen.

„Also“, fuhr Doc Z fort. „Was hältst du von Liza?“

„Sie ist perfekt.“ Auf mehr als eine Weise.

Es war ihm ein bisschen peinlich, wie leicht ihm die Worte über die Lippen kamen. Er schob es auf seinen Mangel an Schlaf und Nähe. Schließlich war er auch nur ein Mensch.

„Aha! Ich habe dir doch gesagt, dass du sie mögen würdest.“

„Hör mit diesem Triumphgeheul auf, Doc. Das ist so gar nicht deine Art.“ Das Gegenteil war der Fall.

„Warum sollte ich?“, schoss Doc Z zurück. „Sie ist talentiert und clever. Und ich habe sie dir auf dem Silbertablett präsentiert.“

Anthony wich den Wellen aus, die auf den Strand rollten. „Es wäre hilfreich, ein bisschen mehr Zeit zu haben, all das zu verarbeiten.“

„Du denkst zu viel. Ich habe meinen Teil erledigt. Jetzt musst du sie nur noch engagieren.“

Anthony blieb stehen, ohne darauf zu achten, ob seine Schuhe nass wurden. „Wer hat irgendetwas von engagieren gesagt, Doc? Mit dem Termin habe ich dir nur einen Gefallen getan. Übrigens habe ich ihr auf deinen Wunsch hin nicht gesagt, dass du es warst, der sie mir empfohlen hat.“

„Wofür ich dankbar bin. Wo also liegt das Problem?“

Er schnaubte. Liza war die erste Frau, die seit langer Zeit einen bleibenden Eindruck bei ihm hinterlassen hatte. Aber das ging Doc nichts an.

In nassen Schuhen lief er weiter. „Zum einen verstehe ich immer noch nicht, warum du mich darum gebeten hast. Wenn es dir so wichtig ist, dass ich sie engagiere, habe ich wohl das Recht zu wissen, warum.“

„Ich kenne Lizas Familie, seit sie ein kleines Mädchen war. Ich habe ihrem Vater versprochen, immer auf sie aufzupassen. Er ist vor ungefähr einem Jahr gestorben.“

„Und ihre Mutter?“

Doc seufzte tief. „Ebenfalls tot. Sie starb ein Jahr vor ihrem Mann an den Komplikationen nach einer verpfuschten Schönheits-OP in Costa Rica.“

Anthonys Herz zog sich zusammen. Er konnte den Schmerz nachempfinden, den Liza gefühlt haben musste, als ihre Eltern so kurz nacheinander starben. Seine eigenen Eltern lebten zwar Tausende Meilen weit weg in South Carolina, aber er stand ihnen trotzdem sehr nahe.

„Das ist furchtbar. Ich weiß, dass sich viele Leute im Ausland operieren lassen, weil es dort wesentlich billiger ist. Aber vielen Patienten sind die Risiken nicht bewusst, die sie dabei eingehen.“

„Das ist in der Tat ein Problem. Doch im Moment will ich dich nur davon überzeugen, dass es gut wäre, Liza zu engagieren.“

Anthony schüttelte den Kopf. „Jetzt, wo ich ihren familiären Hintergrund kenne, ist es mir noch unangenehmer. Geht es ihr denn gut? Mein Architekt muss sich voll und ganz auf mein Projekt konzentrieren können.“

„Sie ist sehr stark“, erwiderte Doc, ohne zu zögern. „Aber sie braucht etwas Neues. Deshalb ist sie von Denver nach Bay Point gezogen. Sie war dort zwar erfolgreich, aber auch ein bisschen ziellos.“

„Ja, ihre Wohndesigns sind fantastisch. Doch es fehlt ihr an Erfahrung im Gewerbebau.“

„Nebensächlich“, schnaubte Doc.

„Nebensächlich?“ Anthony stapfte durch den Sand. „Der Entwurf für diese Klinik muss perfekt sein. Warum hast du mir nichts davon gesagt?“

„Ich wollte, dass du sie persönlich triffst und beurteilst. Du hast ihre Arbeiten gesehen. Sie ist toll in ihrem Job.“

„Das stimmt. Die Gewerbeskizzen waren unglaublich, aber nichts davon wurde je gebaut.“

„Na und? Das war nicht ihre Schuld.“

„Ich weiß, aber es ist ein Problem für mich. Und es wundert mich, dass es dir als einem der Hauptinvestoren nicht genauso geht.“

„Weil ich Liza persönlich kenne. Vertrau mir, Anthony. Sie wird großartige Arbeit leisten.“

„Wenn du derart davon überzeugt bist, warum durfte ich ihr dann nicht sagen, dass du sie empfohlen hast? Du hast mich in eine wirklich unangenehme Lage gebracht.“

Doc war einen Moment lang still. „Liza ist eine sehr unabhängige Frau. Sie wäre nicht erfreut darüber, dass ich versuche, ihr zu helfen. Und sie darf es niemals erfahren.“

Anthonys Neugier auf Liza wuchs. Darauf, wie sie ihre Kreativität einsetzen würde. Oder sich in seinen Armen anfühlen würde. Trotzdem machte ihm die Situation zu schaffen.

„Sagen wir mal so“, fuhr Doc fort, „auch wenn ich eine Tonne Geld investiert habe, ist es am Ende deine Entscheidung. Ich bin aber fest davon überzeugt, dass es in deinem Interesse wäre, Liza die Klinik entwerfen zu lassen. Und in meinem.“

„Weil du immer deinen Willen bekommt, oder?“ Anthony musste grinsen.

Doc lachte. „Genau. Außerdem verdient jeder ein bisschen Hilfe und eine erste Chance. So wie du sie bekommen hast, erinnerst du dich?“

Er öffnete den Mund, um zu protestieren, fand aber keine Worte. Doc hatte recht. Er hatte ihm als Medizinstudent Möglichkeiten eröffnet, zu denen er allein nie Zugang gehabt hätte.

Anthony starrte auf das Wasser. „Es ist trotzdem ein Risiko. Sie ist neu hier und verfügt über weniger Ressourcen und Kontakte als eine Firma.“

„Sie ist eine kluge Frau und wird schon einen Weg finden. Sie hat auch mein Haus entworfen. Vertrau ihr!“

„Ich weiß nicht, Doc.“ Er hob eine Handvoll Sand auf und ließ ihn durch seine Finger rieseln.

„Ich sage dir was. Wenn du sie engagierst, zahle ich ihr komplettes Honorar.“

Anthony schnappte nach Luft und stieß einen Pfiff aus. „Das ist sehr großzügig von dir … und möglicherweise sehr dumm.“

„Überhaupt nicht. Ich glaube an sie. Und du wirst es eines Tages auch tun.“

„Ich werde darüber nachdenken.“

„Beeil dich damit.“

„Was machst du sonst noch heute? Außer mir ein schlechtes Gewissen einzureden.“

Doc kicherte. „Heute habe ich keine Patienten. Also werde ich mich mit einem guten Buch und einem Glas Chardonnay unter den Sonnenschirm an meinen Pool legen. Und du?“

„Schlafen und am Nachmittag wieder ins Krankenhaus. Morgen früh wollte ich mir die Baustelle ansehen.“

„Nimm Liza mit. Du wirst es nicht bereuen.“

„Da bin ich mir nicht so sicher.“ Anthony rieb sich die Schläfe.

Doc lachte. „Habe ich dich je falsch beraten?“

Er beendete das Gespräch und zog eine Grimasse. Plötzlich fiel ihm Lizas mitfühlender Tonfall ein, als sie ihn fragte, ob er glücklich sei.

Die Frage hatte ihn kalt erwischt und ließ ihn seitdem nicht mehr los.

Glücklich?

Meistens schon. Er hatte reichlich Geld, eine tolle Karriere und einen kleinen, aber engen Freundeskreis. Er war dabei, sich in ein neues Abenteuer zu stürzen und sein eigenes Unternehmen aufzuziehen, etwas, wovon er seit Jahren träumte.

Viel Privatleben hatte er in letzter Zeit allerdings nicht gehabt. An diesem Strand war er bisher mit keiner Frau spazieren gegangen. Und seine Nächte verbrachte er auch allein.

Sein voller Terminkalender hatte es ihm unmöglich gemacht, die Fernbeziehung mit seiner Exfreundin in Miami aufrechtzuerhalten, nachdem er vor sechs Jahren nach Bay Point gezogen war. Aber auch als die Beziehung endete, hatte er wenig Interesse an einer neuen gehabt. Trotz der verführerischen Blicke, die ihm die einheimische Damenwelt regelmäßig zuwarf. In einer Stadt wie Bay Point, in der die Gerüchteküche nur so brodelte, handelte man sich damit nur Ärger ein.

Anthony hatte keine Zeit, sich zu verlieben, und schon gar nicht in Liza Sinclair. Lust? Vielleicht. Aber Liebe? Liebe war etwas für Männer mit geregelten Arbeitszeiten. Seine Aufmerksamkeit galt einzig seiner Klinik und seinen Patienten. Sich in Liza – oder irgendeine andere Frau – zu verlieben war nicht Teil seines Plans.

3. KAPITEL

Liza fuhr ihren weißen Pick-up auf den Schotterparklatz eines verlassenen Motels und hielt an. Dem erbärmlichen Zustand des Anwesens nach zu urteilen, hatte das „Sunray Inn“ schon lange keine Gäste mehr beherbergt.

Sie schob sich die Sonnenbrille ins Haar und rieb sich vorsichtig die Augen, um ihre Wimperntusche nicht zu verwischen.

„Zu schade, dass geschlossen ist“, murmelte sie. „Ich könnte noch ein paar Stunden Schlaf vertragen. Diese frühen Termine bringen mich um.“

Die Türen des Motels waren zugepflastert mit verblichenen Schildern, die Möchtegern-Kriminelle vor unbefugtem Betreten warnten. Auf dem größten Schild stand „VERKAUFT“. Dieses eine Wort reichte, um Liza trotz ihrer Müdigkeit unter Strom zu setzen, denn gleich würde sie sich mit dem neuen Besitzer treffen.

Dr. Marbet hatte in den letzten Tagen ihre Gedanken beherrscht. Einige waren positiv, andere negativ und einige geradezu verboten gewesen.

Liza legte ihr Kinn aufs Lenkrad und starrte finster vor sich hin. Mit den Fingern fuhr sie über ihre Narbe, die sie daran erinnerte, dass sie nicht perfekt war.

Als ob sie daran hätte erinnert werden müssen!

Nach ein oder zwei schlaflosen Nächten war sie zu dem Entschluss gekommen, sich nicht entmutigen zu lassen, was dieses Projekt betraf. Dr. Marbet war mehr als nur das Objekt ihrer nächtlichen Fantasien. Er war der Schlüssel zur Verwirklichung ihrer Träume.

Sie steckte sich einen Minzdrops in den Mund, um den Geschmack ihres Morgenkaffees loszuwerden, und stieg aus dem Wagen.

„Autsch!“

Sie sah auf den Boden. Mit dem Absatz ihrer hochhackigen Sandale war sie auf einen großen Stein getreten und umgeknickt. Sie unterdrückte den Wunsch, das verdammte Ding wegzukicken, lehnte sich gegen das Auto und massierte ihren schmerzenden Knöchel.

Kurz darauf hörte sie das knirschende Geräusch von Reifen auf dem Schotter. Ein Pick-up hielt neben ihr, und sie bekam eine Staubwolke ins Gesicht. Es war das gleiche Modell wie ihr Wagen, nur schwarz und in besserem Zustand.

Liza hustete und richtete sich auf.

Dr. Marbet sprang aus dem Wagen und ging um ihn herum. „Tut mir leid, dass ich so schnell gefahren bin, aber ich habe gesehen, wie Sie Ihren Fuß untersucht haben. Was ist passiert?“

Seine Besorgnis wärmte ihr das Herz, doch schnell erinnerte sie sich daran, dass er Arzt war. Es war sein Job, sich um andere zu kümmern.

„Nichts Schlimmes, Dr. Marbet“, stieß sie keuchend hervor. „Ich werde lediglich an Schotterstaubvergiftung sterben.“

„Nein, werden Sie nicht. Ich kümmere mich um Sie.“

Sein Lächeln wirkte echt, und seine Hand, die ihren Rücken tätschelte, versetzte die Schmetterlinge in ihrem Bauch in helle Aufregung. Der Kontakt war behutsam, aber bewusst. Liza vermutete, dass dies sein automatisch einsetzendes Verhalten Patienten gegenüber war.

Als spräche sie unverzüglich darauf an, ließ ihr Husten nach. Und das lustvolle Kribbeln, das er verursachte, breitete sich rasch in ihrem ganzen Körper aus.

„Da wir möglicherweise zusammenarbeiten werden, könnten wir vielleicht auf die Formalitäten verzichten“, schlug er vor.

Sie nickte. „Das können wir, Anthony.“ Sein Name klang so sinnlich, dass sie kurzzeitig ihre Verletzung vergaß.

„Autsch“, rief sie laut aus, als sie erneut auftrat.

Er ließ sich auf ein Knie nieder und musterte ihren Knöchel. „Was ist passiert?“

Liza zog eine Grimasse, als sich ihre Verlegenheit angesichts der Fürsorglichkeit in seinen warmen, braunen Augen mit Freude mischte. „Ich bin umgeknickt, als ich aus dem Wagen gestiegen bin.“

Er stützte einen Ellbogen auf sein Knie und sah zu ihr hoch. „Ungeschickt also?“, fragte er in spielerischem Tonfall.

„Und wie“, gab sie zu. „Und vermutlich overdressed. Ich hätte flache Schuhe anziehen sollen, aber ich dachte, hier wäre es gepflastert.“

„Sie sehen gut aus.“ Sein Blick glitt an ihrem Körper hoch, der in einem knielangen, geblümten Kleid steckte. „Darf ich Sie untersuchen?“

Obwohl Liza in einer Familie von Ärzten aufgewachsen war, hatte sie sich nie gern untersuchen lassen. Nun ja, für Anthony würde sie eine Ausnahme machen. Wenn man die Chance hatte, von einem so gut aussehenden Mann angefasst zu werden …

Aus rein medizinischen Gründen natürlich.

Eigentlich tat der Knöchel gar nicht mehr so weh, aber dieses unwichtige Detail würde sie für sich behalten. Sie nickte zustimmend und hielt den Atem an.

„Sagen Sie Bescheid, wenn es wehtut.“

Anthony begann, ihren Knöchel abzutasten, und sie biss sich auf die Lippen, als es bei jeder vorsichtigen Berührung in ihren Lenden kribbelte. Sie spürte die Wärme, die von seinen Händen ausging, und fragte sich, was er wohl mit ihr anstellen würde, wenn sie auf der Stelle in Ohnmacht fiele.

Seine Finger drückten rundherum auf ihren Knöchel und sandten Schauer durch ihren Körper. Liza schalt sich innerlich. Der Mann war Arzt und machte nur seinen Job. Aber sie konnte es nicht ändern. Seine Finger auf ihrer Haut fühlten sich so gut an, dass sie hoffte, er würde nie aufhören.

Anthony legte den Kopf schräg. „Schmerzen?“

Sie schüttelte den Kopf. „Ich glaube, Sie haben alles wegmassiert.“

Zögernd ließ er sie los. „Versuchen Sie, den Fuß kreisen zu lassen.“

Sofort kam sie seiner Aufforderung nach. „Es geht wieder, danke.“

Er stand auf und klopfte sich den Staub von seiner dunkelblauen Freizeithose. Liza beobachtete, wie sich seine Muskeln unter dem hellgrauen T-Shirt anspannten.

„Guter Geschmack“, sagte sie.

Anthony sah an sich hinunter. „Was meinen Sie damit?“

„Nicht Ihre Kleidung“, stellte sie klar. „Ihr Auto.“

Verwirrung breitete sich auf seinem Gesicht aus. Hatte sie ihn etwa gerade beleidigt?

„Womit ich nicht sagen wollte, dass Sie sich nicht geschmackvoll kleiden“, fügte sie hastig hinzu. „Es ist nur ungewohnt, Sie nicht in einem Arztkittel zu sehen.“

„Was ist daran so ungewöhnlich?“ Er verschränkte lässig die Arme. Beim Anblick seines sexy Bizeps setzte ihr Herzschlag aus. „Ich bin ein ganz normaler Typ, der ganz normale Kleidung trägt.“

„Tut mir leid. Mein Vater und mein Onkel waren Ärzte. Es hat mich immer überrascht, sie nicht in ihrer Krankenhauskleidung zu sehen.“

Er grinste und antwortete mit gesenkter Stimme: „Ich schätze, ich bin es nicht gewohnt, dass es jemandem auffällt.“

Das war doch wohl ein Scherz! Wem würde dieser Körper nicht auffallen?

Ihre Blicke trafen sich. Ein Funke entzündete sich zwischen ihnen, für beide spürbar. Liza rieb die Hände aneinander, als ob sie damit abschütteln könnte, was sie gerade gefühlt hatte. „Für alles gibt es ein erstes Mal.“

Er lachte. „Genau. Ich habe auch nicht damit gerechnet, dass Sie einen Pick-up fahren.“

Sie stützte eine Hand in die Hüfte. Wer beleidigte jetzt wen? „Frauen können keine Pick-ups fahren?“

„Moment! Das habe ich nicht gesagt. Aber dafür sollten Sie Jeans oder vielleicht einen Cowboyhut tragen statt ein Kleid und hohe Absätze.“

Liza starrte ihn mit offenem Mund an. „Ich bin vielleicht ein bisschen formell gekleidet, aber schließlich ist das hier eine Besprechung und keine Party.“

Er lachte wieder, und sie konnte nicht anders, als gleichzeitig genervt und erfreut zu sein.

„Als ich hier ankam und Ihren Wagen sah, war mein erster Gedanke, dass jemand gerade einzubrechen versucht.“

Sie warf einen Blick hinter sich. „In diese Bruchbude? Es sieht aus wie das Bates Motel aus ‚Psycho‘. Außerdem … sehe ich für Sie wie eine Einbrecherin aus?“

Anthony lehnte sich entspannt gegen sein Auto. „Nein, gar nicht.“ Er grinste und musterte sie, eher neugierig als anzüglich. In seinem Blick lag Anerkennung – aber wofür? Die Ungewissheit ließ sie erröten.

Sie räusperte sich und schritt angesichts ihres verletzten Knöchels vorsichtig über den Schotter. „Ich bin überrascht, dass diesen Ort überhaupt jemand kennt. Er liegt zwar nahe der Autobahn, aber doch ziemlich versteckt.“

Er lief neben ihr über den rissigen Fußweg auf das Motel zu. „Ich weiß, aber seit der Verkauf öffentlich geworden ist, sind hier noch ein paar mehr Fenster zu Bruch gegangen.“

„Die Abgeschiedenheit bietet Ihren Patienten allerdings jede Menge Privatsphäre.“ Liza deutete auf die lange, von Bäumen gesäumte private Zufahrtstraße. „Diese Bäume müssen gut achtzehn Meter hoch sein!“

„Ja, man hat mir geraten, sie fällen zu lassen, aber das kommt nicht infrage. Abgesehen von der Privatsphäre leben Hunderte von Vögeln darin.“

„Ich nehme an, das Gelände ist als Gewerbegebiet ausgewiesen?“

Er nickte. „Allerdings. Ich habe mich vor dem Kauf im Rathaus darüber informiert. Die fertigen Entwürfe muss ich mir natürlich noch genehmigen lassen.“

„Und die Bauerlaubnis und weitere Genehmigungen müssen wir einholen. Aber keine Sorge, ich kümmere mich um alles“, erwiderte sie so zuversichtlich, als hätte sie den Auftrag bereits.

Anthony warf einen Blick auf ihren Knöchel. „Ich mache gern die große Tour mit Ihnen, wenn Sie dazu in der Lage sind.“

„Mir geht’s prima. Ich muss nur noch etwas aus dem Wagen holen.“

Den leichten Schmerz in ihrem Knöchel ignorierend, lief Liza zurück und holte ihre Kamera aus dem Auto. Sie wünschte, das Motel wäre schon abgerissen. Es wäre so viel einfacher, sich ein neues Gebäude an seinem Platz vorzustellen.

„Gehen wir“, sagte sie.

Aufgrund seiner langen Beine lief Anthony ein Stück vor ihr. Er steckte die Hände in die Hosentaschen, wodurch sich der Stoff über seinem knackigen Hintern spannte. „Hinter den Bäumen sieht es erst mal nach nichts aus, aber ich konnte das Objekt ziemlich günstig erstehen, wenn man den Wert des Grundstücks bedenkt.“

Liza schloss zu ihm auf. „Wie ich hörte, wollen immer mehr Menschen außerhalb von Bay Point bauen, seit Bürgermeister Langston seinen Sanierungsplan veröffentlicht hat.“

„Ja, ich hatte wirklich Glück beim Kauf.“

Sie atmete erleichtert aus. „Ich bin froh, dass hier noch mehr Gewerbe- und Designobjekte gebaut werden, falls Sie sich für jemand anderen entscheiden sollten. Das ist einer der Gründe, warum ich nach Bay Point gezogen bin.“

Er starrte sie an. „Und die anderen Gründe?“

Liza blieb stehen und wandte sich ab, um die plötzlich aufkommenden Tränen zu unterdrücken. Auf keinen Fall würde sie ihm erzählen, wie unerträglich ihr Leben in Denver nach dem Tod ihrer Mutter und ihres Vaters geworden war. Abrupt drehte sie sich wieder um und zwang sich zu einem Lächeln. „Sonne, Sand und ein Neuanfang, was sonst?“

Plus die Aussicht, mit einem sehr heißen Mann zusammenzuarbeiten. Ein unerwarteter Bonus.

Anthony grinste und schien sich mit ihrer Antwort zufriedenzugeben. „Behalten Sie Ihr hübsches Lächeln, denn gleich sehen Sie etwas Unglaubliches.“

Sie folgte ihm unter einem Bogengewölbe hindurch, das die beiden Teile des Motels miteinander verband. Als sie darunter hervortraten, schnappte sie laut nach Luft.

„Wunderschön, oder?“

Vor ihnen lag der Pazifik, eine unendliche Fläche gespenstisch stillen, blauen Wassers, umrahmt vom gleißenden Licht der hoch am klaren Himmel stehenden Sonne.

„Fantastisch.“ Liza atmete tief ein. Die salzige Luft roch würzig und mysteriös zugleich, wie ein Geheimnis, das nie gelüftet werden würde.

Sie richtete ihre Aufmerksamkeit auf Anthony … und musste den Drang bekämpfen, nach ihrer Kamera zu greifen und ein Foto von ihm zu machen.

Mit seinen ausgestreckten kräftigen Armen und der Sonne im Rücken hätte er sich gut auf dem Cover eines Managermagazins gemacht. Ein Mann, der die Welt erobert hatte und sie in Händen hielt. Ein Mann, der es geschafft hatte und groß herausgekommen war.

Sie lächelte. Nicht irgendein bürokratisches Architekturbüro, das mit der Geschwindigkeit eines Faultiers arbeitete und ihm dafür ein Vermögen abknöpfte, würde ihn noch weiter voranbringen. Sondern sie.

Ohne Vorwarnung entstand vor ihrem inneren Auge ein Bild von ihm in derselben Haltung, nur dass er dabei völlig nackt war. Sein schwarzes Haar glänzte in der Sonne, und sein Unterkörper erwachte vor ihren Augen zum Leben.

„Ich würde sagen, der Ausblick ist unbezahlbar“, murmelte sie.

Die Fantasie verpuffte, als er sie weiterwinkte. Von der Veranda aus sah man, wie tief die Küste hier abfiel. Zwischen ihnen und dem sicheren Tod stand nur ein klappriger, alter Holzzaun.

Anthony spähte hinunter. „Die Entwürfe müssen auf jeden Fall eine Treppe zum Strand vorsehen.“ Er deutete nach rechts. „Dort drüben gibt es eine Stelle, die vielleicht geeignet ist.“ Er lehnte sich gegen das Geländer, und Liza fühlte, wie das Holz vibrierte.

„Vorsicht!“ Sie griff nach seinem Arm. Ihre Stimme hatte ungewollt scharf geklungen, aber nur aus Angst, dass ihm etwas zustoßen könnte.

Er sah sie an, doch sie ließ ihn nicht los. „Was sind Sie? Mein Schutzengel?“

Sie schürzte die Lippen. „Wenn Sie hier herunterstürzen, kann ich Ihnen keine Klinik mehr bauen, oder?“

Überrascht von ihrer Antwort entzog er sich ihrem Griff.

Liza machte ein paar Aufnahmen von dem Motel. Wann würde dieser Mann begreifen, dass ihr ihr Beruf genauso wichtig war wie ihm seiner? „Ich wünschte, das Gebäude wäre nicht mehr da. Ich fange innerlich schon an zu entwerfen.“

Er lächelte und trat einen Schritt vom Geländer zurück. „Ein paar Dinge gibt es noch zu klären. Ich hätte meinen Architekten gern schon vor dem Abriss an Bord, damit er das Team für den Neubau zusammenstellen kann.“

„Das ist kein Problem. Ich habe schon angefangen, mit entsprechenden Firmen in Verbindung zu treten und Referenzen einzuholen. Am besten wäre eine Baufirma aus der Gegend, die sich mit den Vorschriften hier auskennt.“

Sie stellte ihre Kamera neu ein. „Nach dem Abriss muss das Gelände planiert und vermessen werden. Es gibt noch tausend Dinge zu tun, bevor wir über die Grundsteinlegung nachdenken können.“

Anthony nickte. „Außerdem wünsche ich mir eine ökologisch zertifizierte Bauweise für meine Klinik, und zwar von Grund auf.“

Liza war beeindruckt. Trotz seiner Bemerkung, die Bäume als natürlichen Lebensraum erhalten zu wollen, hätte sie Anthony nie für einen Umweltschützer gehalten. „Das höre ich gern. Die Zertifizierung wird sich allerdings in den Kosten niederschlagen und die Bauzeit verlängern.“

„Die Kosten sind mir egal. Ich will sichergehen, dass wir so viele umweltfreundliche Baumaterialien wie möglich verwenden.“

Sie lächelte. „Eine umweltfreundliche Bauweise unterstreicht auf jeden Fall Ihre Einstellung und zeigt Ihren Patienten und Angestellten, wie wichtig Ihnen ihr Wohlbefinden ist.“

„Genau. Nach Eröffnung der Klinik werde ich selbst dort arbeiten, wenn auch nicht in Vollzeit. Ich habe es nicht eilig, sondern will lieber alles richtig machen.“

„Das Gefühl kenne ich. Ich empfehle meinen Kunden immer, möglichst umweltfreundliche Materialien zu verwenden. Es freut mich, dass Ihnen unser Planet genauso wichtig ist wie mir.“

„Noch etwas, das wir gemeinsam haben.“

Liza entging nicht, dass sein Blick kurz über ihren Körper glitt.

„Und ein weiterer Grund, warum Sie mit mir anstatt einer großen Firma zusammenarbeiten sollten.“ Sie lächelte.

Sie besichtigten das Gelände eine weitere halbe Stunde. Immer wieder streiften sich dabei ihre Arme. Die kurzen Berührungen wärmten sie aber an ganz anderen Stellen.

Während ihres Rundgangs machte Liza weitere Fotos. Anthony hielt ihr einen kleinen Vortrag über die Pflanzen der Region.

„Sie sind ein echter Gartenspezialist“, scherzte sie.

Er zuckte die Achseln. „Ich komme selten zur Gartenarbeit und freue mich darauf, mit einem Landschaftsgärtner zusammenzuarbeiten. Ich will so viel wie möglich von der bestehenden Vegetation erhalten.“

Nach einer weiteren Stunde kehrten sie auf den Parkplatz zurück.

„Kann ich ein paar der Fotos sehen?“

Liza erstarrte. Immer wenn er nicht hinsah, hatte sie auch Fotos von ihm gemacht. Natürlich nur so zum Spaß. Nicht für irgendwelche Fantasien.

„Äh, ich maile sie Ihnen nachher, okay?“ Sie hielt ihm die Hand hin. „Danke für die Tour. Jetzt, wo ich das Gelände und den unglaublichen Meerblick selbst gesehen habe, wird es mir leichter fallen, etwas zu entwerfen, das Ihren Wünschen entspricht.“

Beim Loslassen strichen seine Finger leicht über die Innenfläche ihrer rechten Hand. Sie wünschte sich sehnlichst, er würde ihr auch noch die linke schütteln.

„Gern geschehen. Es hat Spaß gemacht.“

Als sie beide gleichzeitig gähnen mussten, lachten sie.

Er lächelte. „Ich nehme an, Sie sind kein Morgenmensch?“

„Nein“, gab sie zu, „aber ich passe mich an. Nachts lasse ich die Fenster offen. Der Geruch des Salzwassers hilft mir beim Aufwachen besser als jeder Wecker.“

„Als Arzt bin ich fast rund um die Uhr auf Abruf. Da fällt es mir nicht schwer, im Morgengrauen oder wann auch immer aufzustehen.“

Liza kicherte. „Ich musste mich aus meiner Pension schleichen. Sonst hätte Maisie mir ein Schwätzchen aufgedrängt. Ich glaube, die Frau schläft nie.“

„Oder hört nie auf zu reden.“ Er lachte. „Maisie Barnell, die Matriarchin von Bay Point. Sie braucht länger für ein Gespräch, als …“

„… eine Welle im Wasser bleiben kann“, beendete Liza den Satz.

Sein Lächeln vertiefte sich. „Sehr poetisch.“

„Maisie hat tonnenweise Gedichtbände in ihrem Salon. Etwas davon muss wohl bei mir hängen geblieben sein.“

„Sie ist eine großartige Frau, aber sie versucht ständig mich zu verkuppeln.“ Anthony runzelte die Stirn. „Sie meint es gut, aber ich bringe es nicht übers Herz, ihr zu erklären, dass mein Geschmack etwas zu anspruchsvoll für die zurzeit verfügbaren Damen ist.“

Liza war nicht überrascht, dass er heiß begehrt war. Er war reich und attraktiv mit genau dem jungenhaften Aussehen, das den meisten Frauen gefiel. Trotzdem mochte sie es nicht, wenn Männer dachten, alle Frauen wären auf das Gleiche aus, auch wenn es oft stimmte. Aber sein humorvoller Tonfall machte es wieder wett.

„Ach, sind Sie deshalb noch Single?“

„Tja, bisher gab es niemanden, der für mich infrage gekommen ist.“

Bei dem Gedanken, dass Anthony an irgendeiner Frau interessiert sein könnte, zog sich ihr Herz zusammen. Sie wusste nichts über seinen Typ, außer dass Kleinstadtdamen wohl ausschieden. Auch wenn sie gern mehr darüber erfahren hätte, hielt sie sich zurück.

„Sagen Sie Maisie nicht, dass sie gefeuert wurde. Sonst wird sie mich mit ihren Kuppelversuchen beglücken.“

„Maisie kann man nur entgehen, wenn man aus der Stadt zieht“, erwiderte er trocken.

Sie lachte. „Keine Chance. Ich wohne bei ihr, bis mein eigenes Haus steht.“

Anthony lächelte mitleidig. „Sie müssen eine Engelsgeduld haben. Aber es freut mich, dass Sie nicht nur auf der Durchreise sind.“

„Ich möchte langfristig hierbleiben. Ich habe ein tolles Grundstück zu einem tollen Preis gefunden und kann es kaum erwarten, mein eigenes Wohnprojekt umzusetzen.“

Sein Lächeln schwand. „Wenn ich Ihnen diesen Auftrag gebe, werden Sie dann überhaupt genug Zeit haben, sich mir zu widmen?“

Liza riss die Augen auf. „Mich Ihnen zu widmen?“

Er räusperte sich hastig. „Entschuldigung. Meinem Projekt, wollte ich sagen.“

Sie verbarg ein Lächeln und nickte. „Ich kann Ihnen versichern, dass ich mich voll und ganz auf die Klinik konzentrieren werde. Mit dem Bau meines eigenen Hauses lasse ich mir Zeit.“

Anthony seufzte erleichtert. „Das freut mich. Es ist mir wirklich wichtig, dass derjenige, den ich beauftrage, ein echter Partner ist.“ Er deutete auf das Motel. „Bei dem, was ich hier erreichen will, meine ich.“

Er hielt ihr erneut seine Hand hin. Hatte er vergessen, dass sie sich bereits verabschiedet hatten?

„Tut mir leid, dass Sie meinetwegen schon wieder so früh aufstehen mussten. Ich weiß es zu schätzen. Als Nächstes steht die Präsentation an. Ich gebe Ihnen den Termin noch durch.“

Sie hielt ihren Blick auf ihn gerichtet und strich mutig mit den Fingern über seine Handfläche, bevor sie sie losließ. Als er sich umdrehte, redete Liza sich schnell ein, dass das, was sie jetzt tun würde, ausschließlich der Vertiefung ihrer Geschäftsbeziehung dienen würde.

Aber die Wahrheit war, dass sie weder Tage noch Stunden warten wollte, bis er ihr Herz wieder zum Rasen brachte. Wann immer sie ihn ansah oder seine Haut die ihre streifte, erweckte er seit Langem schlummernde Fantasien zum Leben. Wenn auch nur bei ihr.

„Warten Sie! Ich würde die Besprechung gern fortsetzen. Können wir irgendwann zusammen zu Abend essen?“ Sie ließ ihre Stimme professionell klingen. „Ich lade Sie ein. Sie sehen aus, als könnten Sie eine Auszeit vertragen.“

Anthony drehte sich um, und obwohl er stehen blieb, konnte sie die prickelnde Anziehung seines Körpers spüren. „Sehe ich so schlimm aus?“

Bei seinem trägen Lächeln wurde ihr warm. „Nein, gar nicht. Das meinte ich nicht.“

Er rieb sich übers Kinn. „Ich verstehe schon. Ich habe in letzter Zeit wie verrückt gearbeitet und sollte mir tatsächlich mal einen Abend freinehmen. Passt es Ihnen am Samstag?“

„Perfekt.“ Geschickt verbarg sie ihre Freude. „Wir können im Laufe der Woche noch über die Details sprechen.“

Wenn es Liza egal gewesen wäre, völlig durchgeknallt zu wirken, hätte sie vor Freude ihre Schlüssel in die Luft geworfen. Sie sah zum Motel zurück. „Mit Ihrer Erlaubnis würde ich gern am frühen Abend wieder herkommen, um noch ein paar Fotos zu schießen. Ich will nur nicht wegen unerlaubten Betretens im Gefängnis landen.“

Zu ihrer Überraschung legte er plötzlich seine Schlüssel auf die Motorhaube seines Wagens und kam zu ihr herüber. „Sicher, jederzeit. Aber ich möchte nicht, dass Sie spätabends hier allein herumlaufen.“

„Warum nicht?“

Sein Blick verdunkelte sich, während er sie musterte. „Wie ich vorhin schon angedeutet habe, kam es hier in letzter Zeit zu Vandalismus. Ich will nicht, dass Ihnen etwas zustößt.“

Wärme durchflutete sie. Aber auch wenn seine Sorge berechtigt sein mochte, konnte sie gut auf sich selbst aufpassen. „Ich versichere Ihnen, ich komme klar.“

Er nickte, stieg in seinen Wagen und ließ ihn an.

Mit einem zufriedenen Lächeln im Gesicht setzte Liza sich ebenfalls in ihr Auto. Ihr zweites Treffen war um einiges besser verlaufen als das erste. Und die Einladung zum Essen würde ihre Chancen nur noch steigern. Im Geiste gehörte der Auftrag bereits ihr.

Ein Hupen ließ sie hochsehen.

Mit einer Mischung aus Neugier und Furcht kurbelte sie das Wagenfenster herunter.

„Stimmt etwas nicht?“ Er hatte doch wohl nicht seine Meinung geändert?

Anthonys Arm lag lässig auf seinem Lenkrad. Aus dem Wageninneren drang leise R&B-Musik. „Nein. Ich wollte Sie nur wissen lassen, dass, falls Sie jemals im Knast landen sollten, ich jederzeit Ihre Kaution bezahlen würde.“

Unsicher legte sie den Kopf zur Seite. „Tatsächlich? Warum?“

Selbst über die Entfernung war die Intensität seines Blickes zu spüren. Liza war dankbar für den Abstand zwischen ihnen. Es erleichterte ihr, seine Anziehung auf sie zu verbergen. Oder hatte er es doch bemerkt?

„Sehen Sie in den Spiegel. Ich würde der Welt nie die Chance vorenthalten, in den Genuss Ihres umwerfenden Lächelns zu kommen.“ Ohne auf eine Erwiderung zu warten, winkte er und fuhr davon.

Sie blieb regungslos in ihrem Wagen sitzen. Hatte er gerade mit ihr geflirtet? Ein freudiges Zittern durchlief ihren Körper. Anthony war ein wunderschöner Mann. In jeder Hinsicht perfekt, zumindest äußerlich.

Ihre Mutter, die von Schönheit besessen gewesen war, hatte ihr beigebracht, nein, regelrecht eingebläut, dass Männer Perfektion wollten und sich nie mit weniger zufriedengaben.

Was konnte also ein Schönheitschirurg, ein Mann, dessen Beruf es war, Frauen ein perfektes Aussehen zu verleihen, an ihr schon finden? Ihre Narbe hatte er bereits gesehen, und es schien ihm nichts auszumachen. Oder doch?

Erneut vernahm sie die Worte ihrer Mutter und spürte, wie sie ihr Selbstwertgefühl ins Wanken brachten.

Er kann dich nicht attraktiv finden. Nicht wirklich. Er ist nur nett.

Liza lehnte sich zurück. Zum ersten Mal in ihrem Leben keimte Hoffnung in ihr auf, dass ihre Mutter, auch wenn sie es vielleicht nur gut gemeint hatte, völlig falschgelegen hatte. Vielleicht war Anthony tatsächlich nur nett. Vielleicht würde er sie nie lieben. Aber sie würde ihm eine wunderschöne Klinik bauen, durch die er sich immer an sie erinnern würde und die sie selbst beruflich voranbrachte.

Ihr Blick fiel auf ihre Kamera. Fantasien mussten ihr vorerst reichen.

Aber vielleicht nicht ganz. Entschlossen legte sie den Gang ein und fuhr, eine Wolke Schotterstaub hinter sich lassend, davon.

4. KAPITEL

Liza schlug die Beine übereinander und trommelte mit den Fingern auf ihrem Knie herum, um den Drang zu bekämpfen, aus dem Fenster oder auf ihr Handy zu starren. Oder laut zu schreien.

Wo blieb er nur?

Sie wusste, wo Anthony wohnte und dass er es nicht weit zu Maisies Pension hatte. Außer er kam direkt aus dem Krankenhaus.

Hatte es etwa einen Notfall gegeben?

Sie zuckte zusammen, als Maisie mit ihrer Zeitschrift auf den Tisch schlug.

„Liebes, könntest du bitte aufhören, so nervös zu sein? Du benimmst dich, als ob du gleich deine Unschuld verlieren würdest.“

Liza unterdrückte ein Kichern. Es grenzte an ein Wunder, dass Maisie ihre Klatschzeitung weglegte. Es war ihre einzige Tätigkeit, bei der sie nicht redete.

Maisie deutete mit dem Finger auf sie. „Warst du nicht diejenige, die mir weismachen wollte, das hier wäre kein Date?“

„Ist es auch nicht“, beteuerte Liza. „Tut mir leid, dass ich so zappelig bin.“

Seit sie vor fast einem Monat bei Maisie eingezogen war, hatte sie die charmante Witwe in ihr Herz geschlossen. In dieser Zeit hatte sie sich von schüchtern und still zu fast derselben Plaudertasche entwickelt wie die Pensionswirtin. Aber diese Angelegenheit behielt sie lieber für sich. Ihr Kopf sagte ihr, dass ihr Treffen mit Anthony kein Date war, doch ihr Herz wusste es besser. Ihre immer stärker werdenden Gefühle für ihn würde sie niemandem eingestehen, nicht einmal sich selbst.

Maisie schnaubte und nahm ihre Zeitschrift wieder zur Hand. „Herrje, jetzt sieh nur, wozu du mich gebracht hast.“ Mit finsterem Blick hielt sie Liza die Innenseite des Magazins hin. „Brad Pitt hat eine Knitterfalte. Mitten im Schritt.“

Liza brach in Gelächter aus. Sie liebte es, Zeit mit Maise zu verbringen, aber heute wollte sie nur flüchten. Am besten in Anthonys Arme, doch sie würde sich auch mit einem Platz neben ihm beim Abendessen begnügen. „Ich glaube, Brad wird es überleben. Schließlich ist er mit der schönsten Frau der Welt verheiratet.“

„Und du bist mindestens genauso schön wie sie, Kindchen. Vergiss das nicht.“

Maisie nahm nie ein Blatt vor den Mund. Liza lächelte und sonnte sich in dem ernst gemeinten Kompliment. Sie wedelte mit der Hand. „Ist es warm hier drin?“

Maisie ließ die Zeitschrift sinken. „Finde ich nicht. Und für Hitzewallungen bist du noch zu jung. Das ist wohl eher deine Nervosität wegen dieses Dates, das kein Date ist.“

„Apropos Date, wo ist denn Prentice? Kommt er heute Abend nicht vorbei?“

Der betagte ehemalige Diakon arbeitete als Wachmann im Rathaus. Aufgrund seines schlüpfrigen Humors hatte man ihn aus der örtlichen Kirche geworfen. Liza war zu Ohren gekommen, dass er seinen legendären Ruf wie ein Ehrenabzeichen trug.

„Wer weiß.“ Maisie hörte sich verschnupft an. „Wer kommt bei seinem Tagesablauf schon mit? Ich habe mein eigenes Leben.“

Dieses Spielchen konnte Liza auch spielen. „Ist er denn nicht dein fester Freund?“, zog sie sie auf.

„Bestenfalls eine Ablenkung.“

Liza brüllte vor Lachen, bis es an der Tür klingelte. Sofort stand sie auf.

„Setz dich“, befahl Maisie ihr. „Sonst wird er denken, dass du es nötig hast.“

Brav setzte Liza sich wieder hin und grinste angesichts der altmodischen Einstellung ihrer Gastgeberin.

Maisie hievte sich aus ihrem Sessel heraus. „Außerdem will ich ihn mir vorher ansehen.“

„Wozu?“, fragte Liza misstrauisch. „Du weißt doch, wie er aussieht.“

„Ich will sehen, ob er anständig angezogen ist.“

Sie kicherte. „Was glaubst du, wie er hier auftaucht? Nackt etwa?“

„Oh Gott, das will ich doch hoffen“, erwiderte Maisie mit einem verruchten Glitzern in den Augen.

Hatte die Frau den Verstand verloren?

Ein paar Sekunden später erschien sie wieder im Salon mit einem großartig aussehenden Dr. Marbet am Arm. Ironisch lächelnd verbeugte er sich. „Maisie sagte, Sie wollten sichergehen, dass ich anständig aussehe.“

Liza errötete, während die Pensionswirtin mit völlig unschuldigem Gesichtsausdruck dastand. Was für eine peinliche Situation. Sie hätte sie erwürgen können!

Anthony trug dunkle Jeans und ein cremefarbenes Hemd, was seine muskulöse Figur perfekt zur Geltung brachte. Sein Look wirkte lässig, aber kultiviert.

Liza räusperte sich. „Äh … tja. Sie sehen gut aus.“

Und wie gut!

„Können wir?“, fragte er.

Sie ertappte ihn dabei, wie er sie musterte, während sie aufstand und ihren blassrosa Rock glatt strich. Sie war elegant genug für ein Geschäftsessen gekleidet, ohne aufgedonnert zu wirken.

„Nur eine Minute“, erwiderte sie. „Ich möchte noch kurz mit Maisie reden.“

Anthony tätschelte Maisies Hand, bevor er ihren Arm losließ. „Es war schön, Sie wiederzusehen.“ Er neigte seinen Kopf in Lizas Richtung. „Ich warte auf der Veranda.“

Als er weg war, wankte Maisie ins Zimmer und wedelte mit der Hand vor ihrem Gesicht herum. „Reich mir deinen Arm. Ich glaube, ich falle gleich in Ohnmacht!“

Liza umarmte sie dankbar und half ihr in den Sessel. Maisie hatte sie zwar reingelegt, aber dafür war sie jetzt weit weniger nervös. Sie griff nach ihrer Handtasche. „Soll ich dir etwas bringen, bevor ich gehe? Einen Eistee vielleicht?“

Die Pensionswirtin schüttelte den Kopf und griff mit einem unschuldigen Lächeln im Gesicht wieder nach ihrem Magazin. „Tu nur nichts, was ich nicht auch tun würde.“

Liza kicherte. „Es ist nur ein Geschäftsessen. Ich werde früher zurück sein, als du denkst.“

Sie warf einen letzten Blick in den Spiegel im Flur der Pension. Wie immer trug sie ihr Haar offen. Sie wusste, dass es ihr egal sein sollte, was Anthony über ihr Aussehen dachte, aber das war es nicht. Und die Tatsache, dass er Schönheitschirurg war, verunsicherte sie noch zusätzlich.

Sie öffnete die Haustür und hielt den Atem an. Er lehnte mit dem Rücken zu ihr an einem Pfeiler. Es musste am Schnitt seiner Jeans liegen, dass sie plötzlich in Versuchung geriet, sich von hinten an ihn zu schmiegen … aus Verzweiflung oder purem Vergnügen.

Er wandte sich um, als sie die Tür hinter sich schloss, und umarmte sie kurz. Liza schnappte nach Luft und versuchte, die Schockwelle zu ignorieren, die durch ihren Körper raste.

Dann sah er auf ihre nackten Beine. „Wie geht’s dem Knöchel?“

Sie fühlte, wie sich ihr Gesicht rötete. Musste er sie an ihre Ungeschicktheit erinnern? „Oh, gut. Danke.“

Er schürzte die Lippen. „Das will ich auch hoffen angesichts der Schuhe, die Sie da tragen.“

„Tja, sollte ich in der Notaufnahme landen, muss ich wenigstens nicht die ganze Nacht auf einen Arzt warten. Ich habe ja einen bei mir.“

Mit einem verschmitzten Grinsen zog Anthony die Autoschlüssel aus der Tasche.

„Sie wissen schon, dass wir auch einfach laufen könnten, oder?“, fragte sie mit einem Blick auf seinen Wagen. „Wir gehen doch zu Lucy’s, stimmt’s?“

„Lucy’s Bar and Grill“ war das einzige Restaurant in der Stadt.

Er schüttelte den Kopf. „Ich habe mir etwas anderes ausgedacht. Haben Sie Lust auf ein Abenteuer?“

Bei dem Gefühl von seiner Hand auf ihrem Kreuz sog Liza hastig die Luft ein. An seine sanften Berührungen könnte sie sich gewöhnen.

„Ja“, erwiderte sie. „Solange es mit Essen zu tun hat. Ich sterbe vor Hunger.“

„Nicht nur mit Essen.“ Er grinste. „Lassen Sie mich Ihnen helfen. Ich möchte unseren gemeinsamen Abend ungern mit einem Abstecher ins Krankenhaus ruinieren.“

Mit seiner Hand auf ihrem Rücken dirigierte er sie zum Wagen. Er öffnete ihr die Tür und wartete, bis sie Platz genommen hatte. Während er den Pick-up umrundete, bemerkte Liza, wie der Vorhang im Salon der Pension zufiel.

Maisie. Irgendwie war es schön, jemanden zu haben, der auf sie aufpasste.

Sie erinnerte Liza an ihre eigene Großmutter. Deren anmaßende Art war oft mit mangelndem Vertrauen in andere verwechselt worden. Tatsächlich wollte sie nur, dass niemandem, den sie liebte, etwas zustieß.

Anthony setzte sich neben sie und startete den Motor. Sie bemerkte, dass seine Unterlippe etwas voller war als seine Oberlippe und entschied, dass es ihr gefiel.

„Macht Ihnen die Planänderung etwas aus?“

Liza fing gerade damit an, sich in ihre neue Heimatstadt zu verlieben, und erkundete gern neue Orte. „Überhaupt nicht. Ich probiere alles aus.“

Solange du an meiner Seite bist.

Bevor er losfuhr, sah er in den Seitenspiegel. „Gut. Ich wollte ein etwas privateres Umfeld. Es gibt ein paar Leute, die nicht damit einverstanden sind, was ich hier aufzubauen versuche. Ich möchte nicht, dass sich die Einzelheiten in Bay Point herumsprechen.“

Lizas Magen zog sich zusammen. Meinungsverschiedenheiten unter Einheimischen noch vor der Grundsteinlegung? Das war kein gutes Zeichen. „Wer hat denn etwas dagegen?“

Seine Hände umfassten das Lenkrad fester. „Einige meiner Kollegen im Krankenhaus. Sie finden, dass ich weiter dort arbeiten sollte, so wie sie es für den Rest ihres Lebens tun werden. Aber ich will mehr als das.“

Liza fragte sich, ob das „mehr“ auch eine spezielle Frau in seinem Leben beinhaltete. Dann erinnerte sich daran, dass er momentan nicht auf der Suche war. „Sie kommen mir nicht wie jemand vor, der etwas darauf gibt, was andere denken.“

Er warf ihr einen Seitenblick zu. „Lassen Sie mich raten. Sie glauben, ich hätte ein großes Ego wie jeder Arzt, oder?“

Liza biss sich auf die Lippe. Er war schon ziemlich selbstbewusst, aber angesichts seines Erfolgs war das keine Überraschung. Sie fand seine Selbstsicherheit anziehend, sogar sexy, was den Umgang mit ihm nicht gerade leichter machte. Ständig musste sie sich daran erinnern, dass er ein potenzieller Geschäftspartner war, und nicht mehr.

Sie schenkte ihm ein beruhigendes Lächeln. Nicht, dass er es nötig gehabt hätte. „Das habe ich nie gesagt. Selbstsicherheit steht Ihnen.“

Er zuckte die Schultern. „Das gehört zum Job.“

„Ein notwendiges Übel?“

Er nickte. „Als Arzt muss ich selbstbewusst auftreten, auch in den schlimmsten Situationen. Aber Sie haben schon recht. Es ist mir egal, was andere denken. Meistens jedenfalls.“

Das leichte Zögern in seiner Stimme ließ sie sich fragen, ob das Gegenteil der Fall sein könnte.

„Außerdem habe ich den Rückhalt der Menschen, auf die es ankommt. Wie den Bürgermeister zum Beispiel.“

Liza kannte Bürgermeister Langston und seine Frau Vanessa, die einen Blumenladen namens „Blooms in Paradise“ betrieb, nur vom Sehen. Vanessa war zum ersten Mal schwanger und strahlte vor Glück. Selbst aus der Entfernung umgab beide die Aura der Verliebten.

Sie stieß einen tiefen Seufzer aus. Wie sehr sie sich nach einer solchen Liebe sehnte!

Anthony fuhr auf die Zufahrt zum Highway 101, der aus Bay Point hinausführte. „Stimmt etwas nicht?“

Ihre Wangen wärmten sich unter seinem Blick. Sie rieb sich die Arme. „Ich hoffe nur, dass ich nicht overdressed bin.“

„Hm, Sie tragen einen Rock, eine schicke Bluse und Pumps, die hoch genug zum Stolpern, aber niedrig genug zum Tanzen sind. Ich würde sagen, alles ist in Ordnung.“

Autor

Elizabeth Bevarly
<p>Elizabeth Bevarly stammt aus Louisville, Kentucky, und machte dort auch an der Universität 1983 mit summa cum laude ihren Abschluss in Englisch. Obwohl sie niemals etwas anderes als Romanschriftstellerin werden wollte, jobbte sie in Kinos, Restaurants, Boutiquen und Kaufhäusern, bis ihre Karriere als Autorin so richtig in Schwung kam. Sie...
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