Collection Baccara Band 393

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DER BOSS, DER MICH LIEBTE von ANDERSON, SARAHM.
Sofia braucht dringend einen Job, um ihre kleinen Zwillinge durchzubringen. Für Immobilien-Tycoon Eric Jenner zu arbeiten scheint die perfekte Lösung - zumal sie alte Freunde sind. Nur dass Eric mittlerweile nicht nur reich ist, sondern auch unverschämt sexy …

GEFÄHRLICH, GEHEIMNISVOLL - UND UNGLAUBLICH SEXY von ROCK, JOANNE
Er war verrückt nach ihr - bis die umwerfende Lydia ihn plötzlich sitzen ließ. Jetzt findet Ian McNeill heraus, dass sie die geheimnisvolle Fremde ist, die seine Familie in Verruf bringt. Diese Frau macht ihn wirklich rasend. Wenn sie nur nicht so unwiderstehlich wäre …

SAG NIE WIEDER NEIN ZU MIR von BUCHANAN, CARLA
Zehn Jahre ist es her, dass Camille ihn ohne Begründung verlassen hat, doch Remington hat nie aufgehört, sie zu lieben. Jetzt ist sie wieder da - und sofort kehrt die alte Leidenschaft zurück. Bis ein schrecklicher Verdacht ihr Glück erneut in Gefahr bringt …


  • Erscheinungstag 22.05.2018
  • Bandnummer 393
  • ISBN / Artikelnummer 9783733724962
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Sarah M. Anderson, Joanne Rock, Carla Buchanan

COLLECTION BACCARA BAND 393

SARAH M. ANDERSON

Der Boss, der mich liebte

Er hat alles, was ein Mann sich wünschen kann. Bis Sofia, seine Freundin aus Kindertagen, wieder in sein Leben tritt. Denn plötzlich will Milliardär Eric Jenner nur noch eines: sie. Nach einer leidenschaftlichen Nacht ist er überzeugt – sie ist die Richtige. Doch Sofia weist ihn ab. Sie glaubt nicht, dass er es wirklich ernst meint mit ihr …

JOANNE ROCK

Gefährlich, geheimnisvoll – und unglaublich sexy

Einmal hat er ihr das Herz gebrochen, und Lydia hat sich geschworen, dass Ian McNeill ihr nie wieder wehtun wird. Doch dann begeht sie einen Fehler, und er hat sie in der Hand: Ein Jahr lang soll sie seine Frau sein, dann behält er ihr Geheimnis für sich. Ein Jahr geht schnell vorbei, also willigt Lydia ein. Aber kann sie ihn danach wirklich wieder verlassen?

CARLA BUCHANAN

Sag nie wieder Nein zu mir

Remington war ihre erste und einzige Liebe – doch Camille musste ihn verlassen, um seine Karriere nicht zu gefährden. Jetzt ist sie zurück, und als sie ihn wiedersieht, spürt Camille sofort das alte Verlangen. Auch Remington konnte sie nie vergessen, und sie beschließen, sofort zu heiraten. Doch dann erfährt Camille, dass er etwas Furchtbares getan haben soll …

PROLOG

„Das wär’s also?“, fragte Eric Jenner und starrte auf den Bericht des Privatdetektivs in seiner Hand. Das Baby war nicht von ihm. Irgendwie hatte er die Antwort schon vorher gewusst.

Komisch, dass es immer noch so verdammt wehtat.

„Das wär’s.“ Der Detektiv erhob sich. „Es sei denn, Sie brauchen sonst noch etwas.“

Eric hätte fast laut aufgelacht. Was brauchte er denn? Ein Happy End für diesen ganzen Schlamassel. Aber dass er das nicht bekommen würde, war klar. Heute nicht, und vielleicht nie.

Er biss die Zähne zusammen. Schlimm genug, dass seine Braut ihn am Altar stehen gelassen hatte. Sechs Monate später weidete sich die Presse noch immer an den Fotos von ihm, wie er sprachlos vor dem Geistlichen stand. Und vor sechshundert Hochzeitsgästen in der Holy-Name-Kathedrale.

Aber das hier? Er wusste, dass er das nicht für immer geheim halten konnte. Nur zwei Wochen nach der geplatzten Trauung hatte Prudence geheiratet. Offensichtlich war der andere ihre wahre Liebe. Denn wie sonst hätte man es erklären sollen, dass sie Hals über Kopf mit dem Buchhalter der Firma ihres Vaters durchgebrannt war? Der Mistkerl war der Vater ihres Sohnes und machte sie, wenn Eric dem Bericht des Privatdetektivs glauben sollte, zur glücklichsten Frau der Welt.

Eric freute sich für die beiden. Wirklich.

Er atmete langsam ein und noch langsamer aus. „Wenn mir sonst noch etwas einfällt, lasse ich es Sie wissen“, sagte er.

Nachdem der Mann gegangen war, las Eric sich noch einmal den Bericht durch. Komisch, er vermisste Prudence nicht besonders. Nachts lag er nicht wach und sehnte sich nach ihren Zärtlichkeiten. Und er bedauerte es auch nicht, dass die Eigentumswohnung, die er für sie gekauft hatte, nun wieder zum Verkauf stand.

Er war eindeutig gerade noch mal davongekommen. Bis auf ein kleines Detail.

Dieses Detail war mit rund viertausend Gramm zur Welt gekommen. Er starrte auf das Foto, das der Detektiv mitgeliefert hatte. Darauf hielt Prudence ihr Baby im Arm. Sie hatte ihm den Namen Aaron gegeben. Aarons Augen waren geschlossen, und er lächelte ein bisschen.

Etwas zog sich in Erics Brust zusammen. Nein, er vermisste Prudence wirklich nicht. Aber …

Egal, wo er hinging, überall hatten die Leute Babys. Plötzlich konnte er ihnen nicht mehr aus dem Weg gehen. Selbst sein ältester Freund Marcus Warren hatte vor Kurzem einen kleinen Jungen adoptiert. Nachdem er seine Assistentin geheiratet hatte, ausgerechnet.

Eric und Marcus hatten immer miteinander konkurriert. Wer machte die erste Million (Eric), die erste Milliarde (Marcus)? Wer hatte das teuerste Auto (das wechselte dauernd) oder die größte Jacht (da hatte Eric immer die Nase vorn)?

Diese Wettkämpfe waren keineswegs vorbei. Aber die Regeln hatten sich geändert, und für dieses neue Spiel war Eric nicht bereit. Er war nicht bereit dazu, danebenzustehen, wenn sein bester Freund sich gurrend über seinen Sohn beugte, während seine Frau die beiden voller Liebe betrachtete.

Eigentlich hätte es ihn anwidern müssen.

Denn ihre Freundschaft beruhte darauf, den anderen auszustechen. Aber eine liebende Frau und ein entzückendes Baby?

Und jetzt diese Nachricht von Prudence – das gab Eric den Rest.

Eins war klar: In diesem Fall hatte er haushoch verloren.

Zum Teufel noch mal!

Schließlich war er Eric Jenner. Er besaß ein Viertel der Wolkenkratzer in Chicago und ein paar der teuersten Immobilien auf der ganzen Welt. Er gehörte offiziell zum exklusiven Club der Milliardäre. Er war, so hatte man ihm wenigstens gesagt, attraktiv und gut im Bett. Es gab nichts, was er nicht hätte kaufen können.

Was er jetzt brauchte, war Ablenkung, und zwar am besten die Art, wie er sie in den Armen einer neuen Frau finden konnte. Bestimmt würde das seine Gedanken an eine glückliche Familie vertreiben. Schließlich hatte er nichts verloren. Er war sogar froh, dass Prudence weg war, denn diese Ehe wäre bestimmt ein Desaster geworden. Nein, er hatte Glück gehabt. Er war nicht gebunden, sondern konnte tun, was er wollte. Und er wollte alles.

Er brauchte nur die Hand auszustrecken, und die Welt stand ihm zur Verfügung. Alles, was er tun musste, war, mit dem Finger zu schnippen.

Abrupt klappte er den Bericht zu und verstaute ihn in der untersten Schublade seines Schreibtischs.

Na gut.

Fast alles.

Es sah ganz so aus, als gäbe es Dinge, die man mit Geld nicht kaufen konnte.

1. KAPITEL

Zehn Monate später …

Mit einem leisen Klingeln öffnete sich die Lifttür. Sofia Bingham wartete, bis die anderen ausgestiegen waren. Unglaublich, wie nervös sie war. Tat sie das hier wirklich? Bewarb sie sich tatsächlich um den Job der Büroleiterin bei Jenner Properties?

Ihr Atem stockte, als sie das Foyer von Eric Jenners Immobilienimperium betrat. Sie hatte Räumlichkeiten erwartet wie die von Erics Vater, der ebenfalls mit Immobilien gehandelt hatte. Jenner und Partner hatten ihre Büros im Erdgeschoss eines vierstöckigen Gebäudes gehabt, wo John und Elise Jenner ein exklusives Maklerbüro an der Gold Coast von Chicago betrieben hatten. Ihre Kunden waren reich oder sogar superreich gewesen.

Dort war Sofias Vater Emilio zunächst Hausmeister gewesen, dann hatte er angefangen, Häuser für die Jenners zu verkaufen, bis er schließlich sein eigenes Maklerbüro aufgemacht hatte. Sofias Mutter Rosa war die Haushälterin der Jenners gewesen, und Elise Jenner hatte eine Schwäche für Sofia gehabt und sie mit Kleidung und Spielzeug überschüttet.

In ihrer Kindheit hatte Sofia die Jenners für die reichsten Leute auf der ganzen Welt gehalten.

Aber nichts hatte sie auf das hier vorbereitet.

Jenner Properties nahm den ganzen vierzigsten Stock eines Wolkenkratzers am South Wacker Drive ein. Von hier aus konnte sie den Lake Michigan sehen, wo das Sonnenlicht auf der Wasseroberfläche glitzerte.

Sofia lächelte. Es war Jahre her, dass sie Eric Jenner zuletzt gesehen hatte, aber es überraschte sie nicht, dass er diesen außerordentlichen Blick auf den See hatte. Er hatte das Wasser immer geliebt. Schon damals hatte er ihr im familieneigenen Pool das Schwimmen beigebracht und ihr gezeigt, wie man segelte. Mit seinen Spielzeugbooten hatten sie sogar kleine Rennen veranstaltet.

Hinter ihr entließen beide Aufzüge erneut zahlreiche Menschen in den Flur. Jenner und Partner hatte nur aus John und Elise Jenner und zwei anderen Maklern bestanden. Aber zu Jenner Properties gehörte offensichtlich eine Armee ernst aussehender Leute, die allesamt teure Anzüge und Schuhe trugen. Sie blickte auf ihre Kombination aus Rock und Jackett, die das Beste war, was sie besaß. Und die einzigen Kleidungsstücke, auf denen keine Flecken von Babynahrung prangten. Die Kombination sah auch ganz hübsch aus: ein schwarz-weiß gepunkteter Rock mit einem weißen Jackett über einer schwarzen Bluse. Aber ihr Outfit reichte bei Weitem nicht an die Kleidung der Leute heran, die an ihr vorbeigingen.

Sofia trat zur Seite und blickte auf den See hinaus. Wie das Vorstellungsgespräch wohl ablaufen würde? Sie hatte sich als Büroleiterin beworben, als Maklerin konnte sie einfach nicht mehr arbeiten. Sie brauchte regelmäßige Arbeitszeiten und ein gesichertes Einkommen. Es wäre leicht gewesen, zu behaupten, dass sie den Job für ihre Zwillinge Adelina und Eduardo brauchte. Aber die Wahrheit war, dass sie ihn für sich selbst brauchte.

Ja, in diesem Job würde sie genug verdienen, um ein Kindermädchen bezahlen zu können, das ihre Mutter unterstützen würde. Vorher waren Sofia und ihr Mann David Makler gewesen. Aber ohne ihn konnte sie das nicht mehr machen.

Natürlich hätte sie sich auch bei einer anderen Firma bewerben können, doch niemand bezahlte mehr als Jenner Properties. Allerdings war das nicht der einzige Grund, warum sie gekommen war.

Würde Eric sich noch an sie erinnern?

Eigentlich gab es dafür keinen Grund. Mit sechzehn Jahren war er nach New York gegangen. Seither hatten sich ihre Wege nicht mehr gekreuzt. Und Sofia war auch kein dreizehnjähriger Teenager mit schiefen Zähnen mehr.

Sie hatte sich verändert. Aber sie hatte ihn nie vergessen. Keine Frau vergaß ihren ersten Kuss. Und obwohl es Teil eines Spiels gewesen war, zählte es trotzdem.

Nervös beobachtete sie Erics Angestellte dabei, wie sie an ihre Arbeitsplätze gingen. Ja, sie brauchte diesen Job. Und sie würde ihn bekommen, weil sie gut darin war, nicht weil sie eine alte Bekannte von Eric war, die er bestimmt längst vergessen hatte.

Entschlossen trat sie an den Empfangstresen.

„Hallo“, sagte sie mit mehr Selbstbewusstsein, als sie wirklich verspürte. „Mein Name ist Sofia Bingham, ich habe um neun Uhr einen Termin mit Mr. Jenner.“

Die Dame am Empfang war jung, blond und sah umwerfend aus. Sie betrachtete Sofia, ohne die Stirn zu runzeln, was schon mal ein gutes Zeichen war. „Sie sind hier wegen der Stelle als Büroleiterin?“ Selbst ihre Stimme klang cool.

„Das ist richtig.“ Selbstbewusst. So war sie. Sie konnte ein Vorstellungsgespräch führen. Sie konnte auch ein Büro leiten. Obwohl dieses hier eine Nummer größer war, als sie gedacht hatte.

„Einen Moment, bitte.“ Die junge Frau wandte sich ihrem Computer zu.

Sofias Magen zog sich zusammen. Über sieben Jahre hatte sie als Maklerin gearbeitet, davor hatte sie im Büro ihrer Eltern ausgeholfen. Aber traute sie sich wirklich zu, ein Büro wie dieses zu leiten?

Sie wusste, dass es hier längst nicht mehr nur darum ging, Häuser zu kaufen und zu verkaufen. Eric Jenner kaufte Land und errichtete selbst Gebäude, zum Beispiel diesen Wolkenkratzer hier. Er engagierte Makler und Architekten, Innenarchitekten und Anwälte. Er baute exklusive Bürogebäude und Luxusapartments. Und das machte er so gut, dass er inzwischen Milliardär war.

Sofia hatte sein Leben nicht genau verfolgt, aber selbst sie hatte mitbekommen, dass er von seiner Braut am Altar stehen gelassen worden war.

Was zum Teufel machte sie hier? Das hier war doch mehrere Nummern zu groß für sie. Hatte sie nicht sogar zu ihren Eltern zurückziehen müssen, weil sie sich keine eigene Wohnung leisten konnte? Das hier war nicht ihre Welt.

Ihre Brust zog sich zusammen, plötzlich fiel es ihr schwer zu atmen.

Oh nein.

Nein, sie durfte jetzt auf keinen Fall eine Panikattacke bekommen. Nicht noch eine, nicht jetzt. Sie trat einen Schritt vom Empfangstresen zurück. Das Bedürfnis zu fliehen wurde übermächtig. Sie beschwor das Bild ihrer Mutter herauf, wie sie heute Morgen die Zwillinge im Arm gehalten, ihr für das Bewerbungsgespräch Glück gewünscht und ihr zum Abschied gewinkt hatte. Ihre Zwillinge – sie brauchten mehr, als Sofia ihnen im Moment geben konnte. Sie brauchten Stabilität und Sicherheit. Sie brauchten eine Mutter, die nicht jeden Monat verzweifelt versuchte, über die Runden zu kommen. Und auch für sich selbst brauchte sie unbedingt einen festen Job.

Noch etwas hielt sie davon ab zu flüchten. Es war der Klang ihres Namens. „Mrs. Bingham?“

Sie sah hoch, und die Luft entwich aus ihren Lungen. Da ist er! Zwar hatte sie Fotos von ihm in der Zeitung gesehen, aber es gab etwas Unerwartetes in seiner Erscheinung, was sie bis ins Mark erschütterte.

Sein Lächeln hatte sich nicht verändert. Aber sonst? Eric Jenner war fast eins neunzig groß und bewegte sich mit einer Geschmeidigkeit, die Kraft und Selbstvertrauen ausstrahlte. Er wirkte atemberaubend attraktiv – etwas, was sie nie mit ihm in Zusammenhang gebracht hatte. Sein Haar war von einem hellen Kupferton zu einem tiefen Rot gewechselt, und er war ziemlich braun gebrannt. Fast hätte Sofia gegrinst. Gebräunte Rothaarige waren wirklich selten.

Und noch eins war klar: Er war nicht mehr der Junge, an den sie sich erinnerte. Seine Schultern wirkten breiter und seine Beine kräftiger, als er auf sie zukam. Und diese Augen … Als sie ihn anblickte, blieb er plötzlich stehen und hob die Brauen. Offensichtlich hatte er sie erkannt, obwohl er vielleicht nicht wusste, woher er sie kannte. Plötzlich ließ der Druck in ihrer Brust nach, und sie konnte wieder atmen – sie wusste, dass alles gut gehen würde.

Sie hoffte es jedenfalls.

Dann fiel bei ihm der Groschen. „Sofia?“, fragte er ungläubig und schüttelte den Kopf. „Bitte entschuldigen Sie, aber Sie sehen aus wie jemand, den ich kenne.“

Jetzt erst wurde Sofia bewusst, dass sie mitten im Empfangsbereich standen, und obwohl sie niemand anstarrte, blieb ihr Gespräch doch nicht unbemerkt. Sie verstärkte den Griff um ihre Handtasche. „Es ist schön, Sie wiederzusehen, Mr. Jenner“, sagte sie.

Sein Gesicht erhellte sich. „Was machst du denn hier? Und wann hast du geheiratet?“ Er machte eine Pause und sah sie erneut an.

Hitze durchströmte sie, und sie merkte, wie sich ihre Wangen färbten. Na, super. Jetzt wurde sie auch noch rot.

Und es wurde noch schlimmer, als er sagte: „Wow! Du bist ja wirklich ziemlich groß geworden.“

Sie holte tief Luft. „Um es direkt zu sagen, ich bin Ihr Neun-Uhr-Termin.“ Er blinzelte. „Die Bewerbung für den Job der Büroleiterin“, setzte sie nach.

„Oh … ja, richtig.“ Er sah sich um, als würde auch ihm gerade erst klar, wie dieses Gespräch auf seine Angestellten wirken mochte. „Dieses Büro braucht unbedingt eine neue Leiterin. Komm mit!“ Er bedeutete ihr, ihm zu folgen.

Ihr Herz klopfte heftig vor Aufregung. Was wusste sie schon von ihm? Als Junge hatte er zu den Privilegierten und Reichen gehört, war aber trotzdem nett zu ihr gewesen. Er hatte ihr das Schwimmen und Rollschuhlaufen beigebracht, und hin und wieder hatten sie sogar mit den Porzellanpuppen seiner Mutter gespielt.

Was natürlich nicht bedeutete, dass er immer noch derselbe war. Stumm folgte sie ihm den Gang entlang.

„Ich hatte ja keine Ahnung, dass du verheiratet bist“, sagte er auf dem Weg. „Erzähl mir etwas über deinen Mann! Wer ist der Glückliche, der Sofia Cortés an Land ziehen konnte?“

Das Flirten hat er anscheinend nicht verlernt, dachte Sofia, während sie sich staunend in seinem riesigen Büro umsah. Eine große Ledercouch und ein massiver Schreibtisch aus Mahagoni dominierten den Raum. Eine Glasfront zog sich über die eine Wand und gab den Blick auf den Lake Michigan frei. Allein die Aussicht war Millionen wert.

Er schloss die Tür hinter ihr, und plötzlich waren sie sich ganz nah. Sie spürte die Wärme seines Körpers und errötete noch mehr. Das war ihr seit Monaten nicht passiert. Seit Jahren.

„Was für ein toller Blick“, sagte sie in dem Versuch, das Thema zu wechseln. Sie wollte jetzt nicht über David sprechen.

Eric sah genauso aus, wie sie sich einen Milliardär vorstellte. Bestimmt war sein blauer Anzug maßgeschneidert, dasselbe galt wahrscheinlich für sein hellrosa Hemd mit der passenden Seidenkrawatte. Es hätte sie nicht gewundert, wenn sein Outfit so viel gekostet hätte wie eine der Raten, die sie für ihr Auto zahlte.

Erstaunt stellte sie fest, dass sie in seiner Gegenwart etwas spürte, was sie schon verloren geglaubt hatte … Begehren. Sofia hatte ganz vergessen, wie sich das anfühlte. Und sie hatte geglaubt, ihre derartigen Bedürfnisse zusammen mit ihrem Mann begraben zu haben.

„Du … du hast es anscheinend weit gebracht“, bemerkte sie zögerlich und zwang sich, daran zu denken, warum sie hier war.

Eine Weile blieb er stumm, dann erwiderte er ruhig: „Hast du daran gezweifelt?“

Eric grinste, was seiner Bemerkung die Arroganz nahm und an den Jungen erinnerte, den Sofia gekannt hatte. „Ich habe sehr hart für all das hier gearbeitet. Aber um der Wahrheit gerecht zu werden, hatte ich dank meiner Eltern wahrscheinlich eine bessere Ausgangsposition als die meisten anderen Menschen.“

Dieses Stichwort nahm sie gern auf. „Wie geht es ihnen? Unsere Eltern schicken sich immer noch Weihnachtskarten.“

Eric seufzte und wirkte mit einem Mal sehr viel jünger. „Es geht ihnen gut. Sie sind nur enttäuscht, weil ich immer noch nicht verheiratet bin und keine Kinder habe. Aber sonst ist alles okay. Und bei deinen?“

„Meinen Eltern geht es auch gut. Ich nehme an, du weißt, dass mein Vater angefangen hat, als Makler zu arbeiten. Er hat ein Büro in Wicker Park. Meine Mutter kümmert sich um meine Kinder.“

Abrupt wandte er sich von ihr ab. Hatte sie etwas Falsches gesagt? Es war, als wäre er bei ihren Worten zusammengezuckt.

Er ging auf seinen Schreibtisch zu, doch statt sich hinzusetzen, starrte er hinaus auf den See. Obwohl es noch früh am Morgen war, konnte Sofia ein paar Boote auf dem Wasser erkennen. Als Eric sich halb zu ihr umwandte, zeichnete sich seine Silhouette gegen das Sonnenlicht ab.

„Ich hatte keine Ahnung, dass du geheiratet hast. Meinen herzlichen Glückwunsch!“

Er wollte freundlich sein, doch seine Stimme klang merkwürdig flach, fast ungerührt.

„Oh, ich bin nicht verheiratet. Ich meine, ich war es. Aber mein Mann … er ist gestorben.“ Obwohl es jetzt schon eine Weile her war, brach ihre Stimme immer, wenn sie darüber reden musste. „Vor siebzehn Monaten.“ Nicht, dass sie die Tage – oder die Stunden – seit dem schlimmsten Tag ihres Lebens gezählt hätte.

Sie holte tief Luft und hob das Kinn. „Ich weiß nicht, ob du schon einmal von ihm gehört hast. David Bingham? Wir haben zusammen in einem Maklerbüro in Evanston gearbeitet.“

Jetzt drehte er sich vollends um und machte einen Schritt auf sie zu. Einen Moment lang glaubte sie, dass er sie in seine Arme nehmen wollte – dagegen hätte sie sich nicht gewehrt. Doch dann hielt er inne. „Sofia“, sagte er mit sanfter Stimme. „Das tut mir wirklich leid. Ich hatte ja keine Ahnung. Wie geht es dir jetzt damit?“

In seinen Augen las sie: Das war kein Small Talk, sondern eine ehrliche Frage von einem ihrer ältesten Freunde. Mein Gott, wie sehr hatte sie Eric vermisst!

Es war verführerisch, einfach zu lügen und so zu tun, als wäre alles in Ordnung. Aber das brachte sie nicht übers Herz. Auf diese Frage gab es nun einmal keine leichte Antwort.

„Deshalb bin ich hier. Meine Zwillinge sind …“

„Zwillinge?“, unterbrach er sie und sah sie erstaunt an. „Wie alt sind sie denn?“

„Fünfzehn Monate.“

Er pfiff leise und betrachtete sie von Kopf bis Fuß. Schon wieder errötete sie unter seinem prüfenden Blick. „Ich kann mir vorstellen, wie schwierig das für dich gewesen sein muss. Es tut mir so leid, dass du diesen schweren Verlust erlitten hast.“

Sie nickte stumm. „Ich … ja, danke. Es war wirklich ziemlich hart. Und deshalb bin ich jetzt auch hier. David und ich haben zusammen Häuser verkauft, und seit seinem Tod habe ich … also, ich kann nicht … Ich brauche einfach einen Job mit regelmäßigen Arbeitszeiten, der mir ein geregeltes Einkommen beschert, damit ich für meine Kinder sorgen kann.“ So, sie hatte es gesagt, und es hatte nur ein bisschen wehgetan.

„Wie heißen die beiden?“

„Adelina und Eduardo. Ich nenne sie Addy und Eddy, was meine Mutter hasst.“ Sie holte ihr Smartphone aus der Tasche und rief das jüngste Foto der Zwillinge auf. Mit nassen Haaren saßen die beiden in der Badewanne und grinsten in die Kamera. „Sie passt im Moment auf die beiden auf, aber das ist kein Dauerzustand. Ich würde gern ein Kindermädchen engagieren.“ Und die Rechnungen bezahlen, die sich langsam auf ihrem Küchentisch häuften.

Die Liste von Problemen, die sie mit Geld lösen konnte, war lang. Selbst unter den günstigsten Umständen war der Beruf des Maklers mit langen Arbeitszeiten und einem unregelmäßigen Einkommen verbunden. Aber wenn eine Maklerin kein Haus verkaufen konnte, ohne dabei schluchzend im Wagen zu sitzen, wurde schnell klar, worauf sich das Einkommen belief. Nämlich auf null.

Eric nahm ihr das Smartphone aus der Hand und studierte die Gesichter der beiden Kleinen aufmerksam.

„Sie ähneln dir“, sagte er dann. „Wunderschön.“

Bei diesem ehrlich gemeinten Kompliment errötete Sofia noch mehr. „Danke. Nur ihretwegen mache ich überhaupt weiter.“

Hätte sie nicht ihre süßen kleinen Babys gehabt, für die sie verantwortlich war, hätte sie vielleicht längst aufgegeben. Die Depressionen und die Panikattacken lauerten immer im Hintergrund, aber Addy und Eddy waren für sie viel mehr als nur ihre Kinder. Sie waren auch Davids Kinder und damit alles, was ihr von ihm geblieben war. Sie durfte ihn nicht im Stich lassen. Und sich selbst auch nicht.

Und so hatte sie einfach weitergemacht, erst eine Minute lang, dann eine Stunde lang, einen Tag lang … Und nach und nach war es leichter geworden.

Wortlos betrachtete Eric die Babys einen Moment lang, bis er Sofia einen Platz auf dem Ledersessel vor seinem Schreibtisch zuwies. „Und du willst dich wirklich für den Posten der Büroleiterin bewerben? Dir ist aber klar, dass wir kein typisches Maklerbüro sind, oder?“

Sie hob das Kinn. „Mr. Jenner …“

„Eric. Wir kennen uns schon viel zu lange für solche Förmlichkeiten, findest du nicht auch?“ Die Art, wie er das sagte, klang nach einer ziemlichen Herausforderung. „Außerdem weiß ich gar nicht, ob ich an dich als Mrs. Bingham denken könnte. Für mich wirst du immer Sofia Cortés sein.“

Das konnte sie gut verstehen, denn auch für sie war er immer noch der nette Junge, den sie einmal gekannt hatte. Andererseits konnte sie es sich nicht leisten, diesen Milliardär hinter seinem prächtigen Schreibtisch romantisch zu verklären.

„Das war ich einmal“, erwiderte sie daher. „Aber das bin ich nicht mehr. Wir sind erwachsen geworden, du und ich. Wir sind nicht mehr die beiden Kinder, die miteinander im Pool gespielt haben. Ich brauche diesen Job!“

Ihre Blicke trafen sich, und in seinen Augen sah sie etwas, worüber sie gar nicht zu lange nachdenken wollte.

„Dann gehört er dir.“

2. KAPITEL

Das war ein Fehler. Eric wusste es, noch bevor er die Worte ausgesprochen hatte. Aber jetzt war es zu spät.

Er hatte gerade einer Frau, deren Qualifikation er überhaupt nicht kannte, den Posten seiner Büroleiterin angeboten.

Und das war noch nicht einmal alles. Denn schließlich war sie keine zufällige Bekannte. Sie war Sofia Cortés, mit der er praktisch aufgewachsen war.

Aber sie war nicht mehr das kleine Mädchen von früher. Die Frau vor ihm war … auf jeden Fall war sie erwachsen. Wie sie so vor ihm stand, reichte sie ihm bis ans Kinn. Das schwarze Haar hatte sie zum Knoten gebunden, und Eric verspürte plötzlich den unbändigen Wunsch, seine Hände in ihr Haar zu stecken. Am liebsten würde er den schlanken Nacken, der unter dem Haar sichtbar wurde, berühren.

Doch diesen Gedanken verdrängte er schnell wieder. Warum hatte seine Mutter ihm nicht gesagt, dass Sofia geheiratet hatte? Dass sie Zwillinge hatte und ihr Mann vor Kurzem gestorben war? Bestimmt wusste sie davon.

„Bist du … bist du dir da sicher?“, fragte Sofia verblüfft.

Eric ging es genau wie ihr. Normalerweise nahm er sich viel Zeit, um Kandidaten für einen Job zu überprüfen. Selbst wenn er vorher schon wusste, dass er sie engagieren wollte, wie zum Beispiel Heather für den Empfang. Und er hatte sie ganz gewiss nicht wegen ihres Aussehens genommen, obwohl sie natürlich das perfekte Aushängeschild für die Firma war. Der Grund, sie einzustellen, waren ihre Qualifikation, ihre Intelligenz und ihre rasche Auffassungsgabe gewesen. Außerdem wusste er, dass sie ihm gegenüber immer loyal sein würde, und das war mit Geld nicht zu bezahlen.

Das war etwas, was er von seinem Vater gelernt hatte. Engagiere die besten Talente, bezahle sie gut, und sie werden immer für dich kämpfen. War dies nicht auch der Grund, aus dem Sofia hier war? Weil die Familie Jenner die Familie Cortés immer unterstützt hatte?

„Natürlich“, erwiderte er daher mit einer Selbstsicherheit, die er innerlich nicht wirklich spürte. „Traust du dir den Job denn zu?“

Sofia errötete noch tiefer, was ihm ausnehmend gut gefiel. Nein, sie sah nicht wie eine Witwe mit zwei Kindern aus. Sie war … heiß. Und sehr verlockend.

Natürlich würde er sich nicht auf sie einlassen. Denn eine seiner eisernen Regeln besagte, dass er nichts mit dem Personal anfing. Okay, gegen ein bisschen flirten war nichts zu sagen. Aber er würde nie eine Angestellte in eine peinliche Situation bringen, in der sie nicht Nein sagen konnte, weil er der Boss war.

Eigentlich eine Schande, dass er Sofia engagieren wollte. Denn dann wäre sie ab sofort für ihn tabu. Doch vielleicht war es für sie auch besser so. Sie hatte schon genug Probleme, ohne dass er ihr wie ein Schatten folgen würde.

Sofia räusperte sich. „Also, ich kann dir versichern, dass ich ziemlich schnell bin. Außerdem habe ich eine Menge Erfahrung in der Branche gesammelt, denn seit ich meinen Abschluss am College gemacht habe, habe ich Häuser verkauft. Ich …“ Sie senkte den Blick.

Was hatte sie noch einmal gesagt? Ihr Mann war vor siebzehn Monaten gestorben. Und ihre supersüßen Zwillinge waren erst fünfzehn Monate alt. Beim Gedanken an die beiden stand sein Entschluss fest.

„Du hast den Job. Natürlich wirst du dich erst einarbeiten müssen, aber ich bin sicher, du schaffst das.“

Im Grunde war es ganz einfach. Entweder sie packte es oder nicht. Aber die Chance musste er ihr wenigstens geben. Ansonsten würde sich vielleicht noch eine andere Position für sie finden, in der sie ihre Talente zeigen konnte. Etwas mit geregelten Arbeitszeiten und einem regelmäßigen Gehaltsscheck. Das würde ihr dabei helfen, ihre Kinder großzuziehen.

Nein, kein Zweifel, er musste sie engagieren. Es war das einzig Richtige.

Ihre Augen weiteten sich und nahmen einen warmen Glanz an. „Das … das ist ja wunderbar.“

„Das Anfangsgehalt bei uns beträgt hundertzwanzigtausend Dollar im Jahr“, sagte Eric geschäftsmäßig. „Dazu kommen noch Boni für gute Leistungen. Reicht dir das?“

Sofia riss den Mund auf und sah ihn an, als ob sie ihn noch nie zuvor gesehen hätte. Ja, er konnte es sich leisten, seine Leute gut zu bezahlen, weil er dafür auch Höchstleistung bekam. Aber von ihrem Gesichtsausdruck zu schließen hätte er nicht sagen können, ob er sie beleidigt hatte oder ob sie überwältigt war.

„Das kann doch nicht dein Ernst sein“, stieß sie schließlich hervor.

Eric hob die Augenbrauen. Ein paar tausend Dollar mehr oder weniger waren für ihn nur Peanuts. „Wie wär’s mit hundertfünfundvierzigtausend?“

Jetzt wurde sie blass. „Bist du verrückt? Du kannst doch jetzt nicht noch höher gehen! Hundertzwanzigtausend Dollar sind genug. Mehr als genug.“

Er grinste sie an. „Dein Verhandlungsgeschick lässt sich noch verbessern. Du hättest einfach sagen können: Hundertfünfzig, und es ist ein Deal. Hast du wirklich Häuser verkauft?“ Als sie noch blasser wurde, erkannte er, dass ihr nicht zum Scherzen zumute war. Tatsächlich sah sie so aus, als würde sie im nächsten Moment ohnmächtig werden. „Hey, alles okay?“, fragte er besorgt und ging schnell zur Bar. Mit einer kleinen Flasche Mineralwasser kehrte er zu ihr zurück und reichte sie ihr. Sie atmete schwer.

„Sofia? Alles okay? Atme ganz tief durch.“

Schweigend ließ sie zu, dass er ihr die Flasche in die Hand drückte. Sie ließ auch zu, dass er ihr über die Schultern strich.

Ihre Reaktion überraschte Eric. Was war nur los mit ihr? Normalerweise, wenn er Leuten Geld anbot, konnten sie nicht schnell genug Ja sagen.

Aber diese Frau hier hatte Nein sagen wollen.

Da er nicht wusste, wie er mit der Situation umgehen sollte, fuhr er fort, ihr über den Rücken zu streichen. Er spürte die Wärme ihres Körpers unter ihrem Jackett.

Noch immer rang sie um Luft. Hatte sie vielleicht eine Panikattacke? Er streckte die Hand aus und umfasste ihr Handgelenk, aber ihr Puls schlug zu seiner Erleichterung ziemlich normal.

„Kannst du dich noch an unsere Bootsrennen erinnern?“, fragte er, um sie auf andere Gedanken zu bringen.

„Ja“, erwiderte sie mit leiser Stimme. „Manchmal hast du mich gewinnen lassen.“

Er schüttelte den Kopf. „Nein, das stimmt nicht. Du hast mich geschlagen.“

Jetzt lächelte sie auch. „Das ist sehr nett von dir.“

Als sie sich halb zu ihm umwandte, wurde Eric plötzlich bewusst, wie nah sie beieinander standen. Wenn er sie küssen wollte, bräuchte er sich nur vorzubeugen.

Erinnerungen überfluteten ihn. Ja, er hatte sie schon einmal geküsst – damals, als sie beide noch Kinder gewesen waren. Er hatte mit Marcus gewettet, dass er sie küssen würde. Das hatte er dann auch getan, und Sofia hatte ihn gewähren lassen.

Doch er wusste, wenn er sie jetzt küssen würde, würde es nicht dabei bleiben. Er würde ihre Lippen in Besitz nehmen und …

Automatisch trat er einen Schritt zurück. Was war nur mit ihm los? Er durfte nicht auf diese Weise an Sofia Cortés denken. Schließlich hatte er sie gerade engagiert.

„Mir war gar nicht klar, wie teuer diese Boote waren“, sagte sie.

„Ach“, erwiderte er wegwerfend, „das war doch gar nicht der Punkt. Gib’s zu, wir hatten eine Menge Spaß!“

Sie nickte, während sie ihn aufmerksam ansah. „Wie alt waren wir damals eigentlich? Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie entsetzt meine Mom war, als sie uns dabei erwischt hat.“

„Also, ich war zehn. Alt genug, um es besser zu wissen. Aber es ging ja auch nur um ein paar hundert Dollar. Keine große Sache!“

Sofia verdrehte die Augen. „Vielleicht für dich. Aber meine Mutter hatte eine Riesenangst, dass wir irgendetwas zurückzahlen mussten.“ Jetzt klang sie wieder ein bisschen mehr wie die Sofia, die er von damals kannte. „Und das hätten wir uns nie im Leben leisten können.“

„Deshalb habe ich damals ja auch die Schuld auf mich genommen.“ Mit dem Rücken lehnte er sich gegen die Wand und verschränkte die Arme vor der Brust. In diesem Moment wäre er gern mit ihr auf dem See gewesen und nicht in seinem Büro. Dort, mit der Sonne im Gesicht und dem Wind in seinen Haaren, hätte er bestimmt wieder klar denken können. Hier jedoch fühlte er sich ausgesprochen durcheinander.

Sofia sah ihn erneut an. Sie schien … nun, sie war nicht mehr das Mädchen von damals, das stand fest. Aber vielleicht jemand, mit dem er befreundet sein konnte.

„Du warst schon immer …“, begann sie und brach dann unvermittelt ab.

„Was denn?“

„Nett. Einer der nettesten Leute, die ich je gekannt habe.“ Sie senkte erneut den Blick. „Und das bist du immer noch. Dieser Job …“ Sie schluckte.

Nett? Das hier war nicht nett von ihm, es war total berechnend. Er kaufte die Loyalität seiner Angestellten, und das war in ihrem Fall nicht anders. Und falls das nicht funktionierte, dann würde er ihr so schnell die Klamotten vom Leib reißen, dass sie gar nicht so schnell gucken konnte.

Er lachte über seine Gedanken, doch es klang ein bisschen bitter. „Oh nein, das bin ich nicht. Ich bin skrupellos. Ein erstklassiger, kaltblütiger Mistkerl. Liest du denn keine Zeitungen?“

Eric sah Sofia einen Moment lang herausfordernd an. Dann drehte er sich wieder zum Fenster und blickte stumm auf den See hinaus.

Sie schluckte, denn natürlich hatte sie die Zeitungen gelesen und wusste, dass man ihn am Altar versetzt hatte. Er galt als skrupelloser Geschäftsmann und als einer der fünf begehrtesten Junggesellen Chicagos. Aber nichts davon war er wirklich.

Oder doch?

Auch wenn sie sich lange nicht gesehen hatte, spürte sie instinktiv, dass sie noch immer dieselben Menschen waren wie damals. Er war kein kaltblütiger Mistkerl, egal, was die Leute sagen mochten.

Denn ein kaltblütiger Mistkerl hätte ihr bei einer Panikattacke nicht so liebevoll die Schultern massiert. Er hätte ihr auch kein Wasser gebracht. Er hätte sie ausgelacht und aus dem Büro geworfen.

Vor allem hätte er sie nicht so angeschaut, als wollte er sie küssen. Und dass er das wollte, daran bestand kein Zweifel.

Plötzlich musste Sofia daran denken, wie lange es her war, dass sie zuletzt geküsst worden war. Oh ja, David und sie waren ein leidenschaftliches Liebespaar gewesen, bevor sie schwanger geworden war. Aber danach hatte ihr Körper sich verändert und mit ihm ihr Liebesleben. Ihre Intimität war intensiver geworden und auch reicher – aber das war ein bisschen auf Kosten der Hitze gegangen.

Sie fächelte sich Luft zu. Hier drinnen war es unnatürlich warm.

„Bist du sicher, dass du möchtest, dass ich für dich arbeite? Gute Büroleiterinnen bekommen für gewöhnlich keine Panikattacken.“

„Natürlich bekommen sie die“, sagte er, ohne sich umzuwenden. „Sie wählen nur den Ort dafür besser aus. Ich persönlich kriege meine Panikattacken am liebsten hinter verschlossenen Türen. Niemand will schließlich neben dem Kaffeeautomaten ohnmächtig werden.“ Er wandte sich um und grinste.

„Eric, ich …“

„Passiert das eigentlich oft?“, unterbrach er sie.

„Es … es ist schon besser geworden.“ Wie viel konnte sie ihm erzählen, ohne zu riskieren, dass er sie für unfähig für den Job hielt? „Sie tauchten zum ersten Mal auf, nachdem David zusammengebrochen war. Aber ich hatte schon seit Wochen keine mehr. Ich glaube, ich war einfach nur überwältigt von der Höhe des Gehalts, das du erwähnt hast. Das ist …“

„Großzügig?“

„Verrückt.“ Allerdings war es auch das erste Mal, dass eine Attacke durch etwas Positives ausgelöst worden war. „Eric, so viel Geld kann ich einfach nicht annehmen. Der Job war für siebzigtausend annonciert. Du kannst mein Gehalt nicht einfach verdoppeln, nur weil wir einmal Freunde waren.“

Er schnaubte nur. „Also, zum einen sind wir immer noch Freunde und zum anderen kann ich das sehr wohl. Wer sollte mich aufhalten?“

Hundertzwanzigtausend waren etwas mehr als David und sie zusammen in einem Jahr verdient hatten. Was sie alles damit machen könnte … Aber sie wollte auf gar keinen Fall, dass er es ihr nur aus Mitleid anbot. „Das reguläre Gehalt für eine solche Position beträgt zwischen fünfzig- und sechzigtausend Dollar.“

„Nun ja, aber das hier ist auch mehr als nur ein regulärer Job, so viel kann ich dir versprechen. Klar, die meiste Zeit über wirst du normale Arbeitszeiten haben. Aber vielleicht wird es hin und wieder auch vorkommen, dass du zu bestimmten Baustellen fahren musst. Hier geht es nicht nur darum, neues Papier für den Kopierer zu bestellen. Keine Ahnung, ob dir das bewusst ist, aber für meine Firma arbeiten allein vierzig Anwälte, diverse Agenten, Steuerberater, Lobbyisten …“

„Lobbyisten?“ Zum ersten Mal bekam Sofia es mit der Angst zu tun. Vielleicht übernahm sie sich ja doch mit dieser Position?

Er nickte. „Ja klar, wir brauchen schließlich Leute in den Stadtverwaltungen, die ein Wort bei der Gesetzgebung mitzureden haben. Ich denke da vor allem an ein bestimmtes Projekt in St. Louis, das wir dort geplant haben. Wenn wir unsere Karten richtig spielen, bekommen wir Steuererleichterungen sowohl von der Stadt als auch vom Bundesstaat.“ Er schmunzelte, als ob er in der Lotterie gewonnen hätte.

„Natürlich“, erwiderte Sofia schwach, denn sie wusste nicht, was sie sonst hätte sagen können. Inzwischen hatte sie das sichere Gefühl, dass das Ganze eine Nummer zu groß für sie war.

„Außerdem“, fuhr er fort und klang dabei noch kühler, „was sind schon fünfzigtausend mehr oder weniger für einen Typen wie mich?“

Wahrscheinlich nichts, wenn man Milliardär ist, dachte sie. Doch hier ging es ja auch ums Prinzip. „Aber …“

„Übrigens“, fuhr er fort, als ob sie gar nichts gesagt hätte, „inzwischen habe ich ein noch schöneres Boot. Du solltest mal mitkommen, ich segle am liebsten nachmittags.“

Erneut hatte er sich von ihr abgewandt, aber seinem Ton nach zu schließen war klar, dass das Gespräch über ihr Gehalt zu Ende war.

„Ein Segelboot?“, fragte sie.

„Eine Jacht, um genau zu sein. Und wir werden sie nicht mit einem Felsbrocken versenken. Du brauchst dir also keine Sorgen zu machen. Du könntest … Wenn du magst, könntest du auch die Kinder mitbringen. Bestimmt würde es ihnen viel Spaß machen.“

Was zum Teufel geschah hier? Eric gab ihr einen Job und wollte ihr viel zu viel Geld dafür bezahlen. Und jetzt lud er sie auch noch auf seine Jacht ein? Sie und die Zwillinge? „Eric …“

„Ach, ist auch nicht so wichtig. Wahrscheinlich lässt dir dein Mistkerl von Chef sowieso nicht genügend Freizeit dafür.“ Endlich drehte er sich zu ihr um. Aber als sie sein Gesicht sah, war sie schockiert über seine harten Züge. „Komm mit. Wir wollen doch mal sehen, worauf du dich hier eingelassen hast, okay?“

Wahrscheinlich auf mehr, als ich managen kann, dachte sie, als sie ihm aus seinem Büro folgte und ihn auf die Tour durch Jenner Properties begleitete.

Drei Stunden später war Sofia klar, dass sie der Sache nicht gewachsen war. Sie war sich auch ziemlich sicher, dass Eric es ebenfalls wusste. Aber es schien ihm nichts auszumachen. Immer wieder sah er sie von der Seite an und fragte: „In Ordnung?“, als wollte er unbedingt, dass es so war.

Er setzte viel Vertrauen in sie, und sie war gewillt, ihn nicht im Stich zu lassen. Genauso wenig wie ihre Mom und ihre Kinder. Doch vor allen Dingen ging es hier um sie selbst. Dies war die erste Veränderung, die sie selbst initiiert hatte, seit ihr Leben vor eineinhalb Jahren auf den Kopf gestellt worden war. Dieser Job war der erste Schritt, um ihr Leben wieder in die Hand zu nehmen.

Selbst wenn das bedeutete, dass sie erst einmal improvisieren musste.

„Das hier sind Meryl und Steve Norton“, sagte Eric in diesem Moment und klopfte an die letzte Bürotür. „Meryl ist meine Verhandlungsführerin für das Projekt in St. Louis und Steve der Projektleiter. In diesem Fall hilft es natürlich, dass sie verheiratet sind.“ Und dann, mit erhobener Stimme: „Ihr Lieben, das ist Sofia. Sie ist unsere neue Büroleiterin.“

„Hallo“, sagte Sofia und lächelte. Nachdem Eric sie sechs oder sieben Leuten vorgestellt hatte, hatte er aufgehört, ihren Nachnamen zu nennen.

„Herzlich willkommen“, sagte ein großer, jovial wirkender Mann mit schütterem Haar und erhob sich von seinem Schreibtisch. Sein Lächeln war freundlich, und seine Augen waren warm. „Im Irrenhaus“, setzte er noch hinzu und gab ihr die Hand. „Ich bin Steve. Ich kümmere mich um die Bauunternehmer.“

So groß Steve war, so zierlich war seine Frau. Auch sie trat hinter ihrem Schreibtisch hervor, und ihr Mann legte ihr den Arm um die Schulter. Zu Sofia gewandt erklärte sie: „Hören Sie gar nicht auf ihn. So schlimm ist es hier gar nicht, wenn Sie mit Verrückten umgehen können. Ich bin Meryl, ich bin zuständig für Politiker.“

In diesem Moment klingelte Erics Smartphone. Nach einem kurzen Blick auf das Display sagte er: „Oh, da muss ich rangehen. Sofia, wenn du hier fertig bist, lass dir von Heather zeigen, wo alles ist. Wenn ich danach noch hier bin, schau noch mal kurz bei mir rein. Wenn nicht, sprich bitte mit Tonya. Sie macht deinen Vertrag fertig.“ Damit war er verschwunden.

Den Rundgang hatte Sofia bisher gut überstanden, weil Eric an ihrer Seite gewesen war. Er schien ein gutes Verhältnis zu seinen Angestellten zu haben und behandelte sie offenbar wie ebenbürtige Menschen. Egal, ob sie introvertiert oder extrovertiert waren.

Steve Norton schien eindeutig zur letzten Kategorie zu gehören.

„Es geht das Gerücht um, dass Sie und der Big Boss sich von früher kennen“, sagte er, und seine Augen glitzerten dabei schelmisch.

„Liebling“, sagte Meryl warnend und stieß ihm mit dem Ellenbogen in die Seite. „Misch dich bitte nicht ein.“ Und dann, zu Sofia gewandt: „Hat Mr. Jenner Ihnen erklärt, dass Sie wahrscheinlich auch reisen müssen?“

Sofia nickte. „Ja, er hat es erwähnt. Und was dieses Gerücht angeht … Es stimmt, wir kennen uns von früher, als wir noch Kinder waren. Sein Vater hat meinen Vater in das Maklerwesen eingeführt.“ Unter normalen Umständen hätte sie das nicht erwähnt. Aber sie wollte auf keinen Fall, dass in der Firma über sie und ihn getuschelt wurde. Daher fügte sie noch hinzu: „Unsere Eltern schicken sich noch immer jedes Jahr Weihnachtskarten.“

Amüsiert sah Steve sie an. Meryl sagte zu ihrem Mann: „So, jetzt weißt du’s. Ach, übrigens, Sofia, wir wollen nächsten Monat nach St. Louis fliegen. Es gehört zu Ihren Aufgaben als Büroleiterin, die Reise zu organisieren. Bis jetzt haben Heather und ich das gemacht, aber jetzt würde ich Ihnen gern die Details überlassen. Dann bekommen Sie auch mit, wie Mr. Jenners Arbeitsweise ist. Sie kommen doch aus der Maklerbranche, oder?“

Sie nickte. „Ja, ich arbeite schon seit Jahren in dieser Branche. Allerdings muss ich zugeben, dass das hier ein anderes Level hat.“ Aber gut, einen Businesstrip mit Eric würde sie schon organisieren können. Das dürfte kein Problem sein.

„Dann ist der Trip nach St. Louis ein guter Einstieg“, erklärte Meryl entschlossen. Sie klang wirklich wie jemand, der gut verhandeln konnte. „Bei dieser Gelegenheit können Sie sehen, was Mr. Jenner alles unternimmt, um sich auch kleinere Märkte zu erschließen, und wie Sie ihn dabei unterstützen können. Das Business zu kennen, ist der Schlüssel für das Funktionieren dieses Büros.“

Sofia sah Steve an. Für einen Projektleiter war er ziemlich schweigsam. Ihr kam der Verdacht, dass er ihr gern eine persönliche Frage gestellt hätte, aber seine Frau fuhr einfach fort. „Ich maile Ihnen gleich den Reiseplan zu. Wir freuen uns auf die Zusammenarbeit mit Ihnen. Ach ja, noch etwas: Steve brauchen Sie nicht zu managen. Das ist mein Job!“ Sie zwinkerte Sofia zu.

Ihr Mann protestierte laut, aber ihr war klar, dass das nur Show war. Sie verabschiedete sich von den beiden, und nachdem die Tür hinter ihr ins Schloss gefallen war, hörte sie sie laut lachen.

Einen Moment lang blieb sie im Flur stehen, um sich zu sammeln. Eigentlich hatte sie erwartet, dass ihr Bewerbungsgespräch etwa eine Stunde dauern würde. Aber jetzt war sie schon seit über vier Stunden hier. Bestimmt machte sich ihre Mutter bereits Sorgen. Kritisch würde die Situation allerdings erst dann, wenn die Zwillinge aufwachten.

Erics Büro war rechts von Steves und Meryls, aber seine Tür war geschlossen. Links von Sofia befand sich ein Fenster. Es bot zwar keinen Blick auf den Lake Michigan, aber auch die Skyline von Chicago war atemberaubend.

Sie zog ihr Handy aus der Tasche, um zu sehen, ob sie Nachrichten hatte. Ihre Mutter hatte ihr ein Foto von Addy und Eddy geschickt, die gerade dabei waren, ihr Mittagessen zu vertilgen. Sofias Herz zog sich zusammen, während sie das Bild betrachtete. Als sich herausgestellt hatte, dass sie Zwillinge erwartete, hatte sie sich entschieden, mit der Arbeit zu pausieren. Sie hatte es genossen, sich um ihre Kinder zu kümmern. Aber ehrlicherweise musste sie zugeben, dass es auch einmal ganz nett war, eine Unterhaltung zu führen ohne Geschrei im Hintergrund.

Sie schickte ihrer Mutter eine SMS und ließ sie wissen, wann sie voraussichtlich zu Hause sein würde. Dann sah sie sich noch einmal in den Büroräumen um. Alles war makellos und auf Hochglanz poliert, bis hin zu der kleinen Teeküche.

Dieser Job war ein Meilenstein für sie. Er würde ihr die Möglichkeit geben zu beweisen, dass ihr Leben noch aus mehr bestand, als Witwe und Mutter von Zwillingen zu sein.

Und Eric Jenner war derjenige, der ihr diese Möglichkeit bot.

Sie ging auf die Rezeption zu, hinter der die schicke Heather saß, und räusperte sich.

„Äh, Mr. Jenner hat mir gesagt, ich sollte Sie …“

„Einen Moment, bitte“, schnitt Heather ihr das Wort ab, ohne von ihrem Computer hochzusehen. Sofia schluckte. Dann beendete Heather die Arbeit, an der sie gesessen hatte, und kam hinter dem Tresen hervor. Sie hatte langes blondes Haar, das ihr auf die Schulter fiel, und wirkte so jung und modern, dass Sofia sich dagegen alt und schwerfällig vorkam.

Die junge Frau wies Sofia den Weg zu einem kleinen Abstellraum direkt neben der Treppe. „Hier sind alle Vorräte“, erklärte sie, nachdem die Tür hinter ihr ins Schloss gefallen war. Einen kurzen Moment musterte sie Sofia von Kopf bis Fuß, dann sagte sie unerwartet: „Keine Ahnung, ob Ihnen das schon jemand gesagt hat. Aber wir freuen uns wirklich sehr, dass Sie da sind!“

Überrascht zog Sofia die Augenbrauen hoch. „Im Ernst?“

Heather nickte. „Oh ja, auf jeden Fall. Denn Ihre Vorgängerin … Also, sie wurde schwanger und hat entschieden, dass sie nicht mehr arbeiten möchte. Mr. Jenner war so nett, mir den Job als Büroleiterin anzubieten. Aber ich habe mein Jurastudium noch nicht beendet und möchte später lieber in der Rechtsabteilung arbeiten. Wie Sie sich vielleicht vorstellen können, ist das ziemlich anstrengend … der Job am Empfang, das Studium, und dann musste ich mich auch noch ums Büro kümmern. Deshalb bin ich mehr als froh, dass ich jetzt Ihnen die Regie überlassen kann“, beendete sie ihren Satz und lächelte Sofia an.

Offensichtlich habe ich sie falsch eingeschätzt, dachte Sofia. Nur weil Heather jung und modern war, hieß das noch nicht, dass sie eitel und zickig war. „Arbeiten Sie gern für ihn?“, erkundigte sie sich. „Wie ist er denn so als Boss?“

Heather holte tief Luft. „Er ist der beste Chef, den man nur haben kann. Ich meine, stellen Sie sich vor, die Firma finanziert mir sogar das Studium! Und er hat sogar meiner Verlobten einen Job angeboten, obwohl wir noch nicht einmal verheiratet sind. Wissen Sie, ich hatte solche Vorurteile, was einen Milliardär wie ihn anbetrifft, aber in Wahrheit ist er total bodenständig.“

„Ihr Verlobter?“ Sofia lächelte. „Herzlichen Glückwunsch! Wie heißt er denn?“

Heather erwiderte ihr Lächeln. „Suzanne.“

Sofia stutzte, dann wurde sie rot. „Tut mir leid, ich wollte nicht …“

„Keine Sorge. Was kann ich Ihnen sonst noch über Mr. Jenner erzählen? Na gut, er flirtet ganz gern, aber er würde nie etwas mit einer Angestellten anfangen, so viel kann ich Ihnen verraten. Es gab da mal eine junge Frau, die als Maklerin bei uns angefangen hat. Sie …“

„Ja?“, fragte Sofia gespannt, als Heather verstummte.

„Sie, also, es war ganz klar, dass sie versucht hat, sich an ihn ranzumachen. Einen Monat später war sie weg.“

„Er hat sie gefeuert?“

„Nein, das kann man so nicht sagen. Sie bekam ein besseres Jobangebot von der Konkurrenz, aber den Gerüchten nach steckt Mr. Jenner dahinter. Ich habe persönlich mit angehört, wie er den Nortons erzählt hat, dass Wyatt genau das bekommen hat, was er verdient.“

Wyatt – hatte es damals nicht einen kleinen Jungen namens Robert Wyatt gegeben? Wenn es der Junge war, an den sie dachte, hatte er damals versucht, sich an sie heranzumachen, während Eric im Bad war.

Sofia hatte das getan, was ihr Vater ihr geraten hatte: Sie hatte Wyatt ein Knie zwischen die Beine gerammt. Später hatte Eric seinen sogenannten Freund gefunden, wie er auf dem Boden gelegen und vor Schmerz gejault hatte.

„Kennen Sie sich von früher?“, erkundigte Heather sich neugierig. Anscheinend hatte dieses Gerücht schon die Runde gemacht. Da sie in der anderen eine Verbündete ahnte, nickte Sofia.

„Ja, wir sind zusammen aufgewachsen. Sein Vater hat meinem Vater ermöglicht, als Makler zu arbeiten. Mein Eindruck ist, dass Eric noch genauso nett ist wie früher.“

„Oh, unbedingt. Es ist nicht das viele Geld, was ihn verändert hat, so viel steht fest.“ Dann wechselte Heather das Thema und zeigte auf die Regale. „Hier bewahren wir die Küchenvorräte auf. Rechts unten sind …“

Während sie weitersprach, schweiften Sofias Gedanken noch einmal zu Eric ab. Was hatte Heather mit der letzten Bemerkung wohl gemeint? Aber war das im Grunde nicht egal? Eric bot ihr eine einmalige Chance und schenkte ihr sein Vertrauen.

Sie würde alles tun, um ihn nicht zu enttäuschen.

Und deshalb musste sie jetzt lernen, wo der Kaffee bestellt wurde.

3. KAPITEL

Unter normalen Umständen wäre Eric längst auf seiner Jacht gewesen. Es gab nur einen Grund dafür, warum er immer noch am Schreibtisch saß. Sofia. Irgendwie konnte er die Firma nicht verlassen, bis er wusste, ob sie den Job annahm oder nicht.

Sofia … Er konnte sich nicht erinnern, wann er sie das erste Mal gesehen hatte. Sie war immer da gewesen. Sie hatten sich auch nie richtig voneinander verabschiedet, als er damals aufs College gegangen war.

Sofia war immer ein Teil seines Lebens gewesen und dann urplötzlich aus seinem Leben verschwunden. Und jetzt war sie auf einmal wieder da. Als Witwe und Mutter von zwei kleinen Kindern, die von ihr abhängig waren.

Deshalb konnte sie es sich auch gar nicht leisten, sein Angebot abzulehnen.

In diesem Moment klopfte es leise an der Tür. Eric blickte auf.

„Ja?“

Da war sie, die Frau, an die er die ganze Zeit denken musste. Sein Atem stockte bei ihrem Anblick. Er hatte das Gefühl, dass sie mit jeder Minute noch hübscher wurde.

„Du bist ja noch da“, stellte sie fest und sah ihn mit großen Augen an. „Ich dachte, du wärst längst beim Segeln.“

Er grinste sie an. Bestimmt hatte es nichts zu bedeuten, dass sie sich noch daran erinnerte, wie sehr er das Wasser liebte. Für ihn war es so wichtig, wie für andere die Luft zum Atmen. „Ja, wie du siehst, bin ich immer noch da“, nickte er. „Bitte setz dich doch. Ich lese mir gerade deinen Vertrag durch.“

Er betrachtete sie, während sie durch den Raum ging und vor seinem Schreibtisch Platz nahm. Sie wirkte ein bisschen schüchtern, aber nicht so, als wäre sie kurz vor einer weiteren Panikattacke.

„Ich nehme nicht an, dass du mein Gehalt angemessen verändert hast?“

„Einhundertzwanzigtausend Dollar sind doch ziemlich angemessen, Sofia.“

Sie lachte. „Und was machst du, wenn ich so viel Geld nicht wert bin?“

Was sollte denn diese Frage? Meinte sie das ernst? „Das habe ich jetzt gar nicht gehört“, erwiderte er. „Bitte hör endlich damit auf, so zu tun, als würdest du nicht hierher gehören.“

„Ich gehöre nicht hierher. Du bist derjenige, der versucht, mich für diese Welt hier passend zu machen.“

Er schüttelte den Kopf. „Wo ist eigentlich dein Problem? Du wolltest den Job, und ich habe ihn dir gegeben.“ Er schob ihr den Vertrag zu.

Sie nahm ihn, und Eric fuhr fort: „Das ist unser Standardvertrag mit den üblichen Zusätzen, was Altersvorsorge, Boni und die Verschwiegenheitsklauseln angeht. Du kannst ihn gern mit nach Hause nehmen und gründlich studieren. Wenn du dich dazu entschließen solltest, den Job anzunehmen, wäre es mir recht, wenn du nächste Woche anfangen könntest. Aber Sofia?“ Sie blickte zu ihm hoch, den Vertrag in der Hand. „Du wirst den Job annehmen.“

Prüfend sah er sie an, auf das Schlimmste vorbereitet. Vielleicht kam jetzt eine weitere Panikattacke? Doch nichts geschah. Stattdessen runzelte sie nur die Stirn.

„Diese Diskussion kann ich anscheinend nicht gewinnen, oder?“

„Natürlich nicht. Besonders nicht, weil ich weiß, dass ich recht habe.“

„Was wirst du deinen Eltern erzählen?“

Er blinzelte und sah sie überrascht an. Damit hatte er nicht gerechnet. „Ich glaube nicht, dass ich ihnen überhaupt davon erzählen werde.“ Obwohl das natürlich nicht ging, das wusste er.

Weil er nämlich unbedingt erfahren wollte, warum seine Mutter ihn über das, was Sofia machte, nicht auf dem Laufenden gehalten hatte. Und wenn er sie danach fragen würde, musste er ihr auch sagen, dass sie jetzt für ihn arbeitete.

„Ich nehme an, deine Eltern wissen, wo du bist?“, erkundigte er sich.

Sie nickte und sah wieder auf den Vertrag in ihrer Hand. „Sie haben sich Sorgen gemacht.“

„Weshalb?“ Die Familie Cortés hatte doch hoffentlich nichts davon mitbekommen, dass er am Altar stehen gelassen worden war.

„Nun, sie wünschen mir natürlich Erfolg, aber ich glaube, sie befürchten, dass dieser Job eine Nummer zu groß für mich ist.“ Sie sah ihn an. „Vielleicht sollte ich dir das gar nicht erzählen“, fuhr sie fort. „Denn die Wahrheit ist schließlich, dass wir keine Freunde mehr sind. Wir sind alte Bekannte, die sich nur deshalb kennen, weil meine Eltern für deine gearbeitet haben.“ Inzwischen war sie lauter geworden. Die Situation setzte ihr mehr und mehr zu. „Jetzt bist du mein Boss, und ich sollte dir gar nichts über die Hoffnungen meiner Familie oder meine Panikattacken erzählen. Das solltest du eigentlich gar nicht wissen!“ Die letzten Worte hatte sie fast hinausgeschrien.

Von der Heftigkeit ihrer Gefühle überrascht lehnte er sich in seinem Stuhl zurück.

„Oh Gott“, stieß Sofia hervor, „Und auf keinen Fall sollte ich dich anschreien. Irgendwie habe ich das Gefühl, als würde ich alles falsch machen.“

Da war Eric geneigt, ihr zuzustimmen. Eigentlich hätte er ihr die Tür weisen müssen. Warum tat er es nicht?

Wann hatte zuletzt jemand in diesem Ton mit ihm gesprochen? Außer seinen Eltern ganz bestimmt niemand. In seiner Firma schlichen alle um ihn herum wie um eine Bombe, die jeden Moment losgehen konnte. Und selbst Marcus, der sonst nie mit seiner Meinung zurückhielt, hatte vor ihm den Schwanz eingezogen.

Aber alles, woran er denken konnte, war, wie sehr er Sofia vermisst hatte. Und dass er hoffte, dass auch sie ihn vermisst hatte. „Ich glaube, du brauchst einen Freund.“

Misstrauisch blickte sie ihn an, doch dann lächelte sie. „Du vielleicht auch.“ Abrupt griff sie nach ihrer Handtasche und erhob sich. „Ich werde diesen Job annehmen, weil du recht hast, ich brauche ihn. Aber was ich nicht brauche, ist dein Mitleid. Du schuldest mir kein höheres Gehalt oder irgendwelche Sondervergünstigungen. Ich bin deine Angestellte. Vergiss das nicht!“

Das war eine der wirkungsvollsten Zurechtweisungen, die er je erhalten hatte. Sie war so perfekt, dass er ihr lächelnd nachschaute, als sie sein Büro verließ.

„Mama!“, riefen die Zwillinge unisono, als Sofia an diesem Abend die Wohnung betrat. Sie war immer noch ein bisschen durcheinander. Zum Glück fühlte sich hier, im Haus ihrer Eltern, alles so an wie immer.

„Babys!“, rief sie zurück, so wie jedes Mal, wenn sie von ihnen getrennt gewesen war. Sie öffnete die Arme, und die beiden stürzten sich auf sie, sodass sie in ihren High Heels fast gestolpert wäre. „Na, wart ihr heute auch lieb zu eurer Oma?“, fragte Sofia, während sich ihre Mutter mühsam vom Boden erhob, wo sie gesessen hatte.

„Ja, sie waren sehr lieb“, erwiderte ihre Mutter und sah sie erwartungsvoll an. „Was ist? Hast du den Job bekommen?“ Sie zögerte kurz und setzte dann schnell hinzu: „Hat er sich noch an dich erinnert?“

Sofia ging hinüber zur Couch, die wahrscheinlich noch älter war als sie, während die beiden Kleinen sich an sie klammerten und vergnügt jauchzten. Addy sprang gleich auf ihren Schoß und summte zufrieden, während Eddy nach einem Blatt Papier griff, auf das er etwas in bunten Linien gemalt hatte. Stolz reichte er das Bild seiner Mutter.

„Oh, wie hübsch“, sagte sie bewundernd. Eddy versuchte ihr zu erzählen, was er da gemalt hatte, und sie lächelte. Die Zwillinge konnten noch nicht richtig sprechen, aber sie hatten eine Menge zu erzählen.

Nun sprang Addy von ihrem Schoß und holte ihr Bild, um es Sofia zu zeigen und so ihre Aufmerksamkeit zu gewinnen. Die beiden konkurrierten stets miteinander, und manchmal endete das in Tränen.

Nachdem sie auch Addys Bild ausgiebig bewundert hatte, lehnte sie sich in die alten Kissen zurück, während die Zwillinge mit dem Malen fortfuhren. Selbst als ihr Vater angefangen hatte, als Makler zu arbeiten und sie in dieses kleine Ranchhaus eingezogen waren, hatten sie kein Geld für neue Möbel ausgegeben.

Auch wenn die Cortés‘ inzwischen geachtete Mitglieder der Mittelschicht waren, drehten sie noch immer jeden Penny um. So war Sofia aufgewachsen, deshalb hatte sie sich auch immer über Davids unbekümmerten Umgang mit Geld gewundert. Wenn er ein neues Telefon oder einen neuen Computer brauchte, ging er einfach hin und kaufte es. Fast all ihre Streitigkeiten hatten sich um Geld gedreht. Sie war stets dagegen gewesen, es auszugeben, und er hatte nie verstehen können, warum sie sich nicht hin und wieder etwas gönnte.

Und Eric war natürlich noch hundert Millionen Mal schlimmer als sie. Das teuerste, was David – außer ihrem Verlobungsring – je erstanden hatte, war ein Flachbildfernseher für siebentausend Dollar gewesen.

Eric hingegen hatte ihr fünfzigtausend Dollar mehr Gehalt angeboten, einfach so. Das war natürlich total idiotisch von ihm. Aber war es nicht auch dumm von ihr, sein Angebot zurückzuweisen? Schließlich konnte sie das Geld gut gebrauchen. Sonst wäre sie kaum wieder zu ihren Eltern gezogen.

Sofia stieß einen tiefen Seufzer aus. Eric hatte recht. Fünfzigtausend waren der Verdienst eines ganzen Jahres für sie. Er hingegen verdiente diese Summe wahrscheinlich in einer Viertelstunde. Außerdem war sie nicht in der Position, diese Summe zurückweisen zu können.

In diesem Moment erschien ihre Mutter mit einem Glas Limonade. Beunruhigt sah sie Sofia an. „Na?“

„Ja, er hat sich an mich erinnert. Und ich habe den Job.“ Sie nahm das Getränk entgegen und nahm einen großen Schluck. „Aber er zahlt mir viel zu viel Geld.“

Ihre Mutter lächelte. „Das machen die Jenners doch immer. Sie sind eben sehr großzügig.“

Sofia sah ihre Mutter an. Rosa Cortés hatte ihr Leben lang gearbeitet, um gut für sie sorgen zu können. Aber erst als sie überraschend Witwe geworden und mit ihren Zwillingen zu ihr gezogen war, war Sofia klar geworden, wie wichtig ihr die Unterstützung ihrer Mutter war.

Ihre Mom hatte ihr immer alles gegeben. Es war an der Zeit, dass Sofia sich dafür revanchierte. „Hör zu, ich werde dich jetzt dafür bezahlen, dass du auf die Kinder aufpasst. Und ich werde jemand engagieren, der dich dabei unterstützt.“

Stirnrunzelnd sah Rosa sie an. „Auf gar keinen Fall“, widersprach sie energisch. „Ich liebe es, Zeit mit meinen Enkeln zu verbringen. Das ist doch kein Job!“

„Das sehe ich anders. Du hast dich immer um mich gekümmert, Mom, und dafür bin ich dir wirklich dankbar. Aber jetzt möchte ich mich um dich kümmern.“

„Vergiss es!“

„Na gut, wenn du das nicht willst, zahle ich das Geld in einen Pensionsfonds für dich ein. Und ich werde ein Kindermädchen engagieren. Das ist nicht mehr verhandelbar. Außerdem kann ich dir jetzt schon sagen, dass Dad mich dabei unterstützen wird.“

Ihr Vater hatte ihr unter vier Augen schon einmal gestanden, dass er glaubte, die Zwillinge wären zu viel für seine Frau.

Plötzlich machten sich die beiden Kleinen wieder bemerkbar, und ihre Mutter, die sonst bestimmt widersprochen hätte, wandte sich ihnen zu.

„Ich glaube, ihr zwei braucht einen Snack“, sagte sie und hatte sofort die ganze Aufmerksamkeit der Kinder.

Lächelnd sah Sofia den dreien zu. Sie hatte Fotos von David in diesem Alter gesehen, und Eddy sah genau aus wie er. Addys Haar hingegen war ein bisschen dunkler, und ihr Gesicht war runder – genau wie bei ihr als Kind.

Sie lehnte sich entspannt in die Couch zurück, froh über diesen Moment der Stille. Vielleicht hatte ihre Mutter recht, vielleicht sollte sie sich wegen des astronomischen Gehalts nicht so einen Kopf machen. Eric war großzügig, und das bestimmt nicht nur ihr gegenüber. Für einen Typen wie ihn war Geld bestimmt nie ein Problem.

Aber obwohl sie sich das einzureden versuchte, fühlte sich das Ganze für Sofia irgendwie gefährlich an. Es war nicht nur das viele Geld, es hatte vor allem etwas damit zu tun, wie er sie angeschaut hatte. Irgendwie verloren hatte er gewirkt. Plötzlich musste sie wieder daran denken, dass man ihn am Altar versetzt hatte. Hatte ihn das vielleicht an sich zweifeln lassen? Hatte es sein Leben verändert, und er wusste jetzt nicht mehr, wer er war?

Wie sehr hatte es ihn erschüttert? Und wie war es ihm gelungen, nach diesem tiefen Fall wieder aufzustehen und einfach weiterzumachen?

Ungehalten schüttelte sie den Kopf. Das war unwichtig. Sie konnte ihm nicht mehr dieselbe Freundin sein wie früher. Ihr Verhältnis war jetzt ein geschäftliches. Außerdem war von ihrem Herzen nicht mehr viel übrig geblieben, was man noch hätte zerbrechen können.

„Ach, David, was soll ich nur tun?“, flüsterte sie und spürte Tränen in den Augen. Sie erhielt keine Antwort, aber sie erwartete auch keine.

Immerhin hatte sie jetzt einen Job. Damit konnte sie ihre Rechnungen bezahlen, ein Kindermädchen engagieren und aufhören, sich nur von Tag zu Tag zu hangeln. All dies konnte sie tun, ohne dass sie sich deshalb in Erics Leben einmischen musste. Sie würde sich ihm gegenüber strikt professionell verhalten und ihm ganz bestimmt nicht mehr sagen, dass sie nicht für den Job qualifiziert war. Auch wenn sie nicht in seine Welt gehörte, konnte sie doch so tun als ob, bis sie alles im Griff hatte.

Der Job gehörte ihr. Sie würde ihn für ihre Kinder und ihre Eltern annehmen.

Vor allem jedoch für sich selbst. Sie brauchte die Arbeit und das Geld.

Das Einzige, was sie stets im Gedächtnis behalten musste, war, dass sie Eric nicht brauchte.

„Darling“, sagte Elise Jenner. Sie saß hinter ihrem Schreibtisch in ihrem Arbeitszimmer. Das ihres Mannes war mit ihrem durch eine Tür verbunden, aber die war geschlossen. Denn im Gegensatz zu ihr war John Jenner ziemlich chaotisch, und sie hatte Angst, dass dieses Chaos zu ihr herüberschwappen würde.

Eigentlich war das Zimmer von Erics Mutter mehr ein Boudoir als ein Arbeitszimmer. Antike Möbel, geschwungene Biedermeierstühle mit einer pink- und goldfarbenen Polsterung ließen alles ziemlich überladen erscheinen. Eric konnte sich nie daran gewöhnen und hielt mit seiner Meinung darüber nicht hinter dem Berg.

„Wir haben dich heute gar nicht erwartet.“ Seine Mutter betrachtete ihn, während er seine Schuhe auszog und dann auf sie zukam. Seine Füße versanken fast im weichen Perserteppich. „Was ist los?“

„Warum hast du mir nicht erzählt, dass Sofia Cortés geheiratet hat? Und dass sie Zwillinge hat und jetzt Witwe ist?“

Überrascht sah Elise Jenner ihren Sohn an. „Weil … Nun, um ehrlich zu sein, hätte ich nicht gedacht, dass dich das interessieren würde. Du hast mich nie nach ihr gefragt. Wie kommst du gerade jetzt darauf?“

„Warum hätte mich das nicht interessieren sollen?“, fragte er, ohne die zweite Frage zu beantworten. „Sie war schließlich meine beste Freundin, als ich noch ein Junge war. Und damals hast du unsere Freundschaft gefördert, wenn ich mich recht erinnere.“

Elise neigte den Kopf und sah ihn forschend an. Trotz ihrer Vorliebe für üppiges Design, war sie kein weicher Typ. Sie kultivierte ein extravagantes Image, nutzte es aber schamlos zu ihrem Vorteil. „Was ist passiert, mein Lieber?“

Eric erkannte, dass es ein Fehler gewesen war, herzukommen. Er wollte Antworten bekommen, nicht einem Verhör unterzogen werden. Aber der Tag mit Sofia hatte ihn irgendwie durcheinandergebracht. „Ich habe sie heute eingestellt. Sie ist meine neue Büroleiterin.“

„Oh!“

Eric sah seine Mutter streng an. „Aber weil du es nicht für nötig gehalten hast, mich über sie zu informieren, habe ich mich ihr gegenüber ziemlich zum Narren gemacht. Ich hatte ja keine Ahnung, dass sie Mutter von Zwillingen ist.“

„Verstehe.“ Elise nickte, und er konnte ihr förmlich ansehen, was ihr gerade durch den Kopf ging.

„Wann kommt Dad nach Hause?“, fragte er in dem Versuch, das Thema zu wechseln. Plötzlich sehnte er sich nach seinem Vater. Zu gern hätte er jetzt mit ihm in seinem chaotischen Arbeitszimmer gesessen, ein Bier getrunken und sich Fußball angeschaut. Mit ihm hätte er nicht über Babys sprechen müssen.

Elise wedelte mit den Händen. „Er schaut sich eine Wohnung an der Gold Coast an, die seit über vierzig Jahren nicht zum Verkauf stand. Sie liegt nahe am Pier, hat einen fantastischen Ausblick und bietet mehr als genug Platz für eine Familie mit Kindern.“ Sie lächelte ihn an. „Du solltest sie dir einmal anschauen. Die Wohnung muss zwar dringend renoviert werden, aber davon abgesehen …“

Auch wenn seine Eltern schon halb im Ruhestand waren, waren sie so lebendig und vital wie eh und je. Seine Mutter war weit über sechzig, aber das sah man ihr nicht an.

Doch auch wenn sie nicht wie eine Oma aussehen wollte, bedeutete das nicht, dass sie keine Enkelkinder haben wollte.

Eric seufzte. Oh ja, es war eindeutig ein Fehler gewesen, herzukommen.

„Mom, bitte lass uns wenigstens heute nicht über das Thema Enkel sprechen, okay?“

„Warum nicht?“ Sie sah ihn mit einem unschuldigen Lächeln an, und einen Moment lang wähnte er sich in Sicherheit. Doch dann setzte sie hinzu: „Warum verunsichert es dich so, dass Sofia Kinder hat?“

„Das verunsichert mich doch gar nicht“, erwiderte er genervt und begann, unruhig im Zimmer auf und ab zu gehen. „Es überrascht mich nur. Ich wusste eben nicht …“

„Dass sie sich ein eigenes Leben aufgebaut hat?“, ergänzte Elise ruhig. „Nun ja, so ist das nun einmal. Sie wird sich verändert haben, genau wie du, Liebling. Aber weißt du, was ich herausgefunden habe?“

„Was denn?“, fragte Eric und blieb mitten im Zimmer stehen. Seine Mutter ging um ihren Schreibtisch herum auf ihn zu und legte ihm die Hände auf die Schultern.

„Je mehr sich die Dinge ändern, desto mehr bleiben sie wie sie sind.“ Und obwohl er ihr gegenüber so abweisend gewesen war, umarmte sie ihren Sohn. Zögernd erwiderte Eric die Umarmung.

„Ich hoffe, sie macht ihren Job gut“, erklärte seine Mutter. „Du weißt ja, wie sehr ich sie immer gemocht haben. Sie war ein aufgewecktes, hübsches Mädchen und eine wirklich gute Freundin für dich.“

Ja, es hat sich eine Menge geändert, dachte Eric. Sofia war nicht mehr das junge Mädchen von damals. Sie war eine wunderschöne erwachsene Frau geworden, die einen herben Verlust erlitten hatte.

Trotzdem war sie noch genauso intelligent und sympathisch wie eh und je. Und egal, was sie sagte, in seinen Augen waren sie immer noch Freunde.

Denn manche Dinge änderten sich nie.

Die meisten der folgenden Nachmittage verbrachte Eric an Bord der Jennerosity, weit weg von der lärmenden Stadt. Hier auf dem Wasser konnte er endlich durchatmen und frische Energie tanken.

Ein paarmal war er versucht gewesen, Sofia zu fragen, ob sie mitkommen wolle. Er hatte die Hand schon auf die Türklinke ihres Büros gelegt, und die Frage war auf seinen Lippen gewesen. Doch im letzten Moment hatte er es sich anders überlegt. Denn wie hätte es ausgesehen, wenn er seine neue Büroleiterin gefragt hätte, ob sie sich nicht den Nachmittag freinehmen wolle, um ihn auf eine Bootstour zu begleiten? Es hätte schlecht ausgesehen, und deshalb hatte er es gelassen.

Natürlich arbeitete er auch viel. Er hatte einen kleinen Trip nach St. Louis gemacht, um sich von den Fortschritten des Projekts zu überzeugen. Das machte er meist, ohne sich vorher anzukündigen. Aber alles schien sich zu seiner Zufriedenheit zu entwickeln, ohne dass er eingreifen musste.

Leider hatte er die ganze Zeit über an Sofia denken müssen, was ihn ziemlich abgelenkt hatte. Nach seiner Rückkehr hatte er sich diskret bei Heather erkundigte, wie sie sich eingearbeitet hatte, und eine positive Rückmeldung von ihr bekommen.

Auch Meryl und Steve schienen von Sofias Arbeit überzeugt zu sein. Sie war gut organisiert und hatte eine schnelle Auffassungsgabe. Wenn sie etwas nicht wusste, scheute sie sich nicht, Fragen zu stellen.

„Sie ist noch ein bisschen schüchtern“, meinte Meryl. „Aber sie kann gut zuhören.“

„Ja, das sehe ich auch so“, pflichtete Steve ihr bei.

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