Collection Baccara Band 398

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HOCHZEIT MIT DEM SEXY BOSS von CANTRELL, KAT
Ihr attraktiver Boss macht Tilda einen Antrag - und trotz aller Vorsicht bei Männern sagt sie Ja! Eine Scheinehe ist ihre einzige Chance, um im Land zu bleiben und weiter für CEO Warren Garinger zu arbeiten. Doch schon der Hochzeitskuss ist gefährlich betörend …

VERFÜHRT VON HEIßEN BLICKEN von YATES, MAISEY
Die verrückte Anzeige kommt wie gerufen für Danielle: Rancher Joshua Grayson sucht eine Frau, die seiner Familie nicht gefällt. Die Bezahlung stimmt, Danielle bewirbt sich und bekommt den Job. Leider hat sie vergessen, das Kleingedruckte zu lesen: verlieben verboten!

HÖCHSTE ZEIT FÜR ECHTE LIEBE von SCHIELD, CAT
Wird er jemals mehr für sie empfinden? Die schöne Sängerin Melody weiß es nicht, denn trotz ihrer intensiven Affäre lässt Millionär Kyle Tailor tiefe Gefühle einfach nicht zu. Doch als Melody in Gefahr gerät, ist die Zeit der Kompromisse vorbei! Jetzt zählt nur echte Liebe …


  • Erscheinungstag 09.10.2018
  • Bandnummer 0398
  • ISBN / Artikelnummer 9783733725013
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Kat Cantrell, Maisey Yates, Cat Schield

COLLECTION BACCARA BAND 398

KAT CANTRELL

Hochzeit mit dem sexy Boss

„Sie dürfen die Braut jetzt küssen.“ Genau das macht Warren – und brennt plötzlich lichterloh für Tilda. Dabei heiratet der CEO die schöne Unternehmensberaterin nur, damit sie nicht zurück nach Australien muss. Von mehr war nicht die Rede. Schon gar nicht von Leidenschaft, die ihn an sinnliche Stunden im Ehebett denken lässt!

MAISEY YATES

Verführt von heißen Blicken

Falsche Frau fürs Leben gesucht! Das soll seinem Vater eine Lehre sein: Zum Schein will Joshua Grayson eine Frau heiraten, die so gar nicht in seine reiche Familie passt. Dann hört sein alter Herr hoffentlich auf, ihn verkuppeln zu wollen. Joshua schaltet eine Anzeige, und plötzlich steht Danielle Kelly vor seiner Tür: süß, verzweifelt und viel zu verführerisch …

CAT SCHIELD

Höchste Zeit für echte Liebe

Von wem sind bloß die roten Rosen in Melodys Apartment? Millionär Kyle Tailor weiß, dass sie an ihrer Beziehung zweifelt: Melody wirft ihm vor, dass er nicht an die große Liebe glaubt. Aber auf keinen Fall will er sie verlieren! Plötzlich verspürt Kyle heiße Eifersucht – und dann macht Melody ihm ein verblüffendes Geständnis …

1. KAPITEL

Bestimmt kursierte unter den Frauen der Stadt ein Handbuch mit dem Titel „Wie ich einen Mann abserviere“. Anders war es kaum zu erklären, dass Warren Garinger gerade zum vierten Mal per Textnachricht den Laufpass erhalten hatte.

Du bist der schlimmste Workaholic unter der Sonne. Ich hoffe, du und deine Firma werdet glücklich miteinander.

Die drei vorangegangenen Nachrichten waren fast wortgleich gewesen. Warren glaubte nicht, dass die Bemerkungen als Kompliment gemeint waren. Aber die betreffenden Frauen hatten ja auch keine Ahnung, was es einem abforderte, einen milliardenschweren Mischkonzern zu führen. Die Familie Garinger zeichnete verantwortlich für die Abfüllung und den Absatz von fünfzig Prozent der weltweit verkauften Energydrinks. Egal, wohin man auch schaute, das fliegende Eichhörnchen auf dem Firmenlogo war schon da.

Warren hatte die Erfahrung gemacht, dass Frauen weder beurteilen konnten, welche Anstrengungen es kostete, so erfolgreich zu sein, noch wussten sie es zu schätzen.

Tilda steckte den Kopf durch den Türspalt in sein Büro. „Hast du eine Minute Zeit?“

Für dich immer, dachte Warren bei ihrem Anblick und nickte.

Tilda Barrett war die einzige Frau, für die er immer Zeit hatte. Zum Teil weil ihm ihr australischer Akzent mehr gefiel, als gut für ihn war. „Natürlich. Komm rein.“

Aber vor allem mochte er Tilda, weil sie in ihrer Funktion als Vertriebsberaterin seine Erwartungen bei Weitem übertraf. Und das wollte etwas heißen, denn seine Erwartungen waren immer hoch. Das galt sowohl für die Erwartungen an ihn selbst als auch für die an andere, mit denen er zu tun hatte. Das fliegende Eichhörnchen war längst nicht so erfolgreich auf dem australischen Markt, wie er es gern hätte. Und Tilda war dabei, das zu ändern. Langsam, aber sicher.

„Ich habe mir die Verkaufszahlen nach deiner neuen Werbekampagne angesehen. Sie sind sehr vielversprechend“, sagte er, während Tilda sein helles Eckbüro betrat, von dem aus man einen wunderbaren Blick auf die Innenstadt von Raleigh hatte. Allerdings schaute Warren selten aus den großen Fenstern – außer um die Wetterlage einzuschätzen, wenn es eine größere Sportveranstaltung gab, die von seiner Firma gesponsert wurde.

Er schenkte Tilda sofort seine volle Aufmerksamkeit. Das lag an der Bedeutung, die sie für seine Firma hatte, aber auch an der Rolle, die sie in seinem Kopf spielte. Ja, es gab einen Tagtraum oder auch zwei mit Tilda Barrett in der Hauptrolle. Er weigerte sich energisch, sich dafür zu schämen, dass ihm ihre weiblichen Rundungen unter ihrer steifen und zugeknöpften Geschäftskleidung nicht entgangen waren. Keine Strähne hatte es je gewagt, sich aus ihrem ordentlich aufgesteckten Haarknoten zu lösen. Tilda war die professionellste Frau, die er je kennengelernt hatte. Sie kamen prächtig miteinander aus.

„Die Zahlen könnten besser sein“, erwiderte sie. Sie gab sich mit Teilerfolgen nie zufrieden, sondern strebte stets Erfolg auf der ganzen Linie an.

Warren betrachtete es als einen besonderen Glücksfall, sie in seinem Team zu haben.

Tilda rückte einen Stuhl an die rechte Seite seines Schreibtischs. Das tat sie immer, wenn sie eine Besprechung in seinem Büro hatten. Ihr Hauptkonkurrent, Down Under Thunder, beherrschte den australischen Markt. Warren wollte das schon seit Langem ändern, aber erst mit Tilda und ihren strategischen Fähigkeiten hatte er die geeignete Mitarbeiterin gefunden.

„Aber deshalb bin ich nicht gekommen“, sagte sie und hielt zögernd inne.

Warren stutzte. Es sah ihr überhaupt nicht ähnlich zu zögern. Irgendetwas war passiert. Die Dynamik zwischen ihnen hatte sich geändert. Normalerweise arbeiteten sie so gut zusammen, dass er kaum zum Sprechen angesetzt hatte, da hatte sie seine Gedanken schon erraten. Andersherum war es genauso. Aber jetzt hatte er nicht die geringste Ahnung, was sich hinter ihrem ausdruckslosen Gesicht abspielen mochte.

Warren beugte sich vor und faltete die Hände auf der Tischplatte, auf der sich nichts weiter befand als ein Laptop und ein Handy. Den Papierkram erledigten andere Leute. Das war der wichtigste Grundsatz seiner Philosophie als Geschäftsführer, die es ihm erlaubte, sich auf Ideen und Strategien zu konzentrieren, anstatt sich mit Einzelheiten aufzuhalten. Zu Thomas passte die Rolle des operativen Geschäftsführers wie eine zweite Haut, und Warren hatte seinem jüngeren Bruder bereitwillig die Zügel für das Tagesgeschäft überlassen. Er selbst hatte sehr viel mehr Spaß daran, in seinem Eckbüro den Blick für das Große und Ganze zu behalten.

„Sprich bitte ganz offen“, bat er Tilda. Bisher musste er sie nie dazu auffordern, mit ihren Ansichten herauszurücken. Das war nicht nötig gewesen. Sie war ihm immer vorgekommen wie eine weibliche Ausgabe seiner selbst. Engagiert, zielstrebig und direkt, aber niemals übermäßig vertraulich.

In diesem Moment fühlte es sich allerdings ganz anders an, und das gefiel ihm nicht besonders.

„Ehrlich gesagt weiß ich nicht, wie offen ich bei diesem Thema sein darf“, begann sie vorsichtig. „Zu diesem Zeitpunkt kann ich nur sagen, dass ich von unserem Projekt abgezogen werde.“

„Was?“ Warren fuhr hoch. „Du kannst nicht von dem Projekt abgezogen werden. Der Vertrag, den ich mit deiner Firma geschlossen habe, gilt für ein ganzes Jahr. Und es ist noch nicht einmal ein Viertel davon vergangen.“

Sie nickte sparsam. „Im Vertrag ist jedoch nicht ausdrücklich festgelegt, dass ich für die gesamte Zeit deine Beraterin sein werde. Leider gibt es ein Problem mit meinem Visum, das meine Vorgesetzten nicht erwähnt haben. Ich muss nach Australien zurückkehren, und sie werden für einen US-amerikanischen Ersatz sorgen.“

Warren war außer sich vor Zorn und verbiss sich mühsam einige ziemlich obszöne Flüche. Er hatte die beste Firma auf diesem Gebiet engagiert, damit solche Pannen nicht passierten. „Das ist ein glatter Vertragsbruch. Ich brauche dich als australische Expertin, die die Kultur dieses Landes sozusagen mit der Muttermilch aufgesogen hat, und keinen Amerikaner, der ein bisschen im Internet recherchiert hat.“

„Ich fürchte, ich kann nicht über die Einzelheiten sprechen“, sagte sie in sachlichem Ton. „Meine Vorgesetzten sind der Ansicht, dass sie mit einem Ersatz für mich den Vertrag erfüllen. Es tut mir leid, dass dies alles so kurzfristig kommt.“

Warren raufte sich die Haare und versuchte, einen Ausweg zu finden, den es nicht gab. Dieses Projekt würde ohne Tilda scheitern. Sie war für das Projekt unentbehrlich. Und damit basta. „Wie kurzfristig?“, fragte er argwöhnisch.

„Ich soll heute die Übergabe vorbereiten und am Freitag nach Hause fliegen.“

Fassungslos blickte er sie an. „Freitag? Also übermorgen?“

Das war eine Katastrophe. Angesichts des drohenden Endes ihrer gemeinsamen Zeit musste er sich eingestehen, dass sie auch für ihn unersetzlich war. Er brauchte sie. Unmöglich konnte er mit einer anderen Beraterin zusammenarbeiten. Niemand anders würde ihn so voll und ganz verstehen wie Tilda. Er konnte schroff und kurz angebunden sein, aber Tilda wusste ihn zu nehmen.

Außerdem mochte er ihre Stimme und ihre Art zu sprechen. Manchmal arbeiteten sie sehr lange und aßen gemeinsam zu Abend. Dann konnte es vorkommen, dass sie entspannt genug war, um zu lachen. Und er konnte sich dem harmlosen Tagtraum hingeben, wie ihr kastanienbraunes Haar wohl aussah, wenn der Haarknoten gelöst war und es ihr um die Schultern wallte. Er hatte genug Hochsteckfrisuren entwirrt, um zu wissen, dass ihre Mähne ihr vermutlich bis zur Mitte des Rückens reichte. Er stellte sich vor, wie weich und seidig es sich anfühlen mochte.

Was erotische, aber keineswegs unanständige Fantasien anbelangte, war Warren genauso erfahren wie in der Leitung seines Unternehmens.

Harmlose Fantasien waren eine willkommene Abwechslung für einen Mann, der spätabends noch in seinem Büro weilte, während andere Männer sich längst der Gesellschaft realer weiblicher Wesen erfreuten. Harmlose Fantasien stellten kein Problem dar, solange er nicht versuchte, sie in die Realität umzusetzen. Tildas Mitarbeit an diesem Projekt war viel zu wichtig, als dass er sie auf die Liste der Frauen setzen wollte, die ihn mit bösen Textnachrichten straften.

Sie verschränkte ihre schlanken Finger ineinander und suchte seinen Blick. „Ja, diesen Freitag. Mir bleiben also noch vier Stunden, um die Übergabe vorzubereiten. Meine Nachfolgerin wird morgen hier erscheinen und die Arbeit an dem Projekt übernehmen.“

„Dazu wird es nicht kommen.“ Als ob es einen Ersatz für sie geben könnte. Allein der Gedanke war lächerlich. „Mit wem muss ich in deiner Firma sprechen? Ich könnte doch bestimmt für dich bürgen.“

Vielleicht war das eine Möglichkeit. Tilda gab ihm den Namen und die Telefonnummer ihres direkten Vorgesetzten und verließ den Raum, um ihre Vorbereitungen zu treffen, falls Warrens Telefonat nicht wie erhofft verlief.

Das tat es nicht. Tildas Vorgesetzter erging sich in einer wirren Schilderung der Situation und teilte Warren mit, dass Tilda am Freitag das Land verlassen müsse, da ihr Visum am Samstag ablaufe. Andernfalls dürfe sie nicht wieder einreisen, wenn eine Verlängerung bewilligt werden sollte. Er zitierte verschiedene Bestimmungen des Einwanderungsgesetzes, die seine Firma beim besten Willen nicht missachten könne. Das war Warren für die Mittagszeit entschieden zu viel Fachchinesisch. Er verabschiedete sich knapp und legte auf.

Dann rief er einen Anwalt an, der sich auf Einwanderungsrecht spezialisiert hatte. Schließlich verfügte er über die nötigen Mittel, um Fachkräfte bezahlen zu können. Zwei Stunden später schien der jedoch am Ende seiner Weisheit angelangt zu sein. Es gab keine Optionen. Bis auf eine: eine Green-Card-Ehe.

Der Anwalt hatte ihn zwar gewarnt, eine vorgetäuschte Ehe könne im Ernstfall hinsichtlich des Aufenthalts mehr Schaden anrichten als nützen. Er hatte jedoch auch eingeräumt, dass die Einwanderungsbehörde derzeit viel zu überlastet sei, als dass alle Einzelfälle eingehend geprüft werden könnten.

Warren war verzweifelt genug, um Tilda diesen Vorschlag zu unterbreiten. Wahrscheinlich würde sie ihn sowieso rundheraus ablehnen. Aber er musste es zumindest versuchen.

Durch ihre kühle Sachlichkeit eignete sie sich bestens für eine Vernunftehe. Und sicherlich würde sie es zu schätzen wissen, wenn er die gewohnte Distanz und Reserviertheit an den Tag legte. Tiefes Eintauchen unter die Oberfläche war nicht seine Sache. Jedenfalls nicht mehr. Er schuftete nicht ohne Grund wie ein Irrer. Seine Beziehungsfähigkeit ließ einiges zu wünschen übrig. Je mehr er arbeitete, desto leichter war es zu vergessen, dass er für den Tod seines Zimmerkameraden auf dem College verantwortlich war.

Eine Ehe gehörte zu den letzten Dingen, die er in Betracht ziehen sollte. Selbst wenn es den Pakt nicht gäbe, den sie damals nach Marcus’ Tod geschlossen hatten. Jonas, Hendrix und er hatten sich geschworen, sich niemals zu verlieben. Jonas und Hendrix, die gleichfalls enge Freunde von Marcus gewesen waren, hatten diesen Pakt allerdings bereits gebrochen. Sie waren beide verheiratet, und, soweit Warren es beurteilen konnte, ihren Ehefrauen geradezu verfallen. Er selbst würde den Teufel tun und Marcus’ Andenken auf diese Weise zu entehren.

Aber mit einer Frau wie Tilda, falls sie tatsächlich Ja sagte, war es gewiss kein Problem, eine Beziehung auf einer geschäftlichen Ebene zu halten. Eine Green-Card-Hochzeit schien im Moment die einzige Möglichkeit, die drohende Katastrophe zu verhindern.

Es blieb ihm nichts anderes übrig, als diesem allerletzten Ausweg eine Chance zu geben. Down Under Thunder hielt nach wie vor ein großes Stück von Warrens Kuchen, und er sehnte sich danach, die lästige Konkurrenz vernichtend zu schlagen. Tilda war seine Geheimwaffe. Er würde sie davon überzeugen zu bleiben. Gleichgültig, was es auch kosten mochte.

Als Warren sie später am Tag zu sich ins Büro bat, musste Tilda erst einmal tief durchatmen, um ihre Gefühle wieder unter Kontrolle zu bekommen. Zum Glück war sie heute Mittag nicht vor ihm in Tränen ausgebrochen.

Das wäre höchst unprofessionell gewesen. Tilda vertraute auf den Schutzwall, den sie um sich errichtet hatte, um zu verhindern, dass jemand ihr zu nahekam. Sie fühlte sich sehr unwohl, wenn sie ihre Verletzlichkeit preisgeben musste.

Natürlich war der Zusammenbruch, den sie nach der Unterredung mit Warren in ihrem Büro erlitten hatte, auch nicht sehr professionell gewesen. Doch diese Erkenntnis konnte nichts ausrichten gegen die stetig wachsende Panik, seit Craig, ihr Chef, sie angerufen hatte, um ihr die schlechten Neuigkeiten zu überbringen. Nicht nur dass ihr Visum in Kürze ablief, die Firma hatte sich auch gegen einen Antrag auf Verlängerung entschieden. Zu schwierig und zu teuer, hieß es. Craig hatte sich noch für die Unannehmlichkeiten entschuldigt und ihr versichert, das alles wäre kein Problem und die Firma würde ihr einen Job in Australien geben.

Allerdings gab es da doch ein Problem. Ein Problem, das auf den Namen Bryan McDermott hörte, mit dem sie einmal liiert gewesen war. Mittlerweile kam Bryan ihr allerdings vor wie das personifizierte Böse. Ein Mann mit guten Verbindungen zu den richtigen Leuten und ohne jede Skrupel. Natürlich war er nicht allmächtig, aber er hatte dafür gesorgt, dass sie das beinah glaubte. Deshalb hatte sie Melbourne verlassen. Und deshalb konnte sie niemals mehr zurückkehren.

Möglicherweise machte er seine Drohung wahr, sie mit bloßen Händen zu töten, wenn er sie mit einem anderen Mann erwischte. Sie konnte sich nicht darauf verlassen, dass er es nicht tat, auch wenn sie sich schon vor über einem Jahr getrennt hatten.

Doch jetzt war es höchste Zeit, die Gedanken auf etwas anderes zu richten und ihre Gefühle wieder unter Kontrolle zu bekommen. Warren wartete auf sie. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass er in knapp zwei Stunden einen Weg gefunden hatte, ihr Visumproblem zu lösen, auch wenn es ihm oft gelang, das Unmögliche zu erreichen. Er machte keine Gefangenen, drehte jeden Stein um und spornte seine Mitarbeiter zu Höchstleistungen an.

Insgeheim schwärmte sie für ihn. Doch daraus konnte ihr niemand einen Vorwurf machen. Er sah gut aus, war ihr niemals zu nahe getreten, und ein Mistkerl wie Bryan konnte ihm nicht das Wasser reichen. Sie war sich ziemlich sicher, dass Warren ihrem Exfreund eine ordentliche Abreibung verpassen konnte, ohne dabei außer Atem zu geraten.

Sie zuckte innerlich zusammen. Was war nur los mit ihr, dass sie die Vorstellung von körperlicher Gewalt anziehend fand?

Sie holte tief Luft und steckte den Kopf durch den Spalt von Warrens offen stehender Bürotür. „Du wolltest mich sprechen?“

Warren winkte sie herein und klappte seinen Laptop zu. Das war eine der Eigenschaften, die sie sehr an ihm schätzte. Er konzentrierte sich immer nur auf eine Aufgabe und ließ sich nicht ablenken. Außer in seinem Kopf. Sein Verstand arbeitete mit einer Geschwindigkeit, von der ihr bisweilen fast schwindelig wurde.

Sie würde ihn mehr vermissen, als sie bereit war zuzugeben.

„Setz dich bitte“, lud er sie ein. „Wir haben viel zu besprechen.“

Wie es seine Gewohnheit war, blieb er hinter seinem Schreibtisch sitzen. Er war noch nie in ihren persönlichen Raum eingedrungen oder hatte sie mit einem ungebührlichen Blick bedacht.

Auch diese Eigenschaft gefiel ihr. Es gab Männer, die einfach kein Gespür dafür hatten, wie schwierig Nähe und Vertrautheit für sie waren. Denn nach Bryan wollte sie kein männliches Wesen in ihrer unmittelbaren Nähe haben. Bryan war so erfolgreich darin gewesen, ihr jegliches Selbstbewusstsein zu nehmen, dass sie damals, als er ihr das erste Mal ins Gesicht schlug, glaubte, sie wäre schuld.

Doch dass er sie misshandelt hatte, war nicht mal das Schlimmste, sondern dass sie immer noch mitten in der Nacht schweißgebadet aus dem Schlaf hochschreckte, weil ein Teil von ihr immer noch glaubte, es wäre ihre Verantwortung gewesen. Sosehr sie sich auch bemühte, es gelang ihr einfach nicht, diesen Gedanken gänzlich aus ihrem Kopf zu verbannen.

Sie warf einen Blick auf das Tablet in ihren Händen. „Ich habe ausführliche Notizen für meine Nachfolgerin …“

„Das war nicht nötig“, sagte Warren und winkte ab. „Du gehst nirgendwohin.“

Hoffnung flammte in ihr auf. „Hast du Craig überredet, die Sache wieder in Ordnung zu bringen?“

Warren konnte sogar am Nordpol Kühlschränke verkaufen. Bestimmt war es ein Kinderspiel für ihn gewesen, ihren Boss dazu zu bewegen, seinen Fehler einzugestehen.

Doch er winkte ab. „Nein, natürlich nicht. Du hattest recht. Dein Chef ist ein Idiot. Ich habe den Vertrag gekündigt und damit gedroht, ihm meine Anwälte auf den Hals zu hetzen, wenn er das Wort ‚Rücktrittsklausel‘ auch nur in den Mund nimmt.“

„Oh.“ Bei diesem Gespräch wäre sie gern dabei gewesen. Dafür hätte sie sogar Geld bezahlt. „Jetzt weiß ich gar nicht, was ich sagen soll. Darf ich hoffen, dass du einen Weg gefunden hast, mein Visum innerhalb von zwei Tagen zu verlängern?“

Wenn er tatsächlich ein Wunder bewirkt hatte, musste sie nicht nach Melbourne zurück. Sie konnte hierbleiben und sich in die Arbeit vergraben, die ihr so viel bedeutete.

„Nicht wirklich.“

Natürlich nicht. Warren war schließlich nicht auf der Welt, um ihre Träume zu verwirklichen. Besonders nicht die, in denen er zu ihrer Rettung eilte wie ein moderner Ritter im Maßanzug.

Ernüchtert bemühte sie sich um eine ausdruckslose Miene. „Könntest du das etwas näher ausführen?“

Warren stützte die Ellenbogen auf den Tisch und legte seinen Kopf auf die verschränkten Finger. Sie kannte ihn gut genug, um zu wissen, dass er jetzt zum eigentlichen Kern der Sache kommen würde.

„Ich habe mit einem Fachanwalt für Einwanderungsrecht gesprochen. Er hat mir versichert, dass es die beste Lösung wäre, einen Antrag auf Verlängerung und Erneuerung deines Visums einzureichen. Aber wie du bestimmt weißt, kann das Monate dauern. Und du wärst gezwungen, zum Konsulat zu reisen, also entweder nach Kanada oder nach Mexiko, was immer dir lieber ist. Aber das bedeutet …“

„Ich hätte keinen Aufenthaltsstatus während der Reise“, vervollständigte sie seinen Satz und ließ resigniert die Schultern sinken. „Man würde mich nicht wieder einreisen lassen, da ich nicht im Besitz eines gültigen Visums bin.“

Warren nickte. „Genau da liegt das Problem. Das Projekt käme zum Erliegen, und du würdest im Ausland festsitzen. In Kanada, Mexiko oder auch Australien. Der Punkt ist, dass du nicht ohne gültiges Visum zu einem Konsulat reisen kannst.“

Sie hatte den Verdacht, dass er auf etwas Bestimmtes hinauswollte, aber sie hatte nicht die geringste Ahnung, um was es sich dabei handeln mochte. „Also müsste ich das vor dem kommenden Samstag schaffen, und der Antrag ist noch nicht einmal ausgefüllt.“ Dank des Fehlers ihres Arbeitgebers saß sie also gehörig in der Tinte. „Diese Reise wäre reine Zeitverschwendung.“

Wie er gesagt hatte, könnte sie ebenso gut nach Australien zurückkehren. Vielleicht gelang es ihr, ihre Firma zu überreden, ihr einen Job in Queensland statt in Victoria zu geben. Brisbane war möglicherweise weit genug entfernt, um Bryans hinterhältigen Attacken zu entkommen. Aber wenn er auch dort Freunde bei der Polizei hatte, waren solche Vorsichtsmaßnahmen vergebens. Er würde ihr Telefon abhören und ihre Wohnung überwachen lassen, wie er es bereits getan hatte. Und sie hätte keine Chance, etwas dagegen zu unternehmen, weil er schlüpfrig war wie ein Aal.

Sie erschauerte. Sie wollte nicht nach Australien fliegen. Sie fühlte sich sicher hier und erfuhr Wertschätzung. Zum ersten Mal seit dem Ende dieser Beziehung zählten ihre Beiträge etwas. Dieser Job hatte sie gerettet. Ihn aufgeben zu müssen war eine unerträgliche Vorstellung.

Ihr blieb jedoch kaum eine andere Wahl. Warren hatte ihr bisher keine Alternativen aufgezeigt, die seine Bemerkung rechtfertigen würden, dass sie nirgendwo hingehen musste.

„Genau. Wenn du keinen Aufenthaltsstatus hättest.“ Er suchte ihren Blick. „Dem Anwalt zufolge wäre es am einfachsten, wenn du eine Green Card hättest.“

„Aber eine Green Card ist noch schwerer zu bekommen als eine Visumsverlängerung“, wandte Tilda ein. Die Bestimmungen waren widersprüchlich und wurden nach Ermessen des zuständigen Beamten ausgelegt. Warren sprach von einer Green Card. Für jemanden in ihrer Situation war das der Heilige Gral. „Und die Bearbeitung dauert viel länger.“

Warren hob eine Hand. „Es gibt einen Weg. Wenn du einen US-Bürger heiratest. Wir könnten morgen ins Rathaus gehen und die Sache erledigen. Die Ehe bestünde natürlich nur auf dem Papier. Unsere berufliche Beziehung würde das nicht beeinflussen.“

Als sie den Sinn seiner Worte erfasste, erklang ein dumpfes Dröhnen in ihren Ohren. Er bot an, sie zu heiraten. Mit einem Antrag, der so unromantisch war, wie man es sich nur vorstellen konnte. Vor dem Gesetz wären sie ein Ehepaar. Aber es gäbe keine Aussicht darauf, dass es zu einem körperlichen Verhältnis kommen würde. Warren wäre ihr Ehemann und würde doch nie versuchen, sie zu berühren.

Mit ihr stimmte etwas nicht, denn das hörte sich so perfekt an, dass ihr die Tränen in die Augen stiegen, die sie hastig wegblinzelte.

Aber sie war in der Vergangenheit schon einmal einer Illusion von Perfektion zum Opfer gefallen. Eine Wiederholung konnte sie nur verhindern, wenn sie alle Eventualitäten besprachen.

„Wir wären also nur zum Schein verheiratet. Das bedeutet, keine Intimität“, sagte sie brüsk. „Wirklich keine. Du musst entschuldigen, wenn ich meine Zweifel habe, dass ein Mann wie du so etwas akzeptieren würde.“

Warren lächelte bei ihren Worten, und dieses Lächeln traf sie wie eine Berührung.

„Das hört sich an wie ein Kompliment. Mach dir um mich keine Sorgen. Ich halte ein paar Monate ohne Intimitäten durch.“

Beim Klang seiner Stimme lief ihr ein Schauer über den Rücken. Kaum eine Minute war vergangen, seit sie über die Möglichkeit einer Ehe sprachen, und schon verriet ihr Körper sie. Sie räusperte sich. „Und wenn mein Visum verlängert wird, lassen wir uns scheiden.“

Er nickte. „Eine Annullierung. Meine Anwälte regeln das. Ich habe schon eine Mail mit den wesentlichen Punkten verfasst. Ich wollte nur dein Einverständnis abwarten, bevor ich sie abschicke.“

Das ging alles so schnell. Sie hatte das Gefühl, die Kontrolle zu verlieren. Wenn sie Warren heiratete, konnte er seine Meinung über die Intimitätsklausel jederzeit ändern. Sie wären rechtmäßig verheiratet, und sie hatte keine Ahnung, was sie dagegen unternehmen konnte, wenn er die Ehe auch vollziehen wollte.

Sie verdrängte diesen Gedanken. Warren bot ihr diese Lösung nicht an, um sie zu übervorteilen. Sie arbeiteten oft bis spät in die Nacht, wenn alle anderen Angestellten längst gegangen waren. Er hatte sich nie anders als vollkommen korrekt und professionell verhalten. Deshalb gefiel ihr dieser Job so sehr. Er hörte ihr zu und legte Wert auf ihre Meinung. Sonst wäre er wohl kaum so weit gegangen, nur um sie als Mitarbeiterin in diesem Projekt zu behalten.

Sie ignorierte die Tatsache, dass ihr die Knie weich wurden bei der Vorstellung, sich seiner Gnade auszuliefern. Hier bot sich ihr die Chance, auch weiterhin in einem positiven Umfeld zu leben und zu arbeiten. Das war gut für ihre angeschlagene Seele.

Außerdem blieb ihr kaum etwas anderes übrig. Sie musste das Angebot annehmen und eine Vernunftehe mit Warren eingehen.

Allein der Gedanke daran ließ sie erschauern. Sie würden zusammenleben müssen. Andernfalls konnten sie die Behörden kaum davon überzeugen, dass sie eine Ehe führten. Also würde sie vermutlich zu ihm ziehen. Dann wäre es viel schwieriger, ihre normalerweise temperamentvolle Persönlichkeit zu verbergen, damit sie Warren nicht den Eindruck vermittelte, ihr seien eventuelle Flirtversuche willkommen.

Solche Komplikationen verursachten ihr einen Kloß in der Kehle. Sie konnte kaum noch atmen.

„Sag mir, was du darüber denkst, Tilda“, bat Warren. Beim Klang seiner Stimme beruhigte sie sich ein wenig. „Möchtest du diesen Job behalten oder nach Australien zurückkehren? Fall es das Erstere ist, lass uns alle Einzelheiten besprechen und potenzielle Landminen aus dem Weg räumen.“

Da sie sich so oft auf einer gemeinsamen Wellenlänge befanden, hätte es eigentlich keine Überraschung sein dürfen, dass er ihre Vorbehalte erahnte. Konnte er auch ihre Ängste spüren? Hoffentlich nicht.

Sie hatte immer versucht zu verstecken, was wirklich in ihr vorging, und eine sachliche Reserviertheit vorgegeben, von der sie annahm, dass Warren sie nicht durchschauen konnte. Und doch schaffte er es immer wieder, vermutlich ohne es zu bemerken. Vielleicht war dies auch eine Chance, die Kontrolle über sich zurückzuerlangen.

„In Ordnung.“ Sie holte tief Luft. „Ich will diesen Job behalten.“

„Gut. Ich will auch, dass du ihn behältst. Was genau bereitet dir an diesem Plan die meisten Sorgen.“

Alles. Einfach alles. Aber jetzt galt es, eine Hürde nach der anderen zu nehmen. „Wird es keine Probleme geben, wenn deine Ehefrau für dich arbeitet?“

„Nein. Dies ist ein Familienunternehmen. Thomas’ Frau leitet die Buchhaltung, und sämtliche Aktionäre tragen den Namen Garinger.“ Er lächelte. „Wenn du willst, wäre es mir ein Vergnügen, dir zur Hochzeit ein Aktienpaket zu schenken.“

Tilda schluckte. Diese Geste war vermutlich eine vertrauensbildende Maßnahme, aber niemand hatte ihr je mit solcher Leichtigkeit angeboten, Teil seiner Familie zu werden. Es fühlte sich gut an. Sie nickte nur, da ihr das Sprechen gerade nicht möglich war.

„Was noch?“, fragte er behutsam. „In meinem Haus gibt es angrenzend an das Bad und mein Schlafzimmer ein Gästezimmer. Das Bad liegt sozusagen dazwischen. Die Türen sind verschließbar. Das kannst du haben. Oder, wenn es dir lieber ist, ein Zimmer im Erdgeschoss. Die Hausangestellten werden gut bezahlt und sind diskret. Niemand wird zur Einwanderungsbehörde laufen und petzen, dass wir eine Scheinehe führen. Aber natürlich werden wir hin und wieder so tun müssen, als wären wir glücklich verheiratet.“

„Ich weiß nicht, ob ich das kann.“ Wie sollte sie ihm erklären, dass sie es nicht ertragen konnte, wenn ein Mann sie berührte? Aber vielleicht musste sie das gar nicht. Warren besaß ein ausgeprägtes Einfühlungsvermögen.

„Damit meine ich nicht, dass wir in der Öffentlichkeit herumknutschen müssen“, sagte er trocken. „Niemand, der mich kennt, wäre schockiert, wenn ich meine Frau nicht anfasse. Schockierend wäre nur, wenn ich mein Handy weglege, um das zu tun.“

Das war überzeugend. Tilda konnte wieder atmen. Erleichtert erwiderte sie sein Lächeln. „Ich verstehe. Wenn du mich mit Zärtlichkeiten überschütten würdest, wäre das viel verdächtiger.“

Einvernehmlich blickten sie einander an. Warren war brillant, attraktiv und sexy, ohne eitel zu sein, und respektierte ihre Grenzen. Wie nah würden sie sich wohl kommen, wenn sie ihren Schutzwall ein wenig abbaute?

Warren räusperte sich und wandte den Blick ab. „Ich wollte dich nur vorwarnen, dass wir uns hin und wieder gemeinsam auf Familienfesten und so weiter zeigen müssen. Damit niemand auf komische Gedanken kommt. Einen Beamten, der uns befragt, ob wir nur wegen der Green Card geheiratet haben, können wir wirklich nicht gebrauchen. Mein Anwalt meinte, dass die Behörde genau auf solche Hinweise achtet.“

Sie nickte. „Verstanden.“

„Du hast bestimmt mitbekommen, dass ich nicht übermäßig warmherzig und zugewandt wirke. So zu tun, als ob ich verliebt wäre, ist eine Aufgabe, die ich nicht bewältigen kann. Ich weiß gar nicht, wie das geht, und ich habe nicht die Absicht, es zu lernen.“

„Das kommt mir sehr entgegen.“ Es war perfekt. Sie hatte auch keine Ahnung, wie verliebte Menschen sich verhielten. Und Liebe vorzutäuschen würde Fragen aufwerfen, die sie sich gar nicht stellen wollte. Gewisse Dinge blieben besser im Dunkeln und unbeantwortet. „In diesem Fall nehme ich deinen Antrag an.“

„Großartig. Morgen müsstest du einige Papiere unterschreiben. Unter anderem einen Ehevertrag. Dann gehen wir zum Standesamt und erledigen die Sache.“

Warren streckte eine Hand aus, und sie schlug ein. Ihre Abmachung wurde per Handschlag besiegelt. Das erschien unter den gegebenen Umständen durchaus angemessen.

Aber in dem Moment, als ihre Hände sich berührten, durchzuckte es Tilda wie ein Stromschlag. Sie war sich seiner Nähe auf einmal nur allzu bewusst und nahm ihn nicht als Vorgesetzten, sondern als Mann wahr. Und zwar nicht als irgendeinen Mann. Sondern als einen, der bald ihr Ehemann sein würde.

Ihre kleine Schwärmerei für ihn war gewiss nicht ratsam. Aber während er ihre Hand hielt, wurde ihr klar, dass sie nicht so einfach damit aufhören konnte. Sie fand ihn nun einmal ungewöhnlich und höchst attraktiv.

2. KAPITEL

Warren traf Jonas Kim und Hendrix Harris am Freitag im Rathaus. Wie er geahnt hatte, wollten seine besten Freunde seit der Collegezeit die Gelegenheit nicht verpassen, ihn wegen seiner bevorstehenden Hochzeit zu verspotten. Warren hatte damit gerechnet, weil er selbst sie nicht nur verspottet, sondern ihnen sogar schwere Vorwürfe gemacht hatte, als sie den Bund der Ehe eingegangen waren.

Der Unterschied bestand allerdings darin, dass Warren den Pakt nicht brechen würde, den die drei Freunde in ihrem letzten Jahr am College geschlossen hatten. Jonas und Hendrix hingegen hatten genau das getan. Wie es aussah, empfanden sie noch nicht einmal Reue oder Scham deswegen. Nachdem ihr gemeinsamer Freund Marcus wegen gebrochenen Herzens Selbstmord begangen hatte, schworen die Freunde sich feierlich, sich niemals zu verlieben.

Warren würde bis zu seinem Tod daran festhalten. Seine Freunde mochten Wege gefunden haben, ihre Treulosigkeit vor sich selbst zu rechtfertigen, aber Warren hatte ihnen noch nicht verziehen.

„Wen haben wir denn da“, sagte Jonas und verschränkte die Arme vor der Brust, als er mit Hendrix den Eingang zum Rathaus in der Innenstadt von Raleigh passierte. „So sieht also jemand aus, der eine bittere Pille zu schlucken hat. Findest du nicht auch, Hendrix?“

„Und ob.“ Hendrix grinste breit. „Ich hätte darauf wetten sollen, dass Warren eines Tages auch diesen Gang antritt.“

„Ha, ha“, sagte Warren verdrießlich. „Es ist nicht so, wie ihr denkt.“

Das war es tatsächlich nicht. Seine Eheschließung ließ sich nicht mit der Situation seiner Freunde vergleichen. Die beiden hatten Frauen geheiratet, mit denen sie bereits eine Beziehung hatten. Jonas hatte seine Freundin Viv geheiratet, um einer arrangierten Ehe zu entgehen, und Hendrix war mit Roz vor den Traualtar getreten, um einen Skandal zu beenden, den ein anzügliches Foto von den beiden in der Presse ausgelöst hatte. Sie hatten beide versprochen, an ihrem Pakt festzuhalten und bestimmte Grenzen nicht zu übertreten. Doch es war nur eine Frage der Zeit gewesen, bis sie beide mürbe wurden.

Dass er selbst mürbe werden und sich verlieben könnte, hielt Warren für vollkommen ausgeschlossen.

„Und wie ist es dann?“, wollte Jonas wissen. „Erklär uns doch mal, wie es sein kann, dass du heiratest, nachdem du mit Hendrix und mir bei diesem Anlass so hart ins Gericht gegangen bist.“

„Ich heirate Tilda, weil ich ohne sie Down Under Thunder nicht in den Staub treten kann. Es ist ein riskanter Versuch, ihre Ausweisung zu verhindern. Einen anderen Grund gibt es nicht. Ende der Geschichte.“

„Oh, ich verstehe. Sie ist also eine hässliche alte Hexe, die keinen zweiten Blick wert ist“, sagte Jonas und hob die Augenbrauen.

Hendrix schüttelte in gespieltem Bedauern den Kopf. „Das ist wirklich traurig. Wenn es stimmt.“

„Haltet die Klappe, alle beide. Tilda ist keine hässliche alte Hexe. Sie ist wunderschön.“ Der Kopfschmerz hinter Warrens Augen wurde ein wenig schlimmer, als seine Freunde einander ansahen, als wollten sie sagen, sie hätten es ja gleich gewusst. „Es ist eine rein geschäftliche Angelegenheit. Ich würde nie anders als absolut professionell mit einer Angestellten umgehen.“

„Aber du tust es gerade“, gab Jonas zurück. „Morgen zieht sie bei dir ein. Glaub mir, das führt zu Sachen, von denen du beim Leben deiner Mutter geschworen hast, sie niemals auch nur in Betracht zu ziehen. Aber es passiert, Mann. Erst nehmt ihr nach einem harten Arbeitstag zusammen einen Drink, und als Nächstes fallt ihr schon im Hausflur übereinander her.“

„Oder in einer Abstellkammer auf dem Hochzeitsempfang“, warf Hendrix hilfreich ein. Auf seinem Gesicht zeichnete sich ein erinnerungsseliges Lächeln ab. Seine Braut und er hatten auf ihrer Hochzeitsfeier durch ihr Verschwinden für einiges Gerede gesorgt.

„Unsinn“, knurrte Warren böse. Er hatte es eigentlich nicht nötig, sich vor seinen Freunden zu rechtfertigen. Und doch lag ihm daran klarzustellen, dass er der Einzige war, der noch an ihrem Pakt festhielt.

Warren hatte Marcus’ Selbstmord sehr schwergenommen und tat es immer noch. Deshalb konnte er auch den Pakt nicht auf die leichte Schulter nehmen. Liebeskummer hatte ihren Freund dazu gebracht, sein junges Leben zu beenden. Warren wollte auf keinen Fall ein ähnliches Schicksal erleiden. „Zwischen Tilda und mir ist nie mehr passiert als ein Handschlag, um unsere Abmachung zu besiegeln. Sie arbeitet an meinem Projekt und nicht in meinem Bett. Hier geht es nicht um Sex. Und damit basta.“

„Wir werden sehen“, sagte Hendrix und richtete den Blick auf einen Punkt hinter Warren. „Ist diese bezaubernde junge Dame, die ich da sehe, etwa deine zukünftige Frau? Sie ist absolut dein Typ, würde ich sagen.“

Warren drehte sich um und erblickte Tilda, die auf ihn zueilte. Sie trug das Haar wie gewöhnlich hochgesteckt und blickte ihm mit ernster Miene entgegen.

Er war erleichtert. Während ihres Gesprächs über die Hochzeit hatte sie auf ihn einen ziemlich unsicheren Eindruck gemacht. Es hätte ihn nicht überrascht, wenn sie es sich doch noch anders überlegt hätte.

Aber da war sie nun. Etwas von der Anspannung, die ihn seit Mittwoch begleitet hatte, fiel von ihm ab. Es würde funktionieren. Down Under Thunder war Vergangenheit. Und falls es ihm in den Sinn kam, noch mehr harmlose Fantasien bezüglich seiner Frau zu entwickeln, musste das niemand erfahren.

Als Tilda bei ihm ankam, stieg ihm ein frischer Duft mit einer Zitrusnote in die Nase. Diesen Duft kannte er noch gar nicht an ihr.

„Wir haben um ein Uhr eine Telefonkonferenz mit Wheatner und Ross“, eröffnete sie ihm statt einer Begrüßung. Seit sie für ihn arbeitete, brauchte er keinen Kalender mehr. Auch deshalb war sie jeden Cent ihres Gehaltsschecks wert. Trotzdem konnte er den Blick nicht von der Strähne wenden, die sich aus ihrem Haar gelöst hatte. So etwas war noch nie vorgekommen. Nur mit Mühe konnte er sich davon abhalten, die Strähne um einen Finger zu wickeln und ihr hinter das Ohr zu schieben.

Ein neues Parfum. Und eine nicht ganz tadellose Frisur. War sie möglicherweise nervös wegen des bedeutungsvollen Schritts, den sie gleich unternehmen würden? Er selbst war nervös, das konnte er nicht leugnen. Er hatte eine schlaflose Nacht hinter sich. Der Gedanke daran, dass Tilda unter seinem Dach wohnen würde, hatte ihn wach gehalten. Er würde sie morgens sehen, bevor sie zur Arbeit fuhren. Vielleicht sogar eine Tasse Kaffee mit ihr trinken. Auf dem Weg ins Büro würden sie miteinander reden. Und vielleicht würden sie sich näher kennenlernen …

Jonas hatte vielleicht recht mit seiner Behauptung, dass es zu Intimitäten kommen könnte, wenn sie zusammenwohnten. Aber jetzt war es zu spät für solche Bedenken. Er musste sich darauf verlassen, dass Tilda und er vereinbart hatten, genau das zu vermeiden.

Warren räusperte sich. „Dann sollten wir die Sache hinter uns bringen.“

Tilda lächelte. „Es ist sehr hilfreich, wenn wir auf derselben Wellenlänge liegen.“

Das taten sie immer. Sie waren aus dem gleichen Holz geschnitzt. Deshalb arbeiteten sie ja auch so gut zusammen. Aber es verleitete ihn auch dazu, sich vorzustellen, ihr näherzukommen und sie zum Lachen zu bringen. Sie würden gut zueinander passen, wenn sie sich einmal entschließen würden, eine gewisse Grenze zu überschreiten.

Nein, rief Warren sich zur Ordnung. Das durfte nicht passieren. Das Projekt war zu wichtig, um solche Risiken einzugehen. Abgesehen davon, dass auch der Pakt ihm dafür viel zu viel bedeutete.

Er riss sich zusammen und übernahm es, Tilda und seine Freunde einander vorzustellen.

„Mr. Kim.“ Tilda schüttelte Jonas die Hand. „Ich habe an der Kampagne für Ihren neuen Drucker vor zwei Jahren mitgearbeitet.“

Jonas hob die Augenbrauen. „Das war ein großer Erfolg für Kim Electronics. Ich wusste gar nicht, dass Sie im Team waren. Ihre Leistungen waren wirklich beeindruckend.“

Warren gelang es nicht ganz, ein triumphierendes Lächeln zu unterdrücken. Aber warum auch. Es war schließlich keine Schande, dass er nur die besten Leute engagierte. Außerdem sollte das niemanden überraschen.

Mit einem charmanten Lächeln ergriff Hendrix Tildas Hand und schüttelte sie ungefähr zehn Herzschläge zu lange. Auch das sollte niemanden überraschen. Dieser Mann würde auch ungeniert mit einer Nonne flirten. Dennoch gefiel Warren die Art nicht besonders, wie Tilda sein Lächeln erwiderte. Offenbar hatte sie ganz vergessen, dass Hendrix glücklich verheiratet war, und zwar mit einer Frau, deren Abbild das Titelblatt jedes Männermagazins zieren konnte.

„Wir haben etwas zu erledigen“, erinnerte Warren die Anwesenden ungehalten. Er musste diese Situation beenden, bevor er in Versuchung kam, seinem Freund einen Schlag zu versetzen, weil der sich Freiheiten gegenüber seiner künftigen Ehefrau herausnahm.

Gegenüber seiner Angestellten, verbesserte er sich in Gedanken. Die Ehefrau spielte nur eine untergeordnete Rolle. Es sollte nicht so schwer sein, das im Kopf zu behalten.

Erneut glitt sein Blick auf Tildas lose Haarsträhne. Auf dem Weg zum Standesamt musste er ständig daran denken.

Vor dem Raum, in dem die Trauungen stattfanden, reihten sie sich in eine Schlange geduldig wartender Paare ein. Warren hatte sich nie viele Gedanken darum gemacht, wie eine angemessene Trauungszeremonie aussehen sollte. Schließlich hatte er zu Beginn dieser Woche noch nicht geahnt, dass er an ihrem Ende heiraten würde. Außerdem war seine Eheschließung nur ein geschäftliches Abkommen. Die anderen Paare hatten allerdings offenbar romantischere Beweggründe, um den Bund fürs Leben zu schließen. Tatsächlich wirkten sie alle sehr verliebt, blickten einander tief in die Augen und hielten sich an den Händen.

Warren zuckte innerlich die Schultern. Er hatte keine Ahnung, welches die geeigneten Zutaten für eine glückliche Ehe waren. Falls es so etwas überhaupt gab. Die Scheidungsrate legte etwas anderes nahe. Vielleicht lagen Tilda und er gar nicht so falsch mit ihrer sachlichen Übereinkunft. Zumindest wussten sie, was sie erwartete, und brauchten sich nicht auf Überraschungen gefasst zu machen.

Tilda brachte ihn bezüglich ihrer aktuellen Kampagne auf den neusten Stand. Warren fiel es nicht schwer, sich auf dieses Thema einzulassen. Obwohl es ein wenig seltsam anmutete, Geschäftliches zu besprechen, während sie darauf warteten, dass die Tür zum Standesamt sich öffnete. Sie würden den Raum als ledige Personen betreten und als Ehepaar wieder verlassen.

Aber das würde nichts zwischen ihnen ändern. Oder doch?

„Warren?“

Er blinzelte. Tilda musterte ihn mit einem irritierten Gesichtsausdruck. Offenbar hatte sie ihm eine Frage gestellt, auf deren Beantwortung sie wartete. Himmel, was war nur mit ihm los? „Tut mir leid, ich war abgelenkt.“

Warum konnte er nicht einfach mit ihr über das Projekt sprechen, anstatt sich über das Wesen der Ehe Gedanken zu machen? Schließlich war es doch keine große Sache. Nur eine geschäftliche Abmachung, wie er seinen Freunden gesagt hatte.

Glückliche Ehen existierten nicht. Und falls doch, hatte Warren Garinger sie nicht verdient. Er trug die Schuld an Marcus’ Tod. Ein glückliches Leben mit einer Frau wäre eine Belohnung, die ihm nicht zustand.

Er hatte nur seine Firma im Blick. Das war die einzige Sache, die er wirklich beherrschte. Aus gutem Grund. Eine Firma konnte nicht unter tiefen emotionalen Verletzungen leiden. Eine Firma konnte nicht jeden Tag mehr schwinden, während man hilflos zusehen musste und nicht wusste, wie die Schmerzen zu lindern waren. Eine Firma konnte die Qualen nicht mit einer Überdosis beenden, nachdem man ihr gedankenlos geraten hatte, endlich darüber hinwegzukommen. So wie er es mit Marcus getan hatte.

Dies war der wahre Grund, weshalb Warren den Pakt niemals brechen würde. Sein Leben allein zu verbringen war eine angemessene Bestrafung.

Ein Angestellter des Standesamtes winkte Tilda und Warren in den Raum. Tildas Puls beschleunigte sich, und ihr Magen zog sich schmerzhaft zusammen. Sie hatte Warren nur deshalb in ein geschäftliches Gespräch verwickelt, um ihre Nerven zu beruhigen. Allerdings hatte es nicht viel genützt.

Jetzt war es so weit. Sie würden es tatsächlich tun. Und wenn sie nun in eine Falle geriet? Wenn ihre vorgetäuschte Ehe aufflog, würde sie dann sofort abgeschoben werden? Sie müsste nach Melbourne zurückkehren. Nach Warrens Drohgebärden gegen Craig machte sie sich kaum Hoffnungen, dass die Firma, für die sie acht Jahre lang gearbeitet hatte, ihr dort einen Job gab. Wenn sie ein gutes Arbeitszeugnis erhielt, konnte sie von Glück reden. Dabei spielte all das überhaupt keine Rolle, wenn Bryan von ihrer Rückkehr erfuhr. Einen Job zu finden wäre dann ihre letzte Sorge.

Warren hatte ihr eine großzügige Abfindung zugesichert, falls ihre Heirat nicht das Problem ihres Aufenthaltes lösen sollte. Doch auch das spielte keine Rolle. Sie wollte kein Geld. Sie wollte sich nur sicher fühlen und zusammen mit Warren ihr gemeinsames Projekt beenden. In dieser Reihenfolge. Ihre derzeitige Arbeit gab ihrem Leben einen Sinn. So etwas hatte sie noch nie zuvor empfunden. Dieses Projekt war ihr Baby, besonders jetzt, da sie mit ihrer alten Firma gebrochen hatte.

Es dauerte eine Weile, bis ihr Pulsschlag sich normalisierte. Sie durfte diese Zeremonie nicht überbewerten. Schließlich war die Hochzeit mit Warren keine große Sache. Nur eine Formalität. Warren schien jedenfalls nicht besonders nervös zu sein. Er schenkte ihr ein kurzes Lächeln, das sie erwiderte, weil er nicht merken sollte, wie sehr ihr diese Sache an die Nerven ging.

Allerdings war die Hochzeit mit ihrem Chef kein Bestandteil der Stellenbeschreibung gewesen. Vielleicht konnte sie sich ein paar Brüche in ihrem Schutzwall erlauben. Ein Schutzwall, der äußerlich aus strengen Frisuren und langweiligen Kostümen bestand, die ihre Figur versteckten.

Sie hasste diese Kostüme, aber sie verhüllten wirkungsvoll, was sie nicht zu zeigen bereit war. Die rote Spitzenunterwäsche darunter trug sie zu Ehren dieses besonderen Anlasses und nur für sich allein.

Die Zeremonie begann, und irgendwie schaffte sie es, nicht zusammenzuzucken, als Warren mit feierlichem Ernst ihre Hand nahm. Das hatte sie nicht erwartet. Zum Glück war der Austausch von Worten kurz. Es war einfach. Sie entspannte sich.

Bis der Standesbeamte zu Warren sagte: „Sie dürfen die Braut jetzt küssen.“

Ihr Puls begann wieder zu rasen. Das würde er doch nicht tun, oder? Aber Warren beugte sich bereits vor, und sie hob automatisch das Gesicht, um seinen Kuss zu empfangen.

Es ging viel zu schnell. Als seine Lippen ihre berührten, durchzuckte etwas wie ein Stromschlag ihren Körper, und jetzt zuckte sie doch zusammen. Aber nicht deshalb, weil ihr der Kuss unangenehm gewesen wäre. Warren zu küssen war ganz und gar nicht wie Bryan zu küssen. Oder irgendeinen anderen Mann. Allerdings besaß sie nicht so viel Erfahrung darin, um Vergleiche anstellen zu können. Warrens Kuss war nicht fordernd oder aufdringlich. Nur sanft und zärtlich. Und dann war es auch schon vorbei.

Die kurze Aufwallung von Hitze in ihrem Körper verebbte. Gut. Jetzt konnten sie wieder zur Normalität zurückkehren. Aber sie schaffte es nicht, Warren anzusehen, als sie das Gebäude verließen.

Sie hatte den Weg zum Rathaus zu Fuß zurückgelegt. Warren bestand darauf, sie in seiner Limousine zurück ins Büro mitzunehmen, weil er, wie er behauptete, noch Informationen zu dem Treffen mit Wheatner und Ross benötigte. Er verabschiedete sich von seinen Freunden, und dann verschwanden sie und Warren im Inneren des luxuriösen Gefährts.

„Also“, sagte er munter. „Das ist doch gut gelaufen.“

„Ja. Ziemlich gut.“

Alles war auf einmal so seltsam. Jetzt sollten sie doch eigentlich zu dem freundlich distanzierten und geschäftsmäßigen Umgang miteinander zurückfinden, den sie beide so schätzten. Aber als sie sich Warren zuwandte, streifte ihr Knie das seine. Ein Schauer der Erregung durchlief ihren Körper, und sie konnte den Blick nicht von seinem Mund abwenden.

Wo kam das denn plötzlich her?

Das war leicht zu beantworten. Warren hatte sie geküsst. Das sollte keine so große Sache für sie sein. Allerdings musste sie sich fragen, warum er das getan hatte. Es gab kein Gesetz, nach dem ein Paar weniger verheiratet war, wenn es auf den Kuss nach der Zeremonie verzichtete. Hatte er sie geküsst, um zu beweisen, dass es sich um eine vollkommen normale Hochzeit handelte? Oder war er einfach nur neugierig gewesen, wie sich das wohl anfühlen mochte?

Sie selbst war überhaupt nicht neugierig. Nicht ein bisschen. Doch jetzt kam sie nicht umhin, sich vorzustellen, wie sein Kuss wohl gewesen wäre, wenn es keine Zeugen gegeben hätte.

Lieber Himmel, sie musste sich unbedingt zusammenreißen und zu ihrer gewohnt geschäftsmäßigen Haltung zurückfinden.

Also begann sie, Warren die Präsentation zu erläutern, die sie für das heutige Treffen vorbereitet hatte. Dabei kam ihr die vergangene Nacht in den Sinn. Etwa um Mitternacht hatte sie sich damit abgefunden, dass sie nicht einschlafen konnte. Mit dem Mann, den sie gerade geheiratet hatte, über geschäftliche Belange zu sprechen, beruhigte sie und verdrängte jeden Gedanken an die merkwürdige Lage, in der sie sich befanden.

Bis sie bemerkte, dass Warren unverwandt auf eine Seite ihres Gesichts blickte.

„Was ist?“, fragte sie irritiert.

„Oh, gar nichts“, antwortete er und senkte den Blick, um dann doch gleich wieder auf ihr Gesicht zu schauen. „Da ist nur diese Haarsträhne, die sich gelöst hat. Lass mich das mal in Ordnung bringen.“

In dem Moment, als er nach der Haarsträhne greifen wollte, flog ihre Hand wie von selbst zur Abwehr nach oben. Ihre Hände berührten sich und sie drückte seine von ihrem Gesicht weg. Verlegen senkte sie den Kopf. Spätestens jetzt hatte er wohl begriffen, dass sie es nicht gut aushalten konnte, angefasst zu werden.

Die Situation wurde noch peinlicher, als sie sich beide gleichzeitig entschuldigten. Aber sie konnte nicht ignorieren, dass ihre Haut prickelte an der Stelle, wo er sie berührt hatte.

„Ich bringe das in Ordnung, wenn wir im Büro sind“, murmelte sie und strich die Haarsträhne zurück, die seine Aufmerksamkeit erregt hatte.

„Tu das nicht“, bat er. „Es gefällt mir.“

Damit hatte sie nicht gerechnet. Er mag mein Haar, dachte sie und errötete.

Das war die persönlichste Bemerkung, die er ihr gegenüber je geäußert hatte.

„Oh, das hätte ich fast vergessen“, sagte er unbekümmert. „Jonas und Hendrix haben gefragt, ob wir nicht mit ihnen zu Abend essen wollen. Um unsere Hochzeit zu feiern. Es wird keine große Sache. Nur die beiden, ihre Frauen und wir. Ist das in Ordnung für dich?“

Sie nickte, obwohl sie am liebsten Nein gesagt hätte. Doch das hätte vermutlich ziemlich kleinlich gewirkt. Immerhin hatte sie heute geheiratet. Und ihr Erscheinen bei feierlichen Anlässen war Teil ihrer Abmachung.

Reiß dich zusammen, ermahnte sie sich selbst. Warren war nicht Bryan. Es bestand kein Anlass zu der Befürchtung, er könnte sich in ein Monster verwandeln, nachdem er sie in Sicherheit gewiegt hatte.

Jedenfalls hoffte sie das.

Für den Rest des Nachmittags zwang sie sich zu einem Lächeln und brachte die Besprechung mit Wheatner und Ross mit Anstand und Professionalität hinter sich. Dafür erntete sie beifälliges Nicken von Warren, das ihr mehr bedeutete, als es eigentlich sollte. Er hatte ihre Arbeit immer zu schätzen gewusst. Das war der Grund, weshalb sie noch hier war und nicht in einem Flugzeug nach Australien.

Jetzt war sie verheiratet und trug einen goldenen Ring am Finger, dessen schmales Band neun kleine Diamanten im Smaragdschliff zierten. Es war genau der richtige Ring für sie. Bescheiden und stilvoll. Woher hatte Warren gewusst, dass der Ring ihr gefallen würde? War das Intuition oder einfach nur Glück? Sie wäre auch mit einem Ring aus dem Kaugummiautomaten zufrieden gewesen. Sie ballte die Hand zur Faust, konnte den Ring aber immer noch spüren.

Warren brachte sie nach Feierabend zu seinem Wagen, um mit ihr in das Restaurant zu fahren, in dem seine Freunde warteten. Er hatte sehr deutlich zum Ausdruck gebracht, dass sie in der Öffentlichkeit keinesfalls das verliebte Brautpaar spielen mussten. Tilda hatte jedoch andere Bedenken. Sie fragte sich, wie sie mit den Ehefrauen seiner Freunde zurechtkommen würde. Sie wollte bei diesem Test, ob sie in seine Welt passte, auf keinen Fall versagen.

„Ist es dir recht, wenn wir gleich dorthin fahren?“, fragte Warren höflich, als er ihr zum zweiten Mal an diesem Tag beim Einsteigen in seinen Wagen behilflich war. „Falls du noch kurz nach Hause willst, um dich frisch zu machen, wäre das kein Problem.“

„Vielen Dank, das ist nicht nötig.“ Was hätte sie auch wegen ihres Aussehens unternehmen sollen? Die lose Strähne beseitigen, wo doch Warren sie gebeten hatte, ausgerechnet das nicht zu tun? Bestimmt nicht. Und sie besaß keine Kostüme, die nicht grau oder braun waren. Da sie nicht vorhatte, den Freunden ihres Ehemanns in Jeans und T-Shirt unter die Augen zu treten, war sie so bereit, wie sie nur sein konnte. „Aber ich weiß dein Angebot zu schätzen.“

Während der Fahrt unterhielten sie sich über die wichtigsten Begebenheiten dieses Arbeitstages. Das taten sie oft kurz vor Feierabend, bevor sie ihrer Wege gingen. Nur dass sie heute nicht auseinandergehen würden. Tilda fragte sich, ob sie sich wohl jemals daran gewöhnen würde, verheiratet zu sein.

Warrens Freunde waren vor ihnen in dem Restaurant in der Glenwood Avenue eingetroffen und saßen bereits an einem Tisch für sechs Personen. Tilda schüttelte Rosalind Harris die Hand. Hendrix’ Frau war eine hinreißend schöne Brünette, die aussah, als käme sie geradewegs von einem Laufsteg in Paris. Angesichts ihres offenen und freundlichen Lächelns beruhigten sich Tildas Nerven ein wenig. Viv Kim, die Frau von Jonas, stand sogar auf, um Tilda in die Arme zu schließen.

„Ich freue mich so, dich kennenzulernen“, sagte sie lebhafte junge Frau und warf einen Blick zu Rosalind. „Wir haben absolut nichts über dich erfahren, und wenn unsere Männer sich in Schweigen hüllen, werden wir natürlich neugierig.“

Rosalind nickte. „Du musst uns alles ganz genau erzählen. Was denkst du, wie lange müsst ihr verheiratet sein, bis das Problem mit deinem Visum sich geklärt hat? Wirst du hierbleiben, wenn eure Ehe annulliert wird?“

Tilda hätte sich am liebsten unter dem Tisch verkrochen. Warren hatte seinen Freunden offenbar die Wahrheit erzählt. Er hielt sie also für vertrauenswürdig. Doch sie fand, es gab Themen, die sich nicht für eine Unterhaltung bei einem Abendessen eigneten. Man konnte nicht vorsichtig genug sein.

Die Rettung kam von ihrem frischgebackenen Ehemann. Warren bedachte die beiden jungen Frauen mit einem finsteren Blick. „Wir sind nicht hier, damit ihr über meine Frau herfallen könnt.“

Ein Lächeln zeichnete sich auf Tildas Gesicht ab. Mit einem einzigen kurzen Satz hatte Warren sie in eine Einheit verwandelt. Sie waren zusammen hier und bildeten eine gemeinsame Front. Ihre Vereinbarung brachte offensichtlich Vorteile mit sich, von denen sie nichts geahnt hatte. Aber es gefiel ihr, sehr sogar.

Rosalind wirkte nicht im Mindesten eingeschüchtert und lachte Warren aus. „Aber du hast doch gewusst, wie neugierig wir sind.“

„Liebling.“ Hendrix streckte eine Hand nach seiner Frau aus und rückte seinen Stuhl näher zu ihr. „Ich finde deine Neugier ganz bezaubernd. Ich hoffe, du bist auch neugierig darauf, welche Vorzüge es hat, neben deinem Ehemann zu sitzen.“

Rosalind lächelte und schmiegte sich an ihn, während er ihr einen Arm um die Schultern legte. Er flüsterte ihr etwas ins Ohr, das sie zum Lachen brachte. Tilda wurde bei diesem Anblick die Kehle eng. Sie waren so verliebt und wirkten so glücklich miteinander.

Tilda verspürte einen heftigen Stich in der Brust. Sie konnte nicht leugnen, dass sie eifersüchtig war. Neidisch und eifersüchtig. Sie verstand nicht, was da in ihr vorging. Sie hatte gedacht, sie hätte das alles längst hinter sich gelassen. Wegen ihrer Sehnsucht nach Nähe und Zärtlichkeit war sie in die Falle getappt, die Bryan aufgestellt hatte. Sie schluckte und wandte den Blick von den beiden.

„Nimm es ihnen nicht übel“, sagte Warren und runzelte missbilligend die Stirn. „Sie bringen einfach jeden in Verlegenheit. Sie kennen weder Scham noch Anstand.“

„Das stimmt so nicht“, wandte Hendrix mit einem breiten Grinsen ein. „Wir haben ein ganz neues Kapitel aufgeschlagen. Nie wieder nackt in der Öffentlichkeit.“

Daraufhin mussten alle lachen, und die Situation entspannte sich. Warren rückte für Tilda einen Stuhl an der Ecke des Tischs zurecht und setzte sich neben Hendrix. Tilda war mit ihrem Platz sehr zufrieden. Nichts ging ihr mehr gegen den Strich, als zwischen zwei anderen Personen eingeklemmt zu sein.

Viv ließ sich ihr gegenüber neben ihrem Mann nieder. Viv und Jonas trugen ihr Verliebtsein nicht so offenkundig zur Schau wie das andere Paar, doch sie saßen eng beieinander, und es war ihnen deutlich anzusehen, wie zugetan sie sich waren.

Warren hingegen ließ Tilda viel Raum und Bewegungsfreiheit. Das war auch gut so. Er würde niemals den Arm um sie legen oder sie gar an sich ziehen, um ihr etwas ins Ohr zu flüstern.

Sie brauchte den Rest des Abends, um sich selbst davon zu überzeugen, dass sie das auch gar nicht wollte.

3. KAPITEL

Das Umzugsunternehmen, das Warren engagiert hatte, brachte Tildas wenige Sachen am Samstagnachmittag zu seinem Haus. Sie schien aus Australien nicht viel mitgebracht zu haben. Ein paar zerlesene Taschenbücher, einige Kartons mit Kleidung und Schuhen und ein chinesisches Teeservice waren ihre gesamten Besitztümer.

Besonders die Bücher und das Teeservice erregten Warrens Neugier. Aber danach zu fragen wäre wohl zu weit gegangen. Das war zu persönlich. Wenn sie es ihm erzählen wollte, würde sie das tun. Aber es kam ihm doch seltsam vor, dass es ihm so schwerfiel, eine persönliche Beziehung zu seiner Frau herzustellen.

Die geringe Anzahl an Kisten bedeutete, dass sie keine Hilfe beim Auspacken benötigte. Also hatte er eigentlich auch keinen guten Grund, sich in seinem Schlafzimmer aufzuhalten, als Tilda das an sein Bad angrenzende Zimmer bezog. Er wusste nicht so recht etwas mit sich anzufangen, denn sonst verbrachte er die Samstage damit, zusammen mit seinem Bruder Thomas Warendepots von Flying Squirrel abzufahren.

Aber sein Bruder und dessen Frau waren derzeit in den Ferien, und zwar an einem Ort, an dem man offenbar keinen Handyempfang hatte, weil er seit einigen Tagen auf keine Nachricht und keinen Anruf reagierte. Das fand Warren unbegreiflich. Wer wollte an einem solchen Ort Urlaub machen?

Wenn Warren beschäftigt gewesen wäre, hätte er nicht gehört, wie Tilda im Bad herumraschelte. Und er hätte auch nicht durch die Tür auf seiner Seite gespäht, um zu ergründen, was sie da tat. Sie fuhr erschrocken hoch, als er den großzügig geschnittenen Raum betrat.

Er spürte ihre Nähe viel intensiver als jemals zuvor. Er war schon oft in weitaus engeren Räumen mit ihr gewesen, aber noch nie in seinem eigenen Haus, noch dazu in seinem Bad. Und nicht als Ehepaar.

Das Problem schien jedoch nicht die Tatsache zu sein, dass sie verheiratet waren. Es war der Kuss, wurde ihm klar.

Oder besser gesagt der Umstand, dass er sie richtig hätte küssen sollen. Dann müsste er jetzt nicht pausenlos darüber nachdenken, wie es wohl wäre, sie richtig zu küssen. Er konnte den Blick nicht von ihren Lippen wenden. Dieser flüchtige Kuss gestern war ebenso unbedacht wie unklug gewesen. Doch er war fast automatisch der Aufforderung des Standesbeamten gefolgt, dass er die Braut jetzt küssen könne. Er hatte keinen Grund gesehen, es nicht zu tun. Schließlich hatte diese Geste eine lange Tradition und gehörte nun einmal dazu. Ohne diesen Kuss hätte er das Gefühl gehabt, als wäre er gar nicht richtig verheiratet. Mit dieser Wendung hatte er nicht gerechnet.

Doch dieser Kuss war es nicht wert, dass er nun nervös um Tilda herumschlich. Außerdem war es wenig hilfreich, dass er sich dauernd fragte, ob es ihr Arbeitsverhältnis ändern würde, wenn er sie so leidenschaftlich und innig küssen würde, wie er es sich wünschte.

Er räusperte sich. „Alles in Ordnung?“

Sie nickte. „Du hast ein schönes Zuhause.“

Ein Zuhause, das sie niemals zu Gesicht bekommen hätte, wenn es ihnen nicht in den Sinn gekommen wäre zu heiraten. „Es ist jetzt auch dein Zuhause. Ich bin ziemlich überrascht, dass du dich für das Schlafzimmer hier oben entschieden hast. Es wäre absolut in Ordnung, das im Erdgeschoss zu nehmen.“

Tilda schüttelte nur den Kopf. Heute gab es keine Haarsträhnen, die sich aus ihrem strengen Knoten am Hinterkopf gelöst hatten. Irgendwie hatte er erwartet, dass sie samstags ein wenig zwangloser gekleidet wäre. Doch sie trug ein taubengraues Kostüm, das sich in nichts von ihrer gewöhnlichen Arbeitskleidung unterschied. Das erregte Warrens Neugier. Selbst er trug an einem Samstag Jeans und T-Shirt. Ob sie sich wohl jemals entspannte und sich einen Tag Urlaub gönnte?

Aber das spielte schließlich überhaupt keine Rolle. Was war nur los mit ihm? Er nahm sich doch auch nie einen freien Tag. Warum sollte der Umstand, eine Frau im Haus zu haben, etwas an seinen üblichen neunzigstündigen Arbeitswochen ändern? Nur dass er jetzt eine Ehefrau sein Eigen nannte, berechtigte ihn noch lange nicht, an etwas so Absurdes wie Urlaub zu denken.

„Du hast erwähnt, dass deine Hausangestellten sehr diskret sind“, sagte Tilda und deutete auf die Tür ihres angrenzenden Zimmers. „Aber ich dachte, wir wirken glaubwürdiger, wenn wir zwei nebeneinanderliegende Schlafzimmer haben. Dann sieht es so aus, als ob wir … äh … miteinander schlafen.“

Er beobachtete, wie ihre Wangen sich röteten, und lehnte sich gegen den Waschtisch aus Marmor, der wegen der zahlreichen weiblichen Toilettenartikel darauf ganz anders aussah als sonst.

„Deshalb habe ich es vorgeschlagen“, sagte er gedehnt.

Dies war ein altes Haus, das nach Gepflogenheiten gebaut worden war, die vor hundert Jahren herrschten. Damals war es wohl besonders in vornehmeren Kreisen nicht üblich, dass ein Ehepaar ein gemeinsames Schlafzimmer teilte. Und nächtliche Besuche konnten diskret durch das gemeinsame Bad erfolgen.

Warren hatte nicht damit gerechnet, dass das angrenzende Schlafzimmer jemals von einer Frau bewohnt werden würde. Doch jetzt konnte er den Gedanken nicht loswerden, wie einfach es wäre, sich mitten in der Nacht in Tildas Bett zu stehlen. Dort trug sie wohl kaum eines ihrer unauffälligen Kostüme. Die Frage war nur, was sie in der Nacht für gewöhnlich anhatte. In seinen Fantasien war sie jedenfalls immer nackt.

Das Bild, das in seinem Kopf entstand, war kaum angemessen für die Unterhaltung mit seiner frisch angetrauten Frau, auch wenn die Ehe nur vorgetäuscht war. Noch dazu im Niemandsland zwischen zwei Schlafzimmern. Ein Mann mit seiner Fantasiebegabung sollte sein Talent dafür nutzen, sich neue Wege für den Verkauf seiner Ware auszudenken. Es war höchste Zeit, damit aufzuhören, seine Angestellte mit den Augen auszuziehen. Verlegen wandte er den Blick ab.

„Möchtest du den aktuellen Projektplan durchgehen?“, fragte sie, während sie ihre Bürste in einer Schublade verstaute.

„Später vielleicht. Nachdem du dich eingerichtet hast. Und nur, wenn du wirklich Lust dazu hast. Ich erwarte nicht von dir, auch am Wochenende zu arbeiten, nur weil wir jetzt zusammenwohnen. Nimm dir Zeit, um dich einzugewöhnen. Ich bestehe darauf, dass du dir heute freinimmst. Wir können ja gemeinsam zu Abend essen.“

Abendessen. Das klang doch gut. Vielleicht eine Chance, die Sache entspannt anzugehen und sich besser kennenzulernen. Sich daran zu gewöhnen, verheiratet zu sein, und zu der Leichtigkeit zurückzufinden, die ihre Zusammenarbeit ausgezeichnet hatte.

Doch anstatt die Gelegenheit beim Schopf zu ergreifen und zu nicken, erstarrte Tilda. „Abendessen? Wie ein Rendezvous?“

Warren runzelte die Stirn. Offenbar lag ihr nichts daran, das Eis zwischen ihnen zum Schmelzen zu bringen. Sie wirkte alles andere als begeistert.

Das gab ihm zu denken. War er so eine schlechte Gesellschaft, dass sie ein privates Abendessen mit ihm nicht einmal in Betracht ziehen konnte? Viele Frauen fühlten sich ausgesprochen wohl in seiner Gesellschaft. Jedenfalls bis sie herausfanden, dass sein Handy sozusagen an seiner Hand festgewachsen war.

„Nein, kein Rendezvous. Aber wäre das denn so schlimm?“

„Ich … äh … ich weiß nicht.“

Sie wirkte so verlegen, dass sie ihm fast schon leidtat. Offenbar hatte sie keine Ahnung, was sie dazu sagen sollte. Und eigentlich war er ja auch mehr ihr Chef als ihr Ehmann.

„Nur ein Abendessen“, versicherte er ihr eilig. „Ich möchte nur mit dir essen. Du solltest dem keine besondere Bedeutung beimessen.“

Sie nickte zaghaft.

Vielleicht war es ja doch keine so gute Idee, sie besser kennenlernen zu wollen. Wer konnte schon wissen, wohin das führen würde. Aber sie mussten außerhalb der Arbeit eine wie auch immer geartete Beziehung zueinander finden.

Tilda verbrachte eine Stunde damit, ihre Kleidung in den Schrank ihres neuen Schlafzimmers zu räumen. Allerdings war Schrank eigentlich keine passende Bezeichnung für den begehbaren Raum, der ungefähr die Größe des Apartments aufwies, das sie in den letzten zwei Monaten bewohnte hatte. Sie war davon ausgegangen, in dieser winzigen Wohnung das ganze Jahr zuzubringen. Komisch, wie sich die Dinge nun entwickelt hatten.

Nicht ganz so komisch waren ihre Hintergedanken bei der Auswahl ihres Schlafzimmers. Die Gründe, die sie ihm genannt hatte, waren vernünftig. Die Wirkung, die seine Nähe auf sie hatte, war es ganz und gar nicht.

Natürlich war ihr vorher theoretisch klar gewesen, dass die Räume durch das große Bad miteinander verbunden waren. Sehr viel weißer Marmor zwischen den Verbindungstüren, die beide auf jeder Seite abschließbar waren. Sie würden einander also nicht über den Weg laufen. Jedenfalls hatte sie das angenommen.

In der Realität sah das ein wenig anders aus. Warren war einfach hereingekommen, während sie ihre Sachen einräumte. Offenbar dachte er sich nichts dabei, ein Schwätzchen zwischen den Fliesen zu halten. Sie bereute ihren Entschluss und fragte sich, warum sie nicht einfach ein Zimmer in der unteren Etage genommen hatte. Aber insgeheim kannte sie den Grund für ihre Entscheidung sehr gut. Die Vorstellung, allein und isoliert in diesem großen Haus zu sein, hatte sie in Angst versetzt. Warren war hier der einzige Mensch, den sie kannte. Nicht nur in diesem Haus, sondern auch im gesamten Land.

Ihre Gedanken wanderten zu dem gemeinsamen Abendessen, und sie überlegte, was sie anziehen sollte. Eins ihrer Kostüme würde zu formell wirken, Jeans und T-Shirt zu lässig. Allerdings hatte Warren gesagt, sie würden zu Hause essen, also war ein lässiges Outfit vielleicht das richtige.

Am Ende brachte sie es jedoch nicht über sich. Sie wählte ein braunes Kostüm und versteckte darunter einen blauen BH aus Seide und einen passenden Slip. Diese Unterwäsche mochte sie am liebsten, denn sie hatte beides von ihrem ersten Gehalt gekauft. Sie war geradewegs in das teuerste Geschäft für Dessous in der Innenstadt von Raleigh gegangen und hatte sich die schönsten Teile ausgesucht, die sie finden konnte. Der Verkäufer hatte ihre Auswahl in silbriges Seidenpapier verpackt und in eine hübsche Papiertasche mit Kordeln gesteckt. Stolz hatte sie ihren Einkauf nach Hause getragen und zum ersten Mal wirklich begriffen, dass sie am Beginn eines neuen Lebens stand.

Natürlich würde niemals jemand ihre raffinierte Unterwäsche zu Gesicht bekommen. Das war ihr kleines Geheimnis. Und gleichzeitig ein Akt der Befreiung von Bryan, der ihr geradezu verboten hatte, auffällige Kleidung zu tragen. Nach außen hin wirkte sie immer noch eher dezent, denn sie fühlte sich wohler, wenn sie keine Aufmerksamkeit erregte. Doch ihre spektakulären Dessous waren eine heimliche Rebellion.

Das Abendessen war genau so, wie Warren angekündigt hatte. Zu Hause, überhaupt nicht aufwendig und vor allem weit entfernt von einem Rendezvous. Er trug dasselbe T-Shirt und dieselbe Jeans wie zuvor und sah darin wie immer unverschämt gut aus. Sie hatte ihn bisher eigentlich nur in Anzügen gesehen und genoss den Anblick seiner bloßen muskulösen Arme.

Schweigend rückte er ihr einen Stuhl an dem Esstisch für zwölf Personen im Foyer zurecht.

„Hast du oft Gäste?“, fragte sie höflich.

„Eigentlich nie. Der Tisch war eine Idee von meiner Mutter. Offenbar gehört es zum guten Ton, einen Esstisch zu haben, an dem ein Baseballteam Platz nehmen kann.“

Sie lächelte über seinen Scherz und glitt auf ihren Stuhl, wobei sie es sorgfältig vermied, Warren zu berühren. Doch als er ihr half, den Stuhl nach vorn zu rücken, streifte er mit den Fingern versehentlich ihre Schultern.

Das heiße Gefühl in ihrem Bauch überraschte sie mit seiner Intensität. Er hatte sie doch kaum berührt. Nur mit Mühe konnte sie sich davon abhalten, sich einladend an ihn zu lehnen.

Die Hitze in ihrem Inneren verschwand so plötzlich, wie sie gekommen war, als er links neben ihr Platz nahm.

„Hast du alles ausgepackt?“, erkundigte er sich. „Oder brauchst du noch Hilfe?“

Sie schüttelte den Kopf. „Nein, vielen Dank. Es war sehr großzügig von dir, das Umzugsunternehmen zu engagieren und mir Zeit zum Auspacken zu geben. Wir sollten jetzt zusammen den Projektplan durchgehen und …“

„Keine Arbeit.“ Warren brach ab, als seine Haushälterin hereinkam, um ihnen Fisch und Gemüse zu servieren. Nachdem er ihr zum Dank zugenickt hatte, verschwand sie ebenso lautlos, wie sie gekommen war. „Wir essen nur zusammen. Als Paar, nicht als Kollegen.“

„Aber wir sind kein Paar“, wandte sie ein. „Da waren wir uns doch einig. Nur zum Schein.“

Ein Paar. Sie war niemals Teil eines Paares gewesen. Jedenfalls keines normalen Paares. Es war nicht ganz einfach, diesem Begriff keine Bedeutung beizumessen. Sie hatte sich immer nach einem Leben zu zweit gesehnt. Aber die Aussicht darauf hatte niemals bestanden. Bis Bryan in ihr Leben trat. Sie hatte ihn auf der Hochzeit ihrer Mitbewohnerin kennengelernt. Getrieben von ihrer Sehnsucht hatte sie sich nur allzu schnell auf ihn eingelassen.

Doch jetzt hatte sie sich selbst bewiesen, dass sie auch allein leben konnte. Die Hälfte eines Paares zu sein gehörte nicht mehr zu ihren Zielen.

„Ja, nur zum Schein. Trotzdem möchte ich dich besser kennenlernen. Wir müssen uns für deine Green Card einigen Befragungen unterziehen. Dabei wäre es vorteilhaft, wenn wir nicht bei Fragen wie Geburtsort oder Geschwistern ins Stocken geraten.“

Sie nahm ihre Gabel und begann zu essen. „Ich bin ein Einzelkind und wurde in Melbourne geboren. Du hast einen Bruder namens Thomas. Nachdem Wheatner und Ross nun zurückgekommen sind, dachte ich, wir …“

„Tilda.“ Er schüttelte den Kopf. „Fällt es dir so schwer, die Arbeit einmal beiseitezulassen? Versteh mich nicht falsch, das soll kein Vorwurf sein. Ich bin der Letzte, der es sich erlauben kann, den ersten Stein zu werden, wenn es um die Arbeit geht. Aber es ist Samstagabend, und ich möchte mit meiner Frau zu Abend essen. Nicht mit meiner Projektmanagerin.“

„Ich bin deine Projektmanagerin. Alles andere ist nur zum Schein. Damit ich in diesem Land bleiben kann“, erinnerte sie ihn ein wenig ungeduldig.

So war es doch, oder? Ein merkwürdiges Gefühl ergriff von ihr Besitz, als sie in das gut geschnittene Gesicht des Mannes blickte, den sie geheiratet hatte.

„Ja. Und nein. Es liegt eine gewisse Ironie darin, dass wir uns so ähnlich sind. Hier sitzen wir also, verheiratet, und können nicht zusammen essen, ohne uns der Arbeit zu widmen. Vielleicht ist dies eine Gelegenheit zu üben, wie man sich entspannt. Für uns beide. Mir gefällt es, dass wir die gleiche Wellenlänge haben. Das ermöglicht eine gute Zusammenarbeit. Ich möchte nicht, dass unser Zusammenleben unsere gemeinsame Arbeit beeinflusst. Aber ich fürchte, es könnte dazu kommen, wenn wir diese seltsame Anspannung zwischen uns nicht aus der Welt schaffen.“

Lieber Himmel, das wurde ja immer komplizierter. Und sie sah keine Möglichkeit, ihr Unbehagen in Sachen Nähe aus der Welt zu schaffen. „Der beste Weg, diese Anspannung zu beseitigen, besteht meiner Meinung nach darin, über die Arbeit zu reden.“

Genau. Arbeit. Der Platz, an dem sie sich hundertprozentig sicher fühlte.

Er lächelte. „Aber das tue ich ja gerade. Ich bitte dich, die Stimmung aufzuhellen, weil ich selbst darin nicht gut bin.“

Er bat sie also um Hilfe, weil er kein besonders umgänglicher Mensch war. Dazu konnte sie schlecht Nein sagen. „Ich mag es, dass du dich so auf die Arbeit konzentrierst. Du trägst als Geschäftsführer viel Verantwortung, und du machst deine Sache hervorragend.“

Autor

Cat Schield
<p>Cat Schield lebt gemeinsam mit ihrer Tochter, zwei Birma-Katzen und einem Dobermann in Minnesota, USA und ist die Gewinnerin des Romance Writers of America 2010 Golden Heart® für romantische Serienromane. Wenn sie nicht gerade neue romantisch-heiße Geschichten schreibt, trifft sie sie sich mit ihren Freunden um auf dem St. Croix...
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<p><em>USA Today</em>-Bestsellerautorin Kat Cantrell las ihren ersten Harlequin-Roman in der dritten Klasse und füllt ihre Notizbücher, seit sie Schreiben gelernt hat. Sie ist Gewinnerin des <em>So you think you can write</em>-Wettbewerbs und <em>Golden Heart</em>-Finalistin der <em>Romantic Writers Association</em>. Kat, ihr Mann und ihre beiden Jungen leben in Nordtexas.</p>
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