Cora Collection Band 22

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VERLIEBT IN EINEN PRINZEN von VICTORIA CHANCELLOR
"Heirate mich!" Kerry glaubt zu träumen: Prinz Alexander macht ihr einen Antrag! Doch sie lehnt ab. Denn sie weiß, dass sie niemals in seinem Land akzeptiert wird! Aber warum gibt Alexander nicht auf - will er sie überzeugen, dass sie die Prinzessin seines Herzens ist?

SIZILIANISCHES SPIEL MIT DEM FEUER von REBECCA WINTERS
Für Kronprinz Valentino ist die Liebe mit Carolena ein Spiel mit dem Feuer. Wenn er die schöne Bürgerliche heiratet, riskiert er den Thron. Aber ihr Kuss im blühenden Orangenhain ist stärker als jede Vernunft …

HERZ ODER KRONE von RAYE MORGAN
Sebastians Küsse sind verführerisch - fast verliert Emma am Pool des romantischen Schlosses den Kopf. Doch sie muss stark bleiben: Sebastian ist ein Prinz, und sie nur seine Köchin ...


  • Erscheinungstag 17.01.2020
  • Bandnummer 22
  • ISBN / Artikelnummer 9783733728656
  • Seitenanzahl 400
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Victoria Chancellor, Rebecca Winters, Raye Morgan

CORA COLLECTION BAND 22

PROLOG

Kerry Lynn Jacks zog den blauen Bademantel enger zusammen und versuchte verzweifelt, die sie schon seit Wochen quälende Übelkeit zu ignorieren. Blass und mit dunklen Augenrändern ging sie an die Tür. Hoffentlich hatte der unerwartete Besucher einen guten Grund, sie um diese Tageszeit zu stören. Kerry Lynn war kein Morgenmensch, und dieser Umstand hatte sich noch verschlimmert, seit der Teststreifen ihr das schockierende Ergebnis präsentiert hatte: Schwanger.

Trotz des heißen texanischen Sommers fühlte sich der Fliesenboden in der Diele unter ihren nackten Füßen kühl an. „Wehe, wenn das nur der Postbote ist“, murmelte sie und blickte mürrisch durch den Spion.

Einen kurzen Moment lang glaubte sie, ihr Herz würde stehen bleiben. Entweder trug ihr guter Freund Hank McCauley mittlerweile Maßanzüge, oder sie bekam Besuch von einem Prinzen.

Nervös zog sie die Tür auf und betrachtete den beeindruckend attraktiven Mann, der sie finster musterte.

Eindeutig der Prinz.

„Hallo, Alex“, sagte sie leise.

„Wieso hast du es mir verheimlicht?“

Kerry schluckte. „Ich wollte es dir ja sagen. Wusste nur noch nicht, wann und wie. Außerdem ist es nicht gerade einfach, dich zu erreichen.“

„Es ist schon drei Monate her!“

„Stimmt, aber ich bin mir erst seit ein paar Wochen sicher.“

Alex seufzte. „Könnten wir vielleicht drinnen über alles reden?“

„Natürlich.“ Kerry Lynn bat ihn mit einer übertrieben höflichen Handbewegung herein. „Mach es dir bequem.“

Während sie ihm folgte, strich sie sich durch das zerzauste blonde Haar und verfluchte innerlich ihren desolaten Zustand.

„Wenn du Kaffee möchtest, musst du ihn dir selbst machen. Mein Magen …“, stammelte sie entschuldigend und ließ sich in einen Sessel sinken. „Sagen wir, ich verzichte vorerst auf meine morgendliche Koffeindosis.“

„Ich bin nicht Tausende Kilometer wegen eines Kaffees geflogen, obwohl du den sicher ausgezeichnet machen kannst.“

„Dazu hatte ich ja auch oft genug Gelegenheit“, bemerkte sie und erinnerte Prinz Alexander von Belegovia damit daran, dass sie zum Zeitpunkt des Kennenlernens Kellnerin in einer Raststätte gewesen war … Dass sie in verschiedenen Welten lebten und auch immer leben würden.

„Du hättest mich sofort anrufen müssen, Kerry!“

„Was für einen Unterschied hätte es denn gemacht? Ich bekomme dieses Kind, ob du willst oder nicht.“

„Dann gibst du also zu, dass ich der Vater bin?“

„Ja. Es ist dein Kind“, beteuerte sie und legte ihre Hand auf den bereits leicht gewölbten Bauch. „Ich verdanke es zwar nur einem unglücklichen Zufall, aber ich will es behalten. Dafür brauche ich weder von dir noch von sonst jemandem eine Erlaubnis.“

„Denkst du, ich möchte nicht, dass du das Baby bekommst? Das ist doch absurd. Ich würde niemals …“

„Ich dachte, ich würde dich kennen“, unterbrach sie ihn. „Jetzt bin ich mir aber nicht mehr sicher. Wir waren schließlich nur kurze Zeit zusammen und haben vor allem nicht über dieses Thema gesprochen.“

„Aber über so gut wie alles andere“, entgegnete er.

Kerry holte tief Luft und versuchte, die aufsteigenden Tränen zu unterdrücken. Ihre Nerven lagen blank, und durch die Aufregung wurde ihr wieder flau im Magen.

„Wahrscheinlich hast du es von Gwendolyn erfahren“, mutmaßte sie enttäuscht. Kerry hielt sich eigentlich für eine gute Menschenkennerin und hatte ihre Freundin für verschwiegen gehalten. Allerdings war Gwendolyn mit Alex schon lange eng befreundet und hatte jahrelang für ihn gearbeitet. Eine erst drei Monate dauernde Freundschaft hielt da wohl doch nicht mit.

„Sie hat dein Geheimnis nicht ausgeplaudert“, beruhigte Alex sie. „Ich habe es eher zufällig erfahren.“ Als er Kerrys verständnislosen Blick sah, fuhr er fort: „Ich telefonierte gestern gerade mit ihr, als du angekommen bist.“

Kerry dachte kurz über den Besuch bei ihrer Freundin nach. „Jetzt erinnere ich mich. Sie sagte, sie habe jemanden in der Leitung.“

„Genau. Offenbar dachte sie, dass sie die Verbindung unterbrochen hätte. Das stimmte aber nicht. Ich habe jedes Wort zwischen euch mitgehört und bin dann sofort nach Texas geflogen, um das Problem zu lösen. Deine Mutter hat mir verraten, wo du wohnst.“

„Mein Kind ist kein Problem!“

„So habe ich das auch nicht gemeint“, versicherte er hastig. „Ich möchte mit dir über die neue Situation sprechen. Charlene hat sich jedenfalls über das Wiedersehen gefreut.“

„Das kann ich mir lebhaft vorstellen. Schließlich hat sie dein Foto samt Autogramm einrahmen lassen.“ Ihre Mutter, Charlene Jacks, hatte eine Schwäche für die Mitglieder sämtlicher europäischer Königshäuser und Fürstentümer. Allerdings ahnte sie vermutlich nicht, warum Prinz Alexander von Belegovia zum zweiten Mal nach Texas gekommen war.

„Warum hast du es Gwendolyn erzählt, mir aber nicht?“

„Ich war durcheinander und wusste nicht, an wen ich mich wenden sollte“, verteidigte Kerry sich. „Nicht einmal meine Mutter weiß Bescheid.“

Sie holte erneut tief Luft und sehnte sich nach Zwieback und Pfefferminztee gegen das immer stärker werdende Unwohlsein. Während des Gesprächs mit Alex wollte sie jedoch nicht in die Küche gehen. Früher oder später mussten sie schließlich diese Diskussion führen.

„Ich brauchte einen Rat“, gestand sie zögernd und fing einen mitfühlenden Blick auf. „Ich wusste nicht, was für alle Beteiligten das Beste wäre, für dich, mich und das Kind.“

„Und Gwendolyn hat dich über die Thronfolge in Belegovia informiert“, stellte er fest. „Du weißt also, dass mir dieses Kind eines Tages auf den Thron nachfolgen könnte, ob es nun ein Junge oder ein Mädchen ist.“

„Ja“, bestätigte Kerry, „aber nur, wenn du es zu deinem Erben erklärst. Ansonsten wären die Kinder, die du mit …“ Sie stockte. „… die du mit der Contessa nach eurer Heirat bekommst, deine gesetzlichen Erben. Mein Kind würde dann als Halbbruder oder Halbschwester nicht in der Thronfolge auftauchen.“

„Erstens“, entgegnete er heftig, „werde ich die Contessa di Giovanni nicht heiraten!“

„Meine Mutter hat gesagt, dass am Wochenende eure Verlobung verkündet werden soll.“ Charlene Jacks war bestens über sämtliche den Adel betreffenden Klatschgeschichten informiert. Sie hatte Kerry auch alles Wissenswerte über Belegovia erzählt. Damit hatte sie erst aufgehört, als sie merkte, dass ihre Tochter hoffnungslos in den zukünftigen Fürsten des kleinen Landes verliebt war.

Alex winkte ungeduldig ab. „Und zweitens wird es keine Halbgeschwister geben.“

Kerry war nur zu gut bekannt, dass er als Kronprinz mindestens zwei Kinder haben sollte, um die Thronfolge zu sichern. Fürst Wilhelm von Belegovia, sein Vater, hatte Alex’ dreißigsten Geburtstag als spätesten Termin für eine Heirat festgelegt. Genau deshalb war Alex während seiner Reise durch Texas im Mai untergetaucht.

Er war mit ihr untergetaucht …

„Wieso sagst du das?“, fragte sie verunsichert.

Er griff nach ihren Händen und blickte sie zärtlich an.

Bei seiner Berührung fing Kerrys Herz wild an zu pochen. Drei Monate hatte sie ihn nicht gesehen, doch jetzt kam es ihr vor, als wären nur drei Tage verstrichen.

„Weil wir beide heiraten werden“, erklärte er sanft und zärtlich. „Ich werde dafür sorgen, dass die Hochzeit so bald wie möglich in der Kathedrale von Belegovia stattfindet. Dann wird unser Kind der legitime Thronanwärter sein.“

Jetzt blieb keine Zeit mehr für Zwieback und Pfefferminztee. Kerry sprang auf und floh ins Bad.

1. KAPITEL

Drei Monate zuvor

„Hank McCauley!“, rief die junge Frau begeistert und umarmte Alexander überschwänglich. „Du hast es nicht vergessen und bringst mir ein Geschenk?“

Alex war völlig überrascht, doch die Fremde presste sich fest an ihn, ihr seidiges blondes Haar strich ihm über die Wange, und ihr frischer Duft stieg ihm zu Kopf. Er konnte nichts weiter tun, als die Arme um ihren schlanken, gut geformten Körper zu legen.

Natürlich musste er ihr sagen, dass er nicht dieser Hank McCauley war, wer immer das sein mochte. Bevor er jedoch dazu kam, lächelte sie ihn strahlend an und küsste ihn mitten auf den Mund.

Ihre Lippen waren weich und warm und schmeckten nach Zimt und Minze. Alex begehrte diese Frau auf der Stelle.

Doch sie zog sich zurück, hörte zu lächeln auf und ließ die Arme sinken. Atemlos und verwirrt standen sie einander in der Raststätte gegenüber.

„Sie sind nicht Hank“, stellte sie fest.

„Nein, der bin ich nicht.“

„Aber Sie sehen genau wie er aus“, fuhr sie fort. Auf der niedlichen Nase hatte sie einige Sommersprossen. „Die kleine Narbe oberhalb der Lippen fehlt“, fuhr sie nach eingehender Betrachtung fort.

„Das stimmt.“ Alex rechnete mit Vorwürfen. „Ich wollte Sie bestimmt nicht täuschen. Sie haben mich einfach überrumpelt.“

„Kommen Sie aus England? Ihr Akzent …“

„Ich bin dort geboren und aufgewachsen, lebe aber jetzt in Belegovia.“

„Belegovia? Woher kenne ich den Namen?“

„Vielleicht aus den Nachrichten?“

„Aber ja. Jetzt weiß ich, woher ich Sie kenne. Sie sind der Prinz!“, rief sie und schüttelte lächelnd den Kopf. „In der Zeitung habe ich nur ein ziemlich unscharfes Bild von Ihnen gefunden. Sie sehen in echt ganz anders aus.“ Sie griff nach der Zeitung neben der Kasse. „Hier ist es. Auf dem Foto wirken Sie viel strenger.“

Diese junge Frau faszinierte ihn. Seine Stellung schien sie gar nicht zu beeindrucken. Schon wollte er sie nach ihrem Namen fragen, als Lady Gwendolyn Reed zu ihnen kam. Bestimmt hatte sie alles gesehen. Gwendolyn entging so gut wie nichts.

„Ich meine, Sie sehen in Wirklichkeit viel besser aus“, fuhr die schlanke Blondine fort und warf einen Blick auf Gwendolyn. „Wie Hank McCauley. Wir waren mal ineinander verliebt, aber nicht lange. Zwischen uns war eigentlich nie etwas Ernstes. Wir sind eben gute Freunde. Darum dachte ich, er würde mich hier in der Raststätte besuchen.“

„Und Ihnen ein Geschenk bringen“, fügte Alex hinzu.

„Ich mag Überraschungen“, versicherte sie lachend.

„Ich auch“, entgegnete er lächelnd. Vor allem dermaßen hübsche Überraschungen …

„Wir sollten aufbrechen“, sagte Gwendolyn. In dem dunklen Kostüm, mit den schwarzen Schuhen und dem streng zurückgebundenen Haar war sie das genaue Gegenteil der Kellnerin, deren blondes Haar in hübschen Löckchen das Gesicht umrahmte.

„Ich würde gern die Vorstellung übernehmen“, sagte Alex zu seiner persönlichen PR-Referentin, „aber ich kenne den Namen unserer neuen Freundin noch nicht.“

„Tut mir leid.“ Die Kellnerin legte die Zeitung auf die Theke und reichte ihm die Hand. „Ich bin Kerry Lynn Jacks aus Ranger Springs.“

Alex gab ihr einen Handkuss. „Freut mich sehr, Kerry Lynn Jacks. Ich bin Prinz Alexander von Belegovia. Darf ich Ihnen Lady Gwendolyn Reed vorstellen, die mich gnadenlos zu etlichen langweiligen öffentlichen Auftritten in San Antonio drängt?“

„Das klingt nach einer schwierigen Aufgabe“, sagte Kerry lachend.

„Sie haben ja keine Ahnung“, bestätigte Gwendolyn und warf ihm einen eindringlichen Blick zu.

Er mochte es grundsätzlich, Kinder zu küssen und Hände zu schütteln, doch Gwendolyn übertrieb es mit derartigen Terminen. Viel lieber hätte er den Tourismus und die Wirtschaft seines Landes angekurbelt, wie er das soeben in Dallas getan hatte. Seiner Meinung nach war der Zweck der Reise nach Texas erfüllt. Gwendolyn bestand jedoch darauf, dass er noch einige Tage lang Termine wahrnahm, bis er erfuhr, ob er am Samstag den Präsidenten auf dessen texanischer Ranch treffen würde.

„Dann halte ich Sie nicht länger auf“, meinte Kerry Lynn Jacks. „Tut mir leid, dass ich mich Ihnen an den Hals geworfen habe. Es passiert bestimmt nicht oft. Das heißt, die Frauen würden das sicher gern machen, aber man verwechselt Sie kaum mit jemandem.“

„Das ist noch nie geschehen“, erwiderte Alex lächelnd. Allerdings hatte es ihm gefallen.

„Hat mich gefreut, Lady Gwendolyn“, fuhr Kerry fort. „Ich wünsche Ihnen beiden einen angenehmen Aufenthalt in Texas.“

Alex sah ihr nach und dachte an den Kuss und daran, wie sich ihr Körper angefühlt hatte.

„Wir müssen aufbrechen“, mahnte Gwendolyn. „Durch das Unglück im Land Rover und diese Verwechslung hinken wir fast eine Stunde hinter dem Zeitplan her.“

Bei diesem Unglück war es um eine Colaflasche gegangen, die Alex gekauft hatte. Er mochte amerikanische Softdrinks, weil sie anders als die europäischen schmeckten. Diese Flasche hatte jedoch jemand fallen lassen oder absichtlich geschüttelt. Jedenfalls war ihm der Inhalt beim Öffnen auf Hemd, Gesicht und Haar und sogar auf den Sitz gespritzt.

Die Raststätte hatte sich für eine Säuberung und zum Umziehen angeboten. Zu seiner Überraschung gab es hier sogar Duschen, und man konnte Kleidung, CDs, Lesestoff und Essen kaufen. Die Duschen und Toiletten trennten den Laden vom Restaurant, das ungefähr ein Drittel des Gebäudes einnahm.

Alex kaufte Jeans, ein bunt gestreiftes Hemd im Western-Stil und einen nietenbeschlagenen Ledergürtel, der ihn stets an Texas erinnern würde. Nach dem Duschen hatte er die Sachen angezogen und war deshalb von Kerry Lynn Jacks für einen anderen gehalten worden.

Jetzt beobachtete er, wie sie zwei Kellnerinnen umarmte und sich Tränen aus den Augen wischte. „Eine interessante junge Frau“, urteilte er.

„Für solche Feststellungen haben wir keine Zeit“, mahnte Gwendolyn.

„Du verdirbst mir jeden Spaß“, hielt er ihr vor, weil sie nur an Termine dachte. Bei diesen Terminen ging es stets nur um Pflichten und nie um Unterhaltung. Er warf noch einen letzten Blick zu Kerry, die nach einer Reisetasche griff und ihren Freundinnen zuwinkte. „Also schön, fahren wir weiter“, entschied er.

„Du solltest nicht so enttäuscht klingen“, tadelte Gwendolyn. „Diese Reise war deine Idee.“

„Die Auftritte in Dallas waren meine Idee. Die Fototermine fanden nur auf deinen Wunsch und auf Verlangen meines Vaters statt.“

Der inzwischen gesäuberte Land Rover stand vor dem Ausgang. Der texanische Fahrer Pete Boedecker und Alex’ Kammerdiener Milos Anatole warteten.

„Auf nach San Antonio, Mr. Boedecker“, verkündete Gwendolyn und blieb stehen, damit Alex vor ihr einsteigen konnte. Es fiel ihm noch immer schwer, hier in Amerika an seine Stellung zu denken. Fünf Jahre lang hatte er in Boston studiert und sich Frauen gegenüber stets höflich gezeigt. Allerdings hatten ihn die meisten auch nur als Alex gekannt.

Als er gerade einsteigen wollte, hielt neben ihnen ein rostiger blauer Kleinwagen. Milos stellte sich sofort schützend vor seinen Herrn, doch Alex erkannte die Fahrerin und lächelte.

„Schon gut, Milos, die junge Dame wird mich bestimmt nicht entführen.“

„Prinz Alex!“, rief Kerry. „Ich hätte beinahe vergessen, Sie um einen großen Gefallen zu bitten.“

„Was kann ich für Sie tun, Miss Jacks?“

„Meine Mutter ist ein Fan aller europäischen Königshäuser und Fürstentümer.“ Sie stieg aus und ging um ihren alten Wagen herum. „Würde sie von unserem Treffen erfahren und hätte ich ihr kein Autogramm besorgt, würde sie mich übers Knie legen.“

Sofort stellte er sich Kerry Lynn Jacks’ hübschen festen Po vor. Selbstverständlich wollte er sie nicht übers Knie legen, aber ein Blick auf die verborgenen Reize unter der Jeans wäre nicht schlecht.

„Was soll ich denn unterschreiben?“, fragte er, ohne eine Miene zu verziehen.

Sie reichte ihm einen Briefumschlag der Raststätte und einen Stift. „Für Charlene Jacks, bitte.“

„Gern. Fahren Sie jetzt nach Hause?“, erkundigte er sich, während er schrieb.

„Nein, ich muss nach Galveston.“

„Nach Galveston!“ Er hatte die Insel vor Antritt der Reise auf der Landkarte gesehen. „Aber doch nicht in diesem alten …“

„Sagen Sie nichts über Delores“, warnte Kerry lachend. „Sie mag alt sein, aber sie hält seit acht Jahren treu zu mir. Wir haben viel gemeinsam erlebt.“

„Tatsächlich?“ Alex hätte gern gewusst, ob sich auch etwas auf den Rücksitzen dieses geradezu antiken Fahrzeugs abgespielt hatte. Allerdings war die hintere Sitzbank für einen normal gebauten Mann viel zu klein. „Ich möchte Delores nicht schlecht machen, aber die Fahrt ist lang. Sie sind doch nicht allein unterwegs?“

„Doch. Meine Mutter arbeitet, und meine Schwestern haben keine Zeit. Am Samstag muss ich zur Abschlussfeier an meinem College wieder zurück sein. Ich besuche meine Tante und meinen Onkel, weil ich den Wagen der Mutter meiner Tante bekomme. Der ist in gutem Zustand, hat nur ungefähr vierzigtausend Kilometer auf dem Tacho und keinen einzigen Kratzer.“

„Verstehe“, erwiderte er. Abschlussfeier am College? Wie alt war Kerry? „Um was für ein Diplom handelt es sich?“

„Betriebswirtschaft. Ich habe zehn Jahre gebraucht, aber jetzt bin ich endlich fertig.“

Alex atmete erleichtert auf. Sie war mindestens siebenundzwanzig, nur wenig jünger als er mit seinen dreißig Jahren.

„Hoheit“, sagte Gwendolyn, und es war eine deutliche Warnung, dass sie ihn so anredete. „Wir müssen fahren.“

„Lady Gwendolyn, ich habe soeben erfahren, dass diese junge Dame die weite Strecke nach Galveston allein in diesem wenig zuverlässigen Wagen zurücklegen möchte. Das kann ich nicht einfach übergehen.“

„Sie müssen …“, drängte sie.

Alex schüttelte bloß den Kopf. „Wie lange werden Sie unterwegs sein?“, fragte er Kerry Lynn.

„Etwa sechs Stunden.“

„Sechs Stunden in Delores.“ Er wandte sich erneut an Gwendolyn. „Das klingt nicht gerade günstig, oder?“

Gwendolyn beugte sich zu ihm. „Kauf ihr meinetwegen ein Ticket für die nächste Maschine, damit wir endlich aufbrechen können“, raunte sie ihm zu.

„Man kann nicht alles mit Geld lösen, Gwennie“, erwiderte er amüsiert.

„Alexander“, flüsterte sie in dem Ton, den sie stets anschlug, wenn sie eingeschnappt war, „komm bloß nicht auf Gedanken.“

„Ich weiß gar nicht, wovon du sprichst.“

„Sie sind offenbar unter Zeitdruck“, warf Kerry ein. „Vielen Dank für das Autogramm. Meine Mutter wird sehr stolz sein.“

„Einen Moment, Kerry“, bat Alex.

„Alex, nein!“

Er lächelte Gwendolyn zu. „Das ist doch Schicksal, findest du nicht auch? Zuerst ist die Flasche explodiert, und darum haben wir ausgerechnet hier gehalten.“

„Das Schicksal hält sich stets an deinen Zeitplan. Wer weiß, was in San Antonio auf dich wartet.“

„Ich war noch nie in Galveston.“

„Du warst auch noch nie in San Antonio!“

„Stimmt, aber Galveston besitzt einen Strand. Das stimmt doch, oder?“, fragte er Kerry.

„Ja.“ Sie war sichtlich verwirrt. „Galveston ist eine Insel.“

„Na bitte, eine Insel. Gwennie, du weißt, wie sehr ich Inseln liebe. Außerdem habe ich schon alle wichtigen Termine hinter mir. Entspann dich für einige Tage. Du brauchst genau wie ich Urlaub.“

„Alex, nein!“

„Ich muss, liebste Gwendolyn.“ Er nickte Kerry zu. „Als Gentleman kann ich nicht zulassen, dass Sie diese Reise allein antreten. Es wäre mir eine Ehre, Sie in Ihrem treuen Streitross namens Delores nach Galveston zu begleiten.“

Kerry glaubte zu träumen. Sie war mit einem echten Prinzen unterwegs. Er saß neben ihr auf dem Sitz mit dem billigen Bezug mit Leopardenfellmuster und schien sich auch noch großartig zu amüsieren. Der Fahrtwind blies ihm das braune Haar in die Stirn und drückte das Western-Hemd gegen die Brust – eine sehr ansehnliche muskulöse Brust.

Eigentlich konnte sie Menschen gut einschätzen, doch seit dem Kuss funktionierte ihr Denken wahrscheinlich nicht mehr richtig. Du lieber Himmel! Sie hatte einen Prinzen geküsst! Unglaublich.

Als Entschuldigung konnte sie nur anführen, dass heute ihr letzter Tag als Kellnerin gewesen war. Sie hatte sich von Kolleginnen und Stammgästen verabschiedet. Dieser Abschied und die bevorstehende Feier am Samstag rührten sie tief. Und dann war auch noch ein Prinz in ihrem Leben aufgetaucht, darüber hinaus nicht irgendein Prinz, sondern ein besonders gut aussehender.

Am liebsten hätte sie den Blick auf ihn und nicht auf die Straße gerichtet. Vor allem aber hätte sie ihn gern wieder geküsst. Das war verrückt. Sie durfte nicht vergessen, wer er war.

Wieso saß er in ihrem alten Wagen neben ihr? Um Galveston zu sehen, hätte er in ein Flugzeug oder in seinen tollen Land Rover steigen können. Was machte es ihm schon aus, dass sie mit Delores allein unterwegs war? Er kannte sie doch gar nicht.

„Was für Musik mögen Sie?“, fragte er und tastete nach dem Radio.

„Fast alles außer Rap“, erwiderte sie. „Überland ist es wahrscheinlich schwer, einen Sender zu empfangen, aber ich habe einen CD-Spieler. Die CDs finden Sie auf dem Rücksitz.“

„Sie haben tatsächlich einen CD-Spieler?“

Kerry warf ihrem Beifahrer einen flüchtigen Blick zu. „Finden Sie vielleicht, Delores hätte keine gute Stereoanlage verdient?“

„Ich bin lediglich überrascht.“

„Den CD-Spieler und das Stereoradio hat mir meine Mutter vor zwei Jahren geschenkt. Ich fahre oft … nein, ich bin bisher oft zwischen zu Hause, College und Arbeitsstätte hin und her gefahren.“

„Wo liegt Ranger Springs?“, fragte er und griff nach den CDs.

„Ungefähr eine halbe Stunde westlich von der Raststätte.“ Kerry lächelte. „In Texas geben wir Entfernungen meistens nach der Fahrtdauer und nicht in Kilometern an.“

„Ich kenne Texas nicht genauer und war lediglich in Dallas, um Geschäftsbeziehungen zu knüpfen.“

„Ich dachte, Ihr Geschäft sei es, Prinz zu sein.“

„Ich habe auch andere Interessen.“

„Tatsächlich?“ Aus dem Augenwinkel beobachtete sie, wie er die CDs durchsah – Garth Brooks, alte Nummern der Bee Gees und diverse Mix-CDs.

„Investitionen“, sagte er knapp. Offenbar wollte er nicht über sich reden.

„Also sind Sie nicht nur ein attraktiver Prinz, sondern auch Geschäftsmann?“ Vielleicht lenkte es sie ab, wenn sie über sein gutes Aussehen scherzte.

„Danke für das Kompliment“, antwortete er lachend. „Wahrscheinlich sieht man in Texas so den Adel. Hier legen schließlich alle Menschen größten Wert auf Unabhängigkeit.“

Kerry nickte. „Unabhängigkeit ist für uns absolut wichtig, aber alles Besondere fasziniert uns. Reiche, Filmstars und Königshäuser gehören dazu. Meine Mutter ist der größte Fan des englischen Königshauses. Sie ist allerdings nicht einseitig und wird vor Freude über Ihr Autogramm tanzen.“ Kerry lachte, weil sie sich schon jetzt die Begeisterung ihrer Mutter ausmalte. „Ich werde den Bezug aufheben, auf dem Sie jetzt sitzen.“

„Nehmen Sie mich doch mit nach Hause, um Ihrer Mutter eine besondere Freude zu bereiten“, schlug er vor und schob ihre Lieblings-CD der Dixie Chicks ins Gerät.

Kerry schüttelte den Kopf. „Das wäre vielleicht zu viel für ihr Herz.“ Und vielleicht für mein eigenes, dachte sie.

„Ist sie krank?“, fragte er besorgt.

„Nein“, wehrte sie vergnügt ab, „kerngesund, und sie ist auch noch nicht sonderlich alt. Sie ist gerade erst fünfzig geworden. Ich habe übertrieben.“

„Das ist auch typisch für Texaner, nicht wahr?“

„Aber nur, wenn wir mit Yankees aus den Nordstaaten sprechen.“

Lachend drehte er die Musik lauter. „Ich unterhalte mich großartig, Kerry Lynn Jacks.“

„Freut mich, Hoheit …“

„Nennen Sie mich Alex.“

„Das kommt mir nicht richtig vor. Wir sind zwar gemeinsam unterwegs, aber Sie sind trotzdem ein Prinz.“

„Könnten Sie das nicht für eine Weile vergessen?“

„Weiß ich nicht“, gestand sie, „aber ich werde es versuchen.“

„Ja, bitte“, entgegnete er und legte ihr die Hand auf die Schulter.

„In Ordnung“, sagte sie möglichst ruhig, obwohl ihr auf einmal sehr warm wurde, überholte einen mit Heuballen hoch beladenen Pick-up und versuchte zu vergessen, dass der Mann an ihrer Seite der zukünftige Fürst von Belegovia war.

„Wie ist Ihr zweiter Vorname?“, erkundigte sie sich, während die Dixie Chicks von Frauen sangen, die sich selbstständig machten. Sehr passend. Kerry begann soeben ein neues Leben, in dem sie nie wieder die Kleidung einer Kellnerin anziehen musste. Außerdem würde sie eine eigene Wohnung haben. Niemand würde sich sorgen, wenn sie abends lange wegblieb. Samstags konnte sie lange schlafen, und Geschirr musste sie nur spülen, wenn ihr danach war.

„Welcher Vorname?“, fragte Alex. „Ich habe mehrere.“

„Ich möchte Sie nicht Alex oder Hoheit nennen, sonst würden die Leute Verdacht schöpfen. Entweder würden sie mich für verrückt halten, weil ich Hank als Prinzen bezeichne, oder man würde Sie für irre erklären, weil Sie mit mir untergetaucht sind.“

„Mein voller Name lautet Alexander Karl Gregor MacCulloh.“

„Toll.“

„Am College habe ich meistens nur meinen ersten Vornamen benutzt und zu Alex abgekürzt. Außerdem konnte man in Computer nur die Initialen eines zweiten Vornamens eingeben, mehr aber nicht.“

„Ihre Namen klingen für mich ungewöhnlich, nur MacCulloh nicht. Wo kommt der her?“

„Meine Mutter ist Engländerin. Ihr Großvater stammte aus Schottland, und ihm zu Ehren hat sie mir diesen Namen gegeben.“

„Sehr hübsch und auch ideal für mich. Darf ich Sie Mack nennen? Wenn uns dann jemand hört, wird er denken, Sie seien Hank McCauley.“

„Ach ja, der Mann, der wie ich aussieht. Wir sind nun schon einige Zeit zusammen. Halten Sie die Ähnlichkeit noch immer für sehr groß?“

Sie warf ihm einen Blick zu. „Ja, allerdings, obwohl Sie sich anders verhalten. Hank ist spontaner und macht gern Scherze. Er ist eben ein Texaner durch und durch.“ Bei ihm bekam sie jedoch nicht von einem bloßen Lächeln Herzklopfen.

Alex schwieg eine Weile, ehe er fragte: „Was macht er beruflich?“

„Er trainiert jetzt Arbeitspferde für Ranches. Früher hat er beim Rodeo wilde Pferde geritten. Er hat sich nun zur Ruhe gesetzt.“

„Wie alt ist er denn?“

„Ich schätze ihn auf einunddreißig, also so alt wie Sie.“

„Sie haben mich soeben tief verletzt“, stellte er gespielt empört fest. „Ich bin ein junger Dreißiger.“

„Tut mir leid“, sagte sie und lachte leise. „Ich wollte Ihnen kein zusätzliches Jahr anhängen.“

„Ich hatte schon genug Angst vor dem dreißigsten Geburtstag und möchte an den nächsten lieber nicht denken.“

„Und ich hätte gedacht, Frauen würden sich wegen des Alterns mehr Sorgen machen als Männer.“

„Ach, es geht mir nicht darum, dass ich älter werde. Mein Vater, der Fürst von Belegovia, hat die Dreißig zur magischen Zahl erklärt. In diesem Jahr soll ich mir eine Braut wählen.“

„Eine Braut wählen? Das klingt schrecklich altmodisch“, stellte sie fest.

Alex ließ den Blick über die scheinbar endlose Ebene mit vereinzelten Blumenwiesen und Zäunen wandern. „Ich bin eben ein Prinz. Etwas noch Altmodischeres gibt es gar nicht.“

Als sie sich bereits der Einmündung in die Interstate 10 näherten, fragte Kerry sich, worum es für Prinz Alex bei dieser Fahrt überhaupt ging. Lief er vor seinem Leben und vor allem vor dem Druck davon, eine Ehefrau zu suchen?

Möglicherweise gab es in ihrem Leben stets Männer ohne Verantwortungsbewusstsein und Reife. Ihr Vater hatte das Glücksspiel seiner Familie vorgezogen. Hank war ein netter Kerl, aber er flirtete und scherzte sich durchs Leben. Und jetzt war sie mit einem Prinzen unterwegs, der seine Begleiter von einer Sekunde auf die andere im Stich gelassen hatte.

Was sagte das über ihn aus? Konnte man ihm überhaupt vertrauen?

2. KAPITEL

Alex lehnte sich auf dem Sitz mit dem Leopardenfell-Imitat zurück und genoss die Wärme von Texas. Im letzten Jahr hatte er einige Kurzurlaube gemacht, doch dabei hatte er sich am Mittelmeer oder beim Skifahren in den Alpen vor Paparazzi verstecken müssen. Es war schwierig, in unpersönlichen Suiten und eleganten Skihütten ein Privatleben zu entwickeln. Da war eine Fahrt durch Texas in einem alten Wagen schon etwas anderes, vor allem in Kerry Lynn Jacks’ Gesellschaft.

„Sie lächeln so zufrieden wie eine Katze, die soeben einen Vogel gefangen hat“, stellte Kerry Lynn fest.

„Ich bin auch sehr zufrieden“, bestätigte er.

„Dann kann man Sie leicht zufrieden stellen … Mack“, sagte sie lachend.

„Ich kenne etliche Leute, die Ihnen entschieden widersprechen würden. Das fängt bei meiner PR-Agentin an, die derzeit vermutlich ziemlich wütend auf mich ist.“

„Es war aber auch ziemlich gemein von Ihnen, sie einfach auf dem Parkplatz stehen zu lassen.“

Alex lächelte ungeniert. „Ja, ich war sehr schlimm, aber ich werde sie dafür entschädigen. Außerdem hatte ich ihr gesagt, dass ich die Auftritte in San Antonio nicht machen möchte. Und sie wollte nur die Zeit ausfüllen, bis es sich entscheidet, ob der Präsident am Wochenende auf seine Ranch kommt.“

Kerry verriss das Steuer. „Der Präsident! Heißt das, Sie sollten den Präsidenten treffen und fahren stattdessen mit mir nach Galveston?“

„Das Treffen steht noch nicht fest. Sie wissen doch, wie so etwas abläuft.“

„Ja, natürlich“, meinte sie. „Ich weiß genau, wie es bei Staatsoberhäuptern abläuft.“

„Nein, wirklich, Kerry, ich bezweifle, dass es zu diesem Treffen gekommen wäre. Der Kongress ist unberechenbar, und in der Welt passiert immer etwas Unvorhergesehenes. Außerdem wollte ich ursprünglich einige Tage Urlaub machen. Lady Gwendolyn hat jedoch auf den zahlreichen Terminen bestanden.“

Kerry schüttelte den Kopf. „Unglaublich! Ich unterhalte mich in meinem Wagen mit einem Prinzen, der eigentlich das Wochenende mit dem Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika verbringen sollte.“

„Falsch! Sie fahren mit Ihrem guten Freund Mack nach Galveston.“

„Halt“, wandte sie ein. „Ich bin diejenige, die ihre Fantasie spielen lässt, klar?“

„Sind Sie da so sicher?“, fragte er. Kerry sah vielleicht nicht wie die Models oder die Schauspielerinnen aus, die sich auf Partys zeigten. Sie war eher niedlich als schön, eher zierlich als atemberaubend – aber auch ehrlich und nicht berechnend. Er fand ihre Aufrichtigkeit und diesen natürlichen Charme äußerst begehrenswert. „Ich wüsste niemanden, mit dem ich jetzt lieber zusammen wäre, und das gilt auch für Ihren derzeitigen Präsidenten.“

Sie öffnete den Mund, brachte jedoch kein Wort über die Lippen. Zum ersten Mal hatte er sie sprachlos gemacht.

Befriedigt schloss er die Augen und legte den Kopf zurück. Die Fahrgeräusche lullten ihn ein. Während er wegdriftete, stellte er sich Kerrys verblüfftes Gesicht vor und lächelte entspannt.

„Wo sind wir?“ Alex – oder Mack – öffnete langsam die Augen. Was sah der Mann gut aus, wenn er aufwachte! Absolut sexy. Wie sollte Kerry da drei Tage lang die Finger von ihm lassen?

„Wir sind in Sealy, ungefähr eine Stunde vor Houston.“ Sie fuhr an einem Supermarkt und einigen Schnellrestaurants vorbei, bis sie eine Tankstelle mit angeschlossenem Shop entdeckte. „Haben Sie Hunger? Wir könnten was mitnehmen, obwohl ich lieber bis zum Abendessen bei meiner Tante warten möchte.“

„Ich würde gern etwas trinken“, erwiderte er, während sie die Ausfahrt nahm, und reckte seinen muskulösen Körper, soweit das in Delores überhaupt möglich war. „Ich habe gar nicht gewusst, wie müde ich war“, stellte er fest.

Kerry hielt an der Tankstelle und wandte den Blick von seinem verlockenden Körper ab. „Besorgen Sie sich etwas zu trinken. Es dauert nicht lange.“

„Ich helfe Ihnen“, erwiderte er und öffnete die Tür.

„Nein, nicht nötig.“ Sie wollte einige Minuten allein sein, nachdem sie in den letzten Stunden über den Prinzen nachgedacht hatte. Vielleicht war dieses Abenteuer ein gewaltiger Fehler.

„Es ist zwar schon einige Jahre her“, meinte er, „aber ich weiß noch, wie man tankt.“

„Sie brauchen nicht …“

„Kerry, würden Sie sich helfen lassen, wäre ich wirklich dieser Hank?“

„Nun ja …“

Alex stieg aus und wartete, bis sie neben ihm stand. Dann legte er ihr einen Finger unters Kinn, damit sie ihn ansah. „Ich bin Ihr alter Freund Mack. Also müssen Sie mich wie Hank behandeln.“

„Das fällt mir schwer“, gestand sie leise.

„Kerry Lynn Jacks, Sie denken einfach zu viel“, antwortete er lächelnd.

Er wurde wieder ernst und sah ihr tief in die Augen. Unwillkürlich öffnete sie die Lippen, und er beugte sich näher und näher zu ihr und … Als sie schon dachte, er würde sie küssen, knackte es laut unter Delores’ Motorhaube. Kerry wich einen Schritt zurück.

„Im Ernst“, sagte sie. „Ich tanke selbst. Sie könnten mir höchstens etwas zu trinken bringen. Kalt und mit Koffein.“

„Sehr gern“, meinte er seufzend.

„Ach, noch etwas, Mack. Achten Sie auf Ihre Aussprache, sonst verraten Sie sich sofort.“

Er winkte amüsiert ab und entfernte sich, während Kerry zum letzten Mal Delores betankte.

Minuten später waren sie wieder unterwegs, und Kerry hatte sich endlich im Griff. Dann fuhr sie eben mit einem Prinzen durch Texas. Was war schon dabei? Das schaffte sie.

„Wenn Sie nicht Prinz Alexander, sondern Mack sein wollen“, erklärte sie, „müssen Sie wie ein Texaner sprechen, nicht wie ein Engländer.“

„Daran können wir auf der Fahrt nach Galveston arbeiten.“

„In Ordnung. Erzählen Sie mir etwas über Ihre Familie“, bat sie.

„Gut, wie Sie wünschen. Ich …“

„Moment“, unterbrach sie ihn. „Nicht wie Sie wünschen. Das sagt hier keiner. Okay wäre besser.“

„Okay“, erwiderte er lächelnd. „Ich bin der älteste Sohn von Fürst Wilhelm von Belegovia. Mein Bruder lebt in unserem Land, meine Schwester besucht die Universität.“

„Nein, sie geht aufs College“, fiel Kerry ihm ins Wort.

„Schön, sie geht auf dasselbe College wie früher ich, nämlich Harvard.“

„Nicht schlecht“, meinte Kerry. „Sie machen es schon besser. Weiter.“

„Meine Mutter lebt in England.“

„Sind Ihre Eltern geschieden?“

„Nein, aber sie leben nicht mehr zusammen, seit unser Heimatland endlich wieder selbstständig wurde. Belegovia ist ein altes Fürstentum, das aber durch die Kriegswirren im letzten Jahrhundert von der Landkarte verschwand. Mein Großvater floh mit seiner Familie nach England.“

„Und die Queen hat ihm Asyl gewährt.“

„Mein Vater war damals noch sehr jung, und ich war noch nicht auf der Welt.“

„Ach, deshalb stammt Ihre Mutter aus England.“

„Richtig“, bestätigte er. „Und sie möchte auch weiterhin dort leben. Schließlich hatte sie nicht erwartet, dass mein Vater jemals Fürst werden könnte. Bei der Hochzeit hatte er kein eigenes Land, und es zeichnete sich nicht ab, dass er es jemals zurückerhalten könnte.“

„Sie wollte also nicht Fürstin werden.“

„Sie wollte vor allem ihr bisheriges Leben, ihr Zuhause und ihre Freunde nicht aufgeben.“ Alex’ Ton verriet, dass er sich mit der Situation seiner Eltern abgefunden hatte. „Mein Vater lehrte Geschichte. Meine Mutter wollte mit einem Professor und nicht mit einem Landesoberhaupt verheiratet sein.“

„Das verstehe ich. Als Repräsentant eines Landes ist man bestimmt großem Druck ausgesetzt und hat wenig Privatleben. Und es werden hohe Erwartungen in einen gesetzt.“

„Vergessen Sie nicht die vielen öffentlichen Auftritte“, fügte er vergnügt hinzu.

Kerry warf ihm einen vorwurfsvollen Blick zu.

„Zuerst hat meine Mutter noch versucht, sich auf die neue Situation einzustellen“, fuhr er fort. „Als wir nach Belegovia zurückkehrten, ging es dort noch chaotisch zu. Das Parlament und die meisten öffentlichen Gebäude waren voll funktionsfähig, aber der Palast musste renoviert werden, und die Stellung des Fürsten war schwach.“

„Drücken Sie sich nicht so gewählt aus“, warnte sie.

„Ach so.“ Er überlegte einen Moment. „Im Palast sah es scheußlich aus“, sagte er dann lächelnd.

„So ist es richtig“, lobte sie, während sie sich bereits Houston näherten. Hoffentlich gerieten sie nicht in den Stoßverkehr, vor dem ihre Tante und ihr Onkel sie gewarnt hatten. Die beiden vermieden Houston so gut wie möglich.

„Erzählen Sie mir etwas über sich, Kerry Lynn Jacks“, bat Alex.

„Ich habe meine Mutter und zwei Schwestern. Mein Vater hat uns verlassen, als ich dreizehn war.“

„Das war bestimmt schwer für Ihre Mutter.“

„Und ob. Sie ist Kellnerin im Four Square Café in Ranger Springs, wo sie nicht viel verdient. Ich habe ihr geholfen, so gut ich konnte. In der Raststätte bekommt man mehr Trinkgeld als im Diner unserer Heimatstadt.“

„Wie alt sind Ihre Schwestern?“

„Carole ist anderthalb Jahre jünger als ich, also fast siebenundzwanzig. Cheryl ist sechsundzwanzig. Beide leben in Ranger Springs.“

„Sehen sie Ihnen ähnlich?“

„Ja, ziemlich“, bestätigte Kerry.

„Dann sind die beiden also sehr schön.“

„Ach, Unfug“, wehrte sie ab und wurde verlegen. „So etwas brauchen Sie nicht zu sagen, nur weil ich mit Ihnen durch Texas fahre.“

„Deshalb habe ich es nicht gesagt.“

„Ich bin ganz niedlich, okay? Schöne Frauen sind hoch gewachsen und schlank, kleiden sich fantastisch und leben in New York oder Kalifornien, aber nicht in Ranger Springs.“

„Sie haben zu viele Modemagazine mit Artikeln über Berühmtheiten gelesen.“

„Nein, ich bin nur realistisch. Ich bin damit zufrieden, wie ich bin – klein und niedlich.“ Lächelnd fügte sie hinzu: „Außerdem bin ich klug und starrsinnig. Das ersetzt weit gehend wundervolle Kleidung und exotische Orte.“

„Und was macht eine kluge und niedliche Frau nach der Abschlussfeier am Samstag?“, erkundigte er sich.

Kerry strahlte. „Ich habe bei Grayson Industries eine großartige Stelle als Finanzanalytikerin gefunden. Gray Phillips hat vor zwei Jahren seine Firma in unsere Stadt verlegt und unsere Ärztin Amy Wheatley geheiratet. Das Geschäft boomt, und darum braucht er neue Leute. Ich werde mich um Finanzierung und Bestands-Management kümmern.“

„Das klingt interessant.“

„Meinen Sie das ernst?“

„Sicher. Was denken Sie, warum ich in Harvard war? Dort gibt es keine Kurse für adeliges Verhalten“, scherzte er. „Ich habe meinen Magister in Betriebswirtschaft gemacht, um mich um meine eigenen Investitionen kümmern und meinem Vater helfen zu können. Außerdem dachte ich damals noch, ich müsste mir einmal eine Stelle suchen. Mit dem Titel eines Prinzen fängt man üblicherweise in der Welt nicht viel an. Es gab keine Garantie, dass Belegovia tatsächlich erfolgreich in eine konstitutionelle Monarchie umgewandelt wird.“

„Daran habe ich nicht gedacht“, gestand sie, weil sie angenommen hatte, seine Position sei stets gesichert gewesen. Er war nicht wie die Mitglieder des britischen Königshauses aufgewachsen, sondern war der Sohn eines Geschichtsprofessors königlicher Herkunft gewesen.

„Sagen Sie Bescheid, wenn das Fahren Sie ermüdet“, bemerkte er. „Ich löse Sie gern ab.“

„Wir sind fast in Houston und kommen in den Stoßverkehr. Das wünsche ich nicht einmal meinem schlimmsten Feind.“

„Damals in Boston war ich doch ein verdammt guter Fahrer“, versicherte er und bemühte sich, wie ein Texaner zu sprechen.

„Haben Sie überhaupt einen Führerschein?“

„Selbstverständlich, ausgestellt vom Verkehrsministerium in Belegovia. Ich habe auch die schriftliche Prüfung abgelegt. Bei einer Wohltätigkeitsveranstaltung habe ich übrigens letztes Jahr einen Formel-I-Wagen gesteuert.“

Kerry schüttelte lachend den Kopf. „Trotzdem fahre ich lieber selbst. Wir sind in knapp zwei Stunden in Galveston.“

Alex genoss den Anblick von Houston. Kerry umfuhr die Stadt allerdings auf dem Interstate Highway, sodass er nur von ferne die Hochhäuser des Zentrums erblickte.

Er lächelte, als er sich Kerry bei einem Formel-I-Rennen vorstellte. Mit dem blonden Haar, das unter dem Helm hervorlugte, wäre sie der Hit gewesen. Ihr aufreizender Körper im Schutzanzug hätte umwerfend gewirkt.

Verlangen erwachte in ihm. Kerry musste sich so auf den Verkehr konzentrieren, dass er sie ungestört mustern konnte. Ja, sie war niedlich mit den leichten Sommersprossen auf der glatten Haut. Strähnen ihres Haars waren von der Sonne gebleicht. Ihr lebhaftes Wesen und ihre absolute Ehrlichkeit machten sie in seinen Augen zur Schönheit.

Er hatte sich spontan dazu entschlossen, sie zu begleiten, um die zwischen ihnen herrschende Anziehung zu erforschen. Jetzt hatte er Kerry besser kennen gelernt und mochte sie. Noch war nicht klar, wie lange sie zusammenbleiben konnten, doch er wollte jeden Moment genießen.

Südlich von Houston fuhren sie an einem der Flughäfen der Metropole vorbei. Danach lockerte die Bebauung auf, und die Ebene wurde von Marschland abgelöst.

„Wie weit ist es denn noch?“, fragte Alex.

„Sie hören sich wie ein quengeliger kleiner Junge an“, erwiderte Kerry lächelnd.

„Suchen Sie Streit mit mir?“, fragte er.

„Das hätte auch Hank sagen können“, lobte sie lachend. „Machen Sie so weiter, und Tante Marcy und Onkel Bob werden nicht merken, dass in Ihren Adern blaues Blut fließt. Wir brauchen übrigens noch eine halbe Stunde.“

Während Alex das Marschland betrachtete, dachte er an diesen Hank. Hatte Kerry den Cowboy geliebt? Welche Beziehungen hatte sie überhaupt bisher gehabt? Bei seinen früheren Geliebten hatte ihn das nie interessiert, doch Kerry war in vieler Hinsicht anders als diese Frauen. Außerdem war ihre gemeinsame Zeit beschränkt, und das verstärkte sämtliche Eindrücke und Erfahrungen. Vermutlich blieben ihnen insgesamt nur drei Tage.

Alex hätte gern erfahren, wie sie erregt aussah. Bestimmt war Kerry eine wundervolle Geliebte. Sie war aber auch in jeder anderen Hinsicht ansprechend, sodass er sich damit begnügte, sie zu betrachten und mit ihr zu sprechen.

„Tante Marcy sitzt im Rollstuhl“, bemerkte Kerry. „Sie kommt damit so gut zurecht, dass ich es manchmal vergesse. Zeigen Sie also keine Überraschung, wenn Sie das Haus betreten.“

„Schon in Ordnung. War es ein Unfall?“

„Nein, sie gehört zu den letzten Opfern der Kinderlähmung, bevor die Impfung in den fünfziger Jahren entwickelt wurde.“

„Schreckliche Krankheit“, stellte er fest.

Nach einer Weile deutete Kerry nach links. „Sie haben nur wenig Gepäck. Falls Sie etwas brauchen, gibt es dort ein kleines Einkaufszentrum. In Galveston ist die Auswahl begrenzt, sofern man keine Souvenir-T-Shirts und Shorts mit tropischem Muster tragen möchte.“

„Gute Idee, ich sollte mich eindecken.“

Sie kauften eine Kakihose, eine Jeans und Unterwäsche. Alex überließ Kerry die Wahl von Hemden und T-Shirts, weil er Hanks Geschmack nicht kannte. Gemeinsam lachten sie über die angebotenen Badehosen. Kerry schlug scherzhaft eine grellgrüne weite Shorts mit riesigen Blumen in Rosa und Purpur vor. Alex bevorzugte eine einfache blaue Badehose mit einem roten Streifen an der Seite. Zuletzt einigten sie sich auf ein Muster in Rot und Weiß. In der Kosmetikabteilung kaufte er Aftershave sowie Sonnenöl für den Strand.

Eine Stunde später waren sie wieder unterwegs. Alex freute sich schon auf Kerrys Verwandte und die Zeit in einer typisch amerikanischen Familie. Hoffentlich verursachte sein Auftauchen keine Probleme, sonst ging er lieber in ein Hotel.

Er konnte allerdings auch bei Kerry schlafen. Die Vorstellung entlockte ihm ein Lächeln. Nur zu gern hätte er auf Schlaf verzichtet, um sie in den Armen zu halten und sie viel, viel besser kennenzulernen.

„Das ist die einzige Brücke zur Insel“, erklärte Kerry in diesem Moment. „Von Tante Mary und Onkel Bob weiß ich, dass der Verkehr hier albtraumhaft wird, wenn eine Hurrikanwarnung ausgegeben wird.“

Boote lagen entlang der Küste vertäut. Rechts von ihnen entdeckte Alex Wohnboote sowie ein seltsames pyramidenförmiges Bauwerk. „Was ist das?“

„Moody Gardens. Die Moodys sind eine reiche texanische Familie und spenden jede Menge für wohltätige Zwecke und Universitäten. Ich war noch nie in Moody Gardens, aber Tante Marcy fährt gern hin. Es gibt dort ein Tropenhaus mit Schmetterlingen.“

Sie verließen den Highway. Kleine Geschäfte und Firmen wechselten sich mit bescheidenen Häusern ab. Bis auf die Palmen und die blühenden Büsche wirkte die Stadt nicht wie eine subtropische Insel, doch sie hatten den Strand auch noch nicht erreicht.

„Vor uns liegt der alte Teil von Galveston“, erklärte Kerry und zeigte nach links. „Morgen können wir ihn uns ansehen, oder wir besuchen den Strand und die Docks mit Geschäften und Restaurants.“

„Ich bin mit allem einverstanden, weil es mir mit Ihnen bestimmt gefallen wird“, versicherte er. Vor allem freute er sich auf Kerry im Badeanzug und, wenn er Glück hatte, sogar im Bikini. „Wann gehen wir an den Strand?“

„Jederzeit. Wir können schon heute Abend dort spazieren gehen. Meine Verwandten wohnen ganz in der Nähe.“

„Großartig“, stellte er zufrieden fest, als Kerry in eine Seitenstraße einbog. Er konnte es kaum erwarten, mit seiner texanischen Fremdenführerin einen romantischen Spaziergang im Mondschein zu unternehmen.

Kerry stellte Delores in der Einfahrt hinter dem Van ihrer Verwandten ab. Sie hatte Tante Marcy und Onkel Bob seit fast einem Jahr nicht mehr gesehen und konnte es kaum erwarten, sie zu begrüßen. In diesem Jahr hatte sie mehrere Kurse am College belegt und gleichzeitig in der Raststätte gearbeitet. Daher hatte sie keine Zeit für Urlaub gefunden, und ihre Tante und ihr Onkel reisten nicht gern, da die meisten Häuser für Rollstuhlfahrer ungeeignet waren.

Onkel Bob öffnete die Tür und breitete lachend die Arme aus. Kerry lief strahlend zur Veranda hinauf.

„Wie schön, dich zu sehen“, rief sie und drückte sich an ihn.

„Wir sind ja so stolz auf dich, Kerry“, versicherte er und presste sie an sein nach Pfeifentabak riechendes Hemd. „Es ist auch schön, dich zu sehen.“

Sie blickte zum Wagen, wo Alex mit seiner Reisetasche und ihrem Koffer stand. „Onkel Bob, das ist mein Freund Mack.“

„Mack? Ja, ist das nicht Hank McCauley? Deine Mutter hat uns ein Foto geschickt, das vor zwei Jahren von euch beiden bei einem Rodeo aufgenommen wurde. Ich dachte, du nennst ihn Hank.“

„Mack ist mein persönlicher Spitzname für ihn“, behauptete sie. „Mack, das ist mein Onkel Robert Jacks. Du kannst ihn Bob nennen.“

„Freut mich sehr.“ Alex reichte ihm lächelnd die Hand und wirkte so echt, dass er jeden täuschte, der Hank nie persönlich kennen gelernt hatte.

Während sich die Männer begrüßten, eilte Kerry schon zu Tante Marcy im Wohnzimmer, beugte sich zu ihr hinunter und umarmte sie herzlich. „Ich bin ja so froh, bei dir zu sein.“

„Und ich freue mich, dass du einen Freund mitgebracht hast. Ich hatte mir Sorgen gemacht, weil du in dem alten Wagen allein fahren wolltest.“

„Delores hat sich gut gehalten“, versicherte Kerry. „Sie mag alt sein und viele Kilometer hinter sich haben, aber sie hat mich nie hängen lassen.“

„Dein neuer Wagen wird dir bestimmt genauso gut dienen.“

„Aber sicher. Mir wird nur die alte Klapperkiste fehlen. Du suchst doch ein gutes Zuhause für sie?“

Tante Marcy nickte. „Natürlich, aber man sollte seinem Wagen nie einen Namen geben. Jetzt weißt du auch warum.“

Onkel Bob kam mit „Mack“ herein. „Kerry hat einen Freund mitgebracht, Hank McCauley.“

„Sehr schön.“ Tante Marcy reichte Alex die Hand. „Wir haben genug Platz und außerdem ein zusätzliches Schlafsofa, Mr. McCauley.“

„Nennen Sie mich bitte Mack“, antwortete Alex und schenkte Kerrys Tante ein bezauberndes Lächeln. „Wenn ich Sie wirklich nicht störe, bleibe ich gern hier. Ansonsten gehe ich in ein Hotel.“

„Unsinn“, wehrte Tante Marcy ab und fuhr mit dem Rollstuhl aus dem Raum.

Kerry atmete erleichtert auf, weil niemand Verdacht geschöpft hatte. Sie gingen in die Küche, in der Geräte und Arbeitsflächen für eine Rollstuhlfahrerin angepasst worden waren. Tante Marcy holte gebratene Zucchini aus der Pfanne und legte die Gemüsescheiben auf Küchentücher. Während das Fett ablief und das Gemüse abkühlte, tat sie Frikadellen in die Pfanne.

„Soll ich dir helfen?“, fragte Kerry.

„Nein, ich habe schon alles vorbereitet. Wir wussten nicht, wann du kommst, und das Essen sollte nicht kalt werden.“

Kerry lächelte, als Alex die gebratenen Zucchini betrachtete. „Koste“, forderte sie ihn auf. Hank kannte im Gegensatz zu ihm diese Küche ganz genau.

„Ich kümmere mich um das Bettzeug fürs Schlafsofa“, sagte Onkel Bob und schob sich ebenfalls eine Zucchinischeibe in den Mund. „Euer Gepäck stelle ich vorerst in Kerrys Zimmer.“

„Du kannst dir deine Tasche jederzeit holen, nur nicht gerade mitten in der Nacht“, bemerkte Kerry.

„Okay“, bestätigte Alex.

Onkel Bob verschränkte die Arme. „Ich vertraue euch zwar, aber in unserem Haus gelten bestimmte Regeln. Ohne Ehering läuft nichts.“

„Ich respektiere Ihre Regeln“, versicherte Alex.

„Onkel Bob, wir sind nur Freunde!“

„Schon gut“, meinte er. „Du hast eben noch nie einen Mann mitgebracht.“

„Na ja, Mack wollte mich unbedingt begleiten, damit ich nicht allein in Delores unterwegs bin.“

„Gut gemacht, mein Sohn“, lobte Onkel Bob.

„Freut mich, dass nicht nur ich mir Sorgen gemacht habe“, bemerkte Tante Marcy.

Kerry winkte ab. „Leute, ich bin achtundzwanzig und fahre schon seit zwölf Jahren. Da komme ich doch allein von Ranger Springs nach Galveston.“

„Wir machen uns eben Sorgen, meine Liebe.“ Tante Marcy tätschelte ihre Hand und wandte sich an Alex. „Kerry hilft ihrer Familie nicht nur finanziell. Sie tut so viel, dass ich mich stets gefragt habe, wie sie da noch studieren konnte. Immerhin hat sie jetzt sogar cum laude abgeschnitten.“

„Du machst mich verlegen“, wandte Kerry ein. „Ich entführe dir Al… Mack, bevor du noch mehr Geheimnisse verrätst.“

Sie zog ihn an der Hand zu dem kleinen Schlafzimmer, in dem sie stets gewohnt hatte, und öffnete die Vorhänge. Draußen war es schon dunkel. Alex spiegelte sich in der Fensterscheibe.

„Meine Tante und mein Onkel sind neugierig“, erklärte sie. „Außerdem sollst du von mir beeindruckt sein. Angeblich bin ich ihre Lieblingsnichte, aber das sagen sie wahrscheinlich auch zu meinen Schwestern.“

„Sie brauchen dich nicht vor mir zu loben“, meinte er lachend. „Ich kenne dich schon ziemlich gut.“

„Wie enttäuschend“, erwiderte sie und stellte ihren Koffer aufs Bett. „Ich wollte geheimnisvoll und undurchschaubar bleiben.“

„Ach, es gibt für mich bestimmt noch viel zu entdecken“, erwiderte er so sinnlich, dass ihr heiß wurde.

Es wäre besser gewesen, er hätte auf solche Anspielungen und vor allem auf diesen Ton verzichtet. Kerry malte sich viel zu lebhaft aus, was es alles zu entdecken gab. „Ich packe rasch aus und helfe dann Tante Marcy. Lass dich nicht aufhalten, falls du dich frisch machen oder umsehen willst.“

Er zog sich nicht gleich zurück, sondern betrachtete sie stumm. Das war ihr nicht unangenehm, ganz im Gegenteil. Zwischen ihnen herrschte eine starke Anziehung.

War es denkbar, dass Prinz Alex ihre Belohnung für zehn Jahre harter Arbeit war?

3. KAPITEL

Nach leckeren Frikadellen mit Kartoffelpüree und gebratenem Gemüse freute Alex sich auf einen Spaziergang am Strand. Er und Kerry nahmen ein Handtuch als Unterlage und eine Taschenlampe mit.

„Deine Tante und dein Onkel sind reizend“, stellte er fest, als sie sich der viel befahrenen Küstenstraße näherten. Auch andere Leute waren zu Fuß unterwegs. Man hörte bereits das Rauschen der Wellen, und die feuchte Luft roch salzig.

„Sie sind wunderbar“, bestätigte Kerry. „Es war ihre Idee, dass die ganze Familie zusammenlegt und den Wagen von Marcys Mutter kauft. Sie ist in eine betreute Altenwohnung südlich von Houston gezogen, und da Tante Marcy wegen des Rollstuhls einen speziell ausgestatteten Wagen braucht, war dieses Auto überflüssig.“

„Bestimmt sind alle froh, dass du jetzt einen besseren Wagen bekommst“, bemerkte er.

„Ja, aber lustigerweise werde ich von nun an nur noch sehr wenig fahren müssen, täglich ungefähr sechs Kilometer.“

„Weiter liegt das Haus deiner Mutter nicht von Grayson Industries entfernt?“, fragte er, während sie die Straße überquerten.

„Ich bekomme ein eigenes Apartment. Nächste Woche ziehe ich ein“, berichtete sie begeistert. „Du ahnst nicht, wie sehr ich mich auf die erste eigene Wohnung freue. Mit niemandem das Bad teilen und nicht mehr ruhig sein müssen, weil noch jemand schläft. Und niemand klaut mehr mein Essen aus dem Kühlschrank.“

„Ich weiß genau, was du meinst“, bestätigte Alex lachend. „Meine erste eigene Wohnung in London war einfach himmlisch. Ich habe das Junggesellenleben genossen. Die Wohnung war schrecklich unordentlich und vor allem geschmacklos eingerichtet.“

Etwas anderes aus jener Zeit fiel ihm ein. Er hatte Freundinnen gehabt, die von seinem Titel angezogen wurden oder hofften, er würde ihnen wichtige Türen öffnen.

„Was ist?“, fragte Kerry, weil er ernst geworden war. „Gefällt dir der Strand nicht?“

„Doch, sehr sogar“, erwiderte er, griff nach ihrer Hand und ging mit ihr den Bürgersteig entlang, auf dem auch einige Inlineskater unterwegs waren.

„Dieser Damm wurde nach einem gewaltigen Hurrikan im Jahr 1900 gebaut“, erklärte sie. „Außerdem wurde alles auf der Insel höher angelegt, damit es keine Überschwemmung mehr geben kann.“

„Dein Wissen ist beeindruckend.“

„Meine Tante und mein Onkel interessieren sich sehr für Geschichte. Sie haben ein Buch über Galveston, das du lesen kannst, falls du unter Schlaflosigkeit leidest.“

„Gut zu wissen.“ Er führte sie die Stufen zum Strand hinunter und ahnte schon jetzt, dass er beim Einschlafen Schwierigkeiten haben würde, weil Kerry ihm nahe war. Seit er ihr Schlafzimmer gesehen hatte, stellte er sie sich auf dem Bett vor, wie sie ihm auffordernd zulächelte.

Der Sand war tief, und es roch hier stärker nach Salzwasser. Das gleichmäßige Rauschen der Wellen wirkte beruhigend. Licht fiel von der Uferstraße auf den Strand. Vereinzelte Paare hielten sich näher am Wasser, wo der Sand feucht und fest war. Die Schaumkämme der Wellen schimmerten im Licht.

„Wahrscheinlich ist es bei uns nicht so schön wie am Mittelmeer“, bemerkte Kerry.

„Wir sind oft in die Karibik oder nach Südamerika geflogen“, erwiderte er.

„Ich würde auch gern reisen“, meinte sie sehnsüchtig. „Zukünftig bekomme ich zwar zwei Wochen Urlaub im Jahr, aber ich muss ein halbes Jahr warten, bevor ich sie in Anspruch nehmen kann. Nach fünf Jahren sind es dann drei Wochen.“

„Kurzurlaube sind auch sehr entspannend.“

„Dafür haben wir den Memorial Day, den Vierten Juli und danach den Labor Day. Vielleicht kann ich ein langes Wochenende in Las Vegas oder New Orleans einplanen.“

Ob sie diese Reisen allein oder in Begleitung eines Freundes antreten würde? Vielleicht konnte er an einem dieser Termine wieder in die Staaten fliegen, wenn ihre kurze Beziehung nicht schon am Sonntag mit seiner Rückkehr nach Belegovia endete. Natürlich standen dem die Pläne seines Vaters entgegen, der ihn mit einer europäischen Adeligen verheiraten wollte.

„Hier gefällt es mir“, stellte Kerry leise fest. „Das Rauschen der Wellen wirkt beruhigend. Manchmal sitze ich nur einfach auf einem Felsen.“ Sie zeigte auf einen Wellenbrecher, der weit in die Brandung hinausreichte. „Ich kann stundenlang aufs Wasser sehen.“

„So ergeht es mir auf Booten, vor allem auf einem Segelboot“, berichtete Alex. „Nichts beruhigt einen so herrlich wie die schaukelnden Bewegungen und das Schlagen der Wellen gegen die Bordwand.“

„Ich wusste, dass du mich verstehen würdest“, erwiderte Kerry und wandte sich ihm zu.

Sie wollte, dass er sie küsste. In diesem Moment wusste er das mit absoluter Sicherheit. Ihr Blick und ihre leicht geöffneten Lippen lockten ihn.

Es war herrlich, sie an sich zu ziehen. Jeder vernünftige Gedanke wurde unmöglich, als ihre Körper sich aneinander schmiegten und sie schneller atmeten.

Alex verlor sich in dem Kuss, spielte mit ihrer Zunge und zog sie enger an sich. Und sie kam ihm voll Leidenschaft entgegen und erwiderte den Kuss, bis ihnen die Luft ausging.

Auch hinterher lösten sie sich nicht voneinander. Kerrys Atem strich über seinen Hals, während er zärtlich ihren Rücken streichelte. Wie gern hätte er die Hände auf ihren Po gelegt und sie angehoben, damit sie die Beine um ihn schlingen konnte, doch das wagte er nicht in der Öffentlichkeit.

Trotzdem konnte er sich kaum beherrschen. Ihnen blieben zwei, vielleicht drei Tage, bevor jeder ein neues Leben beginnen musste. Würde das ausreichen?

Kerry fand keine Ruhe, weil sie ständig an den Kuss denken musste. Alex mochte wie Hank aussehen, doch Welten lagen zwischen den beiden Männern. Auf ihren früheren Freund hatte sie nie so reagiert wie auf den Prinzen. Zwischen Hank und ihr hatte es einfach nicht geknistert.

Sie rollte sich auf den Rücken und blickte zur Decke, an der sie als Kind in der Musterung des Verputzes Tiere erkannt hatte. Direkt über dem Bett befand sich ein Löwenkopf, am Fenster flog ein Vogel, und neben dem Schrank sah sie ein Lamm.

Heute gab sie sich anderen Fantasien hin. Sie ging mit Alex am Strand entlang, sank mit ihm auf den Sand und ließ sich in den sanft auslaufenden Wellen lieben. Sie strich ihm mit den Fingernägeln über den Rücken und zog ihn näher zu sich heran, näher und immer näher, bis …

Seufzend rollte sie sich auf den Bauch. Alex gehörte nicht ihr, sondern würde eine Frau aus seinen Kreisen heiraten.

Doch solange er sich in Texas aufhielt, war alles möglich. Und sie brauchte nicht viel Fantasie, um sich das auszumalen.

Am Donnerstag machten Kerry und Alex sich nach dem Frühstück gegen zehn Uhr zu einer Besichtigungstour der Insel auf.

„Wohin zuerst?“, fragte Kerry, die bereits ihren neuen Wagen fuhr. „Wie wäre es mit Bishop’s Palace?“, schlug sie vor, weil das Herrenhaus Ähnlichkeit mit einem Schloss hatte. „Ich war noch nie dort, aber es soll toll sein.“

Galveston war nicht sonderlich groß. Minuten später waren sie am Ziel. Alex fühlte sich sichtlich wohl in seiner neuen Kleidung, während er der Fremdenführerin lauschte.

Hinterher fuhren sie an den Strand mit hübschen alten Häusern, wo sie sich auf der Terrasse des kleinen Hotelrestaurants einen Imbiss gönnten. Da die Hauptsaison noch nicht begonnen hatte, blieben sie dabei weit gehend ungestört.

„Das hier ist genau das Richtige für mich“, stellte Alex beim Essen zufrieden fest.

„Was hast du eigentlich erwartet, als du einfach in meinen Wagen gestiegen bist?“, erkundigte sie sich. Mittlerweile kannte sie ihn gut genug, um persönliche Fragen zu stellen.

„Das Schöne daran ist, dass ich gar nichts erwartet habe“, gestand er. „Sicher, ich wollte dich näher kennen lernen, und ich wollte auch Gwendolyn ein wenig ärgern, weil sie ein strenges Regiment führt. Aber ich hatte keine Ahnung, was wir unternehmen würden. Ich habe mich dir völlig ausgeliefert.“

„Und wenn ich dich enttäuscht hätte?“, fragte sie lächelnd. „Ich hätte deine Story an eine Zeitung verkaufen können.“

„Ich wusste, dass du das nicht tun würdest“, versicherte er. „Und ich bin ein ausgezeichneter Menschenkenner.“

„Dann bist du also nicht enttäuscht?“

„Absolut nicht. Wie kommst du bloß darauf?“

„Keine Ahnung. Ich dachte, du würdest mehr erwarten. Mehr Entgegenkommen meinerseits“, stellte sie klar, als er sie erstaunt ansah.

„Ich finde dich in jeder Hinsicht liebenswert“, versicherte er. „Es ist auch ganz reizend, wie du mit deiner Tante und deinem Onkel umgehst.“

„Ich habe eigentlich an dich gedacht. Hast du nicht erwartet, jede Frau würde sofort mit dir ins Bett gehen, weil du ein Prinz bist?“

„Absolut nicht“, wehrte er überrascht ab und fügte lächelnd hinzu: „Solltest du das allerdings wollen, hätte ich nichts dagegen.“

Kerry lachte, weil sie es für einen Scherz hielt … mehr oder weniger. „Ich bin nicht prüde“, erklärte sie, „aber ich … also, ich meine, One-Night-Stands sind nichts für mich.“

„Das habe ich auch nicht angenommen.“ Alex drückte ihre Hand. „Du bist herrlich aufrichtig. Ich fühle mich in jeder Hinsicht großartig, obwohl mir die breiten Betten in den teuren Hotels fehlen.“

„Tut mir leid. Wenn du möchtest, könnte ich Tante Marcy und Onkel Bob erklären, dass du wegen einer alten Verletzung vom Rodeo eine härtere Matratze brauchst und darum in ein Hotel ziehst.“

„Nein, auf keinen Fall. Die Schlafcouch reicht durchaus für die kommende Nacht.“

„Was möchtest du denn noch unternehmen, solange du in Texas bist? Ich habe noch einen freien Tag und könnte dich herumfahren.“

Er drückte erneut ihre Hand. „Was würdest du machen, wäre ich nicht hier?“

„Ich? Also … keine Ahnung. Vielleicht würde ich die meiste Zeit am Strand verbringen und danach heimfahren.“

„Aber was würdest du gern machen, wenn du es dir aussuchen könntest?“

Darüber musste sie erst nachdenken. Sie nahm einen Schluck Limonade und betrachtete die alten Gebäude in der Nähe. Schon immer hatte sie in einem dieser hübsch verzierten Gebäude wohnen wollen.

„Hätte ich genug Zeit und Geld, würde ich mir ein Zimmer in einer altmodischen Pension nehmen. Von denen gibt es in der Gegend viele.“

„Dann sollten wir das tun“, meinte er.

„Ach nein, ich …“

„Ich bestehe darauf, und ich lade dich dazu ein. Das ist mein Geschenk zu deinem Studienabschluss.“

„Wunderbar“, versicherte sie und freute sich aufrichtig. Die Frage war nur, ob sie in zwei Zimmern oder in einem dieser breiten Betten schlafen würden.

Nach der Besichtigungstour und erfrischendem Zwischenstopp am Strand aßen Alex und Kerry im Lieblingsrestaurant der ganzen Familie und sahen sich danach zu Hause die Abendnachrichten an.

„Möchte jemand Popcorn?“, fragte Bob.

Alle winkten ab.

„Ich kann keinen Bissen mehr essen“, versicherte Alex.

„Ich auch nicht“, sagte Kerry.

„Seht nur!“, rief Marcy. „Da ist ein Bericht über diesen Prinzen, der Texas besucht. Charlene ist bestimmt begeistert.“

Alex bemühte sich, sich seine Verwunderung über den Besuch „Prinz Alexanders von Belegovia“ in einem Zoo und einem Kinderkrankenhaus nicht anmerken zu lassen. Jemand war geradezu perfekt in seine Rolle geschlüpft.

„Der zukünftige Thronfolger von Belegovia absolvierte heute in San Antonio zwei öffentliche Auftritte“, berichtete der Reporter. „Dabei bezauberte er alle mit seiner Persönlichkeit. Der Prinz leidet zwar derzeit unter starker Heiserkeit, wollte diese Termine jedoch nicht versäumen.“

Lady Gwendolyn war auf einer Pressekonferenz im Krankenhaus zu sehen. Der „Prinz“ beugte sich zu ihr und flüsterte ihr etwas zu.

„Der Prinz sieht genau wie Sie aus, Mack“, stellte Bob fest.

„Unglaublich“, rief Marcy.

„Jeder Mensch hat einen Doppelgänger“, sagte Kerry hastig.

„Das schon, aber …“, setzte Marcy an.

„Eine wirklich interessante Sache.“ Kerry stand rasch auf. „Mack, möchtest du noch einen Spaziergang am Strand machen?“

„Exzellente Idee“, meinte er und fand drei Augenpaare auf sich gerichtet, weil er in seinen heimatlichen Akzent verfallen war. „Habe ich diesen ausländischen Prinzen gut nachgemacht?“, fragte er lächelnd.

Bob und Marcy lachten. „Ich weiß es nicht“, sagte Tante Marcy. „Schließlich hat man den Prinzen nicht gehört. Er hat wegen der Heiserkeit nichts gesagt.“

„Stimmt“, erwiderte Alex. „Kerry, gehen wir?“

„Ja, sicher.“ Sie hatte es eilig, griff nach dem Schlüssel und führte Alex aus dem Haus.

„Wir lassen für euch das Licht brennen!“, rief Onkel Bob ihnen nach.

Sobald sie allein waren, fragte Kerry: „Wie hat diese Frau Hank dazu gebracht, in deine Rolle zu schlüpfen? Das sieht ihm gar nicht ähnlich.“

„Lady Gwendolyn kann äußerst überzeugend sein, aber das hätte ich doch nicht von ihr erwartet. Ich dachte, sie würde die Termine absagen, weil sie wirklich nicht wichtig sind.“

„Hat sie Hank Geld angeboten?“

„Möglich“, entgegnete er. „Du interessierst dich ja sehr für deinen Exfreund.“

„Nein, ich bin nur überrascht. Schließlich bin ich mit dir in Galveston, und dann heißt es im Fernsehen, du seist in San Antonio. Unglaublich, wie ähnlich Hank dir sieht.“

„Das stimmt. Mein Kammerdiener Milos Anatole und Lady Gwendolyn haben bestimmt nachgeholfen. Sie können wahre Wunder vollbringen.“

„Hank ist ein sehr gut erzogener Mann. Sprachen sind allerdings nicht seine Stärke. Einen britischen Akzent könnte er nie nachmachen.“

„Damit haben sogar Schauspieler Probleme“, bestätigte er. „Mir fällt der texanische Akzent insofern leicht, als ich fünf Jahre in den Vereinigten Staaten gelebt habe. Außerdem bin ich mehrsprachig aufgewachsen.“

„Wie viele Sprachen sprichst du?“

„Französisch, die Heimatsprache meines Landes Belegovia und auch ein wenig Spanisch.“ Er legte den Arm um ihre Schultern, während sie den Seawall Boulevard entlanggingen.

„Vielleicht solltest du Gwendolyn anrufen und ihr sagen, wo du bist“, schlug Kerry vor. „Sie hat sich sehr über dich aufgeregt. Außerdem sollten wir wissen, wie lange Hank in deine Rolle schlüpfen kann. Und was ist, wenn sich der Präsident meldet? Hank kann ihn schließlich nicht an deiner Stelle treffen.“

„Nein, natürlich nicht“, bestätigte Alex seufzend. „Früher oder später muss ich mich melden, und dann bekomme ich bestimmt etwas zu hören.“

„Du redest, als wärst du ein ungezogener kleiner Junge.“

„Ach, willst du mich vielleicht übers Knie legen?“, scherzte er.

„Hör auf“, bat sie. „Ich meine es ernst.“

Die Wellen schlugen heftig gegen die Küste. Wahrscheinlich braute sich über dem Golf von Mexiko ein Unwetter zusammen.

„Ich will nicht ernst sein“, erwiderte Alex, während sie die Stufen zum Strand hinunterstiegen. „Bei dir fühle ich mich völlig unbeschwert, und das gefällt mir.“

Kerry hörte das nicht sonderlich gern. Ihr Vater war stets unbeschwert gewesen und hatte nichts ernst genommen, bis er eines Tages einfach verschwunden war.

„Du trägst Verantwortung“, erinnerte sie Alex. „Findest du nicht, dass du diese arme Frau wenigstens anrufen solltest, damit sie weiß, dass du überhaupt noch lebst?“

„Meine liebe Kerry.“ Alex zog sie behutsam an sich. „Ich lebe tagtäglich für meine Verantwortung. Ich werde sogar eine Frau heiraten, mit der mein Vater einverstanden ist, damit mein Land einen Thronerben bekommt. Du brauchst mich nicht an meine Pflichten zu erinnern. Gönne mir bitte diesen kleinen Urlaub, bevor ich ins normale Leben zurückkehren muss.“

So hatte sie das noch gar nicht gesehen. „Ist es wirklich schlimm?“, fragte sie leise und spürte seinen Herzschlag an der Wange.

„Nein, es ist sogar großartig“, versicherte er. „Es gefällt mir, dass wir einem ganzen Volk helfen können, das lange Zeit unterdrückt wurde. Das heißt aber nicht, dass ich nicht gelegentlich ein völlig normaler Mensch sein darf, der sich zu einer hübschen Texanerin hingezogen fühlt.“

„Uns bleiben nur noch anderthalb Tage“, mahnte sie.

„Dann müssen wir eben aus jedem einzelnen Moment das Beste machen“, sagte er leise und küsste sie leidenschaftlich.

Wie schon am Vorabend genoss sie die Wärme seines Körpers und spürte, wie erregt er war. Jetzt wäre sie gern mit Alex ungestört gewesen, nicht hier am Strand und auch nicht im Haus ihrer Verwandten.

Autor

Rebecca Winters

Rebecca Winters und ihre Familie leben in Salt Lake City, Utah. Mit 17 kam Rebecca auf ein Schweizer Internat, wo sie französisch lernte und viele nette Mädchen traf. Ihre Liebe zu Sprachen behielt sie bei und studierte an der Universität in Utah Französisch, Spanisch und Geschichte und später sogar Arabisch.

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