Cora Collection Band 27

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  • Erscheinungstag 05.06.2020
  • Bandnummer 27
  • ISBN / Artikelnummer 9783733728700
  • Seitenanzahl 400
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Sharon Kendrick, Shirley Jump, Cat Shield

Cora Collection BAND 27

1. KAPITEL

Emmas Herz pochte, als sie das minimalistisch eingerichtete Penthouse-Büro betrat, aber der Mann hinter dem Schreibtisch blickte nicht einmal auf.

Die großen Panoramafenster ließen nicht nur viel Licht herein, sondern boten auch die Sicht auf einen der schönsten Londoner Parks. Für diesen Blick war das weltbekannte Granchester berühmt – und er war nicht zuletzt ein Grund für die astronomisch hohen Preise des traditionsreichen Hotels. Doch selbst diese großartige Aussicht verblasste angesichts des beeindruckenden Mannes, der dort am Schreibtisch saß, ganz auf die Papiere vor sich konzentriert.

Zak Constantinides. Die blasse Novembersonne akzentuierte sein dichtes schwarzes Haar und die breiten, muskulösen Schultern. Er strahlte eine derart pure Männlichkeit aus, dass es Emma buchstäblich den Atem verschlug.

Lange war sie nicht mehr so nervös gewesen – was nicht verwunderlich war. Ihr Boss tauchte zu einem unangemeldeten Besuch in London auf und zitierte sie ohne Vorwarnung in sein Büro. Ein so mächtiger Mann wie der griechische Hotelmagnat Constantinides gab sich normalerweise nicht persönlich mit ihresgleichen ab.

Sie hatte auf der Leiter gestanden, als sein Ruf sie erreichte, und das ließ sich leider nicht verleugnen. Verschwitzt von der Arbeit, in verblichener Jeans und einem bequemen T-Shirt, das lange Haar zu einem losen Pferdeschwanz hochgebunden – nicht gerade die beste Art, sich einem einflussreichen Milliardär zu präsentieren. Aber das konnte sie nicht ändern, weil ihre Tasche in ihrem Personalspind tief im Untergeschoss des Gebäudes verwahrt war, und einen Boss wie Constantinides ließ man nicht warten.

Obwohl er genau wissen musste, dass sie dastand, ließ er sich in seiner Arbeit nicht stören, was ihr das zweifelhafte Gefühl vermittelte, unsichtbar zu sein. Es konnte natürlich auch ein ganz bewusstes Manöver seinerseits sein, um ihr unmissverständlich zu zeigen, wer hier das Sagen hatte. Als ob das nötig gewesen wäre! Aber hatte sein Bruder ihr nicht erzählt, dass Zak ein Kontrollfreak war, der es genoss, andere seine Macht spüren zu lassen?

Emma räusperte sich. „Mr. Constantinides?“

Endlich blickte er auf. Markante Züge, gebräunter Teint. Typisch griechisch, sozusagen. Wären da nicht die Augen gewesen. Denn statt des erwarteten Brauns waren die von Zak Constantinides von einem auffälligen Grau, aufregend wie ein stürmischer Winterhimmel.

Kaum sah Emma sich im Fokus dieser bemerkenswerten Augen, da durchzuckte es sie seltsam, wie eine Art Vorahnung. Sicher waren es nur ihre Nerven. Was auch sonst? Sie interessierte sich nicht für Männer und schon gar nicht für kontrollbesessene Milliardäre, die im Ruf standen, sich rund um den Globus einen ganzen Harem von Frauen zu halten.

Er zog fragend die schwarzen Brauen hoch. „Nai? Ti thélete?“

Sie lächelte unsicher. Es war bekannt, dass Constantinides genauso gut Englisch sprach wie sie. Hatte er sie bewusst auf Griechisch angesprochen, um die Distanz zwischen ihnen noch zu vergrößern? In dem Fall war seine Taktik von Erfolg gekrönt.

„Ich bin Emma Geary“, sagte sie nervös. „Sie wollten mich sehen?“

Zak lehnte sich in seinem Schreibtischsessel zurück und betrachtete sie ausgiebig. „Allerdings“, bestätigte er und bedeutete ihr, in dem Sessel ihm gegenüber Platz zu nehmen. „Bitte, setzen Sie sich, Miss Geary.“

„Danke.“ Unwillkürlich dachte sie an die Sicherheitsnadeln, die sie sich vorn an ihr T-Shirt gesteckt hatte, um sie für Dekorationsarbeiten zur Hand zu haben. Außerdem hatte sich eine Strähne aus ihrem Pferdeschwanz gelöst und klebte ihr an der verschwitzten Wange. Sah er sie deshalb so durchdringend an?

Aber schließlich hatte sie den größten Teil des Morgens auf der Leiter gestanden und Vorhänge aufgehängt. Als hauseigene Innenarchitektin des Granchester war sie mit der Neugestaltung eines der kleineren Zimmer im siebten Stock beschäftigt gewesen, als Constantinides’ Assistentin sie aufgefordert hatte, sofort ins Penthouse-Büro zu kommen. Plötzlich wünschte sie, ihr wäre die Zeit geblieben, etwas Make-up aufzulegen oder sich wenigstens ein anderes Top anzuziehen. Irgendetwas, das verhindert hätte, dass er sie jetzt derart beunruhigend fixierte.

„Es tut mir leid“, sagte sie befangen, „aber ich hatte keine Zeit, mich umzuziehen.“

„Vergessen Sie es. Dies ist keine Modenschau“, wehrte er ab, wobei ihm jedoch keinesfalls entging, wie sich ihre verblichene Jeans eng an ihre langen, schlanken Beine schmiegte und das lose fallende T-Shirt volle, straffe Brüste erahnen ließ. Ihre Hände waren makellos gepflegt, die langen Nägel sorgfältig lackiert, in einem strahlenden Korallenrot … was ihn unwillkürlich an die spektakulären Sonnenuntergänge in seiner griechischen Heimat und das sanfte Rauschen des Meeres erinnerte. Als hätte sie die Aufmerksamkeit, die er ihren Händen schenkte, gespürt, hob sie sie in einer nervösen Geste und lenkte seinen Blick damit – gewollt oder nicht – auf ihre üppigen Brüste. Gänzlich unerwartet durchzuckte ihn heißes Verlangen, gefolgt von nicht minder heftigem Zorn. Doch seine Miene verriet nichts davon. „Was Sie anhaben, hat keinerlei Auswirkung auf das, was ich Ihnen sagen werde.“

„Liebe Güte!“ Wieder lächelte sie nervös. „Das klingt unheilvoll.“

„Meinen Sie?“

Zögernd setzte sie sich in den Sessel ihm gegenüber. Der Blick seiner aufregenden grauen Augen ließ sie alles andere als kalt. Allein das beunruhigte Emma ziemlich. Denn normalerweise war sie nicht der Typ, der sich auf Anhieb zu einem Mann hingezogen fühlte. Nicht mehr. Sie war, im Gegenteil, wie die Frauen, die so lange keine Schokolade mehr gegessen haben, dass ihnen schon bei dem Gedanken daran übel wird. Genauso ging es Emma mit Männern. Jedenfalls bisher.

In diesem Moment allerdings schien ihre schützende Gleichgültigkeit sie verlassen zu haben, sodass sie sich gegenüber dem Mann ihr gegenüber mit den markanten Zügen, der sie so intensiv ansah, seltsam verletzlich vorkam. Vielleicht lag es daran, dass sie noch nie zuvor mit ihm allein gewesen war. Vielleicht war es auch die unerwartet vertrauliche Atmosphäre, den großen Boss hemdsärmelig am Schreibtisch bei der Arbeit zu sehen. Was vor allem hier einen ungewohnten Anblick bedeutete. Denn normalerweise zeigte Zak Constantinides sich nur sehr selten am Londoner Schauplatz seines weltweit agierenden Unternehmens, sondern überließ die Geschäftsführung des Granchester anderen. New York war da schon eher seine Bühne, weshalb der Großteil der Hotelangestellten im Granchester ihn nur vom Hörensagen kannte.

Auch Emma hatte ihn, abgesehen von einem kurzen Gespräch, nur das eine oder andere Mal im Vorbeigehen gesehen. Er war auch nicht dafür bekannt, sich persönlich um seine Angestellten zu kümmern. Das überließ er vor allem seinem Geschäftsführer Xenon, und, in weitaus geringerem Maß, seinem jüngeren Bruder Nat. Zuletzt war sie Zak bei einem offiziellen Empfang im Hotel anlässlich der Eröffnung des renovierten Mondscheinzimmers begegnet, ein Projekt, das sie geleitet hatte und auf das sie sehr stolz gewesen war.

Bei der Gelegenheit war sie Zak Constantinides persönlich vorgestellt worden. Zwar hatte er ihr höflich für ihre kreative Beratung gedankt, aber sie hatte das Gefühl gehabt, dass ihr kurzes Gespräch für ihn eine eher lästige Pflichterfüllung gewesen war. Emma hatte das nicht persönlich genommen, schließlich wusste sie, was man sich über ihn erzählte. Sie kannte die Geschichten von seinem kometenhaften Aufstieg in der Geschäftswelt, dem kalten Herzen und den Scharen von Frauen, die sich nach ihm verzehrten.

Zak Constantinides war in und außerhalb der Vorstandsetagen so etwas wie eine Legende. Genau der Typ Mann, von dem sich jede vernünftige Frau fernhielt, wenn sie Ärger vermeiden wollte. Vor allem eine Frau wie sie, die von Männern mit einem großen Zerstörungspotenzial geradezu angezogen zu werden schien wie eine Motte vom Licht.

Schon vor langer Zeit hatte Emma erkannt, dass sie im Hinblick auf Männer ein hoffnungsloser Fall war – eine Eigenschaft, die sie geerbt zu haben schien. Denn genau wie ihre Mutter hatte sie in der Vergangenheit die falsche Wahl getroffen und es bitter bereut. Weshalb sie heute eine gesunde Distanz zu Männern wahrte, um ihr Herz und ihren Körper vor jedem zu beschützen, der möglicherweise an dem einen wie dem anderen Interesse zeigte. Es war einfacher so.

Darum zwang sie sich jetzt ganz bewusst, ruhig zu atmen, während sie den Mann, der vor ihr am Schreibtisch saß, genauer betrachtete. Bei dem Empfang damals im Hotel hatte er einen maßgeschneiderten schwarzen Smoking getragen und damit seinen Auftritt als einflussreicher Magnat eindrucksvoll unterstrichen. Heute sah er ganz anders aus. Sein sportliches, naturfarbenes Leinenhemd trug er mit aufgeknöpftem Kragen und aufgekrempelten Ärmeln, die den Blick auf gebräunte, muskulöse Unterarme freigaben. Breite Schultern und starke Hände unterstrichen die schiere Kraft und umwerfende Männlichkeit, die er ausstrahlte. Er besaß etwas Bodenständiges, Erdverbundenes, das man nicht bei einem Geschäftsmann vermutete.

Jetzt legte er seinen Stift beiseite und lehnte sich noch weiter in seinem Sessel zurück, was Emmas Blick unweigerlich auf seine beeindruckend breite Brust lenkte.

„Haben Sie eine Ahnung, warum ich Sie habe rufen lassen?“, fragte er beiläufig.

„Ehrlich gesagt, nein. Auf dem Weg hierher habe ich mir schon den Kopf darüber zerbrochen, aber ich weiß es wirklich nicht.“ Zögernd begegnete sie wieder dem durchdringenden Blick seiner grauen Augen. „Ich hoffe, Sie sind mit meiner Arbeit nicht unzufrieden, Mr. Constantinides?“

Zak bemerkte ihre geröteten Wangen ebenso wie die dichten blonden Wimpern, die ihre ausdrucksvollen grünen Augen umrahmten, und registrierte interessiert, dass sie kein Make-up trug. Wäre es nicht leichter, wenn sie ihm nicht gefallen würde? Wenn er sie einfach ausbezahlen könnte, zu einem obligatorisch überhöhten Preis, um dann von ihr zu verlangen, aus dem Leben seines Bruders zu verschwinden?

Er hatte sie sozusagen mit übernommen, als das Hotel vor zwei Jahren in seinen Besitz übergegangen war, und keinen Grund gesehen, etwas daran zu ändern. Davon abgesehen, dass der Erwerb des Granchester Teil seines Lebensziels gewesen war, gab es keinen Grund, etwas an einem erfolgreichen Konzept zu ändern. Eine kostspielige Umstrukturierung nur um ihrer selbst willen entsprach nicht seiner Unternehmenspolitik. Zak hatte, im Gegenteil, die Erfahrung gemacht, dass man ein Vermögen genauso schnell wieder verlieren konnte wie man es gewann, weshalb er bei aller Großzügigkeit nur selten Geld unnütz verschleuderte. Emma Geary war gut in ihrem Job und hatte bei der Einrichtung und Ausstattung des traditionsreichen Londoner Hotels erfolgreiche Arbeit geleistet. Zak war zu sehr Geschäftsmann, um ein Talent zu opfern, wenn es nicht absolut nötig war.

Jetzt allerdings war genau dies vielleicht der Fall. Denn es schien, dass diese Frau mit dem hellblonden Haar und den korallenroten Fingernägeln seinen kleinen Bruder in ihren Krallen hatte.

Merkwürdigerweise war sie so ganz anders, als er erwartet hatte. Ihm war bewusst, dass er ihr schon einmal begegnet war, auch wenn er sich kaum noch daran erinnern konnte. Jeden Tag kreuzten so viele Frauen seinen Weg, und diese war nun ganz bestimmt nicht sein Typ – selbst wenn er nicht darauf programmiert gewesen wäre, kurvenreichen Blondinen mit langen Beinen und sinnlichen Lippen zu misstrauen. Die Fotos, die ihm der Privatermittler von ihr zugeschickt hatte, waren älteren Datums gewesen: Aufnahmen von einem vor Lebenslust übersprühenden, farbenfrohen Geschöpf, das kaum mehr Ähnlichkeit mit der Frau besaß, die ihm jetzt in ihrer verblichenen Arbeitskleidung gegenübersaß.

Sie war auch überhaupt nicht der Typ Frau, auf den sein Bruder normalerweise reagierte. Stattdessen war sie die sprichwörtliche „englische Rose“ mit hellem Haar und einem so zarten Alabasterteint, dass man fast Angst haben musste, sie zu berühren.

Aber vielleicht ließ gerade das die Alarmglocken bei ihm läuten. Zusammen mit den Berichten, dass Nat immer häufiger in ihrer Gesellschaft gesehen wurde. Schon seit geraumer Zeit sorgte es Zak, wie sein kleiner Bruder wohl mit dem beträchtlichen Erbe klarkommen würde, das ihm in naher Zukunft zufallen würde. Und waren seine schlimmsten Befürchtungen nicht bestätigt worden, nachdem er Nats jüngste Freundin überprüfen lassen und dabei entdeckt hatte, was für eine Frau Emma Geary wirklich war?

Unwillkürlich ballte er seine Hände auf der polierten Oberfläche des Schreibtischs zu Fäusten, um die Finger dann langsam wieder zu strecken. „Nein, ich bin nicht unzufrieden mit Ihrer Arbeit“, antwortete er. „Sie ist sogar ganz ausgezeichnet.“

„Da bin ich aber froh!“ Zeig ihm, mit wie viel Begeisterung du dabei bist, ermahnte sie sich. Wie sehr du es zu schätzen weißt, für ihn zu arbeiten. „In der Presse ist über unsere neu eröffnete Bar sehr ausgiebig und positiv berichtet worden. Haben Sie die Ausschnitte gesehen, die ich Ihnen nach New York geschickt habe? Augenblicklich habe ich große Pläne für die Renovierung des Gartenzimmers. Wir könnten uns da mit der sehr repräsentativen Chelsea Blumenschau zusammenschließen. Das wäre sogar …“ Sie verstummte, als er energisch die Hand hob.

„Ich habe Sie nicht hergebeten, um irgendwelche Renovierungspläne mit Ihnen zu besprechen, Miss Geary“, erklärte er kühl. „Nein, der Anlass ist ein wenig persönlicher. Wissen Sie, ich habe mit meinen Anwälten über Ihren Vertrag gesprochen.“

„Mit Ihren Anwälten?“ Ihr war klar, dass sie wie ein Papagei klang. „Über meinen Vertrag?“

„Und ich habe dabei etwas sehr Interessantes erfahren“, fuhr er fort, als hätte sie überhaupt nichts gesagt. „Es ist nämlich höchst ungewöhnlich, dass ein Hotel eine Innenarchitektin exklusiv unter Vertrag nimmt, anstatt sie als freiberufliche Beraterin nur nach Bedarf zu verpflichten.“

„Stimmt, das mag etwas ungewöhnlich sein“, räumte sie ein, „aber der Vorbesitzer hat mir den unbefristeten Vertrag angeboten.“

Zak horchte auf. „Sie meinen Ciro D’Angelo?“

„Ja.“ Emma erinnerte sich dankbar an den attraktiven italienischen Hotelier, der sich ihr gegenüber so großzügig verhalten hatte, als sie an einem Tiefpunkt ihres Lebens angekommen war. Völlig am Boden zerstört war sie nach London gegangen, wo Ciro D’Angelo mit seinem rettenden Angebot erschienen war, das ihr eine unerwartete, finanzielle Sicherheit bot. Natürlich hatte sie sofort zugegriffen. „Ciro schätzte meine Arbeit wirklich. So sehr, dass er mich auf der Stelle zur hauseigenen Innenarchitektin des Granchester machte. Um mir finanzielle Sicherheit zu geben, wie er sagte. Er war überaus … freundlich.“

„Freundlich“ war nicht gerade die gängige Charakterisierung für den knallharten neapolitanischen Geschäftsmann, der zudem schönen Frauen nicht abgeneigt war. „Er ist auch ein sehr attraktiver und steinreicher Mann“, warf Zak deshalb bedeutungsvoll ein, „und als Playboy bekannt.“

Genau wie Sie! lag es Emma auf der Zunge. „Es tut mir leid, aber ich verstehe nicht“, sagte sie stattdessen. „Was hat Ciros Ruf damit zu tun?“

„Wissen Sie das wirklich nicht?“ Zak bemerkte das leichte Beben ihrer sinnlichen Lippen. Spielte sie ihm die verwundbare, zarte Frau so überzeugend vor, um ihn zu erweichen? So wie sie vermutlich schon andere Männer zum Dahinschmelzen gebracht hatte? Machte er ihr in dem Fall nicht besser sofort klar, dass sie ihre schauspielerischen Talente bei ihm verschwendete, indem er ganz offen mit ihr war? „Dann sollte ich Sie vielleicht aufklären. Ich habe nämlich etwas nachgeforscht, was Sie betrifft, Miss Geary.“ Er zögerte bewusst, bevor er mit eisiger Stimme hinzufügte: „Und wie es aussieht, hängt Ihnen ein gewisser Ruf als Femme fatale an.“

Völlig entgeistert sah Emma ihn an. Panik regte sich in ihr, als längst vergessen geglaubte Erinnerungen wieder auftauchten. „Ich … ich weiß nicht, was Sie meinen.“

„Wirklich nicht?“ Das Zittern in ihrer Stimme verriet ihm, dass sie log. Außerdem war sie kreidebleich geworden, und Zak fragte sich unwillkürlich, ob sie diesen zarten, durchscheinenden Alabasterteint am ganzen Körper hatte. Verräterische Gedanken, die ihn ärgerten, was er sofort an ihr ausließ. „Sie haben also ganz zufällig einen der gewieftesten Geschäftsmänner weltweit überredet, Ihnen einen unbefristeten Vertrag in seinem Hotel zu geben?“, erkundigte er sich mit beißender Ironie. „Da könnten viele Leute auf die Idee kommen, die Frage nach dem Warum zu stellen … und zu einer ziemlich nahe liegenden Schlussfolgerung gelangen.“

„Dann hätten eben viele Leute keine Ahnung!“, widersprach sie, empört über diese Unterstellung.

„Kein Rauch ohne Feuer, heißt es.“

Es heißt so vieles, Mr. Constantinides, was noch lange nicht bedeutet, dass es auch stimmt.“

„Wie auch immer, Ciro D’Angelo ist nicht mehr hier. Er hat mir das Hotel verkauft und ist nach Neapel zurückgegangen.“ Zak beugte sich vor, als wollte er ihre Reaktion auf seine nächste Behauptung genau beobachten. „Und seitdem sind Sie meinem kleinen Bruder immer näher gekommen.“

Emma erstarrte unwillkürlich, als ihr der Duft seines exklusiven Aftershaves in die Nase stieg. War er sich bewusst, welche Wirkung seine imposante Gegenwart auf die Menschen ausübte? Und setzte er das gezielt ein, um andere einzuschüchtern, so wie er es jetzt bei ihr versuchte? „Sie meinen Nathanael?“

„Ich habe nur einen Bruder, Miss Geary.“

Obwohl ihr das Herz bis zum Hals schlug, war Emma entschlossen, nicht klein beizugeben. Was hatte Nat ihr noch gesagt? Dass sein Bruder es gewöhnt war, immer zu bekommen, was er wollte. Ohne Rücksicht auf Verluste. „Und wenn dem so ist?“, fragte sie mutig. „Es ist doch kein Verbrechen, jemandem näher zu kommen, oder?“

„Nein“, pflichtete er ihr bei. „Aber wenn eine Frau, die dafür bekannt ist, Beziehungen zu reichen Männern zu pflegen, sich plötzlich für Nat interessiert, macht mich das … nicht glücklich.“

Sie hielt seinem Blick entschlossen stand. „Ich habe nicht vor, mich von Ihrer beleidigenden Unterstellung, dass ich nur auf Geld aus wäre, provozieren zu lassen. Ihre Anwälte haben Ihnen doch sicher nicht zu diesen Methoden geraten, oder, Mr. Constantinides?“

Dass sie ihm so kühl die Stirn bot, machte ihn noch misstrauischer. War Nat etwa so dumm gewesen, ihr gegenüber damit zu prahlen, wie gewaltig das Erbe war, das ihm bald zufallen würde? Und hätte eine Frau mit ihrer Vergangenheit das nicht sofort als Aufforderung betrachtet, sich diesen dicken Fisch zu angeln? Gequält dachte Zak an seinen kleinen Bruder, den er sein ganzes Leben lang beschützt hatte. Alles hatte er getan, um Nat nach dessen schwierigem Start vor den Härten des Lebens abzuschirmen … nur um jetzt festzustellen, dass man keinen Menschen restlos beschützen konnte. Es sei denn, man sperrte ihn ein und warf den Schlüssel weg, was natürlich keine echte Option war. „Sie vergeuden Ihre Zeit, Miss Geary.“

„Ich vergeude meine Zeit?“, wiederholte sie verständnislos.

„Ganz richtig.“ Er machte eine kurze Pause, um seinen nachfolgenden Worten umso mehr Wirkung zu verleihen. „Sehen Sie, gleichgültig, wie weit Sie Ihre großen grünen Augen auch aufreißen oder Ihre blonden Locken schütteln … Nathanael ist nicht für eine ernsthafte Beziehung zu haben.“

Wenn seine ganze Haltung nicht so todernst, ja, fast bedrohlich gewesen wäre, hätte Emma vielleicht herzlich über dieses Missverständnis gelacht. Sie stand Nat wirklich sehr nah und zählte ihn zu ihren engsten Freunden. Seit er nach der Übernahme des Granchester durch seinen älteren Bruder in das Hotel gekommen war, hatten sie sich auf Anhieb bestens verstanden und waren immer füreinander da gewesen. Gut, anfangs hatte Nat auch einmal einen Annäherungsversuch bei ihr gestartet, aber wohl mehr aus Gewohnheit als aus ernsthaftem erotischem Interesse. Und sobald sie ihm auf die Finger geklopft und ihm erklärt hatte, dass sie nicht interessiert sei – wie sie es im Übrigen auch bei Ciro getan hatte –, waren sie echte Freunde geworden.

Emma fand diese Nähe zu Nat tröstlich und entspannend. Welches Recht hatte also sein tyrannischer Bruder, sich einzumischen? Wenn sie doch nur Gelegenheit gehabt hätte, vor diesem Gespräch mit Nat zu reden! War es Zufall, dass Zak Constantinides sie ausgerechnet jetzt gerufen hatte, während sein Bruder eine wichtige Besprechung hatte? „Weiß Nat, was Sie mir hier sagen?“, fragte sie unerschrocken. „Weiß er, dass Sie für ihn Entscheidungen treffen? Denn auch wenn er für Ihr Familienunternehmen arbeitet, denke ich, sollte er selbst über sein Leben entscheiden und darüber, mit welchen Menschen er verkehrt.“

„Er ist für keinerlei Beziehung zu haben“, wiederholte Zak unbeirrt. Das Aufblitzen in ihren schönen grünen Augen verriet ihm jedoch, dass sie sich nicht so leicht würde abschrecken lassen. Weshalb er es für das Beste hielt, ihr klarzumachen, dass er die Wahrheit kannte. Vielleicht würde sie das ja veranlassen, seine Sicht der Dinge zu akzeptieren. „Schon gar nicht mit einer Frau, wie Sie es sind.“

All ihr Mut löste sich augenblicklich in Nichts auf. Angst legte sich mit eiskalter Hand um ihr Herz. Denn Zaks stählerner Blick sagte ihr, dass sie durchschaut war und man der Vergangenheit auf Dauer nicht entkommen konnte. „Eine Frau, wie ich es bin?“, wiederholte sie leise.

Heißer Triumph erfüllte ihn, als er ihre schuldbewusste Miene sah. „Ich frage mich, warum Sie Ihren Ehenamen abgelegt haben. Gibt es einen Grund dafür?“, erkundigte er sich genüsslich. „Einen Grund, warum Sie Ihre diesbezügliche Vergangenheit aus Ihrem Lebenslauf gestrichen haben?“ Er deutete auf eines der vor ihm liegenden Papiere. „Denn lautet Ihr eigentlicher Name nicht Emma Patterson … und waren Sie nicht einmal die Frau des Rockstars Louis Patterson?“

Leichenblass und wie erstarrt saß Emma da. Da war sie also wieder. Die Vergangenheit ließ sie nicht los. Hatte sie sich wirklich eingebildet, dass sie sich ganz in der Gegenwart verlieren könnte, wie es so schön hieß? Dass das Dunkel ihres früheren Lebens nicht immer wieder nach ihr greifen würde?

„Und? Waren Sie mit Louis Patterson verheiratet?“, hakte Zak gnadenlos nach.

Sie schluckte. „Ja, das ist richtig“, antwortete sie heiser.

Darauf sah Zak sie kalt und verächtlich an. „Ihr Exmann starb an einer Überdosis. Verraten Sie mir also eines, Mrs. Patterson … sind Sie auch ein Junkie?“

2. KAPITEL

Zak Constantinides’ Worte trafen Emma wie ein Kugelhagel. Worte wie Überdosis und Junkie, die sie längst hinter sich gelassen zu haben glaubte … zusammen mit allen Erinnerungen, die damit verbunden waren.

Stumm vor Entsetzen sah sie ihren Boss an, der seine Frage wiederholte.

„Nehmen Sie Drogen, Miss Geary?“

„Nein … nein! Ich habe das Zeug nie angerührt, niemals! Sie haben kein Recht, mich zu beschuldigen!“

„Und genau da irren Sie sich. Ich habe sogar jedes Recht, meinen Bruder vor Frauen mit zwielichtiger Vergangenheit zu beschützen!“

Emma atmete tief ein. „Ich war mit einem Mann verheiratet, der drogen- und alkoholsüchtig war, Mr. Constantinides“, räumte sie leise ein. „Aber das wusste ich nicht, als ich ihn kennenlernte. Damals war ich noch sehr jung und habe einen schweren Fehler gemacht. Haben Sie nie in Ihrem Leben Fehler gemacht?“

Er schüttelte den Kopf. Jedenfalls nicht, was seine Beziehungen betraf. Er war für seine eher altmodischen, traditionellen Wertvorstellungen bekannt und stolz darauf. Was bedeutete, dass eine Frau mit der Vergangenheit von Emma Geary in seiner Familie nie willkommen geheißen werden würde.

Wortlos zog er einen Stapel Fotos aus einem Umschlag und breitete sie auf dem Schreibtisch aus. Emma erblasste erneut. Es waren alte Fotos, sehr alte Fotos … dennoch erkannte sie sie sofort.

„Haben Sie die schon einmal gesehen?“, fragte Zak mitleidlos.

Sie konzentrierte sich auf das erste Foto in der Reihe. Es zeigte sie und Louis an ihrer Hochzeit. Für die Regenbogenpresse war es das Ereignis gewesen. Eine neunzehnjährige Unbekannte heiratete einen alternden Rockstar, der mehr als doppelt so alt war wie sie. Ungläubig betrachtete Emma ihr Gesicht auf dem Foto. Wie jung sie damals gewesen war! In dem weißen Kleid aus fließendem Seidenchiffon und einer Wildblumengirlande im blonden Haar, das ihr fast bis zur Taille reichte, hatte sie wie eine zarte Blumenfee ausgesehen, die sich in die Großstadt verirrt hatte. Das waren zumindest Louis’ Worte gewesen, und in ihren Flitterwochen hatte er einen Song dazu geschrieben … zwischen kräftigen Schlucken aus der Whiskyflasche, die immer in seiner Reichweite war.

„Natürlich kenne ich die Fotos“, antwortete sie ehrlich.

Aber sie hatte Angst … vor dem Schmerz, den die Beschwörung der Vergangenheit immer noch auslöste. Sie betrachtete die vertrauten Schnappschüsse, wie sie mit Louis aus bekannten Promilokalen kam und ihren Mann stützte in dem verzweifelten Versuch, die wartende Pressemeute nicht sehen zu lassen, wie betrunken er wieder einmal war. Einige Fotos stammten aus verschiedenen Nachtclubs, die damals Kult gewesen waren – und inzwischen längst Geschichte. Das blonde Mädchen, das dort in einem superkurzen Minikleid selbstvergessen auf der Bühne tanzte, kam Emma heute wie eine Fremde vor. Wie sehr sie sich bemüht hatte, Louis zu gefallen! So zu sein, wie er sie sich wünschte. Das sei es, was die Männer wollten, hatte ihre Mutter ihr beigebracht. Erst viel später, nach dem schmutzigen Ende ihrer traurigen Ehe, hatte Emma begriffen, dass ihre Mutter in Bezug auf Männer das denkbar schlechteste Vorbild gewesen war.

„Es muss Sie ganz schön Mühe gekostet haben, die aufzutreiben“, bemerkte sie so ruhig wie möglich. „Immerhin ist das fast zehn Jahre her.“

„Was sind schon zehn Jahre? Man muss nur wissen, wo man suchen muss.“ Ein Foto zeigte die blutjunge Emma, wie sie in einem kurzen Perlenröckchen mit ihrem sexy Po zur Musik wackelte. Ein Anblick, bei dem es Zak ungebeten heiß durchzuckte. Unwillig schob er das Foto beiseite. „Aber Sie verstehen sicher, dass Sie als zukünftige Schwägerin nicht meine erste Wahl sind.“

„Rechnen Sie immer gleich mit einer Heirat, wenn Ihr Bruder mit einer Frau ausgeht?“, fragte sie, entschlossen, sich nicht einschüchtern zu lassen. „Ist das nicht etwas voreilig?“

„Ich gründe meine Annahmen auf Erfahrung“, erwiderte er schroff. „Und ich kenne die Frauen gut genug, um zu wissen, welche außerordentliche Anziehungskraft ein großes Vermögen ausübt. Der Name Constantinides sichert einem für gewöhnlich die ungeteilte Hingabe des weiblichen Geschlechts.“

„Sogar in Ihrem Fall?“, konnte sie sich nicht verkneifen zu fragen.

„Sogar in meinem Fall.“

Sein sarkastischer Ton veranlasste sie fast, ihm die Wahrheit ins Gesicht zu schleudern und ihn darüber aufzuklären, dass er alles komplett missverstanden hatte und sie und sein Bruder nur gute Freunde waren. Aber etwas hinderte sie daran … und bei genauem Hinsehen erkannte sie, dass es der Wunsch war, ihm ebenfalls so wehzutun, wie er ihr mit dem Aufwühlen ihrer Vergangenheit wehgetan hatte. Der Gedanke, dass sie eine Beziehung mit seinem kleinen Bruder haben könnte, quälte ihn? Umso besser! Sollte er sich ruhig noch etwas länger sorgen, bis sie die Gelegenheit hatte, mit Nat persönlich darüber zu sprechen.

„Ich tue mich schwer damit, Ihnen deutlich zu sagen, was ich von Ihren ungeheuerlichen Anschuldigungen halte, weil Sie mein Arbeitgeber sind“, erklärte sie deshalb ruhig. „Ich traue Ihnen durchaus zu, mich zu feuern, wenn ich kein Blatt vor den Mund nehme.“

„Im Gegenteil“, widersprach er. „Das englische Arbeitsrecht ist sehr arbeitnehmerfreundlich. Weshalb ich unglücklicherweise keine Möglichkeit sehe, Sie zu feuern, es sei denn, Sie würden sich etwas so Ungeheuerliches zuschulden kommen lassen, dass ich keine andere Wahl habe.“

Flüchtig fragte sie sich, ob es in diesem Sinne wohl ungeheuerlich genug wäre, ihm den Keramikbecher mit Stiften an den Kopf zu werfen …, hielt ihre Hände jedoch fest im Schoß gefaltet. „Dann werden Sie mich wohl leider nicht los.“

„Leider.“ Er lehnte sich wieder in seinem Sessel zurück. „Es sei denn, wir würden uns irgendwie einigen?“

„Wie zum Beispiel?“

„Ich könnte Ihnen anbieten, Sie auszuzahlen?“

Obwohl sie äußerlich ruhig blieb, kochte Emma vor Zorn. Glaubt er wirklich, dass man sich mit Geld alles kaufen kann? „Sie meinen, die Auflösung meines Vertrages könnte sich für mich lohnen?“

„Selbstverständlich.“ Zak überschlug rasch, wie viel es ihn kosten würde. Das war vertrautes Terrain für ihn. „Wenn es erforderlich ist, kann ich sehr großzügig sein.“

Noch mehr als sein schmeichelnder, vielsagender Ton ärgerte sie, auf wie eindeutige Weise sie auf den samtenen Klang seiner Stimme reagierte. Ungläubig spürte sie, wie die Spitzen ihrer Brüste hart wurden und sie tatsächlich heißes Verlangen durchfuhr. Wie kann ich ausgerechnet ihn sexy finden? Zak Constantinides? Männer interessieren mich nicht … und schon gar keine, die eine so schlechte Meinung von Frauen im Allgemeinen und mir im Besonderen haben.

Einen Moment war sie versucht, zum Schein auf sein Spiel einzugehen und eine unverschämt hohe Summe zu nennen, um ihn richtig zu schockieren. Doch ihr Gefühl warnte sie, vorsichtig zu taktieren. Allem Anschein nach mochte Zak Constantinides sie schon jetzt nicht besonders, und es lag nicht in ihrem Interesse, ihn sich zum Feind zu machen. Das wäre einem beruflichen Selbstmord gleichgekommen.

War sie in ihrem Leben nicht schon mit Schlimmerem fertig geworden als mit einem tyrannischen Boss, der glaubte, die Freunde seines Bruders persönlich auswählen zu müssen? „Ich enttäusche Sie nur ungern, Mr. Constantinides, aber ich mag meine Arbeit. Und solange ich sie zu jedermanns Zufriedenheit ausführe, würde ich sie gern behalten, wenn Sie nichts dagegen haben.“

Das Aufblitzen in ihren grünen Augen verriet Zak, dass sie tatsächlich nicht die Absicht hatte, sich seinem Willen zu beugen. Sie war seine Angestellte und eine Frau und wagte es dennoch, sich ihm zu widersetzen! Andererseits reizte Zak nichts so sehr wie eine richtige Herausforderung.

Denn er liebte es, zu gewinnen. Nichts schmeckte so süß wie ein Sieg. War es nicht das, was seinen Ehrgeiz befeuerte, seinen beständigen Drang, den Familienkonzern zu erweitern? Ein Mann in seiner Position konnte so ziemlich alles bekommen oder es sich einfach nehmen … und dennoch war diese Miss Emma Geary scheinbar entschlossen, gegen seinen ausdrücklichen Willen an ihrem Job festzuhalten!

Zak überlegte kurz, sie einfach zu feuern und es darauf ankommen zu lassen, dass sie ihn verklagte. Er hatte vor Gericht noch nie verloren. Aber genau genommen hatte er weder Zeit noch Lust dazu. Wäre es nicht sowieso eine viel größere Genugtuung für ihn, wenn er sie loswurde, indem er ihr klarmachte, dass es einfach keinen Sinn hatte, sich ihm zu widersetzen?

„Wie ich sehe, sind Sie eine sehr eigensinnige Frau, Miss Geary“, bemerkte er nachdenklich.

„Wer könnte das besser beurteilen als Sie, Mr. Constantinides?“

„Dann wird es Sie vielleicht interessieren, etwas mehr über meine Unterhaltung mit meinen Anwälten zu erfahren.“

„Sollte es das?“, erkundigte sie sich argwöhnisch.

„Allerdings. Denn sie haben mich darüber informiert, dass es in Ihrem Vertrag keine Klausel gibt, die bestimmt, dass Sie in meinem Londoner Hotel arbeiten müssen.“

Sein selbstzufriedenes Lächeln verriet ihr, dass er nichts Gutes im Schilde führte. „Aber ich habe immer hier im Granchester gearbeitet“, protestierte sie unwillkürlich.

„Das ist mir klar … und genau aus diesem Grund sollte ich Ihnen vielleicht großzügigerweise die Chance geben, auch eines meiner anderen Hotels kennenzulernen. Wie Sie sicher wissen, unterhält der Constantinides-Konzern Hotels auf jedem Kontinent. Würde es Ihnen nicht Spaß machen, nach Übersee zu gehen?“ Er sah sie spöttisch an. „Ich bin sicher, Ihrer Karriere als Innenarchitektin würde etwas Auslandserfahrung nur guttun.“

Ärgerlich begriff Emma. Anscheinend wollte er ihr anbieten, in einem seiner Luxushotels in der Karibik oder sonst wo zu arbeiten. Jeder andere an ihrer Stelle hätte sich für eine derartige Chance den Arm ausgerissen. Mit anderen Worten, sie würde wie eine komplette Närrin dastehen, wenn sie sein Angebot ausschlug. Dabei war der eigentliche Zweck hinter seiner Großzügigkeit klar.

„Sie wollen mich von Nat trennen“, stellte sie resigniert fest. „Koste es, was es wolle.“

„Bravo, Miss Geary“, erwiderte er zufrieden. „Sie haben verstanden.“

„Weiß Xenon, was Sie mir vorschlagen?“

„Warum? Haben Sie den auch um den Finger gewickelt?“

„Auf so etwas antworte ich erst gar nicht, Mr. Constantinides.“

„Xenon ist mein Geschäftsführer in diesem Hotel, aber letztlich entscheide ich, was passiert“, entgegnete er scharf. „Und wenn ich gewisse Veränderungen wünsche, dann werden sie umgesetzt, ohne dass ich das mit irgendjemandem absprechen muss.“

„Und wenn ich mich weigere?“

„Ich fürchte, das wäre dann Ihrerseits Vertragsbruch. Und in dem Fall hätte ich das Recht, Sie zu entlassen.“

Zak lehnte sich in seinem Sessel zurück. Unwillkürlich glitt sein Blick zu ihren vollen Brüsten, und für einen kurzen Moment wünschte er sich, Nat hätte sich eine andere Freundin gesucht. Irgendeine andere, nur nicht diese. Denn ihre temperamentvolle Reaktion wirkte auf ihn unerwartet … und ungebeten … erotisch. Normalerweise wagte es niemand, ihm so widerspenstig zu begegnen. Wenn sein Bruder nicht mit im Spiel gewesen wäre … Gut möglich, dass er sie dann gebeten hätte, nach Hause zu gehen und sich für ein Abendessen mit ihm zurechtzumachen. Sich ein hübsches Kleid anzuziehen, das ihre reizvollen Rundungen umschmeichelte, und das hellblonde Haar offen zu lassen, sodass er mit den seidigen Locken spielen konnte. Denn waren temperamentvolle Frauen nicht die besten Geliebten, auch wenn sie als Ehefrauen vielleicht nicht so gut taugten?

Er begegnete ihrem Blick, und das wütende Funkeln in ihren grünen Augen heizte seine Lust nur noch mehr an.

„Haben Sie vielleicht noch etwas einzuwenden?“, fragte er betont zuvorkommend.

„Sie sind einfach nur ein riesengroßer Rüpel!“, zischte sie.

„Ihre Beleidigungen können Sie sich sparen“, erwiderte er unbeeindruckt. „Nehmen Sie mein Angebot an, oder lassen Sie es bleiben. Die Abfindung ist auch immer noch eine Lösung.“

„Oh nein. Erpressungsversuche oder Drohungen beeindrucken mich nicht. Sie werden feststellen, dass Sie mich so leicht nicht loswerden, Mr. Constantinides.“

„Meinen Sie? Wir werden sehen. Warum denken Sie nicht in Ruhe darüber nach? Das wäre alles“, schloss er herablassend. „Sie können gehen.“

Wütend stand Emma auf, zum zweiten Mal versucht, ihm den Becher mit den Stiften an den Kopf zu werfen. Stattdessen aber nahm sie sich zusammen und konzentrierte sich ganz darauf, das Büro so würdevoll wie möglich zu verlassen. Sie hatte gerade die Tür erreicht, da rief Zak sie noch einmal zurück.

„Ach ja, Emma?“

Er sprach sie zum ersten Mal mit ihrem Vornamen an, und wie er ihn mit seinem griechischen Akzent aussprach, war einfach unwiderstehlich. Mit klopfendem Herzen drehte sie sich zu ihm um. „Ja?“

Zak hatte den Blick nicht von ihr wenden können. Ihr Gang und ihre ganze Haltung waren unglaublich sexy. Selbst in verblichener Jeans und T-Shirt bewegte sie sich so anmutig wie ein Model auf dem Laufsteg. „Sie können es ja als eine Art Test betrachten … um herauszufinden, ob Ihre Gefühle für Nathanael eine Trennung überdauern. Wer weiß … vielleicht macht es Ihre Beziehung ja nur noch stärker.“

Einen Augenblick glaubte sie, er meinte es wirklich ernst. Dass er tatsächlich beabsichtigte, die vermeintliche Beziehung zwischen Nat und ihr auf die Probe zu stellen, weil ihm das Wohl seines Bruders am Herzen lag. Doch dann begegnete sie seinem kühlen Blick und erkannte, dass es ihm nur um Kontrolle ging. Es war ihm gleichgültig, was Nat wollte – oder was sie wollte. Es ging nur darum, was er wollte. Angewidert wandte Emma sich von ihm ab.

„Gehen Sie zur Hölle mitsamt Ihrem Job-Angebot!“ Sie riss die Tür so heftig auf, dass Zaks Assistentin im Vorzimmer erschrocken von ihrer Arbeit hochblickte. „Aber vermutlich wird der Teufel Sie gar nicht hereinlassen, weil er die Konkurrenz fürchtet!“

Wütend schlug sie die Tür hinter sich zu, um sein spöttisches Lachen nicht hören zu müssen.

3. KAPITEL

„Der Mann ist ein unglaublicher Tyrann!“

„Ich habe dich ja gewarnt.“

„Ja, ich weiß, aber …“, Emma legte Messer und Gabel nieder und sah Nathanael an. Die Ähnlichkeit mit seinem Bruder war, abgesehen von den Augen, nicht zu verleugnen … und dennoch, hätte es sich um Statuen gehandelt, wären sie aus ganz verschiedenem Material gemeißelt gewesen. „Du hast mir nicht gesagt, dass er so … so …“

„So was, Emma?“

Sie blickte auf den leckeren Salat mit Mozzarella, den sie kaum angerührt hatte. Obwohl Nat und sie wirklich nur Freunde waren, scheute sie davor zurück, ausgerechnet ihm zu sagen, dass sie seinen Bruder bei aller Abneigung auch atemberaubend sexy gefunden hatte. Am besten war es, gar nicht darüber nachzudenken.

„So … entschlossen ist, seinen Kopf durchzusetzen“, sagte sie darum lieber.

„Das ist doch typisch für einen Tyrannen“, meinte Nat.

Emma schüttelte nachdenklich den Kopf. Abgesehen von ihrer Verärgerung hatte die Begegnung mit Zak Constantinides sie in ganz anderer Hinsicht tief beunruhigt. Schlimm genug, dass er Gefühle in ihr geweckt hatte, die sie nicht gewohnt war. Noch schlimmer war, dass er sie gezwungen hatte, sich an ihre Vergangenheit zu erinnern, die sie längst hinter sich gelassen zu haben glaubte.

Wer zurückblickte, betrachtete automatisch auch die Gegenwart mit anderen Augen und fragte sich, ob er wirklich mit dem Leben, das er führte, zufrieden war. Seit dem Gespräch mit Zak fühlte sie sich … rastlos. „Du glaubst nicht, was er mir vorgeschlagen hat.“

„Was denn?“

Sie begegnete dem warmen Blick seiner dunklen Augen. „Dass ich meine Zelte hier abbreche und in einem seiner anderen Hotels arbeite!“

„In welchem Hotel?“

„Das hat er nicht gesagt, aber gemeint hat er, in irgendeinem Hotel, solange es nicht das Granchester ist. Am besten irgendwo in einem anderen Land, da ich ja wild entschlossen bin, dich mir zu angeln, weil ich es auf dein Geld abgesehen habe.“

„Zak sieht in den Augen jeder Frau Dollarzeichen“, meinte Nat versöhnlich. „Fairerweise muss man sagen, dass er in diesem Punkt auch genügend schlechte Erfahrungen gesammelt hat. Und? Was hast du ihm geantwortet?“

Während Emma sich zurücklehnte, sah sie sich um. Sie liebte dieses kleine italienische Restaurant. Es war nicht weit vom Granchester entfernt und nicht zu teuer, wenn man sich mit einem Gang begnügte – worauf sie zu Nats Belustigung stets genauso bestand wie darauf, sich die Rechnung mit ihm zu teilen.

Sie und Nat aßen regelmäßig hier, allerdings abhängig vom aktuellen Zustand seines Liebenslebens. War er wieder einmal leidenschaftlich verliebt, trafen sie sich seltener. Sobald er aber entdeckte, dass auch seine jüngste Angebetete nicht unfehlbar war, suchte er häufiger Emmas Gesellschaft. Augenblicklich war er schon länger nicht verliebt gewesen, weshalb sie sich ziemlich häufig sahen. Es war für beide Seiten unkompliziert und locker, und bis zu ihrem Gespräch mit Zak Constantinides am heutigen Nachmittag war Emma mit dieser Regelung sehr glücklich gewesen. Aber jetzt hatte sie das Gefühl, aus einem schlechten Traum aufgewacht zu sein, ohne sich daran erinnern zu können, was ihr so viel Angst gemacht hatte.

„Ich habe ihm gesagt, er solle mitsamt seinem Job zur Hölle gehen“, beantwortete sie Nats Frage.

Dieser sah sie sprachlos an. „Du hast Zak gesagt, er soll zur Hölle gehen?“

„Na ja, genau genommen habe ich noch hinzugefügt, dass man ihn dort gar nicht einlassen würde.“

„Ich wünschte, ich hätte sein Gesicht gesehen!“ Nat lachte laut.

Emma nippte rasch an ihrem Wein, denn der Gedanke an Zaks Gesicht ließ ihr Herz plötzlich schneller schlagen. „Ich hoffe jedenfalls, dass ich ihn nie wiedersehen werde“, erklärte sie dann. „Er kann sich seinen Job samt seiner ungeheuerlichen Einmischungsversuche an den Hut stecken. Was bildet er sich nur ein, wer er ist, dass er glaubt, Menschen wie Schachfiguren herumschieben zu können? Ich werde einfach kündigen und wieder freiberuflich arbeiten.“

„Aber du weißt noch gar nicht, wo er dir einen Job anbietet, oder?“, gab Nat zu bedenken. „Überleg doch einmal, Emma, es könnte in New York sein! Zak besitzt ein tolles Hotel auf der Madison Avenue in der Nähe des Central Parks. Und in Paris gehört ihm ein Luxushotel auf der Avenue Georges V, unweit der Seine.“

„Ich weiß alles über den beeindruckenden Hotelbesitz deines Bruders, Nat, und es reizt mich nicht.“

„Auch nicht mir zuliebe?“

„Wie meinst du das?“

„Wie du heute selbst erfahren hast, ist Zak ein Kontrollfreak, der mich immer im Auge haben will. Seine größte Angst ist, dass irgendeine durchtriebene Schöne an das Constantinides-Vermögen herankommt und es verschleudert. Denn genau das ist schon einmal passiert. Ich glaube fast, er hasst die Frauen.“ Als er Emmas fragenden Blick bemerkte, seufzte Nat. „Das ist eine lange Geschichte.“

„Zaks Geschichte interessiert mich nicht“, warf sie ein, weil sie erst gar nicht versuchen wollte, diesen herrschsüchtigen Mann zu verstehen. „Sie kann sich sowieso nicht viel von deiner unterscheiden, oder?“

„Ich denke, für ihn war es schlimmer. Er ist der Ältere und hat bei der hässlichen Scheidung meiner Eltern die Hauptlast abbekommen. Und diese schlechten Erfahrungen sind wohl nicht zuletzt der Grund dafür, dass er glaubt, alle Frauen, mit denen ich eine Beziehung anfange, wären nur hinter meinem Geld her. Dabei verkennt er völlig die Wirkung meines Charmes, ganz zu schweigen von meinen Fähigkeiten als Liebhaber!“ Nat zwinkerte ihr zu. „Wenn es nach Zak ginge, würde ich irgendwann nach Hause zurückkehren und eine junge, schöne Griechin aus gutem Hause heiraten.“

„Und wenn es nach dir ginge, Nat? Was willst du? Oder darfst du keine eigene Meinung haben?“

„Ehrlich gesagt, ich schließe keine Möglichkeit aus“, antwortete er zu Emmas Überraschung. „Ich will lediglich die Freiheit, mein Leben so zu leben, wie es mir gefällt, bis die Zeit für mich reif ist, eine Familie zu gründen. Und genau in dem Punkt könntest du mir helfen, Emma.“

„Ich habe keine Ahnung, was du meinst.“

Er beugte sich vor und nahm ihre Hand. „Wenn Zak glaubt, dass wir eine ernste Beziehung haben und er es geschafft hat, uns zu trennen, wird er mich eine Weile nicht mehr so streng im Auge behalten, oder? Er wird denken, ich trauere dir nach, und mich trösten wollen. Womöglich wird er mich sogar ermuntern, mich mit anderen Frauen zu treffen, damit ich dich vergesse. Ich wäre also endlich einmal frei …“

„Und was bekomme ich im Gegenzug dafür?“, fragte Emma skeptisch.

„Die Chance, dich in der Welt umzusehen“, erwiderte er lächelnd. „Etwas ganz Neues und Wundervolles zu erleben? Warum nicht, Emma? Was hindert dich?“

Ja, was hindert mich? War es nur ihr Zorn darüber, dass sein steinreicher Bruder meinte, alle Menschen manipulieren zu können? Oder war es etwas viel Fundamentaleres … die tief verwurzelte Angst vor Veränderungen an sich?

Aber wer konnte ihr verübeln, dass sie sich ein bisschen Stabilität wünschte, zum ersten Mal in ihrem Leben? Schon wollte sie Nats Vorschlag rundheraus ablehnen … aber seine Worte hatten etwas in ihr aufgewühlt. Und als sie anfing, darüber nachzudenken, konnte sie nicht mehr aufhören.

Das Granchester war ihr eine Zuflucht gewesen, als sie sie am dringendsten gebraucht hatte. Der Job hier hatte ihr geholfen, sich von ihrer verhängnisvollen Ehe zu erholen und gleichzeitig ihre beruflichen Fähigkeiten zu schulen. Sie hatte sich ein ruhiges, ereignisloses Leben aufgebaut, wie sie es sich immer gewünscht hatte. Aber war es nicht inzwischen zu leicht, zu beschaulich geworden?

Emmas Sehnsucht nach Frieden war eine verständliche Reaktion auf ihre Erlebnisse in der Vergangenheit gewesen, auf ein Leben voller exzessiver Höhen und Tiefen, das sie an die Grenzen ihrer Kräfte gebracht hatte. War sie nun aber nicht in das andere Extrem verfallen und bewegte sich in so ausgefahrenen Gleisen, dass es gut wäre, diese endlich einmal zu verlassen? Wäre es nicht gut, die große Chance, die sich ihr so überraschend bot, mit beiden Händen zu ergreifen?

Was konnte schlimmstenfalls schon passieren? Dass Nats arroganter Bruder ihre Einwilligung als persönlichen Sieg verbuchen würde? Warum sollte sie ihm diesen armseligen Triumph nicht gönnen – schließlich bedeutete ihr der Mann nichts.

Und was könnte bestenfalls dabei herauskommen? Emma blickte auf Nats Hand, die immer noch ihre hielt. Sie würde ihrem Lebenslauf eine interessante Erfahrung hinzufügen, die sie weiterbringen konnte. Denn sie war gut in ihrem Job … und dieser kleine Anstoß war vielleicht genau das, was sie brauchte, um ihr ganzes Potenzial zu verwirklichen.

„Vielleicht rufe ich Zak an und sage ihm, dass ich sein Angebot doch annehme“, meinte sie zögernd.

„Den Anruf kannst du dir sparen“, erwiderte Nat angespannt. „Du kannst es ihm nämlich jetzt sofort persönlich sagen.“

Emma erstarrte und blickte entsetzt zur Tür, wo in diesem Moment Zak Constantinides das Restaurant betrat, als gehörte es ihm. Wahrscheinlich tat es das sogar. Viele der anwesenden Gäste sahen sich zu ihm um, eine Wirkung, die er vermutlich immer auf andere Menschen ausübte. Emmas Herz jedenfalls klopfte schneller, als sie ihn verstohlen betrachtete. In dem maßgeschneiderten dunklen Anzug wirkte er elegant und selbstbewusst … und er war nicht allein. Natürlich nicht, dachte Emma. Ein Mann wie er hat freie Wahl unter den Frauen.

Seine Begleiterin war dem Anschein nach Griechin mit einer gertenschlanken Modelfigur und sehr kurzem schwarzem Haar, das ein zartes Elfengesicht umrahmte. Nur sehr wenige Frauen konnten es sich leisten, einen so kompromisslosen Haarschnitt zu tragen. Diese sah atemberaubend schön aus. Ein sexy Minikleid im Retrostil der Sechziger Jahre und dazu weiße, über kniehohe Stiefel vermittelten den Eindruck, dass sie direkt der Vogue entsprungen war.

Emma, die den Blick einfach nicht abwenden konnte, hielt unwillkürlich den Atem an, als Zak seiner Begleiterin fürsorglich eine Hand auf den Rücken legte, um sie hinter dem Maître zu einem abseits gelegenen Ecktisch zu führen. Erst als er ihr den Stuhl zurechtrückte und aufblickte, bemerkte er Emma. Ein ungläubiger Ausdruck huschte über sein Gesicht, gefolgt von einem Aufleuchten in den grauen Augen, das sie nicht genauer deuten wollte.

Zu ihrem großen Ärger bemerkte sie, wie sie innerlich zitterte. Was hatte dieser Mann nur an sich, dass er sie aus heiterem Himmel völlig aus der Fassung brachte?

Hastig wandte sie den Blick ab und richtete ihn auf ihren fast noch unberührten Teller. „Wusstest du, dass er auch hierher kommt?“, fragte sie leise.

„Nein, natürlich nicht!“

„Können wir dann bitte zahlen und gehen?“

„Zu spät, er kommt schon zu uns.“

Die nächsten Sekunden kamen Emma vor wie das Warten auf ihre eigene Hinrichtung. Sie wagte erst aufzublicken, als Zaks Schatten drohend auf das weiße Tischtuch fiel.

„Na, wenn das nicht Miss Emma Geary ist“, sagte er ironisch. „Beim trauten Tête-à-Tête mit meinem Bruder. Ein Bild des jungen Liebesglücks.“

Welcher Teufel sie ritt, Nat in diesem Moment zärtlich anzulächeln und seine Hand besitzergreifend zu drücken, wusste Emma nicht. War es eine Trotzreaktion auf das spöttische Aufblitzen in Zaks faszinierenden Augen oder der unbewusste Versuch, sich gegen sein unbestreitbares Charisma zu wehren?

„Wir können nichts dafür, wie wir aussehen, nicht wahr, Nat?“, fragte sie ihr Gegenüber vielsagend, und Nat ging geistesgegenwärtig auf ihr Spiel ein.

„Natürlich nicht, Emma“, erwiderte er schwärmerisch.

Der Anblick ihrer zarten hellen Hand in der gebräunten seines Bruders weckte in Zak eine ganz urtümliche Feindseligkeit, und es hatte auch nichts mit brüderlicher Fürsorge zu tun, dass er plötzlich das Bedürfnis verspürte, seinen kleinen Bruder auf der Stelle zurück nach Griechenland und in die Arme einer Frau zu schicken, die keine so zweifelhafte Vergangenheit hatte wie Emma.

Mühsam beherrscht, wandte er sich an Nat. „Warum gehst du nicht hinüber und sagst Leda guten Tag?“ Dabei lächelte er der wartenden Brünetten zu. „Du erinnerst dich doch noch an sie?“

„Selbstverständlich, du warst ja lange genug mit ihr zusammen. Allerdings hätte ich sie mit den kurzen Haaren gar nicht erkannt. Sie sieht umwerfend aus.“ Nat stand auf. „Damals dachten alle, ihr beide würdet heiraten.“

Zak zog es vor, diese Bemerkung zu übergehen, und wartete, bis sein Bruder Leda begrüßte, bevor er sich wieder Emma zuwandte. Insgeheim räumte er ein, dass sie, so zurechtgemacht, dem Bild einer Femme fatale schon weitaus eher gerecht wurde. Keine Spur mehr von zwanglosem Pferdeschwanz und verblichener Jeans, stattdessen dezenter Chic und Eleganz. Sie trug ein schlichtes hellgraues Leinenkleid, das ihrer reizvollen Figur ebenso schmeichelte wie ihrem zarten Teint. Und ihr schönes hellblondes Haar war sich Schmuck genug. In schimmernden Kaskaden fiel es ihr über die Schultern – nicht mehr ganz so lang wie auf dem Hochzeitsfoto im Hippie-Look, aber immer noch bis zu ihren Brüsten, deren volle Rundungen keine geringe Verlockung darstellten.

Wider aller Vernunft durchzuckte Zak eine gefährliche Mischung aus Eifersucht und Lust, die in ihm den fast unbezwingbaren Wunsch weckte, Emma auf die Füße zu ziehen und leidenschaftlich zu küssen. Ihre zarten Lippen sollten sich seinem Kuss öffnen und … Entsetzt riss er sich zusammen. Er konnte doch unmöglich eifersüchtig auf seinen kleinen Bruder sein! Oder sexuell derart frustriert, dass er eine Frau begehrte, die völlig indiskutabel war … in beinahe jeder Hinsicht.

„Haben Sie noch einmal über mein Angebot nachgedacht?“

„Ja, habe ich.“

„Und?“

Emma schwirrte der Kopf. Nat hatte ihr zwar geraten, dass sie sich diese Chance nicht entgehen lassen sollte. Dennoch gab es zumindest einen sehr guten Grund, warum es nicht klug war, sich darauf einzulassen, und der stand genau vor ihr. Was immer Zak Constantinides an sich hatte und sie so heftig auf ihn reagieren ließ, mahnte ihren Instinkt zur Vorsicht. Andererseits verspürte sie das unwiderstehliche Bedürfnis, diesem Erztyrannen eine Lektion zu erteilen. Wäre es da nicht genau das Richtige, die Rolle zu spielen, die Nat sich wünschte, und ihrem lieben Freund damit eine lang ersehnte Zeit der Freiheit zu schenken? Und würde es ihr nicht immense Genugtuung bereiten, seinen arroganten Bruder an der Nase herumzuführen und dessen ganze Intrige der Lächerlichkeit preiszugeben?

Bevor sie es sich anders überlegen konnte, antwortete sie lächelnd: „Ich nehme es an. Unter einer Bedingung.“

„Oh nein“, wehrte Zak sofort ab. „Ich stelle hier die Bedingungen, nicht Sie.“

„Ich will rechtzeitig zu Weihnachten wieder in London sein“, fuhr sie fort, als hätte er gar nichts gesagt.

Zak zögerte verblüfft, da er erwartet hatte, sie würde so etwas wie eine unverschämt hohe Prämie verlangen. Reichten knapp zwei Monate Trennung aus, um den gewünschten Effekt zu erzielen? Er sah hinüber zu seinem kleinen Bruder, der angeregt mit der schönen Leda plauderte, und lächelte. Natürlich reichte das! Nat würde Emma Geary schnell vergessen. Wie hieß es noch so richtig: aus den Augen, aus dem Sinn.

„Ich denke, das ist kein Problem“, erwiderte er darum und fügte mit einem Blick auf ihren kaum angerührten Salat hinzu: „Und genießen Sie Ihr letztes Abendessen hier, bevor Sie Ihren neuen Job antreten. Denn ich möchte, dass Sie dieses Wochenende abreisen.“

„Machen Sie Witze?“

Er blickte sie eindringlich an. „Nein, Emma, es ist mir todernst.“

Die Art, wie er ihren Namen aussprach … so sinnlich, ja genüsslich … brachte sie völlig aus dem Konzept. „Warum … die Eile?“

Dass er sie verunsichert hatte, gefiel Zak. „Warum es unnötig hinauszögern? Lange Abschiedsszenen sind so schmerzlich. Besser ein sauberer Schnitt, und dann gewöhnen Sie sich schnell an ein Leben ohne Nat.“

„Wo wollen Sie mich denn hinschicken? In die äußere Mongolei, vermute ich?“

„Ganz so weit vorgedrungen ist der Constantinides-Konzern leider noch nicht“, erwiderte Zak ohne mit der Wimper zu zucken. „Nein, ich habe einen weitaus internationaleren Standort im Sinn.“

„Und darf ich erfahren, wo? Oder wollen Sie mich überraschen?“

Ihre Widerspenstigkeit reizte ihn mehr, als ihm lieb war. Ein Mann in seiner Position war es nicht gewohnt, dass eine Angestellte derart beherzt mit ihm sprach, wie Emma Geary es tat. Es weckte in ihm den Wunsch, sie seinem Willen zu unterwerfen.

„Was halten Sie von New York?“, fragte er betont freundlich.

Wie vom Donner gerührt sah sie ihn an. War er nicht nur ein Kontrollfreak, sondern auch ein Sadist? Er musste doch wissen, dass sie während ihrer unheilvollen Ehe in New York gelebt hatte und die Stadt voller schlimmer Erinnerungen für sie war. Doch ein Blick in Zaks unergründliches Gesicht riet ihr, besser keine Schwäche vor diesem Mann zu zeigen.

„New York?“, wiederholte sie darum scheinbar freudig. „Wie wundervoll! Die Stadt, die niemals schläft!“

„So heißt es. Das Ticket ist für Samstag gebucht. Ein Wagen holt Sie ab und bringt Sie zum Flughafen. Meine Sekretärin wird sich wegen der Einzelheiten noch mit Ihnen in Verbindung setzen. Wir sehen uns dann im ‚Big Apple‘, Emma.“

Ohne eine Erwiderung abzuwarten, ging Zak zu seinem Tisch und überließ es Emma, über die Bedeutung seiner letzten Bemerkung nachzudenken.

Mit anderen Worten, er würde auch in New York sein? Um sie im Auge zu behalten? Um sicherzugehen, dass sie genau das tat, was er wollte? Eine ebenso beunruhigende wie … erregende Vorstellung.

4. KAPITEL

Es war ein seltsames Gefühl, wieder zurück zu sein. Seltsam, den breiten, amerikanischen Akzent zu hören und die vielen Leute in den Straßen in alle Richtungen eilen zu sehen – mit jener Zielstrebigkeit, wie man sie nur in New York zu finden schien. In die weichen Ledersitze der Limousine gelehnt, ließ Emma die hohen Wolkenkratzer wie einen Film an sich vorüberziehen.

Zaks Wagen hatte sie vom JFK Airport abgeholt, obwohl es ihr nichts ausgemacht hätte, sich ein gelbes Taxi zu nehmen. Im Gegenteil, sie hätte sich normaler und … unabhängiger gefühlt. Sowieso war es das Merkwürdigste an der ganzen Sache, dass diese Reise so schrecklich viel Ähnlichkeit mit ihrer bisher einzigen in die USA hatte, was Emmas heimliche Besorgnis nur vermehrte. Auch Jahre zuvor war sie schon einmal dem Ruf eines reichen Mannes gefolgt, der das alleinige Sagen hatte. Heute befand sie sich im Prinzip in der gleichen Lage, mit dem wesentlichen Unterschied, dass Louis ein schwacher Mensch gewesen war, was sie damals allerdings aufgrund ihrer Jugend und Unerfahrenheit nicht verstanden hatte. Zak war das genaue Gegenteil. Zak war stark. Daran zweifelte Emma nicht einen Moment.

Was wollte er wirklich von ihr? Nur das Versprechen, dass sie seinen Bruder in Ruhe ließ?

Sie fuhren jetzt durch das Stadtzentrum, und Emma betrachtete durch die abgedunkelten Fenster der Limousine die hell erleuchteten Auslagen der Kaufhäuser. Dort war Saks Fifth Avenue, das Luxuskaufhaus, wo Louis ihr einmal eine teure und eher klassische Perlenkette gekauft und dann lachend zugesehen hatte, wie sie sie sich als Krone auf ihre blonden Locken setzte. Das war eine der besseren Erinnerungen an jene Zeit, aber es gab auch trostlose, die sich wie dunkle Gespenster auftürmten.

Die Lichter und riesigen Reklametafeln am Broadway erinnerten Emma an das Yankee Stadion, wo das groß angekündigte Comeback von Patterson und seiner Band stattfinden sollte – und in letzter Minute abgesagt wurde, weil der entsetzte Veranstalter erkannte, dass der Leadsänger so zugedröhnt war, dass er kaum noch aufrecht stehen konnte. Und da war die St. Patrick’s Cathedral, wo Emma sich hingestohlen hatte, um eine Kerze anzuzünden und das Ende ihrer Ehe zu beweinen … und nur kurz danach den Tod ihres Ehemanns.

Sie schüttelte den Kopf, wie um diese düsteren Gedanken zu vertreiben, und bemerkte, dass sie bereits den Central Park erreicht hatten und die Limousine im nächsten Moment vor Zaks Pembroke Hotel vorfuhr. Ganz bewusst nahm sie sich die Zeit, die schönen Details zu bewundern, die sie bisher nur aus den Werbeprospekten kannte. Die Art-Deco-Fassade und die schwere Drehtür aus dunklem Holz. Die schmiedeeisernen Lampen und die sorgfältig beschnittenen Buchsbaumpflanzen in Kübeln, die für etwas einladendes Grün sorgten. Ein Portier öffnete ihr die Tür, und Emma betrat die marmorne Lobby, wo im Licht eines riesigen Kronleuchters kunstvolle Blumenarrangements ins Auge fielen.

Ein wenig desorientiert durch die Folgen des Jetlags blickte sie sich unschlüssig um. Sollte sie zum Empfang gehen und fragen, ob Mr. Constantinides eine Nachricht für sie hinterlassen habe?

Doch schon im nächsten Moment tauchte neben ihr ein großer dunkler Mann auf, der ihren großen Koffer mühelos hochhob, als enthielte er nur Schmetterlinge und nicht eine ziemliche Anzahl Schuhe.

„Willkommen in New York“, sagte die Stimme, die so sexy und ihr inzwischen schon so vertraut war. Emma begegnete dem Blick von Zak Constantinides. War es Triumph, der in seinen faszinierenden grauen Augen glühte? Wahrscheinlich, denn er hatte ja bekommen, was er wollte. Er hatte sie – wie ein Paket – nach New York verfrachtet!

Am liebsten wäre sie ihm mit kühler Gleichgültigkeit begegnet, doch das war nicht so einfach. Denn trotz aller festen Vorsätze empfand sie seine schiere Dominanz einerseits als unerträglich und fühlte sich andererseits heftig zu ihm hingezogen. Für beides erwies es sich als wenig hilfreich, dass er nicht den gewohnten dunklen Maßanzug trug, der an sich schon eine Aura der Unnahbarkeit erzeugte. In dem hellgrauen Pullover in der Farbe seiner Augen und der Jeans wirkte Zak ungewohnt zugänglich und, wenn möglich, sogar noch attraktiver.

Unwillkürlich fröstelte Emma trotz der warmen Jacke, die sie in Anbetracht der zu erwartenden Novemberkälte angezogen hatte.

„Frieren Sie?“, erkundigte er sich sofort.

„Ein wenig“, antwortete sie, fügte aber als Erklärung sofort hinzu: „Ich finde, die klimatisierten amerikanischen Hotels immer etwas zu kühl. Und warum, in aller Welt, sollten Sie meinen Koffer tragen?“

„Warum nicht? Haben Sie etwas gegen ein wenig altmodische Ritterlichkeit?“

Tatsächlich hatte Emma in ihrem Leben bislang nur wenig altmodische Ritterlichkeit erfahren, weshalb seine Antwort sie verblüffte. „Begrüßen Sie all Ihre Gäste so zuvorkommend?“

„Nein, nicht alle. Aber für Sie mache ich gern eine Ausnahme.“ In dem Moment, in dem er die Worte aussprach, begriff Zak, dass er sie ernst meinte. Er dachte lieber nicht darüber nach, warum er ständig auf die Uhr gesehen hatte, bis er von seinem Fahrer die Nachricht erhalten hatte, dass ihre Maschine sicher gelandet sei. Oder warum es ihn allein bei der Vorstellung heiß durchzuckte, dass sie auf dem Weg zu ihm war.

Doch er konnte nicht verleugnen, dass er ständig an sie gedacht hatte. Ungebeten hatte sie sich mit ihren betörenden grünen Augen und den seidigen Kaskaden ihres hellblonden Haars auch in seine Träume gedrängt. Hatte er nicht ein ungewohnt heftiges Verlangen verspürt, wann immer er an sie dachte?

Interessanterweise stellte er fest, dass Emma ihrerseits nichts dazu beitrug, um seine erotischen Fantasien zu befeuern. Sie hatte sich für ihn keineswegs besonders herausgeputzt. Gänzlich ungeschminkt, das Haar wieder zu einem schlichten Pferdeschwanz hochgebunden, so stand sie vor ihm, und auch ihre Kleidung war vor allem bequem und schlicht. Dennoch besaß ihr zartes Gesicht mit dem Hauch von Sommersprossen über der niedlichen Nase etwas, das seine Blicke unwillkürlich anzog. Wie schaffte sie es nur, so hinreißend verletzlich zu wirken?

„Sie müssen müde sein“, sagte er sanft, als er die Schatten unter ihren Augen bemerkte. „Kommen Sie, ich zeige Ihnen, wo Sie untergebracht sind. Und dann können Sie allmählich ans Abendessen denken.“

Emma horchte auf. „Wollen Sie sagen, ich werde hier wohnen? Im Pembroke?“

„Natürlich. Da Sie nur vorübergehend hierher versetzt worden sind, ist es am Praktischsten. Was haben Sie denn gedacht, wo Sie unterkommen würden?“

Tatsächlich hatte sie erwartet, in einem winzigen Apartment in einem der weniger privilegierten Stadtteile untergebracht zu werden, so weit wie möglich weg von Zak. „Ich war so in Eile, dass ich gar keine Zeit hatte, überhaupt darüber nachzudenken“, antwortete sie eine Spur zu beiläufig.

Als sie und Zak durch die Lobby zu den Aufzügen gingen, sahen die Leute sie neugierig an. Die Angestellten fragten sich vermutlich, warum der oberste Boss einem so gewöhnlich aussehenden Gast den Koffer trug. Einige der sichtbar wohl betuchten weiblichen Gäste musterten Emma unverkennbar neidisch.

Als sich die Aufzugtüren hinter ihnen schlossen und Emma schweigend vor sich auf die Stockwerksanzeige blickte, meine Zak: „Zugegebenermaßen hatte ich etwas mehr Enthusiasmus von einer Angestellten erwartet, die gerade erfahren hat, dass sie in einem der besten Hotels der Welt übernachten darf.“

Diese Bemerkung veranlasste sie, ihn anzusehen. „Überrascht Sie das?“

„Ein wenig. Ich dachte, Sie wären begeistert von der Gelegenheit, einmal die legendäre Gastlichkeit des Pembroke genießen zu dürfen.“

Damit hätte er sich nicht gründlicher irren können. Geld und Luxus bedeuteten Emma gar nichts. Nicht mehr. Sie hatte, im Gegenteil, gelernt, dass im Leben ganz einfache Dinge viel wichtiger waren als aller Reichtum und Glamour. Zu drastisch hatte sie erlebt, welch schwarze Leere materieller Überfluss mit sich bringen konnte.

Gerade noch rechtzeitig fiel ihr jedoch ein, dass sie Zak die geldgierige Mitgiftjägerin vorspielte. „So gesehen, haben Sie natürlich recht“, erwiderte sie darum eifrig. „Habe ich eine große Suite?“

„Nicht so groß wie meine“, antwortete er sichtlich zufrieden, weil er nichts anderes als diese Frage von ihr erwartet zu haben schien. Allerdings hatte er nicht damit gerechnet, dass schon die Andeutung eines Flirts mit ihr eine Flut erregender Bilder in ihm heraufbeschwor. Er sah Emma auf seinem großen Bett, das helle Haar wie einen seidigen Fächer auf dem Kissen ausgebreitet und ein einladendes Leuchten in ihren bemerkenswert grünen Augen.

Sofort verwünschte er seine verräterische Fantasie. Er verabscheute Frauen wie sie … und davon abgesehen hatte sie etwas mit seinem Bruder! „Wir sind da“, erklärte er schroff.

Sie hatten den zweiunddreißigsten Stock erreicht. Auch die Flure des Pembroke vermittelten den Eindruck von schierem Luxus: kostbare Perserteppiche auf glänzendem Parkett, Originalkunstwerke an den Wänden. Emma fragte sich unwillkürlich, wie viel nur eine Übernachtung hier wohl kostete.

Zak öffnete die Tür zu einer der Suiten. „Hier ist es. Machen Sie sich frisch, und richten Sie sich ein. Ich hole Sie dann zum Abendessen ab.“

Mühsam rang sie sich ein Lächeln ab. „Wenn Sie nichts dagegen haben, lasse ich mir lieber etwas vom Zimmerservice bringen.“

„Das wäre die schlechteste Art, dem Jetlag zu begegnen“, widersprach er energisch. „Sie würden einschlafen und dann mitten in der Nacht hellwach sein. Außerdem müssen wir noch ein paar Dinge besprechen.“

„Was für … Dinge?“, fragte sie misstrauisch.

Als Zak ihrem fragenden Blick begegnete, überfiel ihn erneut heftiges Verlangen. „Nun, das ist kein Geheimnis. Sie sind hier, um zu arbeiten, und wissen bisher noch gar nicht, was Sie tun sollen. Deshalb nutze ich unser Essen unten im Restaurant, um Sie kurz zu instruieren. Ich hole Sie in einer Stunde ab.“

„In anderthalb Stunden“, beharrte sie eigensinnig.

„Einverstanden.“

Sobald Zak fort war, betrat Emma die Suite und schloss die Tür hinter sich zu. Der Ausblick aus den großen Fenstern war noch beeindruckender, als sie ihn sich insgeheim ausgemalt hatte. Ein Gewirr aus Licht besetzten Wolkenkratzern, das zusammen die unverkennbare Skyline von New York ergab. Wunderschön, auch wenn der Anblick einige schmerzliche Erinnerungen weckte und sie darüber hinaus zu müde war, um ihn wirklich zu schätzen.

Der Vernunft gehorchend, packte sie als erstes ihre Sachen aus, bevor sie sich eine ausgiebige Dusche gönnte. Anschließend bürstete sie sich das Haar, bevor sie sich einen der unwiderstehlich flauschigen Bademäntel anzog, der in dem Luxusbad für die Gäste bereithing. Nur rasch eine Tasse Kaffee zum Wachwerden, dann wollte sie sich anziehen.

Emma schaltete die Kaffeemaschine ein, drehte die Klimaanlage herunter und setzte sich auf das riesige Bett, wo ein Berg von Kissen sie einladend erwartete. Wie von selbst sank ihr Kopf nieder, sie lauschte verträumt dem Gurgeln der Kaffeemaschine und war im nächsten Moment fest eingeschlafen.

Seltsame Geräusche drangen in ihren Traum. Etwas wie lautes Klopfen und Rufen. Dann fühlte sie sich am Arm gepackt. Jemand rüttelte sie, erst sanft, dann heftiger. Widerstrebend schlug Emma die Augen auf und sah sich Zak gegenüber, der sich über sie gebeugt hatte und sie intensiv ansah.

Einen Moment vergaß sie alles um sich. Von einer plötzlichen Sehnsucht ergriffen, blickte sie mit Herzklopfen zu ihm auf. Der Duft seines exklusiven Aftershaves stieg ihr in die Nase, und sie dachte unwillkürlich daran, dass sie unter dem flauschigen Bademantel völlig nackt war.

„Was ist los?“, flüsterte sie schläfrig.

Fasziniert beobachtete Zak, wie sie sich mit der rosigen Zungenspitze über die sinnlichen Lippen strich. Lieber Himmel, wie schön sie ist! Unglaublich schön.

„Ich … habe nur versucht, Sie aufzuwecken“, erklärte er rau.

Ihr kam in den Sinn, dass er sie auch hätte anrufen können. Aber sie behielt es für sich, weil seine Hand immer noch auf ihrem Arm lag und sie sich – sehr zu ihrer Schande – gestehen musste, dass es ein gutes Gefühl war. Lag das daran, dass sie noch nicht richtig wach war oder weil es ihr gefiel, wenn er sie berührte?

„Jetzt haben Sie es ja geschafft“, sagte sie und unterdrückte ein Gähnen.

Sichtlich zögernd zog er seine Hand zurück und ging zum Fenster, bemüht, sich auf die berühmte Aussicht zu konzentrieren, um die verräterischen Gedanken daran zu verbannen, welch reizvoller Körper sich unter dem übergroßen Bademantel verbarg. Es war nahezu unmöglich. Immer wieder malte Zak sich aus, wie zart und verletzlich sie im Schlaf ausgesehen hatte. Dann hatte sie sich langsam geregt und ihre jadegrünen Augen fragend aufgeschlagen … genau wie in seiner verbotenen Fantasie. Nicht zum ersten Mal verwünschte er sich aus zwei Gründen: Sie war nicht sein Typ und, was noch wichtiger war, die Freundin seines Bruders!

Er war zu erfahren, um die erotische Spannung zu leugnen, die von Anfang an zwischen ihnen bestanden hatte. Rechtfertigte das allein nicht seine Maßnahme, sie nach New York zu holen? Wenn sie schon den Bruder ihres Geliebten derart scharf machen konnte, war es dann nicht ratsam, dass Nat sich so bald wie möglich von ihr trennte?

„Ich erwarte Sie in fünfzehn Minuten unten im Restaurant“, informierte er sie kühl und verließ das Zimmer, ohne sich noch einmal zu ihr umzublicken.

Nachdenklich setzte Emma sich auf. Was war der Grund für seine plötzlich so unverkennbar ablehnende Haltung? Ärgerte es ihn, dass er sie so begehrlich angesehen hatte?

Und war das nicht auch gerade ihr Problem – dass sie ihn ebenfalls begehrte?

Rasch sprang sie aus dem Bett und zog sich an. Sosehr sie sich auch dagegen wehrte, sie hatte Zak Constantinides soeben in einer Weise begehrt wie noch keinen anderen Mann zuvor. Nicht einmal ihren eigenen Ehemann!

Natürlich hatte auch er das mächtige Knistern zwischen ihnen gespürt. Da er sie ohnehin für eine Frau hielt, die zu allem bereit war, um sich einen reichen Mann zu angeln, würde ihr Verhalten ihn nur in seiner schlechten Meinung bestärken. Es war also unbedingt nötig, dass sie sich zusammenriss und vor allem ihre Schwäche für diesen Mann in den Griff bekam. Denn sie war keine Marionette, die er ganz nach seinem Willen tanzen lassen konnte. Sie hatte sich ihren Ruf als Innenarchitektin im Granchester durch harte Arbeit errungen und wollte sich das so mühsam Erreichte nicht wegen eines Mannes zunichte machen lassen, den sie im Grunde gar nicht mochte.

Auf keinen Fall! Für den Anfang würde sie ihm dezent, aber unmissverständlich klarmachen, dass sie nicht darauf aus war, ihn zu verführen. Mit anderen Worten, sie würde sich nicht für ihn herausputzen, sondern es darauf anlegen, als graue Maus zu erscheinen. Eine schwarze Samthose kombiniert mit einer weiten weißen Bluse, das noch feuchte Haar zu einem losen Knoten im Nacken frisiert. Verzicht auf jegliches Make-up und als einziger Schmuck ein Paar baumelnde Muschelohrringe … der Effekt war gepflegt, aber nichtssagend.

Als Emma das Restaurant betrat, begriff sie allerdings sofort, dass sie allein durch die Schlichtheit ihrer Kleidung mehr herausstach, als ihr lieb war. Die übrigen anwesenden Frauen trugen ausnahmslos so viel Haut und glitzernde Juwelen wie möglich zur Schau. Ihr blieb nichts anderes üblich, als dem verblüfften Ober selbstbewusst Zaks Namen zu nennen und ihm zu dem Tisch zu folgen, wo er sie erwartete. Sie hatte ganz vergessen, wie es war, wenn die Leute einen danach beurteilten, in wessen Begleitung man sich befand. Wie Menschen, die sie gar nicht kannten, sie von oben bis unten musterten und beurteilten.

Zak erhob sich galant, um sie zu begrüßen. Sie glaubte sein Missfallen zu spüren, als er sie prüfend ansah. Und obwohl genau das der Zweck ihres Outfits war, fiel es ihr als Frau doch schwer, seinem kritischen Blick standzuhalten.

„Sie sehen aus, als wollten Sie zu einem Rockfestival“, bemerkte er missbilligend.

„Und Sie, als wollten Sie gleich ein feindliches Übernahmeangebot machen“, entgegnete sie mit einem bezeichnenden Blick auf seinen dunklen Anzug.

Für einen Moment war er versucht zu lächeln. Gerade noch rechtzeitig fiel ihm ein, dass er sie nicht eingeladen hatte, um sich zu amüsieren. Vielleicht war es sogar gut, dass sie aussah, als wollte sie sich gleich im Yogasitz auf den Boden setzen und meditieren. Er lehnte sich zurück und sah zu, wie der Ober ihr die Speisekarte reichte. „Wie wäre es, wenn Sie mich bestellen lassen, um Zeit zu sparen? Die Steaks sind ausgezeichnet.“

Emma lächelte höflich. „Ganz bestimmt, aber ich esse kein Fleisch.“

„Sie essen kein Fleisch?“

„Welchen Teil meines Satzes haben Sie nicht verstanden, Mr. Constantinides?“

Er schüttelte den Kopf. „Kein Wunder, dass Sie so blass sind!“

„Sie sollten es vielleicht auch einmal versuchen. Weniger Fleisch soll zu weniger Aggression führen.“

Darauf lachte er nur. „Ein richtiger Mann isst Fleisch, Emma.“

Autor

Cat Schield
<p>Cat Schield lebt gemeinsam mit ihrer Tochter, zwei Birma-Katzen und einem Dobermann in Minnesota, USA und ist die Gewinnerin des Romance Writers of America 2010 Golden Heart® für romantische Serienromane. Wenn sie nicht gerade neue romantisch-heiße Geschichten schreibt, trifft sie sie sich mit ihren Freunden um auf dem St. Croix...
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