Cora Collection Band 48

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UNTER DEN STERNEN DER KARIBIK von KATHRYN ROSS
Nach einem romantischen Candlelight-Dinner an Deck eines Kreuzfahrtschiffes ist der erfolgreiche Geschäftsmann Rick Conners am Ziel seiner Träume: Endlich kann er seine hübsche Kollegin Lucy Blake in die Arme schließen. Aber am nächsten Morgen ist sie spurlos verschwunden – ohne ein Wort der Erklärung …

TRAU DICH – KÜSS MICH von DIXIE BROWNING
Sie ist Verführung pur – als Deke das Deck betritt, kommt sie Kurt wie ein wahrgewordener Traum vor. Jedes Mal, wenn sie lacht, würde der Kapitän am liebsten seiner Lust nachgeben und das Boot in ein Schiff der Liebe verwandeln. Doch purer Sex ist ihm nicht genug. Er will mehr von Deke …

UNTER HEISSER SONNE von JACQUELINE BAIRD
Gingers neuer Traumjob – eine ältere Dame auf Kreuzfahrt durch die griechische Inselwelt begleiten – hat einen Haken: Dazu muss sie an Bord der Jacht des arroganten Alex Statis gehen. Schrecklich! Wäre da nicht dieses unerhört sonnenheiße Glühen seiner Blicke auf ihrer Haut …


  • Erscheinungstag 21.01.2022
  • Bandnummer 48
  • ISBN / Artikelnummer 9783751508704
  • Seitenanzahl 400
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Kathryn Ross, Dixie Browning, Jacqueline Baird

CORA COLLECTION BAND 48

1. KAPITEL

„Ich habe gehört, dass du heute Abend zum Speed-Dating verabredet bist?“

Als ihr diese beiläufige Frage gestellt wurde, bereitete Lucy sich gerade darauf vor, in den Konferenzraum zu gehen und die möglicherweise wichtigste Präsentation ihrer Karriere zu machen.

„Woher in aller Welt weißt du das?“, fragte sie leise und hoffte, dass ihre Wangen nicht so rot waren, wie sie sich anfühlten.

„Mel aus der Buchhaltung hat es mir erzählt.“ Carolyn schien nichts von der Verlegenheit ihrer Kollegin zu bemerken.

Es war nicht das erste Mal, dass Lucy den Eindruck hatte, unter Beobachtung zu stehen. „Na ja, es ist einfach nur zum Spaß.“ Rasch warf sie einen Blick durch die Abteilung, ob jemand die Ohren gespitzt hatte. Gott sei Dank war Freitag, und alle arbeiteten konzentriert, um pünktlich aus dem Büro zu kommen und ins Wochenende zu starten.

„Es ist auch an der Zeit, dass du anfängst, wieder ein bisschen Spaß zu haben“, fuhr Carolyn unbekümmert fort. „In den letzten Wochen hast du viel zu viel gearbeitet.“

„Na ja, ich glaube, das haben wir alle getan. Die Übernahme durch EC Cruises lässt uns schließlich alle um unsere Jobs bangen.“

„Da hast du recht. Seit der Bekanntgabe vor einem Monat habe ich kaum geschlafen, und dabei sitze ich nicht mal im Management.“

„Wir werden uns sicher nächste Woche alle besser fühlen, wenn der neue Besitzer kommt, um mit uns zu reden. Bis dahin müssen wir uns auf wichtigere Dinge konzentrieren.“

Als Lucy von ihren Papieren aufschaute, sah sie, dass der Geschäftsführer und einige Mitglieder des Vorstands bereits auf dem Weg zum Konferenzraum durch den Korridor gingen. Carolyn hatte recht: Sie hatte unermüdlich gearbeitet. In der heutigen Präsentation steckte die Arbeit von Monaten. Sie konnte nur hoffen, dass es keine vergebliche Mühe war, jetzt, wo ihr Unternehmen von einem ausländischen Konzern geschluckt worden war.

„Ich wünschte, ich könnte bestimmte Dinge so ausblenden, wie du es tust, Lucy. Du bleibst in jeder Krise immer so ruhig und kompetent.“

„Meinst du?“ Lucy schüttelte den Kopf. Es hatte Zeiten gegeben, in denen sie sich alles andere als ruhig und kompetent vorgekommen war.

„Absolut. Immer wenn ich diese Ratte von Exmann von dir sehe, frage ich mich, wie du es fertigbringst, ihm jeden Tag im Büro zu begegnen.“

„Ich habe mich damit abgefunden.“

„Du warst immer viel zu gut für ihn“, bemerkte Carolyn nüchtern.

„Vielen Dank, Caro.“ Lucy lächelte ihre Freundin an und verschloss dabei ihre Aktenmappe. Würde sie je dem Dunstkreis ihres Exmannes entgehen? fragte sie sich.

Während sie erneut aufschaute, sah sie durch die Glastrennwand das Objekt ihrer Gedanken durch den Korridor eilen. Kris war sechs Jahre älter als sie, also fünfunddreißig, und immer noch ein gut aussehender Mann, wenn man blaue Augen und blondes Haar mochte. Lucy hatte von diesem Typ jedoch genug …, genau genommen hatte sie von allen Männern genug.

Nur weil ihre Freundin Mel einfach kein Nein akzeptierte, hatte sie sich auf diese Speed-Dating-Geschichte heute Abend eingelassen.

Während Lucy ihren Exmann beobachtete, entdeckte sie, dass er nicht allein war. Ein anderer Mann war den Gang hinuntergekommen, um sich zu ihm zu gesellen. Er war größer als Kris und breiter. Kris’ Statur hatte Lucy immer gefallen, doch neben diesem Mann wirkte er regelrecht schmächtig. Wenn sie ehrlich war, verblasste jeder neben diesem Mann.

Wer ist das? fragte sie sich. Während sie ihn anstarrte, drehte er sich um, und ihre Blicke begegneten sich durch die Glastrennwand. Er war äußerst attraktiv: dunkel funkelnde Augen, schwarzes Haar und ein markantes Kinn. Er sah spanisch oder südamerikanisch aus. Er warf ihr ein Lächeln zu, das sie kurz erwiderte, doch dann wandte sie sich rasch ab.

Was sie ganz bestimmt nicht brauchte, waren Komplikationen bei der Arbeit. Davon hatte sie bereits genug gehabt.

Wie um dies zu bestätigen, redete Carolyn immer noch über Lucys Exmann und dass er eines Tages bereuen würde, was er getan hatte.

„Carolyn!“, unterbrach Lucy sie energisch. „Wenn es dir nichts ausmacht, dann möchte ich wirklich nicht hier darüber sprechen.“ Sie warf einen neuerlichen Blick durch die Abteilung. Wer auch immer die Idee von Großraumbüros entwickelt hatte, sollte erschossen werden, dachte sie dabei.

Carolyn folgte ihrem Blick und zog eine Grimasse. „Es tut mir leid“, flüsterte sie. „Ich rufe dich später an.“

„Ja, gute Idee.“

Carolyn war eine gute Freundin, aber manchmal übertrieb sie es. Lucy war es leid, ständig im Mittelpunkt von Klatsch und Tratsch zu stehen. Sie konnte nicht verstehen, dass sich die Leute immer noch für das Scheitern ihrer Ehe interessierten.

Eines stand für sie fest: Sie würde nie mehr mit jemandem von der Arbeit ausgehen. Nicht, dass Kris hier gearbeitet hätte, als sie sich kennenlernten. Das war eine weitere bittere Tatsache. Sie war diejenige gewesen, die ihm zu seiner jetzigen Stelle verholfen hatte.

Konzentrier dich auf die Arbeit, sagte sie sich energisch. Kris und seine blonde Zuckerpuppe hatten einander verdient. Mit hoch erhobenem Kopf griff Lucy nach ihrer Aktenmappe und ging in Richtung Konferenzraum.

Lucy trug einen schwarzen Nadelstreifenhosenanzug mit einer einfachen weißen Bluse. Ihr langes dunkles Haar hatte sie zurückgebunden. Mehrere Männer schauten auf, als sie sich an den auf Hochglanz polierten Konferenztisch setzte, aber sie war sich der bewundernden Blicke gar nicht bewusst. Sie war viel zu sehr damit beschäftigt, ihre Papiere zu ordnen und sich noch einmal in die aktuelle Kostenkalkulation zu vertiefen.

In diesem Moment betrat Kris den Raum. „Ah, Lucy, da bist du ja“, rief er aus, als habe sie sich die ganze Zeit in einer dunklen Ecke versteckt. „Mr Connors, darf ich Sie mit der Leiterin unserer Marketingabteilung bekannt machen, Lucy Blake. Lucy, das ist Mr Connors. Er kommt vom neuen Firmenhauptsitz auf Barbados und besucht uns gerade.“

Während Lucy aufstand, erkannte sie den Mann wieder, der ihr vom Korridor aus zugelächelt hatte, und in diesem Augenblick geschah etwas äußerst Beunruhigendes. Ihre Umwelt schien vollkommen in den Hintergrund zu treten, während Lucy in einem glutäugigen Blick versank, der ihr den Atem zu rauben drohte.

„Es freut mich, Sie kennenzulernen“, brachte sie halbwegs normal hervor. Dieser Mann sah einfach umwerfend aus. Lucy selbst war ziemlich groß, und es gab nur wenige Männer, die ihr das Gefühl vermittelten, klein zu sein, doch er gehörte dazu. Er musste über ein Meter neunzig sein. Er hatte dichtes, welliges Haar und männlich-markante Züge.

Um nicht wie ein willenloses Weibchen zu wirken, das bei seinem Anblick zu Wachs wird, bemühte sie sich um einen möglichst kühlen, geschäftsmäßigen Tonfall. „Willkommen in unserem Londoner Büro.“ Sie streckte ihm die Hand entgegen.

„Vielen Dank.“ Ihre steife Förmlichkeit schien ihn zu amüsieren, aber er erwiderte fest ihren Händedruck. „Und bitte, nennen Sie mich Rick.“

Lucy entzog ihm ihre Hand so schnell wie möglich. Die Berührung seiner Haut machte sie aus irgendeinem Grund nervös. Dennoch neigte sie den Kopf und murmelte „Rick“. Selbst der Klang seines Namens auf ihren Lippen wirkte wie eine Herausforderung.

Es entstand ein Moment des Schweigens, in dem sie ihm einfach nur in die Augen blickte.

„Mr Connors ist hier, um sich einen Eindruck von der Lage in London zu verschaffen“, unterbrach Kris die Stille. „Er wird etwa eine Woche hier bleiben. Es wäre gut, wenn du ihm helfen würdest, indem du seine Fragen beantwortest und ihm zeigst, wie deine Abteilung funktioniert und auf welche Weise sie dazu beiträgt, uns zu einem der erfolgreichsten Kreuzfahrtunternehmen auf dem Markt zu machen.“

Warum klang Kris so, als hätte er eine ihrer Broschüren auswendig gelernt? fragte Lucy sich irritiert. Sie schaute zu ihm auf, woraufhin er ihr einen warmen und bewundernden Blick zuwarf. Lass dich davon bloß nicht einwickeln, ermahnte sie sich rasch.

„Selbstverständlich.“ Lucy zwang sich, wieder zu Rick Connors zu schauen.

Er lächelte sie an. „Nun ja, das ist zwar der Sinn und Zweck des Ganzen, aber wir müssen das nicht ganz so steif und formal angehen.“

Ob er spanischer Abstammung war? überlegte sie. Bei seinem dunklen, sinnlichen Aussehen lag der Gedanke nahe, aber sein Name hatte nichts Spanisches an sich, und auch sein Akzent gab keinerlei Aufschluss.

Der Geschäftsführer, John Layton, trat auf sie zu. „Schön, dich wiederzusehen, Rick.“ Die beiden Männer schüttelten die Hände. „Du hast Lucy also schon kennengelernt. Sie ist ein unschätzbares Mitglied des Teams … unschätzbar. Heute wird sie uns die neuen Kreuzfahrten der kommenden Saison vorstellen.“

„Ja, darauf freue ich mich bereits“, entgegnete Rick, und die Art, wie er das sagte, in Kombination mit dem Blick, den er ihr zuwarf, ließ Schmetterlinge in Lucys Bauch tanzen.

Als sich die Männer anderen Mitgliedern des Vorstands zuwandten, ging Lucy noch einmal ihre Unterlagen durch. Sie hatte sich sorgfältig auf diese Präsentation vorbereitet und ermahnte sich deshalb, nicht nervös zu sein.

„Wer ist dieser attraktive Mann?“, flüsterte ihre Sekretärin Gina, während sie sich auf den Stuhl neben Lucy setzte. Diese folgte ihrem Blick und lächelte.

„Mr Connors von der Firma auf Barbados. Er will uns unter die Lupe nehmen“, erwiderte sie kurz angebunden. „Eine Art Spion. Wahrscheinlich will er sichergehen, dass wir alle unseren Job vernünftig machen, ehe der neue Boss nächste Woche kommt.“

„Mich darf er gerne jederzeit unter die Lupe nehmen!“, hauchte Gina einigermaßen atemlos.

„Vermutlich ist er verheiratet und hat drei Kinder“, meinte Lucy trocken.

„Vermutlich …“ Gina klang immer noch total verzückt. „Ach, dabei fällt mir ein – hast du den neuesten Klatsch gehört?“

„Welchen?“, fragte Lucy, die immer noch durch ihre Unterlagen blätterte.

Ihre Sekretärin beugte sich vertraulich zu ihr hinüber. „Offensichtlich ist die Freundin deines Exmanns schwanger. Irgendjemand hat sie gesehen – sie ist mindestens im siebten Monat.“

Urplötzlich fühlte sich Lucy ganz krank. Es war verrückt, so zu empfinden – ihre Ehe bestand nicht mehr, es verband sie nichts mehr mit Kris.

Der Geschäftsführer begann mit seiner Ansprache. Dann senkte sich Stille über den Raum.

„Lucy?“

Sie war sich nur am Rande bewusst, dass alle sie anstarrten und darauf warteten, dass sie mit ihrer Präsentation begann.

Hastig stand sie auf. Für einen Moment schien ihr Verstand vollkommen leer. Sie schaute den Tisch hinab und begegnete Kris’ Blick.

Das Gefühl der Übelkeit verstärkte sich noch.

Kris schien sie genau zu beobachten, vermutlich glaubte er, dass sie die Sache verpatzen würde. Dieser Gedanke half ihr, sich zusammenzureißen.

„Ich werde Ihnen heute die geplanten Kreuzfahrten für die kommende Saison vorstellen …“ Sie schaute kurz auf ihre Notizen und stieg dann in die Details ein. Ihre Stimme klang fest, und Lucy wirkte kompetent.

Rick, der sie beobachtete, war beeindruckt. Er mochte die Art, mit der sie die Aufmerksamkeit eines jeden Anwesenden im Raum fesselte. Ihre Effizienz und ihre sachlichen Erläuterungen gefielen ihm. Sie hatte eindeutig ihre Hausaufgaben gemacht. Er verfolgte ihre Powerpoint-Präsentation und lauschte dem Klang ihrer rauchigen Stimme.

Sie hatte etwas an sich, das sein Interesse weckte. Vielleicht war es dieser leichte Hauch von Verletzlichkeit, den er unter ihrem geschäftsmäßigen Tonfall ausgemacht hatte … oder vielleicht lag es auch nur an der Tatsache, dass unter ihrem korrekten, eleganten Hosenanzug ein verdammt verführerischer Körper versteckt war.

Als das Licht wieder anging, erklärte sie, man dürfe nun Fragen stellen. Sie blickte sich in der Runde um, und für einen Moment begegneten sich ihre Blicke, doch dann schaute sie rasch wieder weg.

Einige Leute stellten detaillierte Fragen zur Kostenanalyse. Sie antwortete, ohne zu zögern.

Danach wandte man sich anderen Aspekten zu. Zunächst sprach John Layton, dann einer der Buchhalter. Schließlich war die Konferenz vorbei, und alle packten ihre Unterlagen zusammen. Währenddessen machte sich Rick auf den Weg zu ihr.

Lucy blickte auf, und erneut sah er diesen Funken Verletzlichkeit in ihren Augen aufflackern.

„Eine hervorragende Präsentation“, lobte er.

„Vielen Dank.“ Sie lächelte ihn kurz an und fuhr dann damit fort, ihre Papiere zusammenzuräumen.

„Ich wollte Sie nur eine Sache fragen.“

„Ja?“

Sie schaute erneut auf und schob sich eine Strähne ihres langen Haars hinters Ohr. Er konnte förmlich sehen, wie sie im Geiste all ihre Zahlen und Kalkulationen noch einmal durchging.

„Würden Sie heute Abend mit mir essen gehen?“

Das hatte sie eindeutig nicht erwartet.

Rasch wandte sie ihren Blick ab. „Es tut mir leid, aber ich kann heute Abend nicht. Ich bin beschäftigt.“

Ihr Ton war kühl.

„Wie wäre es dann mit morgen Abend?“ So schnell gab Rick nicht auf.

„Morgen kann ich auch nicht.“ Sie verschloss ihre Aktenmappe und blickte erst dann zu ihm hoch. „Vielen Dank für die Einladung“, sagte sie höflich. „Aber ich halte Geschäftliches und Privates immer strikt getrennt. Es ist eine schlechte Kombination.“

Rick sah ihr hinterher, wie sie davonging. Ein Lächeln spielte um seine Lippen. Es war schon Jahre her, dass er so kühl abgewiesen worden war, und er empfand es als wohltuende Herausforderung. Nun war sein Interesse endgültig geweckt.

2. KAPITEL

Rick schaute von seiner Zeitung auf, als die Kellnerin seinen Drink vor ihm abstellte.

„Bourbon auf Eis, Mr Connors“, sagte sie mit einem Lächeln.

„Vielen Dank, Stacie“, antwortete er, nachdem er auf ihr Namensschild geschaut hatte.

Sie lächelte erneut und ging dann davon. Rick faltete die Financial Times zusammen und nippte an seinem Whiskey. Er ließ seinen Blick über die luxuriös ausgestattete Lounge mit den Goldbrokatsofas bis hin zum Marmorfoyer des Hotels schweifen. Zweifellos war das Cleary’s ein äußerst stilvolles Hotel, das jeden einzelnen seiner fünf Sterne verdiente. Von allen Hotels, die er besaß, gehörte es eindeutig zu seinen Lieblingshäusern. Es verfügte über zeitlose Eleganz.

Sein Blick schweifte vom Interieur ab nach draußen zu einem der Fenster. Kensington sah trübe aus – es regnete heftig, und eisige Windböen jagten die dunklen Straßen hinab. Er hatte ganz vergessen, wie sehr er London im Januar verabscheute. Je eher er seine Geschäfte erledigte und in sein Haus auf Barbados zurückkehren konnte, desto besser.

Draußen fuhr ein schwarzes Taxi vor, woraufhin der Hotelportier hervortrat und die Wagentür öffnete. Zwei Frauen stiegen aus. Rick nippte an seinem Drink und beobachtete, wie die beiden vom Wind erfasst wurden. Die eine klammerte sich an ihre schwarze Baskenmütze, während ihre blonden Locken um ihr Gesicht wehten. Die andere glättete rasch ihren beigefarbenen Mantel, der nach oben geflogen war und ein Paar lange, verführerische Beine in Seidenstrümpfen enthüllt hatte. Beide Frauen lachten atemlos, während sie rasch durch den Haupteingang ins Foyer eilten.

„Wessen verrückte Idee war das?“, fragte die Blonde gut gelaunt. Sie zog ihren Mantel aus, unter dem sie ein schwarzes Kleid trug, das ihre üppigen Kurven betonte. Doch es war die Brünette, auf die sich Ricks Aufmerksamkeit richtete. Er hatte sie erkannt, sobald sie aus dem Taxi gestiegen war. Bei dem wundervollen dunklen Haar, das sich über ihren Rücken ergoss, und der blassen Haut war keine Verwechslung möglich. Aber was machte Lucy im Cleary’s?

„Genau genommen war es deine verrückte Idee“, antwortete sie lachend. „Und ich weiß auch gar nicht, wie du mich überredet hast, dabei mitzumachen. Jeder halbwegs vernünftige Mensch würde an einem solchen Abend in eine Decke gekuschelt vorm Feuer sitzen und ein Glas Wein trinken.“

„Und seit wann bist du vernünftig? Komm schon, wir besorgen uns hier ein Glas Wein und schauen uns das Angebot an!“

Rick lächelte, während er den beiden hinterhersah, wie sie an der Rezeption vorbei den Gang hinuntergingen. Ihre Stimmen und ihr Gelächter verebbten allmählich. Doch diesmal wirkte die Stille weniger wohltuend als zuvor, ja sie machte ihn regelrecht unruhig. Da er seine Neugier nicht mehr zügeln konnte, trank er seinen Whiskey aus und ging zur Rezeption hinüber.

„Guten Abend, Mr Connors“, grüßte der Mann am Empfang.

„Guten Abend.“ Rick bemerkte ein Schild mit einem Pfeil, der auf einen der Banketträume wies. Darunter hieß es: „Speed-Dating in der Mayfair Suite.“

„Speed-Dating?“ Er hob eine Augenbraue, während er zu dem Mann an der Rezeption hinüberschaute. „Seit wann veranstalten wir Speed-Datings?“

„Das ist das erste Mal.“

„Tatsächlich – und wessen Idee war das?“

„Die von Julie Banks, unserer Eventmanagerin. Soll ich sie für Sie rufen lassen? Sie ist noch im Haus.“

„Nein, das ist nicht nötig, vielen Dank.“ Rick verließ die Rezeption und folgte den Pfeilen in die Mayfair Suite.

Die großen Flügeltüren des Bankettraums standen weit offen. Eine ganze Reihe Leute befand sich im Saal, und man hatte Stühle auf die Tanzfläche gestellt. Ricks Blick schweifte durch den Raum. Er sah Lucy auf einem der Barhocker am anderen Ende der Suite sitzen.

Sie hatte den Mantel ausgezogen und trug einen hellblauen, eng anliegenden Angorapullover kombiniert mit einem schmalen Rock im selben Farbton. Als sie herumrutschte, um sich im Raum umzusehen, glitt sein Blick über ihre verführerischen Beine hin zu ihren hochhackigen Schuhen in Hellblau und Beige. Lucy Blake hatte wirklich Klasse, dachte er bewundernd.

Die Frau, die die Veranstaltung organisierte, stand nur wenige Meter von ihm entfernt und gab Anweisungen an einen ihrer Mitarbeiter. Sie war eine Frau mittleren Alters mit dunkler Brille, die äußerst effizient und kompetent wirkte.

Als Rick sich ihr näherte, ging sie einige Unterlagen auf einem Klemmbrett durch.

„Ja, Ihr Name?“, fragte sie, ohne aufzuschauen.

„Rick Connors.“

„C … wie Connors … ich kann Sie hier nicht finden. Sind Sie sicher, dass Sie die Gebühr bezahlt haben? Wenn Sie nicht auf der Liste stehen, kann ich Sie nicht teilnehmen lassen.“

„Ich möchte nur ganz kurz teilnehmen“, entgegnete Rick. „Fünf Minuten zum Schluss der Veranstaltung reichen mir. Ich möchte nur mit einer ganz bestimmten Frau sprechen.“

„Aber so funktioniert das nicht, Mr Connors.“ Zum ersten Mal blickte die Frau auf, und als sie Rick sah, wurde ihr Tonfall sofort weicher. „Sehen Sie, das Konzept besteht darin, dass Sie mit jeder Person ein paar Minuten verbringen, sodass Sie währenddessen entscheiden können, welche Frau Sie gerne wiedersehen würden. Dann schreiben Sie deren Namen auf die Liste, die Sie bekommen, und wenn die Frau dasselbe mit Ihrem Namen tut, dann haben Sie eine Übereinstimmung.“

„Ja, aber ich weiß bereits, welche Frau ich gerne wiedersehen würde. Deshalb würde ich mir das Vorspiel gerne sparen.“ Rick griff in sein Jackett und zog seine Brieftasche hervor. „Natürlich werde ich dafür bezahlen.“

Die Organisatorin wurde rot. „Nun, das ist vollkommen unüblich.“

Rick lächelte sie an. „Ich weiß. Aber ich dachte, es würde Spaß machen. Vielleicht wären Sie so nett, in diesem Fall ein Auge zuzudrücken …“

Die Frau schob sich die Brille höher auf die Nase. „Nun ja, ich … schätze, das könnte ich.“

„Das ist wirklich sehr freundlich von Ihnen. Ich weiß es sehr zu schätzen.“

„Ich habe dir gesagt, dass eine Menge Leute hier sein würden“, meinte Mel zufrieden.

„Ja, da hast du recht“, erwiderte Lucy, deren Aufmerksamkeit allerdings auf ihre neuen Schuhe gerichtet war. Sie hätte sie niemals an diesem Abend anziehen sollen – die Absätze waren viel zu hoch, und ihre Füße taten ihr jetzt schon weh.

„Das ist die moderne Art, Leute kennenzulernen. Einfach perfekt für viel beschäftigte Karrierefrauen wie uns. Ein Abend mit schätzungsweise dreißig Verabredungen – was will man mehr?“

„Hm …“ Lucy nahm einen Schluck von ihrem Wein. „Lass mich überlegen. Ein heißes Bad? Ein gutes Buch? Klingt beides himmlisch in meinen Ohren.“

„Oh, nicht schon wieder dieser Unsinn! Du hast nur Angst davor, dich wieder auf jemanden einzulassen.“

Aus irgendeinem Grund trat in diesem Moment ein Bild von Rick Connors vor Lucys inneres Auge, wie er sie zum Dinner einlud. Wenn er nicht mit der Firma zu tun hätte, wäre sie stark in Versuchung gewesen. „Ich habe vor nichts Angst!“, protestierte sie heftig. „Und ich war seit der Scheidung von Kris mit ein paar Männern aus. Also kannst du mir nicht vorwerfen, dass ich wie eine Nonne lebe.“

„Ein paar Verabredungen, bei denen du um zehn zu Hause im Bett warst und Kakao getrunken hast“, meinte Mel verächtlich.

„Nun, keiner von ihnen hat mir wirklich gefallen“, verteidigte Lucy sich. „Und ich kann mich nicht auf jemanden einlassen, bei dem keine Funken sprühen.“

„Was war denn dann mit diesem Ryan? Er sah sehr gut aus. Hat er dir auch nicht gefallen?“, hakte Mel nach.

Lucy zuckte die Schultern. „Er hat mich gleich zu Beginn angelogen, indem er behauptet hat, nie verheiratet gewesen zu sein, und dann stellt sich im Laufe des Dinners heraus, dass er geschieden ist und seine Frau verlassen hat. Seit Kris reagiere ich allergisch auf Lügen – ich will keinen Mann, der nicht ehrlich ist.“

„Um Himmels willen, Luce, wenn du nach dem perfekten Mann suchst, wirst du nie fündig werden – der existiert nicht! Und überhaupt gehst du total falsch an die Sache heran.“

„Wie meinst du das?“

„Nun ja, du willst nicht gleich wieder heiraten, oder?“

„Nein!“ Lucy schüttelte vehement den Kopf.

„Oder mit jemandem zusammenleben?“

„Ich will meine Unabhängigkeit“, erwiderte Lucy fest. „Es wird lange Zeit dauern, bis ich so etwas noch einmal tue … wenn überhaupt.“ Doch im Moment dachte sie daran, dass sie sich ein Baby gewünscht hatte … Sie hatte Mel nicht erzählt, dass Kris’ Freundin schwanger war. Es tat einfach zu weh.

„Du suchst also nach einem Mann, der deine Leidenschaft entfacht, nichts weiter“, fuhr ihre Freundin fort. „Es spielt keine Rolle, ob er bindungsunfähig ist, denn du willst ja gerade eine unverbindliche Affäre. Und glaub mir, es gibt nichts Aufregenderes als das! Du hast wilden, heißen Sex, heimliche Treffen, und der Alltag wird davon gar nicht berührt. Wenn die Geschichte dann irgendwann langweilig wird, gehst du zur nächsten Eroberung über.“

„Ich glaube nicht, dass ich dafür bereit bin, Mel“, entgegnete Lucy schlicht. Und wenn sie ehrlich war, war sie sich nicht sicher, ob sie es jemals sein würde. Das Ganze klang ein bisschen zu modern für ihren Geschmack. Um von sich abzulenken, sagte sie: „Also, wie sieht das Angebot aus? Hast du schon deinen Traummann entdeckt?“

„Um genau zu sein, ist da ein absolut umwerfender Mann, der mit der Organisatorin redet. Komm schon, Adonis, ich kann es kaum erwarten, meine drei Minuten mit dir zu haben!“

Lucy rutschte auf dem Barhocker herum und suchte die Menge ab. „Wo? Ich kann ihn nicht sehen.“

„Noch vor einer Sekunde war er da“, runzelte Mel die Stirn. „Verdammt. Aber wie auch immer – ich habe ihn zuerst gesehen!“

„Okay, ich werde es mir merken“, meinte Lucy lachend.

Die Organisatorin rief in diesem Moment alle zu den Tischen und Stühlen auf der Tanzfläche, sodass sie sich nicht weiter unterhalten konnten.

Lucy setzte sich, woraufhin ein Mann ihr gegenüber Platz nahm und das Spiel losging. Zu ihrer eigenen Überraschung begann sie sich nach den ersten paar Minuten zu entspannen und Spaß zu haben. Es war auch gar nicht genug Zeit, um Verlegenheit aufkommen zu lassen, und am Ende lachte sie mit jedem. Die Zeit schien geradezu zu verfliegen.

Keiner der Männer brachte ihr Herz zum Flattern, aber es gab einen namens Mark Kirkland, der nicht schlecht aussah und ganz interessant wirkte. Sie schrieb ihn auf ihre Liste.

„Was macht eine attraktive Frau wie Sie bei einer solchen Veranstaltung?“ Es war eine tiefe, äußerst erotische Stimme, die sie beim Schreiben unterbrach.

„Diese Frage ist nicht besonders originell, wenn ich mal so sagen darf …“ Sie schaute mit einem Lächeln auf und begegnete Rick Connors’ dunklem, unverwandtem Blick.

3. KAPITEL

„Was in aller Welt machen Sie hier?“, fragte Lucy überrascht … hinzu kam ein anderes Gefühl, das äußerst beunruhigend war.

„Sie haben mir gerade vorgeworfen, dass das keine besonders originelle Frage ist“, erinnerte Rick sie mit einem Grinsen.

„Ja … aber …“ Ihr Gehirn schien die Arbeit zu verweigern, und in ihrem Magen machte sich ein flaues Gefühl breit. Im Ernst, was machen Sie hier?“, wiederholte sie zerstreut.

„Ich wohne in diesem Hotel.“

„Die Firma hat sie im Cleary’s untergebracht?“

Amüsiert bemerkte er ihren ungläubigen Gesichtsausdruck. „Finden Sie das so abwegig?“

„Nun … ja. Es muss ein Vermögen kosten, hier zu übernachten. EC Cruises ist seinen Mitarbeitern gegenüber offensichtlich sehr großzügig.“

„Man versucht, sich gut um sie zu kümmern.“ Er lächelte breit.

„Na ja, das sind dann wohl gute Neuigkeiten“, entgegnete Lucy leichthin. „Die Firma hat Sie also für die ganze Woche hergeschickt?“

Rick zögerte einen Moment und dachte daran, ihr die Wahrheit zu sagen: dass er kein Angestellter von EC Cruises war, sondern dass ihm das Unternehmen zusammen mit dem Cleary’s und einigen anderen Hotels gehörte. Er hatte bereits den Mund geöffnet, als er in ihre wunderschönen grünen Augen sah und es sich noch einmal überlegte. Er mochte die ungezwungene Art, mit der Lucy ihn behandelte, die Tatsache, dass sie nicht vor ihm katzbuckelte wie so viele andere. Ihre Natürlichkeit war eine erfrischende Abwechslung in einer Welt, in der allzu viele Menschen sich von seiner Macht und Stellung beeindrucken ließen. Außerdem wollte er die Londoner Niederlassung gründlich inspizieren, und da war es besser, wenn nicht jeder wusste, wer er war. Die einzige Person, die seine wahre Identität kannte, war John Layton.

„Nun, um ehrlich zu sein: EC Cruises gehört dieses Hotel“, meinte er mit einem Schulterzucken. „Insofern war es nicht so schwer, noch eine kleine Abstellkammer für mich zu finden.“

„Das erklärt einiges“, erwiderte Lucy mit einem Lächeln. „Haben Sie denn schon vorher Speed-Dating ausprobiert?“

„Nein. Genau genommen habe ich gesehen, wie Sie ankamen, und bin Ihnen gefolgt.“ Er lächelte erneut. „Ich war neugierig, warum Sie meine Einladung zum Dinner abgelehnt hatten.“

„Sie haben mich erwischt“, antwortete sie und lächelte ebenfalls. „Ich hatte bereits eine Verabredung mit dreißig Männern.“

„Machen Sie das häufiger?“

„Nein.“ Lucy schüttelte den Kopf. „Eine Freundin hat mich hierher geschleppt. Es ist auch für mich eine vollkommen neue Erfahrung.“

„Und was halten Sie davon?“

Sie schaute ihn an. Im Moment dachte sie nur, dass er unglaublich attraktiv war. Sein Anzug wirkte elegant und teuer und saß perfekt um seine breiten Schultern. Er hatte die obersten Knöpfe seines weißen Hemds geöffnet, sodass darunter gebräunte Haut zum Vorschein kam. Das dunkle Haar schimmerte im Licht des großen Kronleuchters, und seine Augen waren wahnsinnig sexy – sein dunkler Blick schien sich regelrecht in ihren zu bohren.

Als sie bemerkte, dass er auf ihre Antwort wartete, riss sie sich rasch zusammen. „Es hat Spaß gemacht.“

„Nun, ich bin in jedem Fall sehr froh, dass ich dabei war“, murmelte er. Seine Stimme hatte einen verführerischen Unterton bekommen, der in Kombination mit dem Blick, den er ihr schenkte, glühende Hitze in ihr auslöste. „Und ich habe einen guten Einblick in das Londoner Büro erhalten.“

Lucy war erleichtert, als sein Ton wieder humorvoll wurde, sodass sie in der Lage war, seinen Scherz zu erwidern. „Nun, wenn das alles ein Teil Ihrer Arbeit für das Unternehmen ist, dann würde ich sagen, dass Sie es mit Ihrem Pflichtbewusstsein ein wenig übertreiben.“

„Ich werde gut für meine Überstunden bezahlt, also was soll’s?“ Er zuckte die Schultern und lächelte verschmitzt. „Nun sagen Sie, wie viele Namen haben Sie auf Ihre Liste geschrieben?“ Er deutete auf das Papier, das sie immer noch in Händen hielt.

Lucy zögerte, entschied sich dann jedoch, das Spiel mitzuspielen. „Nur einen. Und Sie?“

„Nur einen.“ Er hielt sie mit seinem Blick gefangen.

Mit Mühe riss sie sich davon los. „Ich kann Ihren Namen gar nicht auf der Liste finden“, erklärte sie hastig, während sie auf das Papier hinunterschaute.

„Weil er nicht dasteht. Ich habe zu spät daran teilgenommen, aber machen Sie sich keine Gedanken, Sie können mich getrost draufschreiben.“ Er lächelte sie aufmunternd an. „Oder noch besser – wir sparen uns die Formalitäten. Wie wäre es mit einem Drink an der Bar?“

In Lucy gingen die Alarmsignale an. Dieser Mann war einfach zu attraktiv … und er hatte eine verwirrende Wirkung auf ihre Sinne. Ganz plötzlich schien es ihr sicherer, sich der Situation zu entziehen. „Vielen Dank für die Einladung, Rick. Aber ich halte das für keine gute Idee.“

„Warum nicht?“ Ihre Ablehnung schien ihn überhaupt nicht zu entmutigen.

„Ich habe es Ihnen bereits einmal gesagt – ich lasse mich niemals mit jemandem ein, mit dem ich arbeite.“

„Sehr vernünftig.“ Er nickte. „Aber ich glaube nicht, dass ich dazuzähle. Schließlich bin ich nur für eine Woche hier.“

„Ja, aber trotzdem werden wir am Montag zusammen arbeiten …“

„Ein guter Grund also, sich vorher etwas besser kennenzulernen“, unterbrach er sie, dann beugte er sich vor und betrachtete sie belustigt. „Ich habe nur vorgeschlagen, dass wir einen Drink nehmen – das bedeutet nicht zwingend, miteinander ins Bett zu gehen.“ Er beobachtete, wie sie rot wurde, und lächelte noch breiter. „Tut mir leid, bringe ich Sie in Verlegenheit?“

Verlegenheit war eine Untertreibung. Ihr Pulsschlag hatte sich rasant beschleunigt, als er die Möglichkeit, miteinander zu schlafen, nur erwähnt hatte. „Nein, natürlich nicht, und ich kann Ihnen versichern, mit Ihnen ins Bett zu gehen wäre das Letzte, was mir in den Sinn käme.“ Mit großer Mühe gelang es ihr, kühl zu klingen.

„Hm, das ist bedauerlich“, meinte er belustigt.

Lucy schaute rasch zur Seite und registrierte mit Erleichterung, dass die Speed-Dating-Veranstaltung zu Ende war. Die meisten Leute unterhielten sich untereinander. Sie entdeckte Mel, die mit der Organisatorin sprach.

„Nun, hier scheint jetzt alles vorbei zu sein“, sagte sie und stand auf. „Ich habe mit meiner Freundin vereinbart, dass wir uns ein Taxi teilen, daher sollte ich jetzt besser gehen.“

Rick erhob sich ebenfalls, und wieder bemerkte sie, wie groß er war und wie klein sie sich dagegen vorkam.

„Es war schön, sich mit Ihnen zu unterhalten, Rick“, erklärte sie in einem Tonfall, von dem sie hoffte, dass er abschließend war.

Doch bevor sie sich umdrehen und gehen konnte, stieß Mel zu ihnen.

„Hi.“ Sie schenkte Rick ein strahlendes Lächeln, klimperte mit den Wimpern und warf ihre langen blonden Haare zurück. „Irgendetwas muss bei dieser Veranstaltung furchtbar schief gelaufen sein, denn ich glaube nicht, dass wir uns kennengelernt haben. Ich bin Melanie Roberts.“

„Hallo, Melanie.“ Rick erwiderte ihr Lächeln und schüttelte ihre Hand. „Ich bin Rick Connors. Lucy und ich kennen uns von der Arbeit.“

„Oh, ich verstehe! Ich arbeite in der Buchhaltung, aber ich habe Sie noch nicht gesehen.“ Melanie warf Lucy einen überraschten Blick zu, der eindeutig besagte: Warum hast du mir nichts von diesem Mann erzählt?

„Rick kommt aus der neuen Zentrale auf Barbados, um sich einen Überblick über unser Londoner Büro zu verschaffen“, erklärte Lucy. „Er ist erst heute eingetroffen.“

„Oh, ich verstehe“, wiederholte Mel.

Mel klingt ja wie ein Papagei, dachte Lucy irritiert. Und warum musste sie Rick derart bewundernd anstarren? Kein Wunder, dass der Mann sich seiner selbst so sicher war.

„Ich habe Lucy gerade vorgeschlagen, dass wir einen Drink an der Bar nehmen, aber sie sagte mir, dass Sie beide sich ein Taxi teilen wollen“, meinte Rick.

Mel warf Lucy einen Blick zu, der eindeutig ausdrückte, dass sie ihre Freundin für verrückt hielt. „Wir müssen nicht sofort fahren, Lucy“, betonte sie. „Wir haben noch Zeit für einen Drink.“

Ehe Lucy etwas erwidern konnte, schaltete sich Rick ein. „Nun, dann ist es abgemacht. Lassen Sie uns zur Bar gehen, okay?“

„Gute Idee.“ Mel ignorierte Lucys erboste Blicke und hakte sich bei Rick unter. „Wie lange sind Sie hier, Rick?“, fragte sie im Plauderton.

„Nur eine Woche.“

„Und dann geht es zurück nach Barbados?“

„Richtig.“

Widerwillig trottete Lucy den beiden hinterher. Die Bar hatte sich mittlerweile gut gefüllt, aber sie fanden einen Platz in einer kleinen Nische. Rick sah sich nach einer Kellnerin um, entschied dann jedoch, dass es schneller gehen würde, wenn er direkt an der Bar bestellte. „Was möchten Sie trinken?“, fragte er die beiden. „Vielleicht einen Cocktail?“

Sie entschieden sich beide für einen Margarita.

„Er sieht sehr gut aus“, meinte Mel verträumt, während sie ihm auf dem Weg zur Bar hinterherschauten.

„Vermutlich hast du recht“, gab Lucy widerwillig zu. „Aber er ist ein bisschen dreist – ich hatte seine Einladung abgelehnt.“

„Ja, umso besser, dass ich da war, um die Situation zu retten. Wirklich, Luce, du kannst doch einem Mann wie ihm keinen Korb geben.“

„Er arbeitet in derselben Firma, und du weißt, dass ich da Prinzipien habe.“

„Dann ist es an der Zeit, dass du diese Prinzipien mal über Bord wirfst“, entgegnete Mel fest. „Aber wenn du ihn nicht willst …, allerdings fürchte ich, dass er sowieso nur Augen für dich hat.“

„Unsinn. Er ist aus rein geschäftlichen Gründen hier.“

„Das mag ja sein, aber du gefällst ihm trotzdem, weshalb ich mich in ein paar Minuten entschuldigen werde.“

„Mel! Das wirst du nicht tun!“, protestierte Lucy erschreckt. Der Gedanke, mit Rick Connors allein zu sein, ließ sie regelrecht in Panik verfallen. „Du wirst nicht gehen …“, beharrte sie erneut, doch mehr konnte sie nicht sagen, denn in diesem Moment kam Rick mit den Cocktails zurück.

„Auf was sollen wir anstoßen?“, fragte er mit einem Lächeln, während er sich ihr gegenübersetzte.

„Wie wäre es mit Speed-Dating?“, schlug Mel vor.

„Auf das Speed-Dating!“, stimmte Rick zu und hob sein Glas.

Eine Kellnerin kam an ihrem Tisch vorbei. „Kann ich Ihnen noch etwas bringen, Mr Connors?“

„Nein, wir haben alles, danke.“ Rick lächelte sie an.

Die Frau erwiderte das Lächeln und klimperte ein wenig mit den Wimpern. „Nun, wenn Sie irgendetwas brauchen, dann rufen Sie mich einfach.“

„Der Service hier ist sehr aufmerksam, nicht wahr?“, bemerkte Mel, als die Kellnerin ging. „Und sie hat sich Ihren Namen gemerkt!“

„Ja, das Personal wird hier sehr gut ausgebildet. Der persönliche Aspekt ist aber auch sehr wichtig, oder?“, murmelte Rick.

Obwohl sie ihm recht gab, konnte Lucy nicht umhin zu denken, dass jede einigermaßen normale Frau sich Ricks Namen merken würde. Und jede Frau, die die Dummheit beging, sich mit Rick Connors einzulassen, würde bald in Schwierigkeiten stecken. Ihm stand Herzensbrecher quer über die Stirn geschrieben. Sie fragte sich, ob er eine Ehefrau oder eine Freundin hatte, die auf Barbados auf ihn wartete.

Er sah zu ihr hinüber, begegnete ihrem Blick und lächelte.

Dumme Frage, dachte sie. Ganz sicher würde eine Frau auf ihn warten.

„Das war mein Handy“, verkündete Mel plötzlich und nahm es aus ihrer Handtasche.

„Ich habe nichts gehört.“ Lucy warf ihr einen misstrauischen Blick zu.

„Doch, doch. Ich habe eine SMS bekommen.“ Mel starrte auf das Display. „Oh Gott, ich fürchte, ich muss gehen. Sie ist von meiner Mutter. Ich habe total vergessen, dass ich sie heute Abend noch anrufen wollte, und jetzt wartet sie schon.“ Sie steckte das Handy wieder in ihre Tasche. „Es tut mir leid.“ Bewusst wich sie Lucys Blick aus und lächelte stattdessen Rick an. „Es war nett, Sie kennenzulernen, Rick. Vielleicht sehen wir uns ja noch einmal, ehe Sie zurückfliegen.“

„Das hoffe ich, Mel.“ Er lächelte sie an. „Es war mir auch ein Vergnügen, Sie kennenzulernen.“

„Und lassen Sie diese hier“, sie zeigte auf Lucy, „bloß nicht zu früh verschwinden. Sie täuscht sich nämlich, wenn sie glaubt, dass ihre Kleider sich um Punkt Mitternacht in Lumpen verwandeln.“

„Sehr witzig, Mel“, meinte Lucy trocken.

Mit einem verschmitzten Lächeln griff Mel nach ihrer Tasche und ging.

„Na also, endlich allein“, sagte Rick, als sie zu ihm hinüberblickte.

Sein neckender Tonfall und der Blick, den er ihr schenkte, verursachten erneut ein flaues Gefühl in Lucy. „Ich weiß wirklich nicht, warum Mel so hastig verschwunden ist. Ihre Mutter ist vor einem Jahr nach Südfrankreich gezogen“, murmelte sie.

Rick lachte laut und ließ dann seinen Blick genüsslich über sie wandern. Lucy war zweifellos eine extrem attraktive Frau, und die Tatsache, dass ihre ganze Körpersprache ihm signalisierte, dass er Abstand halten sollte, reizte ihn ungemein. Als sie sich erneut in die Augen schauten, erkannte er, dass sie sich seines aufmerksamen Blicks deutlich bewusst war. Für einen kurzen Moment flackerte ein warmes Funkeln in ihren schönen Augen auf, das ihm zeigte, dass er sie nicht kalt ließ.

Er lächelte sie an und beobachtete, wie sich eine verdächtige Röte auf ihre Wangen legte. Hastig schaute sie zur Seite.

„Und was ist Ihr Eindruck vom Londoner Büro, Rick?“, fragte sie, während sie einen Schluck von ihrem Cocktail nahm.

Ihm entging nicht, wie schnell sie das Thema wieder auf die Arbeit lenkte und damit eine deutliche Barriere zwischen ihnen aufbaute. Es war nicht die Reaktion, die er von einer Frau normalerweise erhielt, was ihn gleichermaßen amüsierte und herausforderte.

„Ich denke, dass das Londoner Büro große Möglichkeiten hat“, entgegnete er langsam.

„Möglichkeiten?“ Sie wirkte verwirrt. „Wie meinen Sie das?“

„Ich meine, dass Raum für Entwicklung vorhanden ist.“

„Ist das die höfliche Art zu sagen, dass Raum für Verbesserung besteht?“

Das brachte ihn zum Lachen. „Vielleicht. Kann man nicht grundsätzlich alles verbessern?“

„Vermutlich. Aber John Layton hat die Zügel schon sehr fest in der Hand.“

Rick lächelte. „Ja, das wurde mir berichtet. Und auch, dass Sie ihm sehr geholfen haben. Ihre Marketing-Fähigkeiten haben im vergangenen Jahr dafür gesorgt, dass das Unternehmen wieder schwarze Zahlen schreibt.“

„So weit würde ich nicht gehen“, protestierte Lucy. „Es gab eine generelle Verbesserung der wirtschaftlichen Lage, und wir haben ein sehr gutes Team hier in London.“

„Sie sind genauso bescheiden wie talentiert“, bemerkte Rick und beobachtete erneut, wie sie rot wurde. „Aber ich weiß, wie sehr Sie dazu beigetragen haben. Ich habe zahlreiche Geschäftsberichte gelesen, und Ihr Name tauchte wiederholt auf, wenn ich mit John gesprochen habe.“

Lucy fühlte sich ein wenig unwohl bei so viel Lob. „Nun, wie ich bereits erwähnte, habe ich ein sehr gutes Team hinter mir.“ Sie verengte die Augen, als ihr plötzlich bewusst wurde, wie vertraulich er den Vornamen ihres Geschäftsführers ausgesprochen hatte. „Was genau ist eigentlich Ihre Aufgabe?“, fragte sie neugierig.

Rick zögerte kurz, dann antwortete er: „Ich suche nach Wegen, das Beste aus einem Unternehmen herauszuholen und den Profit zu maximieren.“

„Tun Sie das, indem Sie Personal entlassen?“ Wahrscheinlich hätte sie diese Frage nicht stellen sollen, aber sie hatte einiges über die Firma gelesen, für die er arbeitete, und war nicht besonders beeindruckt.

„Nicht immer, nein“, antwortete er ruhig. „Ich betrachte jeden einzelnen Aspekt eines Unternehmens und treffe dann meine Entscheidung.“

Lucy nickte. Vermutlich befolgte er seine Anweisungen und machte nur seinen Job. Das konnte sie ihm nicht vorwerfen.

„Was ist mit Ihnen? Haben Sie immer im Marketing gearbeitet?“

„Ich bin jetzt vier Jahre dort, aber vorher habe ich für Galaxino gearbeitet – das ist eine große …“

„Werbeagentur“, fiel er ihr ins Wort. „Ja, ich habe schon von ihr gehört.“

Lucy nickte. „Irgendwann fand ich es langweilig, mir zu überlegen, wie ich am besten Shampoo verkaufe …“

„Dann sind Sie glücklich mit Ihrer jetzigen Stelle?“

„Ja, ich glaube, im Moment bin ich das.“ Lucy versuchte, nicht an den Tratsch zu denken, der einsetzen würde, sobald offiziell bekannt wurde, dass Kris Vater wurde. „Ich muss abwarten, welche Veränderungen es geben wird, jetzt, wo wir übernommen wurden“, fügte sie brüsk hinzu.

„Es werden nächste Woche einige Konferenzen stattfinden, um das zu besprechen.“

„Ja, ich habe gehört, dass der große Boss kommt.“ Lucy schwenkte ihren Drink ein wenig hin und her. „Kennen Sie ihn gut?“

„Das könnte man so sagen.“ Rick lächelte.

„Ich schätze, Sie waren bereits an einigen Übernahmen beteiligt?“

„An ein paar, über die Jahre hinweg“, gab er zu.

„Macht Ihnen die Arbeit Spaß?“

„Ja. Ich reise viel. Wir haben Büros in Miami, New York, Barbados und London.“

„Und Sie leben auf Barbados?“

Er nickte. „Was ist mit Ihnen? Haben Sie immer in London gelebt?“

Sie sah zu ihm hinüber und lächelte. „Nein, ich bin in Devon aufgewachsen.“

„Dann sind Sie also ein Mädchen vom Land?“

Wieder lächelte sie. „Im Herzen auf jeden Fall.“

„Sie haben keinen Akzent.“

„Nein, ich bin mit dreizehn nach London gezogen.“ Sie nahm noch einen Schluck. „Sie haben auch keinen Akzent.“

„Ich bin viel rumgekommen in meiner Kindheit. Mein Vater war Ire, und meine Mutter kam aus Buenos Aires. Eigentlich heiße ich Enrique, aber alle nennen mich nur Rick.“

Das erklärte sein südländisches Aussehen, dachte sie, während sie ihren Blick über sein schwarzes Haar und die dunklen Augen gleiten ließ.

„Möchten Sie noch einen Drink?“, fragte er, als die Kellnerin sich ihrem Tisch näherte.

„Nein, danke, besser nicht“, antwortete sie rasch. „Ich trinke normalerweise nicht besonders viel, und ich hatte heute Abend schon Wein.“

Als sie sich umblickte, erkannte sie, dass sich die Bar allmählich leerte. Sie schaute auf ihre Uhr. Es war bereits kurz vor halb zwölf. „Ich habe gar nicht mitbekommen, dass es schon so spät ist.“ Sie sah zu ihm hinüber. „Ich sollte jetzt gehen.“

Es überraschte sie selbst, dass sie das bedauerte. Ein Teil von ihr hätte am liebsten den ganzen Abend mit ihm geredet. Sie wollte mehr über ihn erfahren.

Rick Connors war ein überaus interessanter Mann. Sie mochte die Wärme in seinem Blick, den Humor in seiner Stimme … und die Art, wie ihr am ganzen Körper heiß wurde, wenn er sie auf diese bestimmte Weise anschaute. Es war schon lange her, dass ein Mann eine solche Wirkung auf sie gehabt hatte, und das Ganze machte ihr ein wenig Angst. Hastig griff sie nach ihrem Mantel.

„Ihre Kleider werden sich wirklich nicht in Lumpen verwandeln“, neckte er sie.

„Nein, aber vielleicht verschwindet meine Transportmöglichkeit, was schlimmer wäre. Bei diesem Wetter kann es ganz schön schwierig sein, ein Taxi zu bekommen.“ Sie lächelte ihn an, und als sich ihre Blicke begegneten, spürte sie die erotischen Schwingungen, die zwischen ihnen herrschten, überdeutlich. Rasch wandte sie sich ab und stand auf.

„Ich bringe Sie zum Taxi“, sagte er.

Lucy wollte protestieren, doch er nahm sie einfach beim Arm und führte sie Richtung Foyer.

„Es regnet immer noch“, bemerkte Lucy, als sie sich den Glastüren näherten. „Bleiben Sie drinnen, Rick.“

Doch er ignorierte sie und trat mit ihr hinaus in die kalte Luft. Sie waren nicht die Einzigen, die unter dem Vordach des Hotels auf ein Taxi warteten – vor ihnen hatte sich bereits eine ganze Gruppe von Leuten angesammelt. „Wissen Sie, vielleicht geht es schneller, wenn wir ins Hotel zurückgehen und telefonisch ein Taxi rufen … außerdem verfügt das Hotel über einige Limousinen. Wir könnten eine davon bestellen.“

„Machen Sie Witze?“ Lucy schaute ihn voller Verwunderung an. „Das würde ein Vermögen kosten.“

„Würde es das?“ Rick zuckte die Schultern. „Ich kann es auf meine Spesenrechnung setzen“, meinte er mit einem vielsagenden Lächeln.

Sie musste lachen. „Ja, ich schätze, das könnten Sie – wenn es Ihnen nichts ausmacht, Ihren Job zu verlieren.“

Für einen Moment war Rick in Versuchung geführt, ihr zu sagen, dass es ihn gar nichts kosten würde, dass ihm sowohl das Hotel als auch die Limousinen gehörten. Aber vielleicht würde sie dann anfangen, sich ihm gegenüber anders zu verhalten … und … nun ja, so machte es viel mehr Spaß. Also erwiderte er: „Dann kommen Sie wenigstens mit rein, und ich rufe ein Taxi. Dieses Wetter ist unerträglich.“

Lucy beobachtete, wie der Regen über die Straße peitschte. „Ich bin nicht aus Zucker. In der Nähe gibt es eine Metro-Station, da könnte ich hingehen … ach, warten Sie.“ Sie verstummte, als ein roter Doppeldeckerbus um die Ecke bog. „Den kann ich nehmen. Er fährt bis zum Ende meiner Straße.“

„Ein Bus! Warten Sie, Lucy, um diese Uhrzeit nehmen Sie besser ein Taxi.“

„Nicht nötig, wirklich.“ Sie schlug den Kragen ihres Mantels hoch, während sie sprach. „Vielen Dank für den Drink, Rick.“

Im nächsten Moment war sie verschwunden, lief in den Regen hinaus und eilte die Straße hinunter zur Bushaltestelle.

Rick zögerte nur eine Sekunde, dann lief er hinterher.

4. KAPITEL

Lucy erwischte gerade noch so den Bus und war ein wenig außer Atem, als sie einstieg. Da unten alle Plätze belegt waren, ging sie nach oben, wo sie ganz allein war.

Sie setzte sich und blickte durch die regennassen Fenster in die Dunkelheit hinaus, während sich der Bus langsam in Bewegung setzte. Für einen Moment dachte sie über den Abend nach und über die seltsame Wirkung, die Rick auf ihre Sinne ausübte. Vielleicht hatte sie es sich nur eingebildet, aber sie glaubte, dass zwischen ihnen eine große Anziehungskraft herrschte.

Als sich jemand neben sie setzte, schaute sie sich alarmiert um. Warum wählte jemand den Platz direkt neben ihr, wenn hier oben alles frei war? Sie wusste nicht recht, ob sie erleichtert war oder nicht, als sie in Ricks dunkle Augen blickte, denn ihr Herz machte einen Satz. „Was tun Sie denn hier?“

„Das ist schon das zweite Mal, dass Sie mich das heute Abend fragen.“ Er betrachtete sie amüsiert. „Tatsache ist, ich konnte Sie nicht allein im Bus nach Hause fahren lassen. Da könnte ja sonst etwas passieren.“

Sie lächelte ihn kurz an. „Das hier ist London, Rick. Nicht Miami.“

„Genau genommen ist Miami heutzutage ziemlich sicher“, konterte Rick. „Aber nennen Sie mich ruhig altmodisch – ich wollte Sie sicher bis zu Ihrer Haustür geleiten.“

Die Ernsthaftigkeit in seinem Ton rührte sie. Seit der Trennung von Kris hatte sie sich daran gewöhnen müssen, auf sich selbst aufzupassen. Schon seit Langem hatte sich niemand mehr Sorgen darum gemacht, ob sie sicher nach Hause kam.

„Das ist sehr freundlich von Ihnen …, ich werde Ihnen wohl im Büro einen Kaffee spendieren müssen“, sagte sie.

„Okay, darauf werde ich zurückkommen“, entgegnete er nachdrücklich. „Aber ich werde darauf bestehen, dass wir dazu ausgehen.“

„Wenn wir die Zeit haben“, gab Lucy zurück. „Montags kann es im Büro sehr hektisch zugehen.“

„Machen Sie sich keine Gedanken – wir werden schon eine Möglichkeit finden, uns abzusetzen“, versicherte er ernsthaft.

„Ich dachte, Ihre Aufgabe bestünde darin, die Dinge im Büro zu verbessern, nicht zu verschlechtern“, erwiderte sie lachend. „Ich zum Beispiel bin sehr gewissenhaft, und das können Sie gerne auch dem neuen Boss mitteilen.“

„Keine Sorge, das werde ich.“ Er lächelte sie an. „Sie verfügen über einige bewundernswerte Eigenschaften, Miss Blake.“

Seine Stimme klang rauchig und sexy, und er schaute ihr tief in die Augen. Sie bemerkte, wie dunkel seine Augen waren, mit goldenen Sprenkeln in der Mitte. Ihr Blick verharrte einen Moment auf seinen sinnlichen Lippen, und ihr Herz klopfte bis zum Hals, als ihr bewusst wurde, dass sie für einen Kuss von ihm alles geben würde. Er war einfach … atemberaubend.

Plötzlich bemerkte sie, dass sie einfach nur dasaßen und sich in die Augen blickten. Rasch schaute sie aus dem Fenster. „Ich glaube, wir nähern uns meiner Haltestelle.“ Ihre Stimme zitterte ganz merkwürdig, woraufhin sie die Stirn runzelte – sie hasste es, wenn sie ihre Gefühle nicht unter Kontrolle hatte. Er war einfach nur ein Arbeitskollege, sagte sie sich streng, und ihre Regel Nummer eins war es, sich niemals mit einem Kollegen einzulassen. „Ja, das ist meine Haltestelle“, erklärte sie erleichtert. „Wir müssen hier raus.“

Rick stand auf und ging voraus. Als sie aus dem Bus stieg, reichte er ihr die Hand, um ihr zu helfen.

„Danke.“ Hastig entzog sie ihm ihre Hand.

Der Regen hatte ein wenig nachgelassen, doch es war immer noch bitterkalt. Lucy wickelte sich noch fester in ihren Mantel und schaute zu Rick auf. „Wie wollen Sie zurück ins Hotel kommen?“, fragte sie plötzlich.

„Darüber werde ich nachdenken, wenn ich Sie zu Ihrer Haustür gebracht habe. Welche Richtung?“

Sie wollte schon protestieren, dass das nicht notwendig war, aber jetzt, wo er schon so weit mitgekommen war, schien das albern. „Es ist direkt um die Ecke.“

Sie gingen los. Es war sehr still, nur ein vereinzeltes Auto fuhr hin und wieder an ihnen vorbei. Als sie zu dem eleganten Platz mit den viktorianischen Häusern kamen, an dem Lucy ihre Wohnung hatte, begann es plötzlich, wie aus Kübeln zu schütten. Rick packte sie kurz entschlossen an der Hand, und so liefen sie los und kamen wenige Augenblicke später an ihrem Haus an.

„Nette Gegend“, meinte er, als er ihre Hand losließ und die Gebäude betrachtete, die den kleinen Park in der Mitte umgaben.

„Ja, ich mag es hier. Aber lassen Sie uns dem Regen entfliehen.“ Lucy ging die Stufen zu ihrem Gebäude hoch, wo sie unter dem kleinen Vordach stehen blieben.

„Es war sehr nett von Ihnen, mich nach Hause zu bringen.“ Sie drehte sich um und blickte ihn an.

„Kein Problem.“ Er trat einen Schritt näher, und aus irgendeinem Grund schlug ihr das Herz bis zum Hals. Es war verrückt, aber sie kam sich wie ein Teenager bei ihrem ersten Date vor.

Ihr Blick wanderte über seine breiten Schultern. Er trug keinen Mantel, und sein teurer Anzug schimmerte im Licht der Straßenlaterne voller Regentropfen. „Vielleicht kommen Sie besser mit rein und wärmen sich auf, ehe Sie sich auf den Rückweg machen?“ Die Worte waren heraus, ehe sie es sich anders überlegen konnte.

Er antwortete nicht sofort.

„Es sei denn, Sie möchten nicht.“ Rasch versuchte sie, den Rückzug anzutreten. „Es ist ja schon sehr spät.“

„Nicht so spät.“ Er lächelte sie an. „Und ich würde sehr gern mit reinkommen, danke.“

Sein Lächeln stellte seltsame Dinge mit ihrem Puls an, er beschleunigte sich rasant. Nervös suchte sie in ihrer Tasche nach dem Schlüssel.

Lucy war sich seines Blicks sehr bewusst, als sie vor ihm die elegante Treppe hinaufging. „Ich wohne im zweiten Stock. Es sind einige Stufen bis da hoch.“

„Dann weiß ich ja jetzt, was Sie so wunderbar schlank hält“, meinte er.

Es war nur eine leicht dahingesagte Bemerkung, aber sie sorgte dafür, dass Schmetterlinge in ihrem Bauch tanzten.

Lucy schloss die Wohnungstür auf und führte Rick dann ins Wohnzimmer. Sein Blick schweifte sofort durch den Raum, der von unaufdringlicher Eleganz war. Der dunkle Parkettboden sorgte für einen rustikalen Touch, und von den großen, hohen Fenstern überblickte man bei Tageslicht sicherlich den Park. Die Einrichtung war geschmackvoll, aber schlicht: Die einzigen Farbtupfer waren die leuchtenden Ölgemälde an den Wänden und die Bücher, die in hohen Regalen standen.

Lucy ging zum Kamin hinüber, um das Feuer neu zu entfachen. „Ich wette, dass Sie die Hitze von Barbados vermissen.“

„Das kann man wohl sagen. Ich hatte ganz vergessen, wie kalt London sein kann.“

„Zumindest hat sich der eisige Wind gelegt. Als Mel und ich heute Abend am Hotel ankamen, sind wir beinahe davongeweht worden.“

„Ich weiß. Ich habe Sie gesehen.“ Rick lächelte.

Lucy warf ihm einen überraschten Blick zu.

„Ich saß in der vorderen Lounge.“ Er trat näher an eins der Gemälde heran. „Die sind wunderschön“, sagte er, indem er eine Seelandschaft bewunderte.

„Es war eins meiner Hobbys, aber in letzter Zeit komme ich nur noch selten dazu.“

„Sie haben die gemalt?“ Er klang ehrlich beeindruckt.

Sie nickte. „Es gab eine Zeit …, es ist schon lange her … da wollte ich Künstlerin werden. Aber Berufsberater erklärten mir, dass es sehr schwierig sei, als Malerin zu überleben. Ich sollte mir lieber einen richtigen Beruf suchen.“

Rick schüttelte bedauernd den Kopf. „So ist schon manches große Talent im Keim erstickt worden. Sie hätten nicht darauf hören und lieber Ihrem Herzen folgen sollen.“

Sie lächelte. „Vermutlich wäre ich dann jetzt pleite. Aber was ist mit Ihnen, Rick? Gibt es etwas, das Sie heimlich bedauern?“

„Ich verschwende nie meine Zeit damit, etwas zu bedauern. Ich neige dazu, mir das zu nehmen, was ich will.“

„Und bekommen Sie immer, was Sie wollen?“, fragte Lucy neugierig.

„Fast immer.“ Als sich ihre Blicke begegneten, machte ihr Herz erneut einen Satz. Er strahlte eine Stärke aus, die seine vorige Aussage glaubhaft machte, und aus irgendeinem Grund beunruhigte sie das.

„Dann haben Sie großes Glück“, meinte sie schlicht.

Er zuckte die Schultern. „Auch ich hatte meine Enttäuschungen.“

Irgendwie war das schwer zu glauben. Sie ließ ihren Blick über seine muskulöse Figur gleiten und sah das Funkeln in den dunklen Augen, die sie so sexy fand. „Was für Enttäuschungen?“

„Ach, die üblichen … Beziehungen, die nicht funktioniert haben, solche Sachen.“

„Jemandem ist es gelungen, Ihnen in der Schule das Herz zu brechen?“, fragte sie amüsiert.

Er lachte. „Hm, da Sie es schon erwähnen, ja, das ist tatsächlich passiert. Marion Woods.“ Er schüttelte den Kopf. „Ich war sieben und sie die Liebe meines Lebens.“

Nun lachte auch Lucy. „Was ist geschehen?“

„Sie hat mich für einen Jungen sitzen gelassen, der ein Jahr älter war und dessen Eltern ein Süßwarengeschäft hatten“, antwortete er und lachte ebenfalls. „Was ist mit Ihnen, Lucy? Hat jemand einmal Ihr Herz gebrochen?“ Er sah zu ihr hinüber, und plötzlich verschwand die lockere Stimmung zwischen ihnen.

Sie fragte sich, wie sie so schnell zu so persönlichen Themen gelangt waren.

Rick beobachtete die widersprüchlichen Emotionen auf ihrem Gesicht und wusste, dass die Antwort auf seine Frage eindeutig Ja lautete. Doch dann schaute sie einen Moment zur Seite, und danach hatte sie die Schatten in ihren Augen erfolgreich verborgen. „Nun ja, da war dieser Steve Donnelly, als ich in der dritten Klasse war.“

„Die Kindheit kann ganz schön bitter sein“, meinte er.

„Sie kann einen fürs ganze Leben zeichnen“, stimmte sie zu.

„Das heißt, Sie sind überzeugter Single?“, fragte er und schaute sie aufmerksam an.

„Mittlerweile ja. Aber ich musste erst heiraten, um herauszufinden, wie wenig mir die Institution Ehe liegt.“

„Sie sind geschieden?“

Lucy nickte. „Drei Jahre verheiratet, eins geschieden.“ Sie fragte sich, warum sie ihm das erzählte. Das Merkwürdige war, dass es ihr leicht fiel, mit ihm zu reden.

„Wie auch immer.“ Sie entfernte sich vom Feuer. „Sie stellen sich besser hierhin, um wieder trocken zu werden. Ich mache uns einen Kaffee.“

Er lächelte sie an, und als sich ihre Blicke ineinander versenkten, setzte ihr Herzschlag kurz aus.

Hastig eilte sie in die Küche.

Doch als sie dort ihr Spiegelbild reflektiert sah, verzog sie das Gesicht zu einer Grimasse. Ihr Haar klebte nass am Kopf, und sie war viel zu blass. „Ich trockne mir nur schnell das Haar“, rief sie, während sie ins Schlafzimmer ging, „ich bin in einer Minute wieder da.“

Sie war tatsächlich nur wenige Minuten fort, aber als sie zurückkam, fand sie Rick in der Küche. Er machte Kaffee. Er drehte sich zu ihr um und lächelte. „Ich dachte, ich mache mich mal nützlich. Ich hoffe, Sie haben nichts dagegen?“

„Nein.“ Sie schüttelte den Kopf, doch dabei kam ihr in den Sinn, dass Kris der letzte Mann gewesen war, der ihr hier einen Kaffee gekocht hatte – und zwar unmittelbar bevor er ihr gesagt hatte, dass er sie verlassen wollte.

„Nehmen Sie Milch und Zucker?“ Er wandte sich zu ihr und runzelte unwillkürlich die Stirn. „Alles in Ordnung?“

„Ja, mir geht es gut.“ Sie lächelte breit und ärgerte sich über sich selbst, weil sie es zugelassen hatte, dass sie an Kris dachte. Der Mann hatte sie stärker verletzt als irgendjemand zuvor, und sie wollte ihn einfach nur vergessen.

Rick ließ die Becher auf dem Regal stehen und ging stattdessen auf sie zu. „Sie haben einen Moment traurig ausgesehen.“

„Tatsächlich?“ Sie schüttelte den Kopf und wünschte, er würde das Thema fallen lassen. „Ich bin nicht traurig.“

„Sicher?“ Er streckte eine Hand aus und hob ihr Kinn an, sodass sie ihn ansehen musste.

Die Berührung seiner Hand jagte reines Adrenalin durch ihre Adern. „Ganz sicher“, hauchte sie. Und das war die Wahrheit. In diesem Moment spürte sie eine wilde Erregung, die von ihr Besitz ergriff, während sie ihren Blick über die attraktiven Züge seines Gesichts gleiten ließ. Sie wollte, dass er sie küsste, wollte es so schmerzlich, dass sie sich leicht nach vorn beugte. „Rick.“ Sie flüsterte seinen Namen.

Er strich ihr eine seidige Strähne ihres kastanienbraunen Haars aus dem Gesicht, und im nächsten Moment presste er seine Lippen auf ihre. Zunächst war der Kuss zärtlich und behutsam. Lucy spürte, wie sich die berauschende Sinnlichkeit in ihrem Körper Bahn brach, und mit jeder Sekunde hatte sie das Gefühl, sich tiefer und tiefer in einem Strudel der Begierde zu verlieren, in dem sie nicht genug von ihm bekommen konnte … so als wäre er eine Art Droge und sie süchtig danach. Gerade als sie glaubte, vor Verlangen zu vergehen, vertiefte er den Kuss.

Es war ihr bewusst, dass er das Tempo bestimmte. Er war ganz offensichtlich ein sehr erfahrener Mann, der vermutlich alle Tricks kannte, mit denen er eine Frau um den Verstand bringen konnte. Doch in diesem Augenblick zählte nichts als die Leidenschaft, die sie überflutete.

Lucy schlang ihre Arme um seinen Nacken, denn sie wollte mehr. Ihr Kuss wurde wild und hitzig und ungestüm. Sie spürte seine Hände auf ihrem Körper, fühlte, wie er sie erforschte, von ihrer Taille hochglitt, bis er ihre Brust streichelte und sie nur noch den einen Wunsch hatte – dass er sie auszog und ihr Verlangen stillte.

Ganz plötzlich brach er ab und löste sich ein Stück von ihr. Sie starrte atemlos zu ihm hinauf, in ihren Augen lag eine unausgesprochene Frage.

„Ich glaube, wir hören jetzt besser auf“, stöhnte er heiser, „denn wenn wir weitermachen, will ich dich gleich hier in der Küche lieben.“

„Du hast recht …“ Sie bemühte sich verzweifelt um etwas Kontrolle. Aber ihr Körper protestierte gegen die Unterbrechung.

Sein Blick glitt über sie, und er erkannte, dass sie nach Atem rang, dass eine dunkle Sehnsucht in ihren Augen lag und ihre Lippen geschwollen waren von seinen Küssen. „Es gibt keinen Zweifel, glaub mir. Wenn ich dich noch einmal küsse, werde ich dich gleich hier nehmen … gleich jetzt.“ Für einen Moment lag nacktes Verlangen in seiner Stimme.

„Und das wäre falsch.“ Ihre Stimme zitterte leicht.

Er lächelte wehmütig. „Nun, das kommt darauf an, wie man es betrachtet. Wir sind beide Single …“

„Ja, aber es wäre trotzdem falsch.“ Sie holte tief Luft. „Warum uns hier lieben, wenn ich ein sehr bequemes Doppelbett im Zimmer nebenan stehen habe?“

Selbst während sie die Worte aussprach, glaubte sie nicht, dass sie dies wirklich tat. Ihre Freundin Mel würde das tun, aber nicht sie.

„Warum in der Tat …?“, raunte er und strich ihr sanft über die Wange. Die Berührung seiner Finger löste glühende Hitze in ihr aus.

Was in aller Welt war nur los mit ihr? Vor unverbindlichen Affären war sie immer zurückgeschreckt, und dies konnte nicht mehr sein. Außerdem brach sie all ihre Regeln, was Arbeitskollegen anging.

Der Gedanke hätte sie zur Vernunft bringen sollen, doch seltsamerweise tat er das nicht. Das Problem lag darin, dass ihr das im Moment völlig egal war. Sie wollte ihn. Genau genommen konnte sie sich nicht erinnern, einen Mann jemals derart begehrt zu haben.

Lucy hatte die Nachttischlampe angelassen, als sie sich das Haar trocknete, und nun wünschte sie, dem wäre nicht so. Ein schützender Mantel aus Dunkelheit, hinter dem sie sich hätte verstecken können, wäre ihr lieber gewesen. Sobald sie das Schlafzimmer betrat, fühlte sie sich unbehaglich, ja schüchtern.

Rick schloss sie in seine Arme. In seinen dunklen Augen lag ein glühender Blick, der ihr den Atem raubte. „Also … wo waren wir stehen geblieben?“

„Ich glaube hierbei.“ Sie schlang ihre Arme um ihn und küsste ihn sanft. Einen Moment standen sie einfach nur da und hielten einander umfangen. Dann fühlte sie seine Finger am Reißverschluss ihres Rocks. „Soll ich das Licht ausmachen?“ Sie löste sich von ihm und wollte schon an die Nachttischlampe herantreten.

„Nein, lass es an.“ Er zog sie zurück in seine Arme und hauchte federleichte Küsse auf ihren Nacken. „Ich will dich sehen.“ Die Worte flüsterte er verführerisch in ihr Ohr. „Ich will jeden einzelnen Zentimeter deines Körpers erforschen.“

Ihr Herzschlag setzte kurz aus, und die Anspannung wuchs zu unerträglichem Ausmaß an. Er war offensichtlich äußerst erfahren, sie hingegen hatte während des Studiums einen Freund gehabt und war danach nur noch mit einem Mann zusammen gewesen – dann hatten sie geheiratet, und wo hatte das hingeführt?

Rick spürte, wie sie sich versteifte. „Alles in Ordnung?“

„Ja …“

Er hob ihr Kinn an, sodass sie ihm in die Augen schauen musste. In den grünen Tiefen entdeckte er Schatten.

„Wir müssen nicht weitermachen, wenn du deine Meinung geändert hast.“ Seine Stimme war unglaublich sanft, sodass ihr Herz regelrecht dahinschmolz vor Sehnsucht.

„Ich habe meine Meinung nicht geändert“, flüsterte sie.

Er antwortete nicht direkt, sondern schien sie immer noch aufmerksam zu betrachten.

„Hast du etwas dabei?“, fragte sie. „Zur Verhütung, meine ich?“

Er lächelte. „Ja …“ Zärtlich strich er ihr das Haar aus der Stirn. „War es das, worüber du dir Gedanken gemacht hast?“

Sie zögerte einen Moment. Sie wollte ihm nicht verraten, was wirklich in ihr vorgegangen war – wollte die Stimmung nicht ruinieren, indem sie Kris’ Namen erwähnte. Dieser Mann hatte ihr Leben schon genug zerstört. Also nickte sie nur.

Rick küsste ihren Hals und löste damit unglaublich erotische Empfindungen in ihr aus. Dann strich er mit den Lippen über ihre Wange, bis er schließlich ihren Mund fand und ihn eroberte. Gleichzeitig schob er seine Hände unter ihren Pullover und öffnete den Verschluss ihres Spitzen-BHs.

In diesem Augenblick verabschiedete sich jeder rationale Gedanke, und Lucy ließ sich allein von ihren Sinnen leiten. Nichts anderes zählte, als dass sie diesen Mann wollte – und zwar jetzt.

Er streichelte die verführerischen Kurven ihres Körpers. Sie schloss die Augen und gab sich ganz seinen glühenden Liebkosungen hin. Als er ihren Pullover hinaufschob, half sie ihm dabei, ihn über ihren Kopf zu ziehen. Ihr Haar fiel in einer wilden, glänzenden Mähne über ihre nackten Schultern.

Dann zogen sie sich gegenseitig aus. Sie knöpfte sein Hemd auf, während er den Reißverschluss an ihrem Rock öffnete. Als das Kleidungsstück auf den Boden fiel, stand sie nur in ihrem Slip und den Seidenstrümpfen vor ihm.

„Du bist so schön, Lucy“, murmelte er und streichelte ihre Brüste. Dann senkte er den Kopf und ließ seine Lippen den Händen folgen. Im nächsten Moment hob er sie auf seine Arme und legte sie auf die Satinkissen auf ihrem Bett. Er zog die Schuhe aus und legte sich zu ihr.

Er hat einen wundervollen Körper, dachte sie, als sie zu ihm aufschaute. Urplötzlich war sie froh, dass sie das Licht angelassen hatte. Ihr bewundernder Blick glitt über seine breiten Schultern, die muskulöse Brust bis hin zu den schmalen Hüften.

Erneut streichelte er ihre Brüste, spielte dabei mit den empfindsamen Spitzen, bis sie glaubte, seine Liebkosungen würden sie um den Verstand bringen. Als er seinen Kopf senkte, und die harte Knospe mit seinen Lippen umschloss, lief ein Schauer durch ihren Körper, und sie schöpfte verzweifelt nach Atem. Sie vergrub ihre Finger in seinem dichten, dunklen Haar und zog ihn noch enger an sich. Sie hatte das Gefühl, diesem Mann gar nicht nah genug kommen zu können …

Es war noch früh am Morgen, als Lucy erwachte. Sie lag warm in Ricks Arme gekuschelt und war von einem wundervollen Gefühl des Friedens erfüllt. Es war seltsam: Sie kannte diesen Mann eigentlich gar nicht, er war ein Fremder, und dennoch fühlte sie sich in seinen Armen auf eine Art und Weise sicher und beschützt, wie sie es noch nie zuvor erlebt hatte.

Es ist nur eine Illusion, sagte sie sich rasch, aber im Moment war es einzigartig, und so lag sie ganz still da und ließ ihre Gedanken zu der vergangenen Nacht schweifen.

Rick war ein fantastischer Liebhaber. Er hatte sie immer und immer wieder zu Höhen geführt, von deren Existenz sie bis dato nichts geahnt hatte. Kris hatte es niemals fertiggebracht, dass sie derart die Kontrolle verlor.

Bei diesem Gedanken verkrampfte sie sich unwillkürlich. Die vergangene Nacht war wundervoll gewesen, aber dennoch nichts Besonderes, ermahnte sie sich fest. Sie musste einfach mit der Zeit gehen und anfangen, so zu denken wie Mel. Ein bisschen Spaß, mehr nicht. Und vermutlich hatte es sich nur deshalb so großartig angefühlt, weil sie es schon so lange nicht mehr getan hatte … ja, das war der Grund. Sie entspannte sich wieder.

Plötzlich öffnete Rick die Augen, und sie lächelte ihn an. „Guten Morgen, du Faulpelz. Ich habe mich schon gefragt, ob du noch mal aufwachst.“

„Tatsächlich?“ Er klang amüsiert. „Nun, weißt du, das Problem liegt darin, dass eine junge Dame mich die ganze Nacht auf Trab gehalten hat.“

„Wirklich?“ Lucy lächelte und kuschelte sich noch enger an ihn. „Manche Leute haben auch gar keine Skrupel.“

Er lachte laut, dann rollte er sich über sie, sodass sie unter ihm gefangen lag. „Die vergangene Nacht war fantastisch.“ Er sprach die Worte sanft, während er in ihre schönen Augen blickte.

„Ja, das war sie.“ Sie lächelte.

Er senkte den Kopf und küsste sie – langsam und besitzergreifend. Lucy erwiderte den Kuss voller Hingabe. Und plötzlich liebten sie sich wieder, nur war es diesmal anders als in der vergangenen Nacht. Da war nichts von der wilden Hast, der Dringlichkeit, die sie beinahe um den Verstand gebracht hatte … dies war anders. Langsam und zärtlich und genussvoll und irgendwie noch viel intimer.

Danach lag sie zutiefst befriedigt in seinen Armen. So viel dazu, dass es nur deshalb so toll gewesen war, weil sie es so lange nicht mehr getan hatte. Sie könnte sich daran gewöhnen, Rick in ihrem Bett zu haben – und in ihrem Leben.

Der Gedanke rief eine tiefe Beunruhigung in ihr wach.

Rasch löste sie sich aus seinen Armen.

„Wohin gehst du?“, fragte er, rollte sich auf die Seite und sah zu, wie sie aus dem Bett stieg.

„Ich dachte, ich mache uns eine Tasse Tee.“ Sie griff nach ihrem seidenen Morgenmantel und zog ihn rasch an, denn sie war sich seines Blicks auf ihrer nackten Haut nur allzu deutlich bewusst.

„Eigentlich trinke ich morgens lieber Kaffee.“

„Wirklich?“ Sie schaute zu ihm hinüber und dachte in diesem Moment, dass sie nichts über diesen Mann wusste, mit dem sie so intime Stunden verbracht hatte.

„Schwarz, kein Zucker“, fügte er hinzu.

„Okay.“ Es war eine gewisse Erleichterung, aus dem Zimmer zu kommen. In seiner Gegenwart konnte sie einfach nicht klar denken. Er war viel zu attraktiv und sinnlich.

Es ist nur Sex, sagte sie sich eindringlich, keine große Sache. Also gut, sie hatte ihre Regel gebrochen, sich mit niemandem von der Arbeit einzulassen, aber am Ende der Woche würde er wieder verschwinden. Und diese merkwürdige Vorstellung, dass sie sich an seine Anwesenheit in ihrem Leben gewöhnen könnte … nun, das waren nur verrückte, von der Leidenschaft hervorgerufene Illusionen. Rick war ein Fremder, und so sollte es auch bleiben.

Sie öffnete die Küchenschränke und suchte nach frischem Kaffeepulver. Als sie keines finden konnte, gab sie sich mit Instantkaffee zufrieden.

Hinter ihr trat Rick in den Türrahmen. Abgesehen von einem Handtuch, das er sich um die Hüften geschlungen hatte, war er nackt. Offensichtlich hatte er schnell geduscht, denn sein Haar war nass, und auf seiner Brust glitzerten noch ein paar Wassertropfen. „Was macht der Kaffee?“

„Ähm … ist fertig.“ Ihr Herz klopfte bis zum Hals. Das alles kam ihr unwirklich vor. Wer war dieser atemberaubende Mann, der nur mit einem Handtuch bekleidet in ihrer Küche stand und so tat, als wäre er hier zu Hause?

Er schlenderte zu ihr hinüber, woraufhin sie eilig nach seinem Becher griff und ihn ihm entgegenhielt. „Danke.“ Er nahm einen Schluck. „Der ist gut.“ Er lächelte sie an. „Genau das, was ich nach einer anstrengenden Nacht brauche.“

Sie spürte, wie sie rot wurde, was ihn nur noch mehr zum Lachen brachte. „Ich mache nur Spaß, Lucy.“

„Ich weiß.“

Er stellte seinen Becher ab und griff nach ihr, ehe sie ihm wieder ausweichen konnte. „Wenn du willst, kannst du mich noch ein bisschen mehr fordern …“

Sie fühlte seine Erregung, und obwohl sie fest entschlossen war, sich zurückzuhalten, bekam sie weiche Knie.

Sie schluckte gegen den Kloß an, der plötzlich in ihrer Kehle saß. Panik überkam sie, weil sie diesen Mann schon wieder begehrte.

Er presste seine Lippen auf ihre und küsste sie, provozierend, fordernd, und sie reagierte darauf.

Sie versanken in einem leidenschaftlichen Kuss. Lucys Puls raste, sie war zu keinem vernünftigen Gedanken mehr fähig.

Er öffnete den Gürtel ihres Morgenmantels, streichelte ihre nackte Haut, und dann hob er sie hoch und trug sie zurück ins Schlafzimmer.

Erst viele Minuten später konnte sie wieder klar denken. Sie lag eng an ihn geschmiegt und fragte sich atemlos, wie es sein konnte, dass es immer noch besser wurde zwischen ihnen.

„Du weißt, dass das nur Sex ist … oder?“, murmelte sie.

Rick stützte sich auf einen Ellbogen und sah auf sie hinunter. „Nun, ich weiß, dass wir nicht Karten gespielt haben, wenn du das meinst. Was ist los, Lucy?“

„Ich …“ Sie spürte, wie sie rot wurde. Ihr war gar nicht bewusst gewesen, dass sie ihre Gedanken laut ausgesprochen hatte. „Tut mir leid, das kam ganz falsch heraus …“, gestand sie atemlos. „Es ist nur so, dass es schon so lange her ist, seit ich … seit ich mit einem Mann geschlafen habe.“

„Oh, ich verstehe.“ Einen Moment sah er sie aufmerksam an, dann strich er ihr zärtlich das Haar aus dem Gesicht. „Wie lang?“

„Ich weiß es nicht.“ Lucy schaute zur Seite, denn sie wünschte sich plötzlich, sie hätte dieses Thema nicht angeschnitten.

Autor

Dixie Browning

Dixie Browning, Tochter eines bekannten Baseballspielers und Enkelin eines Kapitäns zur See, ist eine gefeierte Malerin, eine mit Auszeichnungen bedachte Schriftstellerin und Mitbesitzerin einer Kunstgalerie in North Carolina. Bis jetzt hat die vielbeschäftigte Autorin 80 Romances geschrieben – und dabei wird es nicht bleiben - sowie einige historische Liebesromane zusammen...

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Wenn Jacqueline Baird nicht gerade an einer Romance schreibt, dann liest sie viel und spielt gern Karten. Falls das Wetter es erlaubt, schwimmt sie häufig im Meer und bedauert, dass sie seit einer schweren Knieverletzung nicht mehr Segeln kann. Zwar ist sie dadurch zu einem „Leben an Land“ verurteilt, aber...
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