Cora Collection Band 63

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WENN UNSER GLÜCK ERBLÜHT von KANDY SHEPHERD
Shelley weckt etwas in Declan, das er lange nicht gespürt hat. Doch sie soll sich um seinen Garten kümmern, nicht um ihn! Denn er hat sich geschworen, sich nie wieder am Feuer der Liebe zu verbrennen …

MIT DIR IM GARTEN UNSERER LIEBE von JENNIE ADAMS
Gärtnerin Cecilia stockt der Atem, sobald Millionär Linc MacKay in ihre Nähe kommt. Doch so sinnlich es prickelt, kann sie nicht vergessen, dass er sie schon mal zurückgewiesen hat. Will sie sich erneut demütigen lassen? Nein! Trotzdem kann sie ihre Gefühle nicht unterdrücken …

GESTÄNDNIS IM ORCHIDEENGARTEN von NINA HARRINGTON
Sara ist ganz anders als die Frauen, die Topmanager Leo sonst kennt. Sie lebt auf dem Land und züchtet Orchideen. Je mehr ihn ihre Anmut bezaubert, desto heftiger quält ihn, was er ihr gestehen muss: Seine Familie plant einen Hotelbau. Dort, wo Saras geliebter Orchideengarten liegt ...


  • Erscheinungstag 17.03.2023
  • Bandnummer 63
  • ISBN / Artikelnummer 9783751517096
  • Seitenanzahl 400
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Kandy Shepherd, Jennie Adams, Nina Harrington

CORA COLLECTION BAND 63

1. KAPITEL

Shelley Fairhill war schon über zwanzig Mal an dem alten Herrenhaus in der Bellevue Street vorbeigegangen. An diesem sonnigen Winternachmittag brachte sie endlich den Mut auf, vor dem gusseisernen Tor stehen zu bleiben und die Hand zur Klingel in dem Sandsteinpfosten auszustrecken.

Das große Haus mit den spitzen Dächern und dem Eckturm stammte aus dem frühen zwanzigsten Jahrhundert. Es wäre ein noch schöneres Schmuckstück gewesen, wäre der einst sicherlich hübsche Garten nicht völlig zugewuchert. Als Gartenarchitektin tat ihr der Anblick in der Seele weh. All die verwilderten Rosen, die nicht beschnittenen Sträucher und die verkümmerten Blumen, denen das Unkraut das Licht zum Gedeihen raubte.

Shelley drückte auf den Klingelknopf. Sie musste es einfach tun, und zwar nicht nur, weil sie sich etwas dazuverdienen wollte. Als sie sich auf dem Weg zur U-Bahn-Station verlaufen hatte, war ihr dieser Garten das erste Mal aufgefallen. Seither ließ er sie nicht mehr los.

Sie hörte den Summer und stieß das Tor auf. Immer wieder hatte sie sich in den letzten Wochen gefragt, wer in diesem Haus in Sydneys vornehmem Vorort Darling Point wohnte. Vielleicht eine alte Dame mit gebrochenem Herzen, die sich nach dem Tod ihres Liebsten hier von der Welt abschottete. Oder ein alter Griesgram und Geizkragen, der von seinen Leuten gemieden wurde.

Beim Anblick des Mannes, der ihr die Tür öffnete, verschlug es ihr den Atem, und die Worte, die sie sich zurechtgelegt hatte, blieben ihr im Hals stecken. Er entsprach nicht im Mindesten ihrem Fantasiebild. Er war etwa einen Meter neunzig groß, hatte breite Schultern und musste um die dreißig sein, war also kaum älter als sie. Aber vor allem war er umwerfend attraktiv. Er hatte schwarze Haare, dunkelblaue Augen und wie in Stein gemeißelte Gesichtszüge. Zugleich wirkte er düster und bedrohlich.

Ihr schien, dass er die Haare schon länger nicht gekämmt und sich seit mindestens zwei Tagen nicht mehr rasiert hatte. Außerdem machten der schwarze Rolli und die Jogginghose auf sie den Eindruck, als hätte er darin geschlafen.

„Wo ist das Paket?“, fragte er schroff.

„W…welches Paket?“

Ungeduldig schüttelte er den Kopf. „Die Computerteile. Die Lieferung, die ich erwarte.“

„Sie … Sie glauben, ich wäre eine Botin?“

„Scheint so.“

Es gefiel Shelley nicht, wie sarkastisch er klang. Doch sie vermutete, dass ihre Arbeitskleidung diesen Rückschluss begünstigte – dunkle Stiefel, eine kakifarbene Hose und ein Shirt mit dem Logo der Gartenbaufirma, bei der sie beschäftigt war.

„Ich bin keine Botin. Ich …“

„Hätte ich das gewusst, hätte ich das Tor nicht geöffnet. Was immer Sie verkaufen wollen, ich bin nicht interessiert.“

Seine Unhöflichkeit machte sie sprachlos. Aber sie würde sich von ihm nicht durcheinanderbringen lassen. „Ich verkaufe nichts. Bloß mich.“ Wie hörte sich denn das an? „Ich bin Gärtnerin, und die scheinen Sie zu brauchen.“ Shelley deutete um sich. „Ich biete meine Arbeitskraft an.“

Er runzelte die Stirn. „Ich brauche keine Gärtnerin. Mir gefällt es, wie es ist.“

„Es ist ein Chaos. Und irgendwo darunter verbirgt sich ein schöner Garten, der immer mehr erstickt“, erwiderte sie leicht empört. Pflanzen verdienten Liebe und Pflege.

„Was geht Sie das an?“

„Nichts. Doch es … macht mich traurig, einen solchen Garten zu sehen, der ganz anders ausschauen könnte. Ich … ich dachte, ich könnte dabei helfen, dass er wieder so richtig aufblüht. Mein Stundensatz ist nicht sehr hoch.“

Sie begegnete seinem Blick und meinte, in seinen Augen kurz einen Ausdruck des Bedauerns zu lesen. Dann war dieser Anschein wieder verschwunden, und er fuhr sich mit den Händen durchs Haar.

„Ich benötige Sie nicht. Sie haben Ihre Zeit verschwendet.“

Shelley mobilisierte ihren restlichen Mut und holte die Visitenkarte aus der Tasche ihres Shirts. „Hier, meine Karte. Falls Sie Ihre Meinung ändern.“ Es war ihre eigene, nicht die der Firma, bei der sie beschäftigt war. Wenn sie ihren Traum, sich die berühmten Gärten in Europa anzusehen, verwirklichen wollte, brauchte sie das Zusatzeinkommen, das ihr die Schwarzarbeit eintrug.

Er war nicht so unhöflich, die Karte nicht zu nehmen, schaute sie jedoch nicht an. Vermutlich würde er sie gleich in den Müll werfen. „Wer nicht wagt, der nicht gewinnt“, hatte ihre Großmutter mehr als einmal zu ihr gesagt. Und zumindest hatte Shelley es jetzt versucht.

„Schließen Sie das Tor wieder hinter sich“, erklärte er schroff.

„Mache ich.“ Shelley wandte sich um. Sie würde sich zusammenreißen müssen, es nicht zuzuschlagen.

Was für ein seltsamer Mann, dachte sie, während sie den Weg entlangging. Seltsam und attraktiv. Er wirkte auf sie genauso geheimnisvoll wie das alte Haus und so anziehend wie der Garten. Vielleicht gehörte ihm das Anwesen gar nicht? Vielleicht war er ein Filmstar und wollte hier unerkannt leben? Vielleicht war er ein Verbrecher oder jemand, der in ein Zeugenschutzprogramm aufgenommen worden war? Shelley war noch nicht lange genug in Sydney, um irgendwelchen Klatsch mitbekommen zu haben. Aber es war egal, wer er war, denn sie würde ihn nicht wiedersehen.

Declan Grant beobachtete, wie Shelley einen Fuß vor den anderen setzte. Dabei wirkte sie auf ihn wie eine Kriegerin. Der honigfarbene Zopf, der ihr bis zur Taille reichte, schwang hin und her, als wollte er ihrer Entrüstung Ausdruck verleihen. Sie war gut einen Meter fünfundsiebzig groß, und obwohl sie recht männliche Arbeitskleidung trug, konnte man doch die ausgesprochen weiblichen Rundungen erahnen. Außerdem wirkte sie energisch und stark. Kurz blickte er auf ihre Karte. Sie hieß Shelley Fairhill.

Dieser etwas altmodische Name schien ihm passend zu sein für eine Gartenliebhaberin. Aber die Frau selber kam ihm eher wie die Actionheldin seiner Videospiele vor – wie Prinzessin Alana mit den glitzernden Engelsflügeln und der übertrieben üppigen femininen Figur. Mit Pfeil und Bogen hatte diese Amazone viele harte Kämpfe gewonnen. Daher war sie der Star seiner Fantasiewelt gewesen, die er sich als Zuflucht vor einer unglücklichen Kinder- und Jugendzeit geschaffen hatte.

Mit achtzehn hatte sie ihm seine erste Million eingebracht, weitere Millionen waren gefolgt – und schließlich Milliarden, als er das Spiel und alle Rechte daran verkauft hatte.

Shelley wirkte auf ihn total angespannt: Vermutlich rumorten in ihr hinuntergeschluckte scharfe Erwiderungen. Ihre Körperhaltung verriet ihm, dass sie sich zusammenreißen musste, das Tor nicht zuzuschlagen. Stattdessen zog sie es mit übertriebener Sorgfalt hinter sich zu und sah sich nicht auch nur ansatzweise zu ihm um.

Wer konnte es ihr verübeln? Er hatte ihr Angebot, sich des Gartens anzunehmen, in fast schon unhöflicher Art abgelehnt. Aber sie hätte sein Grundstück gar nicht erst betreten sollen. Er hatte sechsunddreißig Stunden am Stück gearbeitet und in einem unbedachten Moment auf den Toröffner gedrückt. Das Tor war nicht grundlos verschlossen. Er wollte von niemandem gestört werden – vor allem nicht von einer großen, geschmeidigen Kriegerin wie ihr. Außerdem mochte er den Garten, wie er war. Eines Tages würden die Pflanzen vielleicht alles zuwuchern und das Haus in Dunkelheit hüllen, als wäre es eine Festung. Er wollte in Ruhe gelassen werden.

Zweifellos war diese Frau beeindruckend. Nicht bloß wegen ihrer kämpferischen Körperhaltung, sondern vor allem wegen ihrer warm blickenden braunen Augen. Flüchtig spürte er ein schmerzliches Bedauern. Trotz der Mauer, die er um sich herum errichtet hatte, um jegliches Fühlen und Hoffen direkt abzuwehren.

Als er Shelley eben vor sich gesehen hatte, hatte er diese Mauer für ein, zwei Sekunden vergessen – genauso wie die Gründe, warum er sie errichtet hatte. Ihm war einzig bewusst gewesen, dass er ein Mann war und sie eine hübsche Frau. Nein, er durfte solche Empfindungen noch nicht mal für einen ganz kurzen Moment zulassen.

2. KAPITEL

Kontaktieren Sie mich unverzüglich wegen des Gartens. Declan Grant

Stirnrunzelnd blickte Shelley auf die SMS, die gerade auf ihrem Smartphone eingegangen war. Mit dem Namen konnte sie nichts anfangen. Aber der herrische Ton, in dem sie geschrieben war, erinnerte sie an jemanden.

In den letzten zwei Wochen hatte sie den vernachlässigten Garten und seinen unhöflichen, beunruhigend attraktiven Besitzer bestmöglich aus ihrem Kopf verbannt. Außerdem hatte sie einen weiten Bogen um das Grundstück gemacht. Du solltest die Nachricht löschen, dachte sie, zögerte aber. Sie würde diesen Garten so schrecklich gern wieder zum Leben erwecken.

Starr sah sie auf das Display. Es war ein herrlicher Wintertag, und Shelley war gerade dabei, eine Hecke vor einem neuen Wohnblock an Sydneys Nordküste zu pflanzen. Bis sie die Hafenbrücke überquert und wieder auf der Ostseite der Stadt war, würde es jetzt im Juli praktisch finster sein. Eigentlich wollte sie diesem Mann nicht bei Dunkelheit gegenübertreten. Aber sie wollte auch nicht, dass er es sich anders überlegte.

Komme heute, Freitag, um sechs Uhr. Bitte bestätigen Sie die Adresse.

Vielleicht war dieser Declan Grant doch jemand anderes. Nein, sie hatte sich nicht getäuscht, wie seine sofortige Antwort ihr zeigte.

Sei höflich, selbst wenn er es nicht ist, ermahnte sich Shelley, während sie auf das Haus zuging. Sie wollte diesen Garten unbedingt wieder zum Blühen bringen. Deshalb musste sie sich als die Person verkaufen, die sich am besten für den Job eignete.

Im Geiste wiederholte sie die zurechtgelegten Worte und vergaß sie sogleich, als Declan auf der Türschwelle erschien. Denn er streckte ihr die Hand entgegen und lächelte sogar ein wenig. Dadurch wirkte sein schmales, markantes Gesicht mit den hohen Wangenknochen unglaublich faszinierend.

Shelley blickte ihn noch einen Moment an und ergriff dann seine Rechte. Plötzlich war sie sich ihrer schwieligen Hand bewusst und ihrer unangemessenen Kleidung. Ja, er war sehr attraktiv. Was aber nicht bedeutete, dass sie sich von ihm angezogen fühlte. Seit ihrer schrecklichen Erfahrung mit Steve war sie immun gegen gut aussehende Männer. Sie hatten es zu leicht bei Frauen und brachen ihnen anschließend problemlos das Herz.

Es war schlichtweg Eitelkeit, weshalb sie sich wünschte, sie hätte etwas mehr Sorgfalt auf ihr Äußeres verwandt. Sie hatte zu Hause bloß kurz geduscht und war in eine saubere kakifarbene Hose geschlüpft und in ein frisches Shirt, das kein Firmenlogo zierte. Als sie ihrer Schwester, mit der sie die Wohnung in Double Bay teilte, erzählte, wohin sie wollte, war Lynne entsetzt.

„In dieser Kluft gehst du zu keinem Jobinterview. Was soll denn dein potenzieller Kunde von dir denken?“

„Ich bin Gartenarchitektin und keine Geschäftsfrau. Diese Sachen trage ich bei der Arbeit. Ich hoffe, ich schaue wie eine kompetente Fachkraft aus.“

Jetzt bereute sie allerdings, dass sie nicht in ein Paar Jeans geschlüpft war und einen hübschen Blazer übergestreift hatte. In diesem Vorort von Sydney lebten sehr reiche Leute, die vermutlich aufs Äußere achteten. Selbst bei einer Gärtnerin.

Und Declan, der heute rasiert war und die Haare gekämmt hatte, machte in dem schwarzen Pulli und den schwarzen Jeans einen überaus gepflegten Eindruck. Ja, in ihrer immerhin sauberen Arbeitskleidung befand sie sich ihm gegenüber zweifellos im Nachteil. Nicht dass er es wahrzunehmen schien. Es kam ihr sogar vor, als würde er sie absichtlich nicht ansehen.

„Reden wir über den Garten“, meinte er und bedeutete ihr, einzutreten.

Shelley versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, wie überrascht sie von der schönen Diele mit dem gefliesten Marmorboden, der kunstvollen Treppe und dem herrlichen Kronleuchter war. Sie hatte erwartet, dass das Innere des Hauses ähnlich verwahrlost war wie der Garten. Da hatte sie sich offenbar geirrt. Denn zumindest der Eingangsbereich war aufwendig renoviert worden.

Sie folgte Declan in ein Wohnzimmer. Es war schlicht eingerichtet und wurde ihrem Eindruck nach vermutlich selten benutzt. Die bestickten schweren Vorhänge waren zugezogen, sodass sie keinen noch so kleinen Blick nach draußen werfen konnte. Allerdings hätte sie um diese Tageszeit ohnehin nicht mehr wirklich etwas erkennen können.

Declan zeigte zu einem der Sofas und setzte sich dann ihr gegenüber auf ein anderes. Der blank polierte Couchtisch zwischen ihnen schien Shelley regelrecht nach einer Vase mit frischen Blumen aus dem Garten zu schreien. Sofern dort überhaupt etwas blühte.

„Ich bitte um Entschuldigung, dass ich Sie bei unserer ersten Begegnung für eine Botin gehalten habe“, sagte er steif. „Ich arbeite von zu Hause aus und war noch gedanklich bei meinem Projekt.“

Was machte er wohl? Nicht dass sie sich danach erkundigen sollte. Jetzt war höfliche Konversation gefragt. „Kein Problem. Es war einfach ein Missverständnis. Sind Ihre Computerteile noch eingetroffen?“

„Ja, sind sie.“

Zweifellos war er kein mitteilsamer Mensch. Es entstand eine peinliche Stille, weshalb Shelley schnell meinte: „Sie haben es sich mit dem Garten offenbar anders überlegt.“ Seine Miene verfinsterte sich, und sie war froh darüber. Sein Lächeln von eben hatte sie deutlich mehr beunruhigt. Nun war er wieder der Mann, auf den sie sich seelisch eingestellt hatte.

„Die verflixten Nachbarn und ihre permanenten Beschwerden. Sie glauben, dass mein vernachlässigter Garten dem Ruf der Bellevue Street schadet und den Wert ihrer Immobilien senkt. Jetzt sitzt mir die Stadtverwaltung im Nacken. Ich soll für Ordnung sorgen. Deshalb habe ich Sie kontaktiert.“

„Für Ordnung sorgen? Das klingt, als solle alles herausgerissen, die Fläche plattiert und mit riesigen Töpfen dekoriert werden.“

Declan runzelte die Stirn. „Nein. Ich will, dass Sie den Garten instand setzen und nicht vernichten.“

Erleichtert seufzte Shelley auf. „Gut. Denn das könnte ich nicht tun. Unter dem ganzen Wildwuchs ist mit Sicherheit ein schöner Garten verborgen, den ich wieder freilegen möchte.“

„Das … das hat schon mal jemand gesagt.“ Er presste die Lippen aufeinander und mied ihren Blick.

„Ich gebe demjenigen völlig recht.“ Und dieser Jemand konnte nicht einfach nur ein anderer Gartenexperte gewesen sein. Es musste jemand sein, der Declan nahestand, denn einen kurzen Moment lang spiegelte sich Schmerz in seinem Gesicht.

Er lehnte sich auf dem Sofa zurück. „Welche Qualifikationen haben Sie für den Job?“

„Ich habe an der Universität von Melbourne Gartenbau studiert und schon viel Erfahrung bei Arbeiten in öffentlichen Parkanlagen sowie privaten Gärten gesammelt. Während meiner Zeit in Victoria hatte ich das Glück, von einigen großen Landschaftsbaubetrieben engagiert worden zu sein. Außerdem bin ich eine Zeit lang selbstständig gewesen.“

„Sie stammen aus Melbourne?“

Shelley schüttelte den Kopf. „Ich habe den größten Teil meines Lebens in den Blue Mountains verbracht.“ Ihre Großmutter hatte ihrer Mutter, Lynne und ihr im rund zwei Autostunden von Sydney entfernten Bergdorf Blackheath Zuflucht gewährt, nachdem ihr Vater die Familie zerstört hatte. „Nach dem Studium bin ich in Melbourne geblieben. Victoria wird nicht umsonst als ‚Gartenstaat‘ bezeichnet. Ich habe dort sehr gern gearbeitet.“

„Weshalb sind Sie zurückgekommen?“

Er klang nicht, als wäre er wirklich an ihrer Antwort interessiert. Man konnte eher meinen, dass er nur fragte, weil es von einem zukünftigen Arbeitgeber erwartet wurde. Hatte sie den Job womöglich schon in der Tasche?

„Aus familiären Gründen.“ Es war keine glatte Lüge. Aber sie musste ihm nichts von der Demütigung erzählen, die Steve ihr zugefügt hatte und die sie vor drei Monaten zu ihrer Schwester hatte flüchten lassen.

„Haben Sie Referenzen?“

„Sehr gute sogar.“ Es war die Wahrheit, und Klappern gehörte schließlich zum Handwerk.

„Ich will sie sehen.“

„Natürlich.“

„Wie lautet Ihr Angebot für die anfallenden Arbeiten in meinem Garten?“

„Viel hängt davon ab, was ich darin vorfinde.“ Auf den Garten vor dem Haus hatte sie schon viele Blicke werfen können. Was sie im rückwärtigen Teil erwartete, wusste sie jedoch nicht. „Ich kann jetzt eine grobe Schätzung abgeben. Aber je nachdem, wie viele Überraschungen sich ergeben und ob Zusatzkosten entstehen, zum Beispiel für Steinmetz- oder Installationsarbeiten, können die tatsächlichen Kosten auch zwanzig Prozent darüber liegen.“

„Also?“

Shelley nannte ihm eine Summe, die eher im unteren Bereich lag, denn sie wollte den Auftrag unbedingt haben.

„Das klingt angemessen. Wann können Sie anfangen?“

„Ich habe einen Vollzeitjob. Aber ich kann das ganze Wochenende arbeiten und …“

„Nein, das reicht mir nicht. Ich will, dass alles schnell erledigt ist, damit mich die Leute in Ruhe lassen. Kündigen Sie, und ich verdopple Ihr Angebot.“

Vor Überwältigung war Shelley sprachlos. So viel Geld würde bei ihren Zukunftsplänen einen großen Unterschied ausmachen.

„Ich verdreifache es“, erklärte Declan, der ihr Schweigen falsch deutete.

Sie traute ihren Ohren kaum. „Ich … ich wollte nicht …“

„Das ist mein letztes Angebot. Es dürfte das fehlende Einkommen aus Ihrem momentanen Job mehr als kompensieren.“

„Ja, das tut es. Und ich akzeptiere“, erwiderte sie aufgeregt. Die Arbeit in dem Gartenbaubetrieb gefiel ihr ohnehin nicht. Sie war langweilig, denn es wurden mit kleinen Abweichungen immer die gleichen modernen Gärten angelegt. Egal, wo sie waren. „Ich stehe unter Vertrag und habe eine einwöchige Kündigungsfrist.“ Bist du nicht ziemlich voreilig? Du weißt schließlich nichts von diesem Mann, meinte sie, ihre Schwester sagen zu hören.

„Es wäre mir sehr recht, wenn Sie früher anfangen könnten. Wenn ich mich einmal zu etwas entschlossen habe, will ich, dass es sofort in Angriff genommen wird.“

„Ich freue mich darauf, baldmöglichst mit dem Garten zu beginnen. Falls nötig, werde ich sieben Tage in der Woche arbeiten, damit er im Frühling fertig ist.“

„Gut.“ Er hob die Hand. „Noch eines. Ich möchte, dass niemand außer Ihnen den Garten bearbeitet.“

„Wie soll ich das verstehen?“

„Meine Privatsphäre ist mir sehr wichtig. Ich möchte nicht, dass andere auf meinem Grundstück herumstiefeln. Nur Sie.“

Shelley nickte. „Ich bin stark …“

„Das sehe ich.“

War es Einbildung, oder schwang in seiner Stimme eine ganz leise Bewunderung mit? „Aber bei einigen größeren Jobs brauche ich vielleicht Hilfe. Zum Beispiel, wenn es darum geht, einen Baum zu entfernen. Ich muss an meine Sicherheit denken. Auch würde das … zusätzliche Kosten bedeuten.“

„Okay. Ich möchte jedoch, dass diese Leute schnellstmöglich wieder verschwinden und sich nicht im Haus blicken lassen.“

„Natürlich.“

„Dann sind wir hier fertig.“ Declan stand auf, und Shelley erhob sich ebenfalls. „Informieren Sie mich, wann Sie anfangen können, und mailen Sie mir Ihre Unterlagen und das Angebot. Ich bestätige dann unsere Vereinbarung. Und legen Sie einen Zahlungsplan fest.“

Diese Aufforderung hatte etwas Beruhigendes. Oft mussten Gärtner erst ihre gesamte Leistung erbringen und darauf vertrauen, dass sie am Ende vergütet wurde. „Ich habe noch eine Frage. Ist da sonst noch jemand, mit dem ich über die Arbeit im Garten sprechen sollte? Ich … ich meine, ob Ihre Frau vielleicht etwas dazu sagen möchte, wie das eine oder andere gemacht werden sollte?“ Sie hatte es inzwischen gelernt, davon auszugehen, dass ein Mann verheiratet war, auch wenn er es nicht zugab. Also wo war Mrs. Grant?

„Ich habe keine Frau“, antwortete er nach ein paar Sekunden mit angestrengt und beherrscht klingender Stimme.

Trotzdem hörte Shelley, dass Trauer darin mitschwang, und verwünschte sich. Ihre Großmutter hatte ihr so oft erzählt, sie solle erst nachdenken, bevor sie redete. Doch diesen Rat befolgte sie längst nicht immer.

„Ich hoffe, Sie haben nichts dagegen, wenn ich morgens früh mit der Arbeit beginne“, wechselte sie auf dem Weg zur Haustür schnell das Thema und nahm sich vor, in Zukunft mit ihm nur noch über den Garten zu sprechen.

Declan hoffte, dass es richtig gewesen war, die hübsche Shelley als Gärtnerin zu engagieren. Am meisten zweifeln ließ ihn die Tatsache, dass er sie so attraktiv fand und sie ihn faszinierte. Bestimmt hätte es viele genauso kompetent wirkende Gärtner gegeben, die den Job akzeptiert hätten. Aber bei Shelley hatte er bereits bei der ersten Begegnung eine Leidenschaft für ihre Arbeit gespürt. Wenn er schon jemanden in Lisas Garten arbeiten sehen musste, dann sollte sie es sein.

Vor vier Jahren waren Lisa und er hier eingezogen. Sie hatte von dem perfekten Haus geträumt und dem perfekten Garten, und er war glücklich gewesen, ihr die Wünsche zu erfüllen.

„Erst das Haus“, hatte sie gesagt. „Danach kümmern wir uns um den Garten. Ich bin sicher, dass sich unter dem Wildwuchs etwas Wunderbares verbirgt.“

Doch dann war die Zeit des Träumens für sie abgelaufen, und der Garten hatte weiter vor sich hin gewuchert. Dabei wäre es auch geblieben, hätten ihn die Nachbarn nicht zum Handeln gezwungen. Shelley Fairhill würde völlig freie Hand haben – solange sie das tat, was Lisa gewollt hätte. Und wie ihm schien, würde sie genau das machen.

Er selbst würde die hübsche Gärtnerin kaum sehen, denn sie fing ihr Tagwerk gern früh am Morgen an, wie sie ihm erzählt hatte. Als unabhängiger Produzent von Computerspielen arbeitete er oft die Nächte durch, weil er mit Kollegen in anderen Zeitzonen kommunizierte. Shelley und er würden also über weite Strecken nicht zur selben Zeit auf sein, weshalb es nicht schwierig sein dürfte, den persönlichen Kontakt zu vermeiden. Genau so wollte er es haben.

Zumindest versuchte er, sich davon zu überzeugen. Diese blonde Amazone hatte etwas in ihm geweckt, das er lange nicht gespürt hatte. Nein, keine sexuelle Faszination. Er würde es sich nicht erlauben, sich von ihr um den Finger wickeln zu lassen. Deshalb würde er den gefährlichen Funken mit aller Macht austreten, bevor sich ein Feuer daraus entwickelte. Er hatte sich geschworen, dass keine andere Frau mehr in seinem Leben eine Rolle spielen sollte.

Aber er würde seinem kreativen Interesse nachgeben, das zum ersten Mal wieder erwacht war, seit er das Spiel „Alana“ verkauft hatte. Es hatte ihm nicht gefallen, was der Käufer aus der Prinzessin gemacht hatte. Doch hatte er nicht den Drang empfunden, sie zu ersetzen. Jedenfalls bis jetzt nicht.

Seit ihm Shelley begegnet war, hatte er angefangen, sich eine neue Heldin vorzustellen. Eine starke, furchtlose Frau mit langen blonden Haaren. Die vielleicht ein Laserschwert führt, überlegte er und verwarf den Gedanken sofort wieder. Das wäre nichts Neues. Prinzessin Alanas Flügel waren einzigartig gewesen. Seine neue Heldin musste ebenfalls etwas Einzigartiges haben.

Declan kehrte in sein Arbeitszimmer zurück, das sich fast über das ganze oberste Stockwerk erstreckte. Momente später begann er, auf seinem Grafik-Tablet ein weibliches Wesen mit einer honigfarbenen Mähne zu zeichnen.

3. KAPITEL

Nervös ging Declan in der Diele auf und ab und schaute ein ums andere Mal auf die Armbanduhr. Gleich würde Shelley eintreffen. Seit sie vor zehn Tagen zu dem Jobinterview hier gewesen war, hatte er sich immer wieder mit seiner Fantasiekriegerin befasst, die ganz langsam Gestalt annahm. In Kürze würde er seine Muse erneut leibhaftig vor sich sehen.

Um Punkt acht Uhr klingelte sie am Tor, und er drückte auf den Öffner. Danach machte er die Haustür auf, trat auf die Veranda und beobachtete, wie Shelley den Weg entlangschritt. Sie trug schwere Stiefel, kakifarbene Kleidung und einen verbeulten, breitrandigen Leinenhut, unter dem sie ihre blonden langen Haare verbarg. Außerdem hatte sie einen großen Sack dabei, in dem sich wohl ihr Werkzeug befand.

Auch heute strahlte sie Kraft und Lebendigkeit aus. Sie besaß die Art von frischer, natürlicher Schönheit, die ihn so ansprach. Selbstverständlich nur in Bezug auf seine Kreativität. Denn als Frau war sie tabu.

Nicht dass er ein Keuschheitsgelübde abgelegt hatte. Aber nach dem, was mit Lisa geschehen war, konnte er es sich nicht erlauben, einer Frau nahezukommen. Und das bedeutete keinen Sex, keine Beziehungen, keine Liebe.

„Guten Morgen, Mr. Grant“, sagte sie fröhlich und aufgeregt. „Was für ein herrlicher Sonnentag. Bestens geeignet, um mit dem Garten zu beginnen.“ Sie lächelte ihn an.

„Ich heiße Declan. Mr. Grant … das ist mein Vater.“ Und dieser war inzwischen Richter am Obersten Gerichtshof von New South Wales.

Es gab fast niemanden, der ihn mit Mr. Grant anredete. Und von jemandem, der gerade einmal zwei Jahre jünger war als er, wollte er bestimmt nicht so genannt werden. Sie war achtundzwanzig, wie er ihrem Lebenslauf entnommen hatte, den sie ihm zusammen mit sehr beeindruckenden Referenzen gemailt hatte.

„Okay, Declan. Und ich bin Shelley.“

„Dann haben wir das geklärt. Was hast du heute vor zu tun?“

„Ich will dem Wildwuchs etwas zu Leibe rücken und deinen Nachbarn zeigen, dass du es ernst meinst. Aber zuerst will ich mir genau anschauen, was hier Sache ist. Führst du mich herum?“ Sie stellte ihren Gerätesack ab.

Es wäre unhöflich, ihre Bitte abzulehnen. Außerdem musste er den schlechten Eindruck korrigieren, den er bei der ersten Begegnung hinterlassen hatte. Nicht nur, weil er ihr Arbeitgeber war, sondern auch, weil sie seine Inspiration war und er wollte, dass sie blieb.

„Ich kann dir nicht viel über den Garten sagen. Er war schon verwahrlost, als ich das Haus gekauft habe.“

„Lass die Pflanzen ruhig meine Sorge sein. Aber es spart Zeit, wenn du ihn mir zeigst und ich ihn mir nicht erst selbst erschließen muss.“

„Okay.“

„Gibt es einen Geräteschuppen? Werkzeug?“

„Ja, den gibt es, und ich erinnere mich dunkel, dass darin ein paar alte Geräte waren.“

„Dann wollen wir mal sehen, ob sie noch zu gebrauchen sind. Sonst nehme ich meine.“

„Das Haus stammt aus einem Nachlass“, erklärte er. „Eine alte Dame hat hier viele Jahre lang gewohnt …“

„Dann lag ich ja zur Hälfte richtig.“

„Was meinst du damit?“

„Ich habe spekuliert, dass hier eine alte Dame mit gebrochenem Herzen lebt, die sich nach dem Tod ihres Liebsten von der Welt abschottet. Oder dass es das Zuhause eines alten Griesgrams …“ Shelley schwieg unvermittelt und schlug die Hand vor den Mund. „Oh. Ich wollte nicht …“

„Tja, stattdessen hast du einen jüngeren Griesgram angetroffen.“

Sie errötete. „Es tut mir leid, das …“

„Du musst dich nicht entschuldigen. Ich bin mürrisch, brüsk oder unhöflich. Wie immer du es nennen willst. Insbesondere dann, wenn ich nicht geschlafen habe. Sei also vorgewarnt.“

„Ich verstehe nicht ganz.“

„Wie ich schon erzählt habe, arbeite ich von zu Hause aus. Ich bin bis weit nach Mitternacht online. Manchmal auch bis zum Morgen.“

„Kein Wunder, dass du griesgrämig wirst, wenn du nicht genug Schlaf bekommst.“

„Ich hole ihn tagsüber nach“, erwiderte Declan.

„Wie ein Vampir.“ Erneut schlug Shelley die Hand vor den Mund. „Es tut mir leid. Das wollte ich nicht sagen.“

„Dafür musst du dich genauso wenig entschuldigen. Ich finde, die Vorstellung hat was.“

„Ich … ich rede zuweilen … nein, oft, bevor ich denke. Man hat mir bereits mehrfach erklärt, ich solle vorsichtiger sein.“

„Du hast mich bisher in keiner Weise beleidigt.“

„Ich werde dich bestmöglich in Ruhe lassen.“

„Das wäre vielleicht eine Maßnahme.“

Aber warum gefiel ihm der Gedanke nicht, dass sie ihn meiden wollte? Er lebte hier schon lange allein und wollte es so haben. Häufig genug wurde er als Einsiedler bezeichnet, als unnahbar oder einschüchternd empfunden. Von Leuten, die keine Ahnung hatten von dem starken Schmerz, der ihn dazu getrieben hatte, sich hier zu verkriechen. Und die erwarteten, dass er über etwas hinwegkam, über das er nie würde hinwegkommen können. Für das er sich ewig verantwortlich fühlen und Vorwürfe machen würde.

„Was tust du zu so nachtschlafender Zeit?“

„Ich bin ein unabhängiger Produzent von Computerspielen.“ Seine andere Arbeit behielt er lieber für sich.

„So?“ Shelley winkte ab. „Ich habe keine Zeit für Computerspiele. Ich ziehe es vor, draußen zu sein, anstatt vor einem Bildschirm zu kleben oder aufs Display des Handys zu starren.“

Finster sah Declan sie an – das geschah nicht einmal mit Absicht, sondern eher aus Gewohnheit.

Shelley biss sich auf die Lippe. „Verflixt, es ist mir wieder passiert. Jetzt habe ich dich tatsächlich beleidigt.“

„Ich habe es nicht als Beleidigung aufgefasst.“

„Erfindest du Spiele? Das könnte Spaß machen.“

Declan empfand ihren Versuch, Interesse vorzutäuschen, zugleich als durchsichtig und liebenswert. „Das habe ich getan. Hast du von Alana gehört?“

„Nein. Ich habe früher mal ein Spiel mit einem kleinen roten Drachen gespielt. Aber wie ich schon erklärt habe, bin ich lieber draußen. Unter anderem deshalb bin ich Gärtnerin geworden. Sag, gibt es hier im Garten einen Springbrunnen? Das wäre fantastisch.“

„Ja, aber er funktioniert nicht.“ Declan setzte sich in Bewegung, und Shelley folgte ihm.

„Wahrscheinlich ist die Pumpe kaputt. Oder sie ist verstopft. Oder das Becken ist vielleicht undicht“, ergänzte sie.

„Du wirst es sicher herausfinden.“

„Ja. Ich will ihn unbedingt zum Laufen bringen. Ich liebe Wasserspiele im Garten. Sie sorgen für Bewegung und ziehen Vögel an.“

„Das war mir gar nicht bewusst.“

„Bei einem Garten geht es nicht nur um Pflanzen. Er soll ein Erlebnis für alle Sinne sein.“ Shelley blieb stehen, neigte den Kopf zurück und schnupperte. „Düfte sind auch wichtig. Hier ist irgendwo eine Daphne. Das ist ein kleiner Strauch mit winzigen pinkfarbenen Blüten, der im Winter blüht.“ Sie schloss die Augen und atmete tief ein. „Ja, eindeutig. Hier muss ein Seidelbast sein.“ Sie seufzte glücklich. „Riechst du ihn auch?“

In ihrem Gesicht spiegelte sich Sinnenfreude, wie Declan beunruhigt bemerkte. Ihr makelloser Teint war leicht gerötet, und ihre Lippen waren geöffnet, als würde sie einen Kuss erwarten. Auch besaß sie herrlich lange, dichte Wimpern. Sie war wirklich ausgesprochen schön.

„Ja, das tue ich“, antwortete er, nachdem er sich geräuspert hatte. „Er duftet süßlich.“

Shelley sah ihn an und lächelte. „Daphne ist dafür bekannt, launisch zu sein. Der Strauch kann jahrelang blühen und dann aus unersichtlichem Grund eingehen.“

„Tatsächlich?“ Nach wenigen Minuten in ihrer Nähe hatte er mehr über Gärten gelernt, als er je wissen wollte. „Die Vorbesitzerin dieses Hauses hieß Daphne.“

„Wie bezaubernd. Kein Wunder, dass hier irgendwo eine Daphne eingesetzt wurde. Es ist großartig, wenn es eine Pflanze gibt, die so heißt wie man selbst. Ich schenke Freunden oft eine, die deren Namen trägt. Ob es eine namens Declan gibt, muss ich erst noch herausfinden.“

„Bitte nicht. Ich möchte keine Pflanze im Garten, die Declan heißt.“

„In Ordnung. Declan ist vielleicht auch kein so toller Name für eine Pflanze. Er ist prima für einen Mann … Ausgezeichnet sogar …“ Sie verzog selbstkritisch das Gesicht. „Ich tue es schon wieder, oder?“

„Declan ist wirklich kein guter Name für eine Pflanze.“ Er sollte ärgerlich auf sie sein, doch stattdessen erheiterte sie ihn.

„Ich … ich bin in deiner Gegenwart nervös. Deshalb trete ich noch häufiger ins Fettnäpfchen als sonst.“

„Nervös?“

„Du wirkst so … so unnahbar.“

Es behagte ihm nicht, in welche Richtung sich die Unterhaltung entwickelte. „Ich kann nachvollziehen, wie du dazu kommst.“ Er hatte ein Kraftfeld um sich errichtet, das wie ein Schutzschirm funktionierte und schwer abzuschalten war, auch wenn es nur galt, eine Gärtnerin einzuweisen. Allerdings eine sehr attraktive Gärtnerin, die ihn nicht unberührt ließ.

„Weißt du, ich will diesen Job unbedingt gut machen. Der Garten hat irgendetwas an sich. Deshalb bin ich zur U-Bahn-Station immer wieder diesen Umweg gegangen, um ihn zu sehen. Ich bin deinen Nachbarn so dankbar, dass sie dich gezwungen haben, etwas zu unternehmen, und du mich deshalb engagiert hast.“ Ärgerlich schlug sie sich auf den Oberschenkel. „Nein, das wollte ich nicht sagen. Sondern dass ich dir so dankbar bin für die Chance, die nächsten Wochen hier arbeiten zu dürfen. Ich … ich will diese Chance nicht verspielen.“

„Das hast du nicht. Du hast mir schon gezeigt, dass ich richtig entschieden habe, dich mit dem Job zu beauftragen“, erwiderte er, und Erleichterung spiegelte sich in ihrem Gesicht.

„Im Ernst?“

„Im Ernst.“ Wäre er noch der Mann, der er einst gewesen war, hätte er sie vielleicht jetzt tröstend umarmt. Stattdessen setzte er sich wieder in Bewegung. Er wandte sich zum rückwärtigen Teil des Anwesens. Hier lag der riesige Garten, dessen Fläche es gerechtfertigt hatte, Millionen für das Grundstück zu zahlen.

„Erzähl mir von Daphne, der Vorbesitzerin. Hat sie den Garten angelegt?“

„Ich habe keine Ahnung. Es … war meine Frau, die sich für den Garten interessiert hat.“ Er würde sich nie daran gewöhnen, von Lisa in der Vergangenheit zu sprechen.

„Oh.“

„Meine Frau Lisa ist vor zwei Jahren gestorben.“ Am besten sorgte er gleich für Klarheit. Wenn die Leute hörten, dass er nicht mehr mit seiner Frau zusammenlebte, vermuteten sie meist zuerst, dass er geschieden war.

„Das … tut mir sehr leid“, erwiderte Shelley, nachdem sie einen Moment geschwiegen hatte.

Wie gut dass sie nicht fragt, weshalb sie gestorben ist, dachte Declan und wurde sich bewusst, dass er stehen geblieben war und schwer atmete. Er hasste es, wenn Fremde sich danach erkundigten. Als ob er mit ihnen darüber reden wollte. Als ob er je darüber reden wollte. Aber Shelley würde fünf Tage die Woche in diesem Garten sein. Besser, er erzählte ihr gleich alles, dann würde sie nicht an noch recht frischen Wunden rühren, indem sie Einzelheiten erfahren wollte oder unabsichtlich falsche Fragen stellte.

„Sie … Lisa … ist bei der Geburt gestorben“, stieß er hervor.

„Und … und das Baby?“, meinte Shelley kaum hörbar.

„Meine Tochter … Alice … ist ebenfalls gestorben.“

„Es tut mir so unendlich leid. Ich … ich weiß nicht, was ich sagen soll.“

„Sag nichts. Jetzt bist du im Bilde, was geschehen ist. Weiter will ich nicht darüber sprechen.“

„Wie kannst du nach … alledem hier wohnen?“

„Es war unser Zuhause. Ich bleibe hier, um die Erinnerung an sie wachzuhalten.“ Und um mich zu bestrafen.

4. KAPITEL

Shelley vermied es, Declan anzublicken. Sie konnte sich nicht ansatzweise den schmerzlichen Verlust vorstellen, den er erlitten hatte. Und sie hatte ihn als griesgrämig und unnahbar bezeichnet. Warum hatte sie nicht erkannt, dass er nicht etwa schlecht gelaunt war, sondern zutiefst traurig? Bei ihrer Begegnung vor zehn Tagen hatte sie einen Anflug von Trauer bei ihm wahrgenommen, es jedoch ignoriert.

Ja, sie war eine Expertin, was Pflanzen betraf, und konnte innerhalb von Sekunden sagen, was ihnen fehlte, wenn mit ihnen etwas nicht stimmte. Aber sie war nicht sehr gut darin, Menschen einzuschätzen. Irgendwie schienen ihr verbale und nonverbale Fingerzeige zu entgehen, die intuitivere Menschen mitbekamen. Kein Wunder, dass sie sich in Steve verliebt und an diesen Lügner und Betrüger geglaubt hatte. Sie hatte die Zeichen nicht bemerkt.

„Es war also deine Frau, die gesehen hat, dass der Garten freigelegt werden muss?“

Declan blickte in die Ferne und nickte.

„Nur hatte sie nicht mehr die Zeit dazu.“ Shelley ohrfeigte sich im Geiste. Konnte sie vielleicht auch einmal ein Fettnäpfchen auslassen? Ihr war, als würde ein Schatten über sein Gesicht huschen, als würden sich seine Augen dunkler färben.

„Ich habe dich deshalb engagiert, weil du praktisch das Gleiche über den Garten gesagt hast wie sie“, erklärte er schließlich.

Denk nach, bevor du redest. „Das … freut mich. Ich werde mein Bestes geben, um … das zu tun, was sie mit dem Garten machen wollte.“

„Gut. Sie hätte es gehasst, wenn man ihn umgraben und modern gestalten würde.“ Tief atmete er ein. „Womit alles gesagt wäre und wir nicht wieder darüber sprechen müssen.“

Declan setzte sich erneut in Bewegung, und Shelley folgte ihm. Sie verbot es sich, seinen breiten Rücken zu bewundern. Er war ein trauernder Witwer. Selbst wenn er es nicht wäre, war er tabu, denn er war ihr Arbeitgeber. Außerdem wollte sie zurzeit keinen Mann in ihrem Leben haben. Möglicherweise wollte sie es nie mehr.

Nach der katastrophalen Beziehung mit Steve war sie von Melbourne hierher nach Sydney geflüchtet. Und sie hatte beschlossen, dass sie gut auf den Schmerz verzichten konnte, den ein Mann unweigerlich verursachte.

Sie hatte auf die harte Tour gelernt, dass man Männern nicht vertrauen konnte. Zuerst bei ihrem Vater, der die Familie verlassen hatte, als sie dreizehn Jahre alt gewesen war. Dann bei Steve. Als die Beziehung in die Brüche gegangen war, hatte sie das so mitgenommen, dass sie sogar ihren Job nicht mehr hatte machen können. Nein, sie wollte nicht noch einmal eine solche Närrin sein.

Schließlich blieb Declan erneut stehen und deutete um sich. „Das ist der Garten, der meine Nachbarn so beunruhigt. Und der mir gefällt, weil er die Sicht auf sie völlig versperrt.“

„Das tut er zweifellos.“ Selbst die Dächer der umliegenden Häuser waren wegen des Wildwuchses kaum zu sehen. „Er muss prächtig gewesen sein und könnte es wieder werden. Und er ist so viel größer, als ich gedacht habe.“

„Entmutigt dich das?“

„Ein wenig“, gestand Shelley ehrlich ein. „Aber meine Freude über die Herausforderung überwiegt die Sorge, dass ich mich vielleicht übernommen habe.“

„Schön. Ich bin zuversichtlich, dass du es schaffst. Sonst hätte ich dich nicht engagiert.“

Seine Worte taten ihr gut. „Es ist ein herrlicher alter Garten, wie er heute nur noch selten angelegt wird. Er ist ein Kleinod.“

„Und als Erstes sieht man den Springbrunnen.“

„Ja, er ist sehr beeindruckend.“

„Und ausgetrocknet.“

Es war ein klassischer dreistufiger Springbrunnen mit einem großen rechteckigen Becken, das von einer niedrigen Sandsteinmauer umrandet wurde. Vor ihrem geistigen Auge sah Shelley Lotusblumen und Schwertlilien und ein paar Goldfische, die immer wieder an die Oberfläche des in der Sonne glitzernden Wassers drängten. Sie konnte es kaum erwarten, ihn wieder zum Laufen zu bringen.

Vom Springbrunnen führten gewundene Wege in mehrere Gartenräume, die von niedrigen, altmodischen Mauern eingerahmt und unterschiedlich bepflanzt waren. Überall lag vermoderndes Laub. Elegante alte Töpfe zierten die Ecken. Manche waren umgefallen und zerbrochen und gaben dem Garten einen Anstrich von Melancholie. Er schrie förmlich nach liebevoller Zuwendung. Und sie würde sie ihm schenken und ihm wieder zu seiner einstigen Pracht verhelfen.

„Wer immer diesen Garten gestaltet hat, wusste, was er tat, und besaß einen fantastischen Geschmack. Selbst in diesem verwilderten Zustand kann man die Anlage noch erkennen. Ihn neu zu beleben, ist eine echte Herausforderung, aber ich kann es kaum erwarten, mich ihr zu stellen.“

Declan nickte. „Wie es bei jeder Herausforderung ist, sollte man sie nach und nach bewältigen und nicht auf einmal. In diesem Fall Unkraut nach Unkraut.“

Sein Humor überraschte sie und machte sie einen Moment sprachlos. „Was in Hülle und Fülle vorhanden ist. Ich habe schon Trichterwinde entdeckt, die alles erstickt und schwer auszurotten ist, und Sauerklee, der auch nicht leicht auszumerzen ist. Außerdem …“ Sie verstummte, denn es interessierte ihn bestimmt nicht. „So viel zu den schlechten Pflanzen. Aber hier wachsen auch gute.“

„Zwischen all dem Unkraut?“

Ist er sarkastisch, fragte sich Shelley und bemerkte dann ein flüchtiges Lächeln. „Oh ja.“ Sie deutete zu der südlichen Gartengrenze. „Schau nur die großen Kamelien, sie sind mindestens sechzig Jahre alt und schützen dich vor den Blicken deiner Nachbarn. Die Sträucher haben herrliche Blüten und sind mit ihrem glänzenden grünen Blattwerk das ganze Jahr über eine Zierde.“

„Lass sie bloß dort. Die Frau, die nebenan lebt, ist besonders unausstehlich. Ich will nichts von ihr sehen.“

„Ich würde sie nie und nimmer herausreißen“, erwiderte sie entsetzt und erinnerte sich im nächsten Moment daran, dass er ihr Auftraggeber war. „Es sei denn, du würdest es wollen. Diese weiße Kamelie, die Camellia japonica ‚Alba Plena‘ um genau zu sein, ist einer meiner Lieblingssträucher.“

„Du wirst mich also mit Latein verwirren?“

„Natürlich nicht. Wenn Kunden die botanischen Namen nicht kennen, bleibe ich selbstverständlich bei den allgemeinen.“ Verflixt! „Ich will wirklich nicht arrogant erscheinen …“

„Meine Eltern sind Juristen. Bei uns zu Hause sind immer wieder lateinische Begriffe gefallen.“

„Dann kannst du Latein?“

Declan schüttelte den Kopf. „Ich hatte absolut kein Interesse daran, eine tote Sprache zu lernen. Stattdessen war ich fasziniert davon, alles darüber zu erfahren, wie Computer miteinander kommunizieren. Sehr zum Entsetzen meiner Eltern.“

„Sie wollten wahrscheinlich, dass du ebenfalls Jurist wirst“, meinte Shelley und bemerkte, wie er die Lippen zusammenpresste. „O…oder auch nicht.“

Das folgende Schweigen wurde ihr unangenehm. Aber sie würde in seiner Nähe wohl irgendwie damit klarkommen müssen. Denn er war ein wortkarger Mann und sie eine viel zu gesprächige Frau.

„Zurück zu den Kamelien. Vermutlich wird es in diesem Garten diverse Sorten geben. Hast du gewusst, dass Sydney einer der besten Orte ist, an denen Kamelien außerhalb ihrer Heimat China gedeihen?“

Sein Gesichtsausdruck verriet ihr, dass es ihm nicht bekannt gewesen war.

„Okay, das ist weit mehr, als du überhaupt hören wolltest, und ich langweile dich wahrscheinlich.“

„Nein, tust du nicht. Ich habe keine Ahnung, was das Gärtnern betrifft. Weshalb alles, was du erzählst, neu für mich ist.“ Er schaute sie lange an. „Schätzungsweise werde ich dazulernen, ob ich will oder nicht“, fügte er dann ironisch hinzu.

„Gut. Ich meine, es freut mich, dass ich dich nicht langweile. Ich liebe meine Arbeit, aber mir ist klar, dass nicht jeder ein Gartenfan ist. Also stopp mich, wenn ich zu viel rede.“

„Okay“, erwiderte er lächelnd.

Shelley blickte sich um. Zum einen, um das beunruhigende Lächeln nicht mehr zu sehen, und zum anderen, weil sie darauf brannte, noch weitere verborgene Schätze hier zu entdecken.

„Ich werde den Garten weiter erforschen und einen Aktionsplan aufstellen. Aber als Erstes werde ich heute die ziemlich krank wirkende Rose an der Hauswand beschneiden. Sie hat jetzt fast alle Blätter verloren, aber im Frühjahr wächst sie vermutlich so dicht zu, dass sie kaum noch Licht durch die Fenstern im zweiten Stock lässt.“

„Stimmt. Aber so gefällt es mir.“

„Oh. Habe ich die Erlaubnis, sie zu stutzen, und zwar massiv?“

Declan zuckte die Schultern. „Ich habe mich verpflichtet, den Dschungel zu beseitigen. Also leg los.“

„Du wirst es nicht bereuen. Die Lamarque ist eine bezaubernde alte Rose. Wenn sie wieder ganz gesund ist, wird sie im Frühling Hunderte weißer Blüten tragen.“

„Lisa würde es lieben“, sagte er, nachdem er einen Moment geschwiegen hatte.

Shelley schluckte. Es musste eine Qual für ihn sein, mit ihr über seine verstorbene Frau zu reden. Bestimmt hätte er Lisa nur zu gern jetzt an seiner Seite. „Wenn ich mit allem fertig bin, werden Haus und Garten sich gegenseitig zur Geltung bringen. Deine Nachbarn sollten sich freuen. Denn dieser Garten wird so umwerfend aussehen, dass es für sie bei einem Verkauf ihres Anwesens ein Argument sein wird, nebendran zu wohnen.“

„Da bin ich sicher. Auch wenn es mir total egal ist, was sie denken.“ Demonstrativ blickte er auf die Armbanduhr. „Jetzt muss ich aber wieder rein.“ Er drehte sich auf dem Absatz um.

„Kannst du mir erst noch den Geräteschuppen zeigen?“

Er blieb stehen und wandte sich wieder um. Ärger spiegelte sich in seinem Gesicht. „Er ist auf der Nordseite des Gartens.“ Schon lief er in die Richtung, und Shelley hatte Mühe, mit ihm Schritt zu halten.

Der solide gebaute Schuppen schien so alt zu sein wie das Haus. Die Tür war mit einem Riegel versehen und mit einem Schloss gesichert, das auch mit Gewalt kein bisschen nachgab. Declan fuhr sich mit der Hand durchs Haar. „Ich habe keine Ahnung, wo der Schlüssel ist. Ich muss ihn erst suchen.“

„Das wäre sehr nett.“

Shelley hoffte, dass darin einige brauchbare Geräte waren. Sie besaß nur eine Grundausrüstung und benutzte im Allgemeinen die Utensilien ihres Auftraggebers. Gern würde sie sich die Kosten für das Ausleihen von größeren Arbeitsgeräten sparen.

„Entschuldigung“, sagte sie, als er sich umdrehte. „Noch ein Letztes, bevor du gehst. Gibt es irgendwo … eine Toilette? Ich werde den ganzen Tag über hier arbeiten und …“

„Auf der anderen Seite des Hauses ist ein kleines separates Apartment, dessen Badezimmer du benutzen kannst. Ich hole auch davon den Schlüssel. Die Wohnung hat eine Verbindungstür zum Haus, die aber verschlossen ist.“

„Vielen Dank.“

„Es könnte eine Weile dauern, bis ich fündig geworden bin. Unternimm ruhig schon mal einen Erkundungsgang durch den Garten.“

Shelley beobachtete, wie er auf das Haus zuschritt. Trug er immer schwarze Kleidung? Oder drückte er so seine Trauer aus? Jedenfalls machte er in den Jeans und dem Pulli eine ausgezeichnete Figur. Wie kam er wohl zu dem herrlich muskulösen Körper, wenn er täglich viele Stunden am Computer saß? Energisch wandte sie sich um. Es wäre zu peinlich, wenn er sie dabei ertappte, wie sie seine breiten Schultern bewunderte oder seinen knackigen Po.

Mit aufmerksamem Blick schlenderte sie durch den Garten, den man dank Sydneys mildem Klima auch im Winter bearbeiten konnte. Plötzlich sah sie etwas Violettes und blieb stehen. Ein vereinzeltes Stiefmütterchen blühte vor einer Steinmauer. Irgendwie hatte es seinen Weg dorthin gefunden. Es gehörte da nicht wirklich hin, aber sie würde es ganz bestimmt nicht entfernen.

Sie hatte gelernt, in der Natur mit Überraschungen zu rechnen und sie nach Möglichkeit willkommen zu heißen. Declan ist auch eine Überraschung, schoss es ihr durch den Kopf, und sie versuchte, den Gedanken zu verdrängen. Er war ihr Boss und ein Witwer. Und er ist nicht dein Typ.

Sie hatte mit zwei Arten von Männern Erfahrungen gesammelt. Den Langweilern, denen sie das Herz gebrochen hatte, und den Bösewichten, die ihr das Herz gebrochen hatten. Declan dürfte in keine dieser Kategorien fallen. Er war ein Mann, der seine Frau offenkundig geliebt hatte und ihr Andenken in Ehren hielt.

Er war mit Sicherheit niemand, der log und betrog. Wie Steve, der sie umworben hatte. Und erst als sie sich total in ihn verliebt hatte, hatte sie herausgefunden, dass er verheiratet war.

Seine Frau hatte sie aufgespürt, hatte sie beschimpft und gewarnt. Dann war ihr klar geworden, dass Steve die Tatsache, dass er verheiratet war, offensichtlich verschwiegen hatte. Daraufhin hatte sie Shelley erst ärgerlich, dann mitleidig und schließlich abschätzig betrachtet.

Übelkeit stieg immer noch in ihr auf, wenn sie an den Tag dachte, an dem ihre Welt eingestürzt war. An dem sie hatte erkennen müssen, dass sie einem charmanten Lügner und Betrüger aufgesessen war. Dass sie die Geliebte eines verheirateten Mannes war und nicht etwa eine angehende Verlobte. Die Wut seiner Frau konnte sie verstehen. Insbesondere, als sie erfuhr, dass sie nicht sein erstes Verhältnis war und vermutlich nicht das letzte sein würde. Natürlich hatte sie Steve, der tatsächlich geglaubt hatte, er könnte sie mit Schmeicheleien zurückgewinnen, die Tür vor der Nase zugeschlagen.

In dieser Aktion lag das einzige ansatzweise Tröstliche, das sie aus dieser Episode ihres Lebens zog. Sie hatte sich anständig verhalten, nachdem sie die Wahrheit erfahren hatte. Nicht wie die Freundin ihres Vaters, die ihn gewissenlos von der Familie weggelockt hatte.

Tief atmete Shelley zur Beruhigung ein und wandte die Aufmerksamkeit wieder dem Garten zu. Es würde wunderbar sein, ihn zu bearbeiten und zum Blühen zu bringen.

5. KAPITEL

Declan fand die Schlüssel schneller, als er gedacht hatte. Allerdings brauchte er dann noch einen langen Moment, bevor er sie an sich nehmen konnte, denn Lisa hatte die Anhänger beschriftet. Bestimmt wäre sie aber froh, dass sie jetzt endlich benutzt wurden.

Auf der Veranda vor dem Haus ergriff er Shelleys Sack und fluchte, als er merkte, wie schwer er war. Mit dem Sack auf dem Rücken kehrte er in den Garten zurück. Dort stellte er ihn ab, blickte sich nach ihr um und entdeckte sie in dem ein Meter tiefen Becken des Springbrunnens. Sie stiefelte darin mit kritischem, leicht angewidertem Gesichtsausdruck herum, als hätte sie etwas Übles entdeckt.

Erstmals empfand Declan einen Anflug von Scham darüber, dass er den Garten so hatte verkommen lassen. Die Vorbesitzerin war lange krank gewesen, hatte ihr Haus jedoch nicht aufgeben wollen. Aber es hatte an Geld und Begeisterung gefehlt, das Anwesen instand zu setzen. Sobald Lisa und er hier eingezogen waren, hatte er veranlasst, dass der Rasen regelmäßig gemäht wurde. Doch selbst ihm, der er nichts vom Gärtnern verstand, war klar gewesen, dass das nicht genug war.

Ein paarmal hatte er zu Lisa gesagt, dass sie vielleicht den Garten in Angriff nehmen sollten. Aber ein ums andere Mal hatte sie ihm erklärt, dass sie sich zuerst auf das Haus konzentrieren müsse. Alles sollte perfekt werden – Kompromisse waren einfach nicht ihr Ding.

Ihr plötzlicher Tod stürzte ihn dann in solche Trauer und Verzweiflung, dass es ihm egal war, ob der Garten lebte oder zugrunde ging. Es war ihm egal gewesen, ob er lebte oder zugrunde ging. Aber jetzt, selbst mit totem Herzen, wusste er, dass Lisa nicht glücklich darüber wäre, wie sehr er den Garten vernachlässigte, für den sie so große Pläne gehabt hatte.

Vielleicht war es gar nicht so schlecht, dass die Nachbarn sich inzwischen einmischten. Und welch glücklicher Zufall, dass Shelley bei ihm vorbeigeschaut hatte. Auch wenn er das anderen gegenüber niemals eingestehen würde.

Als er sich dem Brunnen näherte, blickte sie zu ihm und lächelte ihn an, ohne jeden Hintergedanken. Er kannte den Unterschied. In seiner Anfangszeit als reicher Witwer war er allzu oft auf diese gewisse Art angelächelt worden – aus Gier oder Berechnung oder um zu verführen. Auch aus diesem Grund hatte er sich zurückgezogen und hier abgeschottet. Er wollte sich nicht verabreden, sich mit niemandem einlassen und nicht wieder heiraten – und kein Mensch würde ihn umstimmen können, egal, wie groß die Verlockung sein würde.

„Komm rein, das Wasser ist herrlich“, forderte Shelley ihn leise lachend auf.

Declan betrachtete die schmutzige Lache, die sich in einer Ecke des Betonbeckens gebildet hatte. „Diese Aussage würde ich nicht unterschreiben.“

Er gedachte, Distanz zu wahren und den Zustand des Brunnens auf professionelle Weise von Arbeitgeber zu Arbeitnehmerin zu diskutieren. Aber zu seiner eigenen Überraschung sprang er einfach ins Becken, dessen Boden alles andere als sauber war.

„Gib auf die hübschen Stiefeletten acht.“

Er beherzigte ihren Rat und trat etwas von einer besonders dreckigen Stelle weg. Wodurch er automatisch Shelley näher kam. Zu nah, denn er roch ihren blumigen Duft, der nicht zu ihrem eher männlichen Kleidungsstil passte. Schnell machte er einen Schritt zurück. Wenn seine italienischen Designerstiefeletten Schaden nahmen, würde er ein neues Paar im Internet bestellen.

„Wie lange ist das Wasser schon hier drin?“

„Gestern hat es geregnet.“ Er hatte die Tropfen auf das Schieferdach des Turms trommeln hören, als er sich in den frühen Morgenstunden in seinem Schlafzimmer hingelegt hatte.

„Ich frage das, um abzuschätzen, wie groß das Leck ist. Es sind keine sichtbaren Risse vorhanden. Aber es könnte noch andere Gründe geben, warum der Brunnen Wasser verliert. Möglicherweise hat sich der Boden gesenkt, oder das Becken ist mit den Jahren rissig geworden.“

„Du scheinst echt Ahnung zu haben.“

„Reine Mutmaßungen.“ Sie zuckte die Schultern.

„Und was hältst du nun von ihm?“

„Er ist in einem schlechten Zustand. Da er aber noch Wasser von gestern hat, besteht immerhin noch Hoffnung. Ihn wieder auf Vordermann zu bringen, dürfte teuer werden.“

„Wie teuer?“

„Das kann letztlich nur ein Experte beurteilen. Wie alt ist das Haus?“

„Es wurde 1917 gebaut.“

Shelley nickte. „Der Springbrunnen ist alt, aber schätzungsweise nicht ganz so alt. Der Garten macht den Eindruck, als wäre er in den Dreißiger- oder Vierzigerjahren entstanden. Ich denke, der Gestalter hat sich von Enid Wilson inspirieren lassen, sie ist wahrscheinlich die berühmteste Landschaftsgärtnerin Australiens. Sie hat hauptsächlich Gärten in Victoria angelegt. In den Zwanzigerjahren hat sie angefangen und war bis zu ihrem Tod in den Siebzigerjahren aktiv.“

„Tatsächlich.“

Sie hatte ihm zwar gesagt, er solle sie stoppen, wenn sie zu viel redete. Aber ihm gefielen ihre Minivorträge. Sie war mit Leidenschaft bei der Sache und wirkte so lebensprühend.

Selbstironisch verzog sie das Gesicht. „Sorry. Das war vermutlich mehr, als du hören wolltest. Ich habe an der Uni eine Arbeit über Enid Wilson geschrieben. Dieser Garten spiegelt ihren Stil. Es hat viele Nachahmer gegeben. Vielleicht stammt der Beton aus der Zeit, als solche Gärten modern waren.“

„Was schlägst du hinsichtlich des Brunnens vor? Ihn zu sprengen?“

„Nein!“, stieß sie entsetzt hervor und sah Declan an. „Du veralberst mich, oder?“

„Ja, tue ich.“ Sein Versuch, witzig zu sein, war wohl mangels Übung etwas kläglich ausgefallen.

„Erschreck mich nicht so. Ich bin sicher, dass der Brunnen wieder funktionstüchtig gemacht werden kann. Ich lasse die Pumpe austauschen, und die Leitungen müssen erneuert werden. Aber ich habe keine Ahnung, wie der Beton repariert werden kann. In jedem Fall sollte die Sandsteinmauer erhalten werden.“

Kritisch betrachtete Declan den Springbrunnen. „Lohnt sich die Reparatur?“ Konnte etwas so Beschädigtes je wieder richtig zum Leben erweckt werden? Wie ist es bei einem stark beschädigten Herzen?

„Ich denke schon.“

„Wäre es kostengünstiger, ihn zu ersetzen?“

Shelley runzelte die Stirn. „Vielleicht. Aber der Springbrunnen ist der Blickfang im Garten, und die Sandsteineinfassung entspricht den anderen Mauern hier.“

„Also wird sie zu einem visuellen Bindeglied“, erwiderte Declan und bemerkte, wie sehnsüchtig Shelley den einst prächtigen Brunnen anschaute.

„Es wäre so schade, wenn man nicht versuchte, ihn zu sanieren. Ich hasse es, wenn etwas Altes und Schönes einfach beseitigt wird. Etwas, das noch immer das Auge und die Seele erfreuen könnte.“

Er wollte nicht derjenige sein, der sie betrübte. Aber er wollte sich auch nicht zu sehr engagieren. „Okay. Also streben wir eine Wiederherstellung der alten Schönheit an.“

„Da bin ich froh.“

Declan beobachtete, wie ihre braunen Augen aufleuchteten, und einen furchterregenden Moment lang dachte er, sie wollte ihn umarmen. Schnell trat er etwas von ihr weg. Seit dem schrecklichen Tag, an dem er Lisa verloren hatte, war er keiner Frau seines Alters mehr nähergekommen. Benommen von Schmerz, Wut und Unglaube, hatte er sich von dem freundlichen Personal im Krankenhaus umarmen lassen. Dann hatte er steif dagestanden, als seine Mutter ihn zu trösten versucht hatte – viel zu spät, als dass er es hätte akzeptieren können. Die einzige Frau, deren Umarmung er bereitwillig erwidert hatte, war die seiner ehemaligen Nanny gewesen – sie war ihm viel mehr Mutter und Vater gewesen als die Menschen, die sich seine Eltern nannten. Jeannie hatte ihn festgehalten, während er unter Tränen begriffen hatte, dass es Lisa und das Kind, das er sich so sehr gewünscht hatte, nicht mehr gab. Dass sein Leben ab nun freudlos und leer sein würde.

Jetzt würde er nicht mit Umarmungen anfangen. Vor allem nicht bei dieser Frau, die seine schöpferischen Kräfte aus dem Tiefschlaf geweckt hatte. Die er trotz größter Anstrengung, innerlich auf Abstand zu bleiben, liebenswürdig fand.

„Erwarte nicht, dass ich mich engagiere. Alles liegt bei dir. Ich vertraue dir, dass du es hinbekommst.“

„Ich verstehe.“ Warmherzig blickte sie ihn an.

Wirklich? Konnte sie ihn verstehen? Er hatte sich hier die letzten zwei Jahre total abgeschottet. Die Vorstellung, dass Handwerker seine Privatsphäre störten, behagte ihm gar nicht. Shelley war eine Ausnahme. Aber wenn er etwas initiierte, wollte er, dass es zu einem Ende geführt wurde. Zumindest wenn es in seiner Macht lag. Den Tod von Lisa und ihrem gemeinsamen Kind hatte er nicht verhindern können. Und das hatte sein Leben völlig verändert.

„Zieh Fachleute hinzu“, erklärte er schroff. „Aber halt sie mir vom Leib. Ich will nicht, dass sie hier überall herumstiefeln.“

„Ich tue mein Bestes. Allerdings dürften sie sich kaum gern an die Leine legen lassen“, antwortete sie mit einem Lächeln, das er zögerlich erwiderte.

„Ich bin sicher, dass du einen Weg finden wirst, um sie gefügig zu machen.“

Schließlich war es ihr ja auch gelungen, einen Weg in Declans Festung zu finden, wie seine Mutter sein Zuhause nannte. Plötzlich wurde ihm bewusst, dass er, seit er Shelley kennengelernt hatte, so viel gelächelt hatte wie schon lange nicht mehr.

Sie lachte. „Ich werde ihnen bestimmt beibringen, wer die Chefin ist. In meinem Job habe ich mir schon oft Respekt verschaffen müssen. Also keine Sorge. Wenn einer nur einen Witz über Blondinen reißt, ist er weg von hier, bevor er weiß, wie ihm geschieht.“

Declan stieg aus dem Becken. Er zweifelte nicht im Mindesten daran. Einen Moment lang überlegte er, ob er Shelley heraushelfen sollte. Nein, er wollte sie lieber nicht anfassen.

Darüber nachzudenken, war ohnehin unnötig gewesen, denn sie schwang sich athletisch über die Mauer. Vermutlich war sie eine Frau, die sich nie auf einen Mann verlassen musste. Trotzdem weckte sie seinen Beschützerinstinkt.

„Haben wir alles geklärt?“, fragte er brüsk. „Ich muss nämlich an die Arbeit zurück.“ Nicht dass es etwas gab, das unbedingt jetzt erledigt werden musste. Aber er wollte nicht so viel Zeit in der Nähe dieser Frau verbringen. „Ich schließe dir noch den Geräteschuppen auf.“ Er holte den Schlüssel aus der Hosentasche. „Dann verschwinde ich ins Haus.“ Wo er ihre faszinierenden braunen Augen nicht mehr sah und den blumigen Duft nicht länger roch.

Declan benötigte mehrere Versuche, bis er die Tür endlich geöffnet hatte. Die Unordnung im Schuppen war gewaltig, wenngleich wenig überraschend. Er erblickte Bänke und Regale, zahlreiche größere und kleinere Gartengeräte sowie alte Büchsen, Flaschen und Pflanztöpfe. Und natürlich waren da Spinnweben zuhauf.

„Das ist ja ein richtig altmodischer Gärtnerschuppen“, rief Shelley begeistert, während sie ihn betrat.

Sie nahm den Stoffhut ab und verstaute ihn in der Tasche ihrer Cargohose. Die blonden Haare hatte sie hochgesteckt. Sie glänzten golden in der Morgensonne, die zu den Fenstern hereinschien. Momente später löste sich eine widerspenstige Strähne und fiel ihr in die Stirn, wie Declan bemerkte. Energisch schob er die Hände in die Jeanstaschen, damit er nicht in Versuchung geriet, ihr die Haare wegzustreichen.

„Pass auf die vielen Spinnen auf“, warnte er sie, als sie neugierig immer weiterging. Seiner Erfahrung nach fürchteten sich die meisten Frauen davor.

Shelley drehte sich zu ihm um. „Ich wäre nie Gärtnerin geworden, wenn ich Angst vor kleinen Spinnen hätte.“

„Was ist mit großen?“ Er konnte nicht widerstehen, sie zu necken, aber sie nahm seine Frage ernst.

„Ich bin immer noch sehr viel größer als die größte Spinne.“

„Alles klar.“ Kurz blickte er auf ihre Stiefel, mit denen sie jede noch so aggressive Spinne zertreten konnte.

„Aber mit Schlangen verhält es sich etwas anders … Ich bin auf einem Anwesen in der Nähe von Lithgow westlich der Blue Mountains aufgewachsen. Dort haben wir oft welche gesehen. Ich habe sie mit meinem Pferd übersprungen.“ Sie schüttelte sich. „Ich habe mich nie an sie gewöhnt.“

„Bist du schon immer so mutig gewesen?“

„Komme ich dir so vor? Dann fühle ich mich geschmeichelt. ...

Autor

Kandy Shepherd
<p>Kandy Shepherd liebte das Schreiben schon immer. Um ihrer Leidenschaft auch beruflich nachzukommen, wandte sie sich dem Journalismus zu, arbeitete für angesehene Frauenmagazine und machte sich in dieser Branche als Redakteurin schnell einen Namen. Sie mochte ihren Job – doch noch lieber wollte sie Geschichten schreiben! Also ließ sie den...
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