Cora Collection Band 68

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ES BEGANN IN DER HOCHZEITSNACHT von RACHEL BAILEY
Die Hotelsuite, zu der Damon Blakely sie führt, hat nur ein Schlafzimmer. Lily überläuft es heiß, als der mächtige Unternehmer sie über die Schwelle trägt. Sofort hat sie wieder vor Augen, wie sie einander geliebt haben. Doch das darf nicht passieren. Sie haben doch eine Zweckehe vereinbart!

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EINE NACHT DER LEIDENSCHAFT von JACQUELINE BAIRD
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  • Erscheinungstag 04.08.2023
  • Bandnummer 68
  • ISBN / Artikelnummer 9783751517140
  • Seitenanzahl 400
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Rachel Bailey, Mindy Neff, Jacqueline Baird

CORA COLLECTION BAND 68

1. KAPITEL

Vorsichtig legte Lily Grayson sich die Hand auf den noch flachen Bauch und sah sich in dem großen Saal um, der ihr nur allzu vertraut war. Von der hohen Decke hingen funkelnde Lüster herab. Bei dem lebhaften Geplauder der festlich gekleideten Gäste war das im Hintergrund spielende Streichquartett kaum zu hören. Bei dieser Geburtstagsfeier mochte keiner, der in der Gesellschaft etwas zu sagen hatte, fehlen. Alle schienen sich blendend zu amüsieren. Nur Lily war alles andere als in Festtagsstimmung.

Nervös musterte sie die Gäste. Wo war er nur, der Mann, mit dem sie dringend sprechen musste? Der Mann, den sie einst geliebt, dem sie aber nie restlos vertraut hatte: Damon Blakely, der Multimillionär. Von Männern gefürchtet und von Frauen begehrt.

Ein Kellner blieb vor ihr stehen und sah sie fragend an. Lily warf einen kurzen Blick auf das Tablett mit Champagnergläsern, schüttelte den Kopf und sah sich weiterhin in dem Saal um. Ganz sicher war doch auch Damon zum sechzigsten Geburtstag seines Onkels Travis Blakely erschienen. In den sechs Monaten, in denen sie mit Damon zusammen gewesen war, hatten sie den Onkel häufiger in seinem Haus hier in Melbourne besucht. Aber seit ihrer Trennung vor drei Monaten war Lily nicht mehr hier gewesen. Sie war diejenige gewesen, die Schluss gemacht hatte, weil sie Damons Unzuverlässigkeit nicht mehr ertragen hatte. Dauernd ließ er Verabredungen platzen, auch in Situationen, in denen sie ihn sehr gebraucht hätte. Seine Arbeit ging immer vor.

In diesem Zusammenhang musste sie an ihre geliebte Großmutter denken, die eigentlich von der Hilfe der Enkelin abhängig war, es aber nicht zugeben wollte. Obwohl sie bei ihrem angegriffenen Gesundheitszustand nicht allein leben sollte, weigerte sie sich, mit Lily zusammenzuziehen. Gran liebte ihre Unabhängigkeit, und Lily wusste nicht, wie sie ihr helfen konnte.

Aber im Augenblick gab es Wichtigeres. Sie musste Damon finden.

Wieder stellte sie sich auf die Zehenspitzen und ließ den Blick über die Menge schweifen. Die Frauen in den prächtigen Abendroben, die Männer in den Smokings, das oberflächliche Geplauder über die immer gleichen Themen, das Klingeln der Champagnerkelche – das alles war nicht ihre Welt, und Lily wäre am liebsten möglichst bald verschwunden. Aber dies war Damons Welt, und sie musste ihn unbedingt sprechen.

Langsam drehte sie sich um die eigene Achse, blieb dann aber mit klopfendem Herzen abrupt stehen. Nur wenige Schritte entfernt stand Damon Blakely, ein Glas Rotwein in der linken Hand, die rechte ausgestreckt, da er ständig neue Gäste begrüßen musste. Dabei lächelte er zuvorkommend, hielt aber die Augen ständig auf Lily gerichtet, diese unverwechselbaren Augen mit dem schwarzen Ring um die eisblaue Iris.

Ein heißer Schauer erfasste Lily, sie erbebte am ganzen Körper. Schnell senkte sie die Lider, um ihre Erregung zu verbergen, doch dann musste sie die Augen beinah gegen ihren Willen wieder öffnen. So sehr sehnte sie sich nach seinem Anblick. Immer schon hatte er diese Wirkung auf sie gehabt.

Da Damon größer als die meisten Gäste war, blickte er auch auf sie herunter. Wie viel einfacher wäre es gewesen, wenn sie gleich zu Anfang von den Eingangsstufen aus die Menge nach seinem pechschwarzen Haarschopf abgesucht hätte. Oder – bei diesem Gedanken errötete sie leicht – sie hätte ihrem Körper die Führung überlassen sollen. Er hätte bestimmt den Weg gefunden, denn sie war immer wie magisch von diesem Mann angezogen worden.

Nachdem er ein paar abschließende Worte mit einem rundlichen Mann gewechselt hatte, wollte Damon sich zu Lily umwenden. Doch dann wurde er von einem distinguiert aussehenden Herrn angesprochen, einem Politiker, dessen Bild Lily schon ein paar Mal in der Zeitung gesehen hatte.

Auch gut, da habe ich einen Moment Zeit, mich zu sammeln, dachte Lily, trat ein paar Schritte zurück und lehnte sich aufatmend gegen eine kühle Säule. Damon würde sie ansprechen, da war sie mittlerweile ganz sicher. Eigentlich merkwürdig, auch nach der Trennung fühlte er sich offenbar noch von ihr angezogen. Während sie die Menge um sich herum betrachtete, wurde ihr wieder bewusst, wie wenig sie mit diesen Menschen, der High Society von Melbourne, gemein hatte und wie gleichgültig ihr dieses Leben war. Sie war bei Gran aufgewachsen, die ganz andere Sorgen hatte. Seit nämlich ihr Sohn, Lilys Vater, das Familienvermögen verspielt hatte, hatte die geliebte Großmutter große Schwierigkeiten gehabt, der Familie das Dach über dem Kopf zu erhalten. Seit der Zeit hatte Lily keinen anderen Wunsch, als in finanzieller Sicherheit zu leben.

Der Duft von zu vielen verschiedenen Parfüms stieg ihr in die Nase, und ihr wurde schwindelig. Leicht lehnte sie den Kopf zurück. Weg, nur weg hier! schoss es ihr durch den Kopf. Aber sie musste mit Damon reden. Hoffentlich konnte sie dieses Gespräch, das ihr sehr bevorstand, bald hinter sich bringen. Was Damon wohl zu der Neuigkeit sagen würde, die sie ihm eröffnen wollte?

Endlich verabschiedete er sich von dem Politiker und wandte sich zu Lily um. Mit wenigen Schritten war er bei ihr. Ohne etwas zu sagen, musterte er sie langsam von oben bis unten, dann trank er den Rotwein aus und stellte das Glas ab. Immer noch schweigend, nahm er sie beim Ellbogen, beugte sich vor und drückte ihr einen Kuss auf die Wange, besser gesagt, auf den Mundwinkel, eine Geste, die eigentlich zu intim war, zumindest hier in der Öffentlichkeit. Aber Damon Blakely hatte sich noch nie um die Meinung anderer Leute gekümmert.

„Hallo, Lily“, sagte er, und seine Stimme klang so wunderbar tief und maskulin, dass Lily wohlig erschauerte. „Du siehst fantastisch aus.“

Obwohl Lily inzwischen gelernt hatte, dass man seine Komplimente nicht für bare Münze nehmen durfte, beschleunigte sich ihr Puls. Doch sie ließ sich nichts anmerken. „Hallo, Damon“, erwiderte sie freundlich. „Auch du kannst dich nicht beschweren. Aber ein Smoking stand dir schon immer gut.“

Er lächelte leicht und fixierte sie mit diesen irritierenden blauen Augen. „Und ich hoffte schon, ich hätte dir ohne Smoking besser gefallen.“

Sofort hatte sie vor Augen, wie sie und Damon sich auf dem großen Bett liebten: seinen muskulösen Körper und die sonnengebräunte Haut, die einen erregenden Kontrast zu ihrem schlanken Körper und ihrem hellen Teint darstellten … Verlangen erfasste sie, und sie biss schnell die Zähne zusammen, während sie Damon mit einem Ruck den Ellbogen entzog. Zu diesen vertraulichen Berührungen hatte er kein Recht mehr.

Fragend hob er eine Augenbraue, dann nickte er kaum merklich. Er hatte verstanden und war nicht beleidigt. Während er das Gewicht auf ein Bein verlagerte, schob er eine Hand in die Hosentasche und sah Lily lächelnd an, sexy und selbstbewusst wie immer.

Panisch sah sie sich um. Bevor sie noch vollkommen die Nerven verlor, musste sie ihm unbedingt von ihrem Baby erzählen. Aber wo? Sie brauchte einen Ort, wo sie mit ihm allein war und keiner mithören konnte.

Lächelnd beugte Damon sich jetzt zu ihr herunter und flüsterte ihr ins Ohr: „Ich muss unbedingt etwas mit dir besprechen. Allein.“

Verblüfft starrte sie ihn an. Woher wusste er …? Hatte er es erraten? Nein, das war nicht möglich. Man sah ihr noch nichts an, und jetzt, nach vierzehn Wochen, hatte sie auch nicht mehr mit Übelkeit zu kämpfen. Und da außer ihr keiner wusste, dass sie schwanger war, konnte er keine Ahnung haben. Aber er wollte mit ihr allein sprechen, sehr gut. Das passte vorzüglich in ihre Pläne. „Wann?“, entgegnete sie ebenso leise.

„Wie wäre es mit gleich?“

Gleich? Die Knie wurden ihr weich, aber sie bewahrte die Fassung. „Wo?“

Statt einer Antwort nahm er sie bei der Hand und zog sie mit sich. Erst wollte Lily sich sträuben, doch dann gab sie nach. Offenbar hatte er noch nicht ganz begriffen, dass er sie nicht berühren sollte. Nun gut, dieses eine Mal würde sie es ihm noch durchgehen lassen. Außerdem bedeuteten diese Berührungen ja nichts. Damon ging mit allen Frauen ähnlich um, und alle verfielen sie ihm und seinem sinnlichen Charme. Aber ihr kam es auf ganz andere Eigenschaften an, das sollte sie sich unbedingt wieder ins Gedächtnis rufen, wie sie sich insgeheim ermahnte. Ein Mann musste zuverlässig und vertrauenswürdig sein, für ihn sollten die Bedürfnisse anderer wichtiger sein als die eigenen. Diese Qualitäten suchte man bei Damon Blakely jedoch vergebens, und Lily wusste, dass er sich nie ändern würde.

Über einen langen Flur gelangten sie in den hinteren Teil der großen Villa, in der Damon aufgewachsen war. Er schob die schweren Glastüren zu der Privatgalerie des Onkels auf und schaltete das Licht ein.

Lily war überwältigt. Da sie selbst als Kuratorin in einer Kunstgalerie arbeitete, konnte sie den Wert dieser Kunstwerke ganz gut einschätzen. Staunend betrachtete sie die Gemälde an den Wänden und strich beinahe andächtig über eine der vielen Glasvitrinen, die antike Schmuckstücke enthielten.

„Wir sind schon lange nicht mehr allein gewesen“, bemerkte Damon leise. „Wie lange eigentlich?“

Sie war zusammengezuckt, drehte sich aber nicht zu ihm um, als sie antwortete: „Fast drei Monate.“ Jetzt spürte sie, wie er hinter sie trat, und wandte sich ihm langsam zu.

Spielerisch griff er nach einer ihrer hellblonden Strähnen. „Wie ist es dir in der Zwischenzeit ergangen? Wie geht es Gran?“

„Mir geht es gut, danke.“ Sie räusperte sich kurz. Wenn ihr die Stimme doch nur besser gehorchen würde. „Gran hatte ein paar ernsthafte Probleme, aber es scheint ihr langsam wieder besser zu gehen.“

Zumindest gesundheitlich. Allerdings konnte Lily sich nicht vorstellen, wie Gran all die Arztrechnungen mit ihrer kleinen Rente bezahlen sollte, und das bereitete ihr große Sorgen. Die Großmutter hatte schon so viel ertragen müssen. Sie hatte den Sohn verloren, dann das Haus und war oft krank gewesen. Das war alles viel zu viel für die gebrechliche alte Dame.

Zärtlich strich Damon ihr über die Wange. „Das war sicher alles sehr schwer für dich.“

Lily konnte nur nicken. Damons Geste verwirrte sie, und gleichzeitig musste sie an die schwierige Situation der Großmutter denken.

„Wahrscheinlich lässt sie sich nach wie vor nicht von dir helfen, was?“, fragte er leise.

Um sich seiner sinnlichen Ausstrahlung zu entziehen, trat Lily hastig ein paar Schritte zurück. Auf keinen Fall durfte sie ihm wieder verfallen. Und da sie wusste, wie gefährdet sie in diesem Punkt war, ging sie um die Vitrine herum und blickte Damon von der anderen Seite her an. „Nein. Sie meint, jetzt, da ich mit ihrer Hilfe auf eigenen Füßen stehe, würde sie nicht zulassen, dass ich ihretwegen in finanzielle Schwierigkeiten gerate.“

Lächelnd ging Damon auf sie zu, dann an ihr vorbei und lehnte sich an eine Säule. Während er einen Fuß vor den anderen stellte und die Hände in die Hosentaschen schob, ließ er Lily nicht aus den Augen, wie ein Raubtier, das auf den richtigen Moment wartet, um zuzuschlagen. „Und was willst du nun tun?“

„Ich weiß noch nicht. Aber mir wird schon irgendetwas einfallen.“ Wie auch immer, sie musste Gran helfen.

Damon stieß sich von der Säule ab und kam auf Lily zu. Langsam musterte er sie von Kopf bis Fuß. „Bist du da so sicher?“

Nein, das war sie keineswegs. Aber auch wenn sie noch nicht wusste, wie, eins war ihr sonnenklar: Gran würde geholfen werden. Da gab es keinen Zweifel. „Mach dir keine Sorgen, Damon. Das schaffe ich schon.“ Sein Blick, mit dem er sie so intensiv ansah, machte sie ganz nervös. Wie sollte sie sich da konzentrieren können? Schnell versuchte sie, das Thema zu wechseln. „Vielleicht sollte ich mir eher Sorgen um dich machen. Ich habe gehört, dass dein Onkel dich enterbt hat, nachdem wir uns getrennt hatten.“

„Stimmt. Ich werde sein schmutziges Geld nicht erben und auch nicht …“, er machte eine weit ausholende spöttische Geste, „dieses prachtvolle Haus. Im Grunde … gar nichts.“

„Auch nicht das, was du immer wolltest?“ Was ihm immer wichtiger gewesen war als sie … nämlich das Unternehmen seines verstorbenen Vaters, die Blake Corporation.

„Nein.“

Mitgefühl überwältigte sie, und sie senkte schnell den Blick, damit Damon nicht sah, was sie dachte. Schließlich ging er sie nichts mehr an. Sie war fertig mit ihm … oder nicht?

Als sich vor ihr etwas bewegte, hob sie schnell den Kopf. Damon war noch einen Schritt näher gekommen und sah sie mit dem üblichen arroganten Blick an. Er hatte die Hände auf dem Rücken verschränkt und beugte sich zu ihr herunter. „Ich möchte dir ein Angebot machen, um deiner Großmutter zu helfen.“

Misstrauisch schaute sie zu ihm auf. Wie kam er denn auf die Idee? Damit hatte sie nun wirklich nicht gerechnet. „Was denn für ein Angebot?“

„Ich kaufe ihr ein Haus mit all den modernen Einrichtungen, die eine Frau ihres Alters braucht. Außerdem werde ich ihre Arztrechnungen bezahlen und eine Krankenschwester für sie engagieren, die ihr hilft, wieder auf die Beine zu kommen. Und die auch länger bleiben kann, sofern Gran es zulässt.“ Er grinste zuversichtlich, als wisse er genau, dass Lily ein solches Angebot nicht ablehnen konnte. „Sie wird es annehmen, das weißt du genau. Ihr ist klar, dass ich es mir leisten kann, und außerdem hat sie immer eine Schwäche für mich gehabt.“

„Aber warum solltest du so etwas für sie tun?“

Lächelnd griff er wieder nach ihrer Hand. „Travis hat mich für heute Abend eingeladen, weil er mir ein Angebot machen will. Und ich möchte dich und deine Großmutter in dieses Angebot einschließen.“

Jetzt verstand Lily überhaupt nichts mehr. „Ich dachte, Travis und du wolltet nichts mehr miteinander zu tun haben.“ Deshalb war sie auch sehr überrascht gewesen, als Travis’ Sekretärin sie angerufen und ihr mitgeteilt hatte, dass auch Damon erwartet würde. Aber sie hatte dann nicht weiter darüber nachgedacht, weil sie die Möglichkeit nutzen wollte, mit Damon zu sprechen. Da er lange außer Landes gewesen war, hatte sie bisher keine Gelegenheit dazu gehabt.

Aber sie musste auf der Hut sein. Denn sie wusste, dass die Blakelys nur zu gern ihre Spielchen spielten und ihnen nicht zu trauen war. „Warum sollte Travis dir ausgerechnet jetzt ein Angebot machen?“

„Vielleicht hast du die neuesten Entwicklungen in unserer Familie in den Medien verfolgen können, Lily.“ Zärtlich strich er ihr mit dem Daumen über das Handgelenk. „Und vielleicht bist du ja immer noch daran interessiert, dass es mir gut geht …“

Schluss jetzt! Verärgert stieß Lily die Luft aus und entzog ihm ruckartig die Hand. „Hör endlich auf mit diesem Theater, Damon, und sag mir, was los ist!“

Wieder lächelte er siegesgewiss, als wüsste er genau, dass die Beute ihm nicht entkommen konnte. Nur wer in diesem Fall die Beute war, sie oder Travis, das war Lily bisher nicht klar.

„Der Arzt hat Travis heute eine traurige Mitteilung machen müssen“, sagte Damon fröhlich, ein eindeutiges Zeichen dafür, dass er für den Onkel kein Mitleid empfand. Dass beide sich nicht ausstehen konnten, war Lily allerdings nicht neu.

Sie wusste, dass Travis den Sohn seines älteren Bruders mit eiserner Strenge aufgezogen hatte. Er hatte ihn nie geliebt, hatte ihn gedemütigt und auch geschlagen und sich im Übrigen möglichst wenig um ihn gekümmert. Damon mochte nicht darüber reden, aber seinen Andeutungen hatte sie entnehmen können, dass er eine sehr lieblose Kindheit gehabt hatte. Das hatte ihr das Herz zerrissen und war sicher auch der Grund dafür, dass sie Damon gegenüber viel zu nachsichtig gewesen war. Aber die Zeiten hatten sich geändert, und sie würde nicht mehr auf ihn hereinfallen. Seltsam, dass Onkel und Neffe wieder Kontakt hatten, denn eins war ihr klar: Damon würde Travis nie verzeihen, was der ihm in der Kindheit und Jugend angetan hatte.

Sie versuchte, in Damons Gesichtszügen zu lesen, um herauszufinden, wie ihm zumute war. Doch sein Gesicht war starr wie eine Maske. „Wenn Travis wieder mit dir spricht, muss ja etwas sehr Ernsthaftes vorgefallen sein.“

„Das kann man so sagen. Trotz des besten Herzchirurgen des Landes ist die letzte Operation nicht erfolgreich verlaufen. Heute hat Travis die Testergebnisse bekommen. Offenbar verspricht man sich auch von einer Herztransplantation nicht viel. Es ist wohl schwierig, einen Spender zu finden. Außerdem ist Travis nicht mehr der Jüngste und hat mit seinem Körper ziemlichen Raubbau getrieben. Unter diesen Bedingungen geben die Ärzte ihm noch zwölf Monate.“

Wie schrecklich. Travis tat ihr leid, obgleich sie wusste, wie schlecht er Damon behandelt hatte. Und auch für Damon musste diese Nachricht letzten Endes bitter sein, denn Travis war die einzige „Familie“, die er hatte. Unwillkürlich legte sie ihm die Hand auf den Arm. „Wie traurig, Damon“, sagte sie leise.

Er runzelte die Stirn. Ihr Mitgefühl war ihm peinlich, aber dennoch hielt er ihre Hand fest. „Nicht unbedingt“, meinte er nur. „Immerhin hat das Ganze auch eine gute Seite. Er hat vor, sein Testament zu ändern.“

„Was?“ Aus großen Augen sah Lily ihn an. „Er gibt dir das Unternehmen deines Vaters zurück?“ War Damon deshalb heute Abend eingeladen worden? Weil der Onkel das mit ihm besprechen wollte?

Seine Augen funkelten gefährlich. „Ja, das habe ich verlangt.“

Aber um welchen Preis? Fragend sah sie ihn an.

„Sieht so aus, als würde Onkel Travis im Alter sentimental“, fuhr Damon ungerührt fort. „Er möchte der Familie etwas hinterlassen.“ Sein abfälliges Lächeln machte deutlich, was er von derlei Sentimentalitäten hielt.

Lily wusste immer noch nicht, worum es nun genau ging. „Dann erbst du alles?“

„Oh nein. Ich bekomme keinen Penny seines Geldes. Aber er hat angeboten, sein ganzes Hab und Gut einem Kind von mir zu hinterlassen. Mein Kind würde einmal sehr reich sein, hat er gemeint.“ Er lächelte verächtlich. „Als wenn mein Kind nicht auch ohne sein ach so großzügiges Angebot genügend Geld hätte.“ Er wandte sich ab, aber Lily spürte, dass er sehr aufgewühlt war.

Sein Kind? Dachte er wirklich ernsthaft daran, eine Familie zu gründen? Zwar hatte sie gehofft, dass er irgendeine Rolle im Leben ihres Kindes spielen wollte, nicht als harter, strafender Vater, wie er es selbst erlebt hatte, sondern eher wie ein großer Bruder. Aber sie wäre nie auf die Idee gekommen, dass er mehr wollte als das. Hatte er nicht immer wieder betont, dass er für Kinder nichts übrig hatte?

Er blieb vor dem Porträt einer viktorianischen Familie stehen, einer Mutter, umgeben von mindestens sechs Kindern, und betrachtete es interessiert.

Dein Kind?“ Ohne dass es ihr bewusst war, legte Lily sich wieder die Hand auf den flachen Bauch. Doch dann kam ihr auf einmal ein Gedanke. Vielleicht hatte er bereits ein Kind und ihr das immer verschwiegen?

Langsam wandte er sich zu ihr um und musterte sie kühl. „Ja. Das Ganze gilt aber nur, wenn eine Frau mit meinem Kind schwanger ist, bevor er stirbt.“

Lily atmete auf. Also hatte Damon bisher noch kein Kind. Auf eine merkwürdige Art und Weise machte sie das sehr glücklich. Doch dann rief sie sich schnell zur Ordnung. Auf keinen Fall durfte sie sich irgendwelchen Träumen hingeben und ihr Ziel aus den Augen verlieren. Sie wollte ihm lediglich sagen, dass sie schwanger sei und dass sie mit seiner Kooperation rechne. Ansonsten kam es darauf an, das Kind und sich selbst – insbesondere ihr Herz – vor ihm zu schützen.

Nein, in der von ihm angestrebten Partnerschaft hatten Liebe und Ehe keinen Platz. Und sie durfte nie und nimmer ihren nüchternen Verstand verlieren. Schließlich konnte es durchaus sein, dass Damon von dem Kind nichts wissen wollte. Dann würde sie es eben ohne seine Hilfe aufziehen. Aber sie hoffte natürlich, dass er bereit war, seinen Teil dazu beizutragen. Und was er eben gesagt hatte, bestärkte sie in dieser Hoffnung.

Reich sein, das war allerdings eine andere Sache. An Damons Vermögen lag ihr nichts. Die Familie Blakely war das beste Beispiel dafür, wie sehr extremer Reichtum die Moral korrumpierte. Nervös spielte sie mit ihrem kleinen herzförmigen Anhänger. „Und was hast du zu ihm gesagt?“

„Ich habe abgelehnt.“

Sie konnte sich so richtig vorstellen, wie die beiden Blakelys sich gegenüberstanden und ihre Kräfte maßen. „Und dann hat er dir das Angebot mit dem Unternehmen gemacht?“

„Ja, er wollte mich damit bestechen. Und als ich hart blieb, hat er es mit einer Art Erpressung versucht. Er meinte, dann würde er alles Mark, dem Sohn seines Cousins, hinterlassen. Und Mark hätte das Recht, die Blake Corporation zu zerschlagen und in Einzelteilen an die Meistbietenden zu verkaufen. Solange sie nicht Damon Blakely heißen.“

„Das ist ja schrecklich.“ Lily war Mark nur ein einziges Mal bei einem Dinner begegnet, und er war ihr auf Anhieb unsympathisch gewesen. Ohne Rücksicht auf die Angestellten würde er das tun, was ihm am meisten Geld brachte. „Wie willst du denn nun an dieses Kind kommen?“, fragte sie neugierig. Sie wusste selbst, sie sollte ihm jetzt von ihrem Kind erzählen. Aber sie wollte doch zu gern wissen, wie er sich die nähere Zukunft vorstellte.

„Gute Frage. Allerdings will Travis nicht irgendein Baby. Er will einen respektablen legalen Erben.“

Das verschlug ihr fast die Sprache. „Das heißt, du sollst heiraten?“

„Ja. Und deshalb wollte ich mit dir sprechen.“ Er trat so dicht an sie heran, dass sie seine betörende Körperwärme spürte. „Ich möchte dich heiraten.“ Damit ergriff er sie bei beiden Händen und lächelte gewinnend.

Um Lily herum begann sich alles zu drehen, und sie schloss die Augen. Damit hatte sie nicht gerechnet. Da er früher an Kindern nicht interessiert gewesen war, hatte sie gehofft, das Kind im Wesentlichen allein aufziehen zu können. Aber das war jetzt anders. Wenn sie ihm von ihrer Schwangerschaft erzählte, dann würde er sie bestürmen, bis sie bereit war, ihn zu heiraten. Denn er brauchte ein Kind, ihr Kind, wenn er das Unternehmen nicht verlieren wollte. Und nur deshalb würde er sie heiraten und nicht etwa, weil er sie oder das kleine Wesen liebte, das in ihr heranwuchs.

Was sollte sie tun? Gab es einen Ausweg? Aber bekam Damon Blakely nicht immer alles, was er wollte?

„Lily?“ Er umschloss ihr Gesicht mit beiden Händen und zwang sie, ihn anzusehen. „Wenn du mich heiratest, wird für dich und deine Großmutter besser gesorgt, als du es dir je hast erträumen können.“

Immer noch brachte sie kein Wort heraus. Tausend Gedanken gingen ihr durch den Kopf.

„Ich weiß, das kommt alles sehr überraschend“, fuhr er schnell fort. „Aber es ist für alle Beteiligten die ideale Lösung.“ Sanft strich er ihr mit den Lippen über die Wange.

Dass Damon ein Mann war, der auf andere einschüchternd wirkte und immer durchsetzte, was er wollte, war allgemein bekannt. Für Lily jedoch bestand seine größte Macht in seiner Fähigkeit, sie zu betören und zu erregen, und das spielend, ohne sich groß anstrengen zu müssen. Wieder fühlte sie, wie sie ihm zu verfallen drohte, als er sie aufs Ohr küsste und dann ihren Hals liebkoste.

„Wenn ich mich richtig erinnere“, flüsterte er, „dann ist beim letzten Mal manches zwischen uns ungeklärt geblieben. Und so etwas mag ich gar nicht.“

Ihr Herzschlag beschleunigte sich. „Du meinst, weil ich dich verlassen habe und du es hasst zu verlieren?“

Lächelnd überging er ihre Frage. „In vielerlei Hinsicht passten wir gut zusammen.“ Seine Stimme klang dunkel und verführerisch. „Ich bin sicher, dass eine Ehe klappen könnte.“

Tatsächlich? Wieder spürte Lily diese fatale Wirkung, die er immer schon auf sie ausgeübt hatte. In sexueller Hinsicht hatten sie sich extrem gut verstanden. Doch das war schließlich nicht alles. Dass sie damals mit ihm gebrochen hatte, hatten viele nicht verstanden. Doch dass er sie versetzt hatte, war nur der letzte Tropfen gewesen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hatte.

Es war nicht das erste Mal gewesen. So hatte er zum Beispiel ihr Geburtstagsdinner in einem romantischen Restaurant hastig abgebrochen, weil geschäftlich etwas dazwischengekommen war. Ein andermal hatte die Börse verrückt gespielt, sodass er sich nicht losreißen konnte und ihre Verabredung vergaß. Und an dem Tag hätte sie ihn nun wirklich gebraucht, denn es war der zehnte Todestag ihrer Eltern gewesen. Beide Male hatte er geschworen, es wiedergutzumachen, aber das hatte auch nicht viel genützt. Auf einen Mann wie ihn konnte sie sich nicht verlassen, das war die Erkenntnis, die sie daraus gezogen hatte, selbst in Situationen nicht, in denen es für sie sehr wichtig war. Und das wollte sie nicht noch einmal durchmachen. Schließlich trug sie jetzt die Verantwortung für ein neues Leben, das in ihr heranwuchs.

Für Lilys Mutter war der Mann immer wichtiger als das eigene Kind gewesen. Da der Vater als Berufsspieler sein Geld verdient hatte, war die kleine Familie ständig umgezogen und hatte meist sehr ärmlich gelebt. So etwas wie Zuverlässigkeit und Stabilität hatte die kleine Lily nie kennengelernt. Erst als sie mit zwölf zu ihrer Großmutter gekommen war, hatte sie ein Zuhause und eine gewisse Regelmäßigkeit gefunden, die Sicherheit versprachen.

Ihr Baby sollte anders aufwachsen. Seine Bedürfnisse kamen an erster Stelle und waren wichtiger als ihre eigenen oder die von Damon. Vielleicht sollte sie deshalb seinen Vorschlag nicht von vornherein ablehnen. „Falls ich auf dein Angebot eingehe, dann nur unter bestimmten Bedingungen.“

Er wirkte überrascht, hatte sich aber schnell wieder in der Gewalt. „Und die wären?“

„Wenn für Gran gesorgt würde, könnte ich dich vielleicht heiraten …“ Für die geliebte Großmutter würde sie alles tun.

„Und? Das ist doch nicht alles, oder?“

„Nein. Hier geht es auch noch um ein Kind, und das ist etwas vollkommen anderes.“ Sie wandte sich von ihm ab. „Ich möchte dieses Kind allein aufziehen“, sagte sie mit einer nun etwas festeren Stimme. „Im Zusammenleben erst mit den Eltern und dann mit Gran habe ich gelernt, dass es nicht auf die Anzahl der Menschen ankommt, mit denen ein Kind aufwächst, sondern auf deren Fähigkeit, zu lieben und die eigenen Interessen wegen des anderen hintanzustellen. Ein Kind will sich hundertprozentig auf den verlassen können, bei dem es lebt, auch gefühlsmäßig.“ Und das war bei Gran immer der Fall gewesen. Auch jetzt würde die Großmutter für sie und das Baby da sein, das wusste Lily genau.

Wie konnte sie Damon nur verständlich machen, was sie meinte? Als Vater des Kindes hatte er das Recht, dass sie ehrlich zu ihm war. „Selbstverständlich will ich dir dein Kind nicht wegnehmen. Aber du weißt doch so gut wie ich, dass du ganz andere Interessen, ganz andere Verpflichtungen und ganz andere Prioritäten hast als die, die für ein Kind wichtig sind.“ Am liebsten hätte sie ihm gesagt, dass ihr Kind nicht unter den verheerenden Einfluss der eher gefühlskalten Blakelys geraten sollte, aber das war vielleicht doch etwas zu hart.

„Vielleicht sollten wir gleich festlegen“, fing sie vorsichtig wieder an, „welche Rolle du im Leben deines Kindes spielen möchtest. Die Besuchstermine kann man sicher so legen, dass sie nicht mit deinen geschäftlichen Verpflichtungen kollidieren.“

Ungläubig starrte Damon sie an. „Besuchstermine?“

„Ja“, fuhr sie hastig fort. „Außerdem brauche ich eine gewisse finanzielle Sicherheit, damit ich weiß, dass für mein Kind gesorgt ist, auch wenn ich es aus irgendwelchen Gründen nicht mehr kann. Am besten wäre, du würdest ein Konto für das Kind einrichten, das auf meinen Namen läuft.“ Zwar konnte sie auch mit ihrem eigenen Gehalt ein Kind durchbringen, aber für die Zukunft wollte sie ganz sichergehen.

Er nickte knapp, seine Miene war unbewegt. „Weiter.“

„Und ich möchte, dass diese Bedingungen in einem Vertrag festgehalten werden. Bist du dazu bereit?“ Kämpferisch hob sie das Kinn. Vielleicht war sie etwas zu weit gegangen, aber wegen des Babys konnte sie keinerlei Risiko eingehen.

„Du hast kein Vertrauen zu mir, Lily?“ Der stoische Gesichtsausdruck verschwand für den Bruchteil einer Sekunde. Aber sie wusste nicht, ob Damon betroffen war oder ob er sich nur über sie lustig machte.

Mit einer Handbewegung wischte sie seine Frage beiseite. „Ich heirate dich und bringe das Baby zur Welt, das du brauchst, um das Unternehmen deines Vaters wieder zurückzugewinnen. Aber ich will das Kind allein aufziehen, wobei du dich an den anfallenden Kosten beteiligst. Entweder bist du mit meinen Bedingungen einverstanden, oder du musst dir jemand anderen suchen.“

Er lächelte amüsiert. „Ganz schön taff. Aber gut so! Denn genau so soll die Mutter meines Kindes sein.“ Er machte einen Schritt auf sie zu, doch sie wich ihm aus. Die Wirkung, die seine körperliche Nähe auf sie hatte, durfte sie nicht unterschätzen, und noch hatte er nicht zugestimmt.

„Du hast meine Frage noch nicht beantwortet. Bist du bereit, einen solchen Vertrag zu unterschreiben?“

Wieder wollte er sie festhalten und griff nach ihr, doch sie schüttelte seine Hand schnell ab und stellte sich breitbeinig vor ihn hin, die Arme entschlossen vor der Brust verschränkt. „Damon?“

Auch er wurde ernst und wirkte ebenso entschlossen. „Mein Kind wird da aufwachsen, wo es aufwachsen sollte. Nämlich in meinem Haus, zusammen mit seiner Mutter und seinem Vater.“

Lily wurde blass, denn sie wusste genau, dass Damon nicht von einer Meinung abzubringen war, die er einmal gefasst hatte. Was sollte sie nur tun? Wo gab es noch Verhandlungsspielraum? Wie konnte sie wenigstens das Gesicht wahren? „Okay, ich bin bereit, in deinem Haus zu leben, allerdings nur unter einer Bedingung. Ich muss mein eigenes Schlafzimmer haben, und zwar möglichst weit von deinem entfernt.“

„Willst du das wirklich?“ Wieder verzog er die Lippen zu diesem überheblichen Lächeln, das sie so hasste.

Und doch sehnte sie sich schon jetzt nach ihm, nach seiner Umarmung, seinen Berührungen. Aber es durfte nicht sein, wenn sie nicht wieder in die gleiche Falle geraten wollte wie vorher. „Diese Ehe besteht nur auf dem Papier, das ist dir doch klar. Wir leben zwar unter einem Dach, führen aber unser eigenes Leben. Ich werde nicht mit dir schlafen, Damon. Nie mehr.“

Er lachte leise. „Aber Darling, du vergisst etwas ganz Entscheidendes. Wir müssen doch noch ein Kind zeugen.“ Dabei warf er ihr einen Blick zu, der ihr die Knie weich werden ließ. „Und das ist der Teil unserer Abmachung, auf den ich mich ganz besonders freue.“

So? Jetzt musste auch Lily lächeln. Sie wusste, er würde versuchen, die Bedingungen zu seinem Vorteil auszulegen. Aber sowie er den Vertrag unterzeichnet hatte, war sie schon ein gutes Stück weiter. Wenn sie nur seinen Verführungskünsten widerstehen könnte … „Ich glaube nicht, dass ich etwas Entscheidendes vergesse“, erwiderte sie gedehnt und legte sich die Hand auf den Bauch. „Denn ich bin bereits von dir schwanger.“

2. KAPITEL

Damon musste all seine Nervenstärke aufbringen, um nicht die Fassung zu verlieren.

Lily war schwanger?

Ihm war zumute, als habe ihm jemand einen tüchtigen Schlag in den Magen versetzt. Denn bei all seinen taktischen Überlegungen und strategischen Planungen hatte er diese Möglichkeit völlig außer Acht gelassen. Wie hätte er auch auf die Idee kommen sollen, dass Lily bereits sein Kind unter dem Herzen trug?

Aber man sah doch gar nichts! wunderte er sich im Stillen. Er musterte sie genau, ihr Bauch war flach wie immer. Wie unter Schock hob er langsam den Kopf und sah ihr in die Augen. Schweigend und gefasst erwiderte sie seinen Blick. Wie konnte sie nur so ruhig sein, wo sie ihn doch gerade mit dieser ungeheuren Nachricht überrascht hatte?

Doch dann biss sie sich kurz auf die Unterlippe, und Damon wusste, sie war nicht so gelassen, wie sie tat. Dieses eindeutige Zeichen der Unsicherheit hatte er auf vielen Vorstandssitzungen erleben können – immer dann, wenn er auf Widerstand gestoßen war. Er musste nur so lange warten, bis sein Gegner nervös wurde und sich mit irgendeiner Geste verriet. Dann hakte er ein und bestand mit gnadenloser Härte auf seinen Forderungen.

Doch in diesem Fall schaffte er es nicht, den passenden Moment zu nutzen. Nur ein Gedanke beherrschte ihn. Lily war von ihm schwanger. Er würde ein Kind haben. Das Baby, das sie austrug, war seins. Zwar hatte er vor Travis’ Ultimatum nie an eigene Kinder gedacht, aber jetzt, da es Realität war, wusste er, er würde das Kind nie aufgeben.

Getrennte Schlafzimmer? Das kam jetzt erst recht nicht infrage. Das Baby und die Frau, die es unter dem Herzen trug, gehörten zu ihm, und er würde nicht zulassen, dass Lily ihn aus ihrem und dem Leben des Kindes ausschloss.

Wieder sah er sie lange an. Mit der hellen Haut, den dunkelgrünen Augen und den weißblonden Haaren war sie unglaublich schön. Er begehrte sie noch genauso wie früher. Schon als er sie damals in der Galerie das erste Mal gesehen hatte, war er von ihr bezaubert gewesen. Und nun war sie auf immer an ihn gefesselt.

Bemüht, seinen inneren Aufruhr zu verbergen, sagte er betont locker: „Da hast du aber ganz schön lange mit verdeckten Karten gespielt, Lily.“

„Nein, nein …“ Sie zögerte. „Ich habe es auch nicht gewusst, wenn auch vielleicht vermutet. Aber die Bestätigung habe ich erst heute erhalten. Deshalb bin ich auch gekommen. Ich wollte es dir gleich erzählen.“

„Dann warst du schon schwanger, als du mich verlassen hast“, erwiderte er vorwurfsvoll.

„Ja, aber das wusste ich nicht.“

Er wusste nicht, ob er ihr glauben sollte. Auf jeden Fall aber hatte er noch eine Frage, die ihm schon lange auf der Seele brannte. „Warum hast du mich eigentlich damals verlassen?“

Mit bebenden Fingern strich sie sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. „Das ist doch jetzt ganz egal.“

„Der Meinung bin ich nicht. Schließlich werden wir heiraten. Da sollten wir uns vielleicht darüber im Klaren sein, warum wir uns vor drei Monaten getrennt haben.“

Sie straffte die Schultern, und er sah, dass sie sich um eine überlegene Haltung bemühte. „Ich bin gegangen, weil ich dir nicht wichtig genug war.“

Was? Dabei hatte er bisher keiner seiner Frauen so viel Aufmerksamkeit geschenkt wie ihr. Und das war ihr immer noch nicht genug gewesen?

Ruhelos ging er im Raum hin und her und blieb vor einer Vitrine stehen, in der ein antiker Krug ausgestellt war. Schon viele Museen hatten dem Onkel große Summen für dieses Meisterwerk geboten, aber er hatte immer abgelehnt. Unzugänglich für die Öffentlichkeit, blieb der Krug hier in Travis’ Mausoleum begraben, so wie sich Damon jahrelang unter dem Einfluss des Onkels wie in einem Kerker gefühlt hatte.

Und jetzt hatte er endlich die Gelegenheit, das zurückzugewinnen, was von Rechts wegen ihm gehörte. Das Unternehmen des Vaters. Er wandte sich zu Lily um, der einzigen Frau, die Wünsche in ihm auslöste, die nichts mit Blake Corporation zu tun hatten. Wie sehr doch liebte er die Sinnlichkeit ihrer Bewegungen, den weichen verlockenden Mund, der Glück und Sünde zugleich versprach, und ihr Herz, das vertrauensvoll und ganz ohne Argwohn war, so anders als seins, das nur Misstrauen und Zynismus kannte.

„Sobald ich es einrichten kann, werden wir heiraten“, sagte er bestimmt und ergriff Lily bei den Unterarmen. Bei der Berührung meldete sich sofort wieder dieses starke Verlangen, das er bereits gespürt hatte, als er sie im Ballsaal erblickt hatte.

Sie nickte nur, doch er spürte, dass auch sie sich stark zu ihm hingezogen fühlte. Sofort kam er einen Schritt näher und sah ihr tief in die Augen. „Gib dir keine Mühe“, flüsterte er. „Ich weiß, was in dir vorgeht.“

Zwar runzelte sie die Stirn, aber ihre Brüste hoben sich unter verräterisch schnellen Atemzügen.

Nur mit Mühe widerstand er der Versuchung, seinen Triumph auszukosten. „Keine Sorge, dafür haben wir noch viel Zeit, ein ganzes Leben lang“, versprach er und ließ sie los.

Schnell trat sie zurück. „Nein, Damon, so läuft das nicht. Ich habe zwar zugestimmt, dich zu heiraten, und ich werde das Kind zur Welt bringen, das du brauchst, um deine Ansprüche durchzusetzen. Aber ich werde nicht mit dir schlafen. Eine solche Ehe werden wir nicht führen.“

„Nein?“ Er lächelte breit und schob die Hände in die Hosentaschen. Hatte sie vergessen, wie sehr er Herausforderungen liebte? Vor allem wenn es um einen hohen Preis ging? Und Sex mit Lily war es wert, das wusste er nur zu genau. „Das werden wir ja sehen.“

„Ja, das werden wir!“, gab sie heftig zurück. „Unsere Ehe besteht nur auf dem Papier. Wir werden zwar unter einem Dach wohnen, aber getrennte Leben führen. Ich bin zu oft von dir enttäuscht worden, gerade wenn ich mich auf dich verlassen habe und dich besonders brauchte. Und immer wenn du zwischen mir und deinem Unternehmen wählen musstest, zog ich den Kürzeren. Selbst wenn die geschäftlichen Belange unwichtig waren und ich deinen Beistand dringend nötig hatte. Glaub nicht, dass ich so etwas noch mal mit mir machen lasse, so naiv bin ich nicht mehr.“

„Aber das ist doch alles Schnee von gestern. Wir fangen völlig neu an. Und darauf freue ich mich.“ Er drückte ihr schnell einen Kuss auf die Wange und reichte ihr den Arm, um sie in den Ballsaal zurückzugeleiten. Nach kurzem Zögern hakte Lily sich bei ihm ein.

Damon unterdrückte ein triumphierendes Lächeln. Alles lief – fast – nach Plan. Das Kind und das Unternehmen des Vaters konnte ihm keiner mehr streitig machen. Und er würde auch Lily zurückgewinnen. Glücklicherweise hatte ein günstiges Schicksal diese drei Ziele miteinander verquickt. Sowie er seine zukünftige Braut wieder in sein Bett gelockt haben würde, hätte er gewonnen.

Am nächsten Morgen schlenderte Lily beinahe wehmütig durch die hellen Räume der Galerie. Die Ausstellung bekannter Impressionisten hatte auch an ihrem vorletzten Tag wieder viele Besucher angezogen, und Lily mochte kaum daran denken, dass die Ausstellung schon wieder ihrem Ende zuging.

Sie zusammenzustellen hatte ihr besondere Freude gemacht. Sie liebte es, mit nationalen und internationalen Galerien und Museen Kontakt aufzunehmen, die Gemälde auszusuchen und sich um sämtliche Einzelheiten und Formalitäten, die bis zur Eröffnung zu erledigen waren, zu kümmern.

Und nun war schon wieder alles vorbei. Morgen Abend würden sie anfangen, die Gemälde abzuhängen, und bald würde die nächste Eröffnung anstehen. Nachdenklich blieb Lily vor einem Gemälde ihres geliebten Monet stehen. Es war ein Werk aus der Serie der Seerosen, und sie konnte sehr gut verstehen, warum es eines der Lieblingsbilder der Besucher war. Diese verschiedenen Grün-, Lila-, Rosa- und Blautöne waren von einer unglaublichen Farbintensität.

Besonders aber gefielen ihr diese Bilder wegen der Vielfalt, in der die Farben leuchteten, je nach dem Standpunkt des Betrachters und dem Lichteinfall. Unwillkürlich musste sie an Damon denken und an die Ehe, die sie mit ihm führen würde. Auch Ehen gestalteten sich sehr unterschiedlich, und ihre Qualität hing vom Standpunkt des Betrachters ab. Da gab es die romantische märchenhafte Ehe mit Herzchen und Blümchen, dann die Ehe zwischen zwei Seelenverwandten, für die die Bindung unauflöslich war, und dann die Vernunftehe, die nur wegen einer Erbschaft oder wegen Geldes eingegangen wurde.

Lily hatte nie viel für die „Ehe wie im Märchen“ übrig gehabt, aber sie hatte immer gehofft, irgendwann einmal einem Mann zu begegnen, der seelenverwandt mit ihr war und dem sie voll vertrauen konnte.

Dass Damon nicht dieser Mann war, hatte sie schmerzhaft erfahren müssen. Und trotzdem würde sie ihn heiraten.

Was hatte sie sich bloß dabei gedacht?

„Monets Seerosen-Serie hat mir nie so besonders gut gefallen“, hörte sie plötzlich eine tiefe Stimme dicht an ihrem Ohr sagen.

Erschrocken fuhr Lily herum. Damon stand zwei Schritte hinter ihr, die Hände in die Seiten gestützt, und betrachtete kritisch ihr Lieblingsgemälde. „Ich mag seine französischen Kathedralen sehr viel lieber. Auch da arbeitet er mit den unterschiedlichsten Lichteffekten, aber die Objekte sind einfach interessanter.“

Verblüfft holte sie tief Luft. Das hätte sie lieber nicht tun sollen, denn nun nahm sie wieder seinen unverwechselbaren Duft wahr, der immer schon diese besondere Wirkung auf sie gehabt hatte. Schnell schob sie die verführerischen Bilder beiseite, die augenblicklich vor ihrem geistigen Auge erschienen.

„Gebäude faszinieren dich mehr als Blumen?“, fragte sie, obgleich sie die Antwort kannte. Natürlich fand ein Mann wie er Gebäude, die aus Stein waren, spannender als Blumen, die vergingen. Was sie jedoch erstaunte, war die Tatsache, dass er sich überhaupt schon einmal mit den französischen Impressionisten beschäftigt hatte. Ihr gegenüber hatte er immer behauptet, dass er von Kunst sehr wenig verstehe.

Bei ihrem verwunderten Gesichtsausdruck musste er lachen. „Ja, ich mag schöne Gebäude. Und sieh mich nicht so fassungslos an, weil ich das Bild kenne. Wenn man ein halbes Jahr mit einer Kunstexpertin befreundet ist, sollte doch ein bisschen was abgefärbt haben.“

Lächelnd stimmte sie zu. „Ja, das mag sein. Bedeutet das, dass du jetzt häufiger in Galerien zu finden bist?“

„Nicht unbedingt. Ich bin wegen meiner Verlobten gekommen.“ Er legte ihr die Hand in den Nacken und drückte ihr kurz einen Kuss auf den Mund. „Deine warmen rosenroten Lippen sind mir so viel lieber als Monets kalte Seerosen.“

Komplimente waren ihm noch nie schwergefallen. Damit hatte ihr ganzes Elend schließlich angefangen, das durfte sie nie vergessen. Und dennoch sehnte sie sich nach seinem Kuss …

„Außerdem gibt es noch so einiges zu besprechen“, unterbrach er sie glücklicherweise in ihren völlig unpassenden Gedanken. „Wann kannst du mal ein paar Tage hier weg?“

Erstaunlich, wie schnell er umschalten konnte. Aber das war typisch Damon. Männer wie er vergeudeten ihre Zeit nicht damit, sich ausschweifend über Gemälde zu unterhalten. Das war für sie nur ein Anknüpfungspunkt, um auf das Thema zu sprechen zu kommen, das sie eigentlich interessierte.

Auch gut. Es war wichtig, dass auch sie sich über die nähere Zukunft Gedanken machte. Da diese Ausstellung sich dem Ende zuneigte und sie sich mit der Vorbereitung der nächsten etwas Zeit lassen konnte, sollte sie jetzt einen oder zwei Tage freinehmen, um den Ehevertrag vorzubereiten. „Warum? Was hast du vor?“

„Wir fliegen in drei Tagen nach Neuseeland, heiraten dort und kommen wieder zurück. Mehr als eine Woche brauchst du nicht freizunehmen.“

„Wieso denn Neuseeland?“

„Weil der ganze Papierkram in Neuseeland sehr viel schneller zu erledigen ist als in Australien. Ich habe auch schon an Las Vegas gedacht, aber der lange Flug ist wegen des Babys wahrscheinlich nicht so günstig.“

Da sich eine Gruppe von Galeriebesuchern vor dem Monet versammelte, zog sich Lily in die Mitte des Ausstellungsraums zurück. Damon folgte ihr. Sie wusste nicht, was sie zu dieser neuen Entwicklung sagen sollte. Das ging ihr alles zu schnell. Vor kaum vierundzwanzig Stunden hatte sie sich bereit erklärt, ihn zu heiraten, und nun sollte sie in drei Tagen bereits ins Flugzeug steigen? „Darüber muss ich erst mal nachdenken.“

„Klar. Lass dir Zeit. Ich habe die Flüge schon gebucht, also haben wir auf alle Fälle unsere Plätze.“

Ohne ihre Entscheidung abzuwarten, hatte er bereits alles festgelegt? Sie schüttelte ungläubig den Kopf. Aber eigentlich sollte sie das nicht überraschen. So war es doch immer gewesen. Er tat zwar so, als ließe er ihr die Wahl, war aber so sehr von der Richtigkeit seines Vorschlags überzeugt, dass er bereits die Entscheidung gefällt hatte.

Unbändige Wut erfasste sie. „Du hast die Tickets bereits gekauft, ohne dich vorher mit mir abzusprechen?“

Ihre Reaktion schien ihn zu überraschen. „Wieso denn nicht? Das ist doch für uns beide jetzt erst mal das Wichtigste. Dass das Kind ehelich geboren wird, meine ich.“

Stimmt. Da musste sie ihm recht geben. „Ja, natürlich. Aber wegen der Woche Urlaub muss ich erst mit meiner Chefin sprechen.“ Schnell wandte sie sich um und ging in Richtung der Büros. Doch Damon blieb neben ihr und legte ihr sogar den Arm um die Schultern.

„Komm zu mir, wenn du hier fertig bist“, flüsterte er ihr ins Ohr. „Du kennst doch mein neues Haus noch nicht.“

Aha, er hatte seinen Charme angeknipst. Immer wieder war sie überrascht, wie einfach ihm das gelang und welche Wirkung das auf sie hatte. Dabei sollte sie es doch besser wissen. Aber wieder stieg das Begehren heiß in ihr auf, ihre Haut kribbelte, und als er ihr langsam über den nackten Oberarm strich, konnte sie nur mit Mühe ihren Weg fortsetzen. Denn am liebsten wäre sie ihm in die Arme gesunken, hätte sich ihrem Verlangen hingegeben und ihn geliebt …

Aber nein, das durfte nicht sein. Diesmal stand nicht nur ihr eigenes Seelenheil auf dem Spiel. Diesmal ging es um ihr Kind. Mit einer schnellen Schulterbewegung schüttelte sie seine Hand ab, was er ohne Widerstand geschehen ließ. Offenbar verlor er nie die Fassung, und sie fragte sich wieder, wahrscheinlich zum hundertsten Mal, ob er überhaupt so etwas wie richtige Gefühle – von sexueller Leidenschaft einmal abgesehen – empfinden konnte.

„Melissa macht heute Abend übrigens ihre berühmte Pasta“, sagte er wie nebenbei. „Sie würde sich sicher freuen, dich wiederzusehen.“

„Ich mag sie auch.“ Damons Haushälterin Melissa war eine fantastische Köchin und liebte ihren Beruf. „Aber das müssen wir verschieben. Ich bin abends immer ziemlich müde.“ Sie hatte zwar die morgendliche Übelkeit überwunden, war aber jetzt häufiger erschöpft als früher. Außerdem brauchte sie unbedingt Abstand von Damon. „Ich will lieber früh ins Bett gehen.“

Sofort stellte er sich ihr in den Weg und sah sie besorgt an. „Ruhst du dich auch genug aus? Vielleicht ist die Arbeit in der Galerie in deinem Zustand zu anstrengend?“

„Nein. Ich bin nur häufiger müde wegen der Schwangerschaft, das ist vollkommen normal. Deshalb kann ich doch meinen Beruf ausüben.“ Allerdings hatte sie sich schon manchmal besorgt gefragt, wie sie denn in den letzten Monaten der Schwangerschaft oder den ersten Monaten mit dem Neugeborenen zurechtkommen sollte, wenn sie jetzt schon so müde war. Dass sie keinerlei Erfahrung mit Babys hatte, beunruhigte sie mehr, als sie sich eingestehen mochte.

Damon sah sie an, als hätten ihre Worte ihn nicht überzeugt, aber dann lächelte er. „Gut, dann komme ich mit Melissas Pasta zu dir. Wann bist du zu Hause?“

Obwohl sie wusste, dass er nur wegen des Kindes so fürsorglich war, tat es ihr gut, nicht nur von Gran bemuttert zu werden. Deshalb lächelte sie ihn dankbar an, obgleich sie sein Angebot zurückwies. „Das ist nicht nötig. Ich habe mir gestern einen großen Topf Suppe gekocht, von der noch was da ist. Die kann ich mir aufwärmen.“ Schnell ging sie um Damon herum und auf die Büros zu, aber schon war er wieder an ihrer Seite.

„Suppe? Ist da auch alles drin, was ein Baby braucht?“

Ohne ihn anzusehen, setzte sie ihren Weg fort. „Lieb, dass du dir Gedanken machst, Damon. Aber ich kann sehr gut allein auf mich aufpassen. Und nun musst du mich entschuldigen. Ich habe zu arbeiten.“ Sie standen vor der Tür zu den Büroräumen. „Ich rufe dich heute Abend an.“

Er konnte nur noch nicken, dann war sie bereits hinter der Tür verschwunden. Ganz sicher irrte sie sich. Sie brauchte jemanden, der sich um sie und das Baby kümmerte. Und er wusste auch, wer dazu besonders gut geeignet war. Aber jetzt musste er unbedingt zurück ins Büro. Zu vieles war noch zu erledigen, bevor er sich für eine Woche freimachen konnte. Mit raschen Schritten verließ er die Galerie, stieg in seinen Mercedes und fuhr zu seiner Unternehmenszentrale in die Innenstadt.

Dort wurde er bereits von seiner Stellvertreterin Macy erwartet, einer schlanken großen Frau, die das lange braune Haar offen, aber nach hinten gekämmt trug, wodurch ihre klaren Gesichtszüge noch betont wurden. „Gute Nachrichten, Mr. Blakely!“, begrüßte sie ihn bereits vor seinem Büro.

„Kommen Sie herein.“ Ursprünglich hatte er Macy wegen ihrer hervorragenden Zeugnisse eingestellt. Sehr bald aber hatte er festgestellt, dass sie auf die gleiche Art dachten, wenn es um wichtige Entscheidungen ging, und jetzt konnte er nicht mehr auf sie verzichten.

Sie gingen in sein Büro, und während Macy die Tür sorgfältig schloss, zog Damon sich das Jackett aus und ließ sich in den Schreibtischsessel fallen. Macy trat dicht an den Schreibtisch heran und reichte Damon ein Blatt Papier. „Wir haben eine weitere Firma von Travis Blakely übernommen, nämlich die Brauerei Melbourne Brewing Ltd.“

Er überflog den Bericht und lächelte befriedigt. „Sehr schön. Und er weiß von der Übernahme wieder nichts, oder?“

„Nein. Ich habe die Hypothek abgelöst, die er auf die Brauerei aufgenommen hatte. Auch in diesem Fall hatte er seine Anwälte nicht informiert.“

Wunderbar. Damon schloss die Augen und lehnte sich zurück. Rache ist süß. Er konnte es kaum erwarten, diesen Schuft, der sich Onkel nannte, darüber zu informieren, dass ihm nichts mehr gehörte, dass sein Neffe im Besitz aller Mehrheitsbeteiligungen war. Schon als Dreizehnjähriger, von seinem „Erziehungsberechtigten“ grün und blau geprügelt, hatte er sich geschworen, sich ganz fürchterlich zu rächen.

Ohne dass Travis es wusste, gehörte Damon bereits das Haus, in dem der Onkel wohnte und das er mit einer großen Hypothek belastet hatte. Denn er war kein guter Geschäftsmann und hatte Pleiten oft damit ausgeglichen, dass er immer höhere Darlehen zu hohen Zinssätzen aufnahm. Und die Banken hatten diese Verträge nur zu gern an Damon weiterverkauft.

Doch das war nicht alles. Auch die Privatsammlungen des Onkels waren bereits in den Besitz des Neffen übergegangen, ohne dass Travis davon wusste. Denn Damon hatte einen von Travis’ Angestellten, der für den Onkel zwei Bilder verkaufen sollte, mit einer absurd hohen Summe bestochen, damit er die Kaufverträge auf die kompletten Sammlungen ausstellte.

Und von all diesen Manipulationen wussten lediglich Macy und Damon.

Macy war wirklich unbezahlbar. Anerkennend nickte Damon ihr zu. „Sehr gute Arbeit, Macy. Dafür haben Sie sich einen Bonus verdient.“

Sie lächelte kurz und setzte sich dann auf den Stuhl, der vor dem Schreibtisch stand. „Damit sind bereits dreiundzwanzig von Travis’ Firmen in Ihrem Besitz.“

Triumphierend grinsend lockerte Damon sich die Krawatte. „Bleiben nur noch fünf.“

Macy nahm die Unterlagen wieder auf, die er auf den Schreibtisch geworfen hatte. „Aber dies sind die fünf Firmen, an die wir nicht so leicht herankommen. Darunter auch …“

Blake Corporation, ich weiß.“ Leider! gestand er sich ein. Die Firma, auf die es ihm besonders ankam, war immer noch im Besitz des verhassten Onkels. „Aber ich habe schon einen Plan. Haben Sie meine Notiz bekommen, dass ich nächste Woche nicht in der Stadt bin?“

„Ja. Soll ich mit Ihnen kommen?“

„Nein, diesmal nicht. Ich brauche Sie hier. Ein paar Tage werde ich auch für Sie nicht erreichbar sein. Denn es handelt sich nicht um eine reine Geschäftsreise.“ Sofort hatte er wieder Lilys Bild vor Augen, ihre zierliche Figur, das herzförmige Gesicht mit den großen grünen Augen, den vollen Lippen …

Als Macy fragend die Augenbrauen hob, da er normalerweise nur geschäftlich unterwegs war, fügte er schnell hinzu: „Keine Sorge, ich kümmere mich trotzdem um unser Projekt. Immerhin gibt es noch Plan B, falls wir die fünf Firmen nicht rechtzeitig übernehmen können.“

Macy schien nicht so zuversichtlich zu sein. „Ich habe das sicher schon ein paar Mal erwähnt“, meinte sie stirnrunzelnd. „Das mit den letzten fünf wird schwer werden, besonders mit Blake Corporation.“

Im Grunde war das auch Damon klar. Aber er würde in seinen Bemühungen nicht nachlassen, bevor er alles in seinen Besitz gebracht hatte. Für ihn war es eine Sache des Stolzes. Travis, der ihn als Kind so grausam behandelt und die Wünsche des eigenen Bruders so missachtet hatte, sollte nichts bleiben, kein Cent, keine Aktien, kein Haus. Auch sein guter Ruf musste zerstört werden. Damon kam es nicht nur auf den Sieg an, nein, er wollte den verhassten Onkel am Boden sehen, vollkommen ruiniert.

Während er sich zurücklehnte, sah er wieder Lily vor sich. Sie war viel zu gutherzig, als dass sie die finsteren Motive verstehen würde, die ihn trieben, den Onkel zu vernichten. Und die sein ganzes Leben bestimmten.

Ob sich daran etwas ändern würde? Immerhin war Lily mit seinem Kind schwanger, und er würde schon dafür sorgen, dass sie eine richtige Ehe führten.

Verbarg sich nicht jeder hinter einer Maske, um sich zu schützen? Vielleicht auch Lily? Er musste nur darauf achten, dass keiner herausfand, was wirklich in ihm vorging.

3. KAPITEL

Drei Tage später beobachtete Lily von ihrem Küchenfenster aus, wie Damon seinen Mercedes direkt vor der Tür ihres gemieteten Hauses parkte. Als er ausstieg, stockte ihr der Atem. Zwar trug er nur ein moosgrünes Polohemd zu einer hellen Kakihose, aber sie wusste genau, dass schon der braune Ledergürtel mehr gekostet hatte, als sie im Monat verdiente. Er war lässig, aber sehr teuer gekleidet. In diesem Aufzug könnte er eine Vorstandssitzung leiten – oder eine Frau verführen …

Sofort spürte sie wieder dieses tiefe Verlangen, das sie immer bei seinem Anblick überkam, und beinahe hätte sie sich an ihrem Müsli verschluckt. Vorsichtig setzte sie die Schale ab und umklammerte die Tischkante. Okay, sie fühlte sich sexuell zu ihm hingezogen, aber davon durfte sie sich nicht ablenken lassen. Schon um des Babys willen musste sie sich zusammennehmen und sachlich bleiben.

Wieder warf sie einen Blick aus dem Fenster. Damon hatte den Wagen abgeschlossen und kam jetzt auf die Haustür zu, ein paar Papiere in der Hand. Während sie sich die Hände abtrocknete, atmete sie ein paar Mal tief durch. Doch gerade als sie zur Haustür gehen wollte, um ihm zu öffnen, sah sie, dass er einen Schlüssel aus der Tasche zog und ihn in das Schlüsselloch steckte. Das musste der Schlüssel sein, den sie ihm gegeben hatte, damals, als sie so sehr in ihn verliebt gewesen war.

Sie hatte ihn dann später gebeten, ihr den Schlüssel zurückzugeben. Zwar hatte er behauptet, es bei Gelegenheit zu tun, aber sie war sicher gewesen, dass er überhaupt nicht die Absicht gehabt hatte. Wahrscheinlich war das so eine Art Rache dafür, dass sie sich von ihm gelöst hatte. Daraufhin hatte sie sofort das Schloss auswechseln wollen, aber dann war so vieles dazwischengekommen. Erst hatte sie festgestellt, dass sie schwanger war, und sich anfangs auf nichts anderes konzentrieren können, dann musste sie die Ausstellung der Impressionisten vorbereiten, schließlich wurde eine ihrer Assistentinnen versetzt … ja, und dann war Travis erkrankt, und Damon bat sie, ihn zu heiraten.

„Lily, ich bin’s!“ Er war schon im Flur.

„Ich bin in der Küche!“, rief sie und setzte sich mit ihrer Müslischüssel an den blank polierten Küchentisch. Er kannte sich im Haus aus, und sie wollte nicht den Eindruck erwecken, als habe sie nur auf ihn gewartet.

Jetzt erschien er in der Küchentür, und seine angespannte Miene strafte seine lässige Haltung Lügen. Als sie seinen heißen Blick auf sich spürte, war alles wieder da. Seine Zärtlichkeiten. Seine Leidenschaft. Die vollkommene Übereinstimmung ihrer Körper, die Harmonie beim Liebesspiel … Lily starrte ihn an und war unfähig, sich zu bewegen.

Doch dann presste sie die Lippen aufeinander und richtete sich auf. Sie durfte sich nicht so gehen lassen. Es ging schließlich um die Zukunft ihres Kindes. Und um ihre eigene.

Er lachte leise. „Du brauchst nicht zu frühstücken. Wir bekommen doch im Flugzeug etwas zu essen.“

„Ich weiß. Aber seit ich schwanger bin, habe ich immer Hunger. Und bis wir im Flugzeug was kriegen …“

Wieder stieß er dieses leise, dunkle und viel zu verführerische Lachen aus. „Du bist doch nicht allein, Lily. Wenn du Hunger hast, wann und wo auch immer du bist, brauchst du es mir nur zu sagen.“

Wie gut tat es, umsorgt zu werden … Doch daran wollte sie sich gar nicht erst gewöhnen. Denn sie war durchaus in der Lage, auf sich selbst zu achten. „Danke, ich habe noch ein paar Kekse in der Tasche, das reicht.“

„Aber Lily, ich meine doch nicht nur jetzt. Mir ist es ernst damit. Du bist mit meinem Kind schwanger, und wenn du etwas möchtest, brauchst du es mir nur zu sagen. Ich beschaffe es dir, egal, ob wir im dicksten Verkehr stecken oder oben auf einem Berg stehen.“

Hübsch gesagt. Sie lächelte ironisch, denn sie wusste nur zu gut, was von seinen Versprechungen zu halten war. Wenn seine Arbeit rief, vergaß er alles andere. Dennoch, jetzt, in diesem Augenblick, meinte er, was er sagte. Und noch nie war er ihr so begehrenswert vorgekommen.

„Danke“, flüsterte sie, steckte sich ein Stück Melone in den Mund und kaute sorgfältig. Hoffentlich merkte er nicht, welche Wirkung er auf sie hatte. Verwirrt schlug sie die Augen nieder, spürte aber genau, dass er sie unverwandt ansah. Immer noch hielt sie den Blick gesenkt, wusste aber, dass sie der Realität auf Dauer nicht aus dem Weg gehen konnte. Schließlich würden sie heiraten, und irgendwann musste sie einen Weg finden, damit zurechtzukommen. Aber nicht jetzt. Sie konnte einfach noch nicht darüber nachdenken.

Aus dem Augenwinkel sah sie, wie Damon das Blatt Papier auf den Tisch legte und glatt strich. „Dies ist das Bankkonto für das Kind. Es läuft auf deinen Namen, so wie du es wolltest. Meine Anwälte haben mir ausgerechnet, wie viel ein Kind etwa bis zu seinem achtzehnten Lebensjahr braucht. Diese Summe habe ich bereits auf das Konto eingezahlt, damit du dir keine Gedanken darum machen musst, ob ich auch pünktlich zahle. In regelmäßigen Abständen werde ich dann weitere Summen überweisen.“

Lily warf einen Blick auf den Kontoauszug. Bei der Höhe der Summe stockte ihr kurz der Atem. Dass er so schnell reagieren würde, hätte sie nicht gedacht. Allerdings hatte sie darauf gewartet, dass nach ihr nun auch er seine Bedingungen nennen würde. Und hier waren sie, auch wenn es auf den ersten Blick nicht so aussah.

Mit der Einrichtung des Kontos und der Überweisung der Summe hatte er gleich Tatsachen geschaffen, sodass kein Vertrag mehr nötig war. Das war ganz eindeutig ein erster Schritt auf sein Ziel hin. Nämlich Lilys andere Bedingungen – getrennte Schlafzimmer, getrennte Leben – auch nicht vertraglich festzuhalten.

Sie ließ die Schultern hängen. Das hätte sie sich denken können. Damon würde sich nie darauf einlassen, denn er gab nichts auf, was einmal ihm gehört hatte. Dass er schon wieder versuchte, sie zu manipulieren, bestärkte sie jedoch in ihrer Entscheidung. Auf keinen Fall würde ihr Kind bei den Blakelys aufwachsen, für die nichts anderes zählte als Geld und die alles dafür tun würden, ihren Reichtum zu vermehren. Widerlich!

Damon musste immer und um jeden Preis die Nummer eins sein, das hatte sie selbst erfahren. Diesem Bedürfnis war bereits ihre Liebe zum Opfer gefallen. Und sie hatte sich geschworen, sich dem nie wieder auszusetzen, schon gar nicht ihr unschuldiges Kind.

Doch bevor sie etwas sagen konnte, meinte er: „Sind deine Sachen gepackt? Ich kann den Koffer schon mal mit rausnehmen.“

Jetzt oder nie. Sie musste ihm unbedingt zeigen, dass sie sich nicht alles gefallen ließ. Schließlich kannte er ihre Bedingungen, und sie musste ihn zwingen, sich dazu zu äußern. „Nicht so hastig, Damon. Ich habe noch keinen Vertrag.“

„Vertrag? Was für ein Vertrag? Ich habe dir doch bereits ein Konto eingerichtet. Ist das nicht die Unabhängigkeit, die du wolltest?“

Um ihren Worten mehr Gewicht zu verleihen, stand sie auf. Doch das brachte nicht viel, denn er konnte mit seinen einen Meter neunzig immer noch auf sie herabsehen, leicht amüsiert, wie ihr jetzt schien. Nun gut, auch wenn er das Ganze als Witz auffasste, ihr war es bitterernst. „Ich bestehe auf einem separaten Schlafzimmer, und zwar möglichst weit von deinem entfernt. Wenn du mir das nicht vertraglich zusicherst, heirate ich dich nicht.“

Jetzt grinste er doch tatsächlich! Er kam um den Tresen herum und stellte sich dicht vor Lily hin. „Aber Darling“, erwiderte er langsam, „ich werde doch nicht auf meine Rechte als Ehemann verzichten. Aber wenn du davon überzeugt bist, dass wir nicht zusammenleben können, solltest du vielleicht über einen anderen Vertrag nachdenken. Über einen, mit dem du mir das alleinige Sorgerecht überlässt.“

Erschreckt starrte sie ihn an und legte sich unwillkürlich die Hand auf den Bauch. Er hielt ihren Blick fest, und sie wusste, er war möglicherweise amüsiert, aber es war ihm sehr ernst mit dem, was er sagte. „Mit deinem Geld kannst du die Gerichte nicht beeindrucken“, sagte sie, sowie sie sich wieder gefangen hatte. „Und ein Mann, der sein Wort nicht hält, macht auch keinen guten Eindruck. Du hast versprochen, einen Vertrag zu unterzeichnen.“

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