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Augusta ist total verwirrt! Sie genießt Brams zärtliche Küsse, obwohl er wie ein Fremder für sie ist. Als man sie vor einiger Zeit nach einem Mordanschlag hochschwanger aus dem Wasser fischte, hatte sie ihr Gedächtnis verloren. Bram erzählt Gusty, wie alles begann: sie und ihre Drillingsschwestern Athena und Alexis waren die umschwärmten Stars eines Maskenballs. Heiß flirteten sie mit frei Freunden - den ehemaligen CIA-Agenten David, Trevyn und Bram. Längst sind aus Athena und David und aus Alexis und Trevyn glückliche Paare geworden. Und Bram? Kann ihm Gusty überhaupt vertrauen? Warum waren die Drogenhändler hinter ihm und ihr her? Ist er wirklich ihr Ehemann und der Vater ihrer kleinen Tochter Sadie? Gusty möchte es gern glauben, denn sie hat sich leidenschaftlich in Bram verliebt. Doch dann kehrte ihre Erinnerung plötzlich wieder zurück ...


  • Erscheinungstag 20.12.2017
  • ISBN / Artikelnummer 9783733754594
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Grüne Wiese, grüne Tannen, herbstlich gelbe Eichen! Augusta Bishop stand auf der Veranda der Hütte und glaubte, wahnsinnig zu werden! Wenn sie sich nicht bald daran erinnerte, wer sie war, passierte etwas. Nach drei Wochen war sie bereits so frustriert, dass sie am liebsten alles in die Luft gesprengt hätte.

„Es ergeht mir wie dir“, sagte sie und strich über ihren geschwollenen Leib. „Eine unsichere Zukunft vor dir und keine Vergangenheit.“

Dr. Lane hatte Amnesie diagnostiziert. Seiner Meinung nach konnte sie sich jederzeit wieder an alles erinnern – oder nie wieder. Wissen und Fähigkeiten hatte sie behalten. Sie hatte nur keine Ahnung mehr, wer sie war, wo sie lebte und wen sie liebte.

Augusta trat von der Veranda hinunter und ging ein Stück über die Wiese, hielt sich jedoch an die Anweisung ihres Mannes, den Wald nicht zu betreten. Er hatte ihr erklärt, jemand, den er hinter Gitter gebracht hatte, hätte einen Anschlag auf ihr Leben ausgeübt. Dadurch hätte sie das Gedächtnis verloren, und vorsichtshalber hatte er sie nach Oregon in die Berghütte eines Freundes gebracht.

Beeindruckende Berge umgaben das kleine Tal. Augusta konnte kaum glauben, dass sie diesen Anblick vergessen hatte. Als Bram sie jedoch vor etwas mehr als zwei Wochen herbrachte, war sie sicher gewesen, diese Gegend zum ersten Mal zu sehen.

„Wir haben hier die Flitterwochen verbracht“, behauptete er mit ruhiger Stimme, die ihr die Angst etwas nahm.

Verzweifelt bemühte Augusta sich um ihr Gedächtnis. Es reichte jedoch nur drei Wochen zurück, als sie Wasser spuckend an die Oberfläche des Columbia Rivers kam. Frierend und verstört hatte sie sich gefragt, was bloß mit ihr passiert war.

Der Scheinwerfer eines Bootes hatte sie erfasst, und ein Mann zog sie aus dem Wasser.

„Was ist passiert?“, fragte der Mann und hüllte sie in seine Jacke. „Sind Sie mit dem Auto in den Fluss gestürzt? Waren Sie allein?“

Sie wollte antworten, konnte es jedoch nicht.

Er verständigte die Polizei in Astoria. „Hier Captain Burgess, Lotsenboot Rainbow. Ich habe soeben eine junge Frau aus dem Wasser gezogen. Schicken Sie einen Krankenwagen zur Landestelle Red Lion.“

Er wendete das Boot und fuhr zu den Lichtern am anderen Ende einer mächtigen Brücke.

„Wie heißen Sie?“, fragte er, doch auch das konnte sie nicht beantworten.

Mit wachsender Panik stellte sie fest, dass sie schwanger war. Verstört stemmte sie sich von der Kabinenbank hoch.

„Ganz ruhig.“ Der Captain hielt sie am Arm fest. „Schon gut, das ist nur der Schock. Setzen Sie sich und hängen Sie sich wieder die Jacke um. Im Krankenhaus hilft man Ihnen. Dann erinnern Sie sich auch wieder an alles.“

Das war schon vor drei Wochen geschehen. Trotzdem wusste sie jetzt nicht mehr als damals.

Mühsam setzte Augusta sich ins Gras. Mitte Oktober gab es keine Insekten mehr. Sie hörte nur das Rascheln der Blätter und Brams Axt. Er hackte Feuerholz. Die Hütte mit den vier Räumen lag nur knapp einen Kilometer von Paintbrush entfernt, einer Vierhundert-Seelen-Gemeinde, doch auf die Versorgung mit Strom war kein Verlass. Auf den Kamin konnten sie nicht verzichten.

Die Nächte waren bereits kalt. Bram meinte, es würde bald schneien. Jetzt hackte er schon seit einer halben Stunde Holz, dieser Mann, von dem sie vergessen hatte, dass sie mit ihm verheiratet war. Am frühen Morgen nach dem Unfall hatte er sie in ihrem Krankenhausbett geweckt.

„Ich bringe dich heim“, flüsterte er ihr zu.

Sie hatte trotz der bedrohlichen Lage keine Angst vor ihm. Seine dunkelbraunen Augen gaben ihr ein Gefühl der Sicherheit.

Er hielt seine Hand neben die ihre. Sie trugen identische goldene Ringe. „Ich weiß, dass du dich an nichts erinnerst, doch ich bin dein Mann. Hier bist du in Gefahr, aber ich bringe dich in Sicherheit.“

Er hüllte sie in eine Decke, kletterte aus dem Fenster und half ihr ins Freie. Es war noch dunkel, als sie wegfuhren. Bram war seinen Worten nach Privatdetektiv, sie Lehrerin. Er hatte an der Küste von Oregon einen Fall bearbeitet, und sie war von ihrem Haus in Kalifornien zu ihm gekommen, um mit ihm seinen Geburtstag zu feiern. Hinterher waren sie mit zwei Wagen losgefahren, sie auf dem Weg zum Flughafen von Portland, er zurück zu seiner Arbeit.

Er war ihr in einigem Abstand auf der schmalen Straße am Fluss gefolgt und hatte gesehen, wie ein Wagen aus einer Seitenstraße kam, und ihr Auto mit hoher Geschwindigkeit rammte und es in den Fluss schleuderte.

Bram hatte den Wagen der Angreifer identifiziert. Er gehörte dem Bruder von Nicanor Mendez, einem Drogen- und Mädchenhändler, den Brams Aussage ins Gefängnis gebracht hatte.

Bram war von der Ehefrau des Bruders engagiert worden. Sie vermutete, dass ihr Mann sie betrog. Die Beschattung hatte Bram nach Mexiko geführt, und sobald ihm klar wurde, was Mendez dort machte, verständigte er die DEA, die Drogenfahndung.

Da Bram sicher war, dass Mendez Rache suchte, die Nachrichten gesehen hatte und wieder hinter Augusta her sein würde, hatte er sie aus dem Krankenhaus geholt. Seither versteckten sie sich.

Das alles erschien ihr unwirklich, weil sie sich nicht daran erinnerte. Was sie bei sich gehabt hatte, lag in dem Leihwagen auf dem Grund des Flusses.

Bram hatte sie in ihr Haus in Pansy Junction in Kalifornien gebracht. Die Hoffnung, die bekannte Umgebung würde helfen, hatte sich jedoch nicht erfüllt.

Gusty hatte sich daheim einige Tage ausgeruht. Nachdem zweimal angerufen wurde, ohne dass sich jemand meldete, waren sie bei Nacht und Nebel wieder verschwunden, nach Portland geflogen und von dort weitergefahren.

Bram hatte auf getrennten Schlafzimmern bestanden, weil Gusty sich auch an die gemeinsamen Intimitäten nicht erinnerte. Seither lebten sie wie Freunde zusammen.

Bram kam mit Holzscheiten auf den Armen hinter dem Haus hervor. Ob es vor dem Unfall Probleme in der Ehe gegeben hatte? Schließlich waren sie sehr unterschiedlich. Bram war tüchtig und selbstbewusst und neigte dazu, Befehle zu erteilen, anstatt um etwas zu bitten.

Sie dagegen … Nun ja, das war schwer zu sagen. Schließlich wusste sie nur wenig über sich. Sie hatte sich bisher ganz gut neben Bram behauptet, auch wenn sie sich wegen der drohenden Gefahr und der außergewöhnlichen Situation weitgehend nach seinen Wünschen richtete. Allerdings vermutete sie, dass sie nicht sonderlich selbstbewusst war. Fünf Wochen vor der Geburt ihres Kindes bereitete ihr das alles große Sorgen.

Was passierte denn, wenn sie eines Tages ihr Gedächtnis wieder fand und entdeckte, dass mit der Ehe etwas nicht stimmte? Vielleicht hatte sie Bram verlassen wollen – oder er sie. Musste sie sich dann allein um ihr Kind kümmern?

Laut Bram war sie Lehrerin, doch ohne Informationen über ihre Vergangenheit konnte sie nicht unterrichten. Was sollte sie sonst machen? In den letzten Wochen hatte sie herausgefunden, dass sie kochen konnte. Sie kannte sich auch im Garten aus. Brams Freunde hatten viel Gemüse gepflanzt. Unerwartet hatten sie vor Brams und Gustys Ankunft in die Stadt zurückkehren müssen. Gusty hatte seither viel geerntet, nur die Kürbisse nicht.

„Einen Löwenzahn für deine Gedanken.“ Bram ging neben ihr in die Hocke und reichte ihr die Blume mit den weißen flaumigen Samenfäden.

Er war ein ungewöhnlicher Mann, groß und muskulös. Er strahlte Stärke aus, sowohl innerlich als auch rein körperlich.

Das gut geschnittene Gesicht erinnerte an Bogart oder Bronson, und es war überraschend, wie strahlend er lächeln konnte – was er allerdings selten tat.

Abgesehen davon, dass er wie selbstverständlich das Kommando übernahm, war er seit dem Auftauchen im Krankenhaus stets nett und fürsorglich gewesen.

Er hielt ihr den Löwenzahn an die Lippen. „Wünsch dir was“, forderte er sie lächelnd auf. „Dann musst du pusten und mir sagen, was du dir gewünscht hast.“

Sie gehorchte, und die duftigen Samen schwebten davon. Einige verfingen sich in seinem dunklen Haar. Gusty wischte sie wieder weg. Seltsam. Auch wenn sie sich nicht an ihr gemeinsames Leben erinnerte, berührte sie Bram gern. Vielleicht erinnerte sich das Kind unter ihrem Herzen an ihn, und das wiederum übertrug sich auf sie.

„Ich darf es dir nicht sagen, sonst erfüllt sich der Wunsch nicht“, wehrte sie ab.

Er ließ den Blick über ihr Gesicht wandern. „Daran erinnerst du dich?“

„Der Arzt sagte, ich würde mich an solche Dinge erinnern wie an Zähneputzen“, meinte sie mutlos.

Bram schob die Hände unter ihre Achseln. „Komm ins Haus. Es ist schon zu kalt, um auf der Erde zu sitzen. Bereit?“

„Bram, mir geht es gut.“ Sie versuchte, seine Hände wegzuschieben. „Es wird nicht mehr viele solcher Tage geben. Ich möchte das Wetter nutzen.“

Er störte sich nicht an ihrem Widerspruch, und ihr blieb nichts anderes übrig, als sich von ihm helfen zu lassen.

„Ich kann gar nicht glauben, dass ich dich geheiratet habe“, sagte sie seufzend, „wenn du mich in der Verlobungszeit auch dermaßen herumgeschubst hast.“

„Wir waren nicht verlobt.“ Er legte ihr den Arm um die Schultern und führte sie zur Hütte. „Wir haben anfangs ständig gestritten und dann gleich geheiratet.“

Sie blieb verblüfft stehen. „Nicht verlobt? Aber nach deinem Heiratsantrag muss doch einige Zeit verstrichen sein.“

„Na ja, schon, sofern du die drei Tage gelten lässt, in denen wir auf die Blutuntersuchung und die Heiratslizenz warteten. Übrigens hast du mir den Heiratsantrag gemacht.“

Bram fand ihren verblüfften Gesichtsausdruck zwar amüsant, aber nicht gerade schmeichelhaft. Im Moment ging es jedoch nicht um sein Selbstbewusstsein, sondern um Gustys Sicherheit.

„Das redest du mir nur ein“, sagte sie misstrauisch und ging weiter. „Ich habe dir garantiert keinen Antrag gemacht.“

„Wieso denn nicht?“ Er stützte sie an einer unebenen Stelle. „Du warst wild auf mich.“

„Wirklich?“

„Und wie! Du bist mir bis Portland gefolgt, wo ich in einer Scheidungssache zu tun hatte.“

Gusty blieb erneut stehen und verschränkte starrsinnig die Arme. „In unserem Haus in Kalifornien fragte ich dich, wie lange wir schon verheiratet sind.“

„Richtig. Ich sagte, es wären acht Monate.“

„Du hast mir außerdem versichert, wir hätten nicht wegen meiner Schwangerschaft geheiratet.“

„Auch richtig“, bestätigte er lächelnd. „Du wurdest schwanger, weil wir verheiratet sind. Muss gleich in der Hochzeitsnacht passiert sein.“

„Ich bin dir also gefolgt und habe dir einfach so einen Heiratsantrag gemacht“, sagte Gusty.

„Ja.“

„Das sieht mir nicht ähnlich. Das heißt, mein Gefühl sagt mir, dass ich keinem Mann über siebenhundert Kilometer hinterher reisen und einen Korb riskieren würde. So mutig bin ich nicht.“

Behutsam schob er sie zur Hütte. „Du erinnerst dich einfach nicht daran, wie es ist, verliebt zu sein. Das verleiht einem Kräfte, die man sich nicht vorstellen kann.“

„Und wieso hast du angenommen?“, fragte sie.

„Weil ich auch verliebt war und du die besten Plätzchen machst, die ich jemals gegessen habe.“

„Wieso hast du mir dann keinen Heiratsantrag gemacht?“

„Hatte ich, aber du hast abgelehnt.“

Das Sonnenlicht fiel auf Augusta, als sie die Stufen zur Veranda hinaufstiegen. In ihrem schönen Gesicht fielen besonders die dunkelblauen Augen auf. Die Nase war hübsch geformt, der Mund war ausdrucksstark. Das dunkelrote Haar hatte sie auf dem Kopf hochgesteckt.

„Warum habe ich abgelehnt?“, fragte sie.

„Weil ich Polizist, Soldat und CIA-Agent war und jetzt Detektiv bin. Du hast gesagt, ich müsste eine Todessehnsucht haben. Du wünschst dir aber ein Zuhause und Kinder und einen Ehemann mit einer normalen Arbeit.“

Sie überlegte angestrengt und schüttelte schließlich den Kopf. „Wieso habe ich meine Meinung geändert?“

Er öffnete die Hüttentür und schob Gusty nach drinnen. „Vielleicht lag es an meinem gewinnenden Wesen.“

„Wohl kaum“, entgegnete sie lächelnd.

Lachend holte er die Holzscheite vom Tisch auf der Veranda in die Hütte. „Dann weiß ich es nicht. Du hast nichts gesagt, sondern mich einfach gebeten, dich zu heiraten.“

„Dann waren wir also glücklich?“ Gusty setzte sich auf die Seitenlehne des rosa und grün geblümten Sofas, während Bram das Holz in einem Kupferbehälter unterbrachte.

„Ja“, versicherte er. „Wieso? Bist du es nicht? Ich meine, abgesehen von der Amnesie.“

Sie sah ihm forschend in die Augen, und er hielt ihrem Blick stand.

„Ich weiß nicht, woran es liegt“, meinte sie schließlich geradezu entschuldigend, „aber irgendwie habe ich das Gefühl, dass etwas nicht richtig ist und dass einer von uns …“ Sie verzichtete auf weitere Erklärungen und schüttelte nur den Kopf. „Keine Ahnung, worauf ich hinauswill.“

Bram stapelte drei Scheite im Kamin, schob Zeitungspapier darunter, zündete es an und griff lächelnd nach dem Schürhaken.

„Dein Gefühl trügt dich nicht“, behauptete er. „Zwischen uns stimmt tatsächlich etwas nicht. Wir sind sehr liebevoll und leidenschaftlich miteinander umgegangen. Dass wir jetzt getrennt schlafen und wie Fremde zueinander sind, erscheint dir falsch. Uns beiden ist klar, wieso das so ist.“

Gusty kam ans Feuer. „Ich bin dir gegenüber liebevoll und leidenschaftlich, obwohl du mir ständig Vorschriften machst oder mich an etwas hinderst?“

Er legte den Schürhaken wieder weg. „Ja, weil du weißt, dass ich das nur aus Sorge um dich mache.“

„Und das ist die Wahrheit?“

Er wich ihrem Blick aus. „Ja.“

„Ich bin sehr tolerant.“

„Das bist du.“

Sie ging in die Küche und rief: „Kaffee?“

„Ja, bitte.“

„Welche Plätzchen backe ich eigentlich für dich?“, erkundigte sie sich, während sie sich am Herd zu schaffen machte.

„Schokoladenkekse mit Nüssen habe ich am liebsten.“ Bram unterdrückte sein schlechtes Gewissen. „Erdnussbutter-Dattel-Stangen und diese Erdnussbutter-Bällchen, die halb in Schokolade getaucht sind und die du Kuhaugen nennst, mag ich auch gern.“

Sie steckte den Kopf ins Wohnzimmer herein. „Wieso bist du noch nicht fett geworden?“

Er lehnte sich an den Türrahmen und deutete auf ihren Leib. „Weil du mir geholfen hast, Kalorien zu verbrennen.“

„Wie hinterhältig von dir“, erwiderte sie und wurde rot. „Also bin ich an deiner Stelle fett geworden.“

„Du hast sehr bereitwillig mitgemacht.“

„Sagst du.“

Behutsam legte er ihr die Hand auf den Bauch. „Das hier ist der Beweis.“

Er hätte sie nicht berühren sollen. Es versetzte ihnen beiden einen leichten Schock, wie heftig diese Zärtlichkeit auf sie wirkte.

„Ich hole den Kaffee“, sagte er und ging zur Kaffeemaschine.

Er wusste, dass es nicht immer so weitergehen konnte wie seit Gustys Flucht aus dem Krankenhaus. Trotzdem hätte er sich genau das gewünscht, weil sie jetzt nur wusste, was er ihr verraten hatte.

Wahrscheinlich würde ihr jedoch immer mehr aus ihrer Vergangenheit einfallen, und eines Tages musste sie sich an alles erinnern.

Und davor fürchtete er sich.

2. KAPITEL

Gusty holte soeben das erste Blech aus dem Backofen, als Bram erfreut hinter ihr sagte: „Das duftet nach Plätzchen.“ Er stand mit einem Schraubenschlüssel in der einen und einem Lappen in der anderen Hand hinter ihr.

„Ich kann dich nicht kosten lassen. Sie sind noch zu heiß“, erwiderte sie bedauernd und bot ihm Kaffee an. „Was macht die Dusche?“

„Ich bin fast fertig. Sie war verkalkt. Ich habe den Duschkopf in Reiniger gelegt und bringe ihn gleich wieder an. Wenn alles klappt, kannst du nach dem Abendessen duschen.“

„Großartig. Bis du fertig bist, sind die Plätzchen abgekühlt. Verdirb dir damit aber nicht den Appetit fürs Abendessen.“

„Plätzchen haben mir noch nie etwas verdorben“, versicherte er und machte sich wieder an die Arbeit.

Beim Abendessen nahm Bram von allem einen Nachschlag. Gusty schmeckte es zwar auch, aber wahrscheinlich musste sie nachts dafür mit Sodbrennen bezahlen.

„Wahrscheinlich hast du mich wegen meiner Kochkünste geheiratet“, meinte sie und nahm einen Schluck Milch, während Bram die Teller zur Spüle trug.

„Genau deshalb“, bestätigte er, „und weil ich ständig an dich denken musste.“

„Ist das denn dasselbe wie Liebe?“

Er stellte das Geschirr in die Spülmaschine und kam an den Tisch zurück. „Ich finde schon. Bis ich dich traf, war ich jedenfalls nur auf meine Arbeit ausgerichtet. Dann hast du mein Leben bestimmt.“

„War das für dich gut oder schlecht?“

Er brachte die restlichen Schüsseln zur Theke. „Hauptsächlich gut“, meinte er lächelnd.

„Hauptsächlich?“ Sie griff nach dem übrig gebliebenen Blumenkohl und den Brötchen, um ihm zu helfen, doch er drückte sie auf den Stuhl zurück.

„Ich räume ab.“ Er bedeckte die Schalen mit Folie und stellte sie in den Kühlschrank. „Hauptsächlich, weil ich an meine Lebensweise gewöhnt war und mich erst darauf einstellen musste, dass ich zwischen meiner Arbeit und meinem Leben unterscheide.“

„Als CIA-Agent stand dein Leben nicht an erster Stelle?“

Sobald er mit allem fertig war, brachte er Eiscreme und zwei Schalen an den Tisch. „Nein. Neben dieser Arbeit rückt alles an die zweite Stelle. Aber da war ich auch noch jung, und daher machte es mir nichts aus. Die Männer, mit denen ich arbeitete, wurden zu meiner Familie.“

„Du hast mir erzählt, dass du die CIA bereits verlassen hattest, als wir uns kennen lernten.“

„Stimmt.“ Er verteilte Eiscreme auf die beiden Schalen, brachte die Packung wieder weg und holte die Plätzchen.

„Du hast also nicht meinetwegen gekündigt und nimmst mir das übel?“

„Nein, wieso fragst du?“

„Weil zwischen uns etwas nicht stimmt.“ Gusty winkte ab. „Ich weiß, ich weiß! Du behauptest, das käme von der ungewohnten Enthaltsamkeit. Ich glaube aber, dass es etwas anderes ist.“

Gusty stützte sich auf den Tisch und betrachtete Bram eingehend und voll Unschuld. Er versuchte, genau so unschuldig zu wirken, ahnte jedoch, dass sie es ihm nicht abkaufte.

„Wie kannst du so sicher sein“, fragte er und schob ihr den Teller mit den Plätzchen hin, „wenn du dich an nichts erinnerst?“

„Ich fühle, dass es an mir liegt.“ Sie griff nach einem Plätzchen und biss davon ab. „Irgendetwas an mir stört dich. Habe ich denn etwas angestellt? Hatte ich vielleicht eine Affäre?“

„Nein, du warst eine wunderbare Ehefrau“, versicherte Bram hastig.

Sie wirkte zwar erleichtert, aber noch nicht überzeugt. „Du sagst das doch nicht nur, weil ich mich an nichts erinnere?“

„Nein“, beteuerte er. „Es stimmt. Mit unserer Ehe ist alles in Ordnung. Wir lieben uns.“

„Na schön“, meinte sie schließlich. „Du hast mir erzählt, dass du eine Schwester hast.“

„Lisa. Sie lebt mit ihrem Mann, einem Arzt, in Kansas.“

„Ist sie älter als du?“

„Anderthalb Jahre jünger als ich. Ich habe auch drei kleine Nichten.“

Gusty wandte sich der Eiscreme zu. „Und deine Eltern sind tot?“

„Mein Vater starb im Gefängnis“, erwiderte er knapp. „Meine Mutter war Alkoholikerin und starb vor zehn Jahren an Leberversagen.“ Er fasste nach Gustys Hand, als sie ihn betroffen ansah und ihr Tränen in die Augen traten. „Es ist schon gut. Lisa und ich haben uns damit abgefunden. Sie heiratete zwar mit sechzehn, aber er ist ein toller Kerl. Die beiden haben es geschafft. Er bekam ein Stipendium, sie fand Arbeit, und beide schufteten Tag und Nacht, bis er das Medizinstudium abschloss. Er fand eine Anstellung in einem Krankenhaus, und dann erst bekamen sie Kinder.“

„Und du bist nach ihrer Heirat zum Militär gegangen?“

„Zuerst war ich Polizist. Dann erst wurde ich Soldat.“

Sie drückte seine Hand. „Tut mir leid wegen deiner Eltern. Ich erinnere mich zwar nicht an meine, aber ich glaube nicht, dass ich mit ihnen so viel Schlimmes erlebt habe. Ich habe dir erzählt, dass sie schon seit einiger Zeit nicht mehr leben, stimmt’s?“

„Stimmt. Du mochtest deinen Vater, bist mit deiner Mutter aber nicht sonderlich gut ausgekommen. Sie war wohl ziemlich egozentrisch.“

Gusty zog die Hand zurück und seufzte. „Ich erinnere mich überhaupt nicht an die beiden. Dadurch komme ich mir wie ein Waisenkind vor.“

„Du hast immer noch deine Schwestern“, bemerkte er, um sie aufzuheitern.

„Stimmt, wir sind Drillinge“, erwiderte sie lächelnd. „Auf den Fotos auf meinem Nachttisch in Pansy Junction sehen wir wie Klons aus, nicht wahr? Trotzdem erinnere ich mich nicht an die beiden. Wo sind sie?“

„Athena ist Anwältin in Washington. Alexis, die Künstlerin, lebt in Rom.“

Gusty wiederholte die Namen mehrmals. „Ich erinnere mich auch nicht an die zwei. Wahrscheinlich fragen sie sich, wo ich stecke.“

„Bestimmt“, bestätigte er. „Deine Rettung aus dem Fluss wurde groß in den Nachrichten gebracht.“

„Ist es nicht schrecklich, dass meine Schwestern nicht wissen, dass ich in Sicherheit bin?“, fragte sie eindringlich.

Bram nickte. „Es geht nicht anders. Wenn wir eine von ihnen anrufen, könnte man uns aufspüren.“

Offenbar fand sie sich damit ab. „Es ist schön, dass ich noch jemanden habe“, stellte sie fest.

Bram war klar, dass es falsch war, auf ihre Schwestern eifersüchtig zu sein. Schließlich liebte auch er seine Schwester. Trotzdem wäre er für Gusty gern alles gewesen.

„Willst du jetzt duschen?“, fragte er. „Du kannst sogar den Duschkopf drehen und die Strahlen einstellen.“

Sie ging nicht auf die Frage ein, sondern griff nach einem zweiten Plätzchen. „Bin ich eine gute Lehrerin?“

„Im Arbeitszimmer in deinem Haus hängt eine Medaille für die Lehrerin des Jahres. Ich habe sie dir gezeigt. Erinnerst du dich?“

Sie überlegte eine Weile. „Ja, dunkel. Es hat mich ziemlich mitgenommen, das Haus zu sehen, ohne mich an etwas zu erinnern. Damit hatte ich wirklich gerechnet.“

„Ich glaube, du machst alles gut, was du anpackst“, versicherte er. „Du kennst dich im Garten aus, und du kannst kochen. Und du bist fürsorglich. Ständig willst du jemandem helfen oder jemanden trösten.“

„Bin ich ein Engel?“

Jetzt musste Bram lachen. „Bisher musste ich mit dir so ziemlich wegen allem einen Kampf ausfechten. Nein, ein Engel bist du bestimmt nicht.“

Sie stand auf. „Ich spüle und dusche anschließend.“

Er kam um den Tisch. „Ich spüle, und du duschst.“

Gusty genoss das Duschen, doch als sie das Wasser abstellte, wurde ihr plötzlich schwindelig. Sie stützte sich an den Wänden der Duschkabine ab. Als es nicht besser wurde, störte sie sich nicht länger daran, dass sie nackt war, und rief nach Bram.

Gleich darauf öffnete sich die Badezimmertür, und dann riss Bram die Kabinentür auf. „Was ist los?“, fragte er besorgt und griff nach ihr.

Sie lehnte sich benommen an ihn. „Mir ist schwindelig.“

Er griff nach einem Badetuch und hüllte sie darin ein. „Hast du Schmerzen?“

„Nein.“

„Bist du gestürzt?“

„Nein, aber ich hatte Angst zu stürzen. Deshalb habe ich dich gerufen.“ In Brams Armen fühlte sie sich sicher. Am liebsten hätte sie die Augen geschlossen und sich dem Schlaf überlassen.

„Hier drinnen ist es wie in der Sauna“, stellte er fest und trocknete ihr den Rücken. „Wahrscheinlich hast du ein wenig übertrieben, weil die Dusche jetzt richtig arbeitet, und die Hitze war zu viel für dich.“

„Das warme Wasser war wunderbar“, murmelte sie und genoss die sanfte Massage. „Der Rücken tat mir weh.“

„Sobald du trocken bist, rufe ich den Arzt.“ Er stützte sie mit einem Arm, griff nach ihrem Bademantel und legte ihn ihr um die Schultern. Behutsam trocknete er mit dem zusammengerollten Handtuch ihre Brüste und ihren Bauch ab.

Gusty konnte sich nicht entscheiden, ob sie über seine Zurückhaltung erleichtert oder beleidigt sein sollte. Sie fühlte sich jedenfalls im Moment schrecklich dick und unattraktiv.

Tief atmete sie die kühle Luft ein, die ins Bad strich. „Das ist nicht nötig. Du hattest wahrscheinlich recht, dass …“ Sie zögerte, als er mit dem Handtuch über ihre Schenkel strich. „Es war zu heiß“, fügte sie hinzu.

Bram schloss ihren Bademantel. Im selben Moment bewegte sich das Kind so heftig, dass er es fühlte. Er schob die Hand unter dem Bademantel auf ihren Bauch. Das Kind trat noch mehrmals um sich.

„Mann“, sagte Bram tief beeindruckt.

Seine Reaktion überraschte sie. „Hast du das Kind denn noch nicht gefühlt?“

Er half ihr zum Sofa im Wohnzimmer. „Ich staune jedes Mal darüber. Ich habe die Schwangerschaft beobachtet, aber es beeindruckt mich, das neue Leben in deinem Körper zu fühlen. Ist dir noch schwindelig?“

Autor

Muriel Jensen

So lange Muriel Jensen zurückdenken kann, wollte sie nie etwas andere als Autorin sein. Sie wuchs in einer Industriestadt im Südosten von Massachusetts auf und hat die Menschen dort als sehr liebevoll und aufmerksam empfunden. Noch heute verwendet sie in ihren Romances Charaktere, die sie an Bekannte von damals erinnern....

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