Daddy, komm zurück!

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Hat Garth eine zweite Chance verdient? Faye hat den heftigen Streit nicht vergessen, nach dem sie ihn vor zwei Jahren verließ. Doch Garth willigt nicht in die Scheidung ein, im Gegenteil: Er will bei Faye einziehen und ihr beweisen, dass nur er ihr vollkommene Erfüllung schenken kann …


  • Erscheinungstag 04.05.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733735388
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Garth Clayton war erstaunt. „Was willst du denn hier?“

Faye blickte ihm direkt in die Augen. Seit zwei Jahren leben wir getrennt, und er hat mir noch immer nicht verziehen, dachte sie. Wie soll ich ihm bloß sagen, was ich möchte?

„Willst du mich nicht hereinbitten?“, fragte sie.

Er rührte sich nicht. „Als du dieses Haus verlassen hast, hast du geschworen, nie mehr zurückzukommen.“

„An jenem Abend haben wir vieles gesagt, was wir nicht so meinten.“

„Ich stehe hinter allem, was ich gesagt habe“, entgegnete er unnachgiebig.

Er wirkt älter als seine fünfunddreißig Jahre, ging es ihr durch den Kopf.

Um seine Augen hatten sich feine Fältchen eingegraben, und sein Blick hatte im Gegensatz zu früher etwas Düsteres. Er sah aus, als würde er nicht genug essen und schlafen. Trotzdem war er immer noch ein attraktiver Mann, auch wenn er, wie jetzt, die Lippen fest zusammenpresste, was ihn angespannt und verbittert wirken ließ.

Faye wusste, dass sie sich ebenfalls verändert hatte. Aus der naiven, fast noch kindlichen Frau, die sie bei ihrer Heirat gewesen war, war eine Mutter von zwei Kindern geworden, die ihre eigene Meinung hatte und in der Lage war, der starken Persönlichkeit ihres Mannes entgegenzutreten. Heute drückte ihre Haltung Selbstvertrauen aus, was sich auch in den kräftigen Farben widerspiegelte, die sie inzwischen meistens trug. Früher hatte sie zartere Farbtöne bevorzugt.

„Ich möchte mit dir reden“, erklärte sie fest.

Er trat einen Schritt zurück, um sie hereinzulassen. Sie spürte seinen Blick, als er ihren neuen Kurzhaarschnitt betrachtete. Faye kleidete sich nicht teuer, aber da sie groß war und eine schlanke Figur hatte, stand ihr fast alles. Der rostrote Blazer und die gleichfarbigen Hosen wirkten elegant, und man sah ihr an, dass sie eine Frau war, die sich in ihrer Haut wohl fühlte.

Garth ging ins Wohnzimmer, und Faye war erstaunt, es noch so vorzufinden wie früher. Als sie damals ging, war er so wütend gewesen, dass sie sicher gewesen war, er würde alle Spuren ihres Zusammenlebens beseitigen. Aber es hatte sich fast nichts verändert. Hier hatten sie ihren letzten Streit gehabt, als sie vergeblich versuchte, ihm zu erklären, warum sie ausziehen wollte.

„Möchtest du etwas trinken?“, fragte er.

„Nein, danke, ich muss noch fahren.“

Erstaunt zog er die Augenbrauen ein wenig hoch. „Du hast den Führerschein gemacht?“

„Ja, und es war überhaupt kein Problem.“

„Dann hast du wohl einen sehr geduldigen Lehrer gefunden“, bemerkte er spöttisch.

„Das stimmt“, gab sie zu.

Garths erstes Fahrzeug war ein alter LKW aus dritter Hand gewesen, mit dem er seine Karriere als Bauunternehmer begann. Später, als er gut verdiente, hatte er Faye einen teuren Wagen gekauft und versucht, ihr das Fahren beizubringen. Diese Versuche gingen jedoch katastrophal schief. Als sie auszog, fehlte ihr dann das Selbstvertrauen, es noch einmal zu versuchen, und so ließ sie den Wagen zurück.

Beunruhigende Gefühle kamen plötzlich wieder in ihr hoch. Vielleicht hätte sie nicht in dieses luxuriöse Haus zurückkommen sollen, das er zwar „für sie“ gebaut hatte, welches jedoch nur seinen eigenen Geschmack widerspiegelte. Hier hatte sie mit Garth das Bett geteilt, aber sonst hatten sie keine Gemeinsamkeiten gehabt. Außerdem hatte sie das neue Haus nie gemocht. Doch wie so oft in ihrer Ehe hatte sie die eigenen Gefühle zurückgestellt und Freude vorgegeben, um ihren Mann glücklich zu machen.

Das lag nun schon lange zurück. Ihre Ehe bestand nur noch auf dem Papier, und Faye stand jetzt auf eigenen Füßen.

Es hatte eine Zeit gegeben, da hatte ihr Herz beim bloßen Gedanken an Garth Clayton schneller geschlagen. Der Mann mit dem dunklen Haar, der strahlenden Erscheinung und seiner ausgesprochen geschmeidigen Art, sich zu bewegen, hatte die Bewunderung der damals achtzehnjährigen Faye erregt. Er arbeitete auf einer Baustelle, an der sie jeden Tag auf dem Weg zur Arbeit in einem Modehaus vorbeiging. Manchmal blieb sie stehen und betrachtete aus der Ferne, wie er gewandt auf das Gerüst kletterte oder scheinbar mühelos schwere Lasten hob.

Damals war sie noch so naiv, dass sie die Bewunderung für seinen gut gebauten Körper nicht als das Aufflackern von Begierde erkannte. Sie wusste nur, dass sie sich irgendwie bemerkbar machen musste. Als Garth ihr endlich einmal zuzwinkerte, wurde sie rot und ging schnell weiter zur Arbeit. Für den Rest des Tages war sie danach nicht mehr zu gebrauchen. Wenn jemand zu ihr sprach, erwachte sie wie aus einer Trance, und den Kunden gab sie das Wechselgeld falsch heraus. Ihr Chef tadelte sie, aber Faye hörte seine Worte kaum. Sie schwebte im siebten Himmel.

Am nächsten Morgen wartete Garth am Zaun auf sie.

„Ich wollte dich gestern nicht erschrecken“, meinte er rau.

„Das hast du nicht. Ich war nur … überrascht.“

„Überrascht? Ein hübsches Mädchen wie du?“

Sie konnte es nicht fassen! Er hatte sie hübsch genannt.

Sie gingen ins Kino, aber zu Fayes größter Enttäuschung küsste er sie nicht, sondern legte nur ihre Hand an seine Wange. Sie war unglücklich, weil sie dachte, er fände sie langweilig. Doch er lud sie wieder ein, und bei der dritten Verabredung kam es zum ersten Kuss. Sie dachte damals, es könnte nichts Herrlicheres auf Erden geben.

Doch es gab noch eine Steigerung. Beim Gedanken an ihr erstes Mal, traten ihr auch viel später noch Tränen in die Augen. Der junge Garth verfügte zwar über mehr Kraft als Geschicklichkeit, aber er war liebevoll und zärtlich und behandelte sie wie eine Kostbarkeit.

„Geh noch nicht!“, bat er, als sie sich anzog.

„Ich muss jetzt los, sonst verpasse ich den letzten Bus“.

„Ich begleite dich, ich will dich noch nicht gehen lassen.“

„Aber es fährt sonst kein Bus mehr“, wandte sie ein und betete ihn dafür an, dass er sich nicht von ihr trennen wollte.

Zuletzt ging er mit Faye zur Haltestelle, wo er sie fest umschlungen hielt, bis der Bus kam. Sie setzte sich nach hinten, und er legte die Hände von außen gegen das Fenster. Als der Bus losfuhr, blieb Garth stehen und schaute Faye nach, bis der Bus um die Ecke bog.

Wenn sie sich nicht liebten, redeten sie miteinander. Er erzählte ihr von seinem Traum, einmal sein eigener Herr zu sein. Ein Bauunternehmer mit einer kleinen Firma, die langsam wachsen sollte. Nach oben gab es keine Grenzen. Faye konnte sich nicht erinnern, dass auch sie Vorstellungen von ihrem Leben geäußert hatte. Aber damals war er alles, was sie wollte.

Und dann erzählte sie ihm von ihrer Schwangerschaft.

„Im nächsten Monat habe ich eine Woche frei“, schlug er sofort vor. „Dann können wir in die Flitterwochen fahren.“

„Flitterwochen?“, wiederholte sie erstaunt und glücklich. „Meinst du wir sollen heiraten?“

„Natürlich werden wir heiraten!“

Damals war sie zu glücklich, um sich daran zu stören, dass er sie gar nicht fragte, sondern einfach bestimmte, dass sie heiraten würden. Sie wollte unbedingt seine Frau werden.

Die Hochzeit fand standesamtlich statt, und sie verbrachten die Flitterwochen am Meer in einem geliehenen Wohnwagen, der allerdings schon bessere Zeiten gesehen hatte. Da sie fast kein Geld hatten, machten sie lange Spaziergänge am Strand, aßen nur preiswerte Gerichte und liebten sich immer wieder. Es war eine wunderbare Zeit, und Faye war sicher, dass ihre Ehe gut gehen würde.

Damals war sie allerdings so blauäugig zu glauben, dass ihre Liebe ewig halten würde. Außerdem hatte sie Garths wahren Charakter noch nicht kennen gelernt. Der führte schließlich dazu, dass alles zerbrach, was sie glücklich gemacht hatte. Und jetzt waren sie am Ende dieser langen Geschichte angekommen, und Faye hatte im Dunkeln die Fahrt nach Elm Ridge gemacht, um ihm gegenüberzutreten.

Garth folgte ihr ins Wohnzimmer und wartete. Die Atmosphäre war spannungsgeladen, und Faye hatte das Gefühl, als wäre alles doch nicht so einfach, wie sie gedacht hatte. Um Zeit zu gewinnen, zog sie ihren Blazer aus, unter dem sie ein ärmelloses, olivgrünes T-Shirt trug. Eine Kette schmückte ihren schlanken Hals.

Garth sah sich die Kette genauer an. Echtes Gold, wenn er seinem Urteil trauen durfte. Schlicht, jedoch sehr teuer. Diese Kette hatte sie sich bestimmt nicht selbst gekauft, und sie war auch nicht eines der Geschenke von ihm, die sie fast alle zurückgelassen hatte.

Faye hatte außerdem ein dezentes Parfum aufgelegt. Deutlicher als ihre Aufmachung führte der raffinierte Duft ihm vor Augen, dass er diese Frau nicht mehr kannte.

„Du hast dir den richtigen Moment ausgesucht, um vorbeizukommen“, bemerkte er. „Ich wollte gerade ins Bett gehen.“

„Ich bin erst jetzt gekommen, weil ich weiß, dass du normalerweise spät von der Arbeit nach Hause kommst. Ich hoffe, ich störe nicht. Vielleicht hast du Besuch?“

„Du meinst eine Frau? Nein. Auch wenn du mir vielleicht einiges zutraust, aber eine Frau wirst du hier nicht finden.“

„Das habe ich nie behauptet, Garth. Ich konnte einfach nicht mehr mit dir leben.“

„Das hast du zwar gesagt, aber ich habe nie verstanden, warum.“

„Ich habe versucht, es dir zu erklären.“

„Mein Fehler lag wahrscheinlich darin, Tag und Nacht zu arbeiten, um dir ein angenehmes Leben mit jeglichem Luxus zu bieten. Dafür wurde ich dann mit dem Auszug meiner Frau und meiner beiden Kinder bestraft.“ Sein bitterer Tonfall bewies, dass er sie tatsächlich noch immer nicht verstand.

„Vielleicht sollte ich jetzt besser gehen und ein anderes Mal wiederkommen …“

„Nein!“, unterbrach er sie. „Du wirst schon deine Gründe haben, jetzt hier zu sein. In der letzten Zeit hast du besonders viel Distanz gewahrt. Auch wenn die Kinder mich besuchen, bist du nie dabei. Und wenn ich sie bei dir abhole, sprichst du kaum mit mir.“

„Ich möchte sie nicht mit Streitereien belasten.“

„Wie geht es ihnen? Ich habe sie schon lange nicht gesehen.“

„Letzte Woche hättest du sie sehen können, wenn du wie versprochen zu Cindys Schulaufführung gekommen wärest. Sie spielte die Hauptrolle. Ihr sehnlichster Wunsch war, dass du kämest. Sie wollte, dass du stolz auf sie bist.“

„Ich wollte ja dabei sein, aber in letzter Minute kam etwas dazwischen.“

Faye seufzte. „Immer kommt etwas dazwischen, Garth. Ein Geschäft ist für dich immer wichtiger als die Kinder.“

„Das stimmt nicht. Adrians Geburtstag habe ich nicht vergessen.“

„Du warst aber nur zwei Stunden da. Und beim Fußballspiel hast du auch nicht zugeguckt. Darüber war er wirklich traurig. Cindy war todunglücklich, als du letztes Jahr ihren Geburtstag vergessen hast. Sie liebt dich so sehr, und du lässt sie immer wieder im Stich. Nächste Woche ist ihr achter Geburtstag. Bitte Garth, versuche wenigstens, dieses eine Mal daran zu denken.“

„Samstag? Ich glaube, das schaffe ich nicht. Ein Kundengespräch …“ Er merkte, dass sie ihn resigniert anschaute. „Bist du deshalb hier?“, fragte er.

„Nein, ich will dich um die Scheidung bitten.“

Er holte tief Luft. „Das ist doch wohl etwas plötzlich, oder?“

„Wir sind nun schon zwei Jahre getrennt, und du hast immer gewusst, dass ich die Scheidung möchte.“

„Ich dachte, du wärest inzwischen wieder zur Vernunft gekommen.“

„Du meinst, ich soll zu dir zurückkommen?“ Sie lachte kurz auf. „Ich erinnere mich, dass für dich immer die Leute vernünftig waren, die genau das taten, was dir gefiel.“

„Weil ich immer der Vernünftige war! Wie hast du dich denn verhalten, nachdem du gegangen warst. Es ist doch verrückt, dass du in diesem winzigen Haus lebst und ich allein in dem großen. Du könntest ein schönes Zuhause haben, stattdessen ziehst du einen Kaninchenstall vor. Nicht mal das Geld für ein besseres Zuhause durfte ich dir geben.“

„Du zahlst doch für die Kinder“, protestierte sie.

„Aber du akzeptierst nichts für dich“, entgegnete er bitter. „Weißt du, wie ich mich dabei fühle?“

„Es tut mir leid, Garth, aber ich möchte nicht von dir abhängig sein. Das überrascht dich sicher, denn in deinem Leben geht es nur darum, gute Geschäfte zu machen. Du verstehst nicht, warum jemand von dir kein Geld annehmen will. Aber ich wollte nie das Geld, ich wollte …“ Sie brach ab.

„Was, Faye? Was wolltest du? Ich schwöre, ich habe es nie herausgefunden.“

„Nein? Aber du hast es mir mal gegeben“, erinnerte sie sich wehmütig. „Als wir frisch verheiratet waren, gabst du mir alles, was ich brauchte. An unserem Hochzeitstag war ich die glücklichste Frau der Welt. Ich hatte deine Liebe und erwartete unser Baby …“

„Wir lebten in einer Zweizimmerwohnung ohne warmes Wasser“, unterbrach er sie.

„Das war mir egal. Für mich war unsere Liebe am wichtigsten.“

„Und? Habe ich jemals damit aufgehört?“, wollte er wissen. „Gab es einen Tag in unserer Ehe, an dem ich nicht versuchte, dir das Beste zu geben? Mit dem, was ich tat, wollte ich dir gefallen, aber für dich zählte es nicht.“

„Ich hatte alles, was ich wollte. Aber du hast es mir weggenommen.“

„Ich habe nie aufgehört, dich zu lieben!“, entgegnete Garth ärgerlich.

„Du hattest aber keine Zeit mehr für mich.“

Bevor er antworten konnte, klingelte das Telefon. Eilig griff er zum Hörer. „Ich werde jeden schnell abwimmeln, egal, wer es ist. Hallo? … Hören Sie, ich kann jetzt nicht reden. Ich bin beschäftigt … Oh, Mist! Kann er nicht später anrufen? Ich weiß, dass ich schon versucht habe, ihn zu erreichen, aber … In Ordnung! Stellen Sie ihn durch.“

„Ich muss leider feststellen, dass deine Methode, Leute loszuwerden, noch nicht besser geworden ist“, meinte Faye.

Er machte ein ärgerliches Gesicht. „Fünf Minuten. Mehr nicht. Ich werde im Büro telefonieren.“

„Kann ich mir einen Tee machen?“

„Du bist hier Zuhause und kannst tun, was du willst!“ Er verschwand im Arbeitszimmer.

Die große Küche war mit modernsten Geräten ausgestattet, die allerdings angesichts des Eichenholzdekors und der altmodischen Kupfertöpfe kaum auffielen. Dadurch und durch die dunkelroten Bodenfliesen sollte ein Gefühl von Wärme vermittelt werden, welches Faye jedoch nie gehabt hatte. Garth hatte ihr gesagt, sie könne sich ein Dekor nach ihrem Geschmack aussuchen, aber dann setzte er seine eigenen Wünsche doch durch, und sie hatte nachgegeben. Es kam ihr so vor, als habe er im Grunde nicht für sie ausgesucht, sondern für die Frau des erfolgreichen Bauunternehmers Garth Clayton. Hatte sie da zum ersten Mal gespürt, dass sie diese Rolle nicht übernehmen wollte? Nein, schon viel früher hatte sie sich in Gedanken dagegen gewehrt.

Wie begeistert hatte er ihr das Haus gezeigt! Es stand an einem leichten Hang und war von Ulmen umgeben. „Willkommen in Elm Ridge, Liebling. Unser neues Zuhause, das du dir immer gewünscht hast.“ Sein Stolz war rührend, und sie hatte nicht den Mut gehabt, ihm zu sagen, dass dies nicht das Haus war, das sie sich gewünscht hatte. Absolut nicht.

Ihr Traumhaus war ein „kleines Heim nur für uns“, wie er es anfangs versprochen hatte. Und bereits zwei Jahre nach ihrer Hochzeit besaßen sie schon ein eigenes Haus, denn Garth war ein Mann, dem der Erfolg in die Wiege gelegt worden war. Faye war sehr glücklich. Vier Jahre später zogen sie jedoch in die große, ungemütliche Villa. Sie hatten sogar eine Haushälterin, eine freundliche, emsige Frau namens Nancy. Faye freundete sich mit ihr an und genoss die Gespräche mit ihr. Mit Nancy fühlte sie sich wesentlich wohler als mit den begüterten neuen Freunden ihres Mannes.

Nachdem Faye den Tee zubereitet hatte, ging sie zum Arbeitszimmer zurück. Hinter der Tür hörte sie, wie ihr Mann mit jemandem stritt. „Mindestens noch eine halbe Stunde“, bemerkte sie bitter zu sich selbst. Mit solchen Szenen hatte sie langjährige Erfahrung.

Wohin sie auch blickte, Veränderungen gab es nur wenige. Die Bilder im Treppenhaus waren die, die sie ausgesucht hatte. Eines hatte sie mitgenommen, und die Stelle an der Wand war noch frei.

In diesem Haus hatte sie sich einst unglücklich und eingeengt gefühlt. Garth war großzügig gewesen und hatte ihr alles gegeben, was man mit Geld kaufen konnte. Aber er hatte ihr Leben und das der Kinder immer bestimmt. Seine kleine Baufirma, die er sich von seinem Ersparten gekauft hatte, hätte das erste Jahr fast nicht überlebt. Mit letzter Kraft konnte er sie retten, aber Faye hatte nichts von seinen Schwierigkeiten gewusst. Erst drei Jahre später erfuhr sie durch Zufall davon. Als sie entdeckte, dass er ihr seine Sorgen nicht anvertraut hatte, war sie tief betroffen.

Er sah nicht, dass sie nicht mehr länger das kleine, ihn anbetende Mädchen war, das er geheiratet hatte. Sie hatte sich zu einer Frau entwickelt, die ihre eigene Meinung hatte. Sie liebte Garth noch immer, und das, obwohl sie jetzt wusste, dass er nicht perfekt war.

Sie stritten sich über die Kinder. Garth war stolz auf seinen Sohn, schien seine Tochter aber kaum wahrzunehmen. Cindy dagegen betete ihren Vater geradezu an, und Faye bemerkte häufig ihren traurigen Blick, wenn sie sich nicht beachtet fühlte.

Auf andere Weise wurde jedoch auch Adrian vernachlässigt. Garth kaufte ihm zwar alles, nahm sich aber nie die Zeit, ihm beim Fußballspiel der Schulmannschaft zuzusehen. Er war entschlossen, aus Adrian einen „erfolgreichen“ Mann zu machen, so wie er ihn sich vorstellte. Adrian dagegen wollte Fußballer werden. Garth hatte dafür nur ein Achselzucken übrig. „Das wird sich schon noch ändern“, meinte er zu Faye. „Ermutige ihn einfach nicht.“

Bei ihren Auseinandersetzungen gab sie anfangs immer nach, weil es für sie das Wichtigste war, bei ihm zu sein. Wenn es um die Kinder ging, verhielt es sich jedoch anders. Faye verteidigte die beiden mit einer Kraft, die Garth überraschte. Aus Diskussionen wurden immer öfter Streitereien. Als sie es schließlich nicht mehr aushalten konnte, verließ sie ihn. Mit den Kindern.

„Bilde dir nicht ein, dass es vorbei ist, Faye“, hatte er zum Abschied gesagt. „Es wird nie vorbei sein.“

Sie ging nach oben zu Adrians ehemaligem Zimmer, aber die Tür war verschlossen. Das Gleiche galt für Cindys Zimmer sowie für das Schlafzimmer, das sie mit Garth geteilt hatte.

Stirnrunzelnd ging sie wieder nach unten.

Hier waren alle Türen geöffnet, und nahe beim Arbeitszimmer fand Faye Garths neues Schlafzimmer, das einen ziemlich spartanischen Eindruck machte. Ein schlichter Schrank stand darin, ein einfaches Bett sowie einige Möbelstücke aus Mahagoni. Die Wände waren weiß gestrichen, der Teppich beigefarben. Alles musste viel Geld gekostet haben, aber der Gesamteindruck war düster, so als ob der Mann, dem alles gehörte, ebenfalls von Düsterkeit erfüllt war. Der einzige Schmuck war ein Foto neben dem Bett, auf dem ein Junge von etwa neun Jahren zu sehen war. Er hatte ein offenes, fröhliches Gesicht. Faye lächelte, als sie Adrian erkannte, aber das Lächeln verschwand, als sie bemerkte, dass es kein Bild von Cindy gab.

Sie wartete im Flur, bis Garth aus dem Arbeitszimmer kam.

„Was ist los?“, fragte er, als er ihren Gesichtsausdruck bemerkte.

„Dürfte ich dein Arbeitszimmer sehen? Ich muss etwas wissen.“

Im Arbeitszimmer machte sie die gleiche Entdeckung. Auf dem Schreibtisch standen zwei Fotos von Adrian, aber keines von Cindy.

„Wie kannst du nur?“, empörte sie sich und drehte sich zu ihm um. „Du hast nicht das Recht, eins deiner Kinder aus deinem Leben zu verbannen. Cindy ist immer noch deine Tochter, und sie liebt dich.“

„Ich weiß nicht, was du …“

„Wo ist ihr Bild? Du hast welche von Adrian. Wo sind die von Cindy?“

„Faye, es tut mir leid. Es ist keine Absicht, ich habe nur nicht bemerkt …“

„Du hast sie nie beachtet und ihr damit das Herz gebrochen. Nur um Adrian hast du dich gekümmert, aber auch nur dann, wenn du dich selbst in ihm sahst. Er ist aber nicht so wie du. Er ist ein sanfter, sensibler Junge.“

„Wenn er den Ball auf dem Spielfeld schießt, ist aber nichts Sanftes mehr an ihm.“

„Woher willst du das wissen? Du hast ihm fast nie zugeschaut. Ja, er spielt ein raues Spiel, aber er ist ein liebenswerter Mensch. Er kümmert sich um Cindy, er sorgt sich um andere Menschen.“

„Offensichtlich ist er all das, was ich nicht bin“, folgerte Garth verärgert.

„Richtig. Er mag nicht die gleichen Dinge wie du, und ich werde ihn niemals dazu zwingen, jemand zu sein, der er nicht ist. Das ist einer der Gründe, warum ich gegangen bin: um ihn vor dir zu schützen.“

„Was du behauptest, ist grausam“, antwortete Garth. Er war blass geworden.

„Die Wahrheit ist grausam, Garth. Ich bin heute Abend gekommen, da ich nicht mehr länger in einem Niemandsland leben möchte. Ich will die Scheidung. Wirklich.“

„Darin werde ich nie einwilligen. Das habe ich dir schon gesagt, als du gingst.“

„Du sagtest, dass du mir die Kinder wegnähmest, wenn ich die Scheidung wollte. Damals machte mir das Angst. Du hast mir sogar meine Arbeit genommen …“

„Du bräuchtest nicht zu arbeiten. Ich habe dir einen großzügigen Unterhalt angeboten …“

„Ich will aber unabhängig sein.“

Das konnte und wollte Garth nicht verstehen. Er hielt sie damals für übergeschnappt, als sie per Fernunterricht einen Kursus in Buchhaltung belegte. Sie dagegen war ganz begeistert, als sie für Kendall Haines, einen Umweltschützer am Ort, arbeiten konnte. Garths Wut ließ sie den Job jedoch wieder aufgeben.

Da sie sich nicht geschlagen geben wollte, ging sie das Problem auf andere Weise an. Sie hatte gute Kenntnisse in Buchhaltung erworben und übernahm auf selbständiger Basis Aufträge von einigen kleineren Firmen. Dabei half ihr ein Computer, der schon bei seiner Anschaffung recht alt aussah und inzwischen geradezu vorsintflutlich wirkte. Das Einkommen reichte zwar noch nicht für den Rechner, den sie sich wünschte, aber sie war dennoch zufrieden. Trotz Garths Feindseligkeit hatte sie ihre Unabhängigkeit erlangt.

Seine selbstherrliche Vorgehensweise wurmte sie allerdings immer noch. „Mit meinem Job war ich sehr zufrieden, bis ich ihn aufgeben musste, damit du mir nicht die Kinder wegnahmst“, sprach sie nun weiter. „Damals wusste ich nicht, dass deine Drohung Unfug war. Kein Gericht hätte dir die Kinder zugesprochen, und wenn es dennoch geschehen wäre, hättest du gar nicht gewusst, was du mit ihnen anfangen solltest. Du kannst es nur nicht ertragen, das zu verlieren, was einmal dir gehört hat. Wir sind aber nicht dein Eigentum, und jetzt solltest du endlich loslassen.“

„Wie kommst du darauf, dass ich meine Meinung geändert habe?“

„Das spielt keine Rolle. Viel Zeit ist verstrichen. Früher oder später lassen wir uns scheiden, und ich hätte die Scheidung gerne jetzt. Unser zehnter Hochzeitstag steht bevor, und ich möchte an diesem Tag nicht mehr länger mit dir verheiratet sein. Siehst du nicht, dass das eine Farce wäre?“

„An unserem neunten Hochzeitstag warst du noch meine Ehefrau. Was soll jetzt anders sein?“

„Der zehnte ist etwas Besonderes“, entgegnete sie. „Die zehn ist die erste runde Zahl: zehn, zwanzig, fünfundzwanzig, fünfzig. Zehn ist wie ein Meilenstein. Die Zahl steht dafür, dass eine Ehe Bestand hatte, was bei unserer jedoch nicht der Fall ist.“

Er blickte sie forschend an. „Ist das der einzige Grund?“

Unter seinem Blick errötete sie. „Nein, ich … ich möchte wieder heiraten.“

Sie hatte eine ärgerliche Reaktion erwartet und war überrascht, als die ausblieb. „Erzähl mir von ihm“, bat er.

„Er ist ein guter Mann, und ich liebe ihn.“

„Und du glaubst, er kann bei den Kindern meinen Platz einnehmen?“

„Das hat er schon getan, und er macht das sehr gut. Er ist immer für sie da.“

„Darauf hat er kein Recht. Ich bin immerhin noch ihr Vater, so wie ich dein Mann bin.“

„Und was du einmal besitzt, hältst du fest. Das hätte ich wissen sollen.“ Ihre Stimme klang bitter.

Er berührte ihre goldene Kette. „Hat er sie dir geschenkt?“

„Ja.“

„Ich hätte nie gedacht, dass Kendall Haines sich so etwas leisten kann. Offensichtlich ist er erfolgreicher, als ich dachte. Trotzdem ist er nicht der Richtige für dich.“

„Ich habe seinen Namen gar nicht erwähnt. Woher weißt du …?“ Entrüstet holte sie Luft. „Du hast mir nachspioniert!“

„Ich informiere mich immer über meine Investitionen“, erklärte er kühl. „Ich wusste, wann du für ihn arbeiten gingst und wann du dich das erste Mal mit ihm getroffen hast.“

Sie atmete tief durch. „Deshalb musste ich die Arbeitsstelle verlassen“, stellte sie bitter fest „Weil ich mich in ihn verliebte. Du willst mich sogar jetzt noch kontrollieren.“

„Dieser Mann ist nicht der Richtige für dich.“

„Ich glaube schon, und ich werde ihn heiraten. Ich lasse mich nicht mehr einschüchtern.“

„Einschüchtern? Denkst du so über unsere Ehe, in der ich dir alles gegeben habe?“

„Alles, außer dir selbst. Als du deine eigene Firma hattest, warst du nie da, wenn ich dich brauchte. Deine Geschenke hast du gnädig verteilt und erwartetest meine Fügsamkeit dafür. Als ich dir Widerworte gab, gefiel es dir nicht. Ich musste dich einfach verlassen.“

„Du wirst mir nie entkommen“, erklärte er kalt. „Ich werde es nicht zulassen.“

„Willst du mit allen gesetzlichen Mitteln …?“

„Nein, es ist viel einfacher“, sagte er sanft und zog sie in seine Arme.

Sie konnte ihm nicht mehr ausweichen, und ehe sie sich versah, spürte sie seine Lippen auf ihrem Mund. Garth küsste sie mit der gleichen Bestimmtheit wie früher. Am Anfang hatte ihr das gefallen. Jetzt aber machte seine Arroganz sie zornig. Eine starke körperliche Anziehungskraft hatte sie einmal verbunden, die selbst noch vorhanden war, als ihre Ehe schon nicht mehr in Ordnung war. Nun ging er offensichtlich davon aus, dass er sie nur daran erinnern müsste, um ihren Willen zu brechen.

Faye versuchte, nicht auf seine Zärtlichkeiten zu reagieren. Der Ärger half ihr dabei. Außerdem war sie jetzt stark. Wenn sie reglos abwartete, würde er schnell merken, dass seine Bemühungen umsonst waren.

Seine leidenschaftlichen, innigen Küsse erinnerten sie jedoch an die Zeit, in der sie wunderschöne Momente voller Liebe und Zärtlichkeit erlebt hatte. Faye war genauso leidenschaftlich gewesen wie er. Der junge Garth war ein wunderbarer Liebhaber gewesen, und Faye hatte mit ihm viele leidenschaftliche Stunden verlebt.

In den langen, tränenreichen Nächten nach der Trennung hatte sie krampfhaft versucht, diese Erinnerungen zu vertreiben. Sie dachte, dies sei ihr gelungen. Jetzt aber fand sie sich in den Armen eines ausgesprochen attraktiven Mannes wieder, der fest entschlossen war, sie an das zu erinnern, was sie einst gemeinsam hatten. Alles, was zwischen ihnen gestanden hatte, sollte sie vergessen.

Autor

Lucy Gordon
Die populäre Schriftstellerin Lucy Gordon stammt aus Großbritannien, bekannt ist sie für ihre romantischen Liebesromane, von denen bisher über 75 veröffentlicht wurden. In den letzten Jahren gewann die Schriftstellerin zwei RITA Awards unter anderem für ihren Roman „Das Kind des Bruders“, der in Rom spielt. Mit dem Schreiben erfüllte sich...
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