Das fünfte Rendezvous

– oder –

 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

"Fünf Dates, dann habe ich die perfekte Frau für dich." Anna ist es leid, dass ihr bester Freund Jake immer auf denselben Frauentyp reinfällt - und jedes Mal enttäuscht wird. Er soll endlich glücklich werden! Aber Anna übersieht, dass nur eine die Wahre für ihn ist: sie selbst …


  • Erscheinungstag 08.11.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733738778
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Anna Adams parkte ihren gelben VW-Käfer in der Einfahrt zu Jake Lennox’ Haus. Dann schnappte sie sich ihren MP3-Player, schaute nach, ob das Gerät aufgeladen war, und stieg aus dem Wagen.

Immerhin hatte sie einen wichtigen Einsatz vor sich, und dabei spielte Musik – und vor allem die richtige Songauswahl – eine entscheidende Rolle. Sie wollte ihren allerbesten Freund Jake aus seinem Unglück erlösen … oder zumindest dafür sorgen, dass er nicht völlig in seinem Leid ertrank.

Jakes Freundin Dorenda hatte ihm gerade den Laufpass gegeben. Dieses Gerücht hatte sich heute Morgen wie ein Lauffeuer im Celebration Memorial Hospital verbreitet, dem Krankenhaus, in dem Anna und Jake beide arbeiteten. Normalerweise wäre Anna ziemlich angefressen gewesen, weil sie erst durch den Klatsch und Tratsch im Schwesternzimmer davon erfahren hatte. Aber in diesem Fall war das durchaus nachvollziehbar: Die Schwester einer Hilfskrankenpflegerin war gut mit Dorenda befreundet, und als besagte Hilfskrankenpflegerin frühmorgens um sieben ins Krankenhaus gekommen war, war sie sofort mit den Neuigkeiten rausgeplatzt.

Jake hatte sich dagegen den ganzen Tag über rargemacht. Mittags war er nicht wie sonst in die Cafeteria gekommen, und Anna hatte nach der Arbeit nur seinen Anrufbeantworter erreicht.

Kurz: Den ganzen Tag schon herrschte zwischen ihnen absolute Funkstille, und das fand Anna beunruhigend. Bisher war ihr nicht bewusst gewesen, dass diese Miss Texas ihm so schrecklich wichtig war. Miss Texas – so nannten Dorenda hier alle. Ob sie den Titel tatsächlich mal gewonnen hatte, wusste niemand. Vielleicht hatte man ihr den Spitznamen auch nur verpasst, weil sie eben eine große, schöne und immer toll zurechtgemachte Frau war, die man sich gut mit einer Krone auf dem Kopf vorstellen konnte. Wohingegen jemand wie Anna es gerade eben hinbekam, Wimperntusche und Lippenstift aufzutragen, bevor sie zur Arbeit im Krankenhaus ging.

Genaueres wusste Anna nicht über Dorenda. Wenn Dr. Jake Lennox eine neue Freundin hatte, verschwand er nämlich eine ganze Weile in der Versenkung. Jedenfalls hatte er Anna bisher keine der Frauen persönlich vorgestellt.

Obwohl sie sich nicht direkt freute, wenn mal wieder zwischen ihm und einer seiner Freundinnen Schluss war, genoss Anna es doch am meisten, wenn er gerade ungebunden war. Dann war er wieder ganz ihr guter, langjähriger Freund Jake, und sie verbrachten viel Zeit miteinander. Natürlich sahen sie sich auch sonst täglich, zumal sie beide in der texanischen Kleinstadt Celebration am örtlichen Krankenhaus arbeiteten. Alles in allem kam es Anna so vor, als wäre ihre Freundschaft viel intensiver und bedeutsamer als Jakes sämtliche Liebschaften mit den Schönheitsköniginnen dieser Welt.

Anna klopfte im von ihnen vereinbarten Rhythmus an Jakes Tür, dann ging sie einfach ins Haus. Das machten sie immer so. „Jake? Bist du da?“

Keine Reaktion. Aber das erstaunte sie nicht weiter, sie hatte eine ganz gute Ahnung, wo er gerade steckte. Also schloss sie die Tür wieder und ging in den Hintergarten, um dort dem Weg aus Rindenmulch bis zu dem kleinen See zu folgen, dem Highlight von Jakes Grundstück.

Wenn Jake sich in seiner Trauer wirklich hierhin zurückgezogen hatte, dann war Annas Einsatz bitter nötig. Dann verlangte es nach ihrem berühmten „Aufheiterungstanz“ – dieser Name hatte sich in den letzten Jahren für ihre Darbietung durchgesetzt. Immer wenn einer von ihnen den Blues hatte, war der andere gefragt. Der führte dann den dämlichsten Tanz auf, der ihm so einfiel – einfach um den anderen zum Lachen zu bringen. Und während die Umsetzung jedes Mal anders aussah, blieb das Lied immer gleich: „Don’t Worry, Be Happy“ von Bobby McFerrin.

Ursprünglich war Jake auf die Idee mit dem Aufheiterungstanz gekommen. Damals, zu Grundschulzeiten, war der Song gerade erst bekannt geworden. Puh, so lange war das schon her … Anna konnte inzwischen nicht mehr sagen, was sie damals so aufgewühlt hatte, dass Jake sich ihretwegen zum Affen gemacht hatte. Der Tanz war seitdem jedenfalls zu ihrem persönlichen Ritual geworden und es bis heute geblieben – obwohl sie mittlerweile beide über dreißig waren. Er gehörte einfach dazu, genau wie früher die gemeinsamen Silvesterfeiern ihrer Familien oder die alljährlichen Sommerfeste zum amerikanischen Nationalfeiertag.

In den letzten Jahren kam der Tanz meist dann zum Einsatz, wenn eine Beziehung in die Brüche gegangen war, wie heute – oder damals, als Annas Ehe gescheitert war. Da hatte Jake ihr im übertragenen Sinne das Leben gerettet. Für ihn dürfte das nichts Besonderes gewesen sein: Schließlich war er Arzt, da war ihm das Lebenretten wohl in Fleisch und Blut übergegangen.

Im Gegensatz zu Jake verhielt es sich mit Anna und der Liebe genau andersherum: Sie konnte damit inzwischen überhaupt nichts mehr anfangen. Gut, früher hatte sie noch an die eine große Liebe geglaubt und an die Versprechen, die sie und ihr Exmann Hal sich am Altar gegeben hatten: dass sie sich für immer die Treue halten wollten und zusammenbleiben wollten, bis dass der Tod uns scheidet“.

Bis das Luftschloss, das sie sich gebaut hatte, vor ihren Augen zusammengebrochen war: Nach fast vierjähriger Ehe hatte sie herausgefunden, dass ihr Mann eine Affäre mit seiner Büroleiterin hatte.

In diesem Moment hatte Anna den Glauben an fast alles verloren, was ihr bisher heilig gewesen war. Nur einem Menschen hatte sie noch vertrauen können: ihrem langjährigen Freund Jake, der sie in ihrem Leben noch nie enttäuscht hatte.

Jake war ihr allererster Freund gewesen und hatte ihr ihren ersten Kuss gegeben. Und nachdem sie beide kurz danach festgestellt hatten, dass sie in einer Freundschaft viel besser aufgehoben waren als in einer Liebesbeziehung, war er trotzdem immer an ihrer Seite geblieben. Er hatte auch nie aufgehört, an sie zu glauben.

Nachdem ihr vor fast zwei Jahren klar geworden war, dass Hal sie betrogen hatte, wollte sie sich nur noch mit mehreren Literpackungen Eiscreme ins Bett zurückziehen. Das ließ Jake aber nicht durchgehen. Plötzlich stand er bei ihr in San Antonio, etwa vierhundertfünfzig Kilometer von seinem Wohnort entfernt, auf der Matte, um sie wieder aus dem emotionalen Sumpf zu ziehen. Als dann vor einem Monat ihre Scheidung rechtskräftig wurde, tauchte Jake erneut in San Antonio auf, packte alle ihre Sachen ein und nahm sie mit in ihre gemeinsame Heimatstadt Celebration. Dort half er ihr bei der Suche nach einem kleinen Mietshaus und sorgte dafür, dass sie als Krankenschwester am Celebration Memorial Hospital anfangen konnte.

Aber ganz am Anfang dieser vielen Hilfestellungen hatte natürlich der große Aufheiterungstanz gestanden: Der große, gut aussehende Vierunddreißigjährige hatte sich ihretwegen zu den Klängen von „Don’t Worry, Be Happy“ so albern verrenkt, dass es kaum noch zu toppen gewesen wäre. Dafür wollte Anna sich jetzt unbedingt revanchieren.

Der süßliche Duft der blühenden Gardenien vermischte sich in der feuchten Abendluft mit dem erdigen Geruch des Sees. Anna schlug eine Mücke weg, die sich bei ihr fürs Abendessen bedienen wollte.

Ihrem Instinkt nach saß Jake wahrscheinlich gerade mit einem Bier auf dem Steg und ließ die Füße im Wasser baumeln. Und damit behielt sie recht. Er saß mit dem Rücken zu ihr, sein dunkler Umriss zeichnete sich gegen die untergehende Sonne ab. Details konnte sie nicht erkennen, nur dass sein braunes Haar schon wieder ziemlich lang geworden war und etwas zerzaust aussah, als wäre er gerade mit der Hand durch es hindurchgefahren. Er trug Jeans und ein mintgrünes Polohemd. Die Luft war erfüllt von einem Grillenkonzert, und der Sonnenuntergang verwandelte den Himmel in ein atmosphärisches Gemälde mit einem Farbspiel aus Orange-, Pink- und Blautönen.

Offenbar hatte Jake sie nicht kommen hören. Das war auch gut so: Ein vernünftiger Aufheiterungstanz profitierte stark vom Überraschungsmoment.

Anna atmete mehrmals tief durch und ließ die Schultern kreisen. Dann stellte sie ihren MP3-Player auf höchste Lautstärke und drückte die Abspieltaste. Im nächsten Moment übertönte Bobby McFerrins Reggaemelodie das abendliche Grillenkonzert.

Abrupt drehte Jake ihr den Kopf zu, dann wandte er sich ganz zu ihr herum, um ihr seine volle Aufmerksamkeit zu schenken.

Und Anna legte mit dem Tanz los: Der erste Teil bestand aus einer Art Moonwalk … zumindest hoffte sie, dass sie gerade etwas Ähnliches zustande brachte. Zum Glück musste sie sich ja nicht selbst dabei zusehen, wie sie in ihrem etwas zu großen pinkfarbenen Schwesternkittel und den klobigen weißen Schnürschuhen über den Rasen rutschte.

Sobald sie sich zu Jake auf den Steg vorgetanzt hatte, wechselte sie ihr Programm und kombinierte ein paar roboterhafte Bewegungen mit Charleston-Elementen und irgendeiner … nun ja … originellen Eigenkreation.

Und während sie versuchte, ihn mit diesen gesammelten Peinlichkeiten zum Lachen zu bringen, verdrängte sie gleichzeitig das unangenehme Gefühl, dass ihm Dorenda möglicherweise wichtiger war als ihre vielen Vorgängerinnen.

Anfangs hatte Jake noch die Stirn gerunzelt, aber jetzt zeichnete sich allmählich ein schiefes Lächeln auf seinem Gesicht ab. Anna konnte praktisch mit ansehen, wie er dagegen ankämpfte – vergeblich, das sah sie sofort. Immerhin kannte sie ihn schon sehr lange und sehr gut.

Gerade wollte sie so richtig durchstarten und aus einer Art übertriebenem Laufschritt wieder zu ihren Roboter-Moves wechseln, da blieb sie mit dem Schuh an einer losen Holzplanke hängen und geriet ins Schwanken.

Wie in Zeitlupe nahm sie ihren Sturz in Richtung Steg wahr, und höchstwahrscheinlich wäre sie auch mit dem Gesicht aufgeschlagen … wenn Jake nicht sofort reagiert hätte. Also landete sie stattdessen weich in seinen kräftigen Armen und sah ihm dabei direkt in die unglaublich blauen Augen.

Anna duftete einfach wunderbar.

Am liebsten hätte Jake sie an sich gezogen, das Gesicht an ihrem Hals gerieben und tief ihren süßen natürlichen Geruch eingeatmet.

Aber das kam nicht infrage. Schon gar nicht, nachdem sie sich solche Mühe gegeben hatte, ihn aufzuheitern. Da traute er sich kaum, ihr zu sagen, dass das gar nicht wirklich nötig war. Gut, Dorenda hatte mit ihm Schluss gemacht, aber für ihn war das eher eine Erleichterung gewesen.

Bevor er sich zu irgendeiner Dummheit hinreißen ließ und sich selbst und Anna dadurch in Verlegenheit brachte, setzte er sie schnell wieder ab und ging einen Schritt zurück. „Na, das war ja sehr elegant“, bemerkte er. Vielleicht fand er mit einer Portion Humor schneller zu seinem inneren Gleichgewicht zurück …

„Du kennst mich doch, das Wort ‚Eleganz‘ wurde praktisch für mich erfunden“, erwiderte Anna. „Wie geht es dir denn jetzt, Jake? Alles in Ordnung so weit?“

Das lange rotbraune Haar fiel ihr wellig über die Schultern, ihr elfenbeinfarbenes Gesicht war praktisch ungeschminkt. Wenn sie ihn mit ihren blauen Augen so anblickte, wurde ihm ganz warm.

„Mir geht’s bestens“, sagte er. „Möchtest du auch ein Bier? Dann können wir auf deine neuste Choreografie anstoßen. Die war richtig gut.“

„Oh ja, gern, das kann ich jetzt gut gebrauchen. Danke.“

„Komm, wir gehen ins Haus, da habe ich die restlichen fünf Flaschen aus dem Sechserpack im Kühlschrank.“

Sie betrachtete ihn aufmerksam. „Na, ein Glück. Ich hatte befürchtet, dass du schon den ganzen Tag hier zu Hause sitzt und deinen Kummer im Bier ertränkst.“

„Wohl kaum, ich habe mich nämlich den ganzen Tag um meine Patienten gekümmert. Und bisher habe ich mir noch nie mitten in der Woche die Kante gegeben.“

Er und Anna arbeiteten zwar beide am Celebration Memorial Hospital, allerdings in unterschiedlichen Bereichen. Während Anna als Krankenschwester im dritten Stock auf der Entbindungsstation tätig war, versorgte er die Patienten in der medizinisch-chirurgischen Abteilung. Also liefen die beiden sich im Krankenhaus selten über den Weg – es sei denn, sie verabredeten sich vorher.

„Ich finde dich gerade ganz schön tapfer“, bemerkte sie.

„Wie bitte?“

„Na ja, wegen der Trennung. Wenn ich’s nicht besser wüsste, würde ich meinen, mit dir sei alles in Ordnung.“

„Sieht es etwa nicht so aus?“

„Doch, das habe ich ja gerade gesagt. Du wirkst ganz schön gefasst dafür, dass Miss Texas gerade aus deinem Leben verschwunden ist. Oh, entschuldige bitte, ich meinte natürlich Dorenda.“

Inzwischen waren sie beim Haus angekommen. Jake öffnete die Hintertür und ließ Anna den Vortritt. „Na ja, Dorenda ist eine tolle Frau, aber unsere Geschichte ist jetzt am Schluss angelangt. Ich vermisse sie zwar ein bisschen, aber das Leben geht weiter.“ Er zuckte mit den Schultern und folgte ihr ins Haus.

„Willst du damit sagen, dass du dich von ihr getrennt hast?“

Er warf ihr einen kurzen Schulterblick zu und ging weiter in Richtung Küche. „Nein, sie hat die Bombe platzen lassen. Aber ich war nicht völlig unvorbereitet, sie hatte mir vorher ein Ultimatum gestellt.“ Er zog ein Bier aus dem Kühlschrank und öffnete den Verschluss.

„Wie bitte?“, gab Anna zurück. „Wie lange wart ihr überhaupt zusammen?“

„Vier oder fünf Monate ungefähr.“

„Wirklich?“, hakte sie nach. „Ich meine, gut, ich bin ja selbst erst seit einem Monat wieder hier …“

Er nickte und goss das Bier langsam in ein Glas, damit sich eine entsprechende Schaumkrone bildete. „Gestern Nacht hat sie mir etwas von einem Fünfjahresplan erzählt, in dem eine Hochzeit, Kinder und ein größeres Haus vorkamen. Außerdem meinte sie immer wieder, sie müsste auch an ihre Zukunft denken und würde gern wissen, wie es mit uns weitergehen soll. Tja, was sollte ich da machen? Sie anlügen? Ich war schon gern mit ihr zusammen, aber heiraten wollte ich sie nicht.“ Er reichte Anna das Bier.

„Und warum nicht?“, hakte sie nach. „Sie ist doch wunderschön. Und ich dachte, du wärst völlig verrückt nach ihr.“

„Ja, sie war schon sehr nett. Hübsch war sie auch. Trotzdem wollte ich nicht für immer mit ihr zusammen sein. Mehr kann ich dazu nicht sagen.“

Anna trank einen Schluck Bier und kniff die Augen zusammen.

„Hey, was ist los? Stimmt mit dem Bier irgendwas nicht? Lass es einfach stehen, wenn es dir nicht schmeckt.“

Sie stellte das Glas auf die Arbeitsplatte. „Doch, es schmeckt sogar sehr gut. Aber jetzt möchte ich dir zwei Fragen stellen.“

„Na, dann mal los.“

„Erstens: Wenn diese Trennung für dich gar nicht so schlimm ist … warum musste ich dann diesen Tanz weitertanzen und mich bis auf die Knochen blamieren? Warum hast du mich nicht gestoppt?“

Er lachte laut auf. „Meinst du das ernst? So was Lustiges habe ich seit Monaten nicht mehr erlebt, da wäre ich schön blöd, deinen Auftritt abzubrechen. Außerdem hast du dich überhaupt nicht blamiert, ich fand dich hinreißend.“

Sie verdrehte erst die Augen, dann lächelte sie doch. „Schön, dass ich dich aufheitern konnte.“

„Und wie lautet deine zweite Frage?“, wollte er wissen.

Eine Weile betrachtete sie ihn nachdenklich. „Warum tust du das, Jake?“, fragte sie schließlich. „Warum lässt du dich immer mit dem gleichen Typ Frau ein? Ich meine das gar nicht abwertend, außerdem war ich die letzten zehn Jahre ja nicht hier, um mir wirklich ein Urteil darüber erlauben zu können, aber … Na ja, ich habe trotzdem den Eindruck, dass du dir immer die gleichen Frauen aussuchst und dich am Ende jedes Mal wunderst, warum es schon wieder so ausgegangen ist.“

Jake verschränkte die Arme. Am liebsten hätte er alles abgestritten, aber im Grunde wusste er, dass sie recht hatte. Also ging er stattdessen zum Gegenangriff über. „Ja, und du? Du triffst dich mit überhaupt niemandem.“

Sie seufzte. „Nun, ich bin ja auch erst seit einem Monat geschieden.“

„Gut, aber davor habt ihr schon zwei Jahre getrennt gelebt.“

„Im Moment geht es hier nicht um mich, sondern um dich“, gab sie zurück. „Was suchst du eigentlich?“

Er zuckte mit den Schultern. „Ich wünsche mir halt jemanden … für eine gewisse Zeit. Und wenn ich merke, dass die Beziehung sich abgenutzt hat, ziehe ich einen Schlussstrich. Oder ich lasse der Frau den Vortritt, wie heute bei Dorenda. Jedenfalls mache ich niemandem etwas vor.“

„Doch, das finde ich schon. Immerhin warst du vier oder fünf Monate mit Dorenda zusammen, das ist nicht gerade kurz. Und wenn man über dreißig ist, macht man sich schon mal weitergehende Gedanken.“

Jake ließ den Blick zum Fenster schweifen. Draußen verblassten die letzten Farbstreifen des Sonnenuntergangs, stattdessen breitete sich ein Nachtblau am Himmel aus. „Ich weiß nicht, worauf du hinauswillst, Anna.“

„Ich würde dich gern mal mit Frauen zusammenbringen, die nicht deinem bisherigen Beuteschema entsprechen. Wenn du mich lässt.“

„Was meinst du mit Beuteschema?“

„Na ja … bitte nicht missverstehen, aber vielleicht solltest du dich demnächst mal lieber mit etwas … bodenständigeren Frauen treffen als deinen bisherigen Schönheitsköniginnen.“

Jake trank den Rest seines Biers aus. „Bodenständig? Ich habe keine Ahnung, wo und wie ich solche Frauen kennenlernen soll.“

„Das ist mir schon klar. Darum schlage ich dir ja gerade vor, ein bisschen nachzuhelfen.“

„Ach, ich weiß nicht, Anna. Von Blind Dates halte ich nicht so viel.“ Er öffnete die Kühlschranktür und betrachtete den ziemlich dürftigen Inhalt.

„Wann hattest du denn zuletzt ein Blind Date?“

„Ich habe noch eine viel bessere Frage“, gab er zurück. „Wann hattest du zuletzt überhaupt mal ein Date?“ Er blickte über die Schulter zu ihr hinüber.

„Um mich geht es jetzt nicht.“

„Aber wieso denn nicht, wo wir doch gerade beim Thema sind? Deine Trennung von Hal ist inzwischen fast zwei Jahre her, da wird es höchste Zeit, dass du mal wieder unter Leute kommst, dich mal mit jemandem triffst.“

Sie stützte die Hände in die Hüften und blickte ihn mit ernster Miene an. „Das ist doch nur ein Ablenkungsmanöver. Ich bin mir nicht mal sicher, ob ich mich überhaupt mit irgendjemandem treffen will, während du daran offensichtlich deinen Spaß hast. Warum lässt du mich dir nicht ein bisschen bei der Vorauswahl helfen? Ich kenne dich inzwischen ziemlich gut und kann vielleicht dafür sorgen, dass deine nächste Beziehung etwas glücklicher verläuft als die letzten.“

„Willst du etwa behaupten, dass du mich mit einer Frau zusammenbringen kannst, die besser zu mir passt als mein übliches Beuteschema?“

Anna hob das Kinn. „Darauf kannst du wetten. Ich bin mir sogar ziemlich sicher, dass ich dir deine Traumpartnerin vermitteln könnte, wenn du mich nur machen lässt.“

Er lachte leise. „Du bist ja ganz schön optimistisch, wie immer. Hast du Lust, hier zu essen? Ich kann uns schnell ein Omelett machen.“

„Gute Idee, ich habe richtig Hunger. Dabei können wir auch noch ausführlicher über unsere Wette reden. Aber erst mal helfe ich dir beim Essenmachen. Was soll ich tun?“

„Wenn du willst, kannst du schon mal Zwiebeln und Paprika schneiden.“ Er holte eine Plastikschüssel aus einem Schrank und schlug mehrere Eier hinein. „Sag mal, wann bist du eigentlich unter die Heiratsvermittler gegangen? Und wie kommst du darauf, dass du die passende Frau für mich finden kannst? Das versuche ich selbst ja schon seit Jahren – vergeblich.“

„Das kann ich dir sofort sagen: Erstens kenne ich dich sehr viel besser als du dich selbst, und zweitens suchst du dir immer die Falschen aus. Dein Blick ist da irgendwie … vernebelt. Meiner nicht.“

Vielleicht hatte sie sogar recht. Andererseits hatte er gerade erst eine Beziehung hinter sich und wollte sich nicht gleich in die nächste stürzen. Jedenfalls war ihm momentan überhaupt nicht nach einer festen Bindung, und heiraten wollte er grundsätzlich nicht. Gegen ein paar nette Dates hatte er allerdings nichts einzuwenden. Schlimmstenfalls vergeudete er damit nur seine Zeit. Und wenn er Anna damit glücklich machte … warum nicht? Das wäre es ihm wert, schließlich war sie ihm sehr wichtig.

Dass eine Ehe für ihn grundsätzlich nicht infrage kam, war Jake schon klar, seit er erwachsen geworden war. Durch eine Heirat legte man sich seiner Meinung nach unnötigerweise selbst Fesseln an. Damit zwang man zwei Menschen, die ursprünglich aus völlig freien Stücken zusammen waren, in eine vertragliche Verpflichtung. Genau das hatte er bei seinen Eltern hautnah miterlebt. Heute erinnerte er sich nur noch an die vielen lauten Auseinandersetzungen zwischen den beiden. Und daran, dass seine Mom irgendwann verschwunden war.

Jake sah Anna direkt in die Augen. „Okay, vielleicht lasse ich mich darauf ein“, begann er. „Aber nur unter einer Bedingung.“

„Nein, so funktioniert das nicht“, erwiderte sie. „Wennschon, dann bestimme ich die Regeln. Du musst mir vertrauen.“

Er goss einen Schluck Milch in die Schüssel mit den aufgeschlagenen Eiern, gab Salz und Pfeffer dazu und verquirlte alles. Eins war ihm klar: Anna und er hatten sich zwar bis vor einem Monat lange nicht mehr gesehen, trotzdem kannte sie ihn in- und auswendig. Bei dem Gedanken daran wurde ihm seltsam warm, und er versuchte gegen das ungewohnte Gefühl anzukämpfen, indem er noch heftiger in der Eiermischung rührte.

„Wart’s doch erst mal ab“, sagte er dann. „Meine Bedingung hat gar nichts mit mir zu tun, ich wollte dir einen gegenseitigen Deal vorschlagen. Wir sind doch beide Mitte Juli zu dieser Hochzeit eingeladen. Und mein Vorschlag sieht folgendermaßen aus: Du darfst mir gern eine Begleitung für die Feier organisieren … aber nur, wenn ich auch jemanden für dich aussuchen darf.“

Mitte Juli sollte die Tochter des Krankenhausdirektors Stanley Holbrook heiraten, und Holbrook richtete ihr eine große Feier aus, zu der die ganze Belegschaft eingeladen war.

Anna legte den Kopf schief und betrachtete Jake aus zusammengekniffenen Augen.

„Und, bist du einverstanden?“, hakte er nach.

Sie öffnete den Mund, schloss ihn dann aber gleich wieder und schüttelte den Kopf.

„Jetzt komm schon, Anna, das ist doch nur fair. Ich weiß ja, dass Hal dich verletzt hat. Aber du wolltest doch immer heiraten und Kinder haben. Und es gibt wirklich ein paar nette Männer da draußen, vielleicht kenne ich sogar ein oder zwei, die dich verdient hätten.“

Sie legte das Messer ab, mit dem sie gerade die Paprikaschoten klein gehackt hatte. „Die mich verdient hätten?“ Jetzt lächelte sie. „Das ist wirklich das Schönste, was ich seit Langem gehört habe.“

„Siehst du? Genau deswegen musst du nämlich mehr unter Leute gehen. Damit Männer häufiger die Gelegenheit haben, dir so schöne Dinge zu sagen.“

Anna schob die klein gehackten Paprikawürfel mit dem Messerrücken in eine Schüssel, dann trocknete sie sich die Hände ab. „Okay, einverstanden“, sagte sie. „Die Abmachung gilt bis zur Hochzeit von Holbrooks Tochter. Ich wette, dass ich es bis dahin schaffe, dich mit deiner Seelenverwandten zusammenzubringen, und dass dann deine Serienbeziehungen ein Ende haben.“

„Wie bitte? Heißt das, dass du mich gleich so richtig unter die Haube bringen willst?“

Autor

Nancy Robards Thompson
Nancy Robards Thompson, die bereits mit vielen Preisen ausgezeichnet wurde, lebt in Florida. Aber ihre Fantasie lässt sie Reisen in alle Welt unternehmen – z. B. nach Frankreich, wo einige ihrer Romane spielen. Bevor sie anfing zu schreiben, hatte sie verschiedene Jobs beim Fernsehen, in der Modebranche und in der...
Mehr erfahren