Das Geständnis der verlorenen Braut

– oder –

 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

Major Anthony Lyndhurst traut seinen Augen nicht: Die betörende Schönheit, die unter falschem Namen zu seiner House Party erscheint, ist tatsächlich seine Ehefrau Georgiana! Vor vier Jahren war sie spurlos aus seinem Leben verschwunden. Doch er liebt sie noch immer …


  • Erscheinungstag 16.11.2016
  • ISBN / Artikelnummer 9783733769260
  • Seitenanzahl 256
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Es kostete Anthony den letzten Rest an Selbstbeherrschung, die Tür zum Gesellschaftszimmer nicht laut hinter sich zuzuschlagen. Dieses verfluchte Frauenzimmer! Zur Hölle mit ihr! Dachte sie, dass sie ihm endlos ausweichen konnte? Den Teufel würde sie tun!

Die Wut kochte in ihm hoch, während er seine Blicke durch das Vestibül schweifen ließ, als würde sie dadurch vor ihm erscheinen. Er schnaubte vor Zorn. Ha! Sie muss doch wissen, dass ich ihr auf den Fersen bin. Nun, wenn sie wirklich glaubte, dass Großtante Harriet ihr diesmal wieder als Zufluchtsort diente, irrte sie sich gewaltig.

Er merkte, dass Stella ihn erwartungsvoll anblickte und munter mit dem Schwanz wedelte. Seine Hündin ging eindeutig davon aus, dass er mit ihr einen Spaziergang machen würde. Verärgert stellte Anthony fest, dass er sich selbst ausgetrickst hatte – jetzt war er gezwungen, wenigstens kurz mit ihr bis zu den Ställen zu gehen. Dadurch gewinnt diese Frau die nötige Zeit, um sich aus dem Staub zu machen!

Er fasste Stella sanft am Halsband. „Jetzt aber vorwärts, mein altes Mädchen. Wir haben es eilig.“

Eine halbe Stunde später stand Anthony in der dunklen Kuppel und kam zu dem Ergebnis, dass sie sich nicht mehr im Haus befand. Gott allein wusste, was das Personal gedacht hatte, als er in die unteren Gefilde des Küchentrakts und der Kellerräume gestiegen war, aber es war ihm völlig gleichgültig. Nach all dem Wirbel, den Marcus’ Auftauchen verursacht hatte, wunderte die Bediensteten vermutlich gar nichts mehr. Er hoffte es zumindest, denn so wie es aussah, konnten sie sich noch auf einiges gefasst machen.

Er trat durch die Tür auf die Aussichtsplattform und schaute sich um. Tagsüber war es dank des sonnigen Herbstwetters noch sehr milde, aber abends merkte man, dass es rasch abkühlte und früher dunkel wurde. Wenn sie das Haus verlassen hatte … Mit einem Mal ergriff ihn eine tiefe Beklommenheit, als er hinaus über den See in Richtung der dichten Wälder blickte. Der Mann, der dort irgendwo herumlungerte, war noch immer nicht gefasst worden. Ein kalter Schauer lief ihm über den Rücken, und er stieß ein paar Flüche aus, bei denen Großtante Harriet vermutlich das Herz stillgestanden hätte. Dann stürmte er hinunter in sein Schlafzimmer. Er musste die Schuhe wechseln und sich am besten feste Stiefel anziehen, sonst hatte Timms guten Grund, ihm böse zu sein. Er wusste noch nicht, wo er sie da draußen suchen sollte, aber die Sorge trieb ihn dazu, sofort etwas zu unternehmen. Rasch lief er nach unten.

Trotz der Dunkelheit, die in seinem Schlafzimmer herrschte, durchschritt Anthony zielstrebig den Raum bis zum Kamin, wo Kerzen und die Zunderbüchse bereitstanden. Als das Licht aufflackerte, sagte eine ruhige Stimme: „Suchst du nach mir?“

Anthony schnellte herum. Dort stand sie, neben dem breiten Bett. Und ihm war, als ob sich die Welt auf ein Paar haselnussfarbene Augen reduzierte, die ihn herausfordernd aus einem blassen Gesicht anblickten.

Sie hatte sich also direkt in die Höhle des Löwen gewagt. Er starrte sie an und nahm jedes Detail an ihr wahr – das schimmernde dunkle Haar, von dem sich lockige Strähnen aus dem strengen Knoten gelöst hatten, die großen Augen, die von langen dunklen Wimpern umkränzt wurden, die feinen Gesichtszüge und der weiche Mund. Obwohl sie eine zarte, schlanke Frau war, hielt sie seinen bohrenden Blicken stand. Alles an ihr war so vertraut und doch … anders. Älter. Es schien ihm, als ob ein Schatten ihre Augen verdunkelte, und an ihren Mundwinkeln sah er zwei winzige Fältchen, die vor vier Jahren nicht da gewesen waren.

„Sir, wir … Ich muss mit dir reden.“ Ihre Stimme bebte.

Und das war auch angebracht!

Eine unheilvolle Stille breitete sich im Zimmer aus. Anthony war sich bewusst, dass dieses kalte Schweigen von ihm ausging, dass sie auf seine Erwiderung wartete. Aber meine Reaktion wird gewiss anders ausfallen, als sie vermutet.

Er nestelte an seinem Krawattentuch.

„Das Reden kann warten“, zischte er. Sein Krawattentuch fiel zu Boden. „Genau jetzt …“, er öffnete die Knöpfe seiner Weste, „… habe ich andere Pläne.“ Die Weste flog in Richtung eines Stuhls.

Entsetzt und mit weit aufgerissenen Augen wich sie einen Schritt zurück, als er sich das Hemd über den Kopf zog.

„Anthony, bitte! Warte! Ich kann das nicht!“

„Nein?“ Er erkannte seine eigene Stimme kaum wieder. Die Verletzung und die Wut, die darin zum Ausdruck kamen, verzerrten sie. „Wagst du es etwa, dich mir zu verweigern?“ Gnadenlos trieb er sie in die Enge, als sie versuchte, ihm auszuweichen. Er blickte ihr in die Augen. „Ich finde dich hier. Hier! In meinem Schlafzimmer. Und du denkst allen Ernstes, mich abweisen zu können? Glaube mir, du schuldest mir alles, was ich von dir verlangen möchte, Madam Ehefrau!“

Er kam ganz nah an sie heran und fasste sie mit seiner starken Rechten am Handgelenk. Georgiana schaute ihrem zornigen Gatten in die Augen und zwang sich, keine Furcht zu zeigen, als er sie in seine Arme zerrte.

Mit wilden Küssen fiel er über sie her, besitzergreifend und fordernd, so lange, bis sie keinen klaren Gedanken mehr fassen konnte, geschweige denn sich an all die Gründe erinnerte, weshalb sie ihn besser abweisen sollte. Ihr Körper schmiegte sich an den seinen, all die bittere Reue und die Sehnsucht der letzten vier Jahre flossen in einem unbezähmbaren Strom der Gefühle aus ihr heraus. Sie umfasste seinen Nacken und klammerte sich an ihn. Ihr schwindelte, und es verschlug ihr fast den Atem.

Er lockerte seinen Griff und fuhr mit einer Hand zwischen sie. Erschrocken stellte sie fest, dass er ihr Kleid aufknöpfte und es ihr von den Schultern bis zur Taille rutschte.

Sie spürte seine großen warmen Hände, die ihre Brüste umschlossen. Sie wölbte sich vor und ließ sich nun ganz auf seine Liebkosungen ein, und das Verlangen nach mehr wurde immer stärker.

Während er nicht aufhörte, sie stürmisch zu küssen, zerrte er an ihrem Unterhemd, bis das feine Leinen riss. Dann wandte er sich wieder ihren entblößten Brüsten zu, strich mit den Daumen über die aufgerichteten Brustspitzen.

Er gab ihren Mund frei und betrachtete ihren Körper. Dabei lag etwas Ungestümes und Wildes im Blick seiner grauen Augen.

Sie atmete schwer, und ihre Lippen waren von seinen zügellosen Küssen geschwollen. Ihr Verstand kehrte zurück. Was sie hier taten, war der reine Wahnsinn. Sie mussten reden …

„Anthony …“

Er brachte sie zum Schweigen, indem er ihre Brustspitzen nacheinander in den Mund nahm und gierig an ihnen saugte. Sie empfand eine Lust, die an Schmerz grenzte. Leise schrie sie auf und griff ihm in die Haare, um ihn noch näher an sich zu ziehen.

Plötzlich ließ er sie los, und sie schwankte. Im Nu hatte er sie in seine Arme gehoben und auf sein Bett gelegt.

Als sie ihn ansah, hatte sie keine Zweifel, was er vorhatte. Und sie wollte es ebenfalls. Ihr ganzer Körper schrie vor sehnsüchtigem Verlangen nach diesem Mann, der sie in der Öffentlichkeit beschimpft und abgelehnt und sie dann verlassen hatte.

Er knöpfte seine Pantalons auf. „Offenkundig reagierst du noch immer mit gewisser Leidenschaft auf mich. Es bleibt abzuwarten, welche neuen Tricks du gelernt hast, seit du das letzte Mal geruhtest, mein Bett zu teilen.“

Seine Worte ergaben keinen Sinn. Aber die Verachtung und Bitterkeit in seiner Stimme trafen sie tief.

„Dies hätte unser Hochzeits- und Ehebett sein sollen, Georgiana. Nur ein einziges Mal will ich dich darauf besitzen, bevor ich dieser Farce ein für alle Mal ein Ende setze.“

Ihr fröstelte, und seine Worte erfüllten sie mit unbeschreiblichem Schmerz.

Nur ein einziges Mal … bevor ich dieser Farce ein für alle Mal ein Ende setze …

Er wollte sich also von ihr scheiden lassen. Ein gähnender schwarzer Abgrund tat sich vor ihr auf, der sie für alles andere blind machte. Wegen ihrer Torheit hatte sie seinen Zorn verdient, aber …

„Anthony, bitte warte …“

Erneut brachte er sie mit Küssen zum Schweigen, während er sich auf sie legte, ihre Röcke nach oben und die Hand zwischen ihre Schenkel schob. Seine Berührungen ließen sie erbeben. Es war so lange her, und es war nie so gewesen wie jetzt, nicht diese heftige Mischung aus Wut und Leidenschaft. Vor vier Jahren war er zärtlich zu seiner jungfräulichen Braut gewesen, aber nun gab es bei ihm nur noch ein grimmiges und unerbittliches Verlangen. Besitzergreifend ließ er seine Finger über ihren Körper gleiten und forderte, dass sie ihm willig entgegenkam. Sie kam ihm entgegen. Wild und verzweifelt. In dem Wissen, dass dies vielleicht alles war, was sie jemals von ihm bekommen würde. Gleichzeitig hoffte sie inständig, dass in seiner Leidenschaft ein letzter Rest Zuneigung lag. Vor Erregung halb besinnungslos, gab sie sich ihm hin. Sie wollte ihn, und er wusste es.

Er spreizte ihre Schenkel und legte sich dazwischen. Dann spürte sie ihn.

„Du bist mein!“, stieß er hervor und drang hart in sie ein.

Er tat ihr weh. Entsetzt schrie sie und zuckte zusammen, als sie ihn nach so langer Zeit ganz tief in sich spürte.

Er hielt inne und zitterte bei dem Versuch, sich zurückzuhalten. Sie wollte sich nicht wehren und lag trotz des unerwarteten Schmerzes still da.

„Georgie?“ Seine Stimme klang aufgewühlt. „Oh, Georgie.“

Sanft strich er ihr über die Wangen. Die plötzliche Zärtlichkeit brachte sie aus der Fassung, und sie versuchte, ihn von sich zu stoßen.

„Nein, lass mich gehen, verdammt!“

„Georgie! Nein. Lieg still …“

Es war zu spät. Allein das Gefühl ihrer weichen Brüste unter ihm und die Wärme ihrer Haut ließen ihn die Kontrolle verlieren. All die aufgestaute Verletzung und Schuld der vergangenen vier Jahre und die niederschmetternde Enttäuschung der letzten Tage wurden in ihm freigesetzt und gewannen die Oberhand. Es blieb ihm nur noch, sich möglichst wenig zu bewegen, während er sich in ihr verströmte.

Schließlich war es vorbei. Zitternd und erschöpft zog er sich aus ihr zurück und rollte vorsichtig zur Seite. Er schämte sich für seine mangelnde Beherrschung. Er hatte sie genommen, bevor sie auch nur im Mindesten bereit gewesen war, hatte sie quasi gezwungen, ohne sich auch nur komplett zu entkleiden. Noch nicht einmal seine Schuhe hatte er ausgezogen.

„Bist du … bist du fertig?“

Ihre um Beherrschung bemühte Stimme setzte ihm ebenso zu wie ihre Reglosigkeit. Als ob sie es nicht wagte, sich zu bewegen.

„Ich wollte dich nicht verletzen.“ Er hörte die unterdrückte Wut in seiner eigenen Stimme und erschrak.

„Es … es macht nichts. Darf ich jetzt gehen?“

„Zum Teufel, es macht nichts!“, rief er zornig und stützte sich auf einem Ellbogen auf. „Und nein! Du darfst nicht gehen! Du bist meine Ehefrau. Du bleibst hier.“

Ohne nachzudenken streckte er eine Hand nach ihr aus, um sie zu trösten und zu besänftigen. Sie drehte sich in einem Gewirr an Unterröcken von ihm weg und fasste sich an das zerrissene Unterhemd. Beschämt zog er seine Hand zurück und suchte nach den richtigen Worten.

„Du brauchst keine Angst zu haben“, beteuerte er verbittert. Er hasste sich für das, was er getan hatte. „Ich habe nicht vor, mich diese Nacht noch einmal gehen zu lassen.“ Das schien sie zu beruhigen. Sie sah ihn mit ihren haselnussbraunen Augen an, in denen sich Traurigkeit und Verlassenheit widerspiegelten.

„Ich werde nicht mehr lange deine Frau sein, Anthony. Auch wenn ich keine neuen Tricks gelernt habe.“

Es kostete ihn alle Selbstbeherrschung, nicht laut loszubrüllen.

„In diesem Moment bist du meine Frau, Georgiana, und du wirst hier schlafen, in meinem Bett!“

Georgie verließ aller Mut. Seine strenge Miene und das bedrohliche Funkeln in seinen Augen zeigten ihr nur zu genau, dass er es ernst meinte. Wenn sie versuchte, das Zimmer zu verlassen, würde er sie aufhalten. Mit aller Gewalt. Und sie wollte nicht, dass er sie noch einmal berührte. Er hasste sie, und daher würde seine Berührung sie innerlich verbrennen. Sie wusste nun genau, was er von ihr dachte.

„Ich … ich … nun gut.“

Worin sollte sie schlafen? Sie hatte kein Nachtgewand in diesem Zimmer. Ein verzweifeltes Gefühl der Scham überkam sie beim Gedanken, sich vor Anthony zu entkleiden und den kalten Blick seiner grauen Augen auf ihrer Haut zu spüren. Ein Blick, mit dem er sie abschätzig musterte und ablehnte, sie wie eine Hure betrachtete.

„Du kannst dir eines meiner Nachthemden ausleihen.“ Seine Stimme riss sie aus ihren verstörenden Gedanken.

„Nein!“ Sie errötete, als sich ihre Blicke trafen. „Danke. Ich werde … ich werde einfach in …“ Das Unterhemd hatte er beinahe ganz zerrissen. „Ich schlafe in meinem Kleid.“

Er runzelte die Stirn. „Wie du willst.“

Er drehte sich weg, und sie hielt die Luft an, als er aufstand und sich komplett auszog. Es war schamlos, ihn so anzustarren, während er nackt zur Tür des Ankleidezimmers ging. Und dennoch konnte sie ihre Blicke nicht von diesem muskulösen Rücken abwenden, den schmalen Hüften … Er verschwand im Ankleidezimmer, und sie atmete auf.

Sie riss sich zusammen, zog die Strümpfe und Strumpfbänder aus und ließ sie neben das Bett fallen. Es war besser, sie lag sicher unter der Bettdecke, bevor er zurückkam. Hektisch knöpfte sie ihr ruiniertes Kleid wieder zu.

Fünf Minuten später schlüpfte er an der anderen Seite ins Bett. Sie wagte nicht nachzusehen, ob er ein Nachthemd trug.

„Ich habe dir im Ankleidezimmer ein Nachthemd herausgelegt. Außerdem steht dort ein Wasserkrug, falls du dich frisch machen möchtest …“

Sie errötete und fühlte sich beschmutzt und unwohl. Es war, als hätte seine grobe Inbesitznahme ihren Körper entwertet.

„Ich … nein. Nicht nötig, danke.“ Sie hasste die Unsicherheit in ihrer Stimme. Sie verfluchte sich dafür, dass sie noch immer die lebendige Erinnerung in sich trug an jene wunderbare Nacht, in der er in Brüssel zu ihr ins Zimmer gekommen war, um sie endgültig zu verführen und zu seiner Braut zu machen. In dieser Nacht hatte er sie zärtlich gereinigt und sanft die Spuren ihrer Entjungferung von ihrer Haut gewischt, sodass sie keinen Schmerz mehr gespürt hatte. Alles war so liebevoll und vollkommen gewesen, dass es ihr vorgekommen war, als ob sie bis zu diesem Zeitpunkt niemals ganz vollständig gewesen wäre.

Jetzt gab es nichts, was ihr blutendes Herz getröstet hätte. Sie wusste nun, dass sie sich wie ein verzogenes und verängstigtes Kind verhalten hatte, das mit der unsinnigen Flucht ihre Ehe zerstört hatte. Sie hatte sich von der naiven Wunschvorstellung leiten lassen, dass er ihr nachreisen würde, wenn er sie wirklich liebte.

„Soll ich die Kerze ausblasen?“

„Ja, bitte“, flüsterte sie.

Das Licht flackerte und erlosch. Der Raum lag in willkommener Finsternis. Sie legte sich auf die Seite und rückte so nah wie möglich an den Rand des Bettes, um nicht im Schlaf in seine Nähe zu geraten. Er hatte sich entehrt gefühlt, weil er mit ihr geschlafen hatte. Diese Erkenntnis trieb ihr die Tränen in die Augen. Sie gab keinen Laut von sich, aber die Tränen rannen unaufhaltsam ihre Wangen herunter.

Er hatte sie nicht verletzen wollen.

Wach lag er da und starrte in die Dunkelheit. Endlich schien Georgiana am anderen Ende des Bettes eingeschlafen zu sein. Wenn sie versuchte, noch weiter von ihm wegzurücken, würde sie auf den Fußboden fallen.

Er konnte es ihr nicht verübeln. Mit Schrecken und Scham erinnerte er sich daran, wie gering ihre eheliche Erfahrung war. Da er gewusst hatte, dass sie den rücksichtslosen jungen Kerl geliebt hatte, der sie sitzen gelassen hatte, hatte er nicht darauf bestanden, dass seine siebzehnjährige Braut sich ihm in der Hochzeitsnacht hingab. Stattdessen hatte er ihr Vertrauen und ihre Zuneigung gewinnen wollen und sie ganz langsam verführt.

Nur ein einziges Mal hatte er damals mit ihr geschlafen, in der Nacht vor dem Ball der Duchess of Richmond. Das war vier Jahre her. Vor Schmerz schloss er die Augen. Georgiana war so verdammt unschuldig gewesen. Sie hatte nicht die geringste Ahnung gehabt, was es bedeutete, mit einem Mann zusammen zu sein. Bis er es ihr gezeigt hatte. Schritt für Schritt und so einfühlsam und sanft wie möglich. Seine Zurückhaltung war mit einer zärtlichen Erwiderung belohnt worden, die ihn unbeschreiblich glücklich gemacht hatte.

Und jetzt …

Er schluckte schwer. Jetzt hatte er sie einfach ohne jede Rücksicht genommen, weil er ihr unterstellt hatte, dass sich ihre Erfahrung mit Männern in der Zwischenzeit erheblich vergrößert hatte. Er hätte alles dafür getan, um das, was nun zwischen ihnen stand, ungeschehen zu machen. Er hatte sie wie eine Hure behandelt, und dabei war sie noch genauso unerfahren wie an dem Morgen, als er ihr Bett verlassen hatte, nachdem er sie zu seiner Frau gemacht hatte. Notgedrungen hatte er ihr auch damals wehgetan, aber wenigstens war er sanft zu ihr gewesen, war vorsichtig und liebevoll in ihren zitternden Körper eingedrungen. Er hatte sie beruhigt, ihr Sicherheit und Geborgenheit vermittelt und sie mit so viel Zärtlichkeit bedacht, dass sie schließlich mit großer Bereitschaft mit ihm geschlafen hatte.

Und nun … nun hatte er ihr achtlos wehgetan. Er war sogar besonders lieblos gewesen, weil er der Überzeugung gewesen war, dass sie ihn betrogen hatte. Zumindest darin hatte er sich geirrt. Unglücklicherweise hatte er genug gesagt, um Georgie wissen zu lassen, was er ihr unterstellt hatte.

Und dennoch – vier Jahre ohne ein Wort! Nicht einmal einen Zettel hatte sie ihm zukommen lassen, um ihn wenigstens wissen zu lassen, dass sie lebte! Und dann kam diese unverschämte kleine Person einfach zurück in sein Leben geschlichen, indem sie eine Anstellung als Gesellschafterin von Großtante Harriet annahm. Wo zum Teufel war sie denn all die Jahre gewesen, wenn sie nicht mit einem anderen Mann zusammengelebt hatte?

Er schloss die Augen. All diese Fragen mussten bis zum nächsten Morgen warten. Dann würde er sich wieder besser unter Kontrolle haben. Er holte tief Luft. In den vier Jahren war er nie so außer sich geraten wie an diesem Abend. Nie wieder seit dem grauenhaften Ball der Duchess of Richmond am Vorabend der Schlacht von Waterloo, als er sie in den Armen ihres ehemaligen Verlobten vorgefunden und sie diesen Mann zu allem Überfluss geküsst hatte!

Und anschließend hat sie behauptet, mich zu lieben, dachte Anthony. Ihren einfältigen Ehemann, der ihr mehr als alles in der Welt glauben wollte. Sie hatte ihn gebeten, ihr zu vertrauen, sie alles erklären zu lassen … Er hatte Dinge geäußert, die er niemals hätte sagen dürfen, weil sein Schmerz und seine Enttäuschung sich Luft machen mussten. Er erinnerte sich genau an ihr bleiches Gesicht, als er sie beschimpft hatte und an ihren verzweifelten Schrei, als er sie im Zorn verlassen hatte. Und als er zurückgekehrt war, erschöpft von der Schlacht, aber ohne nennenswerte Blessuren, war sie verschwunden. Sie hatte alles zurückgelassen, was er ihr geschenkt hatte, außer dem Ehering und dem Perlenschmuck der Lyndhurst-Familie.

Nun lag sie wieder in seinem Bett, und er musste eine Entscheidung fällen, wie es weitergehen sollte.

Er ritt wie ein Verrückter durch die herbstliche Landschaft, und die Hufen seines Pferdes schlugen in einem immer schnelleren Rhythmus auf dem laubübersäten Grund auf. Er galoppierte und galoppierte, als ob er die aufgehende Sonne überholen und die Vergangenheit für immer hinter sich lassen wollte. Er achtete nicht auf die Lerchen, die sich über ihm in die Lüfte schwangen, doch ihr wehmütiger Gesang vermischte sich im silbernen Dämmerlicht mit dem speziellen Geruch des Herbstes und setzte alle schmerzhaften Erinnerungen frei, die ihm auf der Seele lagen.

Es waren so viele Erinnerungen. Ihre erste Begegnung bei einem Picknick vor den Toren Brüssels. Der junge Finch-Scott hatte sie miteinander bekannt gemacht … ‚Georgie, ich möchte dir Major Lyndhurst vorstellen. Sir, dies ist Miss Milne, meine … meine Verlobte!‘

Es war in dem Moment um ihn geschehen, als er ihr ins Gesicht gesehen und dieses schüchterne Lächeln und die haselnussfarbenen Augen erblickt hatte. Freundlich hatte sie ihn mit ihrer schönen Stimme begrüßt. Er hatte das Schicksal verflucht, weil Finch-Scott ihr eher begegnet war.

Danach hatte er sie oft gesehen. Stets war sie lächelnd an Justin Finch-Scotts Seite gewesen, der sie seinen Offizierskollegen und den Mitgliedern der englischen Gesellschaft vorstellte, die sich in Brüssel versammelt hatte.

Innerhalb derselben Woche war ihm zu Ohren gekommen, dass Lady Halifax, Finch-Scotts Mutter, aufgetaucht war. Sie war empört, weil sie Gerüchte gehört hatte, dass ihr Sohn von einer hinterhältigen Marketenderin überlistet worden sei. Dann wurde gemunkelt, dass die Verlobung nicht von Dauer sein würde, weil Lady Halifax allen Grund zu der Annahme hatte, Miss Milne wäre alles andere als eine standesgemäße Partie … dass Miss Milnes Anstandsdame und Beschützerin, Lady Carrington, die Verbindung für zu ungleich erachte … dass Miss Georgiana Milne, die über keine Beziehungen und ein geringes Vermögen verfügte, sich zufriedengeben sollte mit der Rolle einer Gesellschafterin, die ihr von ihrer freundlichen Gönnerin versprochen wurde.

Er war wütend auf Finch-Scott gewesen, als er von der Auflösung der Verlobung erfahren hatte. Der junge Trottel hatte gestammelt, Miss Milne hätte ihn freigegeben. Großer Gott! Mit der Aussicht auf eine solche Schwiegermutter! Kein Wunder, dass sie ihn freigab!

Als Anthony sie dann drei Tage später völlig niedergeschlagen auf einem Ball gesehen hatte, war er sofort zu ihr gegangen und hatte verkündet, sie hätte ihm diesen Tanz versprochen. Um sie daran zu hindern, ihm eine Absage zu erteilen, hatte er sie mit einer stürmischen Bewegung auf die Tanzfläche gezogen, war mit ihr im Walzer über das Parkett geschwebt und hatte festgestellt, dass seine Suche beendet war. Er hatte seine Braut gefunden. Wenn sie nur nicht in einen anderen verliebt gewesen wäre …

Dennoch hatte er ihr den Hof gemacht und sie für sich gewonnen. Obwohl er wusste, dass sie Finch-Scott noch immer liebte, war er bereit, sie zur Frau zu nehmen. Himmel, er war verrückt nach ihr gewesen und hatte geglaubt, sie würde lernen, ihn zu lieben, wenn er ihr nur genügend Zeit ließ und sie zu nichts drängte. Und sie nicht erschreckte, indem er sein grenzenloses Verlangen und seine tiefe Leidenschaft für sie offenbarte. Wie hätte es sie nicht erschrecken können, wo er doch selbst darüber erschrocken war. Himmelherrgott! Er war über das Ausmaß seiner Leidenschaft so erschüttert, dass er ihr die Ehe als eine Vernunftehe antrug …

Er trieb sein Pferd zu noch größerer Eile an, nahm keine Rücksicht darauf, dass sein rechtes Bein schmerzte, wollte nur dem Schmerz in seinem Herzen entkommen. Mühelos hielt das Tier das Tempo durch.

Der Ball der Duchess … William, der es nicht gewagt hatte, ihm in die Augen zu sehen … Anthony hatte ihn in all dem Durcheinander, das die sofortige Mobilmachung ausgelöst hatte, gefragt, ob er Georgie gesehen habe. Zögernd hatte William gemurmelt, sie würde … äh, gerade plaudern, alter Junge … plaudern mit Finch-Scott …

Seine heftige Reaktion.

Nun, im Garten, alter Freund …

Und Georgies Tränen, ihr verzweifeltes Leugnen … Anthony! Hör doch zu! Es war nicht so, wie du denkst! Bitte, lass mich alles erklären …

Warum? Warum war sie dann einfach geflohen, wenn sie unschuldig war? Warum hatte sie kein Lebenszeichen von sich gegeben? Sie und ihre Mutter waren jahrelang dem Kriegstross gefolgt! Sie wusste doch nur zu gut, was ihm bevorstand. Dass er vielleicht nicht wiederkommen würde … Sie wusste doch, dass er getötet oder verletzt werden konnte! Ein stechender Schmerz durchzuckte sein Bein. Verflucht! Noch immer fühlte es sich steif an. Wenn es doch wenigstens ein ehrenvolles Andenken an die Schlacht von Waterloo wäre und nicht das Ergebnis eines dämlichen Jagdunfalls!

Wie konnte er ihr jemals wieder trauen, selbst dann, wenn sie in den letzten vier Jahren nicht das Bett eines anderen gewärmt hatte?

Er brachte sein Pferd dazu, langsamer zu werden, und ritt in einem großen Bogen wieder nach Hause zurück. Wenn er noch einen letzten Funken Verstand besaß, musste er sofort ins Haus gehen, diese unverschämte Person bloßstellen und die Scheidung verlangen! Jeder kluge und stolze Mann würde diese Vorgehensweise billigen.

Gedankenverloren ritt er die Hügel hinunter auf das Haus zu und wurde sich schmerzhaft bewusst, dass er kein Mann war, der sich klug oder stolz verhielt, egal ob das vernünftig war oder nicht. Er straffte die Zügel, und das Pferd hob den Kopf, tänzelte und schnaubte wegen des neuerlichen Antreibens. Gezwungenermaßen sah er der Wahrheit ins Gesicht: Georgie gehörte zu ihm! Ob er es wollte oder nicht. Er kam sich wie ein Narr vor, weil sie ihm noch immer etwas bedeutete.

Im Park traf er John, der gerade vom Haus wegritt.

„Du bist aber früh unterwegs“, begrüßte ihn sein Cousin.

Anthony hob die Augenbrauen. „Früh ist ein relativer Begriff, alter Junge. Für mich ist das normal. Du bist es ja gewohnt, faul im Bett zu liegen, bis der Frühstücksgong ertönt!“

John grinste. „Du solltest deinen Gästen einfach weniger bequeme Betten zur Verfügung stellen.“

Autor

Elizabeth Rolls
<p>Elizabeth Rolls, Tochter eines Diplomaten, wurde zwar in England geboren, kam aber schon im zarten Alter von 15 Monaten in die australische Heimat ihrer Eltern. In ihrer Jugend, die sie überwiegend in Melbourne verbrachte, interessierte sie sich in erster Linie für Tiere – Hunde, Katzen und Pferde – las viel...
Mehr erfahren