Das Schloss meiner Träume

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Seit der bekannte Maler Brice McAllister das wunderschöne Topmodel Sabina auf einer Modenschau gesehen hat, träumt er nur noch von ihr. Als ihr Verlobter, der Multimillionär Richard Latham, ihn bittet, ein Porträt von ihr anzufertigen, weiß Brice gar nicht, ob er den Auftrag annehmen soll. Möglicherweise die Chance, um Sabinas Herz zu erobern! Aber einem anderen die Frau wegnehmen? Was verbindet die immer so traurig wirkende Sabina mit dem wesentlich älteren Unternehmer? Brice muss ihr Geheimnis lüften und lädt sie auf sein Schloss in Schottland ein...


  • Erscheinungstag 01.11.2012
  • Bandnummer 1564
  • ISBN / Artikelnummer 9783864947650
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

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1. KAPITEL

“McAllister, stimmt's?”

Brice ärgerte sich über die Störung seiner Einsamkeit. Falls man auf einer Party einsam sein konnte! Normalerweise wäre er nicht zu dieser Party gegangen, aber vor sechs Monaten hatte sein Cousin Fergus die Tochter eines Abgeordneten geheiratet. Und nun war die komplette Familie zur Feier anlässlich der Wiederwahl eingeladen. Es wäre unhöflich gewesen, abzusagen.

Er mochte es auch nicht besonders, nur mit Nachnamen angeredet zu werden. Das erinnerte ihn allzu sehr an seine Schulzeit. Am meisten irritierte ihn jedoch der Ton, in dem er angesprochen worden war: Arroganz, die an Herablassung grenzte!

Brice drehte sich langsam um und stand einem Mann gegenüber, dem er noch nie begegnet war. Er war groß, hatte blondes Haar, das an den Schläfen ergraut war, mochte Mitte fünfzig sein und hatte ein strenges, gut aussehendes Gesicht, das zu der Arroganz passte, die Brice schon wahrgenommen hatte. “Brice McAllister, ja”, sagte er kühl.

“Richard Latham.”

Der Name kam Brice irgendwie bekannt vor … Er schüttelte dem Mann flüchtig die Hand und machte absichtlich keinen Versuch, ein Gespräch anzufangen. Brice war noch nie besonders gesellig gewesen, und er war der Meinung, dass er an diesem Tag seine Pflicht gegenüber der Verwandtschaft getan hatte. Er wartete nur auf eine Pause im Ablauf der Feier, sodass er sich verabschieden konnte.

“Sie haben keine Ahnung, wer ich bin, stimmt's?” Richard Latham klang eher amüsiert als verärgert.

Aber ich weiß, was du bist, dachte Brice. Der hartnäckige Typ! Latham … So hieß Fergus' Schwager, Paul Hamiltons anderer Schwiegersohn, also war Richard Latham wohl irgendwie mit den Hamiltons verwandt. Nur hatte Brice das Gefühl, dass er das nicht gemeint hatte. Inzwischen war es fast sieben Uhr. Brice unterdrückte ein Seufzen. Er hatte sich in Kürze unter dem Vorwand entschuldigen wollen, dass er an diesem Abend noch eine Verabredung habe. Jetzt musste er sich erst einmal aus dem unerwünschten Gespräch befreien. “Leider nicht”, gab er unverblümt zu. Es war ihm nicht fremd, auf Partys angesprochen zu werden. Das gefiel ihm nicht, doch er akzeptierte, dass sich ein berühmter Künstler wie er bei gewissen gesellschaftlichen Veranstaltungen blicken lassen musste. Dieser arrogante Mann war ihm einfach von Anfang an auf die Nerven gegangen.

Richard Latham zog die Augenbrauen hoch. “Meine Sekretärin hat im vergangenen Monat zweimal Kontakt mit Ihnen aufgenommen, weil ich gern ein Porträt meiner Verlobten bei Ihnen in Auftrag geben würde.”

Er war der Richard Latham! Der Multimillionär, dessen geschäftliche Interessen sich weltweit erstreckten, der mit seinen privaten Beziehungen zu einigen der schönsten Frauen der Welt fast ebenso viele Schlagzeilen machte wie mit seinen erfolgreichen Transaktionen. Allerdings hatte Brice keine Ahnung, wer die “Verlobte” sein könnte. “Ich habe in meinem Antwortbrief auf die erste Anfrage Ihrer Sekretärin erklärt, dass ich keine Porträts male”, erwiderte er höflich. Und er hatte keine Lust gehabt, das noch einmal zu erklären, als er nur eine Woche später ein zweites Schreiben erhalten hatte.

“Das stimmt nicht”, sagte Richard Latham kurz angebunden. “Ich habe das großartige Porträt gesehen, das Sie von Darcy McKenzie gemalt haben.”

Brice lächelte flüchtig. “Darcy ist mit meinem Cousin Logan verheiratet.”

“Und?”

“Es war eine einmalige Sache. Ein Hochzeitsgeschenk.”

“Dies ist auch ein Geschenk. Eins, das ich mir selbst mache.”

Offensichtlich war Richard Latham ein Mann, der es nicht gewohnt war, ein Nein zu hören. Tja, dafür kann ich nichts, dachte Brice. Er hatte keine Lust, schmeichelhafte Porträts von den Reichen und Verwöhnten zu machen, nur damit sie sagen konnten, sie hätten einen “McAllister” an der Wand hängen. “Es tut mir wirklich leid …”, begann er und verstummte. Im Zimmer wurde es still. Alle sahen die Frau an, die an der Tür stand.

Sabina.

Brice hatte in den vergangenen Jahren immer wieder Fotos von ihr gesehen. Er hätte blind sein müssen, um das nicht zu tun. Kaum ein Tag verging, an dem das berühmteste Model der Welt nicht bei irgendeiner Modenschau, auf einer Party oder bei einer Veranstaltung abgelichtet wurde. Aber keins der Fotos hatte Brice auf ihre perfekte Schönheit vorbereitet. Sabina hatte makellose Haut, ihre Augen waren leuchtend blau, das blonde Haar reichte ihr fast bis zur Taille, das kurze silberfarbene Kleid betonte die schönen, langen Beine. Sie trug keinen Schmuck, doch das hatte sie auch nicht nötig, es wäre nur zu viel des Guten gewesen.

Jetzt sah sie in seine Richtung, und Brice erkannte eine gewisse Besorgnis in ihrem Blick. Fast Angst …? Im nächsten Moment verbarg sie die Gefühlsregung und lächelte selbstsicher.

“Entschuldigen Sie mich, während ich meine Verlobte begrüße.” Richard Latham ging zu Sabina, legte ihr besitzergreifend den Arm um die Taille und küsste das Model auf die Wange.

Brice beobachtete die beiden, und ihm fiel auf, dass Sabina sehr wohl Schmuck trug. Am Ringfinger ihrer linken Hand funkelte ein großer, herzförmiger Diamant. Sabina war die Verlobte, die er malen sollte? Jetzt, da er sie in natura gesehen hatte, war sie die eine Frau auf der Welt, die er einfach malen musste!

Nicht wegen ihrer sensationellen Schönheit. Brice interessierte die flüchtig sichtbar gewordene Verletzlichkeit, die mehr als nur eine schöne Frau aus Sabina machte, und die er erforschen wollte, wenn auch nur auf Leinwand.

“Tut mir leid, dass ich ein bisschen zu spät komme.” Sabina lächelte Richard herzlich an. “Andrew war bei den Anproben heute sehr schwierig.” Sie tat den Topdesigner mit einem Schulterzucken ab. Er mochte zurzeit einer der besten Designer sein, aber er war aufbrausend, weshalb es die reine Hölle war, für ihn zu arbeiten.

“Jetzt bist du hier, alles andere ist unwichtig”, versicherte ihr Richard gelassen.

Sabinas Anspannung verschwand. Wie schön es war, jemand zu haben, der ihr wegen der Anforderungen, die ihr Beruf an sie stellte, niemals Schwierigkeiten machte. Tatsächlich war es das Gegenteil. Sie sollte nur das berühmte Gesicht an seiner Seite sein. Mehr wollte Richard nicht von ihr.

Und zum Glück wurden die Gespräche im Zimmer jetzt wieder aufgenommen. Selbst nach sieben Jahren als Topmodel hatte sich Sabina noch immer nicht daran gewöhnt, wie alle verstummten und sie anstarrten, wohin auch immer sie kam. Sie hatte im Lauf der Jahre nur zu verbergen gelernt, wie entsetzt sie oft über die Wirkung war, die ihr Aussehen auf die Leute hatte.

Nicht erkannt zu werden gelang ihr anscheinend nur, wenn sie in eins ihrer liebsten Hamburger-Restaurants ging. Niemand würde jemals glauben, dass das gertenschlanke Model Sabina gern Hamburger mit Pommes frites aß! Manche Reporter behaupteten, sie ernähre sich von Salatblättern und Wasser, um so schlank zu bleiben, aber sie gehörte wirklich zu den glücklichen Menschen, die alles essen konnten, ohne zuzunehmen.

Traurig fiel ihr ein, dass sie sich jetzt schon sechs Monate lang nicht mehr getraut hatte, in eins dieser Restaurants zu gehen.

“Ich möchte dich mit jemand bekannt machen, Sabina”, sagte Richard.

Er führte sie zu dem Mann, mit dem er sich unterhalten hatte, als sie angekommen war. Der Fremde war groß, noch größer als Richard mit seinen ein Meter fünfundachtzig, wahrscheinlich Mitte dreißig, trug Jeans, ein weißes T-Shirt und eine schwarze Jacke, hatte dunkles, ein bisschen zu langes Haar und ein strenges gut aussehendes Gesicht. Aber es waren die grünen Augen, die Sabina fesselten. Sein scharfsichtiger Blick ließ sie glauben, dass er ihr direkt in die Seele sehen konnte.

Sabina schauderte besorgt. Niemand sollte ihr in die Seele sehen, am allerwenigsten dieser strenge Mann!

“Brice, ich möchte Ihnen meine Verlobte Sabina vorstellen. Sabina, das ist Brice McAllister”, sagte Richard.

Er hörte sich zufrieden an. Sie wusste, dass er stolz auf ihr Aussehen war, doch jetzt schien er es noch mehr als sonst zu sein. Neugierig musterte sie Brice McAllister. Sollte sie wissen, wer …? Der Maler! Einer der gefragtesten der Welt. Was jedoch nicht Richards Einstellung ihm gegenüber erklärte … “Mr McAllister”, begrüßte sie ihn kühl.

“Sabina. Haben Sie auch einen Nachnamen?”, fragte er spöttisch.

“Smith. Das wissen nur wenige Leute. Meine Mutter hat mit dem exotischeren Vornamen den fantasielosen Nachnamen auszugleichen versucht.” Ich rede nur um des Redens willen, dachte sie und runzelte leicht die Stirn. Und das mit einem Mann, der sie nervös machte. Sie konnte nichts dagegen tun, wenn er sie so durchdringend ansah.

“Du bist Sabina. Das genügt”, mischte sich Richard arrogant ein.

Spürte er auch die Intensität dieses Blicks? Sabina schauderte wieder und rückte ein bisschen näher an Richard heran.

“Ich verspreche, es keinem Menschen zu verraten”, erwiderte Brice McAllister spöttisch auf Sabinas Bemerkung.

Sabina fand es nicht lustig, dass er ausgerechnet das Wort “Seele” benutzte, da sie doch sicher war, dass er ihr direkt in ihre blicken konnte! Sie fragte sich, was er wohl sah. Warmherzigkeit, wie sie hoffte. Humor. Loyalität und Ehrgefühl. Angst … Nein! Sie achtete darauf, ihre Furcht unter Verschluss zu halten. Aber das war nicht so einfach, wenn sie allein war. Deshalb erlaubte sie sich nur noch selten, mit ihren Gedanken allein zu sein.

“Ihr Verlobter und ich haben gerade darüber gesprochen, dass er Sie von mir malen lassen möchte”, sagte Brice McAllister.

Sabina runzelte verblüfft die Stirn. Ihr gegenüber hatte Richard das nicht erwähnt. Und sie wusste schon jetzt, nach wenigen Minuten in seiner Gesellschaft, dass der grüblerische Brice McAllister der Letzte war, mit dem sie Zeit zusammen verbringen wollte.

“Jetzt hat mir Brice meine Überraschung verdorben.” Richard tat es mit einem Lachen ab. “Dann haben Sie sich also entschieden, den Auftrag doch anzunehmen?”, fragte er herausfordernd.

Sabina schloss daraus, dass der Künstler es zunächst abgelehnt hatte, sie zu malen. Warum hatte er es sich anders überlegt? Falls er es getan hatte …

Brice McAllister zuckte gleichgültig die Schultern. “Es liegt im Bereich des Möglichen. Ich müsste einige Skizzen machen, bevor ich mich endgültig entscheide. Aber ich sollte Sie vielleicht schon jetzt darauf hinweisen, dass ich keine kitschigen Bilder von Leuten male.”

Damit deutete er an, dass sie eine kitschige Schönheit besaß! Nicht gerade der charmanteste Mann, der mir jemals begegnet ist, dachte Sabina trübselig. Aber zumindest war er ehrlich.

Vielleicht meinte er genau das. Er wollte nicht nur das Äußere, sondern auch die Seele eines Menschen einfangen. War ihr instinktives Gefühl also doch richtig gewesen, und er konnte sie wirklich durchschauen?

“Ein Mensch mit all seinen Fehlern und Schwächen”, sagte Richard trocken. “Tja, wie Sie sehen können, hat Sabina keinen Makel.” Er blickte sie stolz an.

Brice McAllister lächelte spöttisch über Richards Lob. Da sich der Maler auf sie konzentrierte, erkannte er jedoch anscheinend nicht, was Richards Besitzerstolz genau genommen war: Er rühmte sich des Eigentums eines schönen Gegenstands. “Du bist vielleicht ein bisschen voreingenommen, Richard”, sagte Sabina. “Und ich bin sicher, wir haben Mr McAllisters Zeit lange genug in Anspruch genommen.” Sie wollte seinem forschenden Blick entkommen. Irgendetwas daran beunruhigte sie.

“Wenn Sie mir Ihre Telefonnummer geben, rufe ich Sie an, und wir können einen Termin für die Skizzen ausmachen”, schlug Brice McAllister vor.

Sabina widerstrebte es, dass er noch mehr über sie erfuhr, als er schon wusste.

“Das ist einfach, sie hat dieselbe wie ich.” Richard nahm eine seiner privaten Visitenkarten heraus und gab sie Brice McAllister. “Wenn weder Sabina noch ich zu Hause sind, kann meine Haushälterin etwas ausrichten.”

Sabina beobachtete, wie Brice McAllister missbilligend die Lippen zusammenpresste, während er die Information verarbeitete, dass sie mit Richard in seinem Haus in Mayfair zusammenlebte. Sie hielt dem kühlen, abschätzenden Blick des Künstlers trotzig stand, spürte jedoch, dass sie rot wurde. Wieso maßte er sich an, über ihr Benehmen zu urteilen? Um Himmels willen, sie war fünfundzwanzig, alt genug, um Entscheidungen allein zu treffen. Sie war niemand Rechenschaft schuldig außer sich selbst. Und sie war mit ihren Wohnverhältnissen sehr zufrieden, vielen Dank!

Wenn auch ein bisschen defensiv …? Vielleicht. Aber Brice McAllister wusste nichts von der Einigung, zu der Richard und sie gelangt waren, als sie sich vor mehreren Monaten verlobt hatten, konnte nicht ahnen, dass diese Verlobung nur Fassade war und nicht auf Liebe, sondern auf Zuneigung beruhte. Für sie war die Abmachung ein Schutzschild gegen die Angst, mit der sie seit sechs Monaten lebte. Als Gegenleistung hatte Richard den schönen Gegenstand – sie! – in seinem Leben, den er sich so sehr gewünscht hatte. Und im Lauf der Zeit hatte sie erkannt, dass er merkwürdigerweise nur das von ihr wollte.

Einem Dritten musste das Arrangement zweifellos höchst seltsam vorkommen, aber es sagte ihnen beiden zu. Und es ging Brice McAllister mit Sicherheit nichts an!

“Ich rufe Sie an.” Er steckte die Visitenkarte in die Brusttasche seiner Jacke, nickte zum Abschied und steuerte auf das Paar zu, das in der Ecke saß und liebevoll mit einem Baby sprach.

“Brice Cousin Logan McKenzie und seine Frau Darcy”, sagte Richard leise.

Sabina interessierte sich nicht für die Leute oder das verwandtschaftliche Verhältnis, das zwischen ihnen und dem arroganten Brice McAllister bestand. Sie war nur froh, dass er weg war. Das Atmen fiel ihr jetzt wieder leichter!

Sie hatte nicht die Absicht, zu Hause zu sein, wenn Brice McAllister anrief. Und in der Zwischenzeit würde sie alles tun, was sie konnte, um Richard davon abzubringen, sie von Brice McAllister malen zu lassen.

2. KAPITEL

“Miss Sabina ist leider nicht zu Hause”, sagte Richard Lathams Haushälterin.

Es war das fünfte Mal in einer Woche, dass Brice anrief und ihm mitgeteilt wurde, Sabina sei nicht da. Er stand kurz vor einem Wutausbruch. Hauptsächlich, weil er sicher war, dass ihn die schöne Sabina an der Nase herumführte. Er hatte ihr in der vergangenen Woche in Paul Hamiltons Haus angesehen, dass sie sich nicht von ihm malen lassen wollte. Wenn er ehrlich war, bestärkte ihn das nur in seinem Entschluss, es zu tun.

“Danke für Ihre Hilfe”, erwiderte Brice. Wie ging es jetzt weiter? Anzurufen und einen Termin auszumachen funktionierte offensichtlich nicht.

“Ich werde Miss Sabina sagen, dass Sie angerufen haben.” Die Haushälterin legte auf.

Das nützt mir nichts, dachte Brice gereizt. Von seinen anderen vier Anrufen wusste Sabina wahrscheinlich auch. Er hatte seine Telefonnummer hinterlassen, aber sie hatte nicht zurückgerufen.

“Ich an deiner Stelle würde mich von meinem Onkel Richard fernhalten”, hatte David Latham auf der Party zu ihm gesagt, nachdem Richard Latham und Sabina gegangen waren. “Er sammelt skrupellos Gegenstände von unschätzbarem Wert, und er betrachtet Sabina als Teil seiner Sammlung. Außerdem verleiht er dem Ausdruck 'das schwarze Schaf der Familie' eine ganz neue Bedeutung.”

Richard Latham interessierte Brice nicht. Aber anscheinend konnte er die schöne Sabina nur über ihn erreichen … Für eine Prominente führte sie tatsächlich ein sehr zurückgezogenes Leben. Sie wurde niemals ohne den aufmerksamen Richard oder einen seiner Angestellten an ihrer Seite gesehen. Brice wusste das, weil er am vergangenen Wochenende mit seinem Cousin Fergus und dessen Frau Chloe, die Modedesignerin war, sogar eine Wohltätigkeitsmodenschau besucht hatte, bei der Sabina aufgetreten war. Als er nach der Schau versucht hatte, hinter die Kulissen zu gehen, um mit Sabina zu sprechen, war er an einem Bodyguard gescheitert. Sie war auch nicht zu dem Champagnerempfang nach der Schau gekommen. Brice hatte sich diskret erkundigt und erfahren, dass sie sofort nach ihrer kurzen Beschäftigung auf dem Laufsteg mit einem Privatwagen weggebracht worden war.

Sabina verlieh dem Ausdruck “schwer fassbar” eine ganz neue Bedeutung, und Brice hatte es satt. Er war auch ziemlich sicher, dass Richard Latham nichts von den Anrufen wusste. Der Mann war fest entschlossen gewesen, Sabina malen zu lassen.

Es war nicht weit bis zu Richard Lathams Haus in Mayfair. Auf der Auffahrt stand ein Sportwagen, also war jemand zu Hause. Wer von den beiden war Brice in diesem Moment gleichgültig. Er hatte vor, entweder von Richard Latham oder Sabina den Termin zu bekommen!

Brice wusste nicht, warum, aber er war überrascht gewesen, als er erfahren hatte, dass Richard Latham und Sabina zusammenlebten. Sie hatte etwas Unberührbares an sich, eine Reserviertheit, die alle um sie her auf Abstand hielt. Offensichtlich galt das nicht für Richard Latham!

“Ja?”

In Gedanken versunken, hatte Brice nicht bemerkt, dass auf sein Klingeln die Tür geöffnet worden war. Eine ältere Frau blickte ihn fragend an. Sie war sicherlich die Haushälterin, mit der er am Telefon gesprochen hatte. “Ich möchte zu Sabina”, sagte er energisch.

“Haben Sie einen Termin?”

Wenn er einen hätte, wäre er nicht hier! Brice unterdrückte mühsam seine Wut. Schließlich war er nicht auf die Haushälterin ärgerlich. “Würden Sie bitte einfach Sabina sagen, dass Brice McAllister sie sprechen möchte?”, erwiderte er kurz angebunden.

“McAllister?” Die Frau runzelte die Stirn und warf einen Blick über die Schulter in die Eingangshalle. “Sind Sie nicht …?”

“Ja. Der Mann, der innerhalb einer Woche fünfmal angerufen hat. Könnten Sie Sabina jetzt bitte sagen, dass ich hier bin?” Er wusste, dass er nicht besonders höflich war, aber im Moment hatte er zu schlechte Laune, um sich noch einmal abwimmeln zu lassen. Nachdem sich die Haushälterin so verstohlen umgeblickt hatte, war er davon überzeugt, dass der Mercedes auf der Auffahrt Sabina gehörte und sie zu Hause war. Dass sie auch zu Hause gewesen war, als er angerufen hatte. Sie hatte es einfach vorgezogen, seine Anrufe nicht entgegenzunehmen.

“Aber …”

“Ist schon in Ordnung, Mrs Clark.” Die Tür ging weiter auf, und Sabina tauchte neben der Haushälterin auf. “Bitte kommen Sie doch herein, Mr McAllister”, forderte Sabina ihn kühl auf.

Er nickte und folgte ihr ins Wohnzimmer. Vielleicht würde er etwas sagen, was er später bereuen würde, deshalb hielt er lieber den Mund. Seltsam, er hätte nicht gedacht, dass er so wütend werden könnte. Zweifellos hatte es seine Geduld auf eine harte Probe gestellt, dass Sabina ihm eine ganze Woche lang ausgewichen war.

Sabina trug verwaschene Jeans und ein kurzes weißes T-Shirt, war ungeschminkt und hatte sich das Haar zu einem Zopf geflochten. Brice hatte keine Ahnung, wie alt sie war, aber an diesem Tag sah sie wie achtzehn aus!

“Sie werden mich leider entschuldigen müssen.” Sabina zeigte auf ihr lässiges Outfit. “Ich bin gerade eben aus dem Fitnessstudio zurückgekommen.”

Brice zog skeptisch die Augenbrauen hoch. “Gerade eben?”

“Kann ich Ihnen Tee anbieten?”

“Nein, danke. Ich habe mehrere Male angerufen”, sagte Brice hart.

Sabina wich seinem Blick aus. “Tatsächlich?”

Verdammt, so schwierig sollte das eigentlich nicht sein. Richard Latham war derjenige, der mit seinem Auftrag zu ihm gekommen war. Er hatte es nicht einmal machen wollen. Bis er Sabina gesehen hatte … “Sie wissen sehr gut, dass ich es getan habe”, fuhr er sie ungeduldig an.

Sie zuckte die Schultern. “Ich hatte viel zu tun. Eine Reise nach Paris. Mehrere Schauen hier in London. Eine Fotosession mit …”

“Mich interessiert nicht, was Sie alles getan haben. Ich möchte nur wissen, warum Sie meinen Anrufen ausgewichen sind”, unterbrach Brice sie scharf.

“Ich habe gerade gesagt …”

“Nichts. Die tüchtige Mrs Clark hat Sie doch sicher über jeden meiner Anrufe informiert. Sie hätten zurückrufen können, wenn Sie tatsächlich nicht zu Hause waren.” Was er sehr bezweifelte.

“Möchten Sie wirklich keinen Tee?”

“Nein”, stieß Brice mit zusammengebissenen Zähnen hervor. Ein Whisky wäre jetzt gut, aber da es erst vier Uhr nachmittags war, würde er darauf auch verzichten. Die kühle Gelassenheit dieser Frau genügte, um jeden Mann zum Trinken zu treiben! “Wegen dieses Termins …”

“Bitte setzen Sie sich doch”, forderte sie ihn ruhig auf.

“Danke, ich bleibe lieber stehen”, sagte er gereizt.

Sabina zuckte die Schultern und setzte sich in einen Sessel. “Seltsam, ich hatte den Eindruck, dass Sie ein Maler von Ruf sind.”

“Bin ich.”

“Wirklich? Und Sie jagen Aufträgen immer so nach?”

Brice wurde wütend, obwohl er genau wusste, warum sie ihn beleidigte. Sie versuchte, ihn gegen sich aufzubringen, damit er es ablehnte, sie zu malen. Er atmete tief durch, um sich zu beruhigen. “Vielleicht trinke ich doch eine Tasse Tee”, sagte er und machte es sich in dem Sessel ihr gegenüber bequem, ohne Sabina aus den Augen zu lassen. Und deshalb entging ihm nicht, wie entsetzt sie war. Sie hatte ihm Tee angeboten, aber eigentlich wollte sie ihn so schnell wie möglich aus dem Haus haben. Weil jeden Moment Richard Latham zurückkommen und ihre Anstrengungen zunichtemachen könnte, sich seinem Vorhaben zu entziehen, sie von Brice McAllister malen zu lassen?

“Gut. Ich sage Mrs Clark Bescheid.” Sabina stand auf.

Außerdem würde sie sich die Zeit nehmen, ihre Fassung wiederzugewinnen. Brice war jetzt fest davon überzeugt, dass sie nicht die Absicht hatte, sich von ihm malen zu lassen. Warum? Er war sicher, dass es nicht wirklich Abneigung gegen ihn gewesen war, was sie in jenem unvorsichtigen Moment erkennen lassen hatte. Es war fast wie die Angst gewesen, die er wahrgenommen hatte, als er sie vor einer Woche das erste Mal gesehen hatte.

Sabina ging nicht sofort in die Küche. Zuerst lief sie nach oben in ihr Badezimmer und bespritzte sich das gerötete Gesicht mit kaltem Wasser.

Ihr war niemals der Gedanke gekommen, dass Brice McAllister hier auftauchen könnte, wenn sie keinen seiner Anrufe entgegennahm. Jetzt sah sie ein, dass es ihr hätte einfallen sollen. Er hatte etwas Unbarmherziges, Zielstrebiges an sich, was darauf hinwies, dass er es nicht mochte, wenn man ihm einen Strich durch die Rechnung machte. Sie hätte einen seiner Anrufe entgegennehmen sollen, wenn auch nur, um ihn davon abzubringen, hier zu erscheinen.

Na schön, jetzt war es zu spät. In einer Stunde würde Richard zu Hause sein. Sie musste dafür sorgen, dass Brice McAllister schnell seinen Tee trank, und alle möglichen Gründe vorbringen, warum sie sich auf einen Termin in nächster Zeit nicht einlassen konnte. Diese zweite Begegnung hatte sie nur darin bestärkt, dass sie sich nicht von Brice McAllister malen lassen wollte. Er durchschaute, was sich hinter den Kulissen der Gesellschaft abspielte, und erkannte die wahren Gefühle eines Menschen. Konnte er auch sehen, was sie hinter der Schutzmauer verbarg, die sie um sich errichtet hatte?

“Der Tee ist gleich fertig”, verkündete Sabina gelassen, als sie einige Minuten später ins Wohnzimmer zurückkehrte. “Richard hat mir erzählt, Sie hätten ein großartiges Porträt von Darcy McKenzie gemalt, der Frau Ihres Cousins.”

Brice McAllister nickte. “Mir ist gesagt worden, es sei gut.”

“Ich glaube, Richard hofft, dass Sie mich ebenso großartig malen.”

“Und was hoffen Sie, Sabina?” Er sah sie mit zusammengekniffenen Augen an.

Sie war sicher, dass er schon wusste, was sie hoffte. Dass er sie überhaupt nicht malen, einfach weggehen und ihre Schutzmauer unbeschädigt lassen würde … “Dasselbe, natürlich”, erwiderte sie ruhig und blickte ihn ausdruckslos an.

“Natürlich”, sagte er schließlich ironisch. “Ich …”

“Ah, der Tee.” Sie lächelte Mrs Clark an, die sich an ihre Anweisung gehalten hatte und nur Tee brachte. Sabina wollte nicht auch Kuchen anbieten und riskieren, dass Brice McAllister noch einige Minuten länger blieb!

Autor

Carole Mortimer
<p>Zu den produktivsten und bekanntesten Autoren von Romanzen zählt die Britin Carole Mortimer. Im Alter von 18 Jahren veröffentlichte sie ihren ersten Liebesroman, inzwischen gibt es über 150 Romane von der Autorin. Der Stil der Autorin ist unverkennbar, er zeichnet sich durch brillante Charaktere sowie romantisch verwobene Geschichten aus. Weltweit...
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