Das Unmoralische Angebot des Prinzen

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"Eine Stunde für zehntausend Dollar!" Gabrielle kann kaum glauben, dass sie so viel geboten hat. Aber ihr bleibt keine Wahl: Sie muss mit Prinz Durante D’Agostino nach der Versteigerung reden, davon hängt die Zukunft ihres Verlags ab! Gespannt wartet sie auf seine Antwort - und presst die Lippen aufeinander, als der Prinz sich wortlos umdreht. Wie kann er sie so frech ignorieren! Und dabei so unverschämt sexy und gleichzeitig so maßlos selbstbewusst sein- Denn bevor der Abend vorüber ist, macht er ihr ein unerhörtes Gegenangebot: Zwei Millionen für die ganze Nacht!


  • Erscheinungstag 16.02.2010
  • Bandnummer 0006
  • ISBN / Artikelnummer 9783862952052
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

„Ich will eine Stunde mit Ihnen.“

Prinz Durante D’Agostino blieb auf der Türschwelle zum Foyer stehen. Diese Stimme. Sie schien aus dem Nichts zu kommen. Eine Stimme, so leise, dass sie durch die Musik der Jazzband im Ballsaal eigentlich hätte übertönt werden müssen. Drüben im Saal war die Wohltätigkeitsveranstaltung in vollem Gange. Doch Prinz Durante nahm nichts anderes wahr als den sanften, verführerischen Klang dieser Stimme. Er spürte ihn auf der Haut wie eine elektrisierende Berührung, und sein Puls beschleunigte sich.

Gleich darauf runzelte er die Stirn. Was war bloß los mit ihm? Warum reagierte er derart stark auf die Stimme einer Frau? Insbesondere da sie diese dreiste Aufforderung ausgesprochen hatte! Als hätte er solche unverblümten Einladungen nicht schon hundert Mal erhalten.

Ungehalten wandte er sich zu der Person um, die ihn so unverschämt angesprochen hatte. Doch als sich ihre Blicke zum ersten Mal begegneten, stieg, ohne dass er es verhindern konnte, Begehren in ihm auf, ein Begehren, das ihn in seiner Heftigkeit überraschte. Es waren ihre Augen, die ihn zuerst faszinierten. Klar und strahlend blau, das Gesicht dazu schön wie das eines Engels und lasziv wie das einer Sirene.

Dann sprach die Frau erneut. „Eine Stunde. Ich zahle Ihnen hunderttausend Dollar dafür.“

Ihre vollen Lippen waren rot und einladend geöffnet, und sofort ging die Fantasie mit ihm durch. Er malte sich aus, wie diese Lippen heiß und lustvoll seine Haut berührten … Das genügte, und innerhalb von zwei Sekunden war er erregt.

Hier, mitten in einem Hotelfoyer? Wegen eines Blicks und ein paar Worten?

Er atmete tief durch und bemühte sich, ruhig zu bleiben, doch dann nahm er den Duft dieser Frau wahr, ihr frisches Parfüm mit einem Hauch von Jasmin, und er reagierte darauf, wie ein Mann nun einmal reagieren musste.

Langsam kam sie auf ihn zu und ermöglichte ihm so den vollen Blick auf ihre Gestalt. Prinz Durante blinzelte und fragte sich, ob die sechsunddreißig Stunden ohne Schlaf ihn vielleicht in einen Wachtraum versetzt hatten. Das würde die Erscheinung erklären, die sich ihm präsentierte, denn diese Frau war die Erfüllung all seiner erotischen Fantasien. Zu gern hätte er diese langen tizianroten Locken durch seine Finger gleiten lassen, zu gern diese glatte, farbene Haut gestreichelt. Ihre sinnliche Figur war aufreizend, aber ihre Haltung verriet zugleich einen starken Charakter.

Nein, sie war keine Fata Morgana, sie war ganz real. Was jedoch nicht real sein konnte, war seine Reaktion auf ihren Anblick. Seit seinem siebzehnten Geburtstag waren die Frauen hinter ihm her, und noch nie hatte er sich hormongesteuert gefühlt. Bis zu diesem Moment.

Allein die Worte der Unbekannten hatten ihn in einen wahren Sinnestaumel versetzt, und seit sie direkt vor ihm stand, konnte er nicht mehr aufhören, sich die leidenschaftlichsten Szenen vorzustellen: heiße Körper auf kühler Seide, lustvolles Seufzen, gegenseitige Erfüllung.

Eduardo und Jade predigten ihm schon lange, dass er auf einen Nervenzusammenbruch zusteuere, wenn er nicht kürzertrete. War ihre Voraussage jetzt eingetroffen? War seine verrückte Reaktion auf diese Frau der Vorbote eines psychischen Desasters? Doch falls dies tatsächlich ein Nervenzusammenbruch war, dann war es vermutlich genau das, was er brauchte.

„Hier ist das Geld.“ Sie öffnete ihre Abendtasche und holte einen Blankoscheck heraus. „Sie dürfen eintragen, welcher wohltätigen Organisation das Geld zugutekommen soll.“

Er betrachtete ihre wohlgeformten Hände mit den kurzen, unlackierten Fingernägeln, und alles, was er denken konnte, war, wie gern er diese Finger einen nach dem anderen in den Mund genommen hätte, um an ihnen zu saugen, bis die Unbekannte darum bettelte, seine Lippen, seine Zunge an ganz anderen Stellen ihres Körpers zu spüren.

Durante machte einen Schritt auf sie zu, weil er das Bedürfnis verspürte, sie anzufassen. Nicht um seine Fantasien gleich in die Tat umzusetzen, sondern nur, um sich zu vergewissern, dass diese Frau wirklich existierte.

Doch sie entzog sich ihm, und als er ihr folgen wollte, fand er sich plötzlich von einer Schar durcheinanderredender Leute umringt.

„Prinz Durante! Endlich sind Sie da!“

„Kommen Sie hier lang, Prinz Durante.“

„Nein, bitte hier herüber, Prinz Durante.“

„Es gibt jemanden, der Sie unbedingt kennenlernen möchte.“

„Aber mein Klient war zuerst da, und bestimmt möchten Sie ihn zuerst treffen.“

Er verfluchte sich im Stillen dafür, dass er seine Bodyguards draußen gelassen hatte. Am liebsten hätte er sie gerufen, damit sie ihn von diesen aufdringlichen Menschen befreiten, die jenen magischen Moment mit der Unbekannten so rüde zerstört hatten. Andererseits waren seine Bodyguards zurzeit etwas grob, nachdem Jeremiah Langley vor einem Monat versucht hatte, ihn umzubringen, und so war es vielleicht besser, sie nicht zu alarmieren.

Wenn er nicht sehr unhöflich sein wollte – denn er war schließlich die Hauptattraktion dieser Wohltätigkeitsveranstaltung –, dann blieb ihm nichts anderes übrig, als sich seinen Pflichten zu widmen und die Unbekannte zurückzulassen. Sie stand da, wo sie ihm an diesem Abend begegnet war, in diesem wunderschönen Abendkleid, und schaute ihn mit ihren klaren blauen Augen unverwandt an. Dann ließ sie die Hand mit dem Scheck langsam sinken, und das war das Letzte, was er von ihr sah, ehe die Tür zum Ballsaal geschlossen wurde.

Sofort rief er den Chef seiner Leibwache an und erteilte ihm den Auftrag, die Frau nicht aus den Augen zu lassen und unverzüglich Bericht zu erstatten, falls sie die Veranstaltung verließ, denn er wollte um jeden Preis verhindern, dass sie ihm entschlüpfte.

Während er seine Aufgaben als Hauptsponsor des Abends wahrnahm, wünschte er sich die ganze Zeit, endlich gehen zu können. Zum ersten Mal seit Jahren konnte er es kaum erwarten, eine Frau zu erobern, ihr zu geben, was sie ersehnte, und zu genießen, was sie ihm bot. Denn die Unbekannte hatte Gefühle in ihm geweckt, die er lange nicht mehr verspürt hatte oder eigentlich noch nie, wenn er ehrlich war.

Gabrielle Williamson schaute dem hochgewachsenen Mann hinterher, der von Menschen umringt davonging.

Das also ist Prinz Durante D’Agostino, dachte sie. Natürlich hatte sie Fotos von ihm in Zeitungen und Zeitschriften gesehen, darunter ihre eigenen Publikationen. Die Bilder zeigten einen Mann, der zu Recht den Titel des meistbegehrten und meistberüchtigten adligen Junggesellen trug. Aber wie er wirklich aussah, hatte sie erst jetzt erfahren. Er war ein … ein Gott.

Und sie hatte es gewagt, sich ihm mit ihrem lächerlichen Angebot aufzudrängen. Hunderttausend Dollar waren für ihn Peanuts. Doch welcher Preis wurde normalerweise für Götter gezahlt?

Die Tür zum Ballsaal wurde geschlossen, und sie blieb allein im Foyer zurück. Dann begann sie, urplötzlich zu zittern. Was war bloß los mit ihr? Ihr Auftrag war es gewesen, ihn mit ihrem Angebot zu überraschen und seine Einwilligung zu erhalten, ehe er die Gelegenheit bekam, Fragen zu stellen. Er durfte nicht erfahren, wer sie war, weil sie wusste, dass er ihrer Familie gegenüber voller Vorurteile war. Alles, was sie verlangte, war, dass er ihr eine Stunde lang zuhörte.

Doch die Begegnung mit ihm, ein Blick aus seinen stahlblauen Augen, hatte genügt, um sie völlig aus der Fassung zu bringen. Jetzt war er gegangen, und sie hatte ihre Chance verpasst. Wie der Prinz sie angesehen hatte! Wie er seinen Blick über ihre Gestalt hatte schweifen lassen, bis sie meinte, ihn regelrecht spüren zu können. Ihr Instinkt sagte ihr, dass er kurz davor gewesen war, ihrem Angebot zuzustimmen, ehe diese Leute ihn umringt hatten.

Oder ging ihre Fantasie mit ihr durch? Sie war dreißig Jahre alt, geschieden und hatte sich nicht einmal als Teenager erotischen Fantasien hingegeben. Als einziges Kind eines Paares, das notorisch pleite war und unter Depressionen gelitten hatte, kannte sie nur die dunkle Seite des Lebens.

Und diese dunkle Seite war mit ein Grund gewesen, weshalb sie an diesem Abend hier war. Sie musste ihren Verlag vor dem Bankrott retten, um ihre Schulden bei jenem Mann zu begleichen, der ihre Familie lange generös unterstützt hatte. Dieser Mann war Benedetto, König von Castaldinien, Vater von Prinz Durante.

Nachdem ihr Vater pleitegegangen war, hatte der König, ein Freund der Familie und ehemaliger Geschäftspartner, vorgeschlagen, dass die Williamsons nach Sardinien ziehen sollten, in die Nähe des Königreichs Castaldinien. Danach hatte sich der König mehr als großzügig gezeigt, und als ihr Vater sechs Jahre später starb, finanzierte er Gabrielles Ausbildung bis zu ihrem Abschluss auf der Journalistenschule.

Seitdem bemühte sie sich, die Schulden ihrer Familie mit Zins und Zinseszins zurückzuzahlen. Leider hatte ihre tiefe Bindung an Castaldinien auch dazu geführt, dass sie massiv in Wertpapiere des Landes investiert hatte. Nachdem der König ein halbes Jahr zuvor einen Schlaganfall erlitten hatte, war Castaldinien in eine tiefe Rezession gerutscht. Dadurch war ihr Vermögen so weit dezimiert worden, dass sie nun kurz vor dem Bankrott stand.

Und in dieser Situation hatte sie zwei Wochen zuvor einen Anruf des Königs erhalten. Bei einer Videokonferenz wollte er ihr einen Vorschlag machen, der all ihre Probleme auf einen Schlag lösen sollte. Sie nahm sich vor, sein erneutes Hilfsangebot abzulehnen. Ihre Familie zu unterstützen war das eine. Ihren international operierenden Verlag zu retten war etwas ganz anderes. Um ihre Schulden zu begleichen, war sie damals sogar so verrückt gewesen, Ed zu heiraten. Andererseits – durfte sie Hilfe ablehnen, wenn die Jobs von Hunderten von Angestellten auf dem Spiel standen?

Als die Videoschaltung eingerichtet war und der König auf dem Bildschirm erschien, sah sie einen Fremden vor sich. Das war nicht mehr der vitale Vierundsiebzigjährige, den sie vor mehr als sieben Monaten bei der Beerdigung ihrer Mutter das letzte Mal gesehen hatte. Das hier war ein menschliches Wrack.

„Es tut gut, dich zu sehen, figlia mia“, begann der König das Gespräch, und seine Stimme klang brüchig.

Tränen stiegen ihr in die Augen. „Ich … ich bin froh, Euch zu sehen, König Benedetto.“

Er lächelte resigniert. „Du brauchst keine falsche Rücksicht zu nehmen, Gaby. Mein Anblick ist ein Schock für dich. Aber ich wollte unbedingt von Angesicht zu Angesicht mit dir sprechen, weil ich dich um einen lebenswichtigen Gefallen bitten möchte.“

„Ich würde alles für Euch tun, König Benedetto.“

„Du wolltest doch vor einiger Zeit eine Autobiografie von Durante veröffentlichen, nicht wahr?“

Stirnrunzelnd nickte sie. Sie hatte den König damals gefragt, wie sie seinen Sohn am besten überzeugen könne, etwas Persönliches für ihren Verlag zu schreiben. „Vergiss es“, hatte Benedetto gesagt.

Das war gewesen, bevor ihre Mutter starb, und seitdem hatte sie ihren Plan aufgegeben. Die Trauer bestimmte ihr Leben, zerfraß ihre Seele, nichts schien mehr wichtig zu sein. Freunde besaß sie kaum in New York, ihre Angestellten respektierten sie, aber sie teilte ihre Freizeit nicht mit Kollegen. Die restliche Familie war über den ganzen Erdball verstreut, und sie hatte nie viel Kontakt zu ihren Verwandten gehabt. Es gab Männer, die sich an sie heranmachten, weil sie dachten, sie sei vermögend. Und es gab andere Männer, mit denen sie sich traf, um sich nach dem Desaster ihrer Ehe zu beweisen, dass sie eine begehrenswerte Frau war. In Gesellschaft behandelten andere Frauen sie, als wäre sie eine Hexe, vor der sie ihre Männer verstecken mussten. Mittlerweile war Gabrielle das alles egal. Was zählte noch? Höchstens vielleicht ihr Verlag, denn die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter waren auf ihre Jobs angewiesen.

„Ich fühle mich verantwortlich für die Schwierigkeiten, in denen dein Unternehmen steckt“, fuhr der König fort.

„Bitte, das dürft Ihr nicht, König Benedetto“, erwiderte sie sofort. „Es ist nicht Eure Schuld.“

Sie wusste, dass der Niedergang ihrer Firma begonnen hatte, als feststand, dass ihre Mutter die Krankheit nicht überleben würde. Damals war jeder Lebenswille aus Gabrielle gewichen. Die Rezession, die Castaldinien erfasst hatte, war nur der Tropfen gewesen, der das Fass zum Überlaufen brachte.

Doch ihr war klar, dass der König das anders sah. Viele Firmen waren durch die Rezession in Mitleidenschaft gezogen worden, und auch wenn der neue Regent, Prinz Leandro D’Agostino, seitdem viel getan hatte, um die Wirtschaft wieder zu beleben, war ihr klar, dass es für ihr Unternehmen wahrscheinlich längst zu spät war.

„Durante könnte dazu beitragen, dass dein Verlag wieder floriert“, setzte der König hinzu. „Sein Buch würde unter Garantie ein Bestseller werden. Außerdem gäbe es für ihn auch andere Möglichkeiten, in den Verlag zu investieren.“

„Wäre er denn jetzt bereit, eine Autobiografie zu schreiben?“, fragte Gabrielle verwundert.

„Das wollte ich damit nicht sagen.“

Wie seltsam. „Was hätte sich also geändert?“, wollte sie wissen.

„Deine Situation. Und meine.“

Sie verstand nicht, wo der Zusammenhang zwischen seiner Situation und ihrer war, aber offensichtlich nahm Benedetto an, dass diesmal ein positives Ergebnis erzielt werden konnte. Eigentlich hätte sie sofort darauf anspringen müssen, doch sie sehnte sich danach, einfach nur in der Ecke zu sitzen und gegen die Wand zu starren. Daher seufzte Gabrielle nur und meinte: „Ich werde darüber nachdenken.“

„Nein, Gaby, ich verlange von dir, dass du es tust“, sagte der König entschlossen. „Außerdem will ich nicht nur, dass du einen Vertrag mit ihm schließt, sondern auch, dass du als Lektorin oder Ghostwriterin an dem Buch mitarbeitest. Ein Teil dieser Arbeit wird darin bestehen, Durante dazu zu bringen, nach Castaldinien zurückzukehren.“

Gabrielle glaubte, sich verhört zu haben, und sah verblüfft auf den Bildschirm. Doch der König erklärte: „Er hat das Land vor fünf Jahren verlassen und geschworen, nicht eher zurückzukommen, bis ich tot bin. Daran hat er sich bisher gehalten und nicht einmal angerufen, als ich den Schlaganfall hatte.“

Endlich fiel die Lethargie von ihr ab und wich einem Gefühl, das Gabrielle nicht einzuordnen wusste. War es Überraschung? Verärgerung? Wut? Was musste das für ein Ungeheuer sein, das seinem Vater etwas Derartiges antat? Und sie hatte Durante von allen castaldinischen Prinzen am meisten bewundert. Sein wirtschaftlicher Erfolg hatte sie mehr beeindruckt als das der anderen, weil sein Ziel nicht die Krone war. Als Sohn des Königs hatte er keinen Anspruch auf die Thronfolge. Und Erfolg war ein viel zu schwaches Wort. Durante war einer der wohlhabendsten und einflussreichsten Männer der Welt. Er hatte mit Investmentbanking begonnen und sein Imperium darauf aufgebaut. Er galt als unschlagbar clever und völlig unzugänglich. Doch sein Ruf als eiskalter Herzensbrecher war das eine. Seinen kranken Vater zu verleugnen war etwas ganz anderes.

„Woher … kommt diese Einstellung?“, erkundigte sie sich vorsichtig.

„Er macht mich für schreckliche Ereignisse verantwortlich, und ich hatte nie Gelegenheit, ihm zu beweisen, dass ich nicht die Schuld daran trage. Aber das ist jetzt nicht mehr wichtig. Er muss nach Hause kommen, Gaby. Nicht nur, dass ich meinen Sohn jetzt brauche. Castaldinien braucht ihn, seine Macht und seinen Einfluss.“

„Und ausgerechnet ich soll ihm das beibringen?“, fragte Gabrielle erstaunt.

Der König nickte. „Ich weiß, dass du es schaffen kannst. Dein Ansatz ist neu, und was du ihm bietest, wird ihn interessieren. Aber du musst mir versprechen, dass du ihm niemals verraten wirst, dass ich hinter der Sache stecke. Denn dann würde er dich schlicht und einfach zur Hölle schicken. Das können wir uns beide nicht leisten. Es ist eine bedrohliche Situation, und deshalb bin ich ganz offen zu dir. Ich möchte, dass du alles, wirklich alles tust, damit er zurück nach Castaldinien kommt.“

Seine Worte klangen in ihr nach, als die Videokonferenz längst beendet war. Was er mit seinem letzten Satz gemeint hatte, war sonnenklar: Sie sollte Durante verführen.

Ihr Ruf als Femme fatale eilte ihr voraus, aber dass selbst der König annahm, dass sie mit den Waffen einer Frau arbeitete, um Geschäftserfolge zu erzielen, tat weh. Trotzdem konnte sie ihm sein Verhalten nicht übel nehmen. Er war alt und krank und hatte Angst um sein Königreich.

Abgesehen davon war das, was er forderte, gar nicht so dumm. Wenn es klappte – und sie hatte nicht vor, hierfür die Waffen einer Frau einzusetzen –, dann waren sie beide auf der Gewinnerseite. Vater und Sohn wurden wieder vereint, Castaldinien bekam die Unterstützung, die es so dringend benötigte, und sie selbst konnte ihre Firma vor dem Ruin bewahren.

Doch Prinz Durante hatte sich beharrlich geweigert, ihre Nachrichten zur Kenntnis zu nehmen. Dafür gab es vermutlich nur einen Grund: Er hatte Nachforschungen über sie anstellen lassen, und man hatte ihm den üblichen Klatsch und Tratsch präsentiert. Anscheinend genügte das, um ihn abzuschrecken.

Also hatte sie zu anderen Mitteln gegriffen und einen seiner Bekannten gebeten, ihr Termine zu nennen, bei denen Durante anwesend sein würde. Da er verschiedene Wohltätigkeitsorganisationen und Stiftungen unterstützte, gab es für Gabrielle bald die passende Gelegenheit, ihn abzufangen und ihm ein Angebot zu machen, das er nicht ablehnen konnte. Zumindest war das ihr Plan gewesen.

Aber dann war es ihr nur gelungen, ein paar Sätze zu stammeln, während er sie aus stahlblauen Augen durchdringend gemustert hatte. Sie war verwirrt, aber sie wusste, dass dies ihre einzige Gelegenheit war, ihren Plan umzusetzen. Also musste sie sich fassen und es erneut versuchen.

Langsam öffnete Gabrielle die Tür zum Ballsaal. Beschwingter, lauter Jazz tönte ihr entgegen, doch was sie bis ins Innerste traf, war Durantes Blick. Offenbar hatte er erwartet, dass sie ihm folgen würde.

Sofort erfasste sie jedoch, dass es kein Durchkommen zu ihm gab. Er war nach wie vor umringt von Leuten, die auf ihn einredeten, und er schien ihnen zuzuhören und zu antworten, während er unverwandt zu Gabrielle hinüberschaute.

Einerseits drängte ihr Auftrag, andererseits war sie froh über die Schonfrist. Sie war eine erfahrene Geschäftsfrau, hatte eine Ehe und eine Scheidung durchgestanden, war Affären nicht abgeneigt gewesen, ohne wirklich Befriedigung dabei zu finden. Prinz Durante aber war absolutes Neuland für sie. Einen Mann wie ihn hatte sie nie zuvor kennengelernt, und eine innere Stimme warnte sie davor, sich ihm noch einmal zu nähern.

Es war Zeit für sie, zu gehen. Und zwar jetzt gleich.

Doch dafür musste sie sich dem magischen Blick seiner Augen entziehen, was ihr unter Aufbietung all ihrer Kräfte endlich auch gelang. Sie hatte den Ballsaal beinah verlassen, als sie eine samtweiche Männerstimme hörte: „Laufen Sie nicht davon.“

Die Stimme kam aus den Lautsprechern, aber was der Mann sagte, galt ihr, ihr allein.

Gabrielle wandte sich um und sah Prinz Durante auf der Bühne vor dem Mikro stehen. Gebannt schaute sie in seine Augen.

„Ladies und Gentlemen“, begann er. „Vielen Dank, dass Sie aufgrund Ihrer Spende von zehntausend Dollar an unserer heutigen Gala teilnehmen. Ich sehe, dass Sie alle begierig sind, noch mehr für unseren guten Zweck zu tun, und deshalb möchte ich die Auktion eröffnen. Sie alle haben die Liste mit den Objekten erhalten. Die Umstände zwingen mich allerdings zu einer kleinen Änderung des Programms. Das erste Objekt, das versteigert wird, bin … ich.“

2. KAPITEL

Wenn Prinz Durante D’Agostino verkündet hätte, er wäre Superman und könnte fliegen, hätte das kaum eine stärkere Reaktion unter den Anwesenden hervorrufen können.

Nicht unbedingt bei Gabrielle, denn sie hielt ihn, wie er so dastand und die Szenerie dominierte, sowieso für ein beinah übernatürliches Wesen. Sein edler schwarzer Designeranzug, seine markanten Gesichtszüge, sein rabenschwarzes dichtes Haar, seine königliche Haltung, die Art, wie er lässig eine Hand in die Hüfte gestützt hatte – all das verlieh ihm die Aura eines göttlichen Wesens. Mühelos schien er das Geschehen im Ballsaal zu dominieren und hielt dabei seinen Blick unverwandt auf Gabrielle gerichtet. Und was sie in seinen Augen las, war so intensiv, dass ihre Knie nachzugeben drohten. Gleichzeitig bedachte er die Aufregung, die er unter den Gästen der Wohltätigkeitsveranstaltung ausgelöst hatte, mit einem leicht zynischen Lächeln.

„Ehe Sie jetzt ganz aus dem Häuschen geraten“, sagte er, „möchte ich hinzufügen, dass ich mich nicht als Ganzes zur Auktion anbiete, sondern nur mein Ohr. So viele von Ihnen kommen zu mir, um mich um Gehör zu bitten. Jetzt haben Sie die Chance, eine Stunde meiner ungeteilten Aufmerksamkeit zu bekommen.“ Er lächelte, und dieses Lächeln führte sicher nicht nur bei Gabrielle zu Herzklopfen. „Ein erstes Angebot liegt übrigens schon vor. Hunderttausend Dollar.“

Nie zuvor war Gabrielle dem Charme und der Überlegenheit eines Mannes so ausgeliefert gewesen. Sie fühlte sich wie eine Marionette, die alles tat, was ihr Meister von ihr wollte. Wie magnetisiert ging sie hinüber zu der Menschenmenge, die das Podium umringte, und reihte sich unter die Bieter ein.

Gleich darauf hörte sie, wie Durante nah ans Mikrofon trat und mit samtweicher Stimme fragte: „Höre ich da etwa hundertzehntausend?“

Mindestens drei Dutzend Leute, die meisten von ihnen Frauen, hoben die Hände. Prinz Durante lächelte zufrieden. „Danke. Höre ich hundertzwanzigtausend?“

Gabrielle ließ ihre Hand nach oben schnellen. Das hier begann, ihr Spaß zu machen, wider alle Vernunft.

Ein Gebot nach dem anderen wurde abgegeben, und die Spannung im Raum stieg, bis sie fast mit Händen greifbar war. Als bei vierhundertfünfzigtausend immer noch Bieter mithielten, ging Gabrielle aufs Ganze. „Ich biete eine Million“, platzte sie heraus.

Es wurde still im Saal. Alle Anwesenden drehten sich zu ihr um und starrten sie an.

Durantes Blick veränderte sich, wurde ernst. Forschend sah er zu ihr hinüber, eine Frage, nein, ein Versprechen stand in seinen Augen. „Das ist eine nette runde Summe“, sagte er dann. „Möchte jemand mehr bieten? Nein? Gut. Dann habe ich eine Million von der Dame in Blau. Zum Ersten, zum Zweiten, zum …“

„Ich biete zehn Millionen.“

Durante sah, wie die mysteriöse Dame in Blau erschrak, ehe er begriff, was der neue Bieter gerade gesagt hatte. Erst dann löste er seinen Blick von der Unbekannten und suchte nach der Quelle des Unheils. Als er den Mann erblickte, verspannte er sich. Wie war dieser Mensch hier reingekommen? Und weshalb war es seiner Aufmerksamkeit entgangen, dass er hier war?

Apropos Aufmerksamkeit. Seine Bodyguards hatten Mist gebaut. Und er selbst war so fasziniert von der schönen Fremden gewesen, dass er kein Auge für etwas anderes gehabt hatte.

Jetzt stand Jeremiah Langley dort drüben und starrte ihn an, so wie ein Mensch, der zu versinken droht, seinen Lebensretter anstarren würde. Einen Monat zuvor noch hatte Langley ihm vorgeworfen, ihn ruiniert zu haben. Und kurz darauf hatte er versucht, Durante zu erdolchen. Durante hatte keine Ahnung, wie Langley darauf kam, ihm die Schuld an seinem Bankrott in die Schuhe zu schieben, denn die Aktienspekulationen, die dieser Mensch betrieben hatte, waren gegen seinen Rat geschehen. Als Langley bankrottging, hatte Durante alles versucht, um den Ruin so lange wie möglich geheim zu halten, damit das Ganze kein juristisches Nachspiel hatte. Es war ihm gelungen, die Insolvenz erst dann publik werden zu lassen, nachdem Langley seine Aktien zu einem akzeptablen Preis verkauft hatte. Schließlich wollte er nicht, dass der Mann völlig mittellos zurückblieb. Nach der Attacke hatte er Jeremiah Langley allerdings unmissverständlich zu verstehen gegeben, dass er ihn nie wiedersehen wollte.

Niemand wusste von seinen geschäftlichen Kontakten zu Langley, und kein Mensch wäre auf die Idee gekommen, dass der Mann die zehn Millionen, die er hier geboten hatte, überhaupt nicht besaß. Durante konnte ihn nicht bloßstellen, daher musste er sein Gebot akzeptieren.

Und das war das Schlimmste.

Denn die mysteriöse Lady schien ihre Niederlage bereits akzeptiert zu haben und war dabei, zu gehen. Sie verschwand aus seinem Leben. Aber das durfte nicht geschehen. Er wollte mehr über sie wissen. Er wollte sie besitzen. Noch in dieser Nacht.

Gabrielle fühlte sich wie betäubt. Eben noch hatte sie fieberhaft darüber nachgedacht, wie sie die Million aufbringen sollte, die sie für eine Stunde mit Prinz Durante D’Agostino geboten hatte, als sie auch schon überboten wurde. Sie hatte sich die Sorgen umsonst gemacht. Aber auch alle Hoffnung war dahin. Sie fühlte Durantes Blick auf sich ruhen, doch sie floh aus dem Saal, verließ das Hotel und eilte über den Parkplatz zu ihrem Wagen. Mit der Fernbedienung löste sie die Verriegelung und war gerade dabei, die Fahrertür zu öffnen, als sie einen lauten Befehl vernahm, der über den dunklen Parkplatz hallte.

„Bleiben Sie stehen!“

Vor Schreck ließ sie den Schlüssel und ihre Abendtasche fallen und lehnte sich schwer atmend gegen ihren Wagen. Als Durante näher kam, fühlte sie sich wie gelähmt.

„Halt!“, ertönte seine Stimme erneut. Etwa zwei Meter vor ihr blieb er stehen.

„Was bin ich für Sie?“, fuhr Gabrielle ihn an, doch ihre Stimme war rau und versagte ihr beinah den Dienst „Ihr Pudel? Was kommt als nächster Befehl? Platz?“ Sie unterbrach sich und atmete einmal tief durch.

„Dann sage ich halt ‚stopp‘“, erwiderte er sanft. „Ehe Sie meiner Fantasie noch mehr anheizen.“

Seine Stimme, die sie bisher nur über Lautsprecher gehört hatte, ließ sie erschauern. Sie war tief und nuancenreich, und das markant gerollte „R“ wirkte auf Gabrielle sehr sinnlich.

„Wäre ‚stopp‘ Ihnen angenehmer? Oder sollte ich lieber sagen: Gehen Sie nicht weg?“

„Das ist beides ein Befehl“, erwiderte sie.

Er musterte sie lächelnd. „Zumindest sind es keine Befehle für einen Hund“, meinte er leichthin. „Zumindest wenn mich meine mangelhaften Englischkenntnisse nicht trügen.“

Unwillkürlich begann sie zu lachen.

Durante schaute sie aus seinen stahlblauen Augen amüsiert und gleichzeitig elektrisiert an. Dann lachte er leise.

„Sie nutzen Ihre angeblich mangelhaften Englischkenntnisse als Ausrede, um quer über den Parkplatz hinweg ‚bleiben Sie‘ zu rufen?“

„Na und?“ Amüsiert sah er sie an.

„Mich hätte fast der Schlag getroffen“, fuhr sie tadelnd fort.

Genüsslich musterte er sie von oben bis unten. „Sie wirken sehr lebendig auf mich“, bemerkte er dann. „Mehr noch. Sie erregen mich.“

Gabrielle bemühte sich, nicht auf seine Hose zu starren. „Sehen Sie? Ihr Englisch ist perfekt.“

„Wie schade, dass Sie das nicht meinem Englischlehrer sagen können. Er war nämlich anderer Meinung.“

„Wirklich? Sie wollen mich auf den Arm nehmen!“

Autor

Olivia Gates
<p>Olivia Gates war Sängerin, Malerin, Modedesignerin, Ehefrau, Mutter – oh und auch Ärztin. Sie ist immer noch all das, auch wenn das Singen, Designen und Malen etwas in den Hintergrund getreten ist, während ihre Fähigkeiten als Ehefrau, Mutter und Ärztin in den Vordergrund gerückt sind. Sie fragen sich jetzt bestimmt...
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