Den Himmel auf Erden für Dich

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Blondes Haar. Veilchenblaue Augen. Lange Beine. Eine hinreißende Figur. Kein Zweifel: Die zauberhafte Melinda ist ein Traum von einer Frau. Doch Cole bleibt misstrauisch. Er glaubt nicht, dass eine Vertreterin für sexy Dessous die Richtige für einen ernsthaften Tierarzt aus Texas ist. Aber er ist ihr längst rettungslos verfallen …


  • Erscheinungstag 09.05.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733756901
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Als der Jeep Melinda Bravos schnittigen BMW rammte, versuchte sie gerade sich Mut zuzusprechen.

„Entspann dich und atme tief durch“, hatte sie laut gesagt, obwohl sich niemand außer ihr im Wagen befand. „Du hast noch genug Zeit. Du bist ruhig und gesammelt, richtig angezogen und gut auf dieses Verkaufsgespräch vorbereitet. Evelyn Erikson ist wie geschaffen für deine wundervollen Entwürfe. Es war richtig von dir, darauf zu bestehen, dass du dieses Mal deine Entwürfe selbst präsentierst.“

Melinda legte eine kleine Pause ein, als die Ampel an der Kreuzung auf Gelb schaltete. Sie schaute nach links und nach rechts. Nirgends war ein Wagen zu sehen, also gab sie Gas und fuhr mit ihrem Selbstgespräch fort.

„Du wirst ein tolles Geschäft machen, und Rudy wird endlich begreifen, wie fähig und talentiert du …“

Dann geschah es. Sie hatte noch nicht einmal mehr Zeit den Satz zu Ende zu sprechen. Etwas Mitternachtsblaues erschien ihrem linken Blickwinkel.

Und dann kam der Zusammenstoß. Ein ohrenbetäubendes krachendes Geräusch erfüllte auf einmal die Luft. Ihr Wagen rutschte zur Seite, Reifen quietschten, als sie vergeblich versuchte, ihren BMW auf der Fahrbahn zu halten.

Für einen winzigen Moment sah sie sich im Spiegel. Die Augen weit aufgerissen, den Mund zu einem bestürzten Oh geformt. Sie umklammerte das Lenkrad und erwartete den Tod.

Den Bruchteil einer Sekunde später prallte der Wagen auf etwas, das ihn zu einem abrupten Halt brachte. Aus dem Nichts erschien ein riesiges Kissen und umhüllte weich ihr Gesicht.

Der Airbag, dachte sie benommen. Das ist nur der Airbag …

Metall knirschte.

Sofort ging die Luft auf dem Airbag raus und seine leere Plastikhülle blieb auf dem Lenkrad liegen.

Und dann war sie plötzlich von Stille umgeben, das einige Momente später von einem leisen mitleidserregenden Wimmern durchbrochen wurde. Melinda brauchte eine Weile, bis sie erkannte, dass es ihr Eigenes war. Sie schluchzte und starrte durch die Windschutzscheibe hinauf zum strahlend blauen Himmel von Los Angeles, von dem unbarmherzig die Sonne herunterbrannte.

Ein Unfall, dachte sie töricht. Ich hatte gerade einen Unfall. Sie wagte es den Kopf zu drehen und schaute nach rechts durch das Fenster der Beifahrertür hinaus. Sie war gegen die Leitplanke der Straße gefahren. Ein großer hölzerner Telegrafenmast stand nur zwanzig Zentimeter von ihrer Beifahrertür entfernt.

Sie schluchzte erneut, drehte den Kopf zur anderen Seite, schaute erst durch ihr Fenster und dann weiter nach hinten.

Melinda schrie entsetzt auf. Ein glänzender dunkelblauer Jeep hatte sich hinten in ihren Wagen gebohrt. Die linke Seite seiner riesigen Motorhaube war höchstens fünfzehn Zentimeter von ihrer Fahrerseite entfernt.

Melinda blinzelte, schaute wieder nach vorne und dann an ihrem Körper hinunter. Kein Blut. Keine Knochen, die aus der Haut ragten. Bis jetzt hatte sie noch nicht einmal einen blauen Fleck entdeckt. Mit zitternder Hand griff sie zum Rückspiegel und sah sich ihr Gesicht an.

Sie sah so verwirrt aus, wie sie sich fühlte. Doch sie konnte keine Verletzungen entdecken. Selbst das Haar, das sie vor einigen Stunden zu einem schlichten Nackenknoten frisiert hatte, saß noch perfekt.

Mir ist nichts passiert, dachte sie und versuchte dankbar dafür zu sein. Doch dann fiel ihr Blick erneut in den Rückspiegel, und sie bemerkte, dass der Kofferraumdeckel aufgesprungen und verbogen war.

Die Dessous. Oh nein …

Sie stellte sich die hübschen pink- und goldfarbenen Schachteln vor, die sie so sorgfältig unter Rudys kritischen Augen in ihren Wagen gepackt hatte. „Bitte, lieber Gott“, murmelte sie. „Bitte, lass der Wäsche nichts zugestoßen sein …“

Sie hörte ein quietschendes Geräusch, schaute zur Linken und sah, dass die Fahrertür des Jeeps sich öffnete.

Ein großer Cowboy mit einem Stetson stieg aus. Der Mann trug verwaschene Jeans, abgenutzte Stiefel und ein kariertes Hemd. Der Cowboy schloss die Tür und nahm dann den Hut ab. Sie sah, dass der Mann dichtes braunes Haar hatte, das in der Sonne glänzte. Wie gebannt blieb sie regungslos sitzen und starrte ihn an.

Mit zwei Schritten war er an ihrer Tür und lehnte sich gegen sie. Sie bemerkte, wie freundlich sein Blick, wie sanft und warm seine Augen waren. Sie waren hellbraun mit grünen Flecken.

„Geht es Ihnen gut, Ma’am?“

„Ich … ja, ich glaube … mir geht es gut. Mit ist nichts passiert. Ich habe keine Verletzungen.“ Sie griff zum Verschluss des Sicherheitsgurtes, doch ihre Hände schienen ihr nicht zu gehorchen. Sie war unfähig, ihn zu öffnen.

„Warten Sie.“ Der Cowboy setzte den Hut wieder auf und griff in den Wagen.

Melinda spürte die Wärme seines Körpers und nahm seinen Duft war, ein Aftershave oder irgendeine gut riechende Seife. Für den Bruchteil einer Sekunde beugte er sich über sie. Sein Oberkörper streifte ihre Brüste. Dann zog er sich sofort wieder zurück und gab ihr noch nicht einmal genug Zeit, um auf die plötzliche Nähe zu reagieren.

„So.“

Erst jetzt wurde ihr klar, dass er für sie den Sicherheitsgurt geöffnet hatte. Es gelang ihr, ein Danke hervorzubringen, obwohl ihr Gehirn offensichtlich die Arbeit eingestellt hatte und ihre Zunge sich in ihrem Mund wie ein Stück Holz anfühlte.

„Gern geschehen“, erwiderte er, trat ein Stück zurück und hielt die Tür auf, damit sie aussteigen konnte. Doch Melinda musste feststellen, dass sie sich genauso ausgepumpt und kraftlos fühlte wie der leere Airbag, der über ihren Knien lag.

Der Cowboy legte sorgenvoll die Stirn in Falten. „Geht es Ihnen auch wirklich gut?“

„Natürlich. Ich bin nur … nur etwas benommen.“

„Sie stehen unter Schock“, sagte er bestimmt. „Damit spaßt man nicht. Wir sollten einen Krankenwagen rufen und …“

Sie hob abwehrend eine Hand. „Bitte, ich sagte Ihnen doch, dass es mir gut geht.“

Seine Stirn war immer noch gerunzelt. „Sie sehen aber nicht so aus.“

„Nun, es geht mir aber gut.“ Sie schob die leere Plastikhülle des Airbags zur Seite, und irgendwie gelang es ihr die Beine zur Seite zu schwingen. So blieb sie eine Weile sitzen und schaute den vorbeifahrenden Wagen zu, deren Fahrer neugierig oder kopfschüttelnd zu ihnen hinüberschauten, wie Menschen es nun einmal taten, wenn sie an einer Unfallstelle vorbeifuhren.

Der Cowboy zuckte mit den Schultern. „Also gut. Es ist Ihr Leben“, sagte er und hielt ihr eine Hand entgegen. Sie war groß und kräftig mit langen, schlanken Fingern. „Kommen Sie.“

Sie erhob sich mit seiner Hilfe und bemerkte fest, wie warm und rau seine Hand war und wie viel Sicherheit sie ihr schenkte. Sobald sie stand, zog sie ihre Hand zurück und holte tief Luft. Es war alles in Ordnung. Ihre Beine würden sie tragen.

„Ich fühle mich jede Sekunde besser“, erklärte sie und zwang sich zu einem Lächeln.

„Das freut mich.“ Er erwiderte ihr Lächeln. Er hatte ein eigenwilliges Kinn mit einem Grübchen in der Mitte, und sein Lächeln umspielte nicht nur seinen Mund, sondern leuchtete auch in diesen freundlichen braun-grünen Augen.

Aus irgendeinem Grund dachte sie auf einmal an Christopher. Christophers Kinn war schmal, seine Stirn hoch und glatt. Niemand hätte ihm angesehen, dass er bereits über vierzig Jahre alt war. Christopher ging sparsam mit seinem Lächeln um. Ganz bestimmt würde er es nicht an eine Frau verschwenden, die er gerade aus einem zerbeulten BMW gezogen hatte, eine Frau, die mit zu hoher Geschwindigkeit bei Gelb in eine Kreuzung gerast war.

Der Cowboy legte erneut die Stirn in Falten. „Ist Ihnen schwindlig?“

„Nein, nein, ganz und gar nicht.“ Sie schaute zu dem Jeep hinüber. Auf dem Beifahrersitz saß eine junge Frau. Sie hatte das gleiche Lächeln wie dieser Cowboy, ein offenes, herzliches Lächeln, das auch aus ihren Augen strahlte.

Dann wandte Melinda ihre Aufmerksamkeit wieder dem Cowboy zu. „Ist mit Ihrer Beifahrerin alles in Ordnung?“

„Ja, Annie geht es gut.“ Ein amüsiertes Lächeln trat auf sein Gesicht. „Und mir geht es ebenfalls gut, falls es Sie interessiert.“

Melinda blieb ernst. Es schien ihr gefährlich zu sein, zu viel mit diesem Mann zu lächeln.

„Das ist gut“, erklärte sie. „Dann ist wenigstens niemand verletzt worden.“ Sie schaute wieder zu den Fahrzeugen hinüber.

Der Anblick half nicht, sie aufzumuntern. Es sah nicht so aus, als ob sie in absehbarer Zeit wieder mit ihrem BMW fahren könnte.

Plötzlich wurde sie von dem Wunsch überwältigt, auf der Stelle loszuweinen. Einfach den Kopf zurückzuwerfen und dem wunderbar blauen Himmel dort oben ihr Elend entgegenzuschluchzen.

Aber sie riss sich zusammen. Ihre Würde konnte ihr keiner nehmen.

„Ma’am“, sagte der Cowboy, „warum …“

Sie schnitt ihm das Wort ab, indem sie sich abwandte und um seinen Jeep zu ihrem offen stehenden Kofferraum herumging.

Als sie davor stand, stellte sie fest, dass sie noch einmal Glück im Unglück gehabt hatte. Es sah nicht so schlimm aus, wie sie es befürchtet hatte. Die hübschen Schachteln, die sie so sorgfältig gestapelt hatte, waren zwar durcheinandergefallen und einige sahen ein wenig eingebeult aus, aber die pink- und goldfarbenen Schleifen hatten gehalten, und ihr Inhalt schien intakt zu sein.

„Soll ich mal versuchen, ob mein Jeep noch fährt?“, fragte der Cowboy. Er war ihr gefolgt und stand nur einen Meter entfernt von ihr.

Sie drehte sich um. „Klar. Versuchen Sie es.“

Er ging zur Fahrertür und stieg ein. Dann sagte er etwas zu seiner Beifahrerin, startete den Motor und legte den Rückwärtsgang ein. Der Jeep löste sich sofort von dem BMW, obwohl das Knarren und Stöhnen des Blechs nicht angenehm für die Ohren war. Dann parkte der Mann den Jeep einige Meter weiter entfernt auf einer ausgezeichneten Parkfläche.

Melinda wagte es, wieder näher an ihren Wagen heranzugehen. Erst jetzt konnte sie das Ausmaß des Schadens richtig erkennen. Die hintere linke Seite sah aus, als ob eine riesige Metallfaust hineingeschlagen hätte. Und auch mit den Hinterreifen schien etwas nicht zu stimmen. Dann warf sie einen Blick auf den großen Jeep. Eine verbogene Stoßstange und einige Beulen im Kotflügel war alles, was sie sehen konnte.

Der Cowboy kam auf sie zu und blieb dann an ihrer Seite stehen. Einen Moment starrten sie beide auf den Unfallwagen.

„Wow!“, rief er schließlich aus. „Es sieht so aus, als ob die Hinterachse übel verbogen wäre.“ Mit diesen Worten nahm er den Hut ab und schlug ihn zweimal gegen seinen Oberschenkel.

Genau wie Zach, schoss es ihr durch den Kopf. Zach war ihr großer Bruder, den sie über alles liebte, obwohl sie ihn nicht verstand. Er leitete jetzt die Familienranch in Wyoming. Von klein auf war er von Kühen und der unendlichen Weite des Landes fasziniert gewesen.

Der Cowboy lächelte, als er ihren Blick bemerkte, und Melinda wusste sofort, was das Glitzern in seinen Augen bedeutete. Dieses Glitzern war nicht neu für sie. Sie hatte es zu oft in den Augen von Männern gesehen. Ihr ganzes Leben lang hatte man Melinda gesagt, wie schön sie war. Und über die Jahre hinweg war sie es leid geworden, ständig Annäherungsversuche von Männern abwehren zu müssen. Aber aus irgendeinem Grund störte sie die Bewunderung, die in den Augen dieses Mannes lag, überhaupt nicht – obwohl sie etwas unpassend war, wenn man bedachte, dass eine hübsche Beifahrerin in seinem Jeep auf ihn wartete.

Melinda brach den Blickkontakt ab, und der Cowboy setzte wieder seinen Hut auf.

„Ich glaube, Ihnen bleibt nichts anderes übrig, als Ihren Wagen in eine Werkstatt schleppen zu lassen.“

„Na, wunderbar“, murmelte sie, als ihr erneut die Schwierigkeit ihrer Situation bewusst wurde. Sie widerstand dem Wunsch, ihn anzuklagen, ihn zu fragen, wo er seine hübschen Augen gehabt hatte. Was hatte ihn nur davon abgehalten, auf die Straße zu schauen?

Aber Anklagen würde sie nirgendwohin bringen. Sie wusste, dass sie genau so viel Schuld wie er hatte. Außerdem war er hilfsbereit und verhielt sich in dieser Situation ausgesprochen fair.

Nein, sollte sich doch die Versicherung um die Schuldzuweisung kümmern. Jetzt sollte sie ein Taxi rufen und beten, dass es rechtzeitig kam, um sie zu Evelyn Eriksons Villa zu bringen, und zwar – sie warf einen Blick auf ihre Rolex – innerhalb von fünfzehn Minuten.

Das würde sie nie schaffen. Dabei war Evelyn Erikson ebenso berühmt für ihre Launen, wie für ihre Schönheit und ihr Talent. Dem legendären Star würde es gar nicht gefallen, auf eine gewöhnliche Vertreterin warten zu müssen.

Und dabei ist das meine große Chance, dachte Melinda halb ironisch, halb verzweifelt.

Sie brauchte diesen Termin. Und sie hatte diese einzigartige Gelegenheit nur erhalten, weil sie all ihren Charme aufgebracht und den persönlichen Assistenten von Evelyn Erikson am Telefon überzeugt hatte, dass sie allein die richtige Person war, um Evelyn Erikson die Dessous in ihrer Villa zu unterbreiten.

Der Cowboy stand immer noch neben ihr und wartete. Als Erstes würde sie ihn und seine Freundin fortschicken müssen. „Ich glaube, wir sollten unsere Adressen und Versicherungsdaten austauschen“, erklärte sie.

Der Cowboy schaute sie immer noch an. Besorgnis lag in seinen warmen braun-grünen Augen – und dann spürte sie, wie etwas Feuchtes, Warmes ihre Wange hinunterlief. Eine Träne. Du lieber Gott. Wie furchtbar. Mitleid konnte sie jetzt gar nicht gebrauchen. Sie wischte sie entschlossen weg. „Sind Sie versichert?“

„Natürlich.“

Sie wischte eine weitere idiotische Träne weg und betete, dass ihr Mascara nicht verlaufen war. Evelyn Erikson mit roten Augen und verschmiertem Make-up gegenübertreten zu müssen, hatte ihr jetzt noch gefehlt. „Ich werde meine Handtasche holen.“

Der Cowboy schüttelte den Kopf. „He, vielleicht sollten Sie alles ein wenig ruhiger angehen. Setzen Sie sich und atmen Sie erst einmal ruhig durch …“

„Ich sagte, ich hole jetzt meine Handtasche“, unterbrach sie ihn bestimmt.

Der Cowboy schüttelte erneut den Kopf, widersprach aber nicht. Während sie zu ihrer offen stehenden Fahrertür hinüberging, überlegte sie, was sie als Nächstes tun sollte.

Das Taxi. Ja. Sie würde zuerst ein Taxi rufen. Während sie darauf wartete, könnte sie mit dem Cowboy die Angaben der Versicherungsnummern tauschen.

Sie schubste ungeduldig den leeren Airbag zur Seite und lehnte sich über den Fahrersitz, um nach ihrer Handtasche zu suchen. Großartig. Sie war bei dem Aufprall vom Beifahrersitz gerutscht, und ein Teil des Inhalts hatte sich auf den Boden vor dem Sitz verteilt.

Sie stöhnte, streckte sich noch weiter vor, griff nach der Handtasche und schüttelte den Rest aus. Ihr Portemonnaie und ihre Brieftasche, ein Paket Papiertaschentücher und ein Kugelschreiber fielen heraus, aber nicht das Handy, das sie jetzt dringend brauchte.

Leise fluchend warf sie die leere Handtasche auf den Rücksitz und begann in dem Durcheinander auf dem Boden zu suchen.

Aber das Handy fand sie nicht. Sie seufzte frustriert und bückte sich, sodass sie unter den Beifahrersitz schauen konnte.

„Ma’am. Sind Sie sicher, dass alles in Ordnung ist?“

Der Cowboy. Na, wundervoll. Sie warf ihm über die Schulter einen grimmigen Blick zu. Er stand genau vor der Tür und gab sich offensichtlich Mühe, nicht auf ihre entblößten Oberschenkel zu starren.

„Ich sagte Ihnen doch, mir geht es gut. Ich brauche nur … ich suche nach meinem Handy.“ Melinda bückte sich erneut und schaute finster unter den Sitz. Dann steckte sie die Hand darunter. Sie kam mit einem Lippenstift und einer Packung Pfefferminzpastillen hervor, aber nicht mit dem Handy.

Und der Cowboy stand immer noch hinter ihr und genoss ohne Zweifel den Ausblick.

Frustriert und verärgert stieg Melinda schließlich aus und straffte sich. Dann strich sie ihren kurzen Rock und die ebenso kurze Jacke glatt und fuhr sich mit der Hand über die Seiten ihres ordentlich zusammengesteckten Haares.

Der Cowboy wartete gelassen, bis sie wieder Fassung gewonnen hatte.

Dann erinnerte sie sich daran, dass sie ihm den Namen und die Nummer ihrer Versicherung geben sollte. Aber die Karte lag immer noch auf dem Boden ihres Wagens, ebenso wie alle anderen Sachen. Sie schloss die Augen, zählte im Stillen bis fünf und öffnete sie dann wieder. „Entschuldigen Sie. Es ist nur so, dass … Ich muss dringend ein Taxi bestellen. Und mein Handy, nun, es scheint sich in Luft aufgelöst zu haben.“

„Sie brauchen eine Mitfahrgelegenheit“, sagte er. Das Lächeln kehrte zurück und erhellte sein attraktives, sympathisches Gesicht. „Das ist doch kein Problem. Annie und ich bringen Sie hin, wohin immer Sie wollen.“

Sie warf erneut einen Blick zu dem Jeep hinüber, in dem die junge Frau namens Annie so geduldig darauf wartete, dass ihr Cowboy endlich weiterfuhr. „Das ist nicht Ihr Ernst.“

„Doch, das ist es.“

„Nein. Wirklich, ich könnte doch nicht …“

„Warten Sie hier. Ich sehe, wie es Annie geht.“

„Wie es ihr geht?“, wiederholte Melanie etwas dümmlich. Doch der Cowboy war bereits zum Jeep gelaufen.

Er sprach kurz mit der Person namens Annie und kam dann zurück. „Kommen Sie. Steigen Sie ein. Wir fahren Sie.“

„Aber das geht doch nicht. Sie können doch nicht …“

„Warum nicht? Klettern Sie in den Jeep, dann können wir losfahren.“

Sie wusste, dass sie es nicht tun sollte. Sie nutzte den armen Mann nur aus. Und außerdem, was wusste sie eigentlich über ihn? Vielleicht war er irgendein Highway-Kidnapper.

Nein, nicht mit diesen Augen. Außerdem war sein Angebot wirklich zu verlockend. Wenn sie jetzt abfuhren, könnte sie es vielleicht noch rechtzeitig schaffen. „Aber ich habe sehr viele Schachteln, die ich mitnehmen muss.“

Er wies auf den großen Jeep. „So groß wie der Kofferraum ihres kleinen Flitzers wird meiner schon lange sein.“

„Ich … ich kenne noch nicht einmal ihren Namen.“

„Cole Yuma.“ Er streckte ihr die rechte Hand entgegen.

Melinda ergriff sie zum zweiten Mal. Sie war genau so warm wie zuvor. Warm und stark.

Warnlichter blinkten plötzlich in ihrem Kopf auf. Sei vernünftig, Melinda, sagte sie sich. Lass dir nicht von irgendeinem hergelaufenen Cowboy ein Gefühl von falscher Sicherheit vermitteln. Kein Mann auf der Welt wird deine Probleme für dich lösen. Das solltest du mittlerweile gelernt haben.

Sie schüttelte seine Hand. „Ich bin Melinda. Melinda Bravo.“ Dann ließ sie sie rasch wieder los.

„Kommen Sie, wir werden die Schachteln holen.“

„Gute Idee.“

Nachdem sie sie in dem Kofferraum des Jeeps verstaut hatten, lief Melinda zurück zu ihrem Wagen, holte ihre Handtasche vom Rücksitz und steckte die Gegenstände, die auf dem Boden lagen, wieder hinein. Dann zog sie den Schlüssel aus dem Zündschloss, stieg aus und schloss die Tür ab – ihr Verhalten kam ihr zwar absurd vor – man würde einen Abschleppwagen benötigen, um diesen Wagen von der Stelle zu bewegen – aber es war ein teurer Wagen, und niemand konnte wissen, auf welche Ideen manche Menschen kamen.

Schließlich lief sie zum Jeep hinüber, in dem Cole bereits Platz genommen und den Motor gestartet hatte. Das Mädchen Annie hatte die Tür für sie geöffnet und rutschte dann zu Cole hinüber, um Melinda Platz zu machen.

Melinda zog sich mit einer Hand an der Tür hoch und schaute in Annies große haselnussfarbene Augen. Das Mädchen war herzzerbrechend jung, höchstens achtzehn oder neunzehn Jahre alt, und sie war hochschwanger. Sie hatte die linke Hand, an der ein Ehering glänzte, auf ihren runden Bauch gelegt.

Melinda ließ unwillkürlich die Tür los.

Tief in ihrem Inneren, dort wo seit Langem Leere herrschte, spürte sie ein schmerzhaftes Ziehen.

Und jetzt erinnerte sie sich an das, was sie den ganzen Tag über versucht hatte, zu vergessen. Heute war der achte Juli, der Geburtstermin ihres Babys. Er wäre es zumindest gewesen, wenn sie nicht eine …

„Nun kommen Sie schon“, drang Annies Stimme in ihre Gedanken. „Haben Sie nicht gesagt, Sie hätten es eilig?“

Plötzlich schoss Melinda ein äußerst beunruhigender Gedanke durch den Kopf. „Du lieber Himmel. Bitte sagen Sie mir jetzt nicht, dass Sie auf dem Weg zum Krankenhaus waren.“

Cole Yuma lachte. Es war ein tiefes, warmes Lachen. „In Ordnung, Ms. Bravo. Wir werden es Ihnen nicht sagen.“

„Cole, hör auf, Sie zu ärgern.“ Annie stieß dem Cowboy mit den Ellbogen in die Rippen und lächelte Melinda freundlich an. „Der Termin ist erst in drei Wochen. Cole und ich wollten nur einige Sachen einkaufen. Für das Baby, wissen Sie.“

Melinda warf einen zweifelnden Blick auf die umliegenden Villen und den gepflegten Rasen. Und Annie lachte. „Wir wollten uns auch ein wenig die Gegend ansehen. Schauen, wie die Reichen und die Filmstars leben.“

„… und Sie nehmen jetzt besser Platz“, sagte Cole. „Wir können Sie nicht zu Ihrem Ziel bringen, wenn Sie nicht einsteigen.“

Melinda zögerte noch einen Moment benommen. Irgendwie kam ihr alles so unwirklich vor. Der wunderbare Julitag ebenso wie ihr verbeulter BMW, der nur einige Meter entfernt an der Leitplanke stand, oder der Cowboy und seine blutjunge schwangere Begleiterin. Und erst recht der Gedanke, dass ausgerechnet die beiden sie jetzt zu einem berühmten Filmstar brachten, dem sie sündhaft teure Dessous verkaufen sollte.

„Melinda, steigen Sie endlich ein“, sagte Cole mit so viel Autorität, dass sie erstaunt zu ihm hinübersah. Coles Blick war immer noch freundlich, ließ aber keine Diskussion zu.

Also schwang sich Melinda auf den Sitz neben Annie und zog die Tür zu.

„Links oder rechts?“, fragte Cole.

„Rechts.“

Der Cowboy lenkte den Jeep in die gewünschte Richtung, und Melinda lehnte sich zurück und seufzte.

Mit etwas Glück könnten sie es sogar noch schaffen.

2. KAPITEL

Einige Minuten später bogen sie von der breiten Villenstraße in eine private Einfahrt ab, die mit Palmen gesäumt war. Schon bald sahen sie eine hohe Mauer und standen schließlich vor einem breiten schmiedeeisernen Tor, in dem die Buchstaben E und E in Gold geschlungen waren.

„Du meine Güte“, hauchte Annie. „Wer lebt denn hier?“

„Evelyn Erikson.“

„Evelyn Erikson?“

„Nein. Sie machen Witze. Doch nicht etwa der Filmstar?“

„Doch.“ Melinda unterdrückte ein Lächeln, als sie den fast ehrfürchtigen Ausdruck in den großen unschuldigen Augen des Mädchens sah. „Genau der. Ich bin hier, um ihr schöne Unterwäsche zu verkaufen.“

„Ich kann es nicht fassen. Evelyn Erikson, die Evelyn Erikson.“ Annie streichelte ihren Bauch und flüsterte: „Es gibt doch noch Wunder.“ Erneut empfand Melinda die Traurigkeit und Leere in ihrem Inneren.

„Dort ist die Pförtnerhäuschen“, erklärte Melinda. „Drehen Sie nur das Fenster hinunter.“

Cole folgte ihren Anweisungen, damit Melinda mit dem Pförtner sprechen konnte. Sie nannte ihren Namen und den Zweck ihres Besuches, und der uniformierte Mann schrieb etwas auf den Block, der vor ihm lag, und sah sie dann an.

„Also gut, Ms. Bravo. Wenn Sie durch das Tor gefahren sind, folgen Sie diesem Weg bis zur ersten Abbiegung rechts. Fahren Sie dann an den Tennisplätzen und den Garagen vorbei zu dem Dienstboteneingang.“

Das schmiedeeiserne Tor schwang auf, und Cole fuhr auf das Grundstück. Endlose weite Rasenflächen, auf denen Steinstatuen, Springbrunnen, Palmen, Magnolien- und Zitronenbäume standen, zogen an ihnen vorbei. Dann bog Cole rechts ab, und sie kamen an mehreren Tennisplätzen und einem lang gestreckten Gebäude mit zweiundzwanzig Toren vorbei. Die Garagen des Filmstars. Melinda wusste, dass es zweiundzwanzig Tore waren, da Annie sie laut zählte.

Dann bog Cole wieder nach rechts ab und die Villa lag vor ihnen. Es war ein riesiges, italienisch angehauchtes Haus aus weißem Stein, das sich strahlend gegen den Nachmittagshimmel abhob. Hohe schlanke Säulen boten ihnen ein Willkommen.

„Oh Mann“, flüsterte Annie beeindruckt.

Cole fuhr weiter, bis er schließlich an einem Hintereingang hielt. Selbst hier am Dienstboteneingang sollte wohl der Eindruck von Größe und Luxus erhalten bleiben. Zwei Säulen säumten den überdachten Eingang. Ein Springbrunnen plätscherte in der Nähe und links und rechts vor dem Eingang standen ein steinerner David mit Feigenblatt und ein Venus-Torso.

Melinda fand, dass der Luxus hier so stark zur Schau gestellt wurde, dass man schon wieder von schlechtem Geschmack reden konnte. Ihre Mutter, die eine Anhängerin des Understatements war, wäre sicherlich ihrer Meinung gewesen.

Offensichtlich dachte Cole ebenso. „Wisst ihr“, bemerkte er. „Ich bekomme das Gefühl, dass wir beeindruckt werden sollen.“

„Willkommen in Los Angeles“, erwiderte Melinda und schaute über Annies Kopf zu ihm hinüber.

Annie stieß einen kleinen ungeduldigen Laut aus. „Macht ihr euch nur lustig, aber ich bin wirklich beeindruckt.“

„Das haben wir gemerkt.“ Cole lächelte die junge Frau neben ihm an und sie stieß ihm spielerisch mit dem Ellbogen in die Rippen. Bereits zuvor war Melinda aufgefallen, wie ungezwungen und kameradschaftlich die beiden miteinander umgingen.

„He“, brummte er mit gespieltem Ernst. „Pass besser auf deinen Ellbogen auf.“

„Dann benimm dich nicht wie ein alter Snob.“

Melinda beobachtete das kleine Spiel zwischen den beiden und kam sich wie ein Eindringling vor – und vielleicht war sie auch ein kleines bisschen eifersüchtig. Aber sie weigerte sich, näher darüber nachzudenken, auf was sie eigentlich eifersüchtig war.

Ein wichtiges Verkaufsgespräch lag vor ihr und die Uhr am Armaturenbrett sagte ihr, dass sie erst zwei Minuten zu spät war. Vielleicht konnte sie die Situation doch noch retten. Sie musste nur noch rasch die Schachteln nehmen und hineinlaufen.

Genau in diesem Moment kam eine ältere, sehr kompakte und resolut wirkende Frau in einem grauen Dienstmädchenkleid mit weißer Schürze und Spitzenhäubchen aus der Tür. Mit energischen Schritten ging sie zum Jeep hinüber und sprach mit Cole, der sein Fenster bereits heruntergekurbelt hatte. „Ms. Erikson erwartet sie. Ich habe gehört, dass Sie Ware mitbringen. Wo ist sie? Ich werde Ihnen tragen helfen.“

Autor

Christine Rimmer
<p>Christine Rimmers Romances sind für ihre liebenswerten, manchmal recht unkonventionellen Hauptfiguren und die spannungsgeladene Atmosphäre bekannt, die dafür sorgen, dass man ihre Bücher nicht aus der Hand legen kann. Ihr erster Liebesroman wurde 1987 veröffentlicht, und seitdem sind 35 weitere zeitgenössische Romances erschienen, die regelmäßig auf den amerikanischen Bestsellerlisten landen....
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